Programmheft - Klassik Stiftung Weimar
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Freitag, 16. November 2012 | 20.00 Uhr<br />
Schuberts Praxis, Lieder bei der Publikation<br />
sorgfältig zu konsistenten Heften zusammenzustellen,<br />
lässt sich als ein Grundplan<br />
seiner öffentlichen Selbstdarstellung<br />
erkennen. Für ein angemessenes Verständnis<br />
der Lieder ist es daher nicht nur<br />
wichtig, die Daten der Entstehung und<br />
der – oft erst Jahre später erfolgenden –<br />
Druckpublikation im Auge zu behalten,<br />
sondern vor allem auch die Anordnung zu<br />
würdigen, in der ihr Komponist sie der Öffentlichkeit<br />
präsentiert hat. Eine solche Intention<br />
ist sogar schon früh zu erkennen,<br />
lange Zeit, bevor Schubert an einen Druck<br />
seiner Lieder überhaupt zu denken wagte.<br />
Als nämlich sein älterer Freund und Mentor<br />
im Frühjahr 1816 ein handschriftliches<br />
Goethe-Liederheft nach <strong>Weimar</strong> schickte,<br />
umschrieb er in dem Begleitbrief (den<br />
Goethe übrigens nie beantwortet hat) eine<br />
systematische Planung der Liedkomposition,<br />
zu der Schubert wahrscheinlich<br />
durch die Schiller- und Goethe-Liedersammlungen<br />
des mitteldeutschen Komponisten<br />
Johann Friedrich Reichardt angeregt<br />
worden war: »Sie wird aus 8 Heften<br />
bestehen«, schrieb Spaun an Goethe. »Die<br />
ersten beiden (wovon das erste als Probe<br />
beiliegt) enthalten Dichtungen Euer Exzellenz,<br />
das dritte enthält Dichtungen vom<br />
Schiller, das 4te und 5te vom Klopfstok,<br />
das 6te vom Mathißon, Hölty, Salis etcetc.,<br />
und das 7 und 8te enthalten Gesänge Ossians,<br />
welch letztere sich vor allen auszeichnen.«<br />
Dass um diese Zeit Goethe bereits<br />
an erster Stelle stand und Schiller dann<br />
erst folgte, kann dem Zweck des Briefs<br />
und seinem Adressaten geschuldet sein;<br />
möglicherweise aber auch begann sich in<br />
der Tat bereits um 1816 herum Schuberts<br />
Wertschätzung der beiden Dichter zu verschieben.<br />
In der Reihenfolge der 1821 einsetzenden<br />
Drucke, also in dem offiziellen<br />
Bild, das Schubert von sich zu erzeugen<br />
suchte, dominiert nun fraglos Goethe.<br />
Das erste Schiller-Lied, das Schubert zum<br />
Druck gab, war die durchkomponierte<br />
Gruppe aus dem Tartarus D 583, die in dem<br />
kleinen Liederheft Opus 24 (Oktober<br />
1823) mit der schlichten strophischen<br />
Mayrhofer-Vertonung Schlaflied D 527 zusammengespannt<br />
wurde. Der Sinn dieser<br />
merkwürdigen Zusammenstellung ist,<br />
zumin dest von heute aus, nur schwer<br />
nachvollziehbar, zumal Schubert parallel<br />
zu der erschütternden Hades-Szene mit<br />
Schillers großem Gedicht Elysium D 584<br />
eigentlich ein licht volles Gegenbild komponiert<br />
hatte, das schon vom Dichter<br />
selbst planvoll als gewichtige Ausbalancierung<br />
der Tartarus-Gruppe konzipiert<br />
worden war. Im Druck hingegen erschien<br />
dieses eindrucksvolle Gegensatzpaar<br />
nicht. Weitere Schiller-Drucke, die nun<br />
rasch folgten, waren dann jedoch wesentlich<br />
konsistenter als das Opus 24 und<br />
stellten, nachdem Schubert mit den<br />
Opera 1, 2, 5, 12, 14 und 19 bereits seit<br />
langem die Praxis reiner Goethe-Drucke<br />
verfolgt hatte, nun wirklich reine Schiller-<br />
Sammlungen dar. Das Liederheft Opus 37