Aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung im SGB II
Aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung im SGB II
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<strong>Aktuelle</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesetzgebung</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
(mit Übersicht zum <strong>und</strong> Synopsen des neuen <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I seit 1.4.2012)<br />
Rechtsanwalt Dr. Jürgen Brand<br />
Richter des Verfassungsgerichtshofs NRW (2006 - 2012)<br />
Präsident des Landessozialgerichts a.D.<br />
September 2012
2<br />
Gliederung<br />
1. Teil: Allgemeines (3)<br />
2. Teil: Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende – <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (3)<br />
I. Allgemeine Leistungsvoraussetzungen (4)<br />
<strong>II</strong>. Leistungsberechtigte (4)<br />
<strong>II</strong>I. Bedarfsgemeinschaften/Haushaltsgemeinschaften (12)<br />
IV. Erwerbsfähigkeit (19)<br />
V. Hilfebedürftigkeit (19)<br />
1) Regelbedarf, Mehrbedarf, Sonderbedarf, Bildungspakte <strong>und</strong> einmaliger Bedarf (19)<br />
- Regelsätze (21)<br />
2) Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung (40)<br />
- Größe der Wohnung – 43-, Schlüssiges Konzept – 50 (Liste 54)-<br />
3) Befristeter Zuschlag <strong>und</strong> Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen (96)<br />
5) Berücksichtigung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen (97)<br />
a) Einkommen (97)<br />
b) Vermögen (121)<br />
VI. Verfahren (133)<br />
V<strong>II</strong>. Leistungen (134)/Sanktionen (139)<br />
1. Alg <strong>II</strong> (129)<br />
2. Sozialgeld <strong>und</strong> Einstiegsgeld (143)<br />
3. Eingliederungsleistungen (144)<br />
Der 1 € Job/Arbeitsgelegenheiten (147)<br />
V<strong>II</strong>I. Ersatzansprüche/Verpflichtungen Dritter (152)<br />
IX. Übergang von Ansprüchen (153)<br />
X. Erbenhaftung (154)<br />
XI. Auskunfts- <strong>und</strong> Mitwirkungspflichten (155)<br />
X<strong>II</strong>. Kinderzuschlag (156)<br />
X<strong>II</strong>I. Rückforderungen (161)<br />
3. TEIL: Neue Fassung des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I zum 1.4.2012 --- Synopsen (163)
3<br />
1. Teil: Allgemeines<br />
Die Hartz Gesetze, insbesondere „Hartz IV“ (das jetzige <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>), haben zu einer enormen Polarisierung<br />
unserer Gesellschaft geführt wie nur sehr wenige Gesetze vorher.<br />
Sowohl für die Betroffenen als auch für die Nichtbetroffenen ist das neue System der Hilfegewährung<br />
Neuland.<br />
Nicht nur die bisherigen Regelungen des Sozialgesetzbuchs <strong>II</strong>I (»Arbeitsförderung«) gilt es zu<br />
beachten, sondern auch die neuen Normen des Zweiten Sozialgesetzbuchs (»Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende«), besser als »Hartz IV« bekannt. Durch »Hartz IV« werden Ansprüche<br />
wie das Arbeitslosengeld <strong>II</strong>, das Sozialgeld <strong>und</strong> der Kinderzuschlag geregelt. Zugleich werden aber<br />
auch einschneidende Folgen von Pflichtverstößen festgeschrieben: zum Beispiel bei der Ablehnung<br />
einer zumutbaren Arbeit oder auch eines 1-€ Jobs, der Nichtmeldung be<strong>im</strong> Jobcenter oder der Weigerung,<br />
an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.<br />
Die Beunruhigung breiter Bevölkerungskreise ist selbst nach fast acht Jahren nach Inkrafttreten des<br />
Gesetzes noch nicht abgeklungen.<br />
2. Teil: Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende (<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>)<br />
Bedürftige, die erwerbsfähig sind, fallen unter das 2005 geschaffene „Sozialgesetzbuch <strong>II</strong>“ -<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende (<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>)“, das – noch vor dem <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> – als Art. 1 des Vierten<br />
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 27. 12. 2003 erlassen worden ist. Mit<br />
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sollten für Erwerbsfähige die steuerfinanzierten Fürsorgesysteme, die<br />
Arbeitslosenhilfe nach den Vorschriften des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I, welche systematisch <strong>im</strong><br />
Arbeitsförderungsrecht ohnehin einen Fremdkörper darstellte, <strong>und</strong> die Hilfe zum Lebensunterhalt<br />
nach dem früheren BSHG zu einem neuen, einheitlichen Leistungssystem zusammengefasst<br />
werden.
4<br />
I. Allgemeine Leistungsvoraussetzungen<br />
1. Formen der Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen <strong>und</strong> Leistungsberechtigte<br />
Sozialleistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sind zum einen die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit<br />
(§§ 14-18a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> zum anderen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19-<br />
30a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Diese Leistungen können gem. § 4 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> als Dienstleistungen (Information,<br />
Beratung etc.), Sachleistungen (vgl. § 23 Abs. 2, 3 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>), Geldleistungen (vgl. auch § 11<br />
Satz 1 <strong>SGB</strong> I) sowie als Gutscheine (§ 4 Abs. 1 Ziff. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) erbracht werden.<br />
Eingliederungsleistungen können ebenfalls in Form von Geldleistungen gewährt werden, z.B. in<br />
Gestalt des Einstiegsgeldes (§ 16b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>; § 29 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, der bis 31.12.2008 das Einstiegsgeld<br />
regelte, ist weggefallen) oder als Darlehen <strong>und</strong> Zuschüsse zur Eingliederung von Selbständigen (§<br />
16 c <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind (vgl. § 19 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) das Alg <strong>II</strong> <strong>und</strong><br />
das Sozialgeld (§§ 20-27 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) sowie Leistungen zur Bildung <strong>und</strong> Teilhabe (§§ 28 f. <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
Ausschluss von Alg <strong>II</strong> – Ansprüchen (§ 7 Abs 4 <strong>und</strong> 5)<br />
a) BSG vom 24.2.2011 (JVA)<br />
Auf die Revision des Beklagten wurden die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben, soweit sie den<br />
angefochtenen Bescheid für den Zeitraum aufgehoben <strong>und</strong> den Beklagten zur Leistung von Alg <strong>II</strong><br />
verurteilt haben, in der der Kläger in einem Freigängerhe<strong>im</strong> einer JVA wohnte.<br />
Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß § 7 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> von<br />
Leistungen ausgeschlossen war, solange er sich <strong>im</strong> Regelvollzug befand. Entgegen ihrer Ansicht<br />
galt dies aber auch, nachdem ihm Vollzugslockerungen gewährt worden waren. Einrichtungen zum<br />
Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nehmen <strong>im</strong> Rahmen des § 7 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
idF des Fortentwicklungsgesetzes (vom 20.7.2006) eine Sonderstellung ein. Nach § 7 Abs 4 Satz 2<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nF ist der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung dem Aufenthalt "in einer stationären<br />
Einrichtung" gleichgestellt. Personen in derartigen Einrichtungen sind vom Leistungsbezug nach<br />
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausgeschlossen. Bei diesen Einrichtungen kommt es damit nicht darauf an, ob sie nach<br />
ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt von vornherein ausschließen. Die Zuordnung zu den Leistungssystemen<br />
erfolgt hier nicht anhand der objektiven Struktur der Einrichtung <strong>im</strong> Einzelfall, sondern
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generalisiert für alle unter § 7 Abs 4 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> fallenden Einrichtungen, deren Insassen durch<br />
den Freiheitsentzug in einem besonderen Maße vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind.<br />
Der Umstand, dass der Kläger eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte, führt nicht dazu, dass der<br />
Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf ihn keine Anwendung findet.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 14 AS 81/09 R -<br />
b) BSG v 30.8.2010 – B 4 AS 97/09 R (berufliche Weiterbildung- § 7 Abs 5)<br />
Streitig sind weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die<br />
Klägerin <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008. Die Klägerin beendete Mitte der neunziger Jahre<br />
ein Studium der Architektur als Dipl-Ing. Am 1.9.2006 begann sie eine Ausbildung zur<br />
Pharmazeutisch-technischen Assistentin. Seit dem 1.2.2007 steht sie nach Unterbrechung wieder <strong>im</strong><br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungsbezug. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Leistungen für Mehrbedarf wegen<br />
Alleinerziehung <strong>und</strong> lehnte weitere Leistungen mit der Begründung ab, sie unterliege dem<br />
Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Als Teilnehmerin an einer Ausbildung zur<br />
Pharmazeutisch-technischen Assistentin durchlaufe sie eine dem Gr<strong>und</strong>e nach nach dem BAföG<br />
förderfähige Ausbildung. Soweit sie aus individuellen Gründen - hier Überschreiten des<br />
Höchstförderalters - keine BAföG-Leistungen erhalte, stehe dieses dem Ausschluss von Leistungen<br />
zur Lebensunterhaltssicherung nicht entgegen. Es komme nicht auf die Förderfähigkeit der Person,<br />
sondern der Ausbildung an.<br />
Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Der Senat<br />
vermochte nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> entgegensteht.<br />
Insoweit gilt hier: Eine dem Gr<strong>und</strong>e nach <strong>im</strong> Rahmen des BAföG förderungsfähige Ausbildung<br />
bewirkt zwar gr<strong>und</strong>sätzlich nach § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> einen Ausschluss von Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts. Nach den Feststellungen des LSG ist die Ausbildung zur<br />
Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den Hans-Blindow-Schulen auch dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />
nach dem BAföG förderungsfähig. Wenn die Klägerin gleichwohl keine Leistungen nach dem
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BAföG erhält, sind hierfür nach § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> unbeachtliche, in ihrer Person liegende<br />
Gründe verantwortlich. Ihrer Förderung steht entgegen, dass sie bereits bei Ausbildungsbeginn das<br />
30. Lebensjahr vollendet hatte.<br />
Unabhängig von der gr<strong>und</strong>sätzlichen Förderfähigkeit der Ausbildung zur Pharmazeutischtechnischen<br />
Assistentin nach dem BAföG könnte die Klägerin allerdings dann einen Anspruch auf<br />
die Regelleistung sowie Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung haben, wenn sie diese Ausbildung<br />
nicht als schulische Berufsbildung, sondern <strong>im</strong> Rahmen einer beruflichen Weiterbildung iS des § 77<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I absolviert haben sollte. Die Förderung einer "Bildungsmaßnahme" nach § 77 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I führt<br />
nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Ob es sich um eine<br />
Weiterbildungsmaßnahme handelt, best<strong>im</strong>mt sich nach objektiven Kriterien <strong>im</strong> Hinblick auf den<br />
Charakter der Maßnahme. Insoweit ist nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG bei der<br />
Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin zwar gr<strong>und</strong>sätzlich von einer<br />
Berufsausbildung in schulischer Form <strong>und</strong> nicht einer auf Weiterbildung angelegten Maßnahme<br />
auszugehen. Ob dieses jedoch auch <strong>im</strong> konkreten Fall zutrifft, kann nach den Feststellungen des<br />
LSG nicht beurteilt werden, insbesondere, ob die Maßnahme der Klägerin verkürzt worden ist oder<br />
best<strong>im</strong>mte Ausbildungsinhalte auf Gr<strong>und</strong> von beruflichen Vorkenntnissen nicht oder anders<br />
vermittelt worden sind.<br />
c) Ausschluss nach § 7 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> - BSG v 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R -<br />
Die Klägerin ist Beamtin auf Widerruf <strong>und</strong> als Regierungsinspektorenanwärterin bei der Universität<br />
Mainz beschäftigt. Sie absolviert einen insgesamt dreijährigen Vorbereitungsdienst, der Fachstudien<br />
an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHÖV) des Landes Rheinland-Pfalz in Mayen<br />
(21 Monate) <strong>und</strong> berufspraktische Studien an der Universität Mainz umfasst. Die Klägerin bezog<br />
Anwärterbezüge in Höhe von zunächst 902,36 Euro brutto, sowie zeitweise Wohngeld in Höhe von<br />
22 Euro. Durch Antrag vom 20.7.2006 beantragte sie bei der Beklagten ergänzende Leistungen der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Klage <strong>und</strong> Berufung gegen die ablehnenden<br />
Bescheide vom 26.7.2006/22.8.2006 blieben ohne Erfolg (Urteil des SG vom 16.11.2007).<br />
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie macht geltend aus § 2 Abs 6 Nr 3
BAföG folge, dass ihre Ausbildung gr<strong>und</strong>sätzlich nicht mit BAföG gefördert werden könne.<br />
Deshalb greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht.<br />
7<br />
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Klägerin standen <strong>im</strong> streitigen Zeitraum keine<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu. Sie war gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vom Leistungsbezug<br />
ausgeschlossen, weil ihr Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes<br />
Rheinland-Pfalz (FHöV) Mayen <strong>im</strong> Rahmen des B<strong>und</strong>esausbildungsförderungsgesetzes (BAföG)<br />
dem Gr<strong>und</strong>e nach förderungsfähig war. Die für das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zuständigen Senate des BSG haben<br />
bereits mehrfach entschieden, dass die Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht<br />
dazu dient, durch Sicherstellung des Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />
anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen.<br />
Die Rechtsfrage, ob eine Ausbildung dem Gr<strong>und</strong>e nach förderungsfähig ist, richtet sich nach § 2<br />
BAföG, der abschließend den Bereich der (abstrakt) förderungsfähigen Ausbildungen regelt. Wie<br />
das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht (BVerwG) mehrfach entschieden hat, ist auch die Ausbildung des<br />
gehobenen, nichttechnischen Verwaltungsdienstes <strong>im</strong> Sinne des BAföG gr<strong>und</strong>sätzlich dann<br />
förderungsfähig, wenn sie durch den Besuch einer in § 2 Abs 1 Nr 6 BAföG genannten Ausbildungsstätte<br />
geprägt ist. Bei der FHöV Mayen handelt es sich um eine solche Ausbildungsstätte iS<br />
des § 2 Abs 1 Nr 6 BAföG. An der Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Gr<strong>und</strong>e nach ändert die<br />
Ausschlussregelung des § 2 Abs 6 Nr 3 BAföG nichts, weil diese die Förderungsfähigkeit einer<br />
Ausbildung dem Gr<strong>und</strong>e nach nicht berührt. Der Sinn des § 2 Abs 6 BAföG besteht allein darin, das<br />
Konkurrenzverhältnis zwischen Förderungsansprüchen zu lösen, das dann entstehen kann, wenn ein<br />
<strong>und</strong> dieselbe Ausbildung neben den in § 2 Abs 6 BAföG aufgeführten Leistungen auch nach dem<br />
BAföG förderungsfähig ist. In diesen Fällen sollen die in § 2 Abs 6 BAföG aufgeführten anderen<br />
Leistungen in der Weise Vorrang haben, dass Leistungen nach dem BAföG nicht mehr (auch nicht<br />
aufstockend) erbracht werden.<br />
BSG v 22.3.2012 – B 4 AS 102/11 R (Alg <strong>II</strong> für Urlaubssemester)<br />
. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob ein Student Anspruch auf Arbeitslosengeld <strong>II</strong> während eines<br />
Urlaubssemesters hat. Hier ist vor allem die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu
8<br />
beachten, wonach allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Gr<strong>und</strong>e nach die Leistungen<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausschließt. Dies könnte aber anders sein, wenn ein Auszubildender während<br />
eines Urlaubssemesters weder die Ausbildungsstätte besucht noch ihr organisationsrechtlich<br />
angehört <strong>und</strong> damit eine Ausbildung tatsächlich nicht betreibt (so ständige <strong>Rechtsprechung</strong> des<br />
B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts). In diesem Zusammenhang ist vor allem von Interesse, ob der Student<br />
berechtigt ist, an den angebotenen Lehrveranstaltungen teilzunehmen <strong>und</strong> während der Beurlaubung<br />
Prüfungen abzulegen, die Teil der Lehrveranstaltung sind. Auch wenn er das Studium dadurch nicht<br />
betreibt, dass er den Veranstaltungen fernbleibt, führt dies nicht unbedingt dazu, dass er den Besuch<br />
der Ausbildungsstätte nicht vollzieht, wenn die Arbeitskraft des Auszubildenden durch die<br />
Ausbildung nach § 2 Abs. 5 BAföG etwa durch häusliche Vorbereitungen voll in Anspruch<br />
genommen wird. Betreibt der Studierende sein Studium hingegen gar nicht, besucht er damit keine<br />
Ausbildungsstätte <strong>und</strong> absolviert auch keine dem Gr<strong>und</strong>e nach förderfähige Ausbildung<br />
d) BSG v 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R (Alg <strong>II</strong> für Ausländer)<br />
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger als französischer Staatsangehöriger von<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausgeschlossen ist.<br />
Der 1971 geborene Kläger reiste <strong>im</strong> Dezember 2007 in die B<strong>und</strong>esrepublik ein, nachdem ihm der<br />
französische Träger der Arbeitslosenversicherung zuvor auf dem dafür best<strong>im</strong>mten Vordruck E 303<br />
bescheinigt hatte, dass er unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen bei<br />
Arbeitslosigkeit habe. Seit diesem Tag wohnt er in Berlin. Nachdem der Kläger sich am 28.1.2008<br />
bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit >BA< arbeitslos gemeldet hatte, bezog er zunächst bis zum<br />
17.3.2008 Arbeitslosengeld. In der Folgezeit erhielt er ab dem 28.4.2008 <strong>und</strong> - bis auf wenige Tage<br />
Unterbrechung - bis zum 28.2.2009 Arbeitslosengeld <strong>II</strong>. Seit dem 2.6.2008 ist er <strong>im</strong> Besitz einer<br />
Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern<br />
(Freizügigkeitsgesetz/EU). Vom 1.2. bis zum 23.6.2008 übte der Kläger eine Tätigkeit als<br />
Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> einem monatlichen<br />
Entgelt von 100 Euro aus. Zum 1.1.2009 meldete der Kläger ein Gewerbe an; das<br />
Geschäftsgründungsvorhaben zerschlug sich aber alsbald. Einen <strong>im</strong> Februar 2009 gestellten<br />
Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab dem 1.3.2009 lehnte der Beklagte mit der Begründung ab,<br />
der Kläger sei nunmehr nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen
9<br />
ausgeschlossen, weil er allein wegen seiner Eigenschaft als Arbeitsuchender<br />
freizügigkeitsberechtigt sei. Nach dem Ende seiner Beschäftigung sei er gemäß § 2 Abs 3 Satz 2<br />
FreizügG/EU nur für die Dauer von weiteren sechs Monaten leistungsberechtigt nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
gewesen.<br />
Die Revision des beklagten JobCenters wurde zurückgewiesen.<br />
Der französische Kläger kann gr<strong>und</strong>sätzlich die Gewährung von Arbeitslosengeld <strong>II</strong> beanspruchen,<br />
obwohl sich sein Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Denn in Deutschland<br />
lebende arbeitslose Ausländer sind nicht vom Bezug von Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn sie sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA)<br />
vom 11.12.1953 berufen können. In diesem Fall ist die Ausschlussregelung in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr<br />
2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf sie nicht anwendbar.<br />
Nach Art 1 des EFA, das unter anderem die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> Frankreich unterzeichnet<br />
haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen<br />
Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung<br />
findet, erlaubt aufhalten <strong>und</strong> nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie<br />
seinen eigenen Staatsangehörigen <strong>und</strong> unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen<br />
<strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden<br />
<strong>Gesetzgebung</strong> vorgesehen sind.<br />
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um unmittelbar geltendes B<strong>und</strong>esrecht. Seiner Anwendbarkeit<br />
steht weder vorrangig anzuwendendes anderes B<strong>und</strong>esrecht, noch Gemeinschaftsrecht entgegen.<br />
Die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art 1 EFA liegen auch insoweit vor, als es<br />
sich bei der beanspruchten Regelleistung nach § 20 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> um Fürsorge <strong>im</strong> Sinne des EFA handelt.<br />
Hierzu zählt nicht nur die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>,<br />
sondern auch die begehrte Leistung nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Deswegen kommt es nicht darauf an, dass<br />
die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat nach wie vor nur das zum 31.12.2004<br />
außer Kraft getretene B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz (BSHG) als unter den Geltungsbereich des<br />
Abkommens fallendes Fürsorgegesetz gemeldet hat.<br />
e) BSG v. 21.6.2011 – B 4 AS 128/10 R – (JVA – Ersatzfreiheitsstrafe)
10<br />
Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte die Bewilligung von <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen für den<br />
Zeitraum aufgehoben hat, nachdem er durch Mitteilung der Justizvollzugsanstalt Bremen-<br />
Oslebshausen erfahren hatte, dass der Kläger dort ab 7.7.2009 ("Aufnahmetag") bis zum 7.10.2009<br />
("voraussichtlicher Austritt") eine Ersatzfreiheitsstrafe <strong>im</strong> geschlossenen Vollzug verbüßen sollte.<br />
Das SG hat den Aufhebungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Auf die<br />
Berufung des Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben <strong>und</strong> die Klage<br />
abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte sei<br />
berechtigt gewesen, die Bewilligung wegen Änderung der Verhältnisse für die Zeit ab der<br />
Aufnahme des Klägers in die Justizvollzugsanstalt am 7.7.2009 aufzuheben. Auf Gr<strong>und</strong> der<br />
Unterbringung <strong>im</strong> sog Regelvollzug sei es ihm nicht möglich gewesen, eine mindestens<br />
dreistündige tägliche Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen.<br />
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 7 Abs 4 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die Verbüßung<br />
einer Ersatzfreiheitsstrafe sei kein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich<br />
angeordneter Freiheitsentziehung. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe finde häufig <strong>im</strong> offenen<br />
Vollzug statt, dessen Organisation jedoch Länderangelegenheit sei.<br />
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen. Der Beklagte war berechtigt, die laufende Bewilligung<br />
von <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen ab 7.7.2009 aufzuheben, weil in den Verhältnissen, die bei Erlass des<br />
Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, eine leistungsrechtlich relevante wesentliche Änderung<br />
der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Mit seiner Aufnahme in den geschlossenen Vollzug<br />
zur Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe war der Kläger nach § 7 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in der ab<br />
1.8.2006 geltenden Fassung von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.<br />
Dieser Leistungsausschluss greift auch ein, wenn der Hilfebedürftige - wie hier der<br />
Kläger - in einer JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt. Der Senat schließt sich der Auffassung<br />
des 14. Senats an, der dies für eine vergleichbare Fallgestaltung in seinem Urteil vom 24.2.2011 - B<br />
14 AS 81/09 R - bereits entschieden hat. Schließlich ist die Feststellung des LSG, der Kläger habe<br />
seine durch § 60 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vorgeschriebene Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen,<br />
die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig verletzt,<br />
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
11<br />
BSG v. 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R<br />
Anspruchs nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
Ausschluß des Alg <strong>II</strong>-<br />
Streitig ist die Leistungsberechtigung nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> von in Deutschland lebenden Bürgern mit<br />
polnischer Staatsangehörigkeit.<br />
Die 1990 geborene Klägerin zu 1), eine polnische Staatsangehörige, reiste <strong>im</strong> Oktober 2004 mit<br />
ihren Eltern nach Deutschland ein <strong>und</strong> lebt seitdem ununterbrochen in Berlin. Im Juli 2008 stellte<br />
die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit der Klägerin zu 1) eine unbefristete "Arbeitsberechtigung - EU" für<br />
berufliche Tätigkeiten jeder Art aus. Seit November 2008 bewohnt die Klägerin zu 1) in Berlin eine<br />
eigene Wohnung. Im Januar 2009 wurde ihr eine Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die<br />
allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) ausgestellt. Am 19.1.2009 beantragte<br />
sie Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Kläger zu 2) wurde am 2.2.2009 geboren, er hat ebenfalls die<br />
polnische Staatsbürgerschaft. Die Klägerin zu 1) erhielt seit der Geburt Elterngeld in Höhe von 300<br />
Euro <strong>und</strong> Kindergeld in Höhe von 164 Euro. Außerdem zahlte der Kindsvater Unterhalt in Höhe<br />
von 200 Euro monatlich. Weitere Einnahmen wurden nicht erzielt. Der Beklagte lehnte den<br />
Leistungsantrag der Klägerin zu 1) mit der Begründung ab, sie sei von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> ausgeschlossen, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland lediglich zur<br />
Arbeitsuche habe. Im sozialgerichtlichen Eilverfahren wurden ihr darlehensweise Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts zugesprochen.<br />
Die Revision des beklagten Jobcenters wurde zurückgewiesen.<br />
Das SG hat <strong>im</strong> Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerinnen Anspruch auf Leistungen<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> haben. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wonach<br />
unter Umständen auch Unionsbürger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld <strong>II</strong> haben, wenn<br />
sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, greift hier nicht ein.<br />
Denn der Aufenthalt der Klägerinnen war hier durch ein anderes Aufenthaltsrecht<br />
legit<strong>im</strong>iert. Die Klägerin zu 1) hatte ein (abgeleitetes) Aufenthaltsrecht als<br />
Familienangehörige, das durch den Auszug aus der elterlichen Wohnung nicht untergegangen<br />
ist. Auf die Frage, inwieweit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> europarechtskonform ausgelegt<br />
werden muss, kam es danach nicht an.<br />
BSG v. 16.5.2012 - § 7 Abs 4 – litauische Altersrente bringt Alg <strong>II</strong>- Anspruch zum<br />
Ruhen – B 4 AS 105/11 R
Die Revision der Klägerin war erfolglos. Die Klägerin ist von Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende nach § 7 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wegen des Bezugs der litauischen Altersrente ausgeschlossen. Bei<br />
einer ausländischen Altersrente handelt es sich unter Berücksichtigung von Wortlaut,<br />
Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie dem Sinn <strong>und</strong> Zweck des § 7 Abs 4 Satz 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> um eine Ansprüche nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausschließende Leistung, wenn sie die gleichen typischen<br />
Merkmale aufweist wie die ausdrücklich benannte deutsche Altersrente. Unter Berücksichtigung der<br />
<strong>Rechtsprechung</strong> des BSG zu der vergleichbaren Regelung des § 118 AFG <strong>und</strong> den § § 142 AFG bzw <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>I sind entscheidende Kriterien für die Vergleichbarkeit: die Leistungsgewährung durch einen öffentlichen<br />
Träger, das Anknüpfen der Leistung an das Erreichen einer best<strong>im</strong>mten Altersgrenze <strong>und</strong> der Lohnersatz<br />
nach einer <strong>im</strong> allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellenden Gesamtkonzeption. Ohne Bedeutung für<br />
die Vergleichbarkeit ist hingegen die individuelle Höhe der Leistung <strong>im</strong> Verhältnis zum deutschen<br />
Lebensstandard.<br />
Die von der Klägerin bezogene litauische Rente erfüllt nach den für den Senat bindenden Feststellungen<br />
des LSG die Voraussetzungen der Vergleichbarkeit mit einer deutschen Altersrente. Dem Ausschluss stehen<br />
auch weder die Erklärung der Klägerin nach § 65 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 428 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I oder ein daraus<br />
herzuleitender Vertrauensschutzgedanke, noch die Regelung des § 12a Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> entgegen. § 65 Abs 4<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 428 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I gewährleistet lediglich den Bezug von Alg <strong>II</strong> unter erleichterten<br />
Bedingungen <strong>und</strong> verhindert die Absenkung bzw den Wegfall des Alg <strong>II</strong> nach § 31 ff <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wenn der<br />
erwerbsfähige Hilfebedürftige wegen des zulässigen Verzichts auf die Arbeitsbereitschaft ein Arbeitsangebot<br />
oder eine andere Eingliederungsmaßnahme des Beklagten nicht ann<strong>im</strong>mt. Regelungsgegenstand des § 12a<br />
Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist das Absehen von der gr<strong>und</strong>sätzlichen Verpflichtung, die Hilfebedürftigkeit durch den Bezug<br />
einer Altersrente mit Abschlägen zu mindern oder zu beheben. Dieser Schutzgedanke greift jedoch nicht<br />
be<strong>im</strong> Bezug einer ausländischen Altersrente, die erst nach dem Eintritt in das dortige Regelrentenalter in<br />
Anspruch genommen wird. Eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung<br />
zwischen Kontingentflüchtlingen bzw EU-Bürgern <strong>und</strong> Deutschen <strong>im</strong> Hinblick auf den Ausschluss von<br />
Arbeitsmarktleistungen durch den Bezug einer ausländischen Altersrente vermag der Senat ebenfalls nicht<br />
zu erkennen. Es fehlt insoweit bereits an einer unterschiedlichen Behandlung der benannten<br />
Personengruppen. -<br />
12<br />
(ggf Leistungen nach <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> ??)<br />
<strong>II</strong>. Bedarfsgemeinschaften/Haushaltsgemeinschaften<br />
Berechtigt sind nicht nur die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, sondern auch die anderen Mitglieder<br />
der Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>); nach § 9 Abs. 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sind bei Personen,<br />
die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen <strong>und</strong> das Vermögen des Partners zu<br />
berücksichtigen.<br />
Die Bedarfsgemeinschaft unterscheidet sich von den bloßen Berücksichtigungsgemeinschaften nach<br />
dem <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>, der Einstandsgemeinschaft <strong>und</strong> der Haushaltsgemeinschaft (vgl. § 9 Abs. 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>,<br />
dadurch, dass nicht nur hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens <strong>und</strong> Vermögens,<br />
sondern bereits auf der Ebene der Einzelbedarfe eine Zusammenrechnung vorgenommen wird.<br />
Innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ist dabei der individuelle Anspruch des einzelnen Partners auf<br />
Alg <strong>II</strong> nach dem Verhältnis seines Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berechnen (horizontale<br />
Berechnungsmethode). Das BSG hat sich damit gegen die sog. vertikale Berechnungsmethode<br />
entschieden, so dass nicht nach Ermittlung der individuellen Bedarfe der Partner nur das
13<br />
überschießende Einkommen zu verteilen ist.<br />
Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaften sind gem. § 7 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>:<br />
1. die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,<br />
2. die <strong>im</strong> Haushalt lebenden Eltern oder der <strong>im</strong> Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten<br />
erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, <strong>und</strong> der <strong>im</strong> Haushalt<br />
lebende Partner dieses Elternteils,<br />
3. als Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten<br />
a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,<br />
b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,<br />
c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt<br />
so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist,<br />
Verantwortung füreinander zu tragen <strong>und</strong> füreinander einzustehen (wobei das Zusammenleben in<br />
einem gemeinsamen Haushalt i.S. einer Wohn- <strong>und</strong> Wirtschaftsgemeinschaft erforderlich. ist).<br />
4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder (nicht Pflegekinder) der in den<br />
Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,<br />
soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder<br />
Vermögen beschaffen können.<br />
Hinsichtlich der Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten normiert das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> seit dem<br />
1. 8. 2006 Hinweistatsachen für eheähnliche bzw. lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften,<br />
die mit einer Vermutungswirkung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft verknüpft sind (§ 7<br />
Abs. 3 a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Das <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> enthält eine solche Regelung nicht. Allerdings ist mit Art. 3 RBEG<br />
in § 39 n.F. <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> eine Vermutungsregelung für die Haushaltsgemeinschaft neu in das <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong><br />
aufgenommen worden. Danach gilt, wenn eine nachfragende Person gemeinsam mit anderen<br />
Personen in einer Wohnung lebt oder in einer entsprechenden anderen Unterkunft die Vermutung,<br />
dass sie gemeinsam wirtschaften (Haushaltsgemeinschaft) <strong>und</strong> dass die nachfragende Person von<br />
den anderen Personen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach deren Einkommen<br />
<strong>und</strong> Vermögen erwartet werden kann.<br />
Zunächst wird - ausgehend von der Rspr. zu den eheähnlichen Gemeinschaften - die „Ehe- bzw.<br />
Partnerschaftsähnlichkeit“ allgemein so umschrieben, dass ein Zusammenleben in einem<br />
gemeinsamen Haushalt in der Form erforderlich ist, „dass nach verständiger Würdigung der
14<br />
wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen <strong>und</strong> füreinander<br />
einzustehen“ (§ 7 Abs. 3 Ziff. 3 lit. c <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Diese Voraussetzungen werden vermutet, wenn die<br />
Partner<br />
· länger als ein Jahr zusammenleben,<br />
· mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,<br />
· Kinder oder Angehörige <strong>im</strong> Haushalt versorgen oder<br />
· befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (§ 7 Abs. 3 a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
BSG v 14.3.2012 – B 14 AS 18/11 R (Stiefvaterproblematik nach § 9 Abs 2)<br />
In diesem Fall streiten die Beteiligten um die Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters der<br />
Klägerin auf ihren Bedarf. Nachdem die Klägerin in den Instanzen erfolglos war, rügt sie mit der<br />
Revision insbesondere die Verletzung ihrer Gr<strong>und</strong>rechte aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 20<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> aus Art. 3. Sie meint, § 9 Abs. 2 Satz 2 müsse dahingehend ausgelegt werden, dass<br />
eine Anrechnung des Einkommens des Stiefelternteils bei Stiefkindern nur in Betracht komme,<br />
sofern tatsächlich Zahlungen geleistet würde.<br />
Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres<br />
Arbeitslosengeld <strong>II</strong>. Bei der Vorstellung ihres Bedarfs ist das Einkommen ihres Stiefvaters zu<br />
berücksichtigen, weil sie mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater, ihrem Bruder <strong>und</strong> ihren<br />
Halbgeschwistern eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Die Klägerin war Teil dieser<br />
Bedarfsgemeinschaft, weil sie damals unverheiratet <strong>und</strong> noch keine 25 Jahre alt war. Sie gehörte<br />
auch dem Haushalt ihrer Mutter an. Prägend für die über diese Zugehörigkeit vermittelte<br />
Bedarfsgemeinschaft sind über eine gemeinsame Wohnung <strong>und</strong> das „aus einem Topf wirtschaften“<br />
hinaus das besondere Eltern-Kind-Verhältnis zumindest zu einem Elternteil. Ein zusätzlicher<br />
Einstandwille des Stiefelternteils gegenüber dem erwachsenen Stiefkind ist nicht zu fordern. Es ist<br />
entscheidend aber, dass die Zugehörigkeit zum Haushalt eines leiblichen Elternteil sich nicht <strong>im</strong><br />
bloßen "Leben unter einem Dach" erschöpft. In diesen Fällen ist die gesetzgeberische Vermutung<br />
gerechtfertigt, dass die Mittel des Ehepaares für den Lebensunterhalt aller <strong>im</strong> Haushalt<br />
gehörenden Personen verwandt werden. Im vorliegenden Fall stand der Klägerin das von<br />
ihrem Stiefvater weitergeleitete Kindergeld zur Verfügung, mit denen sie sich an den Kosten<br />
der gesamten Familie beteiligte. Zudem war die Klägerin über ihren Stiefvater nach dem <strong>SGB</strong>
15<br />
V familienversichert, dieser bezog auch für Sie ein Gehaltsbestandteile "Besitzstand" Kind<br />
<strong>und</strong> hatte sich den steuerlichen Kinderfreibetrag für sie übertragen lassen. Dass die<br />
Beziehung der Klägerin zu ihrer Mutter durch ein familiäres Band <strong>und</strong> <strong>im</strong>materielle<br />
Elemente geprägt war, wird daran deutlich, dass es keine erhebliche emotionale<br />
Konfliktsituation gab.<br />
(Beachten Sie: BVerfG anhängig eine VerfBeschwerde gegen ein Urteil des BSG B 14 AS 2/08<br />
R v 13.11.2008. Am 21.9.2011 hat BVerfG PKH gewährt <strong>und</strong> RA beigeordnet.)<br />
a) BSG v 18.2.2010 B 4 AS 49/09 R - O. ./. ARGE für Osnabrück-AGOS<br />
Die 1954 geborene Klägerin erhielt für den Bewilligungsabschnitt vom 1.1.2005 bis 30.6.2005<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iHv 659,50 Euro monatlich. Sie heiratete am 5.1.2005 den 1936<br />
geborenen M. Auch nach der Eheschließung lebten beide Eheleute in ihren bisherigen Wohnungen,<br />
führten getrennte Haushalte <strong>und</strong> vereinbarten eine Gütertrennung. Die Klägerin verbrachte - wie<br />
bisher - drei bis viermal in der Woche vormittags die Zeit bei ihrem Ehemann mit Gesprächen,<br />
Spaziergängen <strong>und</strong> Fernsehen. Gelegentlich wurden gemeinsame Mahlzeiten eingenommen. Die<br />
Beklagte hob die laufende Bewilligung von <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen mit Wirkung vom 5.1.2005 auf, weil<br />
sich unter Berücksichtigung der Pension des Ehemannes der Klägerin ein einzusetzendes<br />
Einkommen ergebe, welches den Bedarf der Eheleute nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> übersteige. Widerspruch<br />
<strong>und</strong> Klage hatten keinen Erfolg.<br />
BSG : Entgegen der Auffassung des LSG haben die Voraussetzungen einer von der Klägerin <strong>und</strong><br />
ihrem Ehemann gebildeten Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt des Erlasses des<br />
Aufhebungsbescheids vorgelegen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ua<br />
der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Aus den vom LSG getroffenen Feststellungen ergibt<br />
sich, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann ab der Eheschließung, dh seit dem 5.1.2005, eine<br />
Bedarfsgemeinschaft bildet. Der Senat folgt insoweit gr<strong>und</strong>sätzlich den zum familienrechtlichen<br />
Begriff des Getrenntlebens entwickelten Gr<strong>und</strong>sätzen, nach denen für Konstellationen der<br />
vorliegenden Art ein Getrenntleben zu verneinen ist, soweit nicht ein Trennungswille dokumentiert<br />
wird. Aus der Systematik des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> folgt nicht, dass dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ein anderer Begriff des<br />
Getrenntlebens zugr<strong>und</strong>e liegt, bei dem auf die Feststellung eines Trennungswillens iS der<br />
familienrechtlichen <strong>Rechtsprechung</strong> verzichtet werden kann.<br />
Ein Lösungswille der Klägerin von der gemeinsam gewählten Form der Ehe ohne gemeinsamen
16<br />
räumlichen Lebensmittelpunkt war nach den Feststellungen des LSG hier zumindest <strong>im</strong> Januar 2005<br />
nicht vorhanden. Allerdings lässt sich auf Gr<strong>und</strong> der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht<br />
entscheiden, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang die Beklagte wegen des Entfallens der Hilfebedürftigkeit<br />
die Bewilligung aufzuheben hatte. Hierzu hätte sie zunächst den Bedarf des Ehemanns in Abzug<br />
bringen müssen.<br />
c) Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3c) – BSG v 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R –<br />
Einstandsgemeinschaft<br />
Auf die Revision der Klägerin hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung<br />
an das LSG zurückverwiesen. Er konnte auf Gr<strong>und</strong> der Feststellungen des LSG nicht abschließend<br />
beurteilen, ob die Klägerin hilfebedürftig ist, insbesondere, ob das Einkommen <strong>und</strong> Vermögen des<br />
L. ihrer Hilfebedürftigkeit entgegensteht, weil sie mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Das<br />
LSG hat insoweit den Prüfungsumfang verkannt. § 7 Abs 3 Nr 3c <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> normiert für das<br />
Vorliegen einer Verantwortungs- <strong>und</strong> Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die<br />
kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem<br />
gemeinsamen Haushalt zusammenleben <strong>und</strong> zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung<br />
der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen <strong>und</strong><br />
füreinander einzustehen. Bei den Kriterien zu 1. <strong>und</strong> 2. - nämlich der Partnerschaft <strong>und</strong> des<br />
Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt - handelt es sich um objektive<br />
Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> jeweils zusätzlich<br />
zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- <strong>und</strong> Verantwortungswillens gegeben sein müssen.<br />
Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine Ausschließlichkeit der Beziehung<br />
in dem Sinne gegeben ist, dass sie keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem<br />
muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen <strong>und</strong> dem Dritten die gr<strong>und</strong>sätzliche rechtlich<br />
zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG<br />
bestehen. Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iS des § 7 Abs 3 Nr 3c <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
erfordert das Bestehen einer "Wohn- <strong>und</strong> Wirtschaftsgemeinschaft". Die Vorschrift stellt mithin<br />
ihrerseits auf zwei Elemente ab, das Zusammenleben einerseits <strong>und</strong> das "Wirtschaften aus einem<br />
Topf" andererseits. Dies bedeutet, dass die Partner in "einer Wohnung" zusammenleben <strong>und</strong> die<br />
Haushaltsführung an sich sowie das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch<br />
beide erfolgen müssen. Ob diese Voraussetzungen <strong>im</strong> vorliegenden Fall gegeben sind, wird das LSG
17<br />
<strong>im</strong> wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen <strong>und</strong> ggf die Widerlegung der Vermutung des<br />
