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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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gleichgültig wie viele weltliche Objekte angehäuft werden. Der Verstand<br />

flattert stets in allen Himmelsrichtungen umher, ist aber unfähig, dort das<br />

Glück zu finden. Ohne die großen Leiden zu bedenken, die es einst in der<br />

Hölle erdulden muss, sucht das Gemüt hier nach dem Vergnügen und findet<br />

es nicht. Wie der Löwe im Käfig ist das Gemüt ruhelos. Es hat seine Freiheit<br />

verloren und ist seiner gegenwärtigen Lage überdrüssig. Oh Heiliger – ich bin<br />

von den Fesseln des Verlangens an das Netz gebunden, welches das Gemüt<br />

ausgelegt hat. So wie die dahineilenden Gewässer des Flusses die Bäume am<br />

Ufer entwurzeln, so hat das rastlose Gemüt mein ganzes Sein entwurzelt. Wie<br />

ein trockenes Blatt werde ich vom Wind meines Gemüts umhergetrieben.<br />

Nirgendwo lässt es mich ruhen. Es ist nur dieses Gemüt, welches die Quelle<br />

aller Objekte in der Welt ist. Diese drei Welten existieren nur aufgrund von<br />

Gedankentätigkeit. Wenn das Gemüt verschwindet, verschwindet auch diese<br />

Welt.<br />

RùMA fuhr fort:<br />

Wahrhaftig ist es die in das Verlangen eingekleidete Gedankentätigkeit, die<br />

in der dadurch verursachten Finsternis der Unwissenheit diese zahllosen<br />

Irrtümer entstehen lässt. Dies Verlangen dörrt die edlen und guten Eigenschaften<br />

des Gemüts und Herzens wie die Wärme und die Freundlichkeit des<br />

Charakters aus und macht mich hart und grausam. In dieser Finsternis wirbelt<br />

das Verlangen in seinen verschiedenen Gestalten wie ein Kobold umher.<br />

Obgleich ich mir verschiedene Methoden zur Beherrschung dieses Verlangens<br />

zu Eigen gemacht habe, überwältigt es mich im Nu von neuem und treibt<br />

mich hilflos vor sich her, wie der Sturm den Strohhalm mitreißt. Was immer<br />

ich mir durch die Pflege der Leidenschaftslosigkeit und ähnlicher Qualitäten<br />

erhoffe – das Verlangen vernichtet diese Hoffnung rascher, als eine Maus<br />

einen Faden durchbeißt. So bin ich hilflos gefangen im sich drehenden Rad<br />

des Verlangens. Wie der im Netz gefangene Vogel sind wir, obwohl wir Flügel<br />

besitzen, unfähig, unser Ziel zu erreichen oder Zuflucht im sicheren Hafen der<br />

Selbsterkenntnis zu finden. Auch kann dieses Verlangen niemals gestillt werden,<br />

sogar dann nicht, wenn ich Nektar in großen Zügen trinken würde. Die<br />

Besonderheit dieses Verlangens besteht darin, dass es keinerlei Ziel hat:<br />

Heute wirft es mich in diese Richtung und im nächsten Moment schon befinde<br />

ich mich gänzlich woanders – wie ein durchgegangenes Pferd. Es breitet<br />

vor unseren Augen ein riesiges Netz bestehend aus dem Sohn, dem Freund,<br />

der Ehefrau und anderen Verwandten aus, in dem wir uns verfangen.<br />

Obgleich ich mich als einen Held betrachte, macht dieses Verlangen aus mir<br />

einen furchtsamen Feigling. Obgleich ich Augen habe zu sehen, macht es mich<br />

blind. Obgleich ich eine freudige Natur habe, macht es mich elend. Es ist wie<br />

ein furchtbarer Kobold. Es ist dieser schreckliche Kobold namens Verlangen,<br />

der für Bindung und Unglück verantwortlich ist. Er bricht das Herz des Menschen<br />

und sät die Saat der Täuschung in ihm. Gefangen von diesem Kobold, ist<br />

der Mensch sogar unfähig, die Freuden zu genießen, die sich in seiner Reichweite<br />

befinden. Obschon das Verlangen dem Anschein nach zum Glück führt,<br />

I:17<br />

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