Die Früchte ernten - Kirchenblatt
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Thema<br />
Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras<br />
setzten 1965 mit der Aufhebung der gegenseitigen<br />
Exkommunikation ein Zeichen der<br />
Annäherung.<br />
Johannes Paul II. mit Elio Toaff, dem Oberrabbiner<br />
der Grossen Synagoge in Rom, beim ersten Besuch<br />
eines Papstes in einer Synagoge am 13. April 1986.<br />
Papst Benedikt XVI. und der anglikanische<br />
Primas Rowan Williams bemühen sich um<br />
die Fortsetzung des Dialogs über die theologischen<br />
Differenzen.<br />
Licht und Schatten<br />
Am ökumenischen Engagement der katholischen<br />
Kirche kann also kein Zweifel<br />
bestehen. Das hindert nicht, dass wir wie<br />
bei dem genannten Kongress nüchtern<br />
bilanzieren und Licht und Schatten der<br />
gegenwärtigen ökumenischen Situation<br />
herausstellen müssen. Zu den lichtvollen<br />
Seiten gehört, dass die ökumenische Bewegung<br />
in der katholischen Kirche fast<br />
überall rezipiert ist, sie ist also angekommen<br />
und angenommen. Sie wird fast<br />
überall als eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive<br />
gesehen. <strong>Die</strong> anderen Chris -<br />
ten werden nicht mehr als Gegner oder<br />
Konkurrenten wahrgenommen, sondern<br />
als Brüder und Schwestern in Christus.<br />
Wir leben, arbeiten und beten zusammen.<br />
Johannes Paul II. hat zu Recht die<br />
Neuentdeckung der christlichen Brüderlichkeit<br />
als die wichtigste Frucht der Ökumene<br />
bezeichnet. Damit befinden wir<br />
uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer<br />
Situation, von der man zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts nicht einmal zu träumen<br />
gewagt hätte.<br />
Wo Licht ist, da fällt auch Schatten. In<br />
den letzten 40 Jahren hat die ökumenische<br />
Bewegung viele Phasen durchlaufen:<br />
Auf die enthusiastische Phase am<br />
Anfang, wo viele meinten, die Einheit sei<br />
schon zum Greifen nahe, folgten Phasen<br />
der Ernüchterung und der Enttäuschung,<br />
manchmal Phasen einer Krisen- und Katerstimmung.<br />
Doch es gibt durchaus positive Zeichen.<br />
Nur drei Beispiele von vielen aus dem Bereich<br />
der offiziellen Ökumene: Der von<br />
vielen schon tot gesagte internationale<br />
Dialog mit den orthodoxen Kirchen wurde<br />
2005 wieder aufgenommen; die Dialogkommission<br />
mit dem Lutherischen<br />
Weltbund hat zu Beginn des Jahres 2006<br />
ein Dialogpapier zur Apostolizität der<br />
Kirche verabschiedet; schliesslich trat die<br />
methodistische Weltgemeinschaft bei<br />
ihrer Vollversammlung in Seoul der «Gemeinsamen<br />
Erklärung zur Rechtfertigungslehre»<br />
bei. Von einem ökumenischen<br />
Winter oder gar von einer Eiszeit zu<br />
reden, ist also reichlich übertrieben.<br />
Welteinheits-Kirche?<br />
Wir sollten freilich auch die Schattenseiten,<br />
die Probleme und die Kritik an der<br />
ökumenischen Bewegung zur Kenntnis<br />
nehmen. Sie kommen aus verschiedenen<br />
Richtungen. Da gibt es auf der einen Seite<br />
die weit verbreitete Kritik, dass alles viel<br />
zu langsam geht, ja, dass die Bewegung<br />
schon wieder zum Stillstand gekommen<br />
oder gar auf dem Rückwärtsgang sei. Andere<br />
befürchten, Ökumene führe zur<br />
Auflösung der jeweiligen konfessionellen<br />
Identität. <strong>Die</strong> einen haben Angst über<br />
eine «Protestantisierung» der katholischen<br />
Kirche, die anderen fürchten, die<br />
evangelischen Partner lassen sich über<br />
den Tisch ziehen. Wieder andere sind<br />
grundsätzlich der Meinung, Ökumene<br />
führe zu dogmatischem Relativismus und<br />
Indifferentismus. Ökumene ist daher für<br />
manche geradezu zu einem Reizwort geworden,<br />
ja, zum Ausdruck des apokalyptischen<br />
Versuchs einer antichristlichen<br />
Welteinheits-Kirche, vor der bereits die<br />
Johannesapokalypse gewarnt haben soll.<br />
<strong>Die</strong> Ökumene der Zukunft muss seriös<br />
sein. Mehr akademisch ausgedrückt: <strong>Die</strong><br />
Ökumene der Zukunft muss sich über<br />
ihre Grundlagen im Klaren sein. Was von<br />
jeder seriösen Theologie gilt, gilt selbstverständlich<br />
auch von der ökumenischen<br />
Theologie; sie muss wie jede Wissenschaft<br />
von klaren Prinzipien ausgehen.<br />
<strong>Die</strong>se Grundlagen sind nicht ein sentimentales,<br />
vages Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
ein verwaschener Humanismus<br />
oder eine Allerweltsreligion, die sich in<br />
einen diffusen dogmatischen Relativismus<br />
oder Indifferentismus auflöst.<br />
So gehört es zur Seriosität ebenfalls, dass<br />
wir auch die Differenzen, welche leider<br />
zwischen den Konfessionen stehen,<br />
nicht verschweigen oder verharmlosen.<br />
Dazu gehört vor allem die Frage, wie das<br />
gemeinsame Zeugnis der Heiligen Schrift<br />
verbindlich zu interpretieren ist. Das Verhältnis<br />
von Schrift und Tradition sowie<br />
von Schrift und kirchlichem Lehramt ist<br />
noch nicht gelöst.<br />
Ökumene setzt also Klarheit, Wahrheit<br />
und Wahrhaftigkeit voraus. Dialog kann<br />
ich nur mit jemand führen, der selbst eine<br />
Position hat und der sich zu seiner Position<br />
bekennt; nur er kann auch die Position<br />
eines anderen achten. <strong>Die</strong> beste Methode<br />
der Ökumene ist es, nach dem<br />
Evangelium zu leben und ein Leben nach<br />
den Seligpreisungen der Bergpredigt zu<br />
führen. Deshalb ist es erfreulich, dass sich<br />
gegenwärtig quer durch alle Konfessionen<br />
und über alle konfessionellen Grenzen<br />
hinweg geistliche Netzwerke herausbilden,<br />
die von geistlichen Bewegungen,<br />
Ordensgemeinschaften, Klöstern, Bruder-<br />
und Schwesternschaften, die es in<br />
allen Kirchen gibt, getragen werden. Das<br />
ist nur ökumenisch gemeinsam möglich.<br />
KIRCHENBLATT 22 2011<br />
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