Einstands- <strong>und</strong> Verantwortungswillen erneut zu überprüfen haben.<br />
c) Haushaltsgemeinschaft - BSG v 19.2.2009 B 4 AS 68/07 R - K. ./. SODA Oberhausen<br />
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass bei der Berechnung ihres Alg <strong>II</strong> das Erwerbseinkommen<br />
ihrer erwachsenen, mit ihr in einem Haushalt lebenden Tochter mindernd teilweise angerechnet<br />
wird.<br />
Die Klägerin, die kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, wohnt mit ihrer 1983 geborenen Tochter<br />
<strong>und</strong> ihrem 1985 geborenen Sohn gemeinsam in einer Wohnung. Im streitigen Zeitraum von Oktober<br />
2005 bis Februar 2006 absolvierte der Sohn eine Lehre. Die Tochter bezog aus einer Beschäftigung<br />
als Kinderkrankenschwester monatliche Bruttoeinkünfte zwischen 2.125,87 Euro <strong>und</strong> 4.095,86<br />
Euro. Dem Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 586,59 Euro (345 Euro Regelleistung zuzüglich<br />
anteilige Unterkunftskosten in Höhe von 241,59 Euro) stellt der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger als<br />
Einkommen der Klägerin das ihr für ihren Sohn gewährte Kindergeld (154 Euro abzüglich des<br />
Pauschbetrages nach § 3 Abs 1 Nr 1 Alg <strong>II</strong>-V von 30 Euro) gegenüber. Außerdem wurde bei der<br />
Klägerin das Einkommen ihrer Tochter anteilig in Höhe von 71,06 Euro bedarfsmindernd<br />
berücksichtigt. Das SG hat die Klage, mit der die Klägerin um 71,06 Euro höheres Alg <strong>II</strong> begehrt,<br />
abgewiesen.<br />
Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, bei der<br />
Ermittlung des Bedarfs der Klägerin vom Einkommen ihrer Tochter einen Betrag in Höhe von 71,06<br />
Euro bedarfsmindernd anzusetzen.<br />
§ 9 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> stellt die Vermutung auf, dass in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder<br />
Verschwägerten lebende Hilfebedürftige von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach ihrem<br />
Einkommen oder Vermögen erwartet werden kann. Der Umfang dieser typischerweise erwarteten<br />
Unterstützungsleistung wird durch § 1 Abs 2 Satz 1 Alg <strong>II</strong>-V konkretisiert. Die Klägerin bildet mit<br />
ihrer Tochter eine Haushaltsgemeinschaft. Die Beklagte hat § 1 Abs 2 Alg <strong>II</strong>-V rechnerisch richtig<br />
angewandt. § 1 Abs 2 Alg <strong>II</strong>-V ist entgegen der Ansicht der Klägerin durch die<br />
Verordnungsermächtigung des § 13 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gedeckt. Die Verordnung kann danach auch<br />
regeln, welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzenden Beträge zu<br />
berücksichtigen sind. Die Verordnungsermächtigung erlaubt damit auch Regelungen zur<br />
Berücksichtigung der Leistungen von in Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten oder<br />
Verschwägerten an erwerbsfähige Hilfebedürftige. Denn auch bei derartigen Leistungen handelt es<br />
sich um zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 9 Abs 1 Nr 2, § 11 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. § 1<br />
Abs 2 Alg <strong>II</strong>-V verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
18<br />
d) Haushaltsgemeinschaft - BSG v 27.1.2009 B 14 AS 6/08 R - K. ./. ARGE Kempten<br />
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in einer Haushaltsgemeinschaft mit seinem Vater lebt<br />
<strong>und</strong> deshalb vermutet werden kann, dass er Leistungen von seinem Vater erhält.<br />
Der <strong>im</strong> Jahre 1965 geborene Kläger bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi) <strong>und</strong> beantragte ab<br />
1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Er bewohnt mit seinem<br />
1935 geborenen Vater, der eine Altersrente in Höhe von 1278,27 Euro bezieht, eine 80<br />
Quadratmeter große Wohnung. Der Mietvertrag wurde mit ihm <strong>und</strong> seinem Vater abgeschlossen.<br />
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wobei sie zunächst davon<br />
ausging, der Kläger habe sich einen fiktiven Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater anrechnen zu<br />
lassen. Später ging sie in einem Änderungsbescheid davon aus, dass zwischen dem Kläger <strong>und</strong><br />
seinem Vater eine Haushaltsgemeinschaft bestehe, sodass vermutet werden könne. dass der Kläger<br />
von seinem Vater Leistungen erhalte. Im streitigen Zeitraum (Januar bis März 2005) wurden die<br />
Leistungen daher um 118,76 Euro monatlich gekürzt. Das LSG hat diese Bescheide <strong>und</strong> die<br />
entgegenstehende Entscheidung des SG aufgehoben<br />
Die Revision des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers wurde zurückgewiesen. Das LSG hat zu Recht<br />
entschieden, dass auf die dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
gemäß § § 19 ff <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> keine Zahlungen des Vaters des Klägers gemäß § 9 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
angerechnet werden können. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vermutung des §<br />
9 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> hier nicht zu Lasten des Klägers eingreift. Nach dieser Vorschrift wird bei<br />
Hilfebedürftigen, die in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten leben,<br />
vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies anach deren Einkommen <strong>und</strong><br />
Vermögen erwartet werden kann. Hier fehlte es bereits am Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft<br />
zwischen dem Kläger <strong>und</strong> seinem Vater. Für die Unterhaltsvermutung in § 9 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> reicht es<br />
nicht aus, wenn Verwandte oder Verschwägerte in einem Haushalt lediglich zusammen wohnen.<br />
Vielmehr muss über die bloße Wohngemeinschaft hinaus der Haushalt <strong>im</strong> Sinne einer<br />
Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden. Das Vorliegen einer solchen<br />
Haushaltsgemeinschaft ist die erste Tatbestandsvoraussetzung dafür, dass die gesetzliche Vermutung<br />
der Leistungsgewährung durch <strong>im</strong> Haushalt lebende Angehörige eingreifen kann. Ihre Feststellung
durch den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ist Voraussetzung für das Eingreifen der Vermutungsregel<br />
19<br />
IV. Erwerbsfähigkeit<br />
Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit<br />
außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei<br />
St<strong>und</strong>en täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Hier ist insbesondere die Abgrenzung<br />
zur dauerhaften vollen Erwerbsminderung für die Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen relevant.<br />
V. Hilfebedürftigkeit<br />
1. Bedarfe<br />
Hilfebedürftig ist gem. § 9 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend<br />
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann <strong>und</strong> die<br />
erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern<br />
anderer Sozialleistungen, erhält. Existenzsicherungsleistungen nach <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> <strong>SGB</strong><br />
X<strong>II</strong> sind bedarfsorientiert. Gleichzeitig best<strong>im</strong>mt das Maß der Hilfebedürftigkeit („nicht<br />
oder nicht ausreichend“) den Umfang des Leistungsanspruchs.<br />
Hilfebedürftigkeit besteht demnach, wenn die Summe der Mittel, die den Berechtigten zur Deckung<br />
seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, seinen Bedarf nicht vollständig abdeckt. Der<br />
Leistungsumfang entspricht der Differenz zwischen Bedarf <strong>und</strong> den zum Bestreiten des<br />
Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Mitteln.<br />
Bei einer Bedarfsgemeinschaft ist der Bedarf aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu<br />
ermitteln <strong>und</strong> sodann dem zur Verfügung stehenden Einkommen <strong>und</strong> Vermögen des Berechtigten<br />
bzw. der Bedarfsgemeinschaft gegenüber zu stellen.<br />
a) Regelbedarf<br />
Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in § 20 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelt. Er umfasst<br />
insbesondere „Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die<br />
Heizung entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, d.h. in
20<br />
vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen <strong>und</strong> kulturellen Leben in der Gemeinschaft“, wobei<br />
es eine Öffnungsklausel für von der Regelleistung nicht erfasste notwendige Bedarfe (vgl. § 27a<br />
Abs. 4 Satz 2 n.F. <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>) <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zunächst nicht gab, so dass oft auf § 73 <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong><br />
zurückgegriffen wurde. Das Verfahren zur Anpassung der Regelleistung ist in § 20 Abs. 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
best<strong>im</strong>mt, wobei für die Neuermittlung der Regelbedarfe § 28 <strong>SGB</strong> n.F. X<strong>II</strong> i.V.m. dem<br />
Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) entsprechend zur Anwendung gebracht wird .<br />
Das BVerfG hat die Berechnung der Regelsätze in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 für<br />
verfassungswidrig erklärt <strong>und</strong> dazu zum einen ausgeführt, dass zur „Ermittlung des<br />
Anspruchumfangs der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten<br />
<strong>und</strong> sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
verlässlicher Zahlen <strong>und</strong> schlüssiger Berechnungsverfahren“ bemessen muss. Der Gesetzgeber hat<br />
hierauf mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz reagiert <strong>und</strong> damit zugleich die Neuermittlung<br />
der Regelbedarfe auch für das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf neue rechtliche Füße gestellt.<br />
Zum anderen hatte das BVerfG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber zwar „den typischen<br />
Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzmin<strong>im</strong>ums durch einen monatlichen<br />
Festbetrag decken (dürfe), … (dann) aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren,<br />
laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch<br />
einräumen“ müsse.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat der Gesetzgeber mit Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von<br />
Regelbedarfen <strong>und</strong> zur Änderung des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> einen neuen Mehrbedarfstatbestand<br />
geschaffen, der zwar den Wortlaut der Entscheidung des BVerfG übernommen hat: „Bei<br />
Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit <strong>im</strong> Einzelfall ein unabweisbarer,<br />
laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er<br />
insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von<br />
Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist <strong>und</strong> seiner Höhe nach erheblich von<br />
einem durchschnittlichen Bedarf abweicht“ (§ 21 Abs. 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Mehrbedarfe werden nach § 21<br />
Abs. 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs<br />
beschränkt, aber für den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gilt diese Begrenzung gerade nicht (§<br />
21 Abs. 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Regelleistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für erwerbsfähige
21<br />
Leistungsberechtigte sowie nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte<br />
als Partner der Bedarfsgemeinschaft<br />
Sätze 2012<br />
Erwerbsfähige<br />
Alleinstehende<br />
Alleinerziehende<br />
<strong>und</strong><br />
100% 374,– €<br />
Zwei volljährige Partner<br />
einer Bedarfsgemeinschaft<br />
90% 337,00 €<br />
Kinder 219 (-6), 251 (-13), 287 (-18), 299 (-24)<br />
b) Mehrbedarfe<br />
Neben dem durch die Regelleistung abgedeckten Regelbedarf sind - wie bereits erwähnt - die in<br />
§ 21 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelten Mehrbedarfe zu berücksichtigen, die sich weitgehend an den in § 30 <strong>SGB</strong><br />
X<strong>II</strong> normierten Mehrbedarfe ausrichten. Anders als <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> lassen die Regelungen der<br />
Mehrbedarfe für werdende Mütter (§ 21 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> Alleinerziehende (§ 21 Abs. 3 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>) keine einzelfallorientierte Bedarfsfeststellungen zu, sondern bemessen sich ausschließlich an<br />
prozentualen Teilen der Regelleistungen <strong>und</strong> zwar wie folgt:<br />
c) Einmalige Bedarfe<br />
Nach § 24 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zählen zum erforderlichen Bedarf auch best<strong>im</strong>mte einmalige Bedarfe;<br />
die Regelung entspricht <strong>im</strong> wesentlichen § 31 <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>. Zu den einmaligen Bedarfen sind nach § 24<br />
Abs. 3 Satz 1, 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu rechnen:<br />
1. Erstausstattungen für die Wohnung<br />
2. Erstausstattungen für Bekleidung <strong>und</strong> Erstausstattungen bei Schwangerschaft <strong>und</strong> Geburt<br />
sowie<br />
3. Anschaffungen <strong>und</strong> Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von<br />
therapeutischen Geräten <strong>und</strong> Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
22<br />
d) Bedarfe für Bildung <strong>und</strong> Teilhabe<br />
Dieser Bedarf ist erst durch Art. 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen <strong>und</strong> zur<br />
Änderung des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> mit Wirkung zum 1.1.2011 neu in das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aufgenommen<br />
worden <strong>und</strong> wird in den §§ 28 f. <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelt;<br />
Folgende Bedarfe werden anerkannt:<br />
1. Tatsächlichen Aufwendungen für Schulausflüge <strong>und</strong> mehrtägige Klassenfahrten <strong>im</strong> Rahmen<br />
der schulrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen (§ 28 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>),<br />
2. Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in Höhe von 70,- € zum 1. August <strong>und</strong> 30,- € zum 1.<br />
Februar eines jeden Jahres (§ 28 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
3. Eine die schulischen Angebote ergänzende angemessene Lernförderung, soweit diese geeignet<br />
<strong>und</strong> zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen festgelegten<br />
wesentlichen Lernziele zu erreichen (§ 28 Abs. 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
4. Aufwendungen für die Teilnahme an einer in schulischer Verantwortung angebotenen<br />
gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Höhe von 2 € pro Mahlzeit (§ 28 Abs. 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
5. Zuschuss zu den Kosten der Teilhabe am sozialen <strong>und</strong> kulturellen Leben in der<br />
Gemeinschaft in Höhe von 10,- €/Monat für<br />
a. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur <strong>und</strong> Geselligkeit,<br />
b. Unterricht in künstlerischen Fächern (z.B. Musikunterricht) <strong>und</strong> vergleichbare angeleitete<br />
Aktivitäten der kulturellen Bildung <strong>und</strong><br />
c. die Teilnahme an Freizeiten (§ 28 Abs. 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Nach § 29 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> werden die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs. 2 Satz<br />
1 Ziff. 1, Abs. 4 bis 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> durch personalisierte Gutscheine (vgl. § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) oder durch<br />
Kostenübernahmeerklärungen (vgl. § 30a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) erbracht. Der Bedarf nach § 28 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
wird durch Geldleistung gedeckt. Der kommunale Träger entscheidet schließlich nach<br />
pflichtgemäßem Ermessen, in welcher Form er die Leistung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
erbringt.<br />
<strong>Rechtsprechung</strong>
Bildungspaket § 28 Abs 3 - BSG v 19.6.2012 – B 4 AS 162/11 R<br />
Die Revision des Beklagten war nicht begründet. Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der<br />
Beklagte - unabhängig vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme<br />
anfänglich rechtswidriger Bescheide - schon deshalb nicht zur Rücknahme der bindenden<br />
Bewilligung berechtigt war, weil der Kläger <strong>im</strong> August 2009 einen Anspruch auf zusätzliche<br />
Leistungen für Schule hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der geistig behinderte Kläger, der die<br />
sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt, seine Schulpflicht nicht durch Besuch einer Förderschule,<br />
sondern einer Tagesbildungsstätte erfüllt.<br />
Der Begriff der "allgemeinbildenden Schule" iS des 24a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (jetzt s. § 28) ist nicht vorrangig anhand<br />
der schulrechtlichen Regelungen der Länder, sondern nach dem Gesetzeskontext, der Historie der<br />
Vorschrift sowie deren Sinn <strong>und</strong> Zweck zu best<strong>im</strong>men. Bereits nach ihrem Wortlaut verlangt die Norm weder<br />
einen best<strong>im</strong>mten Schulabschluss noch wird - anders als etwa bei Leistungen für mehrtägige<br />
Klassenfahrten - auf die schulrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen der Länder Bezug genommen. Aus der<br />
Entstehungsgeschichte des § 24a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ergibt sich, dass der Gesetzgeber für einen Anspruch auf<br />
Schulbedarfe nicht auf best<strong>im</strong>mte Schulformen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Bildungsabschlüsse abstellen wollte.<br />
Die ursprünglich mit dem "Schulstarterpaket" vorgesehene Gesetzesfassung, die für zusätzliche Leistungen<br />
für Schule voraussetzte, dass die Schüler "eine allgemeinbildende oder eine andere Schule mit dem Ziel<br />
des Erwerbs eines allgemeinbildenden Schulabschlusses besuchen", ist noch vor ihrem Inkrafttreten dahin<br />
abgeändert worden, dass das Erfordernis eines allgemeinbildenden Schulabschlusses <strong>im</strong> Gesetzestext<br />
entfallen ist. Nach den Gesetzesmaterialien soll die Leistung vielmehr unabhängig davon gezahlt werden,<br />
ob allgemeinbildende Schulabschlüsse der Haupt- oder Nebenzweck des Schulbesuchs sind. Auch unter<br />
Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes <strong>und</strong> des Zwecks der Regelung kann nicht auf den Besuch<br />
best<strong>im</strong>mter "Schulformen" abgestellt werden.<br />
23<br />
Mehrbedarf (§ 21 <strong>und</strong> § 24 Abs 3 sowie 28 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>)<br />
a) BSG v. 24.2.2011 ( Erstausstattung einer Wohnung - § 24 Abs 3)<br />
Auf die Revision des beklagten Landkreises wurden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben <strong>und</strong><br />
die Klage abgewiesen.<br />
Der Beklagte war nicht verpflichtet, als Erstausstattung für die Wohnung auch Leistungen für ein<br />
Fernsehgerät zu erbringen. Zur Erstausstattung einer Wohnung gehören nach ständiger<br />
<strong>Rechtsprechung</strong> des BSG wohnraumbezogene Gegenstände, die für eine geordnete<br />
Haushaltsführung <strong>und</strong> ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen<br />
erforderlich sind. Hierzu zählt ein Fernsehgerät nicht. Es ist weder ein Einrichtungsgegenstand noch<br />
ein Haushaltsgerät. Die auf die Wohnung bezogenen Leistungen des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> dienen, insbesondere<br />
mit der Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU), dem Zweck, dem<br />
Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen, das die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Bedürfnisse Aufenthalt, Schlafen <strong>und</strong> Essen sicherstellt. Fehlen dem Hilfebedürftigen bei Gründung<br />
eines eigenen Hausstandes die hierfür erforderlichen Gegenstände, so sind hierfür gesondert neben
24<br />
der pauschalierten Regelleistung Leistungen zu erbringen. Aus der Tatsache, dass "Fernsehen" ein<br />
elementarer Bestandteil der herrschenden Lebensgewohnheiten ist <strong>und</strong> etwa 95 % der Bevölkerung<br />
mit Möglichkeiten zum Empfang von Fernsehprogrammen ausgestattet sind, folgt nichts anderes.<br />
Die Sicherstellung von Freizeit-, Informations- <strong>und</strong> Unterhaltungsbedürfnissen, der das Fernsehen<br />
dient, soll gr<strong>und</strong>sätzlich aus der Regelleistung erfolgen. Insoweit erforderliche<br />
Konsumgegenstände, die wie das Fernsehgerät entsprechend verbreitet sind, aber nicht zur<br />
Erstausstattung einer Wohnung zählen, können - <strong>im</strong> Gegensatz zum Rechtszustand unter dem<br />
B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz - nur noch darlehensweise erbracht werden (vgl § 23 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 14 AS 75/10 R -<br />
b) BSG v. 24.3.2011 (zur kostenaufwändigen Ernährung - § 21 Abs 5)<br />
Das Urteil des LSG wurde aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung<br />
an das LSG zurückverwiesen. Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung<br />
darüber zu, ob der Klägerin <strong>im</strong> streitigen Zeitraum über die Regelleistung hinaus ein Mehrbedarf<br />
wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zusteht.<br />
Das SG, auf dessen Begründung sich das LSG insoweit zulässigerweise beziehen durfte, konnte auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage allgemeink<strong>und</strong>iger Tatsachen feststellen, dass bei der Klägerin eine Allergie gegen<br />
Paraben besteht, die Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise hat. Die auf Gr<strong>und</strong>lage dieser<br />
Ausgangsannahmen getroffene abschließende Würdigung des SG, die Klägerin könne durch<br />
aufmerksames <strong>und</strong> lediglich zeitaufwändiges, aber nicht kostenintensives Verbraucherverhalten das<br />
Allergen gut vermeiden, die das LSG in seine Begründung mit aufgenommen hat, ist dagegen<br />
weder eine allgemeink<strong>und</strong>ige Tatsache noch wird aus dem Urteil sonst erkennbar, worauf das SG<br />
diese Schlussfolgerung stützt. Die Annahme, auch bei strikter Vermeidung von Lebensmitteln, die<br />
das Allergen enthielten, würden keine weitergehenden Kosten <strong>im</strong> Hinblick auf eine ausgewogene<br />
Ernährung entstehen, kann nicht als allgemeines Erfahrungswissen des Gerichts unterstellt werden.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 14 AS 49/10 R -<br />
BSG v. 22.11.2011 – B 4 AS 138/10 R
Die Beteiligten streiten über höhere Regelleistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> infolge eines<br />
krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs hinsichtlich der Zeiträume 1.12.2005 bis<br />
30.6.2006 <strong>und</strong> 1.1.2007 bis 31.12.2007. Der Kläger hatte hierzu <strong>im</strong> Verwaltungsverfahren eine<br />
ärztliche Bescheinigung auf dem von der Verwaltung vorgesehenen Formular vorgelegt, wonach<br />
er an Hyperlipidämie, Hyperuricämie/Gicht sowie Hypertonie leide <strong>und</strong> auf lipidsenkende,<br />
purinreduzierte <strong>und</strong> natriumdefinierte Kost angewiesen sei. Ferner übergab der Kläger in einem<br />
versiegelten Umschlag ärztliche Unterlagen, welche an den Amtsarzt Sch in K weitergeleitet<br />
wurden. Dieser teilte dem Beklagten mit, dass aus den ihm vorliegenden Unterlagen sich unter<br />
Berücksichtigung des üblicherweise zugr<strong>und</strong>e gelegten Begutachtungsleitfadens kein Mehrbedarf<br />
ergäbe. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden lehnte der Beklagte die Berücksichtigung<br />
eines Mehrbedarfs ab.<br />
Klage <strong>und</strong> Berufung hatten keinen Erfolg. Das LSG hat ausgeführt, nach den<br />
Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins 2008 erforderten die be<strong>im</strong> Kläger bestehenden<br />
Erkrankungen sämtlich lediglich eine Vollkost, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten<br />
verursache. Zu diesem Ergebnis sei auch der von dem Beklagten gehörte Arzt Sch gelangt,<br />
dessen Darlegungen der Senat urk<strong>und</strong>sbeweislich würdige.<br />
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Durch die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins werde die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Verpflichtung der Verwaltung <strong>und</strong> der Gerichte, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln,<br />
nicht aufgehoben<br />
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung an das LSG. Bei der Gewährung eines<br />
Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung handelt es sich <strong>im</strong> Verhältnis zu den<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht um einen abtrennbaren Streitgegenstand.<br />
Die Höhe der Leistungen ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insoweit fehlt es<br />
bereits an der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen des § 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in den streitigen<br />
Zeiträumen.<br />
Anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob der Kläger<br />
einen Anspruch auf Mehrbedarf wegen Krankenkost hat. Das LSG hat insoweit gegen den<br />
Amtsermittlungsgr<strong>und</strong>satz verstoßen, weil es Ermittlungsmöglichkeiten nicht genutzt hat,<br />
die sich vernünftigerweise aufdrängten. Das LSG hat insbesondere keine sachverständigen<br />
Auskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt, so dass keine belastbaren<br />
Feststellungen dazu getroffen worden sind, welche Krankheiten be<strong>im</strong> Kläger vorliegen <strong>und</strong><br />
welche Anforderungen an sein Ernährungsverhalten hieraus folgen. Zur Klärung dieser<br />
medizinischen Fragen genügt die vom LSG <strong>im</strong> Wege des Urk<strong>und</strong>enbeweises eingeführte<br />
amtsärztliche Stellungnahme nicht, weil sie weder relevante Tatsachen noch<br />
nachvollziehbare Schlussfolgerungen enthält. Unabhängig von diesen Anforderungen<br />
weist der Senat darauf hin, dass allein mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom<br />
1.10.2008 zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe Verfahren der<br />
vorliegenden Art nicht erledigt werden können. Es handelt sich insoweit insbesondere<br />
nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das auf der Gr<strong>und</strong>lage der Angaben<br />
der Antragsteller normähnlich angewandt werden könnte.<br />
-<br />
25<br />
c) Betreuung eines Kindes B 4 AS 50/07 (§ 21 Abs 3)<br />
Die Klägerin, die sich mit dem von ihr getrennt lebenden früheren Ehemann wöchentlich in der<br />
Betreuung ihrer gemeinsamen Tochter abwechselt, begehrt die hälftige Berücksichtigung eines
26<br />
Mehrbedarfs für Alleinerziehende.<br />
Die 1977 geborene Klägerin <strong>und</strong> ihr früherer Ehemann leben seit 2005 getrennt. Sie teilen sich die<br />
Betreuung ihrer gemeinsamen, 2002 geborenen Tochter, die zunächst bei der Klägerin gemeldet<br />
war. Der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger gewährte der Klägerin sowie deren Tochter seit Januar<br />
2005 laufend Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> einschließlich eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in<br />
Höhe von monatlich 124 Euro. Am 22.3.2006 bescheinigte die Meldebehörde den Umzug der<br />
Tochter in die Wohnung des Vaters. Darauf setzte der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die Leistungen an die<br />
Klägerin - nunmehr ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende - ab 1.4.2006<br />
neu fest. Im Zusammenwirken mit dem Jugendamt trafen die Klägerin <strong>und</strong> ihrer früherer Ehemann<br />
<strong>im</strong> Juni 2006 eine "vorläufige Elternvereinbarung", in der es ua heißt, die Eltern teilten sich die<br />
Betreuung ihrer Tochter zur Hälfte. Die Übergabe der Tochter erfolge jeweils <strong>im</strong> wöchentlichen<br />
Wechsel am Montag um 16 Uhr. Hauptwohnsitz der Tochter sei bei ihrem Vater, ihr Nebenwohnsitz<br />
bei der Klägerin. Die anteiligen Alg <strong>II</strong>-Leistungen (Regelsatz) seien an den Vater zu zahlen. Die<br />
tatsächliche Betreuung der Tochter entspricht dieser Vereinbarung. Das SG hat die auf<br />
Weitergewährung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen.<br />
Der Senat hat die Urteile des LSG <strong>und</strong> des SG aufgehoben.<br />
Die Klägerin hat, obwohl sie sich in der Betreuung ihrer Tochter mit ihrem geschiedenen Ehemann<br />
abwechselt, Anspruch auf den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Der Mehrbedarf für<br />
Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung gewährter Bestandteil des Arbeitslosengeldes<br />
<strong>II</strong>. Der Mehrbedarf wird unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfes in Form einer Pauschale<br />
gewährt. Das Gesetz geht insoweit von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise<br />
ein erhöhter Bedarf vorliegt. Es regelt aber nicht ausdrücklich, wie hinsichtlich des Mehrbedarfs für<br />
Alleinerziehende zu verfahren ist, wenn sich die Eltern die elterliche Sorge - wie <strong>im</strong> vorliegenden<br />
Fall - faktisch teilen, indem sie sich in der Betreuung des Kindes in zeitlichen Intervallen (hier:<br />
wöchentlich) abwechseln. Der erkennende Senat folgt in solchen Fällen nicht dem "Alles-oder-<br />
Nichts-Prinzip". Denn rechtlich ist es weder angemessen, hilfebedürftigen Arbeitslosen den<br />
Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen, noch ist es sachgerecht, ihnen den vollen<br />
Mehrbedarf zuzubilligen. Vielmehr ist die einschlägige Vorschrift nach ihrem Zweck auszulegen:<br />
Wechseln sich geschiedene <strong>und</strong> getrennt wohnende Eltern bei der Pflege <strong>und</strong> Erziehung des<br />
gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen ab,<br />
<strong>und</strong> teilen sie sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig, steht Hilfebedürftigen ein hälftiger
27<br />
Mehrbedarf für Alleinerziehende zu.<br />
BSG v. 23.8.2012 – B 4 AS 167/11 Mehrbedarf wg Alleinerziehung - § 21 Abs 3<br />
Der Senat hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Er sah keine Veranlassung zur<br />
Korrektur seiner am Wortlaut des § 21 Abs 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> orientierten Auslegung des Begriffs<br />
der "alleinigen Sorge für die Pflege <strong>und</strong> Erziehung" von Kindern. Insofern haben<br />
die beiden für die Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG<br />
auf die Gesetzesbegründung für den Mehrbedarf für Alleinerziehende abgestellt, nach der<br />
typisierend <strong>und</strong> beispielhaft davon ausgegangen wird, dass diese wegen der Sorge für<br />
ihre Kinder weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf <strong>und</strong> höhere Aufwendungen für die<br />
Kontaktpflege sowie externen Rat in Betreuungs-, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Erziehungsfragen<br />
durch Fremdbetreuung haben. Die Aufwendungen ua mit der Notwendigkeit einer zeitweisen<br />
"Fremdbetreuung" rechtfertigen es, bei der Auslegung des Begriffs der "alleinigen<br />
Sorge" auf den zeitlichen Umfang der tatsächlichen <strong>und</strong> regelmäßigen Betreuung in der -<br />
neben der Schule oder Kindertageseinrichtung - verbleibenden Betreuungszeit durch den<br />
Elternteil <strong>und</strong> das Fehlen einer nachhaltigen Unterstützung durch andere Personen<br />
abzustellen.<br />
Es ist eine von der <strong>Rechtsprechung</strong> zu beachtende vertretbare gesetzgeberische Entscheidung,<br />
den Mehrbedarf von dem Umfang der regelmäßigen Betreuungsleistung durch<br />
den Elternteil, also der tatsächlichen Ausübung ihrer elterlichen Sorge, abhängig zu machen<br />
<strong>und</strong> nicht bereits auszuschließen, wenn - wie in dem vorliegenden atypischen Fall -<br />
auch eine anderweitige, tatsächlich aber nicht regelmäßig wahrgenommene Betreuung<br />
hätte stattfinden können. Die Ausgestaltung des Mehrbedarfs, der <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht vom<br />
Nachweis eines konkreten Aufwands abhängt, sondern typisierend <strong>und</strong> pauschalierend bei<br />
Vorliegen einer "alleinigen Pflege <strong>und</strong> Erziehung" in gesetzlich fixierter Höhe angenommen<br />
wird, obliegt ebenso in erster Linie dem Gesetzgeber.<br />
Das LSG hat - trotz der hier vorliegenden atypischen Situation des Wohnens in einem<br />
Haus mit den Eltern der Klägerin <strong>und</strong> deren Schwester, allerdings ohne Vorliegen einer<br />
Haushaltsgemeinschaft - für den Senat bindend festgestellt, dass die Klägerin von diesen<br />
tatsächlich nicht in erheblichem Umfang bei der Pflege <strong>und</strong> Erziehung der Kinder unterstützt<br />
wird. Diese Feststellungen hat der Beklagte nicht mit zulässigen <strong>und</strong> begründeten
28<br />
Revisionsrügen angegriffen.<br />
d) Merkzeichen “G” BSG v 6.5.2010 – B 14 AS 3/09 R<br />
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bei dem <strong>im</strong> Jahre 2003 geborenen Kläger zu 4 für einen Leistungszeitraum<br />
<strong>im</strong> Jahr 2007 ein Mehrbedarf gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr. 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nach Anerkennung<br />
des Merkzeichens "G" zu berücksichtigen ist. Kläger sind die Eltern des Klägers zu 4 <strong>und</strong> dessen<br />
1998 geborener Bruder, die von dem beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträger Leistungen zur Sicherung<br />
des Lebensunterhalts erhalten. Der Kläger zu 4 wurde <strong>im</strong> März 2007 als Schwerbehinderter mit<br />
einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 <strong>und</strong> den Merkzeichen "G" <strong>und</strong> "B" anerkannt. Den<br />
Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen<br />
"G" lehnte der Beklagte ab. Der Kläger zu 4 werde gerade erst fünf Jahre alt. Der Mehrbedarf sei<br />
für Kinder unter 15 Jahren nicht vorgesehen. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen<br />
erfolglos geblieben.<br />
Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern<br />
keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines<br />
Mehrbedarfs für den Kläger zu 4 gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (idF vom 20.7.2006)<br />
zustehen. Der <strong>im</strong> Jahre 2003 geborene Kläger zu 4 kann einen entsprechenden Mehrbedarf nicht<br />
geltend machen, weil er keine "nicht erwerbsfähige Person" <strong>im</strong> Sinne dieser Vorschrift ist.<br />
e) Mehrbedarf - § 21 Abs 4 – BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 3/10 R<br />
Es gibt keine Leistungen wegen Mehrbedarfs aufgr<strong>und</strong> der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe<br />
am Arbeitsleben iSd § 21 Abs 4. Allgemeine Beratungs- oder Betreuungsleistungen durch den<br />
Beklagten oder die Durchführung einer therapeutischen Behandlung sind keine Teilhabeleistungen<br />
iSd § 33 <strong>SGB</strong> IX oder eine „sonstige Hilfe“ zur Erlangung eines geeigneten Platzes <strong>im</strong><br />
Arbeitsleben.
29<br />
f) Fahrtkosten zu Praktikumsplatz - BSG v 6.4.2011 – B 4 AS 117/10 R<br />
Der Kläger hat Anspruch auf Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € nicht nur für die einfache Kilometerzahl,<br />
sondern für die tatsächlich gefahrenene Km. Anspruchsgr<strong>und</strong>lage ist § 16 Abs 1 S 2 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> iVm § 81 Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I <strong>und</strong> § 5 Abs 1 BRKG.<br />
Die Entscheidung über den Umfang der zu erstattenden Fahrtkosten richtet sich ausschließlich nach<br />
den Vorschriften des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I, wenn die Maßnahme selbst nach § 77 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I bewilligt worden ist.<br />
Das „Ob“ der Bewilligung steht insoweit nach § 16 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zwar <strong>im</strong> Ermessen des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers,<br />
die Gewährung der Fahrtkostenerstattung ist in Folge der Gr<strong>und</strong>ent-scheidung<br />
jedoch eine geb<strong>und</strong>ene Entscheidung nach § 81 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I.<br />
g) Erstausstattung für Wohnung <strong>und</strong> Bekleidung (Pauschalierung der Leistungen/gebrauchte<br />
Waren) – BSG v 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - B. ./. Jobcenter Bad Kreuznach<br />
Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Anspruchs des Klägers auf Erstausstattung seiner<br />
Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten <strong>und</strong> auf Erstausstattung für Bekleidung.<br />
Der 1945 geborene Kläger war von 1985 bis 2007 inhaftiert. Dem vor Haftentlassung gestellten<br />
Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> fügte<br />
er einen Mietvertrag bei, der zwischen ihm <strong>und</strong> seiner Tochter abgeschlossen worden war. Ab 1.2.<br />
bis zum 30.6.2007 wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 780 Euro monatlich bewilligt.<br />
Zusätzlich beantragte er eine Wohnungs- sowie eine Bekleidungserstausstattung. Die angemietete<br />
Wohnung sei lediglich mit einer Einbauküche ausgestattet. An Bekleidung verfüge er über eine<br />
Garnitur Unterwäsche, Oberbekleidung <strong>und</strong> ein Paar Schuhe. Der Beklagte bewilligte daraufhin<br />
eine einmalige Beihilfe in Höhe von 730 Euro für die Wohnungserstausstattung, wobei ein Bedarf<br />
für einen Herd, Küchenschränke, einen Kühlschrank <strong>und</strong> eine Spüle nicht anerkannt wurde, da nach<br />
dem abgeschlossenen Mietvertrag die leihweise Überlassung der Kücheneinrichtung vereinbart sei;<br />
daneben gewährte er eine weitere einmalige Beihilfe in Höhe von 230 Euro für die Erstausstattung<br />
mit Bekleidung.<br />
Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Gründe des<br />
SG zutreffend entschieden, dass der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger sowohl für die Wohnungserstausstattung<br />
als auch für die Erstausstattung mit Bekleidung ausreichende pauschale Geldbeträge<br />
zur Verfügung gestellt hat. Die für die Berechnung des Leistungsumfangs zugr<strong>und</strong>e gelegten Listen<br />
mit Einrichtungsgegenständen <strong>und</strong> Bekleidungsstücken sind nicht zu beanstanden. Die Vorinstanzen
30<br />
haben zu Recht darauf abgestellt, dass nur die Gr<strong>und</strong>ausstattungen zu gewähren sind, die einfachen<br />
Bedürfnissen genügen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine vollständige <strong>und</strong> bestmögliche<br />
Ausstattung. Die zugr<strong>und</strong>e gelegten Preise für die einzelnen Einrichtungsgegenstände <strong>und</strong><br />
Kleidungsstücke sind nachvollziehbar unter Angabe von Bezugsquellen dargelegt; sie sind zudem<br />
so kalkuliert, dass neben dem - gr<strong>und</strong>sätzlich zumutbaren - Kauf von gebrauchten Waren auch der<br />
Kauf von Neuwaren möglich ist. Bei der Kleidung wurden schließlich auch die Wäsche- <strong>und</strong><br />
jahreszeitlich bedingten Wechsel berücksichtigt. Darüber hinaus gibt die jeweilige Aufr<strong>und</strong>ung der<br />
Gesamtsumme die Möglichkeit, zusätzliche Gegenstände zu erwerben, die in den Listen des<br />
Beklagten nicht enthalten sind.<br />
h) Medikamente – BSG v. 26.5.2011 – B 14 AS 146/10 R<br />
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Arzne<strong>im</strong>ittelkosten als Leistungen der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende. Die 1962 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1949 geborenen<br />
Ehemann, der Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> bezieht, <strong>und</strong> zwei 1989 sowie 1996 geborenen<br />
Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin <strong>und</strong> ihre Kinder erhalten seit 2005<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Im September 2006 machte die Klägerin einen Mehrbedarf aufgr<strong>und</strong><br />
chronischer Erkrankungen geltend; ihr ging es vor allem um die Übernahme der Kosten für<br />
Schmerzmittel wegen Kopfschmerz, Hautallergie <strong>und</strong> Osteoporose. Der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger<br />
lehnte zusätzliche Leistungen ab. Die geltend gemachten Arzne<strong>im</strong>ittel müssten<br />
entweder von der gesetzlichen Krankenkasse gewährt werden oder die dafür anfallenden Kosten<br />
seien von der Regelleistung umfasst. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne<br />
Erfolg geblieben.<br />
Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.<br />
Die Klägerin hat neben einem Anspruch auf Regelleistung, der nach den Feststellungen des LSG<br />
<strong>und</strong> dem Vortrag der Beteiligten dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Höhe nach nicht zweifelhaft ist, keine<br />
weiteren Ansprüche auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen der von ihr<br />
geltend gemachten Belastungen mit Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Zwar<br />
kann durch eine nicht ausreichende Versorgung mit Arzne<strong>im</strong>itteln das Recht auf Leben (Ges<strong>und</strong>heit)<br />
<strong>und</strong> körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein. Der von der Klägerin<br />
geltend gemachte zusätzliche Bedarf wird aber überwiegend durch die Leistungen der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt. Dies ist auch <strong>im</strong> Hinblick auf solche nicht<br />
verschreibungspflichtigen Arzne<strong>im</strong>ittel der Fall, die bei der Behandlung schwerwiegender
31<br />
Erkrankungen als Therapiestandard gelten <strong>und</strong> deshalb vom Vertragsarzt ausnahmsweise<br />
verordnet werden können. Soweit darüber hinaus bei der Klägerin möglicherweise die Notwendigkeit<br />
einer Behandlung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzne<strong>im</strong>itteln bestanden hat, sind<br />
hierdurch keine Kosten ausgelöst worden, die einen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Nach<br />
den unangegriffenen Feststellungen des LSG sind <strong>im</strong> gesamten von ihm überprüften Zeitraum<br />
lediglich Aufwendungen in Höhe von weniger als 20 Euro geltend gemacht worden. Allein die<br />
Tatsache, dass die Erkrankungen der Klägerin chronisch sein mögen, führt nicht zu einem Anspruch<br />
auf einen Mehrbedarf.<br />
i) BSG v. 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - W. ./. Jobcenter Stuttgart<br />
Streitig ist noch die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2005. Die alleinstehende Klägerin bewohnt eine Ein-Z<strong>im</strong>mer-<br />
Wohnung. Das Bad der Wohnung wurde mit einem nicht durch einen Zähler gesondert erfassten<br />
Elektro-Heizlüfter beheizt. Der Beklagte bewilligte der Klägerin <strong>im</strong> streitigen Zeitraum Alg <strong>II</strong>,<br />
wobei er ua einem monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwändige Ernährung<br />
wegen eines Diabetes mellitus Typ I berücksichtigte.<br />
Nachdem das Klage- <strong>und</strong> Berufungsverfahren für die Klägerin zunächst erfolglos geblieben war, hat<br />
das BSG mit Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R - das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die<br />
Sache an das LSG zurückverwiesen, da es insbesondere an tatsächlichen Feststellungen zu den von<br />
der Klägerin geltend gemachten Kosten für eine kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 5<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> fehle. Für die Beantwortung der Frage, ob ein krankheitsbedingter Mehrbedarf vorliege,<br />
müssten Feststellungen zum Krankheitsbild <strong>und</strong> zu einem etwaigen Krankenkostbedarf getroffen<br />
werden.<br />
Das LSG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt <strong>und</strong> ein<br />
Sachverständigengutachten eines Internisten eingeholt. Das LSG hat den Beklagten zur Zahlung<br />
weiterer 60,69 Euro Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung verurteilt <strong>und</strong> die Berufung der Klägerin<br />
<strong>im</strong> Übrigen zurückgewiesen. Die bisherige Berücksichtigung der anteiligen Stromkosten für den<br />
Heizlüfter mit einer Betriebsdauer von 30 Minuten täglich sei zu niedrig; <strong>im</strong> Rahmen der Schätzung<br />
sei eine volle St<strong>und</strong>e zugr<strong>und</strong>e zu legen. Es bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung<br />
eines Zuschlags für einen ernährungsbedingten Mehraufwand. Eine Verrechnung mit dem<br />
Nachzahlungsanspruch auf Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung komme nicht in Betracht. Gegen<br />
dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision.
