21.03.2014 Aufrufe

Die Stille atmen - Kirchenblatt

Die Stille atmen - Kirchenblatt

Die Stille atmen - Kirchenblatt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zu seinem Tode im Jahre 1153 als Vorsteher<br />

tätig. Am Tag seines Todes gab es in<br />

seinem Orden nicht weniger als 344 Klös -<br />

ter, von denen er allein 72 gegründet hat -<br />

te. Wohl auch unter seinem Einfluss grün -<br />

deten Adelige und Bischöfe in der Romandie<br />

früh die heute aufgehobenen Zisterzienserabteien<br />

Bonmont (1123–1131),<br />

Montheron (1126–1134) und dann schon<br />

bald Hauterive (1131–1137). Über den<br />

Aaregrenzraum drang die Bewegung mit<br />

zeitlicher Verzögerung in die Deutschschweiz<br />

ein, wo die Klöster Kappel<br />

(1185), St. Urban (1194) und Wettingen<br />

(1227) entstanden.<br />

Einen weiblichen Ordenszweig zuzulassen,<br />

war eigentlich von den Gründungsvätern<br />

nicht geplant gewesen. Doch die<br />

religiöse Frauenbewegung des Hochmittelalters<br />

erfasste auch den Zisterzienserorden.<br />

Im 13. Jahrhundert lockerte der<br />

Orden unter dem Druck der Frauenbewegung,<br />

der konkurrierenden Bettelorden<br />

und der Gründungswelle von Frauenklös -<br />

tern seine Zurückhaltung. So entstand<br />

nebst anderen Gründungen zum Beispiel<br />

1246 auch im bernischen Fraubrunnen<br />

eine Gemeinschaft.<br />

Begünstigt durch den allgemeinen wirtschaftlichen<br />

Aufschwung blühten in ers -<br />

ter Linie die Männerklöster auf; die Zis -<br />

terzienser errichteten ein eigenwirtschaftliches<br />

System mit jeweils fünf bis fünfzehn<br />

Gutshöfen, die von Bauernsöhnen,<br />

die Laienbrüder waren, mit fortschrittlichen<br />

Methoden lagespezifisch bewirtschaftet<br />

wurden: Ackerbau im Mittel-<br />

land, Weinbau an den Seen, Viehzucht<br />

im Voralpenraum. Im spirituellen Bereich<br />

setzte jedoch eine Stagnation ein, da der<br />

Orden sich von seinen einstigen Idealen<br />

immer weiter entfernt hatte. Als Vorzeigebeispiel<br />

kann in diesem Zusammenhang<br />

das aufgehobene Kloster St. Urban<br />

dienen, das über dem Dorf thront und<br />

heute zur Luzerner Psychiatrie gehört.<br />

Nach einer Flaute in der Reformationszeit,<br />

in der in der Schweiz fünf Männerund<br />

acht Frauenklöster eingingen, erlebten<br />

die verbliebenen Männerabteien im<br />

Barock eine neue Blütezeit, die sich in reger<br />

Bautätigkeit, der Errichtung von Bibliotheken<br />

und Schulen, hochstehendem<br />

Buchdruck, der Pflege von Wissenschaft<br />

und Musik und der Einführung industrieller<br />

Betriebe niederschlug. Im 19. Jahr -<br />

hundert wurden die letzten Zisterzienserklöster<br />

aufgehoben. Nur zwei sind heute<br />

nach einem Unterbruch noch in Betrieb:<br />

Wettingen, seit 1854 in Mehrerau bei<br />

Bregenz, und Hauterive, das 1939 von<br />

Mehrerau aus wieder besiedelt wurde.<br />

1973 wurde ein vietnamesisches Zisterzienserkloster<br />

in Orsonnens gegründet.<br />

Gebet und Arbeit<br />

Nach einer Unterbrechung von 91 Jahren,<br />

während denen Hauterive zuerst die<br />

kantonale landwirtschaftliche Schule, dann<br />