32<br />
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Sie hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen <strong>im</strong><br />
streitigen Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.6.2005. Die Klägerin hat insbesondere keinen Anspruch<br />
auf höheres Alg <strong>II</strong> mit Rücksicht auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach §<br />
21 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Dieser Mehrbedarf kann nach dem Wortlaut der Regelung nur beansprucht<br />
werden, wenn Leistungsberechtigte aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen<br />
Ernährung bedürfen. Hierbei sind mit medizinischen Gründen ausschließlich krankheitsbedingte<br />
Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte <strong>und</strong> systematischen Gründen. Nach<br />
den Feststellungen des LSG liegen bei der Klägerin zwar verschiedene Krankheiten vor; diese<br />
verursachen jedoch keinen Ernährungsmehrbedarf. Auch der bei der Klägerin bestehende Diabetes<br />
mellitus Typ I bedingt nach der medizinischen Sachaufklärung durch das LSG <strong>im</strong> konkreten<br />
Einzelfall keinen besonderen Ernährungsbedarf. Ein Anspruch auf eine höhere Regelleistung wegen<br />
eines individuellen Ernährungsbedarfs besteht ebenfalls nicht<br />
Hinsichtlich der hier ausnahmsweise als Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung zu berücksichtigenden<br />
Stromkosten ist der Ansatz der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Es ist unerheblich, dass das LSG<br />
die R<strong>und</strong>ungsregelung nicht zutreffend angewendet hat. Denn es ergibt sich jedenfalls mit<br />
Rücksicht darauf kein höherer Zahlbetrag, dass die Klägerin keinen Anspruch nach § 21 Abs 5 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> hatte. Eine Saldierung der Zahlbeträge kann erfolgen, wenn der Gesamtleistungsanspruch <strong>im</strong><br />
Streit ist.<br />
BSG v. 6.10.2011, Regelbedarf- 90% Regelung, Asylbewerber ---------B 14 AS 171/10<br />
R<br />
Die Beteiligten streiten insbesondere um die Höhe der bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigenden<br />
Regelleistung.<br />
Die 1983 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2000 <strong>und</strong> 2001 geborenen Klägerinnen zu 2 <strong>und</strong> 3. Im<br />
streitigen Zeitraum lebte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Vater der Klägerinnen zu 2 <strong>und</strong> 3, in<br />
einer Wohnung in Hamburg. Die Klägerin zu 1 erzielte monatliche Einnahmen aus Erwerbstätigkeit in Höhe<br />
von jeweils 165 Euro. Der Ehemann der Klägerin zu 1 erhielt Gr<strong>und</strong>leistungen nach dem<br />
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von monatlich 199,40 Euro zuzüglich anteiliger<br />
Unterkunftskosten. Bei der Bewilligung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit vom 1.6. bis<br />
30.11.2006 legte die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters bei der Klägerin zu 1 eine Regelleistung<br />
in Höhe von 311 Euro (= 90 % der vollen Regelleistung) zugr<strong>und</strong>e. Das SG hat der auf Berücksichtigung der<br />
ungekürzten Regelleistung gerichteten Klage stattgegeben; das LSG hat die Berufung des Beklagten<br />
zurückgewiesen. Die Vorschrift des § 20 Abs 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> passe nicht bei Bedarfsgemeinschaften, in denen ein
volljähriger Partner Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, der andere volljährige Partner aber lediglich<br />
Gr<strong>und</strong>leistungen nach § 3 AsylbLG erhalte. § 20 Abs 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> verfolge allein das Ziel, zwei Volljährigen<br />
nicht die doppelte Regelleistung zukommen zu lassen, weil es be<strong>im</strong> gemeinsamen Wirtschaften Ersparnisse<br />
gebe. Die damit verb<strong>und</strong>ene Festlegung eines Betrages von insgesamt 180 vom H<strong>und</strong>ert der Regelleistung<br />
setze aber voraus, dass beide Partner Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> erhielten.<br />
33<br />
Die Revision des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers ist <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz ohne Erfolg geblieben. Das<br />
Urteil des LSG wurde nur insoweit geändert, als der monatliche Differenzbetrag, den der Beklagte<br />
der Klägerin nachzuzahlen hat, nur 32,70 Euro <strong>und</strong> nicht 34,00 Euro beträgt.<br />
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelleistung für zwei volljährige Angehörige<br />
der Bedarfsgemeinschaft gr<strong>und</strong>sätzlich nur dann auf jeweils 90 vom H<strong>und</strong>ert der Regelleistung nach<br />
§ 20 Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> begrenzt ist, wenn es sich um zwei volljährige erwerbsfähige Angehörige handelt,<br />
die dem Gr<strong>und</strong>e nach anspruchsberechtigt sein können. Für eine Bedarfsgemeinschaft, in der ein<br />
Angehöriger Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bezieht, der andere aber Gr<strong>und</strong>leistungen nach dem<br />
Asylbewerberleistungsgesetz gilt die Kürzungsregelung in § 20 Abs 3 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> jedenfalls nicht.<br />
BSG v. 12.7.2012 – B 14 AS 153/11 R – Regelsätze verfassungsgemäß<br />
In der Sache ist die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Es<br />
bestand kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen <strong>und</strong><br />
die Entscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 19 Abs 1 Satz 1, § 20 Abs 1<br />
<strong>und</strong> Abs 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (neue Fassung) mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20<br />
Abs 1 GG einzuholen. Die Höhe des Regelbedarfes für Alleinstehende ist vom<br />
Gesetzgeber für die Zeit ab 1.1.2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig<br />
festgesetzt worden. Die in Teilen des Schrifttums sowie <strong>im</strong> Vorlagebeschluss des SG<br />
Berlin vom 25.4.2012 gegen die Verfassungsmäßigkeit vorgebrachten Argumente können<br />
nicht überzeugen<br />
Sonderbedarf/Antragsfrist (!)<br />
a) Kosten einer Klassenfahrt - Vorherige Tagesfahrten <strong>und</strong> spätere mehrtägige Klassenfahrt –<br />
Sachzusammenhang - BSG v 23.4.2010<br />
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Kosten für eine Klassenfahrt nur dann vom<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zu übernehmen sind, wenn es sich um eine mehrtägige Fahrt handelt; dies<br />
setzt gr<strong>und</strong>sätzlich zumindest eine Übernachtung außerhalb der Wohnung des Schülers voraus. Bei<br />
der Ski-Klassenfahrt handelte es sich um eine solche mehrtägige Klassenfahrt. Entgegen der<br />
Auffassung des LSG ist es für den Umfang der Kostenpflicht der Beklagten entscheidend, ob eine<br />
Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ohne eine vorherige Teilnahme an den beiden Tagesveranstaltungen<br />
in der Skihalle Bottrop möglich war oder nicht. Da der gesetzlichen Regelung über
34<br />
Leistungen bei Klassenfahrten vor allem die Intention zugr<strong>und</strong>e liegt, die Ausgrenzung von Schülern<br />
aus einkommensschwachen Familien zu verhindern, sollen vom Träger der Gr<strong>und</strong>sicherung die<br />
tatsächlichen Kosten übernommen werden, um eine Teilnahme zu gewährleisten. Das LSG wird<br />
daher zu ermitteln haben, ob über den auch von ihm angenommenen "Sachzusammenhang" zwischen<br />
den Tagesfahrten in die Skihalle <strong>und</strong> der mehrtägigen Klassenfahrt nach Südtirol hinaus eine<br />
Teilnahme an der mehrtägigen Klassenfahrt ausschließlich dann möglich gewesen ist, wenn der<br />
Schüler zuvor auch die beiden eintägigen Vorbereitungskurse besucht hat <strong>und</strong> eine solche Bedingung<br />
schulrechtlich auch zulässig war. Soweit dies der Fall war, handelt es sich um Kosten einer<br />
mehrtägigen Klassenfahrt.<br />
B 14 AS 1/09 R –<br />
BSG v 22.11.2011 – Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt- B 4 AS 204/10<br />
Streitig ist die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einem Schüleraustausch mit einer<br />
High School in Arizona (USA) vom 1.10. bis 31.10.2009 als Leistung für eine mehrtägige<br />
Klassenfahrt nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Austausches Schüler der 12. Klasse an einem Gymnasium. Er<br />
wurde von der Schule wegen guter Leistungen <strong>und</strong> besonderem Engagement für den Austausch<br />
ausgewählt. Die Kosten - insgesamt 1 650 Euro - übernahmen, nachdem der Beklagte die<br />
Gewährung als Leistung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> abgelehnt hatte, ehemalige<br />
Geschäftsfre<strong>und</strong>e seines Vaters. Die Schulden soll der Kläger durch Arbeit begleichen.<br />
Das SG Freiburg hat die Klage auf Übernahme der Kosten abgewiesen <strong>und</strong> das LSG hat die<br />
Berufung hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG <strong>im</strong> Wesentlichen ausgeführt,<br />
der Anspruch scheitere bereits daran, dass es sich bei dem Schüleraustausch nicht um eine<br />
mehrtägige Klassenfahrt handele. Das baden-württembergische Schulrecht kenne den Begriff der<br />
Klassenfahrt als eigenständigen, rechtlich ausgefüllten Begriff nicht. Das Gericht habe daher den<br />
in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> verwendeten Begriff der "Klassenfahrt" selbst auszulegen. Es ist<br />
dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass nur dann, wenn sich die "Klasse" iS eines die Klasse<br />
ersetzenden Kursverbandes oder der Jahrgangsstufe auf eine mehrtägige "Fahrt" begebe, von<br />
einer "Klassenfahrt" ausgegangen werden könne. Bei einer freiwilligen, von dem konkreten<br />
fachbezogenen Klassen- oder Unterrichtsverband unabhängigen Teilnahme an einer mehrtägigen<br />
Veranstaltung liege hingegen keine "Klassenfahrt" vor.<br />
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung von<br />
1300 Euro gegen den Beklagten für ein ihm gewährtes Darlehen, um an dem Schüleraustausch<br />
vom 1.10. bis 31.10.2009 teilnehmen zu können.<br />
Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich bei dem hier streitigen<br />
Schüleraustausch um eine mehrtägige Klassenfahrt <strong>im</strong> Rahmen der schulrechtlichen<br />
Best<strong>im</strong>mungen des Landes Baden-Württemberg iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die<br />
b<strong>und</strong>esrechtliche Regelung des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gibt den abstrakten Rahmen<br />
dafür vor, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Aus dem<br />
Wortlaut der Norm, der Gesetzesbegründung hierzu, ihrer systematischen Stellung
innerhalb des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sowie dem Sinn <strong>und</strong> Zweck der Regelung folgt jedoch, dass der<br />
b<strong>und</strong>esrechtliche Rahmen jeweils durch die landesrechtlichen Vorschriften auszufüllen ist.<br />
Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt <strong>und</strong> schulrechtliche Best<strong>im</strong>mungen<br />
best<strong>im</strong>mt einerseits b<strong>und</strong>esrechtlich, dass nur Leistungen für Aufwendungen zu erbringen sind,<br />
die durch eine schulische Veranstaltung entstehen, die mit mehr als nur einem Schüler<br />
durchgeführt wird, mit mindestens einer Übernachtung <strong>und</strong> einer "Fahrt", also einer<br />
Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung<br />
zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach den Vorschriften des jeweiligen B<strong>und</strong>eslandes zu<br />
best<strong>im</strong>men ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung <strong>im</strong> Rahmen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr<br />
3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> regional "üblich" ist. Nur durch die Zugr<strong>und</strong>elegung der schulrechtlichen Regelungen als<br />
Maßstab für die Legit<strong>im</strong>ation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann auch dem Sinn<br />
<strong>und</strong> Zweck des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> Rechnung getragen werden, die Teilhabe von<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern bei schulischen Veranstaltungen insoweit zu gewährleisten. Welche<br />
schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, best<strong>im</strong>mt sich nach dem<br />
jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen geprägte<br />
Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch<br />
staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den einschlägigen Best<strong>im</strong>mungen in dem<br />
jeweiligen B<strong>und</strong>esland "üblich" sind.<br />
Der hier durchgeführte Schüleraustausch überschreitet nicht den b<strong>und</strong>esrechtlichen Rahmen des<br />
§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Ebenso ist die Veranstaltung nach der Systematik der<br />
schulrechtlichen Normen Baden-Württembergs zu außerunterrichtlichen Veranstaltungen, den<br />
dazu ergangenen schulrechtlichen Kompetenzzuweisungen <strong>und</strong> dem ausdrücklich formulierten<br />
Ziel der schulrechtlichen Regelungen, einer mehrtägigen Klassenfahrt nach den<br />
landesschulrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen gleichzustellen. Da das LSG das baden-württembergische<br />
Landesrecht unberücksichtigt gelassen hat, war der Senat auch nicht an eigener Auslegung der<br />
landesrechtlichen Regelungen gehindert .<br />
Der Höhe nach hat der Kläger Anspruch auf Erstattung in dem von ihm <strong>im</strong> Revisionsverfahren<br />
geltend gemachten Umfang von 1300 Euro. Die vorübergehende Bedarfsdeckung durch<br />
Geschäftsfre<strong>und</strong>e des Vaters des Klägers steht dem nicht entgegen.<br />
35<br />
BSG v. 27.9.2011, Verlust der Wohnungsausstattung, B 4 AS 202/10 R<br />
Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Wohnungserstausstattung.<br />
Die Klägerin verzog wegen eines Standortwechsels ihres ehemaligen Arbeitgebers <strong>im</strong> Jahre 2003<br />
nach Spanien. Der Arbeitgeber übernahm die Transportkosten für den gesamten Hausstand der<br />
Klägerin, kündigte ihr jedoch zum 15.4.2006 aus wirtschaftlichen Gründen. Nach ihrer Rückkehr<br />
nach Bremen erhielt sie ab April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Der Beklagte lehnte <strong>im</strong> September 2006 ihren Antrag auf Erstausstattung einer Wohnung ab. Die<br />
Klägerin hatte ihn mit einem Verlust ihrer von dem ehemaligen Arbeitgeber eingelagerten Möbel<br />
in Spanien begründet. Während das VG Bremen die angefochtenen Bescheide aufgehoben <strong>und</strong><br />
den Beklagten verurteilt hat, der Klägerin für die Erstausstattung 1003,90 Euro zu leisten, hat das<br />
OVG der Berufung des Beklagten stattgegeben <strong>und</strong> die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat<br />
es ausgeführt, selbst wenn man der Klägerin den Verlust ihrer Wohnungseinrichtung in Spanien<br />
"abnehme", komme eine (erneute) Ausstattung nicht in Betracht, weil sie den Verlust ihrer<br />
Wohnungseinrichtung durch fahrlässiges Verhalten (mit) zu verantworten <strong>und</strong> nicht das ihr<br />
Zumutbare unternommen habe, um dies abzuwenden. Wegen der wirtschaftlichen Situation ihres<br />
Arbeitgebers habe sich die Klägerin nicht darauf verlassen dürfen, dass dieser für den
Rücktransport der Möbel in gleicher Weise wie für den Hintransport aufkomme. Es sei fahrlässig<br />
von ihr gewesen, den Hausstand in der beschriebenen Art in einer von dem Arbeitgeber<br />
angemieteten Garage unterzustellen <strong>und</strong> dort für längere Zeit zu belassen, weil es dort keinen<br />
gesondert abschließbaren Raum gegeben habe. Hinzu komme, dass die Klägerin nichts<br />
unternommen habe, nachdem ihr früherer Arbeitgeber ihr den Verlust mitgeteilt habe.<br />
Die Revision der Klägerin hatte <strong>im</strong> Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung<br />
<strong>und</strong> Entscheidung an das LSG Erfolg. Der Senat vermochte nicht abschließend zu<br />
beurteilen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Wohnungserstausstattung iS von § 23 Abs<br />
3 Satz 1 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> hat.<br />
Die Vorschrift best<strong>im</strong>mt, dass Leistungen für Erstausstattungen der Wohnung<br />
einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht werden. Der Anspruch ist<br />
bedarfsbezogen zu verstehen. In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- <strong>und</strong><br />
Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist, kommt eine<br />
Wohnungserstausstattung <strong>im</strong> Sinne der hier begehrten, erneuten Ausstattung des<br />
Hilfebedürftigen mit Möbeln <strong>und</strong> Haushaltsgeräten nur in Betracht, wenn der<br />
Hilfebedürftige nachweist, dass er - regelmäßig <strong>im</strong> Zusammenhang mit besonderen<br />
Ereignissen - über die notwendigen Ausstattungsgegenstände nicht oder nicht mehr<br />
verfügt. Ein solcher Anspruch kann gr<strong>und</strong>sätzlich auch dann bestehen, wenn eine<br />
Wohnungserstausstattung bereits vorhanden war <strong>und</strong> bei Zuzug aus dem Ausland<br />
untergeht. Die insofern erforderlichen Feststellungen zum Vorhandensein einer<br />
Wohnungserstausstattung <strong>und</strong> deren tatsächlichem Verlust wird das Berufungsgericht<br />
ebenso nachzuholen haben, wie ggf Feststellungen zum aktuellen Bedarf der Klägerin.<br />
Ein vom OVG angenommenes fahrlässiges Verhalten der Klägerin <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
dem Verlust der Wohnungsausstattung steht dem Anspruch nicht entgegen. Insofern<br />
verbindet das OVG zunächst die gebotene bedarfsbezogene Betrachtungsweise<br />
hinsichtlich des Vorhandenseins eines Bedarfs an Wohnungsausstattung in unzulässiger<br />
Weise mit der Frage nach den Ursachen der Hilfebedürftigkeit <strong>und</strong><br />
Verschuldensgesichtspunkten. Auch die in § 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelte Pflicht zur Eigenaktivität<br />
begründet keinen eigenständigen Leistungsausschlusstatbestand. Der<br />
Leistungsausschluss in der Existenzsicherung bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen<br />
Normierung.<br />
Schließlich wird das LSG weiter prüfen müssen, ob ein ursprünglich bestehender Bedarf<br />
zu einem späteren Zeitpunkt dadurch entfallen ist, dass ihr eine Fre<strong>und</strong>in "leihweise"<br />
Haushaltsgegenstände zur Verfügung gestellt hat. Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass<br />
ein Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung besteht, sind für den Fall der<br />
anderweitigen dauerhaften Deckung eines Teils dieses Bedarfs weitere Feststellungen zum<br />
Umfang des Anspruchs erforderlich.<br />
36<br />
b) Zeitpunkt der Antragstellung – BSG v 23.4.2010<br />
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch<br />
eines Musicals betrifft. Im Übrigen führte die Revision zur Aufhebung des zweitinstanzlichen<br />
Urteils <strong>und</strong> zur Zurückverweisung an das LSG.<br />
Ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Schullandhe<strong>im</strong>aufenthalt in
37<br />
Cesenatico zusteht, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.<br />
!!! Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch jedoch nicht bereits an einer<br />
fehlenden Antragstellung. Zwar hat die Klägerin ihren Sonderbedarf erst zu einem Zeitpunkt bei der<br />
Beklagten geltend gemacht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren; Leistungen<br />
für Klassenfahrten waren aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts mit umfasst, sodass es keiner gesonderten Antragstellung bedurfte. Die Beklagte<br />
hätte die Klägerin <strong>im</strong> Hinblick auf den <strong>im</strong> betroffenen Leistungszeitraum zusätzlich aufgetretenen<br />
Bedarf wegen Änderung der Verhältnisse neu bescheiden müssen.<br />
B 14 AS 6/09 R -<br />
c) Erstausstattung/Antragsfrist !!! Jetzt gesetzl. Regelung in § 37 !!!!<br />
BSG v. 19.08.2010 - B 14 AS 10/09 R<br />
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf eine Erstausstattung für seine Wohnung.<br />
Der <strong>im</strong> Jahre 1963 geborene Kläger mietete zum 19.9.2005 eine Wohnung in Löbau. Am 26.9.2005<br />
<strong>und</strong> später am 27.10.2005 beantragte er formlos, später am 1.11.2005 mit ausgefülltem<br />
Antragsformular ua eine Erstausstattung für seine Wohnung. Der Beklagte lehnte dies ab (Bescheid<br />
vom 13.12.2005/Widerspruchsbescheid vom 8.5.2006). Die Klage blieb erfolglos. Das SG hat<br />
ausgeführt, der Kläger habe bereits vor der Antragstellung am 27.10.2005 über die komplette<br />
Wohnungseinrichtung verfügt.<br />
Das LSG ist dem weitgehend gefolgt.<br />
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Urteils des LSG <strong>und</strong> zur Zurückverweisung der<br />
Sache an das LSG, soweit der Kläger nicht bereits vor dem LSG obsiegt hatte.<br />
Der Antrag des Klägers auf Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende vom 26.9.2005<br />
umfasst alle Leistungen nach den § § 19 ff <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, mithin auch die geltend gemachte<br />
Erstausstattung für Wohnraum gemäß § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Entgegen der Rechtsansicht<br />
des LSG kam es mithin auf die "Rechtzeitigkeit" des späteren Antrags vom 27.10.2005 nicht an. Da<br />
der Kläger die Einrichtungsgegenstände bereits erworben hat - zu welchem Zeitpunkt genau wird<br />
das LSG ggf noch festzustellen haben - richtet sich seine kombinierte Anfechtungs- <strong>und</strong><br />
Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide <strong>und</strong> Zahlung<br />
der bereits von ihm getätigten Aufwendungen in Geld.
38<br />
Das LSG wird daher zunächst festzustellen haben, ob überhaupt ein Bedarf für eine Erstausstattung<br />
bestand. Sodann wird es zu prüfen haben, ob es sich bei den erworbenen Gegenständen um eine<br />
Erstausstattung iS des § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gehandelt hat. Durch den Kauf der Möbel etc<br />
hat der Kläger dem Beklagten die Möglichkeit genommen, sein Auswahlermessen zwischen einer<br />
Geldleistung <strong>und</strong> einer Sachleistung (Gewährung von Gebrauchtmöbeln etc) gemäß § 23 Abs 3 Satz<br />
5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auszuüben. Ein Anspruch kann deshalb ohnehin nur bestehen, wenn die Verwaltungspraxis<br />
des Beklagten in der Gewährung von Geldleistungen bestand. Dies wird das LSG ebenfalls<br />
festzustellen <strong>und</strong> dabei auch zu prüfen haben, ob der Beklagte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht<br />
hat, die Geldleistung gemäß § 23 Abs 3 Satz 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu pauschalieren. Ist dies der Fall, so<br />
hat der Kläger, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs 1 Satz 1 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vorliegen, einen<br />
Rechtsanspruch auf diese Pauschale, deren Höhe vom LSG allerdings <strong>im</strong> Rahmen der Vorgaben des<br />
§ 23 Abs 3 Satz 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (Beruhen auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten) zu überprüfen sein<br />
wird.<br />
Besteht nach den Feststellungen des LSG eine Verwaltungspraxis des Beklagten, nach der er auch<br />
Sachleistungen als Erstausstattung erbringt, so könnte aufgr<strong>und</strong> der erfolgten Selbstbeschaffung der<br />
Einrichtung durch den Kläger diesem allenfalls noch ein allgemeiner Kostenerstattungsanspruch zur<br />
Seite stehen. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch setzt allerdings in der Regel voraus, dass der<br />
Beklagte mit der Sache befasst war <strong>und</strong> bereits eine rechtswidrige, ablehnende Entscheidung<br />
getroffen hat. In Ausnahmefällen <strong>und</strong> besonderen Notsituationen kann ein solches Abwarten der<br />
Entscheidung des Beklagten dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aber auch nicht zu zuzumuten<br />
sein. Auch hierzu wird das LSG ggf noch Feststellungen zu treffen haben.<br />
d) BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 16/09 R – Antrag <strong>und</strong> § 28 <strong>SGB</strong> X<br />
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für einen Zeitraum vor der ausdrücklichen Antragstellung.<br />
Der Kläger wehrte sich zu Beginn des Jahres 2004 vor dem Arbeitsgericht gegen eine von seinem<br />
Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung. Er meldete sich zunächst gleichwohl bei der beigeladenen<br />
Arbeitsagentur arbeitslos <strong>und</strong> beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>I. Dieses wurde ab dem 3.2.2004 für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen gewährt. Mit
39<br />
Schreiben vom 17.12.2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sein Anspruch auf<br />
Arbeitslosengeld ende voraussichtlich am 27.1.2005. Zugleich enthielt das Schreiben den Hinweis,<br />
dass die bisherige Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 wegfiele <strong>und</strong> durch das Arbeitslosengeld <strong>II</strong><br />
ersetzt werde, dessen Gewährung von einem Antrag abhänge. Auf Anfrage erhalte der Kläger von<br />
seiner Agentur für Arbeit weitere Informationen. Am Tag nach dem Auslaufen seines<br />
Arbeitslosengeldanspruchs, am 28.1.2005, wurde der Kläger bei der Beigeladenen vorstellig. Ein<br />
eventuell bestehender Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> war nicht Gegenstand der Unterredung. Wegen der Dauer der Gewährung<br />
von Alg nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I stellte der Kläger am 31.1.2005 einen Antrag nach § 44 <strong>SGB</strong> X.<br />
Mit Urteil vom 12.4.2005 wurde die gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage<br />
abgewiesen. Am 6.5.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>; die Beklagte gewährt ab dem<br />
6.5.2005 Alg <strong>II</strong>. Der Kläger meint, die Beklagte müsse ihn wegen eines Beratungsfehlers so stellen,<br />
als habe er den Antrag auf <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen bereits am 28.1.2005 gestellt.<br />
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils <strong>und</strong> zur<br />
Zurückverweisung der Sache an das LSG.<br />
In Ermangelung ausreichender Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht abschließend<br />
entscheiden, ob der Kläger <strong>im</strong> Zeitraum vom 28.1.2005 bis 5.5.2005 Anspruch auf Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> hatte. Die Vorinstanzen haben allerdings<br />
zutreffend entschieden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 keinen Antrag auf solche Leistungen<br />
gestellt hat. Sie haben aber nicht geprüft, ob der am 6.5.2005 gestellte Antrag nach § 28 <strong>SGB</strong> X<br />
zurückwirkt. § 28 Satz 1 <strong>SGB</strong> X best<strong>im</strong>mt, dass ein Antrag auf eine Sozialleistung bis zu einem<br />
Jahr zurückwirkt, wenn der Leistungsberechtigte von der Stellung eines Antrages auf diese Sozialleistung<br />
deshalb abgesehen hat, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend<br />
gemacht hat, die "versagt" wurde. Zu einer solchen Rückwirkung kommt es gemäß § 28 Satz 2 <strong>SGB</strong><br />
X auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren<br />
Anspruchsvoraussetzungen unterlassen wurde <strong>und</strong> die zweite Leistung gegenüber der ersten<br />
Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre. Der Kläger hat zunächst<br />
einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nämlich auf Arbeitslosengeld gemäß § § 117 ff <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>I, geltend gemacht. Von § 28 <strong>SGB</strong> X wird auch der vorliegende Fall umfasst, in dem <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 <strong>SGB</strong> X die Bewilligung einer laufenden Sozialleistung<br />
begehrt wird. Rechtsfolge der nachgeholten Antragstellung wäre nach § 28 Satz 1 <strong>SGB</strong> X ihre
40<br />
Rückwirkung bis zum 28.1.2005.<br />
Ob neben der möglichen Anwendung des § 28 <strong>SGB</strong> X die Voraussetzungen für einen<br />
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen, konnte nicht entschieden werden, solange die<br />
Anwendbarkeit des § 28 <strong>SGB</strong> X nicht geklärt ist. Denn das Rechtsinstitut des<br />
Herstellungsanspruchs ist subsidiär <strong>und</strong> setzt eine Regelungslücke voraus.<br />
BSG v. 16.5.2012 – B 4 AS 166/11 R - Fortzahlungsantrag<br />
Die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Alg <strong>II</strong> <strong>im</strong> streitigen Zeitraum<br />
abgelehnt. Der Leistungsanspruch der Klägerin scheitert daran, dass nach den bindenden<br />
Feststellungen des LSG ein Leistungs- bzw Fortzahlungsantrags für die Zeit zwischen dem<br />
Ende des letzten Bewilligungsabschnitts <strong>und</strong> der erneuten Beantragung von Alg <strong>II</strong> am<br />
6.11.2008 von der Klägerin nicht gestellt worden ist. Nach der Rspr des erkennenden<br />
Senats gilt das Antragserfordernis nicht nur für das erstmalige Begehren der<br />
Leistungsgewährung, sondern ebenso <strong>im</strong> Fortzahlungsfalle.<br />
Ein Fortzahlungsantrag ist <strong>im</strong> Gegensatz zur Auffassung der Klägerin auch dann erforderlich,<br />
wenn eine Zust<strong>im</strong>mung zur Ortsabwesenheit durch den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger erteilt wird <strong>und</strong> der<br />
Bewilligungszeitraum während der Ortsabwesenheit endet. Der Gesetzgeber geht davon aus,<br />
dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung sowohl dem<br />
Gr<strong>und</strong>e, als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die<br />
Leistungen <strong>im</strong>mer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren <strong>und</strong> alsdann - auf<br />
Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Hieran ändert weder<br />
die Zust<strong>im</strong>mung des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers zur Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> etwas,<br />
noch die Abgabe einer Erklärung nach § 428 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I.<br />
Der Antrag auf Zust<strong>im</strong>mung zur Ortsabwesenheit umfasst auch nicht konkludent einen Antrag auf<br />
Fortzahlung von Alg <strong>II</strong> für den während der Ortsabwesenheit beginnenden neuen<br />
Bewilligungszeitraum. Ein Verständnis vom Antrag auf Einholung einer Zust<strong>im</strong>mung zur<br />
Ortsabwesenheit, das über seinen originären Zweck hinausgeht, widerspräche nicht nur dem<br />
Wortlaut von § 7 Abs 4a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, sondern auch den Erwägungen <strong>im</strong> <strong>Gesetzgebung</strong>sverfahren,<br />
dem Sinn <strong>und</strong> Zweck von § 7 Abs 4a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sowie dessen systematischer Einbindung. Die<br />
Zust<strong>im</strong>mung des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers zur Ortsabwesenheit ist nicht Voraussetzung für einen<br />
Leistungsanspruch nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, sondern hat die Funktion eines Leistungsausschlusses,<br />
wenn es an dieser Zust<strong>im</strong>mung mangelt. Das Bestehen eines Leistungsanspruchs wird mithin<br />
vorausgesetzt <strong>und</strong> damit auch, dass der für die <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen konstitutive Antrag zuvor<br />
gestellt worden ist.<br />
2. Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
Angemessene Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung werden ebenfalls dem notwendigen<br />
Bedarf zugeordnet (§ 22 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, sofern es sich nicht um Berechtigte handelt, die das<br />
25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben <strong>und</strong> entweder die Leistung erst nach dem Umzug<br />
beantragt oder aber den Antrag vor dem Umzug gestellt haben, der Umzug aber nicht aus
41<br />
besonderen Gründen gerechtfertigt ist (vgl. § 22 Abs. 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Der unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist unter Zugr<strong>und</strong>elegung der sog.<br />
Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Nach der in einem ersten<br />
Schritt vorzunehmenden Best<strong>im</strong>mung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße <strong>und</strong> des<br />
Wohnungsstandards ist in einem zweiten Schritt festzustellen, welcher räumliche<br />
Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit maßgebend ist. Sodann ist zu<br />
ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen<br />
maßgeblichen Wohnungsmarkt <strong>im</strong> streitgegenständlichen Zeitraum aufzuwenden gewesen ist.<br />
Abschließend ist zu prüfen, ob der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene<br />
Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative<br />
bestanden hat.<br />
Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich in Ermangelung anderweitiger<br />
Erkenntnisquellen gr<strong>und</strong>sätzlich nach den Werten, die die Länder auf Gr<strong>und</strong> des § 10 des Gesetzes<br />
über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.9.2001 bzw. ehedem auf Gr<strong>und</strong> des § 5 Abs.<br />
2 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes<br />
zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues (sog. Wohnungsbauförderungsgesetz-WoBauFördG<br />
1994) vom 6.6.1994 festgelegt haben. Das sind in den meisten B<strong>und</strong>esländern 50 m² für eine<br />
Einzelperson <strong>und</strong> je 15 m² für jede weitere Person.<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
(Kosten der Unterkunft)<br />
a) BSG v 7.5.2009 (Mietverhältnis unter Verwandten) B 14 AS 31/07 R - S. ./. ARGE<br />
Zollernalbkreis<br />
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten der Unterkunft (KdU) durch den beklagten<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger für die Zeit vom 1.5.2005 bis zum 31.10.2005.<br />
Der 1969 geborene, ledige Kläger bewohnt eine Einliegerwohnung <strong>im</strong> Haus seiner Eltern. Dazu gab<br />
er in seinem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> unter anderem an, als KdU<br />
fielen eine Miete in Höhe von 200 Euro monatlich sowie 30 Euro für Wasser/Abwasser <strong>und</strong> 10 Euro<br />
bis 15 Euro für sonstige Nebenkosten (Putzmittel, Verschiedenes) an; als Heizkosten zahle er ca 100
42<br />
Euro jährlich für Holz sowie eine Heizkostenpauschale in Höhe von 80 Euro monatlich, daneben<br />
für Strom 60 Euro monatlich. Er legte ein als Mietvertrag überschriebenes, von ihm <strong>und</strong> seinem<br />
Vater unterzeichnetes Schreiben ohne Datum vor. Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.1.2005 bis<br />
zum 30.4.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>; jedoch keine Leistungen für<br />
KdU, weil die Miete bei Mietverträgen unter Verwandten nicht anerkannt werden könne. Die<br />
hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat vor allem<br />
darauf abgestellt, dass auf der Gr<strong>und</strong>lage der ständigen <strong>Rechtsprechung</strong> des BFH Mietverträge<br />
zwischen Angehörigen der Leistungsgewährung nur dann zu Gr<strong>und</strong>e gelegt werden könnten, wenn<br />
sie zum einen bürgerlichrechtlich wirksam geschlossen sind <strong>und</strong> darüber hinaus sowohl die<br />
Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht<br />
(sog Fremdvergleich). Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass es be<strong>im</strong> Anspruch auf<br />
Übernahme der KdU <strong>im</strong> Rahmen des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für ein Abstellen auf den sog. Fremdvergleich keine<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>lage gebe.<br />
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Entscheidung des LSG <strong>und</strong> zur<br />
Zurückverweisung. Auf Gr<strong>und</strong> der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob <strong>und</strong><br />
in welcher Höhe dem Kläger <strong>im</strong> streitigen Zeitraum tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung entstanden sind. Entgegen der Auffassung des LSG scheidet ein Anspruch auf anteilige<br />
Leistungen für KdU nicht schon unter Berücksichtigung des sog Fremdvergleichs aus. Maßgebend<br />
ist, ob der Hilfebedürftige <strong>im</strong> jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen <strong>und</strong> nicht dauerhaft<br />
gest<strong>und</strong>eten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Soweit der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger bzw die Gerichte<br />
bei einer "Vermietung" durch Angehörige die Angaben des Antragstellers in Zweifel ziehen, sind<br />
hierzu ggf weitere Ermittlungen durchzuführen.<br />
b) Miete an Mutter – längere Nichtzahlung BSG v 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - E. ./. Jobcenter<br />
Landkreis Tübingen<br />
Streitig ist, ob der Kläger Leistungen für Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung auch hinsichtlich der<br />
Miete verlangen kann, die er laut Mietvertrag an seine Mutter zu zahlen hat, aber tatsächlich<br />
jahrelang nicht bezahlt hat, ohne dass dies bis zum Beginn dieses Rechtsstreits zur Maßnahme<br />
seiner Mutter gegen ihn geführt hätte.<br />
Der 1953 geborene alleinstehende, erwerbs- <strong>und</strong> vermögenslose Kläger bewohnt eine 120 qm große<br />
31/2-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung in einem seiner Mutter gehörenden Haus in Tübingen. Ein 1985
43<br />
abgeschlossener Mietvertrag weist hierfür eine Miete von monatlich 680 DM aus. Der beklagte<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger gewährte ihm für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2005 Alg <strong>II</strong> in Höhe der<br />
Regelleistung von damals monatlich 345 Euro, lehnte es aber ab, auch Kosten der Unterkunft zu<br />
übernehmen, weil der Kläger Aufwendungen hierfür nicht nachgewiesen habe. Es sei davon<br />
auszugehen, dass der Kläger bei seiner Mutter mietfrei wohne. Später übernahm der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die dem Kläger seitens der Stadtwerke in Rechnung gestellten Kosten für<br />
Gaslieferungen. Das SG hat seine Klage auf Zahlung von monatlich 236 Euro Kosten der<br />
Unterkunft für Januar bis Juni 2005 abgewiesen. Im Gerichtsverfahren wurde eine Erklärung der<br />
Mutter des Klägers von Dezember 2005 vorgelegt, wonach der Kläger die rückständige Miete für<br />
das Jahr 2005 sofort zahlen müsse. Zudem wurde das Mietverhältnis gekündigt. Das SG hat die<br />
Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Verpflichtung zur Zahlung von Miete gegenüber der<br />
Mutter des Klägers sei nicht nachgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers<br />
zurückgewiesen. Zwar sei für die Frage, ob Wohnungskosten entstanden seien, gr<strong>und</strong>sätzlich der<br />
tatsächlich abgeschlossene Mietvertrag entscheidend. In Anlehnung an die ständige <strong>Rechtsprechung</strong><br />
des B<strong>und</strong>esfinanzhofs seien nur solche Verträge zwischen Angehörigen der Leistungsgewährung zu<br />
Gr<strong>und</strong>e zu legen, die bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen <strong>und</strong> in ihrer Gestaltung sowie<br />
Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Dies sei hier nicht der Fall.<br />
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das LSG übertrage die steuerrechtlichen Kriterien des<br />
Fremdvergleichs unbesehen auf das Recht der Gr<strong>und</strong>sicherung. Zwar seien Missbrauchsfälle zu<br />
verhindern. Insoweit müsse aber geprüft werden, ob der mit dem Mieter verwandte Vermieter Dinge<br />
unternommen oder unterlassen habe, die von ihm in zumutbarer Weise zu erwarten gewesen seien.<br />
Das Berufungsurteil war aufzuheben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an<br />
das LSG zurückzuverweisen. Der Senat konnte auf Gr<strong>und</strong> der bislang festgestellten Tatsachen nicht<br />
abschließend entscheiden, ob dem Kläger <strong>im</strong> streitigen Zeitraum tatsächlich Aufwendungen für die<br />
geltend gemachte Miete entstanden sind.<br />
Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung <strong>im</strong> streitigen Zeitraum keine<br />
Miete an seine Mutter als Eigentümerin der Wohnung gezahlt. "Tatsächliche Aufwendungen" für<br />
eine Wohnung liegen allerdings nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftigte die Miete bereits<br />
gezahlt hat <strong>und</strong> nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige<br />
<strong>im</strong> jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Ob der Kläger<br />
einer Mietzinsforderung überhaupt <strong>und</strong> bejahendenfalls in Höhe der geltend gemachten 325 Euro<br />
ausgesetzt war, steht bislang nicht fest. Zwar hat er mit seiner Mutter 1985 einen Mietvertrag
44<br />
geschlossen, der die Miete auf 680 DM festsetzte. Es spricht allerdings viel dafür, dass der<br />
Mietvertrag so, wie er "auf dem Papier stand", <strong>im</strong> streitigen Zeitraum <strong>und</strong> auch schon zuvor nicht<br />
mehr praktiziert worden ist. Vielmehr gibt es Anhaltspunkte, dass der Mietvertrag möglicherweise<br />
aufgehoben oder zumindest erheblich modifiziert worden ist.<br />
Diesbezügliche Ermittlungen erübrigen sich entgegen der Ansicht des LSG nicht durch einen sog<br />
Fremdvergleich. Das LSG ist in Anlehnung an die <strong>Rechtsprechung</strong> des B<strong>und</strong>esfinanzhofs davon<br />
ausgegangen, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen tatsächliche Aufwendungen <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Mietverhältnisses nur dann begründen, wenn sie nach Inhalt <strong>und</strong> tatsächlicher Durchführung<br />
dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen <strong>und</strong>, soweit sie inhaltlich diesem Fremdvergleich<br />
standhalten, auch dem Vertragsinhalt gemäß vollzogen werden. Das LSG hat diese Vergleichbarkeit<br />
<strong>und</strong> damit zugleich Kosten des Klägers für Unterkunft <strong>im</strong> Hinblick auf Mietzahlungen verneint. -<br />
Dem folgt der erkennende Senat nicht. Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs auf das<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> scheidet aus. Ein Bedarf ist jedoch nicht erst dann gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlich relevant, wenn<br />
er mindestens die Höhe der Aufwendungen eines Dritten, also eines Nichthilfebedürftigen in<br />
vergleichbarer Situation erreicht. Gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlich ist es sogar erwünscht, wenn der<br />
vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verb<strong>und</strong>enheit niedriger ist, als<br />
dieses in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre. Die Aufwendungen für einen solchen<br />
niedrigeren Mietzins bleiben jedoch tatsächlich existierender Bedarf, der durch Leistungen der<br />
Kosten der Unterkunft zu decken ist. Erscheint der Mietzins <strong>im</strong> Fremdvergleich zu hoch, wird<br />
einem Missbrauch dadurch vorgebeugt, dass nach § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nur "angemessene" Kosten zu<br />
übernehmen sind.<br />
c) Größe des Wohnraums BSG v 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - O. ./. ARGE München<br />
Der Kläger <strong>und</strong> die beklagte ARGE streiten darüber, welcher Wohnraum in Ballungsgebieten wie<br />
München für den Kläger als Empfänger von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen angemessen ist. Außerdem<br />
geht es darum, unter welchen Voraussetzungen <strong>und</strong> wie lange der Kläger von der ARGE als<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsempfänger die Übernahme unangemessen hoher Mietkosten verlangen kann.<br />
Der 1945 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt in München eine von ihm gemietete, 56 qm<br />
große Zweiz<strong>im</strong>merwohnung. Die beklagte ARGE (Gr<strong>und</strong>sicherungsträger) bewilligte ihm bis Ende<br />
April 2005 ausgehend von einer tatsächlich gezahlten Kaltmiete in Höhe von 521,52 Euro
45<br />
monatliches Alg <strong>II</strong> in Höhe von 978,03 Euro. Unter dem 22.4.2005 teilte sie ihm mit, die in der<br />
Bewilligung enthaltene Kaltmiete liege um 92,02 Euro über der für seine Haushaltsgröße<br />
angemessenen Miete von 429,50 Euro. Er möge sich ab sofort intensiv um die Senkung der<br />
Unterkunftskosten bemühen <strong>und</strong> diese Bemühungen monatlich belegen. Für die Zeit vom 1.5. bis<br />
31.10.2005 bewilligte sie ihm Alg <strong>II</strong> wie zuvor <strong>und</strong> wies ihn darauf hin, dass die mit Schreiben vom<br />
22.4.2005 genannte Frist bis zum 31.10.2005 verlängert werde. Für die Zeit vom 1.11.2005 bis<br />
30.04.2006 senkte sie das monatliche Alg <strong>II</strong> auf 888,81 Euro ab, weil der Kläger seine Bemühungen<br />
um Kostensenkung nicht in geeigneter Weise nachgewiesen habe.<br />
Das SG hat die auf höheres Alg <strong>II</strong> gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat der Berufung des<br />
Klägers teilweise stattgegeben <strong>und</strong> die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 1.11.2005 bis 30.4.2006<br />
Alg <strong>II</strong> in Höhe von 978,03 Euro zu zahlen. Zwar seien die Kosten für Unterkunft nicht angemessen,<br />
denn die 56 qm große Wohnung des Klägers übersteige die sich aus den bayerischen Vorschriften<br />
über Wohnraumförderung für eine einzelne Person angemessene Wohnungsgröße (50 qm für<br />
Zweiz<strong>im</strong>merwohnungen, 40 qm für Einz<strong>im</strong>merwohnungen jeweils bei Einpersonenhaushalten).<br />
Auch habe die Beklagte zur Ermittlung der Referenzmiete statt des Mietpreisniveaus <strong>im</strong> unteren<br />
Mietsegment die sich aus dem Münchener Mietspiegel 2005 ergebenden höheren<br />
Durchschnittsmieten (9,54 Euro/Quadratmeter) zu Gr<strong>und</strong>e gelegt. Gleichwohl habe der Kläger<br />
ausnahmsweise Anspruch auf Übernahme der nicht angemessenen Kosten über den<br />
Sechsmonatszeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> hinaus. Denn die Beklagte habe durch die<br />
Angabe einer falschen Wohnungsgröße die Wohnungssuche des Klägers erschwert.<br />
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die<br />
Wohnungssituation in München rechtfertige es, von den Max<strong>im</strong>algrenzen der bayerischen<br />
Best<strong>im</strong>mungen über Wohnungsförderung abzuweichen. Bei einem Einpersonenhaushalt sei in<br />
München statt von 50 von lediglich 45 qm auszugehen, zumal dort auf Gr<strong>und</strong> der<br />
überdurchschnittlich hohen Immobilienpreise auch für Alleinstehende Wohnungen unter 50 qm<br />
selbst bei guten Einkommen keine Seltenheit seien. Im Übrigen sei die<br />
Kostensenkungsaufforderung keine notwendige Voraussetzung des Kostensenkungsverfahrens <strong>und</strong><br />
die Wohnungssuche des Klägers auch nicht erschwert worden. Maßgebliche Information sei<br />
insoweit allein die von ihr genannte Mietobergrenze.
46<br />
Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Verhandlung<br />
zurückverwiesen. Das LSG hat zwar ausgeführt, Angemessenheit der KdU liege <strong>im</strong> Falle des<br />
Klägers nicht vor. Es hat dazu aber keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen. Der<br />
Senat konnte deshalb nicht abschließend beurteilen, ob das LSG die Beklagte <strong>im</strong> Ergebnis zu Recht<br />
zu einer höheren Alg <strong>II</strong>-Zahlung verurteilt hat. Hierfür kommen zwei Ansatzpunkte in Betracht:<br />
Eine rechtmäßige Verurteilung der Beklagten zur Zahlung höher KdU auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 22<br />
Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> würde voraussetzen, dass die <strong>im</strong> zugesprochenen Betrag enthaltene Kaltmiete<br />
angemessen ist. Eine Verteilung auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> würde<br />
voraussetzen, dass die Beklagte durch falsche oder irreführende Angaben die Wohnungssuche des<br />
Klägers erschwert hat <strong>und</strong> dies ursächlich dafür war, dass es dem Kläger unmöglich war,<br />
unangemessen hohe Mietkosten zB durch Umzug in eine angemessene Wohnung zu senken.<br />
Bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft iS von § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
müssen folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden:<br />
* 1. Bei der Best<strong>im</strong>mung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße ist bis auf Weiteres von den<br />
landesrechtlichen Ausführungsvorschriften zur Wohnraumförderung auszugehen. Diese sehen in<br />
Bayern bei Zweiz<strong>im</strong>merwohnungen ein Größe von bis zu 50 qm vor. Die generelle Beschränkung<br />
auf 45 qm seitens der ARGE München widerspricht der bisherigen <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG. Der<br />
erkennende Senat folgt dem. Er hält es aber für wünschenswert, dass der Verordnungsgeber tätig<br />
wird <strong>und</strong> die abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen selbst b<strong>und</strong>esweit einheitlich nach Maßgabe<br />
der Zwecke des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> festsetzt.<br />
* 2. Auf welchen Vergleichsraum abzustellen ist, wird das LSG festzustellen haben. Ohne<br />
Präjudiz für die Sachlage könnte nach Auffassung des Senats auch das gesamte Stadtgebiet der<br />
Landeshauptstadt München in die Vergleichsbetrachtungen einzubeziehen sein. Bei der Festlegung<br />
des räumlichen Vergleichsmaßstabes für die Angemessenheit von Mieten geht es um die<br />
Beschreibung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die auf Gr<strong>und</strong> ihrer räumlichen Nähe<br />
zueinander, ihrer Infrastruktur <strong>und</strong> insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verb<strong>und</strong>enheit einen<br />
insgesamt betrachtet homogenen Lebens- <strong>und</strong> Wohnbereich bilden. Auch insoweit appelliert der<br />
erkennende Senat jedoch an den Verordnungsgeber, die Kriterien zur Best<strong>im</strong>mung des räumlichen<br />
Vergleichsmaßstabes selbst festzulegen.<br />
3. Das LSG wird ausgehend hiervon ermitteln müssen, was innerhalb dieses Raumes für<br />
Wohnungen <strong>im</strong> unteren Mietsegment pro Quadratmeter zu zahlen ist. Multipliziert mit 50 qm ergibt
47<br />
dies nach der sog Produkttheorie die angemessene Referenzmiete, die höher oder aber auch<br />
niedriger sein kann, als die von der Beklagten in Ansatz gebrachten 429,50 Euro. Sollte die<br />
Referenzmiete nicht über 429,50 Euro liegen, ist zu prüfen, ob sich der Anspruch aus § 22 Abs 1<br />
Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ergibt.<br />
§ 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> lässt die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalles zu.<br />
Danach kann der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger unangemessen hohe KdU so lange berücksichtigen, wie<br />
dies dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar ist, seine Aufwendungen zB<br />
durch einen Wohnungswechsel zu senken, "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate". Der<br />
Senat entn<strong>im</strong>mt dieser Vorschrift aus dem Gesamtzusammenhang Folgendes:<br />
* 4. Das Recht verlangt auch von Hilfebedürftigen bei der Suche von Alternativwohnungen "nichts<br />
Unmögliches oder Unzumutbares".<br />
* Damit die Übernahme unangemessener KdU aber ihren exzeptionellen Charakter behält, sind an<br />
die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen Unmöglichkeit <strong>und</strong> Unzumutbarkeit strenge<br />
Anforderungen zu stellen.<br />
* Die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver<br />
Unzumutbarkeit bestehen. Unangemessen hohe KdU werden auch bei Unmöglichkeit <strong>und</strong><br />
Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu angemessenen KdU. Die Erstattung nicht<br />
angemessener KdU bleibt der durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Ausnahmefall. Die<br />
Obliegenheit zu Kostensenkungsbemühungen bleibt bestehen.<br />
* 5. Der Senat respektiert die Einbindung Hilfebedürftiger in ihr soziales Umfeld <strong>und</strong> billigt ihnen<br />
<strong>im</strong> Rahmen der Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu, dass von ihnen ein Umzug in<br />
einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verb<strong>und</strong>en wäre, regelmäßig<br />
nicht verlangt werden kann. Bleibt das soziale Umfeld erhalten, sind umgekehrt<br />
Kostensenkungsmaßnahmen (zB durch einen Umzug) <strong>im</strong> Normalfall zumutbar.<br />
* Aufrechterhaltung des sozialen Umfeldes bedeutet nicht, dass keinerlei Verän-derungen der<br />
Wohnraumsituation stattfinden dürften. Vielmehr sind vom Hilfeempfänger auch Anfahrtswege mit<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln hinzunehmen, wie sie Erwerbstätigen oder Schülern zugemutet<br />
werden.<br />
* Weitergehende Einschränkungen der Obliegenheit zur Senkung unangemessener KdU <strong>im</strong> Sinne<br />
subjektiver Unzumutbarkeit bedürfen besonderer Begründung. Beruft sich ein Hilfebedürftiger<br />
darauf, sich zB örtlich nicht verändern oder seine Wohnung nicht aufgeben zu können, müssen<br />
hierfür besondere Gründe vorliegen. Hierfür kommen insbesondere gr<strong>und</strong>rechtsrelevante
48<br />
Sachverhalte oder Härtefälle in Betracht. Dazu gehört etwa die Rücksichtnahme auf das soziale <strong>und</strong><br />
schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, die möglichst nicht durch einen<br />
Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollten; ebenso kann auf<br />
Alleinerziehende Rücksicht genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere<br />
Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile<br />
möglicherweise verloren ginge <strong>und</strong> <strong>im</strong> neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte. Ähnliches<br />
kann für behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw für die sie betreuenden<br />
Familienangehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls auf<br />
eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind. Derjenige, der insbesondere als<br />
alleinstehender erwerbsfähiger Hilfeempfänger solche oder ähnliche Gründe nicht anführen kann,<br />
wird den Tatbestand der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen hingegen<br />
kaum erfüllen.<br />
* Objektive Unmöglichkeit einer Unterkunftsalternative wird, wenn man auf hinreichend große<br />
Vergleichsräume abstellt, nur in seltenen Ausnahmefällen zu begründen sein, zumal es in<br />
Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt <strong>und</strong> allenfalls in einzelnen Regionen<br />
Mangel an ausreichendem Wohnraum herrscht.<br />
Anhaltspunkte für subjektive Unzumutbarkeit hat das LSG nicht festgestellt <strong>und</strong> der Kläger auch<br />
nicht vorgetragen. Ob ein Fall der Unmöglichkeit vorliegt, vermag der<br />
Senat ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen. Diese würde hier voraussetzen, dass der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger dem Hilfeempfänger zur Angemessenheit der KdU über die als angemessen<br />
angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrößen (Parameter) mitgeteilt hat <strong>und</strong> der<br />
Hilfeempfänger gerade deshalb keine angemessene Wohnung finden konnte. Ob <strong>und</strong> ggf wann die<br />
Beklagte solche irreführenden Angaben gemacht hat <strong>und</strong> ob diese für die erfolglose<br />
Wohnungssuche des Klägers ursächlich waren, hat das LSG bisher nicht mit der gebotenen Klarheit<br />
festgestellt.<br />
BSG v. 16.5.2012 – B 4 AS 109/11 R – 50 qm auch in NRW<br />
Die Revision des Beklagten war <strong>im</strong> Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils <strong>und</strong> der<br />
Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Auf der Gr<strong>und</strong>lage der bisherigen<br />
Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe dem<br />
Kläger in der Zeit vom 1.2.2010 bis 31.7.2010 Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung zustehen.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Best<strong>im</strong>mung der angemessenen<br />
Wohnfläche ab dem 1.1.2010 auf die in Nr 8.2 der Wohnraumnutzungsbest<strong>im</strong>mungen des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen festgesetzten Werte zurückzugreifen ist <strong>und</strong> mithin als angemessene<br />
Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 qm zu<br />
berücksichtigen ist. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der stRspr der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungssenate des BSG auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte <strong>im</strong> sozialen<br />
Mietwohnungsbau abzustellen. Maßgeblich sind dabei die <strong>im</strong> streitigen Zeitraum gültigen<br />
Best<strong>im</strong>mungen. Dies sind nach den bindenden Feststellungen des LSG in Nordrhein-Westfalen Nr<br />
8.2 der Wohnraumnutzungsbest<strong>im</strong>mungen, die zum 1.1.2010 die Verwaltungsvorschriften zum<br />
Wohnungsbindungsgesetz ersetzt haben. Dass der mit der Angemessenheitsprüfung verb<strong>und</strong>ene<br />
Zweck <strong>im</strong> Rahmen des § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mit den Zwecken des sozialen Wohnungsbau nicht<br />
übereinst<strong>im</strong>mt, wird - wie der Senat bereits mit Urteil vom 22.9.2009 (B 4 AS 70/08 R) entschieden<br />
hat - durch den Rückgriff auf die von den Ländern erlassenen Vorschriften ohnehin bewusst in<br />
Kauf genommen. Insoweit kommt dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende<br />
Bedeutung zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass der<br />
Gesetzgeber nicht von einer Veränderbarkeit der angemessenen Wohnflächen ausgegangen ist.<br />
Vielmehr sollte mit § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> an die Sozialhilfepraxis angeknüpft werden. Der Rückgriff auf die<br />
Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau entspricht gerade der sozialhilferechtlichen Praxis.<br />
Das LSG ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass durch das "Unstreitigstellen"<br />
best<strong>im</strong>mter Teilaspekte des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung - hier der<br />
abstrakt angemessenen Nettokaltmiete - es einer weiteren Darlegung dieser Aspekte nicht<br />
bedurfte. Solche Erklärungen entbinden das Gericht nicht davon darzulegen, welchen Streitstoff<br />
es nach eigener Überzeugungsbildung für maßgebend hält. Vielmehr bringen die Beteiligten durch<br />
derartige Erklärungen lediglich zum Ausdruck, dass sie von einem best<strong>im</strong>mten Sachverhalt<br />
ausgehen <strong>und</strong> die tatsächlichen Gr<strong>und</strong>lagen des Rechtsstreits insoweit aus ihrer Sicht geklärt<br />
sind. Dies steuert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Nur wenn die Annahme naheliegt,<br />
dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung<br />
sind, muss das Gericht in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen.<br />
Vorliegend hat das LSG es unterlassen, nachvollziehbar darzulegen, warum der vom Beklagten<br />
angesetzte Quadratmeterpreis von 4,75 Euro abstrakt angemessen ist <strong>und</strong> insofern den vom BSG<br />
aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspricht. Diese Feststellungen sind<br />
jedoch zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten unerlässlich.<br />
49<br />
BSG v. 22.8.2012 – B 14 AS 13/12 R – qm-Zahl ist abstrakt festzustellen<br />
Das LSG ist in Umsetzung der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG zutreffend davon ausgegangen,<br />
dass als abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Zweipersonenhaushalt hier<br />
eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Wohnraumförderrechtliche<br />
Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse Bezug nehmen, sind bei<br />
der Best<strong>im</strong>mung der Wohnungsgröße für die abstrakte Angemessenheitsprüfung<br />
nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch <strong>im</strong> Hinblick auf Regelungen, die in Schleswig-<br />
Holstein die Vergabe von Wohnungen an Alleinerziehende bis zu einer Größe von 70 qm<br />
zulassen.<br />
Die Feststellungen des LSG zum abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis ließen<br />
dagegen vor allem in Bezug auf die kalten Betriebskosten kein schlüssiges Konzept<br />
erkennen. Auch die Frage, ob es den Klägern möglich <strong>und</strong> zumutbar war, <strong>im</strong><br />
örtlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten (konkrete<br />
Angemessenheit), konnte aufgr<strong>und</strong> der Feststellungen des LSG nicht abschließend<br />
beantwortet werden. Es war vor allem nicht zu erkennen, dass die angefochtenen
Bescheide den schützenswerten Belangen der Klägerin zu 1 als alleinerziehender<br />
Mutter <strong>im</strong> Hinblick auf die Betreuungsmöglichkeiten ihres Kindes <strong>und</strong> dem sozialen<br />
<strong>und</strong> schulischen Umfeld des Klägers zu 2 hinreichend Rechnung getragen haben.<br />
50<br />
d) Referenzmiete/schlüssiges Konzept/Mietspiegel (Wilhelmshaven) (BSG v 22.9.2009 – B 4<br />
AS 18/09 R):<br />
Streitig ist, ob der Klägerin vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 höhere Leistungen für Kosten der<br />
Unterkunft (KdU) <strong>und</strong> Heizung zustehen.<br />
Die Klägerin bewohnte seit November 1991 eine 54,59 qm große 3-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung in W zur<br />
Miete. Ab September 2006 wurde die Bruttokaltmiete von 292,16 Euro auf 300,40 Euro je Monat<br />
angehoben. Zum 1.2.2007 mietete die Klägerin eine andere 3-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung in W, für die sie<br />
eine monatliche Bruttokaltmiete in Höhe von 290 Euro zu entrichten hat. Bereits Ende März 2006<br />
hatte der Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihre Bruttokaltmiete mit monatlich 292,16<br />
Euro die zulässige Höchstgrenze von 252 Euro übersteige. Sie wurde daher aufgefordert, bis Ende<br />
Oktober 2006 die Unterkunftskosten durch in dem Schreiben näher beschriebene Maßnahmen zu<br />
senken. Für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen,<br />
die lediglich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 259 Euro je Monat berücksichtigten. Zur<br />
Begründung führte der Beklagte aus, es könne nur noch eine angemessene Bruttokaltmiete in dieser<br />
Höhe zu Gr<strong>und</strong>e gelegt werden (Bescheid vom 18.10.2006; Widerspruchsbescheid vom<br />
28.11.2006).<br />
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin Leistungen für KdU für die Zeit<br />
vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 "unter Zugr<strong>und</strong>elegung der tatsächlichen KdU" zu gewähren. Es sei<br />
nicht erkennbar, wie der Beklagte zu der von ihm angenommenen Mietobergrenze gekommen sei.<br />
In einem solchen Falle sei auf die Wohngeldtabelle nach dem Wohngeldgesetz <strong>und</strong> damit für W auf<br />
einen Betrag von monatlich 280 Euro abzustellen. Hinzu käme ein pauschaler Zuschlag von 10 %,<br />
weil die Werte nach der Wohngeldtabelle seit 2001 nicht erhöht worden seien. Die Mietobergrenze
51<br />
betrage damit monatlich 308 Euro, die vorliegend nicht überschritten sei (Urteil vom 6.3.2008). Das<br />
Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, der<br />
Klägerin Leistungen für KdU für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2006 in Höhe von monatlich 283<br />
Euro, für die Zeit vom 1.1. bis 31.1.2007 in Höhe von 300,40 Euro sowie für die Zeit vom 1.2. bis<br />
30.4.2007 in Höhe von monatlich 290 Euro jeweils zzgl anerkannter Heizkosten zu gewähren. Der<br />
Beklagte habe zwar bei ausreichender Datengr<strong>und</strong>lage ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der<br />
Mietobergrenze angewandt. Er habe jedoch unzutreffende Schlüsse gezogen, indem er die sich aus<br />
der Ermittlung ergebenden Durchschnittsmieten als angemessene Mieten erachtet habe. Dies stehe<br />
zu der Produkttheorie in Widerspruch. Es habe vielmehr ein Quadratmeterpreis abgeleitet werden<br />
müssen (Urteil vom 11.12.2008).<br />
Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Er habe für<br />
die Best<strong>im</strong>mung der angemessenen Unterkunftskosten nicht nur ein schlüssiges Konzept<br />
angewandt, sondern hieraus auch zutreffende Schlüsse gezogen.<br />
.<br />
Entscheidungsgründe<br />
Der Senat hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung zurückverwiesen. Der<br />
Senat kann auf Gr<strong>und</strong> der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen, ob der<br />
beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zur Feststellung der Angemessenheitsgrenze von einem schlüssigen<br />
Konzept ausgegangen ist <strong>und</strong> die Angemessenheitsgrenze ohne Rechtsfehler festgesetzt hat.<br />
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand zulässig auf die KdU beschränkt. Zwar sind nach der<br />
<strong>Rechtsprechung</strong> des B<strong>und</strong>essozialgerichts (BSG) bei einem Streit um höhere Leistungen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Höhe nach zu prüfen (BSG<br />
SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16; BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 29/06 R = juris RdNr 18;<br />
Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 19). Ein Bescheid kann <strong>im</strong><br />
Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen enthalten. Um eine derartige<br />
abtrennbare Verfügung handelt es sich bei dem Betrag, der für die KdU nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bewilligt<br />
worden ist (vgl hierzu <strong>im</strong> Einzelnen BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 =<br />
SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 19, 22; s auch BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R =<br />
SozR 4-4200 § 22 Nr 9). Eine weitere Begrenzung des Streitgegenstands nur auf Leistungen für<br />
Unterkunftskosten, ohne solche für Heizkosten, ist durch die in der mündlichen Verhandlung vor<br />
dem LSG abgegebenen Prozesserklärungen hingegen nicht eingetreten. Das <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
Heizkosten abgegebene "Teilanerkenntnis" setzt für eine Erledigung des Rechtsstreits durch seine
Annahme insoweit voraus, dass es sich um einen, hier nicht gegebenen, teilbaren Streitgegenstand<br />
handelt.<br />
52<br />
Nach Auslegung des Tenors der Entscheidung des LSG ergibt sich, dass dieses den Beklagten unter<br />
Abänderung des von der Klägerin angefochtenen Bescheids verurteilt hat, Leistungen für KdU zu<br />
zahlen, <strong>und</strong> zwar für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2006 in Höhe von monatlich 348,78 Euro<br />
(Bruttokaltmiete 283 Euro <strong>und</strong> Heizkosten 72 Euro, abzüglich Kosten für Warmwasseraufbereitung<br />
6,22 Euro), für die Zeit vom 1. bis 31.1.2007 in Höhe von 366,18 Euro (300,40 Euro + 72 Euro -<br />
6,22 Euro) <strong>und</strong> für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2007 in Höhe von monatlich 355,78 Euro (290 Euro +<br />
72 Euro - 6,22 Euro). Da die Klägerin keine Revision eingelegt hat, ist der Bescheid vom<br />
18.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2006 bestandskräftig geworden,<br />
soweit damit höhere Leistungen abgelehnt worden sind.<br />
2. Die Klägerin erfüllt die Gr<strong>und</strong>voraussetzungen des § 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für Leistungen der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung. Ihr Anspruch umfasst dem Gr<strong>und</strong>e nach auch Leistungen für KdU. Diese werden<br />
in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz<br />
1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) . Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei<br />
den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet,<br />
auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz zu erstatten.<br />
Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur<br />
insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung l<strong>im</strong>itiert somit die<br />
erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Die Angemessenheitsprüfung ist nicht ins Belieben der<br />
Verwaltung gestellt. Vielmehr sind weitere Konkretisierungen erforderlich, die schon auf Gr<strong>und</strong> des<br />
allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien erfolgen müssen. Zum anderen fordert<br />
das Rechtsstaatsprinzip die Verlässlichkeit <strong>und</strong> Vorhersehbarkeit der Begrenzung.<br />
Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze wird nach der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG in einem<br />
ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße <strong>und</strong> der Wohnungsstandard best<strong>im</strong>mt<br />
sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die<br />
weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Insoweit ist das Vorgehen des LSG nicht zu beanstanden.<br />
Das LSG hat in Übereinst<strong>im</strong>mung mit der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG zur Best<strong>im</strong>mung der<br />
Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder auf Gr<strong>und</strong>
53<br />
des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSG,<br />
Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 19; Urteil<br />
vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R: Osnabrück). Nach § 10 WoFG können die Länder <strong>im</strong><br />
geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in<br />
Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an<br />
(vgl zu seiner Kritik <strong>im</strong> Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom<br />
19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit <strong>und</strong> der Praktikabilität<br />
hält er es aber derzeit für noch vertretbar, ebenso wie die anderen Senate des BSG zu verfahren, bis<br />
der Verordnungsgeber eine auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 27 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mögliche <strong>und</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf eine<br />
gleichmäßige Rechtsanwendung dringend wünschenswerte b<strong>und</strong>eseinheitliche Best<strong>im</strong>mung<br />
angemessener Wohnungsgrößen durch Verordnung selbst vorgenommen hat. Insoweit hat das LSG<br />
für die Klägerin zu Recht eine abstrakt angemessene Wohnungsgröße von 50 qm zu Gr<strong>und</strong>e gelegt.<br />
Soweit das LSG die Stadt W als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler des<br />
LSG nicht erkennbar; der Beklagte hat hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben. Bei der<br />
Festlegung des Vergleichsraumes geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete<br />
am Wohnort oder <strong>im</strong> weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen. Daher sind ausgehend vom<br />
Wohnort des Hilfeempfängers Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht<br />
bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Gr<strong>und</strong> ihrer räumlichen Nähe zueinander,<br />
ihrer Infrastruktur <strong>und</strong> insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verb<strong>und</strong>enheit einen insgesamt<br />
betrachtet homogenen Lebens- <strong>und</strong> Wohnbereich bilden (Einzelheiten dazu vgl Urteil des Senats<br />
vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R, RdNr 20-23, München) .<br />
3. Der Senat kann indessen auf Gr<strong>und</strong> der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen,<br />
welche Wohnungsmieten <strong>im</strong> maßgeblichen Vergleichsraum (W) zu zahlen sind <strong>und</strong> welche davon<br />
als angemessen anzusehen sind.<br />
a) Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße <strong>und</strong> der maßgebliche Vergleichsraum fest (vgl<br />
oben 2.), ist nach der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG in einem dritten Schritt nach Maßgabe der<br />
Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung<br />
aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers ist es, einen<br />
Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der
Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren <strong>und</strong><br />
so die angemessene Miete feststellen zu können.<br />
54<br />
Eine pauschale b<strong>und</strong>eseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus, da einerseits<br />
auf die konkreten Verhältnisse abzustellen ist, die Kosten für Wohnraum in den einzelnen<br />
Vergleichsräumen andererseits sehr unterschiedlich sein können. Um trotzdem ein gleichmäßiges<br />
Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung<br />
der regionalen Angemessenheitsgrenze (Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R) auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende<br />
Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes<br />
wiedergegeben werden (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145,<br />
149; vgl auch BSG, Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23) .<br />
Dabei muss der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten<br />
Mietspiegel iS der §§ 558c <strong>und</strong> 558d BGB abstellen (vgl Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B<br />
7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS<br />
44/06 R = juris RdNr 7). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers<br />
ein Konzept zu Gr<strong>und</strong>e liegt, dieses <strong>im</strong> Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses<br />
schlüssig <strong>und</strong> damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes<br />
Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.<br />
Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers <strong>im</strong> Sinne der systematischen<br />
Ermittlung <strong>und</strong> Bewertung genereller, wenngleich orts- <strong>und</strong> zeitbedingter Tatsachen<br />
für sämtliche Anwendungsfälle <strong>im</strong> maßgeblichen Vergleichsraum <strong>und</strong> nicht nur ein<br />
punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.<br />
Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:<br />
1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten <strong>und</strong> muss über den<br />
gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),<br />
2. es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB<br />
welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- <strong>und</strong><br />
Nettomiete , Differenzierung nach Wohnungsgröße,
55<br />
3, Angaben über den Beobachtungszeitraum,<br />
4. Festlegung der Art <strong>und</strong> Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),<br />
5. Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,<br />
6. Validität der Datenerhebung,<br />
7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Gr<strong>und</strong>sätze der Datenauswertung<br />
8. Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).<br />
Bislang hat der Gesetz- <strong>und</strong> Verordnungsgeber davon abgesehen, der Verwaltung normative<br />
Vorgaben darüber zu machen, wie sie die Angemessenheitsgrenze ermittelt. Die Verwaltung ist<br />
daher bis auf Weiteres nicht auf eine best<strong>im</strong>mte Vorgehensweise festgelegt. Sie selbst kann auf<br />
Gr<strong>und</strong> ihrer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten am besten einschätzen, welche Vorgehensweise<br />
sich für eine Erhebung der gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlich erheblichen Daten am besten eignen könnte.<br />
So kann es je nach Lage der Dinge etwa ausreichend sein, die erforderlichen Daten bei den<br />
örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften zu erheben, wenn die für Hilfeempfänger in Betracht<br />
kommenden Wohnungen zum größten Teil <strong>im</strong> Eigentum dieser Genossenschaften steht. Hingegen<br />
sind derartige Auskünfte allein nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften über keinen ins<br />
Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen <strong>und</strong> eine Mietpreisabfrage<br />
keine valide Datengr<strong>und</strong>lage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann.<br />
Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand<br />
(einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards<br />
abstellen. Legt der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten<br />
einfachen Standards zu Gr<strong>und</strong>e, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen<br />
Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat<br />
. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannoberwert, dh der obere Wert der<br />
ermittelten Mietpreisspanne zu Gr<strong>und</strong>e zu legen.<br />
Für die Datenerhebung kommen nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen<br />
Wohnungen in Betracht, sondern auch von bereits vermieteten (Urteil des Senats vom 19.2..2009 -<br />
B 4 AS 30/08 R = juris RdNr 24) . Im Gegensatz zur Erstellung von Mietspiegeln oder
56<br />
Mietdatenbanken, deren wesentliches Anliegen das dauerhafte Funktionieren des Marktes frei<br />
finanzierter Mietwohnungen ist (B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau- <strong>und</strong> Wohnungswesen,<br />
Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3), ist <strong>im</strong> Rahmen der KdU<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck<br />
vermietet wird; so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen<br />
Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten<br />
bringen kann; so etwa Wohnraum in Wohnhe<strong>im</strong>en oder Herbergen <strong>und</strong><br />
Gefälligkeitsmietverhältnisse (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen<br />
Verwandten). Auszunehmen ist auch Wohnraum, der in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr<br />
<strong>und</strong> damit nach Auffassung des Senats nur vorübergehend vermietet werden soll (zB<br />
Ferienwohnungen, Wohnungen für Montagearbeiter).<br />
Die erhobenen Daten müssen vergleichbar sein, das heißt, ihnen muss derselbe Mietbegriff zu<br />
Gr<strong>und</strong>e liegen. Typischerweise ist dies entweder die Netto- oder die Bruttokaltmiete. Wird die<br />
Nettokaltmiete als Gr<strong>und</strong>lage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der<br />
Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom<br />
Mieter gesondert zu zahlenden Betriebskosten erhoben werden. Wird Wohnraum etwa (teil-<br />
)möbliert vermietet <strong>und</strong> lässt sich das für die Nutzung der Möbel zu entrichtende Entgelt<br />
best<strong>im</strong>men, ist dieser Betrag, ansonsten ein nach dem räumlichen Vergleichsmaßstab hierfür<br />
üblicherweise zu zahlender Betrag herauszurechnen.<br />
Entschließt sich der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zur Erstellung eines gr<strong>und</strong>sicherungsrelevanten<br />
Mietspiegels, wird dies aus finanziellen Gründen regelmäßig nur auf der Basis einer Stichprobe<br />
erfolgen können. Hier bietet es sich an, sich hinsichtlich Stichprobenumfang <strong>und</strong> Auswertung etc an<br />
den für Mietspiegel geltenden Standard anzulehnen (vgl dazu B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau<strong>und</strong><br />
Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f ): Die<br />
Stichprobe kann, muss aber nicht proportional vorgenommen werden. Proportional bedeutet in<br />
diesem Zusammenhang, dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der<br />
Gr<strong>und</strong>gesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel,<br />
1997, RdNr 650).
57<br />
b) Die Stadt W hat zwar Daten über Mietpreise <strong>und</strong> Wohnungsbestand erhoben. Es kann jedoch<br />
nicht beurteilt werden, ob aus diesem Datenbestand zutreffende Schlüsse auf die<br />
Angemessenheitsgrenze gezogen werden können. Solche Rückschlüsse setzen zunächst voraus,<br />
dass nachvollziehbar ist, welche Wohnungen in die Datenerhebungen einbezogen wurden. Schon<br />
hieran fehlt es <strong>im</strong> vorliegenden Fall. Im vorliegenden Fall wird das LSG daher prüfen müssen, nach<br />
welchen Kriterien der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die von ihm ausgewerteten Daten erhoben<br />
hat, insbesondere welche Wohnungen dabei berücksichtigt wurden. Ergeben diese Ermittlungen<br />
eine brauchbare Datengr<strong>und</strong>lage (zu den weiteren Erfordernissen siehe oben), wird das LSG<br />
möglicherweise in die Lage versetzt, eine Angemessenheitsgrenze selbst zu best<strong>im</strong>men. Ist dies<br />
nicht möglich, kann hier offen bleiben, ob hilfsweise zur Höhenbegrenzung auf die<br />
Wohngeldtabelle zurückzugreifen ist. Denn jedenfalls liegen deren Werte <strong>im</strong> vorliegenden Fall über<br />
den tatsächlichen Kosten der Klägerin für ihre Unterkunft.<br />
c) Es ist <strong>im</strong> Wesentlichen Sache der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein<br />
schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Gr<strong>und</strong>lage die erforderlichen Daten zur Best<strong>im</strong>mung<br />
der Angemessenheitsgrenze zu erheben <strong>und</strong> auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes<br />
erzielbaren Erkenntnisse sind vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger daher gr<strong>und</strong>sätzlich schon für eine<br />
sachgerechte Entscheidung <strong>im</strong> Verwaltungsverfahren notwendig <strong>und</strong> in einem Rechtsstreit vom<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger vorzulegen. Entscheidet der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ohne eine hinreichende<br />
Datengr<strong>und</strong>lage, ist er <strong>im</strong> Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2.<br />
Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage zu<br />
verschaffen <strong>und</strong> ggf eine unterbliebene Datenerhebung <strong>und</strong> -aufbereitung nachzuholen. Es kann von<br />
dem gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Leistungen nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zuständigen<br />
kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die<br />
persönlichen <strong>und</strong>/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung <strong>und</strong> Auswertung der<br />
erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das<br />
Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers als nicht tragfähig<br />
(schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder<br />
nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind.<br />
d) Liegt der Best<strong>im</strong>mung der Angemessenheitsgrenze des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers ein schlüssiges<br />
Konzept nicht zu Gr<strong>und</strong>e, besteht für das Sozialgericht die Möglichkeit, den angefochtenen<br />
Verwaltungsakt innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Eingang der Akten alle Bescheide
58<br />
nach § 131 Abs 2 SGG aufzuheben. Die Belange der Beklagten können dadurch gewahrt werden,<br />
dass das Gericht bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes eine einstweilige Regelung trifft (§<br />
131 Abs 5 Satz 2 SGG) die auch in der Verpflichtung zur Fortzahlung der tatsächlichen<br />
Unterkunftskosten bestehen kann. Steht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur<br />
Überzeugung des Gerichts fest, dass keine solchen Erkenntnismöglichkeiten mehr vorhanden sind -<br />
etwa durch Zeitablauf - sind vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des<br />
Hilfebedürftigen für Unterkunft zu übernehmen. Sie sind allerdings auch in diesem Fall nicht völlig<br />
unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten<br />
Tabellenwerte in § 8 WoGG.<br />
4. Unzutreffende Angaben des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers zur Angemessenheit des Wohnraums können<br />
einen Anspruch auf Übernahme zu hoher KdU auf Gr<strong>und</strong> des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (bis<br />
31.7.2006: § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) begründen, wenn diese Angaben zur Unmöglichkeit von<br />
Kostensenkungsmaßnahmen führen (vgl hierzu eingehend Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4<br />
AS 30/08 R: München = juris RdNr 27 ff). Die nicht ausreichenden Tatsachenfeststellungen des<br />
LSG lassen ein abschließendes Urteil des Senats darüber, ob der Beklagte falsche oder irreführende<br />
<strong>und</strong> für die erfolglose Wohnungssuche ursächliche Angaben gemacht hat, allerdings nicht zu,<br />
weshalb das LSG ggf auch insoweit weitere Feststellungen zu treffen hat.<br />
Kommt das LSG unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu dem Ergebnis, dass der<br />
Klägerin in einem Monat des streitgegenständlichen Zeitraums Leistungen für KdU<br />
(Unterkunftskosten + 72 Euro - 6,22 Euro) zustehen, die hinter dem insoweit ausgeurteilten Betrag<br />
zurückbleiben, so wird es auch noch zu prüfen haben, ob der Fälligkeitszeitpunkt des seitens der<br />
GEW GmbH mit Rechnung vom 30.10.2006 geltend gemachten Nachzahlungsbetrages in diesen<br />
Monat fällt <strong>und</strong> in welcher Höhe der Nachzahlungsbetrag Heizkosten enthält. Diese wären in dem<br />
betreffenden Monat bedarfserhöhend zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b<br />
AS 58/06 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36).<br />
bb) Siehe auch BSG v 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R<br />
Die von dem Beklagten festgestellte Vergleichsmiete für den Raum Essen <strong>und</strong> eine Wohnungsgröße<br />
von 60 qm hält einer Überprüfung stand. Den Berechnungen des Beklagten mangelt es zwar<br />
insoweit an dem vom erkennenden Senat geforderten schlüssigen Konzept. Zutreffend haben jedoch
59<br />
SG <strong>und</strong> LSG auf den Essener Mietspiegel zurück gegriffen, der alle erforderlichen Daten für ein<br />
schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Vergleichsmiete enthält. Den Klägern ist es auch zumutbar<br />
<strong>und</strong> möglich, eine Wohnung <strong>im</strong> Stadtgebiet Essen zu dem von den Vorinstanzen als angemessen<br />
best<strong>im</strong>mten Mietzins anzumieten. Weder ges<strong>und</strong>heitliche Gründe noch die jahrzehntelange <strong>und</strong><br />
familiäre Bindung der Kläger an den Stadtteil Essen-Kettwig führen <strong>im</strong> konkreten Fall zur<br />
Unzumutbarkeit des Verlassens des "sozialen Umfeldes", also eines Umzugs innerhalb des<br />
gesamten Vergleichsraums als Kostensenkungsmaßnahme. Nach den für den Senat bindenden<br />
Feststellungen des LSG war es ihnen auch möglich, eine Wohnung <strong>im</strong> Stadtgebiet Essen zum Preis<br />
der Referenzmiete anzumieten. Danach stehen <strong>im</strong> Vergleichsraum Mietwohnungen zu einem<br />
Mietzins in Höhe der Vergleichsmiete in hinreichendem Umfang zur Verfügung.<br />
cc) Siehe auch BSG v 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R<br />
Der Senat vermochte an Hand der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen, ob der<br />
Beklagte verpflichtet war, die vom Kläger <strong>im</strong> streitigen Zeitraum geltend gemachten<br />
Aufwendungen für Unterkunft in Höhe von 330 Euro monatlich als Leistungen für Unterkunft zu<br />
übernehmen.<br />
Es liegen bereits keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, ob diese Aufwendungen angemessen<br />
iS des § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> waren. Zur Best<strong>im</strong>mung der Angemessenheitsgrenze ist eine<br />
örtliche Referenzmiete von dem Gr<strong>und</strong>sicherungsträger auf Gr<strong>und</strong>lage eines schlüssigen Konzepts<br />
zu ermitteln. Hieran mangelt es <strong>im</strong> vorliegenden Fall. Zur Feststellung der abstrakt angemessenen<br />
Referenzmiete genügt es nach ständiger <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG nicht - ohne Ausfall der örtlichen<br />
Erkenntnismöglichkeiten - auf die Werte der Tabelle zu § 8 WoGG zurückzugreifen. Das schlüssige<br />
Konzept kann auch nicht gleichsam durch die "Gegenprobe" ersetzt werden, ob es möglich ist,<br />
innerhalb eines - hier zudem nicht eindeutig eingegrenzten - Vergleichsraums Wohnungen bis zur<br />
Höhe der Tabellenwerte des WoGG in der angemessenen Wohnraumgröße anzumieten. Insoweit<br />
vermischt die Beklagte die Best<strong>im</strong>mung der abstrakten Referenzmiete, also die Ausfüllung des<br />
unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" iS des § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, mit der<br />
Feststellung der Voraussetzungen der Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen iS von § 22<br />
Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Ob Wohnraum zu dem ermittelten Referenzmietpreis <strong>im</strong> Vergleichsraum oder<br />
ggf unter Achtung des sozialen Umfeldes (Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen)<br />
angemietet werden kann, ist eine Frage der konkreten Angemessenheit, die nach Auffassung des
60<br />
erkennenden Senats erst bei der Durchführung des Kostensenkungsverfahrens nach § 22 Abs 1 Satz<br />
3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (Unmöglichkeit von Kostensenkungsmaßnahmen) zu beantworten ist. Da hier jedoch<br />
bereits die abstrakt angemessene Referenzmiete nicht feststeht, kann auch nicht beurteilt werden, ob<br />
die Beklagte das Kostensenkungsverfahren zu Recht eingeleitet hat <strong>und</strong> ob sowie in welchem<br />
Umfang der Kläger ggf verpflichtet war, seine Unterkunftskosten zu senken.<br />
aa)<br />
Weitere Fälle zum schlüssigen Konzept usw<br />
(1) BSG v 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 (Bedarfsgemeinschaft/Getrennt- l<br />
leben/schlüssiges Konzept/AV-Wohnen)<br />
(2) BSG v. 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R (Die Berliner AV-Wohnen)<br />
(3) BSG v 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R (Heizkosten)<br />
Der Rechtsstreit wird um die Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) geführt.<br />
Der 1957 geborene Kläger <strong>und</strong> der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y.W., der das<br />
vorliegende Verfahren in den Vorinstanzen als Kläger zu 2) betrieben hatte, waren <strong>im</strong> streitigen<br />
Zeitraum eingetragene Lebenspartner.<br />
Sie beziehen seit Beginn des Jahres 2005 Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Im<br />
streitigen Zeitraum bewohnten sie in Berlin eine 2 1/2 Z<strong>im</strong>merwohnung; die Warmmiete betrug<br />
532,49 Euro. Das beklagte Job-Center hielt die Wohnungskosten für zu hoch; angemessen seien in<br />
Berlin für einen Zwei-Personen-Haushalt 440 Euro; die Kläger wurden aufgefordert, die KdU zu<br />
senken.<br />
Ende Juli 2007 teilte der seinerzeitige Kläger zu 2) mit, dass er zur Unterstützung seiner kranken<br />
Großmutter bis Anfang oder Mitte November 2007 nach China reisen werde; tatsächlich kehrte er<br />
Anfang Dezember 2007 zurück. Der Beklagte gewährte daraufhin nur noch dem Kläger Alg <strong>II</strong>; als<br />
KdU berücksichtigte er nur die Hälfte der von ihm für einen Zwei-Personen-Haushalt als<br />
angemessen festgesetzten Kosten. Gegen die nur anteilige Berücksichtigung der Wohnungskosten,<br />
die von den Vorinstanzen bestätigt wurde, richtet sich die Revision des Klägers. Er macht geltend,<br />
der Beklagte habe die KdU während der Ortsabwesenheit des Y.W. zu Unrecht nach der<br />
Kopfteilmethode aufgeteilt; außerdem habe er zu geringe Mietkosten als angemessen zugr<strong>und</strong>e<br />
gelegt.
61<br />
Die Revision des Klägers war insoweit erfolgreich, als das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben <strong>und</strong><br />
die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung zurückverwiesen wurde. Auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
der tatsächlichen Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht entscheiden, in welcher Höhe dem<br />
Kläger Leistungen für KdU zustehen.<br />
Das LSG wird zunächst die tatsächlichen Kosten der Unterkunft getrennt von den Kosten der<br />
Heizung zu ermitteln haben. Für die Frage der Angemessenheit der Kosten ist wegen der Größe der<br />
Wohnung auch während des Auslandsaufenthalts des Y W die Zahl der Mitglieder der<br />
Bedarfsgemeinschaft maßgeblich. Wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3<br />
Buchst a oder b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> getrennt leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, bleibt die Anzahl der<br />
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft jedenfalls dann maßgeblich, wenn der auswärtige Aufenthalt<br />
eines der Partner -- wie hier - <strong>im</strong> Vorhinein auf einen Zeitraum von weniger als sechs Monate<br />
beschränkt ist. Erst bei einem langfristigen Auslandsaufenthalt oder bei einem längeren Aufenthalt<br />
in einer stationären Einrichtung (etwa bei Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den<br />
verbliebenen Partner zumutbar sein, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern <strong>und</strong> seine<br />
Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Entgegen der<br />
Auffassung des LSG findet eine Aufteilung der angemessenen Gesamtkosten nach Kopfteilen nicht<br />
statt, solange keine gemeinsame Nutzung der Wohnung vorliegt.<br />
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die vom beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträger<br />
herangezogenen Ausführungsvorschriften (AV-Wohnen) zur Best<strong>im</strong>mung eines angemessenen<br />
Quadratmeterpreises innerhalb des örtlichen Vergleichsmaßstabs (des gesamten Stadtgebiets von<br />
Berlin) nicht geeignet waren. Sie beruhen nicht auf einem schlüssigen Konzept, das eine<br />
hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen<br />
Wohnungsmarktes wiedergibt. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG zur Best<strong>im</strong>mung eines<br />
angemessenen Quadratmeterpreises auf den Berliner Mietspiegel 2007 zurückgegriffen. Soweit es<br />
mit der Bildung eines "gr<strong>und</strong>sicherungsrelevanten" Mittelwertes jedoch eigene Schlüsse aus den<br />
Daten des Mietspiegels für einfache Wohnlagen gezogen hat, wird es nach Zurückverweisung zu<br />
überprüfen haben, ob sich aus den Gr<strong>und</strong>lagendaten oder anderen Quellen solche Schlüsse<br />
gr<strong>und</strong>sicherungsspezifischer Art nachvollziehen lassen. Dabei bietet es sich etwa an, einen<br />
gewichteten arithmetischen Mittelwert nach der tatsächlichen Verteilung der in der<br />
Gr<strong>und</strong>gesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen der einfachen Wohnlage<br />
zu bilden.
62<br />
In den angemessenen Quadratmeterpreis sind <strong>im</strong> Sinne der Produkttheorie neben der Nettokaltmiete<br />
schon nach dem Wortlaut des § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auch die sog kalten Betriebskosten einzubeziehen;<br />
diese sind nicht - wie die Heizkosten - gesondert auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Für die<br />
Angemessenheitskontrolle erscheint es sachgerecht, auf örtliche Übersichten <strong>und</strong> insoweit auf die<br />
sich daraus ergebenden Durchschnittswerte aller nach der Betriebskostenverordnung<br />
zugr<strong>und</strong>eliegenden Kostenarten zurückzugreifen. Kalte Betriebskosten best<strong>im</strong>men sich vor allem<br />
nach den regionalen Besonderheiten. Dagegen erscheint es nicht erforderlich, <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
kalten Betriebskosten weitergehend nach einfacher Wohnlage zu differenzieren, weil die Höhe der<br />
Betriebskosten weitgehend unabhängig von der Wohnlage ist. Erst wenn keine regionalen<br />
Übersichten vorliegen, kann auf den Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterb<strong>und</strong>es<br />
zurückgegriffen werden.<br />
(zu 2) Der Rechtsstreit wird ebenfalls um die Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) geführt.<br />
Der 1960 geborene alleinstehende Kläger bezieht seit Januar 2005 Alg <strong>II</strong>. Er bewohnt in Berlin<br />
allein eine Zwei-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 58,31 qm. Die Wohnung verfügt über<br />
Zentralheizung <strong>und</strong> Warmwasserversorgung. Die monatliche Gesamtmiete betrug <strong>im</strong> streitigen<br />
Zeitraum 438,63 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Nettokaltmiete von 203,63 Euro,<br />
einem Modernisierungszuschlag iHv 98,36 Euro, einer Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten<br />
iHv 76,31 Euro sowie einem nach dem Mietvertrag nicht abdingbaren Betrag für den<br />
Kabelanschluss iHv 14,31 Euro <strong>und</strong> schließlich einer Vorauszahlung für warme Betriebskosten iHv<br />
46,02 Euro. Der Beklagte gewährte bis einschließlich August 2006 neben der Regelleistung die<br />
tatsächlich anfallenden Kosten für die Unterkunft, nach Kostensenkungsaufforderung mit Schreiben<br />
vom 1.2.2006 bewilligte er vom 1.9.2006 an nur noch die von ihm als angemessen angesehenen<br />
Kosten iHv 360 Euro. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach<br />
Auffassung des LSG beträgt die angemessene Bruttokaltmiete für eine Person ausgehend von einer<br />
angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm <strong>und</strong> den Mittelwerten für eine 40-60 qm große Wohnung<br />
in einfacher Lage aus dem Mietspiegel 2005 für das Land Berlin sowie den Mittelwerten für kalte<br />
Betriebskosten aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterb<strong>und</strong>es insgesamt 275,40 Euro.<br />
Der Beklagte habe <strong>im</strong> Verwaltungsverfahren unter Abzug der max<strong>im</strong>al berücksichtigungsfähigen<br />
Heizkosten von 39,80 Euro monatlich Leistungen für eine Bruttokaltmiete iHv 320,20 Euro<br />
zuerkannt <strong>und</strong> damit bereits einen Betrag, der über der angemessenen Bruttokaltmiete in Berlin für<br />
diesen Zeitraum liege. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
63<br />
Die Revision des Klägers führte auch in dieser Sache zur Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils<br />
<strong>und</strong> zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG<br />
reichten auch hier nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger höhere Leistungen als KdU<br />
beanspruchen kann. Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich in Berlin für einen 1-Personen-<br />
Haushalt jedoch eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Das LSG hat dagegen zutreffend als<br />
Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen.<br />
Im Hinblick auf die Best<strong>im</strong>mung eines angemessenen Quadratmeterpreises innerhalb des örtlichen<br />
Vergleichsmaßstabs (des gesamten Stadtgebiets von Berlin) waren die vom beklagten<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger herangezogenen Ausführungsvorschriften (AV-Wohnen) nicht geeignet. Sie<br />
beruhen, wie bereits ausgeführt, nicht auf einem schlüssigen Konzept, das eine hinreichende<br />
Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt.<br />
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG zur Best<strong>im</strong>mung eines angemessenen<br />
Quadratmeterpreises auf den Berliner Mietspiegel zurückgegriffen. Da das LSG damit eigene<br />
Ermittlungen angestellt hat, wäre es gehalten gewesen, auf den jeweils aktuellsten Datenbestand<br />
zurückzugreifen, der Informationen für den streitigen Zeitraum geben kann. Die Hinweise zum<br />
weiteren Vorgehen nach Wiedereröffnung der Berufungsinstanz entsprechen denen zu 2.<br />
(zu 3) Die <strong>im</strong> August 1948 geborene Klägerin begehrt <strong>im</strong> Rahmen der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 höhere Leistungen für die Kosten<br />
der Unterkunft (KdU) einschließlich Heizung.<br />
Seit Januar 2005 bewohnt sie eine Zwei-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung in Berlin-Spandau mit einer Wohnfläche<br />
von 59,50 qm. Die Nettokaltmiete schwankte in der hier streitigen Zeit monatlich zwischen 283<br />
Euro <strong>und</strong> 290,05 Euro; hinzu kamen Vorauszahlungen für die "kalten Betriebskosten" iHv 133 Euro<br />
<strong>und</strong> für die Heizkosten einschließlich Warmwasser iHv 44 Euro. Die Gesamtaufwendungen für die<br />
Unterkunft lagen damit monatlich zwischen 460 Euro <strong>und</strong> 467,05 Euro. Die Klägerin erzielte in<br />
dem hier streitigen Zeitraum ein Erwerbseinkommen iHv monatlich 100 Euro brutto. Über<br />
Vermögen verfügt sie nicht; sie hat Verbindlichkeiten <strong>im</strong> Umfang von r<strong>und</strong> 200 000 Euro. Der<br />
Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst bis November 2007 Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts sowie die tatsächlichen KdU einschließlich Heizung, teilweise mit Abzug für die<br />
Warmwasseraufbereitung. Bereits mit Schreiben vom 14.5.2007 teilte der Beklagte der Klägerin<br />
mit, die KdU seien nicht angemessen. Für einen Ein-Personen-Haushalt gelte ein Richtwert von 360
64<br />
Euro; die gegenwärtige tatsächliche Bruttowarmmiete übersteige diesen geltenden Richtwert. Die<br />
Klägerin wurde aufgefordert, ihre Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung bis zum 31.10.2007 zu<br />
senken. Für die Zeit vom 1.12.2007 bis 30.4.2008 gewährte der Beklagte Leistungen für die KdU<br />
<strong>und</strong> Heizung nur noch iHv 360 Euro. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe die Höhe der<br />
angemessenen Unterkunftskosten falsch berechnet; außerdem sei ihr ein Umzug auch nicht<br />
zumutbar, da sie unentgeltlich ihre 84-jährige Tante betreue, die nur zwei Häuser entfernt lebe.<br />
Darüber hinaus werde sie selbst <strong>im</strong> August 2008 60 Jahre alt <strong>und</strong> sei erst <strong>im</strong> Januar 2005 in ihre<br />
bisherige Wohnung eingezogen.<br />
Die Revision der Klägerin war <strong>im</strong> Sinne der Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils <strong>und</strong> der<br />
Zurückverweisung der Sache an das LSG erfolgreich. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG<br />
reichten auch in dieser Sache nicht aus, um entscheiden zu können, ob die Klägerin höhere<br />
Leistungen als KdU beanspruchen kann. Im Hinblick auf die Entscheidung zur Angemessenheit der<br />
Wohnungskosten wird auf die Ausführungen zu 2. <strong>und</strong> 3. verwiesen. Hinzu treten in dieser Sache<br />
Überlegungen zur Angemessenheit der Heizungskosten. Im hier maßgeblichen Zeitraum war<br />
insoweit weiterhin von der Einkommens- <strong>und</strong> Verbrauchsstichprobe 1998 auszugehen <strong>und</strong> der für<br />
die Kosten der Warmwasserbereitung abzusetzende Betrag zu dynamisieren.<br />
BSG v. 20.12.2011 - Schlüssiges Konzept B 4 AS 19/11 R -<br />
Streitig ist die Höhe der Leistungen für die Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in der Zeit von November<br />
2006 bis April 2007.<br />
Die sich <strong>im</strong> laufenden <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Bezug befindenden Kläger bezogen zum 1.11.2005 ohne Zust<strong>im</strong>mung des<br />
Beklagten eine 77,53 qm große Wohnung in Duisburg mit einer Gr<strong>und</strong>miete iHv 364,68 Euro,<br />
Betriebskostenvorauszahlung bis einschließlich November 2006 iHv 128,46 Euro <strong>und</strong> ab Dezember 2006<br />
iHv 150 Euro mtl sowie Heizkostenvorauszahlung iHv 35,96 Euro mtl. Bei der Bewilligung der Leistungen<br />
<strong>im</strong> streitigen Zeitraum erkannte der Beklagte (nur) anteilige Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in Höhe von<br />
189,74 Euro (Klägerin) bzw 189,75 Euro mtl (Kläger) für den Monat November 2006 <strong>und</strong> für die Zeit von<br />
Januar 2007 bis April 2007 sowie für Dezember 2006 in Höhe von 193,26 Euro (Klägerin zu 1) bzw 193,27<br />
Euro (Kläger zu 2) an.<br />
Das SG hat den Beklagten verurteilt, weitere Leistungen für den Monat November 2006 in Höhe von jeweils<br />
10,80 Euro <strong>und</strong> für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 in Höhe von jeweils 19,48 Euro monatlich zu
65<br />
erbringen <strong>und</strong> die weitergehenden Klagen abgewiesen. Dabei ist es von einem angemessenen Mietpreis von<br />
4,12 Euro je qm ausgegangen, indem es den Durchschnittswert aus den unteren Spannenwerten der normalen<br />
Lage der Baualtersstufen I bis IV aus dem qualifizierten Mietspiegel 2005 der Stadt Duisburg ermittelt hat.<br />
Unter Berücksichtigung des Betriebskostenspiegels des Deutschen Mieterb<strong>und</strong>es sei die insoweit<br />
vorgenommene Pauschalierung iHv 1,79 Euro je qm nicht zu beanstanden. Für die Monate Dezember 2006<br />
bis April 2007 seien die tatsächlichen Betriebskostenvorauszahlungen zu übernehmen.<br />
Das LSG hat die Berufungen der Kläger <strong>und</strong> des Beklagten zurückgewiesen.<br />
Die Revisionen der Beteiligten sind <strong>im</strong> Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils <strong>und</strong><br />
Zurückverweisung begründet, weil der Senat nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG aus<br />
mehreren Gründen nicht abschließend beurteilen kann, ob die Kläger in dem streitigen Zeitraum<br />
Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in der geltend gemachten Höhe beanspruchen können. Dabei<br />
hält der Senat an seiner <strong>Rechtsprechung</strong> fest, wonach es zuvörderst Aufgabe des<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers ist, bereits <strong>im</strong> Verwaltungsverfahren ein schlüssiges Konzept zur<br />
Best<strong>im</strong>mung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Dies dient der Umsetzung des für<br />
den unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Unterkunftskosten entwickelten Kriterien.<br />
Das Gericht hat anhand der von ihm gelieferten Daten bzw der zusätzlich <strong>im</strong> Rahmen der<br />
Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten <strong>und</strong> zur Verfügung zu stellenden Daten <strong>und</strong><br />
Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen ist.<br />
Bei ihrem Vorgehen, den vom Beklagten festgelegten Wert für die Nettokaltmiete - vor einem<br />
Rückgriff auf die Tabellenwerte zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG - anhand eines qualifizierten<br />
Mietspiegels zu überprüfen <strong>und</strong> abweichend festzulegen, sind die Vorinstanzen zutreffend davon<br />
ausgegangen, dass für die Best<strong>im</strong>mung der angemessenen Referenzmiete nach einem schlüssigen<br />
Konzept die Daten des qualifizierten Mietspiegels für die Stadt Duisburg herangezogen werden<br />
können. Allerdings erfordert dies, dass die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt,<br />
die einbezogenen Daten repräsentativ sind <strong>und</strong> bei der Datenauswertung mathematisch-statistische<br />
Gr<strong>und</strong>sätze eingehalten werden. Wegen der abweichenden Zielsetzung <strong>und</strong> der Erstellungsmethode<br />
von Mietspiegeln muss sichergestellt sein, dass der hinter den berücksichtigten Mietspiegelwerten<br />
stehende tatsächliche Wohnungsbestand <strong>im</strong> Vergleichraum die Anmietung einer angemessenen<br />
Wohnung <strong>im</strong> gesamten Vergleichsraum ermöglicht, ohne die Leistungsberechtigen auf best<strong>im</strong>mte<br />
Stadteile zu beschränken. Insofern lässt die Besetzung einzelner Tabellenfelder eines Mietspiegels<br />
zunächst nur die Vermutung zu, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung ein best<strong>im</strong>mter<br />
Wohnungsmietwert auf dem Gesamtwohnungsmarkt überhaupt vorhanden ist. Sie enthält keine<br />
Aussage zu dem dahinter stehenden Wohnungsbestand <strong>im</strong> Vergleichsraum.