das Lehrerseminar beherbergte, sind also<br />

die Mönche ins stille Saanetal zurückgekehrt.<br />

An diesem privilegierten Ort führt<br />

eine Gemeinschaft von 20 bis 30 Mönchen<br />

ein einfaches Leben. <strong>Die</strong> drei Hauptpfeiler<br />

des täglichen Lebens in Hauterive<br />

sind Gebet, Arbeit und brüderliches Leben.<br />

<strong>Die</strong>se vom Evangelium inspirierte<br />

Existenz findet ihre geistige Nahrung im<br />

täglichen, feierlich gesungenen und oft<br />

mit festlicher Musik bereicherten Gotteslob<br />

sowie im kontemplativen Schweigen.<br />

Durch ihre täglichen Arbeiten sind die<br />

Mönche mit allen Menschen verbunden.<br />

Der Generalabt des Zisterzienserordens,<br />

Mauro-Giuseppe Lepori, umschreibt das<br />

Mönchsein wie folgt: «Ora et labora –<br />

Bete und arbeite! So lautet der wohlbekannte<br />

benediktinische Wahlspruch. In<br />

Wirklichkeit steht er gar nicht in den Regeln<br />

des heiligen Benedikts, deren Geist er<br />

gleichwohl treffend zusammenfasst und<br />

ausdrückt. Beten und Arbeiten sind wie<br />

Ein- und Aus<strong>atmen</strong> oder wie die beiden<br />

Phasen eines Herzschlages. Es gibt ein<br />

Empfangen und ein Geben. Empfangen<br />

erlaubt zu geben, und geben verlangt, erneut<br />

zu empfangen. <strong>Die</strong>s ist der Rhythmus<br />

des Lebens, die Voraussetzung für<br />

den Weitergang und die Fruchtbarkeit<br />

des Lebens.»<br />

Beschauliche Orden üben heute eine erstaunliche<br />

Faszination aus. Der alternative<br />

Lebensstil in den Klöstern, die <strong>Stille</strong>,<br />

die dort erfahren wird, sowie die Werte,<br />

die in diesen Oasen unserer Gesellschaft<br />

vermittelt werden, beeindrucken selbst<br />

Menschen, die sich nicht als religiös bezeichnen.<br />

«Man kann nicht aus der<br />

ganzen Welt ein Kloster machen, aber es<br />

braucht Klöster in der Welt», diesen Leitspruch<br />

hat mir einmal ein älterer Mönch<br />

in Hauterive mit auf den Weg gegeben.<br />

Und so erstaunt es auch nicht, dass die<br />

freiburgische Zisterzienserabtei regelmässig<br />

Gäste aufnimmt, die in ihrem Berufsleben<br />

in anspruchsvollen Positionen stehen.<br />

Den einen bietet das Kloster so eine<br />

Oase der Ruhe auf Zeit, die anderen verbringen<br />

ihr ganzes Leben hinter diesen<br />

Mauern, die in Hauterive nirgends wirklich<br />

hoch oder dick sind. Oder mit den<br />

Worten des Generalabtes: «Das monastische<br />

Leben ist einer der Wege, die sich<br />

dem Menschen bieten, um den Sinn des<br />

Lebens, die Fülle des Lebens zu suchen<br />

und zu finden. All jene, die ins Kloster<br />

eintreten, tun dies, weil Gottes Ruf ihnen<br />

sagt, dass sie dort den Weg des Lebens<br />

finden. Sobald ein Weg einmal gefunden<br />

ist, verlangt er danach, begangen zu werden,<br />

bis zum Ende begangen zu werden,<br />

denn nichts wäre unsinniger, als einen<br />

Weg nicht zu Ende zu gehen, von dem<br />

man weiss, dass er uns zum Ziel des Lebens<br />

bringt.»<br />

KIRCHENBLATT 24 2011<br />

5<br />

Thema

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!