66<br />
Dies berücksichtigend kann der Senat nicht sicher beurteilen, ob der von den Vorinstanzen anhand des<br />
Mietspiegels festgestellte Wert von 4,12 Euro je qm eine angemessene Nettokaltmiete widerspiegelt. Es<br />
kann nicht ohne weiteres Datenmaterial davon ausgegangen werden, dass unter Berücksichtigung<br />
gerade nur der unteren Spannenwerte der Wohnungen in normaler Wohnlage der Baualtersklassen I<br />
bis IV <strong>im</strong> gesamten Vergleichsraum angemessener Wohnraum <strong>im</strong> gesamten Vergleichsraum<br />
tatsächlich angemietet werden kann. Dies gilt auch für die Berechnungen des LSG, weil es Wohnungen<br />
in einfacher Wohnlage einbezieht, die in Duisburg nach den Feststellungen des LSG nur in<br />
eingeschränktem Umfang zur Verfügung stehen <strong>und</strong> mangels Häufigkeit schon bei der<br />
Mietspiegelerstellung als nicht repräsentativ unberücksichtigt gelassen wurden. Auch wegen der<br />
Ausklammerung best<strong>im</strong>mter Baualtersklassen sind weitere Feststellungen erforderlich. Trotz des<br />
hohen Anteils von Wohnungen in diesen Baualtersklassen birgt dies das Risiko, dass die Ermittlung<br />
der angemessenen Unterkunftskosten doch nicht - wie erforderlich - über den gesamten<br />
Vergleichsraum, sondern - de facto - nur beschränkt auf best<strong>im</strong>mte Stadtteile erfolgt. Unter<br />
qualitativen Gesichtspunkten können best<strong>im</strong>mte Baualtersklassen weiter nur ausgeschlossen werden,<br />
wenn festgestellt ist, dass Gebäude dieser Baualtersklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments<br />
nicht maßgeblich prägen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R, RdNr 25).<br />
Der Umfang der - vorrangig vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger - nachzuholenden Ermittlungen zu dem<br />
hinter den Tabellenfeldern liegenden Wohnungsbestand hängt gr<strong>und</strong>sätzlich von dem - je nach<br />
Mietspiegel - unterschiedlichem Datenmaterial, dem ggf "ausgeklammerten" Anteil von Wohnungen<br />
sowie dem gesamten Wohnungsbestand <strong>im</strong> Vergleichsraum ab. Hier kann ua der von dem Beklagten<br />
mit der Dokumentation des Mietspiegels übersandte Erläuterungsbogen zur tatsächlichen Anzahl von<br />
Wohnungen nach Mietspiegelfeldern einbezogen werden. Bei einer Gesamtbetrachtung kann sich<br />
ergeben, dass die Berücksichtigung von gewichteten Mittelwerten der herangezogenen Tabellenfelder<br />
sicherstellt, dass - bezogen auf die berücksichtigten Wohnungen - ein ausreichender Bestand<br />
vorhanden <strong>und</strong> damit angemessener Wohnraum für den Leistungsberechtigten tatsächlich erreichbar<br />
ist (vgl zum Berliner Mietspiegel BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, RdNr 32). Der Senat<br />
hat bereits entschieden, dass als Angemessenheitsgrenze der obere Spannenwert zu berücksichtigen ist,<br />
wenn - bei entsprechend vorhandenem Datenmaterial - nur die Wohnungen einfachen Standards<br />
zugr<strong>und</strong>e gelegt werden (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, RdNr 21).<br />
Zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten sind neben der Nettokaltmiete die<br />
"kalten Betriebskosten", allerdings unter Rückgriff auf lokale Übersichten, einzubeziehen. Weitere<br />
Feststellungen sind auch zur Höhe der zu übernehmenden Heizkosten <strong>und</strong> zur Höhe des Einkommens<br />
des Klägers zu 2) erforderlich.
67<br />
Zur Bedeutung der Warmwasseranrechnung s. auch BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 16/10 R<br />
…...................Es ist davon auszugehen, dass die Kosten für die Warmwasserbereitung zunächst als<br />
Aufwendungen der Hilfebedürftigen gemeinsam mit den Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung zu bewerten sind, weil nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine einheitliche<br />
Bereitstellung der Fernwärme für für Heizung <strong>und</strong> Warmwasser erfolgt <strong>und</strong> gleichzeitig die Kosten<br />
der Warmwasserbereitung nicht mittels technischer Vorrichtungen gesondert <strong>und</strong> exakt auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage des tatsächlichen Verbrauchs des Hilfebedürftigen abgetrennt errechnet werden können.<br />
BSG v 22.3.2012 – B 4 AS 16/11 R – Mitwirkungspflichten be<strong>im</strong> schlüssigen Konzept<br />
Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung werden gemäß § 22 erbracht, soweit diese angemessen<br />
sind. Dieser Begriff unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Hierbei prüft das BSG<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich, ob die generellen rechtlichen Anforderungen eingehalten worden sind, die das BSG<br />
für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts formuliert hat. Wenn ein Träger der Gr<strong>und</strong>sicherung<br />
kein tragfähiges schlüssiges Konzept entwickelt hat, ist vorrangig zu prüfen, ob das Gericht<br />
(gegebenenfalls unter Heranziehung des Trägers der Gr<strong>und</strong>sicherung) auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
vorliegenden Daten das Konzept des Trägers der Gr<strong>und</strong>sicherung nachbessert oder ob es auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage der vorliegenden Daten selbst ein schlüssiges Konzept entwickelt. Wenn das Gericht zu<br />
dem Ergebnis gelangt, dass ein schlüssiges Konzept weder vom Beklagten noch vom Gericht<br />
erarbeitet werden könne, muss dies ausführlich begründet werden. Zwar hat das BSG für den<br />
Fall des Fehlens von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgr<strong>und</strong> von fehlenden Ermittlungen des<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlung durch die Sozialgerichte ausdrücklich<br />
für zulässig erachtet. Auf jeden Fall muss klar gestellt werden, warum ein schlüssiges Konzept auf<br />
der Gr<strong>und</strong>lage der vorhandenen Erkenntnisse <strong>und</strong> Daten nicht entwickelt werden können.<br />
Wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein schlüssiges Konzept nicht erarbeitet werden<br />
könne, wird es bei der Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten durch die Tabellenwerte des<br />
§ 8 Wohngeldgesetzes zu berücksichtigen haben, dass das BSG <strong>und</strong> ihm folgend die Instanzgerichte<br />
einen Zuschlag von 10 % als angemessen, aber auch als ausreichend zu Gr<strong>und</strong>e gelegt haben.<br />
bb) BSG v. 13.4.2011: Vorhandensein von anzumietenden Wohnungen <strong>und</strong> Zumutbarkeit<br />
eines Umzugs
68<br />
(1) B 14 AS 32/09 R - L. ./. Jobcenter Tempelhof-Schöneberg<br />
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
für die Zeit von November 2006 bis April 2007.<br />
Der <strong>im</strong> Jahr 1950 geborene, erwerbsfähige Kläger ist promovierter Politikwissenschaftler <strong>und</strong> ledig.<br />
Er konnte <strong>im</strong> streitgegenständlichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften <strong>und</strong><br />
Mitteln sichern. Er bewohnt seit dem Jahr 1959 zunächst als Kind in der Familie, inzwischen allein<br />
eine "2 2/2-Z<strong>im</strong>merwohnung" mit einer Wohnfläche von knapp 75 qm, für die er in der hier<br />
maßgebenden Zeit eine Bruttowarmmiete von 515,87 Euro monatlich zu zahlen hatte. Im April<br />
2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Kosten der Unterkunft seien nicht angemessen. Im<br />
Oktober 2006 machte geltend, ein Umzug komme für ihn nicht in Betracht; zum einen bewohne er<br />
die Wohnung bereits seit dem Jahr 1959; zum anderen bewahre er in ihr ein umfassendes Archiv<br />
insbesondere zu den Themen Sport, Ministerium für Staatssicherheit <strong>und</strong> Fußball auf, in denen er<br />
als wissenschaftlicher Experte international anerkannt sei. Bei einem Umzug in eine kleinere<br />
Wohnung müsse er sich von diesen Beständen trennen, womit ihm eine weitere wissenschaftliche<br />
Tätigkeit <strong>und</strong> für das Jahr 2007 geplante Buchveröffentlichung verwehrt wären, hierauf würden<br />
aber seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt beruhen.<br />
Auf die Revision des Klägers wurde das vorinstanzliche Urteil aufgehoben <strong>und</strong> der Rechtsstreit zur<br />
erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.<br />
Dem erkennenden Senat war eine Sachentscheidung schon deshalb verwehrt, weil das LSG die<br />
abstrakt angemessenen Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> für Heizung nicht zutreffend ermittelt hat.<br />
Das LSG wird zunächst die tatsächlichen Kosten der Unterkunft getrennt von den Kosten der<br />
Heizung festzustellen haben. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG zur Best<strong>im</strong>mung eines<br />
angemessenen Quadratmeterpreises auf den Berliner Mietspiegel zurückgegriffen. Bezüglich der<br />
von ihm zugr<strong>und</strong>e gelegten Baualtersklasse von 1965 bis 1972 mit einem einfachen<br />
Ausstattungsstandard <strong>und</strong> einer Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm bedarf es jedoch der<br />
Feststellung, dass derartige Wohnungen statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so<br />
häufig vorhanden sind, dass allein auf diese Baualtersklasse zurückgegriffen werden kann. Sollte<br />
nicht auf eine Baualtersklasse zurückgegriffen werden können, bietet es sich an, einen gewichteten<br />
arithmetischen Wert nach Verteilung der in der Gr<strong>und</strong>gesamtheit abgebildeten Wohnungen in den<br />
jeweiligen Baualtersklassen zu bilden (vgl dazu BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R).
69<br />
Im Übrigen lassen die vom Kläger geltend gemachten Gründe nicht erkennen, warum er über<br />
denabgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> hinaus einen höheren<br />
Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft als die angemessenen haben sollte.<br />
(2) B 14 AS 85/09 R - 1. B., 2. B.-J. ./. Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Der Rechtsstreit wird um die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung (KdU)<br />
für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008 geführt.<br />
Die 1965 geborene, alleinerziehende Klägerin <strong>und</strong> ihre 2005 geborene Tochter beziehen von dem<br />
beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträger seit 2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie bewohnen eine 91 qm große Zweiz<strong>im</strong>merwohnung in<br />
Berlin-Friedrichshain. Für diese Wohnung war <strong>im</strong> streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete<br />
in Höhe von 620 Euro zu zahlen. Bis einschließlich März 2007 gewährte der Beklagte Leistungen<br />
für die KdU in dieser Höhe. Im Juni 2006 hatte er den Klägerinnen mitgeteilt, die KdU seien nicht<br />
angemessen; für Zweipersonenhaushalte gelte insoweit ein Richtwert von 444 Euro. Die Klägerin<br />
zu 1. machte demgegenüber geltend, in ihrer Wohnumgebung habe sie ein Netzwerk an Bezugs<strong>und</strong><br />
Betreuungspersonen für ihre Tochter aufgebaut, das ihr ermögliche, ihre bisherige berufliche<br />
Tätigkeit wieder aufzunehmen. Für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2008 bewilligte der<br />
Beklagte Leistungen für die KdU in Höhe von 444 Euro. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den<br />
Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.<br />
Auch in dieser Sache wurde das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben, weil auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann, ob die Klägerin höhere<br />
Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> beanspruchen kann, als der<br />
Beklagte bewilligt hat.<br />
Bei der Best<strong>im</strong>mung der angemessenen KdU ist das LSG allerdings zutreffend davon ausgegangen,<br />
dass das gesamte Stadtgebiet von Berlin den maßgeblichen Vergleichsraum bildet. Es ist zudem<br />
nicht zu erkennen, dass dem LSG bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Senkung der<br />
Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung, etwa durch einen Wohnungswechsel, auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage der hierzu ergangenen <strong>Rechtsprechung</strong> Rechtsfehler unterlaufen sind.
70<br />
(3) B 14 AS 106/10 R - S. ./. Jobcenter Freiburg Stadt<br />
Auch in dieser Sache streiten die Beteiligten um die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft<br />
<strong>und</strong> Heizung (KdU); hier für die Zeit vom 1.7.2008 bis zum 31.3.2009.<br />
Die <strong>im</strong> Jahr 1950 geborene Klägerin ist seit 2002 ohne Beschäftigung <strong>und</strong> bezieht nach<br />
Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Arbeitslosenhilfe seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld <strong>II</strong>. Sie bewohnt seit dem<br />
Jahr 1985 eine 76,83 qm große Drei-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung in einem zwischen 1961 <strong>und</strong> 1977<br />
hergestellten Mehrfamilienhaus in Freiburg. Für die Wohnung bezahlt sie seit dem 1.11.2007<br />
monatlich 497 Euro Kaltmiete, eine Heizkosten- <strong>und</strong> Warmwasserpauschale von 37,50 Euro sowie<br />
weitere Betriebskosten. Der für die Stadt Freiburg erstellte qualifizierte Mietspiegel 2007 weist für<br />
die Zeit ab 1.3.2007 für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen "Basismietpreis" von<br />
7,51 Euro je qm aus, der Mietspiegel 2009 von 7,87 Euro je qm. Für best<strong>im</strong>mte<br />
Ausstattungsvarianten erfolgen prozentuale Zu- <strong>und</strong> Abschläge von diesem Basismietpreis. Der<br />
Beklagte berücksichtigte zunächst die vollen KdU; <strong>im</strong> August 2005 teilte er der Klägerin mit, ihre<br />
KdU seien unangemessen hoch. Angemessen seien max<strong>im</strong>al 5,62 Euro je qm, für 45 qm also<br />
insgesamt 252,90 Euro. Nachdem die Beteiligten <strong>im</strong> Juli 2007 zur Senkung der unangemessenen<br />
Miete eine Vereinbarung geschlossen hatten, in der sich die Klägerin bereit erklärte, ab Oktober<br />
2007 die überhöhten Kosten als Eigenanteil zu übernehmen, erhob sie gegen den Leistungsbescheid<br />
des Beklagten für die Zeit vom 1.4. bis 30.9.2008, mit dem dieser nur noch KdU in Höhe von<br />
439,64 Euro (Kaltmiete: 290,70 Euro plus Nebenkosten 117,97 Euro plus Kosten der Heizung 30,97<br />
Euro) berücksichtigte Klage. .<br />
Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die Sache an das LSG<br />
zurückverwiesen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG konnte nicht abschließend beurteilt<br />
werden, ob <strong>im</strong> örtlichen Vergleichsraum Stadt Freiburg eine Wohnung mit einfachem<br />
Wohnungsstandard <strong>und</strong> bis zu 45 qm Wohnfläche ausgehend von den vom LSG seiner<br />
Entscheidung zugr<strong>und</strong>e gelegten abstrakt ermittelten, angemessenen Leistungen für die Unterkunft<br />
für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2008 in Höhe von 405,07 Euro monatlich (ausgehend von einer<br />
Kaltmiete von 6,38 Euro pro qm plus Betriebskosten) <strong>und</strong> für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.3.2009<br />
in Höhe von 419,02 Euro monatlich (Kaltmiete von 6,69 Euro pro qm plus Betriebskosten)<br />
tatsächlich hätte angemietet werden können. Wenn der Best<strong>im</strong>mung des angemessenen<br />
Quadratmeterpreises für die Kaltmiete ein qualifizierter Mietspiegel zugr<strong>und</strong>e liegt <strong>und</strong> diesem
71<br />
Aussagen zur Häufigkeit entsprechender Wohnungen entnommen werden können, kann davon<br />
ausgegangen werden, dass es derartige Wohnungen in ausreichendem Maße gibt. Vorliegend hat das<br />
LSG jedoch keine Feststellungen zur Häufigkeit von Wohnungen von 45 qm Größe <strong>und</strong> einer<br />
Kaltmiete von 6,38 Euro bzw. 6,69 Euro pro qm plus Betriebskosten in der strittigen Zeit getroffen.<br />
Rechtsfehler waren dagegen nicht zu erkennen, soweit das LSG keine Gründe gesehen hat, die die<br />
Klägerin daran hindern, eine Kostensenkung durch Umzug, Untervermietung oder auf andere Weise<br />
vorzunehmen. Der Klägerin ist insbesondere ein Umzug <strong>im</strong> gesamten Stadtgebiet von Freiburg<br />
zumutbar.<br />
f) UMZÜGE<br />
aa) BSG v 1.6.2010 – B 4 AS 60/09 R Angemessenheit trotz Umzugs<br />
Streitig ist, ob der Kläger nach seinem Umzug von Bayern nach Berlin Anspruch auf Leistungen für<br />
Unterkunft <strong>und</strong> Heizung nur in der bisher in Bayern als angemessen anerkannten Höhe oder der<br />
höheren angemessenen Aufwendungen in Berlin hat. Der Beklagte hat unter Anwendung des § 22<br />
Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, weil der Umzug des Klägers weder zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt,<br />
noch aus sozialen Gründen erforderlich gewesen sei, die KdU-Leistungen der Höhe nach auf die<br />
bisher in Bayern gewährten begrenzt.<br />
Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> den Beklagten verurteilt, die Aufwendungen des<br />
Klägers für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in Berlin zu übernehmen, also dem Kläger weitere 100,28 Euro<br />
monatlich <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.2. bis 30.6.2008 zu zahlen.<br />
Die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in Berlin sind unstreitig angemessen iS<br />
des § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass die Leistung<br />
auf die tatsächlichen angemessenen Aufwendungen des Klägers <strong>im</strong> Bezirk der ARGE Erlangen-<br />
Höchstadt nach § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu begrenzen sei. § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> findet auf<br />
Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums iS der<br />
<strong>Rechtsprechung</strong> des BSG (s BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R) hinaus vorgenommen<br />
wird, von vornherein keine Anwendung. Bereits in der Gesetzesbegründung zu § 22 Abs 1 Satz 2<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wird auf die kommunalen Angemessenheitsgrenzen abgestellt. Diese sind jedoch<br />
ausschließlich <strong>im</strong> Vergleichsraum zu ermitteln. Eine Beschränkung der Wirkung des § 22 Abs 1
72<br />
Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf den Vergleichsraum entspricht auch der systematischen Stellung der Norm<br />
innerhalb des § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die Vorschrift steht <strong>im</strong> Zusammenhang mit den Sätzen 1 <strong>und</strong> 3<br />
des Abs 1. Die Höhe der angemessenen Unterkunfts- <strong>und</strong> Heizkosten nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> wird <strong>im</strong> Vergleichsraum <strong>im</strong> Rahmen der "abstrakten Angemessenheitsprüfung", also <strong>im</strong><br />
"kommunalen Bereich" ermittelt. Die Verpflichtung zur Kostensenkung bei nicht angemessenen<br />
Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> besteht nur innerhalb des Vergleichsraums. Einen<br />
Gr<strong>und</strong> § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aus diesem systematischen Zusammenhang herauszulösen ist nicht<br />
ersichtlich. Auch nach ihrem Sinn <strong>und</strong> Zweck entfaltet die Vorschrift nur für Umzüge <strong>im</strong><br />
Vergleichsraum Wirkung. Die dargelegte Reduktion des Anwendungsbereichs des § 22 Abs 1 Satz 2<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist zudem auch verfassungsrechtlich unter Berücksichtigung des allgemeinen<br />
Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG iVm der durch Art 11 Abs 1 GG gewährleisteten<br />
Freizügigkeit geboten.<br />
bb)<br />
Umzugskosten - BSG v 6.5.2010 – B 14 AS 07/09 R<br />
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Beklagte Umzugskosten des Klägers zu<br />
übernehmen hat. Der 1942 geborene Kläger bezog bis Ende Dezember 2004 Sozialhilfeleistungen<br />
von der Stadt Benshe<strong>im</strong>. Im November 2004 beantragte er bei dem beklagten<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach<br />
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Beklagte forderte ihn auf, die Kosten der Unterkunft (KdU) zu senken. Die KdU<br />
würden in bisheriger Höhe nur noch bis Ende Januar 2005 übernommen. Ende Dezember 2004<br />
teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er zum 1.2.2005 eine kostengünstigere Wohnung in<br />
Wolfenbüttel gef<strong>und</strong>en habe. Unter Hinweis auf einen Kostenvoranschlag eines<br />
Umzugsunternehmens über 3.645,07 Euro, dem eine Entfernung zwischen der Be- <strong>und</strong> Entladestelle<br />
von 405 km zugr<strong>und</strong>e lag, meldete er seine Umzugspläne bei dem Beklagten an <strong>und</strong> bat um<br />
Bewilligung bis 20.1.2005, weil er dann den Auftrag an die Umzugsfirma vergeben müsse.<br />
Nachdem die Beklagte innerhalb der Frist nicht reagierte, führte der Kläger den Umzug am<br />
26.1.2005 durch <strong>und</strong> beantragte am 28.1.2005 be<strong>im</strong> Beklagten unter Vorlage der Rechnung eines<br />
Umzugsunternehmens über 3.705,10 Euro die Übernahme der Umzugskosten. Der Beklagte lehnte<br />
den Antrag ab; zur Begründung machte er vor allem geltend, es fehle an einer vorherigen<br />
Zust<strong>im</strong>mung zu den Umzugskosten.<br />
Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden aufgehoben. Der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger wurde unter<br />
Aufhebung seines Bescheides zur Neubescheidung verurteilt. Der Beklagte hätte über den Antrag<br />
des Klägers, der die Erstattung von Umzugskosten für ein professionelles Umzugsunternehmen
73<br />
geltend gemacht hat, gemäß § 22 Abs 3 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eine Ermessensentscheidung zu treffen<br />
gehabt. Bei der noch ausstehenden Ermessensentscheidung wird der Beklagte zu beachten haben,<br />
dass dem Kläger zumindest die von den Vorinstanzen zugesprochenen 951,20 Euro zu gewähren<br />
sind, weil er selbst gegen diese Verurteilung keine Rechtsmittel eingelegt hat.<br />
Die Umzugskosten gemäß § 22 Abs 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> stellen einen abtrennbaren Streitgegenstand dar, über<br />
den isoliert entschieden werden kann. Der Anspruch des Klägers scheitert auch nicht daran, dass er<br />
vor dem Umzug keine Zusicherung des örtlich zuständigen kommunalen Trägers erhalten hatte. Die<br />
vorherige Zusicherung war hier ausnahmsweise nicht erforderlich, weil der Träger die Entscheidung<br />
in treuwidriger Weise verzögert hat. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Beklagte den<br />
Kläger unter Druck gesetzt hat, bereits zum 1.2.2005 die Kosten seiner bisherigen Unterkunft in<br />
erheblichem Umfang zu senken, obwohl hierfür eine Rechtsgr<strong>und</strong>lage nicht zu erkennen ist.<br />
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Übernahme der von ihm konkret veranlassten<br />
Kosten (gemäß § 22 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>), weil der Umzug vom Beklagten weder genehmigt<br />
worden ist, noch überhaupt genehmigungsfähig war. Der Umzug wäre nur dann genehmigungsfähig<br />
gewesen, wenn er zur Verminderung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft oder zur<br />
Eingliederung in Arbeit geboten gewesen wäre. Ohne die Regelung des § 22 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
wären die Kosten eines veranlassten Umzugs wie Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 Satz 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu behandeln, also nur bis zur Höhe der Angemessenheit zu übernehmen. Der Umzug war<br />
hier aber deshalb nicht veranlasst iS des § 22 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, weil keine Gründe festgestellt<br />
sind, die einen Umzug nach Braunschweig über eine Distanz von 400 km (<strong>und</strong> damit außerhalb des<br />
räumlichen Vergleichsraums gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) rechtfertigen.<br />
Folglich kam nur eine Kostenerstattung für einen sonstigen Umzug gemäß § 22 Abs 3 Satz 1 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> in Betracht. Die Entscheidung über das Ob <strong>und</strong> das Wie eines solchen Umzugs steht <strong>im</strong> Ermessen<br />
des Trägers, wobei als Ermessensgesichtspunkte auch die Überlegungen heranzuziehen sind, die bei<br />
der Prüfung der "Angemessenheit" der Umzugskosten eines genehmigungsfähigen Umzugs gemäß<br />
§ 22 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> maßgebend wären. Insbesondere besteht<br />
bei Umzügen <strong>im</strong> Regelungsbereich des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eine Obliegenheit, die Kosten eines Umzugs<br />
möglichst gering zu halten. Dieser ist daher <strong>im</strong> Regelfall selbstorganisiert durchzuführen unter<br />
Hinzuziehung von Hilfs-kräften <strong>und</strong> Mietwagen. Lediglich in Ausnahmefällen (Alter, Behinderung,<br />
Vorhandensein von Kleinkindern etc.) kommt die Übernahme der Kosten eines professionellen
74<br />
Umzugsunternehmens in Betracht.<br />
cc) BSG v 30.8.2010 – B 4 AS 10/10 R (Umzug <strong>und</strong> Hilfebedürftigkeit)<br />
Im Streit steht die Höhe der Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.10.2007 bis<br />
30.4.2008.<br />
Die <strong>im</strong> Jahre 1980 geborene Klägerin, die bis Januar 2006 eine Ausbildung zur Köchin durchlief<br />
<strong>und</strong> während dieser Zeit in einer ca 26 qm großen Einz<strong>im</strong>merwohnung in Dranske auf Rügen<br />
wohnte, bezog anschließend Arbeitslosengeld (Alg) <strong>und</strong> daneben bzw <strong>im</strong> Anschluss Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Wegen einer befristeten Beschäftigung als<br />
Köchin vom 1.5.2007 bis 30.9.2007 in Altenkirchen/Rügen hob die Beklagte die laufende<br />
Bewilligung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mit Wirkung zum 1.6.2007 zunächst auf, bewilligte<br />
wegen einer Verringerung des Arbeitsentgelts jedoch ab Juli 2007 erneut Leistungen für Unterkunft<br />
<strong>und</strong> Heizung. In der Zeit fehlender Hilfebedürftigkeit hatte die Klägerin am 29.6.2007 mit Wirkung<br />
zum 1.10.2007 einen Mietvertrag über eine Zweiz<strong>im</strong>merwohnung mit einer Wohnfläche von ca 40<br />
qm <strong>und</strong> einer (höheren) Warmmiete von 326 Euro abgeschlossen. Sie zog am 21.9.2007 um.<br />
Nach Beendigung der Beschäftigung bewilligte die Beklagte ab 1.10.2007 erneut Alg <strong>II</strong>. Nach<br />
Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> erhielt die Klägerin Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung in Höhe der Kosten für die ehemalige Wohnung in Dranske/Rügen (176,54 Euro<br />
monatlich). Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.10.2007 bis<br />
30.4.2008 weitere Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlichen<br />
Kosten in Höhe von 326 Euro monatlich zu bewilligen.<br />
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht<br />
verurteilt, <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.10.2007 bis 30.4.2008 die höheren Aufwendungen für die neu<br />
angemietete Wohnung der Klägerin in Altenkirchen/Rügen als Leistung für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
zu erbringen. Nach § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> werden zwar Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
nach einem nicht erforderlichen Umzug weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden<br />
Aufwendungen erbracht. Diese Vorschrift ist jedoch nicht anwendbar, wenn <strong>im</strong> Zeitpunkt des<br />
Abschlusses des Mietvertrags oder alternativ des Umzugs keine Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1<br />
Satz 1 Nr 3, 9 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gegeben ist.
75<br />
Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf § 22 Abs 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bestätigt. § 22 Abs 2 Satz 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gilt nur für "Hilfebedürftige" <strong>und</strong> stellt auf den Zeitpunkt vor dem Abschluss des<br />
Mietvertrags ab, denn der Hilfebedürftige soll nicht das Risiko tragen müssen, die über seine<br />
bisherigen Kosten hinausgehenden Mietzahlungen für die neue Wohnung aus der Regelleistung<br />
zahlen zu müssen, weil der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger <strong>im</strong> nachhinein auf die Best<strong>im</strong>mung des § 22 Abs<br />
1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> verweist. Dieses Ineinandergreifen der Vorschriften wäre jedoch nicht mehr<br />
gewährleistet, würde nicht auch die Anwendbarkeit des § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> davon abhängig<br />
gemacht, dass <strong>im</strong> Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Hilfebedürftigkeit vorlag. Auch der<br />
systematische Zusammenhang zwischen § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
spricht für die Anwendbarkeit der Begrenzungsregelung nur in Fallgestaltungen, in denen<br />
Hilfebedürftigkeit <strong>im</strong> Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags gegeben war. § 22 Abs 1 Satz 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> enthält einen differenzierten Bestandsschutz, der befristet die Übernahme der tatsächlichen<br />
unangemessenen Unterkunftskosten gewährleistet. Voraussetzung ist - mit Ausnahme des Falles der<br />
"Bösgläubigkeit" vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit (Stichwort: Anmietung einer Luxuswohnung) -<br />
eine Kostensenkungsaufforderung durch den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger. Einen "geringeren<br />
Bestandsschutz" braucht ein zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags Nichthilfebedürftiger<br />
nicht hinzunehmen. Dabei ist es ausreichend, wenn der Mietvertrag in einem Monat geschlossen<br />
wird, in dem die Hilfebedürftigkeit <strong>im</strong> laufenden Leistungsbezug für einen Monat - wie hier - durch<br />
eigenes Erwerbseinkommen überw<strong>und</strong>en worden ist.<br />
g) BSG v 1.6.2010 – B 4 AS 78/09 R Kostensenkungsaufforderung<br />
Die Klägerin zu 1) sowie ihre 1990 <strong>und</strong> 1991 geborenen Söhne (Kläger zu 2 <strong>und</strong> 3) beziehen seit<br />
1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie wohnen in einer ca<br />
94 qm großen Drei-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung. Die monatliche Kaltmiete betrug 427,50 Euro zzgl<br />
Nebenkosten iHv 88,71 Euro. Weiter leisteten die Kläger monatlich einen Betrag iHv 28,09 Euro an<br />
den Wasserverband für Trinkwasser/Schmutzwasser <strong>und</strong> Abschläge für die Heizung iHv 81 Euro.<br />
Die Beklagte übernahm zunächst die Aufwendungen der Kläger für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in<br />
tatsächlicher Höhe von 625,30 Euro. Mit Bewilligungsbescheid vom 4.7.2005 wies sie die Kläger<br />
darauf hin, dass die Unterkunfts- <strong>und</strong> Heizkosten unangemessen seien <strong>und</strong> längstens bis zum<br />
30.6.2006 übernommen werden könnten. In der Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 bewilligte die<br />
Beklagte nur noch monatliche Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in Höhe von 502,50 Euro. Den<br />
Antrag der Kläger auf Überprüfung <strong>und</strong> Rücknahme dieser Bewilligung lehnte die Beklagte
76<br />
weitgehend ab.<br />
Der Senat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Der Bescheid vom 6.7.2006, mit dem<br />
die Beklagte für den Zeitraum vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 als Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ua Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in nur<br />
reduzierter Höhe bewilligt hatte, war rechtswidrig iS des § 40 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 44 Abs 1<br />
<strong>SGB</strong> X. Die Kläger hatten <strong>im</strong> streitigen Zeitraum Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für<br />
Unterkunft <strong>und</strong> Heizung in tatsächlicher Höhe. Die Absenkung der Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung setzt voraus, dass die Hilfebedürftigen zur Kostensenkung verpflichtet sind. Eine derartige<br />
Obliegenheit zur Kostensenkung trifft die Kläger hier nicht, weil der entsprechende Hinweis der<br />
Beklagten in dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid keine Angaben der Beklagten zu dem<br />
von ihr als angemessen angesehenen Mietpreis enthielt.<br />
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 40 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 44 <strong>SGB</strong> X für eine Rücknahme<br />
des Bewilligungsbescheids <strong>und</strong> rückwirkende Leistungserbringung liegen vor. Neben der<br />
Bezugnahme des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf die hier nicht einschlägige<br />
arbeitsförderungsrechtliche Sonderregelung des § 330 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I existieren <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> keine<br />
Besonderheiten, die eine nur eingeschränkte Anwendbarkeit des <strong>SGB</strong> X bei der Rücknahme des<br />
hier vorliegenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung rechtfertigen könnten. Anders als<br />
Sozialhilfeleistungen werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
nur auf Antrag erbracht. Die Bewilligung für einen Zeitraum von regelmäßig sechs Monaten<br />
verdeutlicht, dass nicht nur hinsichtlich der pauschalierten Regelleistung, sondern auch bezogen auf<br />
die Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung eine Bedarfsdeckung nicht nur wegen eines gegenwärtigen,<br />
sondern auch wegen eines prognostischen zukünftigen Hilfebedarfs <strong>im</strong> Wege der Bewilligung einer<br />
Dauerleistung stattfindet.<br />
h) BSG v 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R Eigentum <strong>und</strong> Miete<br />
Die Klägerin bezieht Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende. Sie bewohnt nach dem<br />
Tod ihres 2006 verstorbenen Ehemannes alleine eine 60,42 qm große 3-Z<strong>im</strong>mer-<br />
Eigentumswohnung <strong>im</strong> sächsischen Wintersportort Oberwiesenthal. Der beklagte<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger berücksichtigte die bisherigen Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung noch bis<br />
April 2007 <strong>und</strong> kürzte diese ab Mai 2007 ausgehend von einer seiner Ansicht nach für eine Person
77<br />
angemessenen Wohnungsgröße (45 qm) auf monatlich 216 Euro zuzüglich Heizkosten von 1,07<br />
Euro/Quadratmeter (= 264,20 Euro). Das SG hat die auf Zahlung von KdU in bisheriger Höhe<br />
(453,20 Euro) gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin<br />
zurückgewiesen <strong>und</strong> zur Begründung ausgeführt, die vorgenommene Kürzung sei nicht zu<br />
beanstanden. Ungeachtet der Frage, welche Unterkunftskosten tatsächlich angefallen seien,<br />
überstiegen jedenfalls die von der Klägerin geltend gemachten Kosten von 354,20 Euro das Maß<br />
des Angemessenen. Angemessen seien nach den vorliegend heranzuziehenden sächsischen<br />
Verwaltungsvorschriften Wohnungen von bis zu 45 qm Größe oder mit 11/2 Wohnräumen, obgleich<br />
diese Vorschriften <strong>im</strong> Leistungszeitraum nicht mehr gegolten hätten, sondern durch neuere<br />
Vorschriftschriften ersetzt worden seien. Die Beklagte habe als angemessene Heizkosten auch 1,07<br />
Euro pro Quadratmeter <strong>und</strong> damit 48,20 Euro monatlich in Ansatz bringen dürfen. Ob der pauschale<br />
Ansatz zulässig sei, könne dahingestellt bleiben, den jedenfalls habe die Klägerin in einer zu großen<br />
Wohnung gelebt. Der Vergleich mit den ihr tatsächlich entstandenen Heizkosten mache <strong>im</strong> Übrigen<br />
deutlich, dass die pauschalierten Sätze die konkrete Heizsituation angemessen abbildeten.<br />
Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong><br />
Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, das zunächst prüfen muss, ob die Klägerin die<br />
Voraussetzungen des § 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> erfüllt. Auf diese Prüfung konnte nicht schon deshalb verzichtet<br />
werden, weil das LSG der Meinung war, die Klägerin habe jedenfalls keine höheren als die ihr<br />
zugestandenen Ansprüche auf Kosten der Unterkunft.<br />
Die bisherigen Tatsachenfeststellungen lassen es auch nicht zu, zu beurteilen, in welcher Höhe der<br />
Klägerin Leistungen nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zustehen. Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung werden in<br />
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Da die Frage der<br />
Angemessenheit für Mieter <strong>und</strong> Eigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten ist, ist<br />
auch bei Eigentümern <strong>im</strong> Rahmen der Produkttheorie für die Wohnungsgröße aus Gründen der<br />
Rechtssicherheit <strong>und</strong> Praktikabilität bis auf Weiteres auf die für Wohnberechtigte <strong>im</strong> sozialen<br />
Mietwohnungsbau geltende Werte abzustellen. Erfolgt dieser Rückgriff auf landesrechtliche<br />
Größen, verbietet es sich, auf nicht mehr aktuell geltende Werte abzustellen, die <strong>im</strong> Zeitraum vor<br />
dem Inkrafttreten des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zur Anwendung gekommen waren. Eine Heranziehung anderweitiger<br />
als der <strong>im</strong> Leistungszeitraum geltenden Verwaltungsregelungen zur Best<strong>im</strong>mung der Wohnflächen<br />
erscheint nur dann vertretbar, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht<br />
existieren.
78<br />
Der Senat konnte auch nicht beurteilen, ob die Beklagte zur Ermittlung der Referenzmiete auf den<br />
maßgeblichen räumlichen Vergleichsmaßstab abgestellt hat. Ebenso wenig geht aus den bisherigen<br />
Feststellungen hervor, welcher Mietpreis für eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf<br />
dem so ermittelten Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Streiten die Beteiligten über die<br />
Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, hat das Gericht die von der Beklagten<br />
festgelegten Werte auf der Gr<strong>und</strong>lage der angesprochenen Prüfungsschritte zumindest selbständig<br />
nachzuvollziehen. Eine solche Schlüssigkeitsprüfung lässt das LSG-Urteil nicht erkennen.<br />
Nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sind die Heizkosten gr<strong>und</strong>sätzlich in Höhe der tatsächlichen<br />
Aufwendungen zu erstatten. Die Beklagte hat die Heizungskosten hingegen auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />
Wohnungsgröße pauschaliert. Für eine generelle Pauschalierung der Heizkosten fehlt es jedoch<br />
mangels einer entsprechenden Verordnung nach § 27 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bislang an einer rechtlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lage. Heizkosten sind in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen lediglich dann nicht<br />
erstattungsfähig, wenn sie bei sachgerechter <strong>und</strong> wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht<br />
erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete Prüfung <strong>im</strong> Einzelfall voraus. Das Überschreiten<br />
der oberen Grenzwerte eines lokalen bzw, soweit ein solcher nicht existiert, des b<strong>und</strong>esweiten<br />
Heizspiegels kann insoweit lediglich als Indiz für die fehlende Erforderlichkeit angesehen werden.<br />
Bei der in jedem Fall durchzuführenden konkreten Prüfung müssen ggfs auch die individuellen<br />
Gegebenheiten - wie zB die kl<strong>im</strong>atischen Bedingungen des Wohnortes - mit einbezogen werden.<br />
BSG v. 22.8.2012 – B 14 AS 1/12 R – Tilgungsraten<br />
Die Vorinstanzen haben allerdings zu Recht einen Anspruch der Kläger auf Übernahme der<br />
monatlichen Tilgungsleistungen verneint. Tilgungsraten für eine Immobilie gehören <strong>im</strong><br />
Gr<strong>und</strong>satz schon nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung.<br />
Ausnahmen von diesem Gr<strong>und</strong>satz sind <strong>im</strong> Hinblick auf den <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausgeprägten Schutz<br />
des Gr<strong>und</strong>bedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Fällen angezeigt, für deren Vorliegen hier<br />
kein Anhalt besteht. Tilgungsaufwendungen werden auch nicht dadurch zu<br />
berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft, dass sie vom Nutzer der Wohn<strong>im</strong>mobilie<br />
dem Kreditgeber gegenüber als Gesamtschuldner geschuldet werden <strong>und</strong> der andere<br />
Schuldner, der die Wohn<strong>im</strong>mobilie selbst nicht nutzt, keine Zahlungen leistet. Auch die<br />
vorliegend getroffenen Ausgleichsvereinbarungen unter den geschiedenen Ehegatten ändern daran
79<br />
nichts.<br />
BSG v. 23.8.2012 – B 4 AS 32/12 R – Modernisierungszuschlag wird übernommen<br />
In den Verhältnissen, die bei Erlass der Bewilligungsbescheide für den hier streitigen<br />
Zeitraum vorlagen, ist eine wesentliche Änderung eingetreten, weil die Klägerinnen<br />
infolge des ab 1.9.2008 zu zahlenden Modernisierungszuschlags die Übernahme<br />
von erhöhten tatsächlichen Mietkosten nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> durch den<br />
Beklagten beanspruchen können. Eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelung des<br />
§ 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zum Nachteil der Klägerinnen ist nicht möglich, weil eine<br />
planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt. Nach dem systematischen Zusammenhang des<br />
§ 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mit § 22 Abs 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aF ist nur bei einer Mieterhöhung<br />
durch Umzug eine Vorabklärung durch den Leistungsberechtigten <strong>und</strong><br />
entsprechende Zusicherungsverpflichtung des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Trägers gesetzlich<br />
vorgesehen. Insofern kann auch die weitreichende Konsequenz des von den<br />
Vorinstanzen hier analog herangezogenen § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mit einer<br />
Kostenbegrenzung auf die bisherigen Unterkunftskosten ohne jeglichen<br />
(befristeten) Bestandschutz nur bei einem nicht genehmigten Umzug mit erhöhten<br />
Mietkosten greifen. Auch den Gesetzesmaterialien kann nicht entnommen werden, dass<br />
von dem Gr<strong>und</strong>satz der Übernahme der mietvertraglich vereinbarten tatsächlichen Kosten<br />
innerhalb der kommunalen Angemessenheitsgrenzen bereits bei (einvernehmlichen)<br />
Mieterhöhungen aus sonstigen Gründen abgewichen werden sollte. Werden die<br />
angemessenen Unterkunftskosten durch die Modernisierung überschritten, verbleibt es bei<br />
dem flexibleren, Zumutbarkeitserwägungen berücksichtigenden Kostensenkungsverfahren<br />
des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, das hier jedoch nicht eingeleitet wurde.<br />
k) Übernahme von Einzugsrenovierungen BSG v 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - L. ./. ARGE<br />
Duisburg<br />
Die 1951 geborene, alleinstehende Klägerin bewohnte zu Beginn des Bezuges von Leistungen zur<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende <strong>im</strong> Januar 2005 eine 87 m2 große Mietwohnung in Duisburg.<br />
Die Kosten hierfür beliefen sich auf 575,81 Euro (420,36 Euro Nettokaltmiete, 97,62 Euro<br />
Nebenkosten <strong>und</strong> 57,83 Euro Heizkostenvorschuss). Die beklagte ARGE (Gr<strong>und</strong>sicherungsträger)<br />
forderte sie auf, entweder die Kosten dieser Wohnung zu senken oder sich um eine angemessene
80<br />
Wohnung zu bemühen. Angemessen sei eine Wohnung mit einem Mietzins von 257,85 Euro. Die<br />
Klägerin legte der Beklagten daraufhin ein Wohnungsangebot über eine 54 m2 große Mietwohnung<br />
zu einem Mietzins von 307,04 Euro (Nettokaltmiete <strong>und</strong> Nebenkosten) vor. Die Beklagte lehnte die<br />
Abgabe einer Zusicherungserklärung wegen der Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für<br />
diese Unterkunft ab, weil auch dieser Mietzins r<strong>und</strong> 50 Euro höher sei als der angemessene. Die<br />
Klägerin kündigte das bisherige Mietverhältnis gleichwohl zum 30.9.2005 <strong>und</strong> schloss einen neuen<br />
Mietvertrag für diese Wohnung ab. Anschließend machte sie ua Kosten für eine Einzugsrenovierung<br />
geltend. Die Beklagte lehnte dies ab, weil der Bedarf für die Renovierung einer Wohnung durch die<br />
Regelleistung nach § 20 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gedeckt sei. Handele es sich um einen unabweisbaren<br />
Bedarf, der nicht auf andere Weise gedeckt werden könne, sei die Leistung ggf als Sachleistung<br />
oder Darlehen nach § 23 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu erbringen. Die Klägerin sei in der Lage, die beantragten<br />
Leistungen für Renovierung aus eigenen Kräften <strong>und</strong> Mitteln von der Regelleistung - nach <strong>und</strong> nach<br />
- zu tragen. Mietwohnungen würden zudem regelmäßig in renoviertem Zustand übergeben. Weder<br />
Mietvertrag, noch Übernahmeprotokoll sei ein Hinweis auf das Gegenteil zu entnehmen. Es sei<br />
lediglich vermerkt, dass einige Bodenfliesen beschädigt <strong>und</strong> teilweise lose gewesen seien. Ferner<br />
sei ein Riss in einer Fensterbank bemängelt worden.<br />
Der Senat hat die Revision des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers zurückgewiesen.<br />
Das SG hat <strong>im</strong> Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme<br />
der Einzugsrenovierungskosten durch die Beklagte in Höhe von 300 Euro hat. Allerdings ist<br />
Anspruchsgr<strong>und</strong>lage für das Begehren der Klägerin <strong>im</strong> Gegensatz zur Auffassung des SG nicht § 22<br />
Abs 3 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Bei den Einzugsrenovierungskosten handelt es sich nicht um<br />
Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten <strong>im</strong> Sinne dieser Vorschrift. Kosten der<br />
Einzugsrenovierung sind auch nicht durch die Regelleistung nach § 20 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> abgedeckt. Die<br />
Instandsetzung einer Unterkunft zum "Wohnen" oder die Herstellung der "Bewohnbarkeit" kann<br />
nicht dem Lebensunterhalt iS des § 20 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zugeordnet werden. Weil die<br />
Einzugsrenovierung kein von der Regelleistung umfasster Bedarf ist, ist hierfür <strong>im</strong> Regelfall auch<br />
kein Darlehen iS des § 23 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu gewähren. Ebenso wenig kommt § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> als Anspruchsgr<strong>und</strong>lage in Betracht, denn die Einzugsrenovierung ist keine Erstausstattung<br />
<strong>im</strong> Sinne dieser Vorschrift.<br />
Aufwendungen für Einzugsrenovierung können aber Bestandteil der Kosten der Unterkunft nach §
81<br />
22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sein. Ist die Einzugsrenovierung mietvertraglich vereinbart, handelt sich um<br />
Nebenkosten, die vom kommunalen Träger in tatsächlicher Höhe, begrenzt durch das Maß der<br />
Angemessenheit zu übernehmen sind. Im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> können jedoch<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich auch weitere einmalige Leistungen erbracht werden, soweit die Aufwendungen<br />
angemessen sind. Angemessen sind die Kosten der Einzugsrenovierung dann, wenn die<br />
Maßnahme/Renovierung erforderlich ist, um die Bewohnbarkeit der Wohnung herzustellen,<br />
die Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen <strong>im</strong> unteren<br />
Wohnsegment in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen <strong>und</strong> soweit sie zur<br />
Herstellung des Standards einer Wohnung <strong>im</strong> unteren Wohnsegment erforderlich sind.<br />
l) Angemessene Wohnung <strong>und</strong> unangemessene Heizkosten? B 14 AS 36/08 R v 2.7.2009<br />
Die Kläger, ein 1970 <strong>und</strong> 1973 geborenes Ehepaar <strong>und</strong> ihre 1992 <strong>und</strong> 1997 geborenen Kinder,<br />
begehren höhere Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.4.2006;<br />
sie wenden sich insbesondere dagegen, dass der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger Heizkosten nur in<br />
pauschalierter Form <strong>und</strong> für eine geringere Wohnfläche als die von ihnen bewohnte Wohnung<br />
aufweist, übern<strong>im</strong>mt.<br />
Die Kläger bewohnen eine 100 m² große Wohnung. Die Heizkosten betragen 100 Euro monatlich.<br />
Im Mai 2005 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie ihre Unterkunfts-/Heizkosten als<br />
unangemessen ansehe. Sie werde sie längstens bis zum 31.12.2005 übernehmen. Danach würden als<br />
Heizkosten lediglich 0,90 Euro pro Quadratmeter angemessener Wohnfläche anerkannt. Ab<br />
1.1.2006 reduzierte die Beklagte die Heizkosten um 23,50 Euro, weil sie davon ausging, die<br />
Wohnung sei mit 100 m² für vier Personen unangemessen groß. Deshalb seien die Heizkosten<br />
lediglich bezogen auf eine Wohnfläche von 85 m² mit einem pauschalen Bewilligungssatz von 0,90<br />
Euro pro m² zu übernehmen. Hieraus resultierte eine Kürzung des für Heizkosten anzusetzenden<br />
Betrages von 100 Euro auf 76,50 Euro. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne<br />
Erfolg geblieben.<br />
Die Revisionen der Kläger führten zur Aufhebung der Entscheidung des LSG <strong>und</strong> zur<br />
Zurückverweisung. Auf Gr<strong>und</strong> der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, in<br />
welcher Höhe bei den den Klägern zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung zu berücksichtigen sind. Der beklagte<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ist allerdings bei der Ermittlung der angemessenen Heizkosten von
82<br />
unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen, die die Vorinstanzen übernommen<br />
haben. Der Senat hat zwischenzeitlich bereits wiederholt entschieden, dass auch die laufenden<br />
Leistungen für Heizung gr<strong>und</strong>sätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen sind.<br />
Hier bewohnten die Kläger zwar eine nach den Wohnraumförderbest<strong>im</strong>mungen des Landes<br />
Niedersachsen zu große Wohnung, der Mietpreis für diese Wohnung lag jedoch so niedrig, dass die<br />
Beklagte offensichtlich keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Wohnung als solche hatte.<br />
Geht der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger davon aus, dass eine Wohnung insgesamt angemessen ist, so kann<br />
er in der Regel nicht bei den Heizkosten eine in Relation zur Anzahl der Mitglieder der<br />
Bedarfsgemeinschaft unangemessene Wohnungsgröße wieder zur Geltung bringen <strong>und</strong> - wie hier -<br />
die Heizkosten pauschal <strong>im</strong> Verhältnis der tatsächlich angemieteten Wohnfläche zur abstrakt<br />
angemessenen Wohnfläche kürzen. Die Größe der Wohnung ist bei der Best<strong>im</strong>mung der<br />
Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nur einer von mehreren Ermittlungs- bzw<br />
Berechnungsposten. Ist eine Wohnung von ihren Mietkosten her nach der sog Produkttheorie<br />
angemessen, so sind die angemessenen Heizkosten gr<strong>und</strong>sätzlich zu erstatten. Nicht<br />
erstattungsfähig sind Heizungskosten lediglich dann, wenn sie bei sachgerechter <strong>und</strong><br />
wirtschaftlicher Beheizung als der Höhe nach nicht erforderlich erscheinen. Dies setzt eine konkrete<br />
Prüfung <strong>im</strong> Einzelfall voraus. Bei ihr kann der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ein Überschreiten der oberen<br />
Grenzwerte des lokalen bzw, soweit ein solcher nicht existiert, des b<strong>und</strong>esweiten Heizspiegels als<br />
Indiz für fehlende Erforderlichkeit ansehen; wobei die Grenzwerte <strong>im</strong> Interesse der<br />
Gleichbehandlung von Mietern <strong>und</strong> Wohnungs- bzw Hauseigentümern nach der jeweils<br />
angemessenen Wohnungsgröße zu best<strong>im</strong>men sind.<br />
m) Betriebs- <strong>und</strong> Heizkostennachforderung (BSG v 22.3.2010 -B 4 AS 62/09 R)<br />
s. auch BSG v. 6.4.2011 – B 4 AS 12/10 R<br />
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Kläger können die Übernahme der Betriebs<strong>und</strong><br />
Heizkostennachforderung des Vermieters für das Kalenderjahr 2006 beanspruchen. Wie das<br />
BSG (vgl Urteile vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R <strong>und</strong> vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R) bereits<br />
entschieden hat, gehören diese Kosten, die nach regelmäßiger Übernahme der Betriebs- <strong>und</strong><br />
Heizkostenvorauszahlungen der jeweiligen Monate entstehen, als einmalig geschuldete Zahlungen<br />
zum aktuellen Bedarf <strong>im</strong> Fälligkeitsmonat. Da die Beklagte den Klägern <strong>im</strong> Zeitpunkt des vom<br />
Vermieter best<strong>im</strong>mten Fälligkeitstermins der Nachforderung (30.4.2007) laufend Leistungen ua für
83<br />
Unterkunft <strong>und</strong> Heizung bewilligt hatte, begründete die Nachforderung der Betriebs- <strong>und</strong><br />
Heizkosten eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 <strong>SGB</strong> X. Eines<br />
gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht, weil der Antrag auf<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, welcher der laufenden Bewilligung zu Gr<strong>und</strong>e lag,<br />
bereits Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung umfasste. Mit der Vorlage der Heiz- <strong>und</strong><br />
Betriebskostennachforderung haben die Kläger die Höhe dieses Bedarfs lediglich weiter<br />
konkretisiert. Auch die verspätete Information der Beklagten über die Nachforderung der Heiz- <strong>und</strong><br />
Betriebskosten erst Anfang Juni 2007 steht einer (rückwirkenden) Berücksichtigung höherer Kosten<br />
für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung nicht entgegen.<br />
Der wegen der Nachforderung entstandene Bedarf an tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft<br />
<strong>und</strong> Heizung iS des § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wandelt sich nicht dadurch zu Mietschulden iS des § 22 Abs<br />
5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, dass die Kläger die Nachforderung nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist<br />
beglichen haben. Ob tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung iS des § 22 Abs 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> oder Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vorliegen, ist ausgehend von dem Zweck der<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu beurteilen, einen während einer Hilfebedürftigkeit tatsächlich<br />
eingetretenen Bedarf zu decken. Bezieht sich die Nachforderung auf einen während der<br />
Hilfebedürftigkeit nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eingetretenen <strong>und</strong> bisher noch nicht von dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Träger<br />
gedeckten Bedarf, handelt es sich nicht um Schulden iS des § 22 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
(BSG v. 6.4.2011 s.o.)<br />
„Die Nachforderung ist als tatsächlicher, aktueller Bedarf <strong>im</strong> Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu<br />
berücksichtigen. Dies bedeutet allerdings nicht, diesen Bedarf auch hinsichtlich der Angemessenheit<br />
nach den tatsächlichen <strong>und</strong> rechtlichen Bedingungen <strong>im</strong> Fälligkeitsmonat zu bemessen, vielmehr<br />
richtet sich die Beurteilung der Angemessenheit nach den Verhältnissen <strong>im</strong> Zeitraum der Entstehung<br />
der Kosten <strong>im</strong> tatsächlichen Sinn“<br />
n) BSG v 17.6.2010 – B 14 AS 58/09 R Schuldenübernahme/§ 22 Abs 5<br />
Der Kläger, der vom beklagten JobCenter seit April 2005 Alg <strong>II</strong> einschließlich der KdU in Höhe der<br />
tatsächlichen Miete erhält, begehrt vom Beklagten die Übernahme von Schulden aus rückständigen<br />
Mietzahlungen. Nachdem er ab Februar 2005 mit Mietzahlungen <strong>im</strong> Rückstand war, kündigte seine
84<br />
Vermieterin das Mietverhältnis. Nach Durchführung eines Gerichtsverfahrens erklärte sich die<br />
Vermieterin nur unter der Bedingung zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit, dass der Kläger<br />
neben den Mietrückständen (in Höhe von ca 2.200 Euro) die ihr entstandenen Anwaltskosten sowie<br />
Gerichts- <strong>und</strong> Vollstreckungskosten (in Höhe von ca 2.200 Euro) übernähme. Der Beklagte lehnte<br />
eine Übernahme dieser Kosten vor allem deswegen ab, weil die Mietschulden auf eine<br />
zweckwidrige Verwendung der Leistungen für KdU zurück zu führen seien. Das SG hat die<br />
hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen; der Kläger<br />
habe zwischenzeitlich ein mit 15% verzinstes Darlehen aufgenommen <strong>und</strong> hiervon die<br />
Mietrückstände sowie die offenen Gerichts-, Anwalts- <strong>und</strong> Vollstreckungskosten beglichen. Die<br />
Begleichung von Schulden, welche zu einem Wohnungsverlust hätten führen können, lasse den<br />
Anspruch auf Übernahme von Mietschulden entfallen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass<br />
der Kläger hierfür neue Verbindlichkeiten eingegangen sei.<br />
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils <strong>und</strong> zur<br />
Zurückverweisung der Sache an das LSG.<br />
Entgegen der Auffassung des LSG scheidet ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach §<br />
22 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht schon deshalb aus, weil der Kläger nach der maßgeblichen Antragstellung<br />
mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten<br />
Summe gegenüber dem Vermieter gesichert hat. Auch Schulden gegenüber einem Dritten, die der<br />
Hilfebedürftige eingegangen ist, um drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden, können Schulden iS<br />
des § 22 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sein. Zweck der Vorschrift ist es, die Übernahme von Schulden<br />
ausnahmsweise zu ermöglichen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist.<br />
Danach kommt auch die (darlehensweise) Übernahme von Schulden durch den<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger in Betracht, die durch Aufnahme eines Privatdarlehens entstanden sind,<br />
wenn eine Entscheidung des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers über eine Darlehensgewährung nicht mehr<br />
rechtzeitig erfolgt oder dieser die Übernahme der Schulden rechtswidrig abgelehnt hatte <strong>und</strong> die<br />
Aufnahme eines Darlehens aus diesem Gr<strong>und</strong> für die Abwendung der Wohnungslosigkeit<br />
erforderlich war. Es entspricht allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>im</strong> Sozialrecht, dass die zwischenzeitliche<br />
Selbstbeschaffung der begehrten Leistung dem Hilfesuchenden unter dem Gesichtspunkt einer<br />
"Zweckverfehlung" der ursprünglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden kann.
85<br />
BSG v. 30.8.2010 – B 4 AS 10/10 R<br />
zukünftige Hilfebedürftigkeit)<br />
(Prognose des Nichthilfebedürftigen über eine<br />
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht<br />
verurteilt, <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.10.2007 bis 30.4.2008 die höheren Aufwendungen für die neu<br />
angemietete Wohnung der Klägerin in Altenkirchen/Rügen als Leistung für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
zu erbringen. Nach § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> werden zwar Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
nach einem nicht erforderlichen Umzug weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden<br />
Aufwendungen erbracht. Diese Vorschrift ist jedoch nicht anwendbar, wenn <strong>im</strong> Zeitpunkt des<br />
Abschlusses des Mietvertrags oder alternativ des Umzugs keine Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1<br />
Satz 1 Nr 3, 9 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gegeben ist.<br />
Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf § 22 Abs 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bestätigt. § 22 Abs 2 Satz 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gilt nur für "Hilfebedürftige" <strong>und</strong> stellt auf den Zeitpunkt vor dem Abschluss des<br />
Mietvertrags ab, denn der Hilfebedürftige soll nicht das Risiko tragen müssen, die über seine<br />
bisherigen Kosten hinausgehenden Mietzahlungen für die neue Wohnung aus der Regelleistung<br />
zahlen zu müssen, weil der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger <strong>im</strong> nachhinein auf die Best<strong>im</strong>mung des § 22 Abs<br />
1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> verweist. Dieses Ineinandergreifen der Vorschriften wäre jedoch nicht mehr<br />
gewährleistet, würde nicht auch die Anwendbarkeit des § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> davon abhängig<br />
gemacht, dass <strong>im</strong> Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Hilfebedürftigkeit vorlag. Auch der<br />
systematische Zusammenhang zwischen § 22 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
spricht für die Anwendbarkeit der Begrenzungsregelung nur in Fallgestaltungen, in denen<br />
Hilfebedürftigkeit <strong>im</strong> Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags gegeben war. § 22 Abs 1 Satz 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> enthält einen differenzierten Bestandsschutz, der befristet die Übernahme der tatsächlichen<br />
unangemessenen Unterkunftskosten gewährleistet. Voraussetzung ist - mit Ausnahme des Falles der<br />
"Bösgläubigkeit" vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit (Stichwort: Anmietung einer Luxuswohnung) -<br />
eine Kostensenkungsaufforderung durch den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger. Einen "geringeren<br />
Bestandsschutz" braucht ein zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags Nichthilfebedürftiger<br />
nicht hinzunehmen. Dabei ist es ausreichend, wenn der Mietvertrag in einem Monat geschlossen<br />
wird, in dem die Hilfebedürftigkeit <strong>im</strong> laufenden Leistungsbezug für einen Monat - wie hier - durch<br />
eigenes Erwerbseinkommen überw<strong>und</strong>en worden ist.
86<br />
o) BSG vom 24.2.2011 – Wertsteigerung eines Hauses – Wasserrohre<br />
Die Revision des Beklagten war nur zu einem Teil begründet, <strong>im</strong> Übrigen aber unbegründet.<br />
Das LSG ist <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern (Bedarfsgemeinschaft<br />
mit 9 Personen) wegen der <strong>im</strong> laufenden Bewilligungsabschnitt fällig gewordenen Kosten für die<br />
Erneuerung oder Ausbesserung der Anschlusskanäle für das mit ihrem Wohnhaus bebaute<br />
Gr<strong>und</strong>stück höhere Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung zustehen. Insoweit ist eine wesentliche<br />
Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die bei Erlass der für den laufenden<br />
Leistungszeitraum maßgebenden Bescheide hinsichtlich der Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
vorlagen. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den Kosten für die<br />
Kanalanschlüsse dem Gr<strong>und</strong>e nach um berücksichtigungsfähige Kosten der Unterkunft <strong>im</strong> Sinne<br />
des § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Allerdings ist der von diesem Zeitpunkt an geänderte, aktuelle tatsächliche<br />
Bedarf der Kläger an Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung nur in Höhe der auf sie entfallenden<br />
Kopfteile an den Gesamtkosten für das von elf Personen bewohnte Haus zu berücksichtigen. Die<br />
danach berücksichtigungsfähigen Kosten sind mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der<br />
Verhältnisse zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, denn die Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
stellen sich auch unter Einschluss dieser weiteren Kosten als angemessen dar.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 14 AS 61/10 R –<br />
p) Tilgungsleistungen – BSG v. 7.7.2011 – B 14 AS 79/10 R - 1. C.S., 2. A.L., 3. N.S., 4. F.S. ./.<br />
Die Kläger begehren höhere Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung für den Zeitraum vom 1.1. bis<br />
30.6.2005; sie verlangen insbesondere die Berücksichtigung eines von ihnen monatlich zu<br />
leistenden Tilgungsbetrags für den Erwerb eines Einfamilienhauses in Höhe von 350 Euro <strong>im</strong><br />
Rahmen der KdU.<br />
Die 1970 geborene Klägerin zu 1 <strong>und</strong> der 1967 geborene Kläger zu 2 lebten <strong>im</strong> streitigen Zeitraum<br />
mit ihren Kindern, den <strong>im</strong> Januar 1995 <strong>und</strong> <strong>im</strong> Oktober 1996 geborenen Klägern zu 3 <strong>und</strong> zu 4 in<br />
einer Bedarfsgemeinschaft. Mit einem 2003 abgeschlossenen notariellem Vertrag erwarb die<br />
Klägerin zu 1 ein 1945 bezugsfertig gewordenes Einfamilienhaus in einem an der Elbe <strong>im</strong><br />
Landkreis Lüchow-Dannenberg gelegenen Dorf, das die Klägerin zu 1 mit den Kindern bis heute<br />
bewohnt. Nach Angaben der Klägerin beträgt die Wohnfläche 100 qm <strong>und</strong> verteilt sich auf vier
87<br />
Z<strong>im</strong>mer. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 60.000 Euro. Der Kaufpreis wurde der Klägerin zinslos<br />
gest<strong>und</strong>et <strong>und</strong> sollte in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 350 Euro, beginnend ab 1.9.2003<br />
getilgt werden. Die Kaufpreisforderung sollte durch Eintragung einer Hypothek in das Gr<strong>und</strong>buch<br />
abgesichert werden. Bei Zahlungsverzug mit mehr als zwei Monatsraten sollte der ausstehende<br />
Kaufpreis sofort in einer Summe fällig werden. Im September 2004 beantragte die seinerzeit (wie<br />
auch der Kläger zu 2) <strong>im</strong> Bezug von Arbeitslosenhilfe stehende Klägerin zu 1) für sich <strong>und</strong> die<br />
Familie Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Aus einer geringfügigen Beschäftigung erzielte sie seinerzeit<br />
ein monatliches Einkommen iHv 388,50 Euro. Der für die KdU zuständige kommunale Träger<br />
(Beklagter zu 2) bewilligte für den Zeitraum von März bis Juni 2005 monatlich 129 Euro<br />
(Nebenkosten 65,03 Euro, Heizkosten ohne Warmwasseranteile 63,75 Euro); auf den Widerspruch<br />
der Klägerin hin bewilligte er auch für die Monate Januar <strong>und</strong> Februar 2005 monatlich 129 Euro als<br />
KdU. Der weitergehende Widerspruch, mit dem die Kläger die Übernahme der an die Verkäufer<br />
monatlich zu zahlenden 350 Euro als KdU begehrt hatten, blieb erfolglos.<br />
Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen, die Schuldentilgung diene der<br />
Vermögensbildung <strong>und</strong> sei mit dem Zweck der steuerfinanzierten Leistungen zur Gr<strong>und</strong>sicherung<br />
nicht vereinbar. Auf die Berufung der Kläger hat das LSG den Beklagten zu 2 verurteilt, den<br />
Klägern über die erbrachten Leistungen in Höhe von 129 Euro hinaus monatlich 350 Euro an KdU<br />
zu zahlen.<br />
Auf die Revision des Beklagten wurde das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die Berufung der Kläger<br />
gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.<br />
Das LSG hat den beklagten Landkreis zu Unrecht verurteilt, an die Kläger als Kosten der Unterkunft<br />
(KdU) auch Tilgungsleistungen iHv 350 Euro monatlich zu erbringen. Der Senat geht weiterhin<br />
davon aus, dass die Angemessenheit der KdU für Mieter <strong>und</strong> Hauseigentümer nach einheitlichen<br />
Kriterien zu beantworten ist. Tilgungsleistungen für ein selbst genutztes Wohnobjekt sind<br />
danach nicht von vornherein von der Berücksichtigung als KdU ausgeschlossen; sie können<br />
allerdings nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht<br />
schon dann vor, wenn die Finanzierungskosten des Eigentümers insgesamt die Höhe der Gesamtkosten<br />
einer angemessenen Mietwohnung nicht übersteigen. Die Umstände des vorliegenden Falles,<br />
die eine private Vermögensbildung durch öffentliche Gelder in den Vordergr<strong>und</strong> treten lassen, stehen<br />
der Annahme eines Ausnahmefalles, wie er in der bisherigen <strong>Rechtsprechung</strong> des Senats be-
88<br />
schrieben worden ist, jedenfalls entgegen.<br />
q) BSG v. 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R - M. ./. Jobcenter Oldenburg<br />
Der Kläger begehrt <strong>im</strong> Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> höhere Kosten der Unterkunft.<br />
Der 1948 geborene Kläger bewohnt in Oldenburg ein eigenes Haus, welches mit Erdgas beheizt<br />
wird. Als Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung gewährte der Beklagte ab Januar 2005 94,63 Euro.<br />
Diese Summe setzte sich aus Aufwendungen für Heizung <strong>und</strong> kalte Nebenkosten zusammen. Der<br />
Kläger hielt die Höhe der von dem Beklagten berücksichtigten Nebenkosten für zu gering. Die<br />
Nebenkosten für ein Eigenhe<strong>im</strong> müssten in gleicher Höhe anerkannt werden, wie dies bei einer<br />
Mietwohnung der Fall sei. Dies bedeute, dass eine Rücklagenpauschale für Erhaltungsaufwand, die<br />
Stromkosten für die Heizungspumpe <strong>und</strong> die Stromkosten für Gartenpflege <strong>und</strong> Außenbeleuchtung<br />
sowie eine zusätzliche Gebäudehaftpflichtversicherung leistungserhöhend zu berücksichtigen seien.<br />
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision macht der Kläger geltend,<br />
der Beklagte habe zumindest die Aufwendungen für die Gebäudehaftpflichtversicherung sowie<br />
die Stromkosten für die Heizungspumpe, für Gartenpflege <strong>und</strong> für die Außenbeleuchtung zu<br />
Unrecht nicht berücksichtigt.<br />
Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> der Rechtsstreit zur<br />
erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.<br />
Auch in dieser Sache reichten die Feststellungen des LSG nicht aus, um abschließend entscheiden<br />
zu können, ob dem Kläger ein Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft <strong>und</strong> Heizung zustehen.<br />
Die Angemessenheit der Kosten für die Nutzung von Wohneigentum ist an den Kosten zu messen,<br />
die für Mietwohnungen angemessen sind. Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgr<strong>und</strong>stücke<br />
zählen dabei alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung<br />
<strong>und</strong> Verpachtung abzusetzen sind. Über die von dem Beklagten bereits anerkannten Nebenkosten<br />
hinaus sind weitere Stromkosten für die Außenbeleuchtung <strong>und</strong> die Gartenpflege nicht als<br />
KdU berücksichtigungsfähig. Anders verhält es sich dagegen bei den geltend gemachten<br />
Stromkosten für die Heizungspumpe. Die angemessenen Heizkosten sind neben der angemessenen<br />
Nettokaltmiete <strong>und</strong> den angemessenen Nebenkosten selbstständig zu ermitteln. Hier ist <strong>im</strong> Hin-
89<br />
blick auf die Gleichbehandlung zwischen dem Eigentümer eines selbst genutzten Hausgr<strong>und</strong>-stücks<br />
<strong>und</strong> einem hilfebedürftigen Mieter zu berücksichtigen, dass bei den Vorauszahlungen, die an den<br />
Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten sind, Kosten des Betriebs einer zentralen<br />
Heizungsanlage enthalten sind. Die Höhe der Stromkosten für die Heizungspumpe wird das LSG <strong>im</strong><br />
wieder eröffneten Berufungsverfahren zu ermitteln haben.<br />
BSG v. 24.11.2011 - Heizungsenergie - B 14 AS 151/10 R -<br />
Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Pauschalmiete - einschließlich Stromkosten -<br />
durch das beklagte Jobcenter.<br />
Der <strong>im</strong> Jahr 1960 geborene, erwerbsfähige Kläger bewohnte in der hier streitigen Zeit von Mai bis<br />
November 2005 in Hamburg ein Z<strong>im</strong>mer zur Untermiete. Der Untermietzins betrug einschließlich<br />
Heizung <strong>und</strong> Strom 110 Euro. Hiervon setzte der Beklagte 28 Euro ab, weil in der Miete neben der<br />
Heizung auch der Strom enthalten gewesen sei. Das SG hat den Beklagten verurteilt, zusätzliche<br />
Leistungen in Höhe von 12 Euro monatlich zu zahlen, die Klage <strong>im</strong> Übrigen aber abgewiesen <strong>und</strong><br />
die Berufung zugelassen. Im Hinblick auf die in der Regelleistung <strong>und</strong> ebenfalls in der<br />
Pauschalmiete des Klägers enthaltenen Energiekosten erscheine ein Abzug von nur 16 Euro<br />
monatlich nach den Umständen des Einzelfalls als angemessen. Das LSG hat die nur von dem<br />
Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die<br />
Regelleistung sei als Pauschale ausgestaltet; aus ihr könne weder zu Lasten des Hilfebedürftigen<br />
etwas herausgerechnet werden noch zu seinen Gunsten eine abweichende Bemessung der<br />
Bedarfe erfolgen.<br />
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § § 20, 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, weil<br />
die Kosten der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten seien. Ebenso wie die Kosten der<br />
Warmwasserbereitung aus den Heizkosten herauszurechnen seien, seien die in einer<br />
Inklusivmiete enthaltenen Kosten der Haushaltsenergie abzusetzen. Auch insofern komme eine<br />
doppelte Leistungserbringung nicht<br />
Die Revision des beklagten Jobcenters wurde zurückgewiesen.<br />
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass für die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der<br />
Leistungen für die Unterkunft um einen aus der Regelleistung ermittelten Anteil für Haushaltsenergie<br />
keine Rechtsgr<strong>und</strong>lage gegeben ist. Das Leistungssystem des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> lässt eine individuelle<br />
Bedarfsermittlung bei den in der Regelleistung enthaltenen Bedarfen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zu. Die von<br />
der <strong>Rechtsprechung</strong> entwickelte Behandlung der Kosten der Warmwasserbereitung, die der<br />
Gesetzgeber mit § 20 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nF ("... ohne die auf die Heizung <strong>und</strong> Erzeugung von
Warmwasser entfallenden Anteile ...") fortentwickelt hat, ist auf die Stromkosten als Bestandteil einer<br />
Inklusivmiete nicht übertragbar.<br />
90<br />
r) BSG v. 22.11.2011 – Zusicherung der Angemessenheit der KdU B 4 AS 219/10 R<br />
Der Beklagte wies die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
beziehenden Kläger mit Schreiben vom Juni 2008 darauf hin, dass als angemessene Kosten der<br />
Unterkunft ein Betrag von höchstens 421,50 Euro (Kaltmiete) anerkannt werden könne, die<br />
gegenwärtige Miete diesen Betrag aber um 52,12 Euro übersteige. Sie hat die Kläger letztmalig <strong>im</strong><br />
Februar 2009 zum Nachweis von Kostensenkungsbemühungen aufgefordert. Die Kosten der<br />
Unterkunft wurden weiter in voller Höhe übernommen. Den Antrag der Kläger, die tatsächlichen<br />
Kosten der Unterkunft nach Ende des <strong>im</strong> Schreiben vom Juni 2008 genannten<br />
Sechsmonatszeitraum in voller Höhe als Bedarf iS von § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> anzuerkennen, lehnte<br />
der Beklagte ab.<br />
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 22 Abs 1 <strong>und</strong> Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sowie des §<br />
34 <strong>SGB</strong> X. Die Regelungen seien unmittelbar anwendbar, weil eine Wohnung existiere, die<br />
jederzeit gekündigt <strong>und</strong> erneut angemietet werden könne. Neue Verbindlichkeiten <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Risiken würden genauso regelmäßig durch das Aufrechterhalten eines Mietvertrags<br />
begründet. Der Anspruch auf Zusicherung bestehe <strong>im</strong> Übrigen unabhängig von der konkret<br />
anzumietenden Wohnung (sog "abstrakte Zusicherung").<br />
Die Revisionen der Kläger hatten keinen Erfolg, weil sie keinen Anspruch auf die<br />
beantragte Erteilung der Zusicherung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft für<br />
die von ihnen tatsächlich innegehabte Wohnung haben. Eine derartige Feststellung ist<br />
gesetzlich nicht vorgesehen, weil sich § 22 Abs 2 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausdrücklich auf die<br />
Erteilung einer Zusicherung bei Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft<br />
bezieht. Eine analoge Anwendung dieser Regelung kommt nicht in Betracht, weil es an<br />
einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Insofern ergibt sich auch aus § 22 Abs 1 Satz 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, dass bei einem Dissens über die Angemessenheit von tatsächlichen<br />
Unterkunftskosten keine isolierte gerichtliche Vorklärung in einem vorgelagerten<br />
Zusicherungsverfahren erfolgt. Allerdings ist bei einem widersprüchlichen Verhalten des<br />
Trägers der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende dem Hilfebedürftigen ggf die Senkung der<br />
Unterkunftskosten nicht möglich oder unzumutbar. -<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 4 AS 219/10 R<br />
s) BSG v 6.10.2011 – Renovierungskosten – B 14 AS 66/11
Der 1975 geborene Kläger, der drogenabhängig ist <strong>und</strong> an einer Schizophrenie leidet, begehrt<br />
von dem beklagten Jobcenter die Erstattung von Kosten einer Wohnungsrenovierung.<br />
Der Kläger bezieht seit Anfang 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Von 1996 bis Ende Januar 2005 bewohnte er allein eine 22 qm große<br />
Einz<strong>im</strong>merwohnung. Der formularmäßige Mietvertrag enthielt eine Regelung zur turnusmäßigen<br />
Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Mieter sowie eine Regelung, wonach die<br />
Mieträume zum Ende des Mietverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben waren, der bei<br />
ordnungsgemäßer Durchführung der Schönheitsreparaturen bestanden hätte. Während der<br />
gesamten Mietzeit führte der Kläger keine Schönheitsreparaturen durch. Vor der Rückgabe der<br />
Wohnung an den Vermieter ließ er die in einem Vorabnahmeprotokoll <strong>im</strong> Einzelnen bezeichneten<br />
Renovierungsarbeiten von einem Verein zur Förderung der Selbsthilfe durchführen; <strong>im</strong> April <strong>und</strong><br />
Mai 2005 fielen hierfür insgesamt Kosten in Höhe von 800 Euro an. Seinen zuvor gestellten<br />
Antrag auf Übernahme der Renovierungskosten lehnte der Beklagte ab, weil die Renovierung zu<br />
einem niedrigeren Preis habe durchgeführt werden können <strong>und</strong> diese Kosten mit Hilfe der<br />
auszukehrenden Mietkaution vom Kläger getragen werden könnten.<br />
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Das LSG hat das Urteil des SG zu Unrecht<br />
aufgehoben <strong>und</strong> die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen<br />
Anspruch auf Übernahme der angemessenen Renovierungskosten, die be<strong>im</strong> Auszug aus<br />
der Wohnung entstanden sind, die er über lange Zeit bewohnt hat. Es ist unerheblich, dass<br />
zwischenzeitlich ein Dritter die Kosten bis zur endgültigen Klärung der Leistungspflicht des<br />
Beklagten getragen hat.<br />
91<br />
BSG v. 24.11.2011 – Renovierungskosten B 14 AS 15/11 R<br />
Die Beteiligten streiten darum, ob das beklagte Jobcenter die Kosten einer Auszugsrenovierung<br />
zu übernehmen hat.<br />
Die <strong>im</strong> Jahr 1975 geborene Klägerin zu 1 erhält mit ihren in den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2003 geborenen<br />
Kindern, den Klägern zu 2 <strong>und</strong> 3, seit 2005 Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die Kläger wohnten seit<br />
2002 in einer Wohnung der beigeladenen Wohnungsbaugesellschaft. Nachdem der Beklagte die<br />
Klägerinnen zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert hatte, zogen die Kläger <strong>im</strong> Februar<br />
2007 in eine preisgünstigere Wohnung um. Vor dem Umzug hat der Beklagte die Klägerin zu 1<br />
darauf hingewiesen, dass der Mietvertrag mit der beigeladenen Wohnungsbaugesellschaft starre<br />
Renovierungsregelungen beinhalte, die nichtig seien, <strong>und</strong> er - der Beklagte - keine<br />
Renovierungskosten übernehme. Durch Schreiben vom 15.2.2007 teilte die Beigeladene der<br />
Klägerin zu 1 mit, sie habe die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses am 28.2.2007 in<br />
vertragsgerechtem Zustand zu übergeben <strong>und</strong> es sei erforderlich, diese neu zu tapezieren <strong>und</strong> zu<br />
malern. Auch sei der mietvertragliche Fristenplan abgelaufen. In einem beigefügten Voranschlag<br />
wurden die Kosten auf 2.636,80 Euro geschätzt. Die Kläger nahmen keine Arbeiten an der<br />
Wohnung vor. Die Beigeladene beauftragte ein Unternehmen, das der Beigeladenen für die<br />
durchgeführten Maßnahmen 2.955,10 Euro in Rechnung stellte. Den Antrag der Kläger auf<br />
Übernahme dieser Kosten lehnte der Beklagte ab, weil die Regelung über die<br />
Schönheitsreparaturen in dem Mietvertrag nichtig sei <strong>und</strong> keine Selbsthilfemöglichkeiten seitens<br />
der Kläger zu erkennen seien.<br />
Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, die Kosten für die<br />
Auszugsrenovierung in Höhe von 2.541,87 Euro zu übernehmen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Übrigen die Klage<br />
abgewiesen.<br />
Die Revision des beklagten Jobcenters war <strong>im</strong> Sinne der Aufhebung des angefochtenen
Urteils <strong>und</strong> Zurückverweisung an das LSG erfolgreich.<br />
Zwar können die Kosten einer Auszugsrenovierung als Kosten der Unterkunft zu<br />
übernehmen sein. Voraussetzung dafür ist jedoch nicht, wie das LSG angenommen hat, die<br />
"soziale Wirksamkeit" der Forderung des Vermieters, sondern die Angemessenheit der<br />
tatsächlichen Aufwendungen. Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als<br />
unangemessen wegen der Unwirksamkeit best<strong>im</strong>mter Regelungen <strong>im</strong> Mietvertrag stellt<br />
besondere Anforderungen an das vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger durchzuführende<br />
Kostensenkungsverfahren. Der Träger der Gr<strong>und</strong>sicherung muss seinen Rechtsstandpunkt<br />
<strong>und</strong> das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber den Vermieter in einer Weise<br />
verdeutlichen, die den Leistungsempfänger in die Lage versetzt, seine Rechte gegenüber<br />
dem Vermieter durchzusetzen. Hierzu hat das LSG, ausgehend von seiner abweichenden<br />
Rechtsauffassung, keine Feststellungen getroffen.<br />
92<br />
BSG v. 6.10.2011, Schadensersatz wegen Fehlverhaltens be<strong>im</strong> Umzug, B 14 AS<br />
152/10 R<br />
Die Klägerinnen begehren vom beklagten Jobcenter die Übernahme von 700 Euro, die wegen<br />
einer leicht fahrlässigen Schadensverursachung bei einem von der Beklagten veranlassten<br />
Umzug an einen Autovermieter zu zahlen sind.<br />
Die 1967 geborene Klägerin zu 1 <strong>und</strong> ihre 1999 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, leben<br />
gemeinsam in einer Wohnung <strong>und</strong> beziehen von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Auf eine Kostensenkungsaufforderung des Beklagten hin<br />
zogen sie am 31.8.2007 <strong>im</strong> Stadtgebiet von Freiburg in eine günstigere Wohnung um, für die der<br />
Beklagte zuvor eine Zusicherung über die Übernahme der Kosten erteilt hatte. Im Zuge der<br />
Umzugsvorbereitungen erteilte der Beklagte unmittelbar gegenüber einem Autovermieter eine<br />
Kostenzusage für die Anmietung eines Ford Transit zu einem Mietpreis von 89 Euro zuzüglich<br />
einer Vollkaskoversicherung für 13 Euro bei einer Selbstbeteiligung von 770 Euro. Am Umzugstag<br />
beschädigte die Klägerin zu 1 den Mietwagen, wodurch ein Schaden oberhalb des vereinbarten<br />
Selbstbehaltes entstand. Der Autovermieter wandte sich zunächst unmittelbar an den Beklagten<br />
<strong>und</strong> forderte die Zahlung von insgesamt 872 Euro (89 Euro Mietpreis, 13 Euro<br />
Vollkaskoversicherung sowie 770 Euro Unfallschaden bis zur Höhe des Selbstbehalts). Seine<br />
Klage zum Amtsgericht (AG) Freiburg hatte nur teilweise Erfolg. Mit Urteil vom 14.11.2008<br />
verurteilte das AG den Beklagten gesamtschuldnerisch mit der Klägerin zu 1 an den Autovermieter<br />
102 Euro sowie einen Teil der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen; <strong>im</strong> Übrigen wies<br />
das AG die Klage ab.<br />
Den Antrag der Klägerinnen auf Übernahme der Kosten aus der Rechnung des Autovermieters<br />
über 102 Euro hinaus lehnte der Beklagte ab. Die hiergegen erhobene Klage, mit der die<br />
Klägerinnen <strong>im</strong> Anschluss an eine vergleichsweise Einigung mit dem Autovermieter noch 700<br />
Euro geltend machten, ist vor dem SG <strong>und</strong> dem LSG ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision<br />
machen die Kläger geltend, das LSG habe den Begriff der Umzugskosten fehlerhaft zu eng<br />
ausgelegt. Hierunter seien die vorhersehbaren Kosten eines Umzugs ebenso zu fassen, wie die<br />
nicht vorsehbaren. Entscheidend sei allein, dass die Kosten nicht entstanden wären, wenn der<br />
Umzug nicht auf Veranlassung des Beklagten hätte durchgeführt werden müssen. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> könne der eingetretene Schaden auch nicht dem allgemeinen Lebensrisiko der Klägerin zu<br />
1 zugerechnet werden. Sie habe sich nicht aus freien Stücken zu dem Umzug entschlossen,<br />
sondern sei hierzu gezwungen worden.<br />
Die Revision der Klägerinnen wurde zurückgewiesen.
Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass den Klägerinnen weder ein Anspruch<br />
auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zusteht, noch der Beklagte<br />
unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Beratung für den entstandenen Schaden<br />
einzustehen hat. Die bei einem vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger veranlassten Umzug zu<br />
übernehmenden Kosten sind auf die notwendigen Kosten eines Umzugs beschränkt.<br />
Hierzu zählen etwa Transportkosten, Kosten für Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen,<br />
Benzinkosten <strong>und</strong> Verpackungsmaterial. Die Schadensersatzforderung des Autovermieters<br />
gegen die Klägerinnen steht zwar mittelbar in einem Zusammenhang mit dem Umzug; die<br />
Schadensverursachung ist aber bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr<br />
entstanden.<br />
93<br />
BSG v. 20.11.2011 - B 4 AS 9/11 R - Betriebskostenabrechnung<br />
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Aufwendungen aus einer Betriebskostennachforderung für<br />
eine <strong>im</strong> Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht mehr bewohnte Wohnung nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu<br />
übernehmen. Die Klägerin bezog <strong>im</strong> Jahr 2006 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Unterhalts nach<br />
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vom Landkreis B. Auf eine Kostensenkungsaufforderung des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers zog die<br />
Klägerin zum 1.11.2006 in eine Wohnung in H - <strong>im</strong> Zuständigkeitsbereich des Beklagten - um. Daraufhin<br />
bewilligte der Beklagte Alg <strong>II</strong> einschließlich Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung für das Jahr 2007. Im<br />
September 2007 machte der Vermieter aus W eine Betriebskostennachforderung für die Monate Januar bis<br />
Oktober 2006 in Höhe von 548,85 Euro, fällig zum 31.12.2007 geltend. Der Beklagte lehnte die Übernahme<br />
der Nachforderung als Leistung für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er mit<br />
der Begründung zurück, es mangele insoweit an einem aktuellen Bedarf für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung, denn<br />
die Klägerin bewohne die Wohnung nicht mehr.<br />
Das SG hat den Beklagten verurteilt, die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung für die Wohnung<br />
in W zu übernehmen.<br />
Die Sprungrevision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf<br />
Übernahme der Betriebskostennachforderung für ihre Wohnung in W gegen den Beklagten. Entgegen<br />
der Auffassung des Beklagten ist vorliegend die Betriebskostennachforderung auch für die <strong>im</strong><br />
Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bewohnte Wohnung ein einmaliger Bedarf für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Durch die Betriebskostennachforderung ist eine wesentliche<br />
Änderung der Verhältnisse iS des § 48 <strong>SGB</strong> X eingetreten. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse<br />
ist nicht bereits deswegen zu verneinen, weil die Kosten für die Wohnung in W unangemessen gewesen<br />
sein könnten. Die hier nachgeforderten Betriebskosten sind in einem Zeitraum entstanden, in dem die<br />
Klägerin sich noch innerhalb der vom Landkreis B gesetzten "Schonfrist" des § 22 Abs 1 Satz 3 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> zur Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen befand. In diesem Zeitraum waren die ggf
94<br />
unangemessenen Kosten weiterhin vom Landkreis B zu tragen. Ebenso wenig steht der Annahme einer<br />
wesentlichen Änderung der Verhältnisse entgegen, dass der Bedarf durch die Betriebskostennachforderung<br />
materiell nicht dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zuzuordnen ist. Zwar beurteilt sich die<br />
Rechtslage nach den tatsächlichen <strong>und</strong> rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums der Entstehung der<br />
fraglichen Forderung. Wird die Forderung jedoch erst später geltend gemacht <strong>und</strong> besteht ein<br />
Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, ist der Bedarf <strong>im</strong><br />
Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung zu decken. So liegt der Fall hier. Bei der Betriebskostennachforderung<br />
handelt es sich um einen bisher vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger - trotz des Leistungsbezugs <strong>im</strong><br />
Zeitraum der tatsächlichen Zuordnung der Entstehung der Forderung - bisher nicht gedeckten Bedarf<br />
für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung. Die Klägerin stand auch bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der<br />
Nachforderung ununterbrochen <strong>im</strong> Leistungsbezug. Zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden, in<br />
dem die Leistungsberechtigte die Wohnung, für die die Betriebskostennachforderung geltend gemacht<br />
wird, aktuell nicht mehr bewohnt, weil sie die Wohnung in Wahrnehmung einer ihr auferlegten<br />
Obliegenheit zur Kostensenkung aufgegeben hat, ist der Leistungsträger verpflichtet, Leistungen für<br />
die Nachforderung auch der aktuell nicht mehr bewohnten Wohnung zu erbringen. Der Bedarf<br />
wandelt nicht allein durch den Wohnungswechsel von einem solchen nach § 22 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in<br />
einen zur Schuldentilgung.<br />
BSG v. 16.5.2012 – B 4 AS 159/11 R - § 22 Abs 3 (früher: § 22 Abs 1 S 4) ./. § 48<br />
<strong>SGB</strong> X<br />
Die Revision des Beklagten war unbegründet. Die Voraussetzungen des § 48 <strong>SGB</strong> X für<br />
eine Aufhebung der Bewilligung von KdU haben nicht vorgelegen. Entgegen der von<br />
dem Beklagten vertretenen Auffassung handelt es sich bei § 22 Abs 1 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
nicht um eine Rechtsgr<strong>und</strong>lage für den Eingriff in die Bestandskraft bindender<br />
Bewilligungsbescheide. Vielmehr ist der Vorschrift lediglich eine Regelung zu<br />
entnehmen, die die Berücksichtigung best<strong>im</strong>mter Einnahmen modifiziert.<br />
Selbst wenn den angefochtenen Bescheiden <strong>im</strong> Wege der Auslegung eine Teilaufhebung<br />
der Bewilligungsbescheide zu entnehmen wäre, erwiesen sich diese als rechtswidrig. Die<br />
in § 22 Abs 1 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> genannten Gutschriften oder Rückzahlungen müssen als<br />
Einkommen zu qualifizieren sein. Hingegen resultiert das von dem Beklagten errechnet<br />
fiktive Guthaben aus einer best<strong>im</strong>mungswidrigen Verwendung der gewährten Leistungen<br />
durch die Klägerin. Für die "Verrechnung" derartiger Beträge bietet § 22 Abs 1 Satz 4<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> - wie Wortlaut <strong>und</strong> Entstehungsgeschichte belegen - keine Handhabe.<br />
BSG v. 16.5.2012 – B 4 AS 132/11 R: §§ 40. 44, 48 <strong>SGB</strong> X <strong>und</strong> Einkommen<br />
Die Revision des Beklagten war <strong>im</strong> Sinne der Aufhebung des Urteils des SG <strong>und</strong> der
Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet. Die materielle<br />
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide beurteilt sich nach § 40 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm §<br />
48 Abs 1 <strong>SGB</strong> X. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung sind<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich neben der hier streitigen Berücksichtigung des<br />
Betriebskostenguthabens als Einkommen auch die weiteren, den Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> die<br />
Höhe beeinflussenden Berechnungsfaktoren einzubeziehen. Soweit Anhaltspunkte<br />
für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind, hat eine Korrektur unter<br />
Berücksichtigung des § 44 <strong>SGB</strong> X zu erfolgen. Insofern ist zu beachten, dass der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger nach den Feststellungen des SG <strong>im</strong> Aufhebungsmonat Dezember<br />
2009 nicht die tatsächlichen, sondern nur die von ihm als angemessen angesehenen<br />
Kosten der Unterkunft übernommen <strong>und</strong> seine Praxis nach eigenen Angaben geändert<br />
hat.<br />
Das in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesene Guthaben ist hier<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich als Einkommen iS der Sonderregelung des § 22 Abs 1 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass<br />
ein Guthaben nur dann (<strong>im</strong> Folgemonat) anzurechnen ist, wenn es <strong>im</strong> Monat der<br />
Gutschrift oder <strong>im</strong> Folgemonat nach tatsächlichem Handeln der Mietparteien die<br />
Unterkunftskosten verringert hat. Auch wenn das Betriebskostenguthaben nach den<br />
Feststellungen des von dem Vermieter "wegen aufgelaufener, noch ausstehender<br />
Mietrückstände verrechnet" worden ist, handelt es sich um zugeflossenes Einkommen,<br />
weil hiermit eine Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten, dh<br />
ein wertmäßiger Zuwachs des Vermögensstandes, verb<strong>und</strong>en ist.<br />
Entgegen der Ansicht des SG kann dieses Einkommen auch nicht allein deshalb außer<br />
Betracht bleiben, weil das Guthaben nach dessen Feststellungen zu keinem Zeitpunkt in<br />
der "tatsächlichen Verfügungsgewalt" der Kläger gestanden hat. Zu prüfen ist vielmehr,<br />
ob der Leistungsberechtigte dieses Einkommen auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht<br />
oder nicht ohne Weiteres hätte realisieren können (vgl auch Urteil des Senats vom<br />
10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R). Nur dann stehen bereite Mittel nicht zur Verfügung <strong>und</strong><br />
rechtfertigt - trotz denkbarer Mietschuldentilgung - der Bedarfsdeckungsgr<strong>und</strong>satz die<br />
Nichtberücksichtigung des Guthabens bei dem Leistungsanspruch. Ob die<br />
Aufrechnungserklärung des Vermieters hier dazu geführt hat, dass die Forderung der<br />
Kläger aus dem Betriebskostenguthaben erloschen ist ( § 389 BGB), kann der Senat<br />
aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Feststellungen des SG nicht beurteilen. Besteht kein<br />
zivilrechtlicher Anspruch der Kläger gegen den früheren Vermieter auf Auszahlung des<br />
Guthabens oder ist dieser nicht ohne Weiteres zu realisieren, kann der<br />
Bewilligungsbescheid nicht aus diesem Gr<strong>und</strong> aufgehoben werden.<br />
95<br />
3. Befristeter Zuschlag <strong>und</strong> Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen<br />
a) Der befristete Zuschlag nach § 24 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> a.F. ist seit dem 1.1.2011 weggefallen.<br />
b) Bezieher von Alg <strong>II</strong> sind versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie<br />
in der sozialen Pflegeversicherung (§ 3 Satz 1 Ziff. 3 a <strong>SGB</strong> VI, § 5 Abs. 1 Ziff. 2 a <strong>SGB</strong> V, § 20
96<br />
Abs. 1 Ziff. 2 a <strong>SGB</strong> XI). Wenn die Berechtigten indes von der Versicherungspflicht in der<br />
Krankenversicherung befreit sind, erhalten sie nach § 26 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> Zuschüsse zu den Beiträgen einer<br />
freiwilligen Mitgliedschaft bzw. bei der Kranken- <strong>und</strong> Pflegeversicherung zu den Beiträgen einer<br />
Absicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen; dann sind die Beiträge aber nicht vom<br />
Einkommen abzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 a. E. <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
Übernahme von KV-Beiträgen zur PKV BSG vom 18.1.2011 -<br />
Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon<br />
ausgegangen, dass der Beklagte dem Kläger in dem hier streitigen Zeitraum vom 26.1.2009 bis<br />
30.6.2009 die von ihm zu tragenden Beiträge zu privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu<br />
erstatten hat. Stellt man allein auf den Wortlaut der hier einschlägigen Regelungen ab, so hat der<br />
Beklagte die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nur in Höhe des ermäßigten Beitragssatzes<br />
für Bezieher von Alg <strong>II</strong> in der gesetzlichen Krankenversicherung von 129,54 Euro zu tragen. Der<br />
Kläger kann sich gegenüber seinem privaten Krankenversicherungsunternehmen aber nicht auf<br />
diese Begrenzung berufen, sondern schuldet den vollen Beitrag iHv 207,39 Euro. Insofern liegt eine<br />
gesetzes<strong>im</strong>manente Regelungslücke <strong>im</strong> Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen<br />
Vorschriften vor. Es kann nicht davon ausgegangen werden kann, dass mit den gesetzlichen<br />
Neuregelungen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung der Krankenversicherungsschutz privat versicherter Bezieher von Alg <strong>II</strong><br />
gegenüber der bisherigen Rechtslage wesentlich verschlechtert werden <strong>und</strong> in größerem Umfang<br />
ungedeckte Beiträge zu ihren Lasten verbleiben sollten.<br />
Die planwidrige Regelungslücke bei der Tragung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung<br />
von Alg <strong>II</strong>-Beziehern ist - hinsichtlich der offenen Beiträge - durch eine analoge Anwendung der<br />
Regelung für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen zu schließen.<br />
Hieraus ergibt sich eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Beiträge in voller Höhe.<br />
4. Berücksichtigung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen<br />
a) Einkommen
97<br />
· Einkommensbegriff<br />
Die Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sind mit den<br />
Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen bei der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsleistung sowie der Hilfe zum Lebensunterhalt <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> weitgehend identisch.<br />
Ein zu berücksichtigendes Einkommen <strong>und</strong> Vermögen deckt zunächst die Bedarfe nach den §§ 20,<br />
21 <strong>und</strong> 23 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, darüber hinaus die Bedarfe nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sind nur noch Leistungen für<br />
Bildung <strong>und</strong> Teilhabe zu leisten, deckt weiteres zu berücksichtigendes Einkommen <strong>und</strong> Vermögen<br />
die Bedarfe in der Reihenfolge der Absätze 2 bis 6 nach § 28 (§ 19 Abs. 4 Satz 2 <strong>und</strong> 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). In<br />
diesem Zusammenhang sind die speziellen Regelungen zu Auskunfts- <strong>und</strong> Mitwirkungspflichten in<br />
§ 60 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu beachten.<br />
Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme<br />
der in § 11a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> abzüglich der nach §<br />
11b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> abzusetzenden Beträge.<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
Einkommen<br />
a) Einkommenssteuererstattung -BSG - B 4 AS 29/07 R - 30.9.2008<br />
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit vom<br />
1.3.2005 <strong>und</strong> 28.2.2006. Die Beteiligten streiten darüber, ob <strong>und</strong> ggf wie sich eine <strong>im</strong> März 2005<br />
ausgezahlte Einkommensteuererstattung auf den Leistungsanspruch der Kläger auswirkt.<br />
Die Kläger sind verheiratet <strong>und</strong> leben zusammen. Die Klägerin zu 2) ist erwerbstätig <strong>und</strong> erzielte<br />
bis 30.6.2005 ein Nettoarbeitsentgelt von 762,58 Euro, ab 1.7.2005 nach einem<br />
Steuerklassenwechsel (von V auf <strong>II</strong>I) von 1.219,87 Euro monatlich. Der beklagte<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger bewilligte den Klägern <strong>im</strong> Dezember 2004 für Januar bis Juni 2005<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 541,32 Euro monatlich. Im März 2005<br />
teilten ihm die Kläger mit, sie hätten am 18.3.2005 5.090,35 Euro Einkommensteuererstattung für<br />
2004 erhalten. Sie hätten die Gutschrift zur Rückzahlung privater Schulden bei der Schwester des<br />
Klägers zu 1) <strong>und</strong> zum Ausgleich des negativen Saldos ihres Bankkontos verwendet. Der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger hob hierauf seine Leistungsbewilligung ab März 2005 wegen nach
98<br />
Antragstellung erzielten Einkommens (teilweise) auf, forderte für März <strong>und</strong> April 2005 überzahlte<br />
Leistungen (1.082,64 Euro) zurück <strong>und</strong> stellte fest, dass für Mai <strong>und</strong> Juni ein Leistungsanspruch<br />
nicht mehr bestehe. Durch die Steuererstattung seien die Kläger in der Lage, ihren Lebensunterhalt<br />
bis zum Ende des Bewilligungszeitraums sicherzustellen. Einen weiteren Antrag auf Bewilligung<br />
von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen ab Juli 2005 lehnte der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ab. Nach dem<br />
Steuerklassenwechsel seien die Kläger unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens <strong>und</strong> der auf<br />
786 Tage aufgeteilten Einkommensteuererstattung nicht hilfebedürftig. Die Widersprüche gegen<br />
beide Bescheide blieben ohne Erfolg.<br />
Die Revision der Kläger hat teilweise Erfolg. Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die<br />
Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung zurückverwiesen.<br />
Die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 1.3.2005 sowie die Rückforderung des für die<br />
Monate März <strong>und</strong> April 2005 gewährten Alg <strong>II</strong> waren rechtmäßig. Die Kläger waren in dieser Zeit<br />
nicht mehr hilfebedürftig. Sie verfügten über Einkommen iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, das ihren<br />
gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlichen Bedarf gedeckt hat. Die am 18.3.2005 zugeflossene<br />
Einkommensteuererstattung in Höhe von 5 090,35 Euro ist Einkommen iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie<br />
verändert ihre rechtliche Qualität auch nicht ab dem Folgemonat des Zuflusses <strong>und</strong> ist auf die<br />
bewilligte Leistung vollständig umzulegen.<br />
Für den streitigen Zeitraum ab Juli 2005 konnte der Senat keine abschließende Entscheidung<br />
treffen. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt: Das Einkommen aus der Steuererstattung war auch <strong>im</strong> Zeitraum ab Juli<br />
2005 bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen.<br />
Das Einkommen ist sowohl nach § 2 Abs 3 Satz 2 Alg <strong>II</strong>-V idF vom 20.10.2004, als auch nach § 2<br />
Abs 3 Satz 3 Alg <strong>II</strong>-V idF vom 22.8.2005 auf sich an den Bewilligungszeitraum anschließende<br />
Zeiträume zu verteilen. Der so genannte Verteilzeitraum wird weder durch den Ablauf eines<br />
Bewilligungs-zeitraums noch durch die erneute Antragstellung begrenzt. Der Verteilzeitraum wird<br />
vielmehr nur dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne<br />
Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfällt. Ob dieses vorliegend der Fall war, konnte der<br />
Senat nicht abschließend beurteilen. Es fehlt an Feststellungen des LSG zur Einkommens- <strong>und</strong><br />
Bedarfslage der Kläger in diesem Zeitraum. Sollte die Hilfebedürftigkeit nicht entfallen sein, wäre<br />
ab dem 1.10.2005 § 2b iVm § 2 Abs 3 Satz 3 Alg <strong>II</strong>-V idF vom 22.8.2005 bei der<br />
Einkommensberücksichtigung <strong>im</strong> Verteilzeitraum zu Gr<strong>und</strong>e zu legen. Inwieweit den Klägern<br />
hieraus <strong>im</strong> konkreten Fall zumindest ein geringer Zahlbetrag an Alg <strong>II</strong> zuwachsen würde, konnte<br />
der Senat ebenfalls nicht abschließend klären. Anhand der Feststellungen des LSG lässt sich nicht
feststellen, ob ein Regelfall gegeben ist, der eine Auf-teilung der Steuererstattung für einen<br />
99<br />
angemessenen Zeitraum in monatliche Teilbeträge zulässt.<br />
d) Abfindung aus arbeitsgerichtl. Vergleich BSG v 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - M. ./.<br />
ARGE für Beschäftigung München GmbH<br />
Die Beteiligten streiten darüber, ob die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte<br />
Abfindung be<strong>im</strong> Alg <strong>II</strong> als Einkommen leistungsmindernd berücksichtigt werden darf, wenn der<br />
frühere Arbeitgeber die Forderung nicht sofort, sondern erst nach Einleitung von<br />
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfüllt <strong>und</strong> die Zahlung daher in einen Zeitraum fällt, in dem der<br />
frühere Arbeitnehmer Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen bezieht.<br />
In dem Kündigungsschutzprozess gegen seinen früheren Arbeitgeber schloss er mit diesem vor dem<br />
Arbeitsgericht <strong>im</strong> April 2005 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber, ihm eine<br />
Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 6.500 Euro zu zahlen. Auf den titulierten<br />
Abfindungsanspruch zahlte der Arbeitgeber erst <strong>im</strong> Oktober <strong>und</strong> November 2006 Beträge über<br />
1.750 Euro <strong>und</strong> 2.000 Euro, nachdem der Kläger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den<br />
Arbeitgeber eingeleitet hatte. Der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger, der dem Kläger seit Mitte Juli<br />
2006 Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende gewährt, hob hierauf die<br />
Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1.10. bis 30.11.2005 auf <strong>und</strong> forderte vom Kläger<br />
Rückzahlung der für diesen Zeitraum gezahlten 1.500,24 Euro. Zur Begründung führte er aus, die<br />
Abfindungsteilzahlungen seien bei der Bemessung der Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen als Einkommen<br />
bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Widerspruch, Klage <strong>und</strong> Berufung des Klägers hatten -<br />
abgesehen von einer Reduzierung der Rückforderung - keinen Erfolg.<br />
Der Senat hat die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen LSG zurückgewiesen,<br />
weil die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung be<strong>im</strong> Arbeitslosengeld <strong>II</strong> als<br />
Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch dann, wenn der frühere<br />
Arbeitgeber die Abfindung - wie <strong>im</strong> vorliegenden Fall - erst auf Gr<strong>und</strong> von<br />
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des früheren Arbeitnehmers zahlt <strong>und</strong> die Zahlung daher in einen<br />
Zeitraum fällt, in dem der arbeitslos gewordene Arbeitnehmer Arbeitslosengeld <strong>II</strong> bezieht, auf das<br />
die Abfindung als bedarfsminderndes Einkommen anzurechnen ist.
100<br />
Bei den nach Antragstellung <strong>im</strong> Bedarfszeitraum zugeflossenen Abfindungsteilzahlungen handelt es<br />
sich um berücksichtigungsfähiges Einkommen iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> nicht um Vermögen iS des §<br />
12 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Dies folgt aus der sog Zuflusstheorie, die auch <strong>im</strong> vorliegenden Fall Anwendung findet.<br />
Nicht entscheidend ist, weshalb eine best<strong>im</strong>mte Forderung - wie hier der Abfindungsanspruch - erst<br />
zu einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt erfüllt wird <strong>und</strong> Zahlungen stattfinden. Vom tatsächlichen Zufluss<br />
als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen <strong>und</strong> Vermögen ist schon aus Gründen der<br />
Rechtsklarheit <strong>und</strong> Rechtssicherheit auch dann auszugehen, wenn Zahlungen <strong>im</strong> Wege der<br />
Zwangsvollstreckung erfolgen.<br />
Die Abfindungsteilzahlungen sind auch nicht kraft Gesetzes von einer bedarfsmindernden<br />
Anrechnung auf das Arbeitslosengeld <strong>II</strong> ausgenommen. Sie werden in § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht erwähnt. Sie sind mangels Vergleichbarkeit weder den Gr<strong>und</strong>renten nach dem BVG<br />
noch Leistungen nach dem B<strong>und</strong>esentschädigungsgesetz gleichzustellen. Eine Regelungslücke liegt<br />
nicht vor. Abfindungen, die ein Arbeitgeber wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach einer<br />
sozialwidrigen ordentlichen Kündigung gemäß § § 9, 10 KSchG gewährt, waren nach dem früheren<br />
Recht der Arbeitslosenhilfe kraft ausdrücklicher Regelung ( § 194 Abs 3 Nr 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I) als<br />
"Leistungen zum Ersatz eines Schadens" nicht als Einkommen auf die Arbeitslosenhilfe<br />
anzurechnen. Dasselbe galt für in Anlehnung an § § 9, 10 KSchG ausschließlich für den Verlust des<br />
Arbeitsplatzes vergleichsweise vereinbarte Abfindungsleistungen Dem Gesetzgeber war diese<br />
Sachlage be<strong>im</strong> Übergang von der Arbeitslosenhilfe zu Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bekannt. Gleichwohl hat er darauf verzichtet, eine der früheren Arbeitslosenhilfe-Regelung<br />
entsprechende Privilegierung von Abfindungszahlungen auch ins <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu übernehmen. Dies<br />
spricht auch dagegen, Abfindungszahlungen als "zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme" iS des § 11 Abs 3 Nr<br />
1 Buchst a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> anzusehen.<br />
Eine Leistung ist dann zweckbest<strong>im</strong>mt iS des § 11 Abs 3 Nr 1a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wenn ihr über die<br />
Tilgungsbest<strong>im</strong>mung hinaus erkennbar eine best<strong>im</strong>mte Zweckrichtung beigemessen ist. Der<br />
erkennende Senat versteht dies als eine Best<strong>im</strong>mung über den gesetzlichen oder privatrechtlichen<br />
Verwendungszweck, bei der es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine<br />
besondere Härte bedeuten würde, wenn sie bei der Ermittlung des Bedarfs Hilfebedürftiger als<br />
Einkommen berücksichtigt würde. Dies ist bei Abfindungszahlungen nicht der Fall.<br />
Abfindungszahlungen weisen zwar wie etwa das Schmerzensgeld eine gewisse <strong>im</strong>materielle<br />
Komponente auf <strong>und</strong> sind insoweit zweckbest<strong>im</strong>mt, als die Zahlung erfolgt, um den
101<br />
Abfindungsanspruch des früheren Arbeitnehmers zu erfüllen. Darüber hinaus liegt einer<br />
Abfindungszahlung aber kein weitergehender Verwendungszweck zugr<strong>und</strong>e. Der Arbeitgeber zahlt<br />
die Abfindung, weil der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verloren hat <strong>und</strong> er sich zur<br />
Abfindungszahlung verpflichtet hat. Dem Arbeitgeber ist es aber gleichgültig, wie der Empfänger<br />
die Zahlung verwendet. (Bestätigung in BSG v 18.2.2010)<br />
c) Verspätet gezahlte Arbeitslosenhilfe als Einkommen BSG v 21.12.2009 - B 14 AS 46/08<br />
R ARGE Landkreis Mayen-Koblenz<br />
Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger für den Monat Januar 2005<br />
Arbeitslosenhilfe (Alhi) als Einkommen berücksichtigt hat, die dem Kläger für Zeiträume vor<br />
Inkrafttreten des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zustand, von der BA aber erst <strong>im</strong> Januar 2005 ausgezahlt worden ist. Nach<br />
Auffassung des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers ist durch die Zahlung der Alhi <strong>im</strong> Januar 2005 die<br />
Hilfebedürftigkeit des Klägers bzw der aus ihm, seiner Partnerin <strong>und</strong> einer gemeinsamen Tochter<br />
bestehenden Bedarfsgemeinschaft entfallen. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen<br />
ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision macht der Kläger geltend, die nachgezahlte Alhi stelle iS<br />
des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> "eine Leistung nach diesem Buch" dar. Der Gesetzgeber<br />
habe es unterlassen, in § 65 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eine entsprechende Überleitungsvorschrift mitzuregeln;<br />
insofern liege eine planwidrige Regelungslücke vor. Der Kläger sei in den Monaten November <strong>und</strong><br />
Dezember 2004 sowie Januar 2005 unstreitig hilfebedürftig gewesen. Die Berücksichtigung der<br />
Nachzahlung als Einkommen <strong>im</strong> Januar 2005 führe zu einem realen Leistungsentzug, der vom<br />
Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein könne.<br />
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen. Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden,<br />
dass dem Kläger für den Monat Januar 2005 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zustand. Er war in diesem Monat nicht hilfebedürftig; der<br />
beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger hat die nachträglich <strong>im</strong> Januar 2005 ausgezahlte Arbeitslosenhilfe<br />
(Alhi) zutreffend in diesem Monat als Einkommen berücksichtigt. Bei der Alhi handelt es sich nicht<br />
um eine Leistung nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, die nach § 11 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht zu berücksichtigen<br />
wäre. Das Alg <strong>II</strong> kann auch nicht als bloße Fortsetzung der früheren Alhi angesehen werden;<br />
weshalb auch eine entsprechende Anwendung der Freistellungsregelung nicht in Betracht kommt.<br />
d) BSG v 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R Darlehen als Einkommen
102<br />
Die 1983 geborene, alleinstehende Klägerin erhielt seit März 2006 Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts; seit dem 15.3.2007 ist sie in Vollzeit beschäftigt <strong>und</strong> seither nicht mehr<br />
hilfebedürftig nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Im Februar 2007 stellte die Beklagte fest, dass dem Konto der<br />
Klägerin am 19.12.2006 ein Betrag in Höhe von 1.500 Euro gutgeschrieben worden war. Die<br />
Beklagte hob daraufhin, nach Anhörung der Klägerin, den Bewilligungsbescheid für den Zeitraum<br />
vom 1.12.2006 bis 28.2.2007 teilweise in Höhe von 1.410 Euro nach § 48 Abs 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> X auf.<br />
Der auf dem Girokonto eingegangene Betrag von 1.500 Euro sei ab dem Zuflussmonat als sonstiges<br />
Einkommen nach § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu berücksichtigen <strong>und</strong> anteilig in Höhe von monatlich 470 Euro auf<br />
den restlichen Bewilligungsabschnitt zu verteilen, wobei der Klägerin unter Berücksichtigung der<br />
persönlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse die Möglichkeit einer Ratenzahlung eingeräumt<br />
werde.<br />
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, der Betrag von 1.500 Euro sei<br />
ihr von ihrem Onkel ausdrücklich nur als Darlehen gewährt worden, um Ausgaben zu tätigen, die<br />
sie nicht aus dem Regelsatz habe bestreiten können. Sie habe sich gegenüber ihrem Onkel zur<br />
Rückzahlung der Darlehenssumme verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei sie am 17.7.2007 durch<br />
Überweisung des Betrages in voller Höhe nachgekommen.<br />
Der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger war nicht berechtigt, den Bescheid über die Bewilligung von<br />
Alg <strong>II</strong> für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 28.2.2007 teilweise wegen einer vermeintlich<br />
zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung der Verhältnisse aufzuheben, weil nach Erlass des<br />
Bescheides Einkommen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Alg <strong>II</strong>-<br />
Anspruchs geführt habe. Bei der Zuwendung durch den Onkel der Klägerin handelte es sich nach<br />
den Feststellungen des LSG um ein rückzahlungspflichtiges Darlehen. Das Revisionsgericht ist an<br />
diese Feststellung des LSG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen worden ist, geb<strong>und</strong>en. Die der<br />
Klägerin zugeflossene Darlehenssumme durfte daher bei der Feststellung der Bedürftigkeit nicht als<br />
Einkommen berücksichtigt werden. Ein Darlehen bleibt nicht nur dann unberücksichtigt, wenn ein<br />
Dritter nur deshalb - anstelle des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers <strong>und</strong> unter Vorbehalt des<br />
Erstattungsverlangens - vorläufig "eingesprungen" ist, weil der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger nicht<br />
rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat.
103<br />
d1) BSG v. 20.12.2011 – Darlehn B 4 AS 46/11 R - K. ./. Jobcenter team.arbeit.hamburg<br />
Der über 25-jährige Kläger bezog vor dem 1.1.2005 Sozialhilfe nach dem BSHG, deren Höhe unter<br />
Anrechnung von Unterhaltszahlungen der Eltern iHv 221 Euro monatlich festgesetzt worden war. Diese<br />
Zahlungen wurden <strong>im</strong> November 2004 in den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in die Rubrik "Einkommen" eingetragen. Der Beklagte bewilligte<br />
daraufhin ab 1.1.2005 <strong>und</strong> für den streitgegenständlichen Zeitraum Alg <strong>II</strong> unter Berücksichtung der<br />
Zahlungen der Eltern des Klägers letztlich iHv 190 Euro monatlich (220 Euro minus Versicherungspauschale<br />
von 30 Euro) als Einkommen iS des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vor dem SG war der Kläger erfolgreich. Auf die Berufungen<br />
des Beklagten hat das LSG die Urteile aufgehoben <strong>und</strong> die Klagen abgewiesen.<br />
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Der Kläger hat <strong>im</strong> streitigen Zeitraum Anspruch auf Alg <strong>II</strong><br />
ohne Berücksichtigung der Geldzuwendungen der Eltern. Die Reduzierung der Höhe der Leistung zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts um monatlich 190 Euro wegen der Zuwendungen der Eltern war<br />
rechtswidrig. Im streitigen Zeitraum zwischen dem 1.7.2005 <strong>und</strong> dem 30.6.2005 waren die<br />
Zuwendungen der Eltern kein bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong> zu berücksichtigendes Einkommen des<br />
Klägers iS des § 11 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen iS des § 11 Abs 1<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> dar. Es handelt sich hier jedoch nicht um Geldzahlungen, die dem Kläger zum endgültigen<br />
Verbleib zugewendet worden sind. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen<br />
angegriffenen Feststellungen des LSG haben die Eltern des Klägers ihm das Geld nicht iS des § 516<br />
BGB geschenkt.<br />
Dahinstehen kann, ob dem Kläger eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber den Eltern als<br />
Darlehensgebern unabhängig von dem Fall der nachträglichen Leistung durch den Beklagten oblag.<br />
Denn durch die Zuwendungen der Eltern ist die rechtswidrig vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger abgelehnte<br />
Leistung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituiert worden. Bereits zum BSHG war<br />
anerkannt, dass die Hilfe eines Dritten den Sozialhilfeanspruch dann nicht ausschließt, wenn der<br />
Dritte vorläufig - gleichsam anstelle des Sozialhilfeträgers <strong>und</strong> unter Vorbehalt des<br />
Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig<br />
geholfen oder Hilfe abgelehnt hat. Dem sind 14. <strong>und</strong> 4. Senat des BSG bereits in mehreren<br />
Entscheidungen gefolgt. Die Zuwendungen der Eltern des Klägers erfüllen <strong>im</strong> streitigen Zeitraum<br />
diese Voraussetzungen, weil sie - nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts - in der<br />
Erwartung der Rückzahlung <strong>und</strong> <strong>im</strong> Vertrauen auf einen bestehenden, lediglich noch nicht erfüllten<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungsanspruch des Klägers erfolgt sind. Nach den bindenden Feststellungen des LSG<br />
lagen weder Umstände vor, die die Annahme einer gesetzlichen Verpflichtung hierzu rechtfertigen,<br />
noch waren die Zuwendungen nach dem Darlehensvertrags zum endgültigen Verbleib be<strong>im</strong> Kläger
104<br />
vorgesehen. Welche Vereinbarungen zwischen dem Hilfebedürftigen <strong>und</strong> einem Dritten für den Fall<br />
getroffen werden, dass ein (Kosten)Erstattungsanspruch gegenüber dem Träger der Gr<strong>und</strong>sicherung<br />
<strong>im</strong> Ergebnis eines Verfahrens nicht besteht, ist insoweit unerheblich. Der Beklagte wäre zudem ohne<br />
die Zuwendungen der Eltern in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet gewesen. Die Zuwendungen<br />
stellen damit kein Einkommen iS des § 11 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> dar <strong>und</strong> entbinden den<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger nicht von seiner Leistungsverpflichtung.<br />
e) BSG v 1.6.2010 – B 4 AS 67/09 R - Überbrückungsgeld<br />
Die Kläger begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für das erste<br />
Halbjahr 2006. Die Klägerin zu 2) bezog ab März 2006 Überbrückungsgeld nach § 57 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I in<br />
der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung. Der Beklagte lehnte die Leistungsgewährung wegen<br />
fehlender Hilfebedürftigkeit unter Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als Einkommen ab.<br />
SG Dresden <strong>und</strong> Sächsisches LSG haben die Entscheidung der Beklagten bestätigt<br />
Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Alg <strong>II</strong><br />
<strong>im</strong> Zeitraum vom 7.2. bis 31.5.2006 versagt.<br />
Das Einkommen der Kläger übersteigt <strong>im</strong> gesamten streitigen Zeitraum deren<br />
gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlichen Bedarf. Von März bis Mai 2006 hat die Beklagte zutreffend das der<br />
Klägerin zu 1 gewährte Überbrückungsgeld nach § 57 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I als Einkommen bei der Berechnung<br />
von Regelleistung <strong>und</strong> Leistungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung berücksichtigt.<br />
Es ist auch nicht ein Teil der Leistung nach § 57 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I für "soziale Sicherung" pauschaliert<br />
oder in Höhe der tatsächlich entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung als<br />
zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 lit a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> von der Einkommensberücksichtigung<br />
auszunehmen. Der Leistungsanteil "soziale Sicherung" dient dem selben Zweck wie<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Dieses folgt aus dem System der für den Alg <strong>II</strong>-Leistungsbezieher<br />
"kostenlosen" sozialen Absicherung in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- <strong>und</strong> Rentenversicherung<br />
sowie den <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> vorgesehenen Instrumenten zur Kompensation von Aufwendungen für eine<br />
darüber hinausgehende dem Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Höhe nach angemessene soziale Sicherung. Wegen der<br />
Versicherungspflicht des Alg <strong>II</strong>-Beziehers in der gesetzlichen Kranken- <strong>und</strong> sozialen<br />
Pflegeversicherung sind die freiwillig zur gesetzlichen Kranken- <strong>und</strong> Pflegeversicherung vom<br />
Überbrückungsgeldempfänger entrichteten Beiträge auch nicht dem Gr<strong>und</strong>e nach angemessene
105<br />
Beiträge iS des § 11 Abs 2 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, die vom Einkommen vor dessen Berücksichtigung<br />
abgesetzt werden können. Eine Entscheidung hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung<br />
konnte der Senat dahinstehen lassen, denn die Klägerin hat nach den bindenden Feststellungen des<br />
LSG keine freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Die Beiträge zur<br />
Arbeitslosenversicherung für Selbständige sind hingegen dem Gr<strong>und</strong>e nach angemessen iS des § 11<br />
Abs 2 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Alg <strong>II</strong>-Bezieher ist weder pflichtversichert in der Arbeitslosenversicherung,<br />
noch kann er ansonsten Anwartschaften auf einen Arbeitslosengeldanspruch aufbauen.<br />
Die Beiträge sind deshalb vom Einkommen vor dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des<br />
Alg <strong>II</strong> abzusetzen. Hieraus ergibt sich <strong>im</strong> vorliegenden Fall jedoch kein Leistungsbetrag.<br />
f) BSG v. 1.6.2010 – B 4 AS 89/09 R Zuschläge für Nacht-, Sonntagsarbeit usw. als<br />
Einkommen<br />
In diesem Verfahren ist <strong>im</strong> Streit, ob Sonntags-, Feiertags- <strong>und</strong> Nachtarbeitszuschläge als Einkommen<br />
iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> leistungsmindernd zu berücksichtigen sind oder es sich um zweckbest<strong>im</strong>mte<br />
Einnahmen handelt.<br />
Für den streitigen Bewilligungszeitraum vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 können die Kläger keine<br />
höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> beanspruchen. Bei der<br />
Bewilligung dieser Leistungen hat die Beklagte als Einkommen zu Recht auch die Zuschläge für<br />
Nacht-, Sonn- <strong>und</strong> Feiertagsarbeit als Entgeltbestandteile berücksichtigt <strong>und</strong> dementsprechend auch<br />
einen erhöhten Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> abgesetzt. Es handelt sich hier<br />
nicht um zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahmen, die von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen<br />
sind. Der Senat hat bereits zu Abfindungszahlungen wegen Verlust des Arbeitsplatzes entschieden,<br />
dass für die Annahme einer Zweckbest<strong>im</strong>mung bei Einnahmen auf privatrechtlicher Gr<strong>und</strong>lage eine<br />
Vereinbarung getroffen worden sein muss, aus der objektiv erkennbar folgt, dass die Leistung von<br />
dem Arbeitnehmer (nur) für einen best<strong>im</strong>mten Zweck verwendet werden soll. Unbesehen des<br />
Umstands, dass sich auch aus den steuer- <strong>und</strong> arbeitsrechtlichen Vorschriften nur schwerlich ein<br />
einheitlicher Verwendungszweck für die Nacht-, Sonn- <strong>und</strong> Feiertagszuschläge ableiten lässt, fehlt<br />
es jedenfalls an einem vereinbarten Verwendungszweck
106<br />
g) Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge – BSG v 9.11.2010 – B 4 AS 7/10<br />
Die Kläger beziehen aufstockende Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 aus einer sozialversicherungspflichtigen<br />
Erwerbstätigkeit. Streitig ist die Höhe dieser Leistungen <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.1.2005 bis<br />
31.5.2005. Bei ihrer Berechnung stellte der Beklagte dem Bedarf der Kläger das Einkommen des<br />
Klägers zu 2 gegenüber. Hierbei berücksichtigte er auch die <strong>im</strong> Rahmen der Entgeltumwandlung<br />
von der Arbeitgeberin an die Allianz Pensionskasse AG geleisteten Zahlungen, die lediglich um den<br />
Mindesteigenbeitrag der sog Riesterförderung nach § 86 EStG von hier 29,90 Euro gemindert<br />
wurden. Die Kläger machten insoweit geltend, dass der volle <strong>im</strong> Rahmen der Bruttoentgeltumwandlung<br />
an die Pensionskasse vom Entgelt des Klägers zu 2 tatsächlich abgeführte Betrag mit r<strong>und</strong> 167<br />
Euro deutlich höher sei. Den von der Arbeitgeberin darüber hinaus an die Pensionskasse<br />
entrichteten eigenen Beitrag zu Gunsten des Klägers zu 2 berücksichtigte der Beklagte nicht als<br />
Einkommen.<br />
Die Revision der Kläger hatte Erfolg <strong>im</strong> Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung<br />
<strong>und</strong> Entscheidung an das LSG. Nach den Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht beurteilen,<br />
in welcher Höhe von dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 die aus seinem umgewandelten<br />
Bruttoarbeitsentgelt entrichteten Beträge zur betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) <strong>im</strong><br />
streitigen Zeitraum abzusetzen waren. Es handelt sich insoweit zwar um dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />
angemessene Beiträge zu einer privaten Versicherung iS des § 11 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Zutreffend ist das LSG auch davon ausgegangen, dass sich die Angemessenheit der Höhe der<br />
Beiträge des Klägers zu 2 zur betrieblichen Altersversorgung gr<strong>und</strong>sätzlich nach dem<br />
Mindesteigenbeitrag für die "Riesterförderung" nach § 86 EStG best<strong>im</strong>mt. Da jedoch einerseits auf<br />
Gr<strong>und</strong> der "Beitragsabführung" durch Entgeltumwandlung dieser Teil des Erwerbseinkommens für<br />
den Arbeitnehmer nicht zur Disposition steht - es fließt ihm nicht unmittelbar zu - <strong>und</strong> andererseits<br />
eine Änderung der Betragshöhe von der rechtlichen Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen<br />
Vereinbarung <strong>und</strong> des Versicherungsvertrags abhängig ist, ist dem Hilfebedürftigen bis zur ersten<br />
rechtlich zulässigen Änderungsmöglichkeit nach Eintritt in den <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungsbezug eine<br />
"Schonfrist" einzuräumen, in der die tatsächlich abgeführten Beiträge, soweit sie nicht die Grenze<br />
des § 3 Nr 63 EStG überschreiten, vom Einkommen als der Höhe nach angemessene Beiträge<br />
abzusetzen sind. Insoweit fehlt es jedoch an Feststellungen des LSG insbesondere zu den<br />
arbeitsvertraglichen Gr<strong>und</strong>lagen der betrieblichen Altersversorgung selbst, aber auch der<br />
darin enthaltenen rechtlichen Möglichkeiten einer Änderung der Höhe des an die Pensionskasse
107<br />
abzuführenden Betrags des Klägers zu 2 <strong>im</strong> hier streitigen Zeitraum.<br />
h) Unterhaltstitel- unpfändbar – BSG v 9.11.2010 – B 4 AS 78/10 R<br />
Der Kläger bezieht seit März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>, welche die Beklagte für die Zeit vom 1.10.2007 bis 31.3.2008 in Höhe von 592,96 Euro<br />
monatlich bewilligte (Bescheid vom 4.10.2007). Seine monatlichen Einkünfte aus einer<br />
Teilzeitbeschäftigung ab 1.3.2008 beliefen sich auf 600 Euro brutto bzw 496,47 Euro netto. In einer<br />
am 29.2.2008 be<strong>im</strong> Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald unterzeichneten<br />
Urk<strong>und</strong>e verpflichtete sich der Kläger, in der Zeit vom 1.3. bis 31.12.2008 Unterhalt an seinen Sohn<br />
in Höhe von 245 Euro zu zahlen, den er auch tatsächlich erbrachte. Mit Bescheiden vom 4.4.2008<br />
bewilligte die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 4.10.2007 für<br />
die Zeit vom 1.3.2008 bis 30.9.2008 nur noch <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>-Leistungen in Höhe von 353,62 Euro ohne Berücksichtigung der monatlichen<br />
Unterhaltszahlungen als Absetzposten.<br />
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen<br />
ohne Berücksichtigung des Einkommens aus seiner Teilzeitbeschäftigung, weil neben den weiteren<br />
Absetzbeträgen auch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn aus der be<strong>im</strong> Jugendamt<br />
unterzeichneten Unterhaltsur-k<strong>und</strong>e in vollem Umfang einkommensmindernd zu berücksichtigen<br />
ist. Bei der Unterhaltsurk<strong>und</strong>e handelt es sich um einen Unterhaltstitel zur Erfüllung gesetzlicher<br />
Unterhaltspflichten iS des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Senat geht da-von aus, dass der Umfang<br />
der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht in jedem Einzelfall eigenständig festzustellen,<br />
sondern regelmäßig auf den titulierten Unterhaltsanspruch abzustellen ist. Nach den tatsächlichen<br />
Feststellungen des LSG hat der Kläger den von ihm anerkannten Unterhalt auch regelmäßig erbracht.<br />
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich ein Außerbetrachtlassen der Unterhaltsverpflichtung<br />
des Klägers nicht aus seiner allgemeinen Pflicht zur Eigenaktivität nach § 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
ableiten. Dies folgt bereits daraus, dass die gesetzliche Regelung die vom Kläger gewählte Gestaltung<br />
ausdrücklich zulässt.<br />
i) Absetzung von Pauschalbeträgen für private Unfallversicherung für Minderjährige
108<br />
BSG v. 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - S.G., M.F., B.G. ./. Jobcenter Zwickau<br />
Der Beklagte bewilligte den <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungsbezug stehenden Klägern zunächst vorläufige<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen Erwerbseinkommens des Klägers zu 2 in<br />
wechselnder Höhe. Die Klägerin zu 1 war nicht erwerbstätig, sie erhielt Kindergeld für den <strong>im</strong><br />
streitigen Zeitraum noch minderjährigen Kläger zu 3 <strong>und</strong> dieser bezog eine Waisenrente sowie<br />
Ausbildungsgeld für die Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Erwerbsleben. Am<br />
6.5.2010 erteilte der Beklagte einen endgültigen Bescheid für den Bewilligungszeitraum vom 1.8.<br />
bis 31.12.2009 sowie einen Bescheid über die Gewährung vorläufiger Leistungen bis 18.2.2010.<br />
Die Widersprüche der Kläger hiergegen, ua wegen der fehlenden Absetzung einer Versicherungspauschale<br />
von 30 Euro bei der Berechnung des Sozialgeldes des Klägers zu 3 wegen einer für ihn<br />
abgeschlossenen privaten Unfallversicherung, blieben erfolglos.<br />
Das SG hat der Klage stattgegeben <strong>und</strong> den Beklagten verurteilt, den Klägern Leistungen unter<br />
Abzug einer Versicherungspauschale entsprechend ihrem Begehren zu erbringen.<br />
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Er macht geltend,<br />
dass die private Unfallversicherung keine angemessene Versicherung iS des § 11 Abs 2 Nr 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sei. Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungsberechtigte oder Bezieher von Einkommen knapp oberhalb<br />
der Gr<strong>und</strong>sicherungsgrenze hielten nach ihrem Lebenszuschnitt eine solche Versicherung nicht.<br />
Insgesamt verfügten auch nur 31% der Haushalte in der BRD über eine private Unfallversicherung.<br />
Außerdem setze § 6 Alg <strong>II</strong>-V voraus, dass der Minderjährige die entsprechende Versicherung selbst<br />
abgeschlossen habe. Das sei hier nicht der Fall, denn die Klägerin zu 1 habe den Versicherungsvertrag<br />
für den Kläger zu 3 abgeschlossen.<br />
Die Sprungrevision des Beklagten führte zur Zurückverweisung an das SG. Zwar kann seit dem<br />
1.8.2009 nach § 6 Abs 1 Nr 2 Alg <strong>II</strong>-V auch von dem Einkommen Minderjähriger, die in einer<br />
Bedarfsgemeinschaft leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für Beiträge zu privaten<br />
Versicherungen in Abzug gebracht werden, bevor dieses Einkommen bei der Berechnung des<br />
Sozialgeldes berücksichtigt wird. Es muss sich jedoch um nach Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Höhe angemessene<br />
Beiträge handeln <strong>und</strong> für den Minderjährigen muss eine entsprechende Versicherung abgeschlossen<br />
sein. Mit dem 8. Senat des BSG <strong>und</strong> dem BVerwG geht der erkennende Senat davon aus,<br />
dass es <strong>im</strong> Hinblick auf die Angemessenheit einerseits darauf ankommt, für welche Lebensrisiken<br />
<strong>und</strong> in welchem Umfang Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Gr<strong>und</strong>sicherungsgrenze
109<br />
üblicherweise Vorsorgeaufwendungen zu tätigen pflegen <strong>und</strong> andererseits, welche individuellen<br />
Lebensverhältnisse die Situation des Hilfebedürftigen prägen. Der Senat hat zwar Zweifel, dass eine<br />
private Unfallversicherung für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche eine in diesem Sinne übliche<br />
Vorsorgeaufwendung ist. Dieses wird das SG jedoch <strong>im</strong> wieder eröffneten Klageverfahren zu klären<br />
haben. Ebenso wird es Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die persönlichen Umstände des<br />
Klägers zu 3 hier ausnahmsweise den Abschluss einer solchen Versicherung rechtfertigen. Darauf,<br />
dass die Versicherung nicht von dem Kläger zu 3 persönlich abgeschlossen worden ist, kommt es<br />
entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an.<br />
j) BSG v. 21.6.2011 – B 4 AS 21/10 R (Ansparrücklage als Einkommen) –<br />
Die Sprungsrevision des Klägers hatte <strong>im</strong> Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG<br />
Erfolg. Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der aufgehobene Bewilligungsbescheid<br />
vom 16.8.2005 von Anfang an rechtswidrig war ( § 45 <strong>SGB</strong> X) oder durch eine wesentliche<br />
Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist ( § 48 <strong>SGB</strong> X). Es ist vom<br />
SG nicht festgestellt worden, ob hier bei der Bescheiderteilung nach den objektiven Verhältnissen<br />
Hilfebedürftigkeit vorlag oder die Hilfebedürftigkeit ggf <strong>im</strong> Verlaufe des Bewilli-gungszeitraumes<br />
entfallen ist.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist <strong>im</strong> hier streitigen Zeitraum vom 1.10. bis 31.12.2005 davon auszugehen,<br />
dass ein Gewinn aus der Auflösung einer Ansparrücklage iS des § 7g EStG Arbeitseinkommen<br />
aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sein kann, das zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit<br />
einzusetzen ist. Bei dem Gewinn aus der aufgelösten Ansparrücklage handelt es sich auch<br />
nach der normativen Best<strong>im</strong>mung des § 2a Alg <strong>II</strong>-V um einen Einkommenszufluss iS des <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> <strong>und</strong> nicht um Ver-mögen. Ein solcher Gewinn ist jedoch nur dann als Einkommen bei der<br />
Berechnung von Alg <strong>II</strong> zu berücksichtigen, wenn hieraus bereite Mittel zur Lebensunterhaltssicherung<br />
folgen.<br />
Siehe hierzu auch BSG v. 21.6.2011 – B 4 AS 22/10 R<br />
………Soweit es die hier <strong>im</strong> Streit stehende Ansparrücklage <strong>im</strong> Zeitraum vom 31.3. bis 30.9.2005<br />
betrifft, so wäre diese - wenn tatsächlich noch vorhanden - vom Kläger als Vermögen <strong>im</strong> Rahmen<br />
der Grenzen des § 12 Abs 2 Nr 1 <strong>und</strong> 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen.
110<br />
Die Ansparrücklage ist aus Einkommen in den Jahren vor ihrer Heranziehung zur Einkommenssteuer<br />
<strong>und</strong> vor der Antragstellung aufgebaut worden. Es handelt sich bei dem steuerrechtlichen Gewinn<br />
aus einer Auflösung der Ansparrücklage damit entgegen der Auffassung des SG nicht um Einkommen<br />
<strong>im</strong> gr<strong>und</strong>sicherungsrechtlichen Sinne. Anders als über § 2a Alg <strong>II</strong>-V ab dem 1.10.2005<br />
erfolgte hier auch keine normative Best<strong>im</strong>mung dieses Gewinns als Einkommen. Besondere Regelungen<br />
zur Best<strong>im</strong>mung des Einkommens Selbstständiger gab es nicht. Nach § 3 Alg <strong>II</strong>-V war auch<br />
bei Selbstständigen von den Bruttoeinkünften auszugehen.<br />
BSG v. 27.9.2011, - B 4 AS 180/10 R – Absetzung von Freibeträgen vom Krankengeld<br />
?<br />
Die Klägerin begehrt Alg <strong>II</strong> für den Zeitraum von Dezember 2008 bis Mitte April 2009, ua unter Absetzung<br />
des Erwerbstätigenfreibetrags vom Krankengeld. Sie ist seit 1998 durchgehend sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigt (20 St<strong>und</strong>en wöchentlich). Anfang Juli 2008 erkrankte sie arbeitsunfähig, wurde <strong>im</strong> August 2008<br />
operiert <strong>und</strong> nahm ihre Erwerbstätigkeit Mitte April 2009 wieder auf. Während der Arbeitsunfähigkeit bezog<br />
sie zunächst sechs Wochen lang Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber <strong>und</strong> danach Krankengeld. Im<br />
Verlaufe der zweiten Jahreshälfte 2008 floss der Klägerin eine Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) ihres<br />
Arbeitgebers zu. Der Beklagte gewährte der Klägerin seit dem 1.1.2005 bis zum Beginn des streitigen<br />
Zeitraumes aufstockendes Alg <strong>II</strong>. Alsdann lehnte er die Fortzahlung der Leistung ab, denn die Klägerin<br />
könne ihren Bedarf durch Kranken- <strong>und</strong> das über 12 Kalendermonate nach dem Zufluss verteilte<br />
Weihnachtsgeld decken. Der zu berücksichtigende Betrag des Krankengeldes sei nicht um einen<br />
Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu reduzieren. Dieser Freibetrag sei lediglich bei Einkommen<br />
aus Erwerbstätigkeit in Abzug zu bringen.<br />
Vor dem SG <strong>und</strong> dem LSG war die Klägerin mit ihrem Begehren <strong>im</strong> Wesentlichen nicht erfolgreich. Das LSG<br />
hat zur Begründung ausgeführt, das Krankengeld sei in tatsächlich geleisteter Höhe (netto) als Einkommen<br />
bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong> zu berücksichtigen. Sowohl der Wortlaut des § 30 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, als auch die<br />
Gesetzesbegründung sprächen dafür, die Entgeltersatzleistung nicht um einen Erwerbstätigenfreibetrag zu<br />
bereinigen. Auch das BVerwG habe bei der Vorgängervorschrift des § 76 Abs 2a BSHG den Abzug des<br />
Erwerbstätigenfreibetrags auf die Fälle des Erwerbseinkommens begrenzt. Schließlich entspreche dieses<br />
Vorgehen auch der <strong>Rechtsprechung</strong> des 4. Senats des BSG, der bei Berücksichtigung von Krankengeld als<br />
Einkommen lediglich die Versicherungspauschale <strong>und</strong> Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Abzug<br />
gebracht habe.<br />
Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob die Klägerin zwischen Dezember 2008 <strong>und</strong> Mitte<br />
April 2009 Anspruch auf Alg <strong>II</strong> hat. Ein Anspruch auf Alg <strong>II</strong> könnte nur dann gegeben sein, wenn von dem <strong>im</strong><br />
streitigen Zeitraum zu berücksichtigenden Einkommen aus Krankengeld <strong>und</strong> "verteiltem" Weihnachtsgeld<br />
Absetzungen in einer Höhe vorzunehmen sind, die zu einem überschießenden Anteil des Bedarfs nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> Verhältnis zu dem zu berücksichtigenden Einkommen führen.<br />
Der Erwerbstätigenfreibetrag iS des § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist gr<strong>und</strong>sätzlich nicht vom Krankengeld als<br />
Entgeltersatzleistung in Abzug zu bringen. Seine Absetzfähigkeit ist auf Erwerbseinkommen beschränkt.<br />
Dies folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie Sinn <strong>und</strong> Zweck<br />
der Regelung <strong>und</strong> entspricht auch der <strong>Rechtsprechung</strong> der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum früheren § 76<br />
Abs 2a BSHG.
Freibeträge nach § 11 Abs 2 S 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, insbesondere nach § 11 S 1 Nr 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, sind jedoch auch vom<br />
Krankengeld vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong> abzuziehen. Nach § 11<br />
Abs 2 S 1 Nr 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wird der Absetzbetrag gewährt für mit der Erzielung der Einkünfte verb<strong>und</strong>ene<br />
notwendige Aufwendungen. Bereits vom Wortlaut her sind derartige Absetzungen mithin auch vom<br />
Einkommen, das nicht Erwerbseinkommen ist, möglich. Mit der Erzielung des Einkommens verb<strong>und</strong>en ist<br />
eine Aufwendung dann, wenn die Zielrichtung der Aufwendung mit der Einkunftsart in einer Beziehung steht<br />
- gleichsam eng mit ihr verb<strong>und</strong>en ist. Notwendig sind die Aufwendungen, wenn sie auch während des<br />
Bezugs der Entgeltersatzleistung weiter anfallen, weil die Verb<strong>und</strong>enheit mit der Einkommensart so eng ist,<br />
dass eine Einstellung des Aufwandes nicht erwartet werden oder während des Entgeltersatzanspruchs nicht<br />
ohne Weiteres reduziert werden kann. Im letzteren Falle sind die Aufwendungen bis zur ersten sich<br />
ergebenden rechtlichen Möglichkeit der Änderung abzusetzen.<br />
Ob hier die Klägerin tatsächliche monatliche Aufwendungen hatte, die nach § 11 Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mit<br />
Ausnahme der Versicherungspauschale abzugsfähig waren, konnte der Senat nach den Feststellungen des<br />
LSG nicht abschließend beurteilen. Der Leistungsanspruch der Klägerin hängt ferner ua davon ab, ob <strong>und</strong><br />
ggf welche Absetzungen vom Gesamteinkommen aus Krankengeld <strong>und</strong> aufgeteilter einmaliger Einnahme<br />
(Weihnachtsgeld) vorzunehmen sind.<br />
111<br />
BSG v. 24.11.2011 - Freibetrag nach § 11 Abs 2 S 2 - B 14 AS 201/10 R<br />
Die Beteiligten streiten <strong>im</strong> Hinblick auf die Höhe der von dem Beklagten <strong>im</strong> April 2009 zu erbringenden<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> darum, in welchem Umfang Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen ist.<br />
Die Klägerin bezieht seit 2005 Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie lebt in einem Haushalt mit ihrer 1993<br />
geborenen Tochter <strong>und</strong> ihrem 1996 geborenen Sohn. Seit November 2008 war die Klägerin als Aushilfskraft<br />
beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von ihr Anfang März 2009 gekündigt. Mit einem<br />
Änderungsbescheid vom 15. April 2009 berücksichtigte der Beklagte nach Einreichung der Lohnabrechnung<br />
das tatsächlich für den Monat März erzielte Einkommen der Klägerin in Höhe von 61,12 Euro. Dabei setzte<br />
er ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 31,12 Euro an <strong>und</strong> bewilligte der Klägerin Leistungen für April<br />
2009 in Höhe von 677,48 Euro. Die Klägerin machte demgegenüber geltend, Einkommen aus<br />
Erwerbstätigkeit sei nach Berücksichtigung des Gr<strong>und</strong>freibetrages bei ihr nicht zu berücksichtigen. Der<br />
Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin zurück, weil diese nicht erwerbsfähig sei <strong>und</strong> ihr daher der<br />
Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in Höhe von 100 Euro monatlich nicht zustehe.<br />
Das SG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Mit der Sprungrevision macht die Klägerin geltend,<br />
der Gesetzgeber habe nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige planwidrig von den Freibetragsregelungen des<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausgenommen. Auch diese könnten mit ihrem Einkommen zum Unterhalt der Bedarfsgemeinschaft<br />
beitragen. Daher liege es nah, auch die Freibeträge nach § 11 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu<br />
berücksichtigen.<br />
Die Revision der Klägerin war insoweit erfolgreich, als der Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin<br />
höheres Sozialgeld zu gewähren. Das SG hat zutreffend entschieden, dass vom Einkommen der<br />
Klägerin aus Erwerbstätigkeit kein Gr<strong>und</strong>freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in Höhe von 100<br />
Euro abzusetzen ist. Der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> steht nur erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen mit Erwerbseinkommen zu. Auf die nicht erwerbsfähige Klägerin ist jedoch § 82 Abs<br />
3 Satz 1 <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> entsprechend anzuwenden, wonach ein Betrag in Höhe von 30 vom H<strong>und</strong>ert des<br />
Einkommens aus selbständiger <strong>und</strong> nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten<br />
abzusetzen ist, höchstens jedoch 50 vom H<strong>und</strong>ert des Eckregelsatzes. Da in beiden<br />
Existenzsicherungssystemen für die Anrechnung von Erwerbseinkommen Freibeträge vorgesehen<br />
sind, kann die Klägerin nicht nur deshalb schlechter behandelt werden, weil sie als<br />
Nichterwerbsfähige in das Leistungssystem des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> einbezogen wird. Sie steht - als nicht<br />
erwerbsfähige Sozialgeldbezieherin - der vom <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> erfassten Personengruppe aber näher als der
112<br />
Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.<br />
BSG v 14.3.2012 – B 14 AS 18/11 R – Kurzarbeitergeld <strong>und</strong> Freibetrag<br />
Kurzarbeitergeld ist bei der Berechnung des Freibetrages nach § 30 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu berücksichtigen.<br />
Voraussetzung für einen Freibetrag nach § 30 ist ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Der<br />
Freibetrag soll ein Anreiz für die Aufnahme oder zur Aufrechterhaltung von bereits bestehender<br />
Erwerbstätigkeit sein. Die Funktion von Kurzarbeitergeld geht in dieselbe Richtung. Trotz<br />
Arbeitsausfalles <strong>und</strong> eines damit einhergehenden Entgeltverlustes soll das Arbeitsverhältnis<br />
aufrechterhalten bleiben.<br />
BSG v 22.8.2011, Rückerstattung von Kosten der Haushaltsenergie ist kein<br />
Einkommen - B 14 AS 186/10 R<br />
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung einer Erstattung von Stromkosten als Einkommen iR<br />
des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> streitig.<br />
Die <strong>im</strong> Jahr 1978 geborene Klägerin wohnt zusammen mit ihrer Mutter, die die Klägerin <strong>und</strong><br />
Revisionsbeklagte des Revisionsverfahrens B 14 AS 185/10 R ist, in einer Dreiz<strong>im</strong>merwohnung in<br />
Oranienburg. Sie bezieht seit dem 1.1.2005 ununterbrochen Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Am 15.5.2007 reichte die Klägerin die Stromabrechnung für das Jahr 2006 be<strong>im</strong> Beklagten ein, aus<br />
der sich für die Klägerin <strong>und</strong> ihre Mutter ein Guthaben von insgesamt 164,35 Euro ergab, das bereits am<br />
23.2.2007 ausgezahlt worden war. Der Beklagte hob daraufhin den Leistungsbescheid für die laufende<br />
Bewilligungsperiode teilweise auf <strong>und</strong> rechnete das Guthaben aus der Stromabrechnung in Höhe von 82,17<br />
Euro als Einkommen an. Zugleich forderte er von der Klägerin einen Betrag von 82,17 Euro zurück. Auf den<br />
Widerspruch der Klägerin minderte er die Rückforderung auf 52,17 Euro.<br />
Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hatte Erfolg. Das SG hielt eine wesentliche Änderung in den<br />
tatsächlichen Verhältnissen wegen der Stromkostenerstattung nicht für gegeben. Der Erstattungsbetrag aus<br />
einer periodischen Stromkostenabrechnung, deren Vorauszahlungen zuvor vom Hilfebedürftigen aus Mitteln<br />
der Gr<strong>und</strong>sicherung geleistet worden seien, könne nicht als Einkommen qualifiziert werden. Gegen dieses<br />
Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Der Gesetzgeber habe mit<br />
der Einführung einer Sonderregelung zu den Betriebskosten in § 22 Abs 1 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> deutlich gemacht,<br />
dass sonstige Rückzahlungen von Energiekosten weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen seien. Das<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sehe kein "Belohnungssystem" dergestalt vor, dass Erstattungen von zuvor vom Hilfeempfänger an<br />
Dritte geleistete Zahlungen <strong>im</strong> Ergebnis privilegiert würden. Mit seinem auf Energiesparen ausgerichteten
113<br />
Verhalten entspreche ein Leistungsempfänger lediglich den Vorgaben des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Die Revision des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers wurde zurückgewiesen.<br />
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger das Guthaben der<br />
Klägerin <strong>und</strong> ihrer Mutter (Verfahren unter 3.) aus der Stromabrechnung der Stadtwerke O. für das<br />
Jahr 2006 <strong>im</strong> Februar 2007 in Höhe von jeweils 82,17 Euro zu Unrecht als Einkommen berücksichtigt<br />
hat. Gr<strong>und</strong>sätzlich sind zwar auch Rückerstattungen von Vorauszahlungen aus<br />
Energielieferverträgen <strong>im</strong> Bedarfszeitraum als Einkommen <strong>und</strong> nicht als Vermögen zu<br />
berücksichtigen. Nach Sinn <strong>und</strong> Zweck des § 11 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> kann aber eine Rückzahlung von<br />
Kosten für Haushaltsenergie, die auf Vorauszahlungen aus Zeiträumen beruht, in denen<br />
Hilfebedürftigkeit bestand, nicht als Einkommen berücksichtigt werden, weil es sich bei den<br />
Zahlungen für Haushaltsenergie um die Befriedigung eines der Regelleistung zuzuordnenden<br />
Gr<strong>und</strong>bedarfs handelt. Einnahmen aus Einsparungen hinsichtlich der Regelbedarfe sind<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als<br />
Einkommen freizustellen.<br />
BSG v 22.3.2012 – B 4 AS 139/11 R - Betriebskostengutschrift<br />
Wenn jemand eine Betriebskostengutschrift erhält, erzielt er damit <strong>im</strong> Zweifel Einkommen. Nach §<br />
22 Abs 1 S 4 mindern Rückzahlungen <strong>und</strong> Guthaben, die den Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung<br />
zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden,<br />
Aufwendungen. Derartige Rückzahlungen oder Guthaben sind <strong>im</strong> allgemeinen kopfteilig zu berücksichtigendes<br />
Einkommen. Satz 4 modifiziert für Rückzahlungen <strong>und</strong> Guthaben lediglich den<br />
Zeitpunkt der Berücksichtigung als Einkommen <strong>und</strong> die Reihenfolge der Berücksichtigung sowie<br />
die Regel des § 11 Abs. 2. Der Vorschrift kann auf keinen Fall eine Beschränkung auf<br />
Abrechnungen, die allein aus Zahlungen des Leistungsberechtigten resultieren, entnommen werden.<br />
Ebenso wie Guthaben, die aus Zeiten stammen, in denen keine Hilfebedürftigkeit bestand, zu<br />
berücksichtigen sind, ist es unerheblich, wer die Zahlungen getätigt hat. Es kommt nicht darauf an,<br />
ob die Gutschrift mit einer Forderung eines Dritten belastet war. Einkommen ist in erster Linie zur<br />
Lebensunterhaltssicherung einzusetzen, nicht hingegen zur Schuldentilgung.<br />
BSG v 22.3.2012 – B 4 AS 26/10 R<br />
(Schuldentilgung /Anspruchsgr<strong>und</strong>lage)<br />
Im vorliegenden Fall hielt die Beklagte zur Tilgung eines Mietkautiondarlehens 10 % bzw. später 5<br />
% des Regelsatzes des Klägers ein.<br />
Das BSG hielt das für rechtswidrig, weil Rechtsgr<strong>und</strong> hierfür zumindest <strong>im</strong> streitigen<br />
Zeitraum nicht vorhanden war. Eine Aufrechnung nach § 51 <strong>SGB</strong> I kommt nicht in Betracht,<br />
weil es an der Pfändbarkeit der <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen fehlt. § 23 Abs. 1 Satz drei <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> kommt
114<br />
nicht in Betracht, weil diese Norm ausdrücklich nur für Darlehen für unabweisbare Bedarfe<br />
zur Sicherung des Lebensunterhalts gedacht ist. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ist<br />
nicht möglich, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Auch aus einer von dem<br />
Beklagten vorformulierten <strong>und</strong> vom Kläger unterschriebenen Erklärung ergibt sich keine<br />
Berechtigung zur Tilgung des Darlehens aus der laufenden Regelleistung, weil ein Verzicht<br />
auf diese existenzsichernden Leistungen jedenfalls eine Umgehung von Rechtsvorschriften<br />
nach § 46 Abs. 2 <strong>SGB</strong> I darstellen würde.<br />
BSG vom 23.08.2011<br />
, Geldgeschenke der Großmutter, B 14 AS 74/10 R<br />
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Geldgeschenken zu Weihnachten sowie zu<br />
Geburtstagen als Einkommen iR des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Die 1967 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der 1991, 1993 <strong>und</strong> 2000 geborenen Kläger zu 2 bis 4. Im<br />
streitigen Zeitraum von September 2006 bis Februar 2007 bezogen die Kläger vom beklagten Jobcenter<br />
Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich insgesamt ca 1.100 Euro. Die<br />
Großmutter der Kläger zu 2 bis 4 überwies am 21.11.2006 einen Betrag in Höhe von 135 Euro als<br />
Geburtstagsgeschenk für den Kläger zu 2, am 6.12.2006 einen Betrag in Höhe von 300 Euro, der in Höhe<br />
von jeweils 100 Euro als Weihnachtsgeschenk für die Kläger zu 2 bis 4 best<strong>im</strong>mt war <strong>und</strong> am 5.1.2007<br />
einen Betrag in Höhe von 135 Euro als Geburtstagsgeschenk für den Kläger zu 3. In einem nachfolgenden<br />
Brief gab sie an, das Geld sei dafür gedacht, dass die Kinder sich selbst einen Wunsch erfüllen könnten.<br />
Der Beklagte hob daraufhin <strong>im</strong> März 2007 den maßgebenden Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem<br />
1.12.2006 teilweise auf <strong>und</strong> verlangte die Erstattung von Leistungen in Höhe von 510 Euro.<br />
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG die Leistungskürzung teilweise aufgehoben; von den<br />
Geldgeschenken dürften je Anlass 50 Euro (insgesamt 250 Euro) nicht als Einkommen berücksichtigt<br />
werden. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben <strong>und</strong> die<br />
Klage abgewiesen sowie die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die<br />
Bescheide über die Bewilligung von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen seien nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 <strong>SGB</strong> X<br />
aufzuheben gewesen, da die Kläger nach Erlass des Bewilligungsbescheides Einkommen erzielt hätten. Die<br />
Kläger zu 2 bis 4 hätten das Geld nach dem Willen ihrer Großmutter zur freien Verfügung erhalten <strong>und</strong><br />
deshalb zu demselben Zweck einsetzen können wie die Gr<strong>und</strong>sicherung. Dies treffe etwa auch auf den<br />
Wunsch zu, mit dem Geld Spielzeug <strong>und</strong> Kleidung zu kaufen; beides zähle zu den Gr<strong>und</strong>bedürfnissen, die<br />
aus der Regelleistung zu bestreiten seien. Die Berücksichtigung der Geldgeschenke als Einkommen<br />
entspreche auch der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von<br />
Einkommen <strong>und</strong> Vermögen be<strong>im</strong> Arbeitslosengeld <strong>II</strong>/Sozialgeld. Danach komme auch eine Reduzierung der<br />
Anrechnung um 50 Euro pro Zuwendung nicht in Betracht.<br />
Mit der Revision machen die Kläger geltend, die Großmutter habe mit ihren Zuwendungen eine andere<br />
Zweckrichtung verfolgt als die Leistungen des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie habe gewollt, dass sich die Kinder damit Dinge<br />
kaufen sollten, die vom Gr<strong>und</strong>bedarf des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht abgedeckt würden.<br />
Der Rechtsstreit wurde durch Anerkenntnis des beklagten Jobcenters erledigt. Das Jobcenter hat<br />
die Bescheide über die Berücksichtigung der Geldgeschenke als Einkommen <strong>und</strong> deren Erstattung<br />
aufgehoben.
115<br />
k) Verschiedene Einkommensarten<br />
aa) Insolvenzgeld<br />
Das der Klägerin am 18.1.2005 auf ihrem Konto gutgeschriebene Insolvenzgeld ist als Einkommen<br />
bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong> zu berücksichtigen. Das Insolvenzgeld fällt unter keine der in § 11<br />
Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ausdrücklich geregelten Ausnahmen von zu berücksichtigenden Einnahmen in<br />
Geld oder in Geldeswert.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht v. 13.5.2009- B 4 AS 29/08 R –<br />
bb) Übergangsgeld<br />
Das ihr für die Zeit vom 1. bis zum 29.1.2005 am 9.2.2005 gezahlte Übergangsgeld nach § 51 <strong>SGB</strong><br />
IX in Höhe von 1056,47 Euro ist auch nach Auffassung des Senats <strong>im</strong> ganzen Monat Februar 2005<br />
als Einkommen iS des § 11 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu berücksichtigen <strong>und</strong> schließt Hilfebedürftigkeit für<br />
diesen Monat aus.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht 7.5.2009- B 14 AS 4/08 R –<br />
cc) Verletztenrente / DDR<br />
Das SG hat allerdings zutreffend entschieden, dass die Verletztenrente des Klägers aus der<br />
gesetzlichen Unfallversicherung in vollem Umfang als Einkommen iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu<br />
berücksichtigen ist. Die Wehrdienstbeschädigung des Klägers wurde nach dem Recht der DDR wie<br />
ein Arbeitsunfall behandelt <strong>und</strong> entsprechend den Vorschriften der Rentenverordnung der DDR von<br />
der Sozialversicherung entschädigt; nach Herstellung der deutschen Einheit wurden diese<br />
Unfallrenten der DDR in die gesetzliche Unfallversicherung überführt.<br />
BSG v 17.3.2009 - B 14 AS 15/08 R –<br />
dd) BAföG-Leistungen<br />
Die Revisionen der Beklagten waren teilweise erfolgreich. Die Ausbildungsförderung nach dem<br />
BAföG ist teilweise als zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bei der<br />
Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Sie dient sowohl dem Zweck, den
116<br />
Lebensunterhalt zu sichern, als auch dem Zweck, die Ausbildung zu finanzieren. Allerdings gibt es<br />
für eine best<strong>im</strong>mte anteilsmäßige oder prozentuale Aufteilung der als Pauschale gewährten<br />
Förderungsleistungen hinsichtlich der Kosten für den Lebensunterhalt <strong>und</strong> der Kosten für die<br />
Ausbildung keine verbindliche Vorgabe. In der bisherigen Praxis ist ausgehend von einer<br />
entsprechenden Regelung in den BAföG-VwV eine Pauschale von 20 vH von den BAföG-<br />
Leistungen für ausbildungsbedingte Kosten festgelegt worden. Da der überwiegende Teil der<br />
BAföG-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - <strong>und</strong> damit zur Deckung der in den § § 20,<br />
22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> genannten Bedarfe - verwandt werden muss, hält der Senat die Pauschalierung in einer<br />
solchen Größenordnung für nachvollziehbar; dies allerdings nur, wenn sie sich von dem Betrag<br />
ableitet, der nach dem BAföG als insgesamt bedarfsdeckend angesehen wird <strong>und</strong> ergänzende<br />
Fürsorgeleistungen generell ausschließt ( § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Der Senat sieht daher einen pauschalen Anteil des BAföG in Höhe von 82,40 Euro (20 vH von 412<br />
Euro) als zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> an. Eine<br />
(weitergehende) Absetzung von Ausgaben, die <strong>im</strong> Einzelfall nachweislich für die durchlaufene<br />
Ausbildung aufgebracht worden sind, kommt weder auf Gr<strong>und</strong>lage des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> noch auf Gr<strong>und</strong>lage des § 11 Abs 2 Nr 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in Betracht. Von dem Teil des BAföG, der<br />
danach nicht als zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme gilt (109,60 Euro) können <strong>im</strong> Fall B 14 AS 63/07 R<br />
(nach Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin) lediglich noch die Versicherungspauschale <strong>und</strong><br />
(soweit angefallen) die nachgewiesenen Ausgaben für eine KfZ-Versicherung nach § 11 Abs 2 Nr 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> abgesetzt werden.<br />
BSG v 17.3.2009 - B 14 AS 61/07 R -B 14 AS 62/07 R - - B 14 AS 63/07 R –<br />
Siehe auch BSG v 21.12.2009 – B 14 AS 61/08 R<br />
. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger für den streitigen Zeitraum<br />
ein Anspruch auf Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> dem Gr<strong>und</strong>e nach zusteht. Alle<br />
Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg <strong>II</strong> sind dem Gr<strong>und</strong>e nach erfüllt; die<br />
Ausschlussregelung des § 7 Abs 5 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, wonach Auszubildende, deren Ausbildung ua <strong>im</strong><br />
Rahmen des BAföG dem Gr<strong>und</strong>e nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts haben, greift entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ein, weil<br />
der Kläger lediglich sog Schüler-BAföG (nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG) bezog, weshalb der<br />
Ausschluss von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (nach § 7 Abs 6 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) aufgehoben ist.
117<br />
Maßgebend dafür, dass der Kläger lediglich Schüler-BAfög erhielt, war die Tatsache, dass die<br />
Ausbildungsstätte vom Wohnort des Vaters aus erreichbar war. Unerheblich für die Bemessung der<br />
Ausbildungsförderung nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG ist dagegen, ob der Auszubildende tatsächlich<br />
bei seinen Eltern wohnt. Die Privilegierung in § 7 Abs 6 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> beruht allein darauf, dass der<br />
Auszubildende nur den niedrigeren Satz des sog Schüler-BAföG nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG<br />
erhält.<br />
gg) Krankengeld als Einkommen<br />
Bei der Berechnung der Leistungen zur Gr<strong>und</strong>sicherung war das dem Kläger am 1.12.2005<br />
gutgeschriebene Krankengeld, das für den Zeitraum vom 16. bis 25.11.2005 gewährt worden ist, <strong>im</strong><br />
Monat Dezember 2005 als Einkommen zu berücksichtigen. Zwar handelt es sich bei dem<br />
Krankengeld um eine Sozialleistung. Gleichwohl ist sie als Einkommen iS des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu<br />
bewerten. BSG v 16.12.2009 - B 4 AS 70/07 R -<br />
BSG v. 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R – Erbschaft <strong>und</strong> Einkommen<br />
Die Kläger wenden sich gegen die Berücksichtigung eines Auseinandersetzungsguthabens aus einer<br />
Erbschaft der Klägerin zu 2) als Einkommen bei der Ermittlung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld<br />
<strong>II</strong>.<br />
Die Kläger zu 1) <strong>und</strong> 2) sind die Eltern des 1993 geborenen Klägers zu 3) <strong>und</strong> der 1999 <strong>und</strong> 2006 geborenen<br />
Klägerinnen zu 4) <strong>und</strong> 5). Im September 2005 beantragten sie Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, die sie seither -<br />
wegen Nebeneinkommens <strong>und</strong> Wechsels der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in unterschiedlicher Höhe<br />
- erhielten. Im November 2007 erfuhr der Rechtsvorgänger des beklagten Jobcenters, dass die Klägerin zu 2)<br />
geerbt habe. Ausweislich des Testaments der am 21.6.2007 verstorbenen Erblasserin war die Klägerin<br />
Miterbin zu 1/3. Zum Nachlass gehörte ua eine Eigentumswohnung, die die Erbengemeinschaft zu einem<br />
Preis von 77.000 Euro veräußerte. Am 14.4.2008 wurde dem Girokonto der Klägerin zu 2) ein Betrag von<br />
23.550,42 Euro aus dem Verkauf der Wohnung gutgeschrieben. Die nicht durch laufende Einnahmen aus<br />
Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Kindergeld gedeckten Bedarfe der Kläger beliefen sich ab Mai 2008 auf monatlich<br />
insgesamt 779,68 Euro. Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 5.3.2008 bewilligte der Beklagte<br />
Leistungen für die Monate April <strong>und</strong> Mai 2008 als Darlehen, da für den Bewilligungszeitraum der Zufluss<br />
von Einnahmen zu erwarten sei. Mit weiterem Bescheid vom 20.5.2008 forderte der Beklagte die<br />
darlehensweise bewilligten Leistungen zurück. Noch <strong>im</strong> Mai 2008 haben die Kläger den Erstattungsbetrag<br />
an den Beklagten überwiesen.<br />
Am 3.6.2008 beantragten die Kläger erneut die Bewilligung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie führten<br />
aus, selbst wenn eine Erbschaft Einkommen sein könne, bestehe keine Anrechnungsmöglichkeit. Die<br />
Einnahme sei nicht während des Bezuges von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zugeflossen. Durch die<br />
Rückzahlung des Darlehens <strong>im</strong> Mai 2008 sei der Leistungsbezug rückwirkend entfallen. Den Antrag der<br />
Kläger vom 3.6.2008 lehnte der Beklagte ab. Der anteilige Verkaufserlös von 22.650,42 Euro sei auf zwölf
Monate mit monatlich 1.887,54 Euro zu verteilen. Dieser Betrag übersteige den monatlichen Bedarf von<br />
779,68 Euro deutlich. Es bestehe daher keine Hilfebedürftigkeit. Das SG hat der hiergegen gerichteten<br />
Klage stattgegeben. Der <strong>im</strong> April 2008 zugeflossene Betrag sei ab dem Folgemonat des Zuflusses<br />
Vermögen.<br />
Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben <strong>und</strong> die Klage abgewiesen.<br />
Die Revisionen der Kläger wurden zurückgewiesen.<br />
Der Beklagte hat die Bewilligung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit vom 3.6. bis zum<br />
18.11.2008 zu Recht abgelehnt. Entgegen der Ansicht der Kläger sind die Einnahmen der Klägerin zu<br />
2) aus der Erbschaft Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in der bis Ende 2010 geltenden<br />
Fassung. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge kann der Erbe bereits mit dem Erbfall über seinen Anteil<br />
am Nachlass verfügen. Maßgebend für die Einordnung als "wertmäßiger Zuwachs" <strong>und</strong> damit für<br />
die Abgrenzung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen ist, ob der Erbfall jedenfalls vor der ersten<br />
Antragstellung eingetreten ist. Das Einkommen war allerdings erst ab dem 1.4.2008 auf die Bedarfe der<br />
Kläger anzurechnen, weil es erst ab diesem Zeitpunkt tatsächlich zur Deckung der Bedarfe der Kläger zur<br />
Verfügung stand. Der Beklagte hat die Einnahmen auch zutreffend über den Monat April hinaus als<br />
Einkommen berücksichtigt. Die Rückzahlung der darlehensweise für April <strong>und</strong> Mai 2008 erbrachten<br />
Leistungen führt nicht dazu, dass die Kläger so zu stellen wären, als sei das Einkommen in Zeiten<br />
ohne Hilfebedarf erzielt worden.<br />
118<br />
BSG v. 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - K. ./. Jobcenter Stadt Karlsruhe<br />
Die 1985 geborene Klägerin stand seit März 1985 <strong>im</strong> Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie übte vom<br />
1.10.2005 bis Juli 2006 eine Nebentätigkeit mit einem Verdienst von 400 Euro monatlich aus. Die Mutter<br />
der Klägerin leitete überwiegend das Kindergeld an die Klägerin weiter. Ferner erhielt die Klägerin<br />
Zuwendungen ihres Vaters in unterschiedlicher Höhe auf ihr Konto überwiesen. Nach der Vorlage der<br />
Kontoauszüge hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum 1.1.2006 bis 31.8.2006 wegen<br />
der Zuwendungen der Eltern teilweise auf <strong>und</strong> fordert (nach Reduzierung während des Klageverfahrens) die<br />
Erstattung von Leistungen iHv 1.344 Euro.<br />
Klage <strong>und</strong> Berufung der Klägerin blieben erfolglos.<br />
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Sie macht<br />
geltend, die Zuwendungen hätten dem privatrechtlichen Verwendungszweck gedient, ihr einen über dem<br />
Existenzmin<strong>im</strong>um liegenden Lebensstandard zu ermöglichen.<br />
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden in dem<br />
jetzt noch streitigen Umfang die Bewilligung von Alg <strong>II</strong> <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2006 zu Recht<br />
teilweise aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit<br />
nach § 48 Abs 1 Satz 1 <strong>und</strong> Satz 2 Nr 3 <strong>SGB</strong> X hierfür haben vorgelegen, denn die Klägerin hat nach<br />
Erlass der Bewilligungsbescheide Einkommen erzielt, das zum teilweisen Wegfall des Anspruchs<br />
geführt hat.<br />
Nach der ständigen <strong>Rechtsprechung</strong> der für die Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende zuständigen<br />
Senate ist Einkommen alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält.<br />
Verbindlichkeiten sind gr<strong>und</strong>sätzlich nicht in Abzug zu bringen. Eine Nichtberücksichtigung kann<br />
nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ferner nicht unter dem Gesichtspunkt<br />
erfolgen, dass die Zuwendungen als Darlehen zu qualifizieren wären. Schließlich kann eine<br />
wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch nicht unter dem Gesichtspunkt der<br />
Zweckbest<strong>im</strong>mung der Leistungen verneint werden. Vorausgesetzt wird insoweit nach § 11 Abs 3 Nr 1<br />
Buchst a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, dass die Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
dienen <strong>und</strong> sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht gerechtfertigt wären. Zwar können nach der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG<br />
zweckbest<strong>im</strong>mte Zuwendungen auch auf privatrechtlicher Gr<strong>und</strong>lage begründet werden. Es fehlt<br />
vorliegend allerdings bereits an der Vereinbarung eines derartigen Verwendungszwecks, denn eine<br />
hierauf gerichtete Vereinbarung zwischen der Klägerin <strong>und</strong> ihrem Vater ist nicht getroffen worden.<br />
Unabhängig davon handelt es sich bei der Motivation des Vaters, der Klägerin <strong>im</strong> Ergebnis einen über<br />
dem Existenzmin<strong>im</strong>um liegenden Lebensstandard zu verschaffen, auch nicht um einen gegenüber<br />
dem mit der Gewährung von <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen verfolgten Zielen qualitativ abweichenden Zweck.<br />
119<br />
BSG v 19.6.2012 – B 4 AS 163/11 R – Regelbedarf <strong>und</strong> § 11 (Aufwendungen <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der Berufstätigkeit)<br />
Auf die Revision der Klägerin hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das<br />
LSG zurückverwiesen. Das LSG hat den notwendigen Prüfungsumfang verkannt, weil es die Auffassung<br />
vertreten hat, die "nachträglich" geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin für die Fahrkosten zur<br />
anderweitigen Betreuung ihres Sohnes während ihrer Arbeitszeit seien nicht Gegenstand des Rechtsstreits<br />
geworden. Derartige Aufwendungen betreffen, soweit sie vom zu berücksichtigenden Einkommen<br />
abzusetzen sind, als bloßer Berechnungsfaktor die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts. Sie bilden keinen eigenständigen materiell-rechtlichen Streitgegenstand. Im Übrigen<br />
haben die Vorinstanzen zu Recht entschieden, dass für den Leistungsanspruch der Klägerin ein über<br />
die zugebilligten Pauschalen hinausgehender Absetzbetrag für Business-Kleidung sowie für<br />
Friseurbesuche nicht in Ansatz gebracht werden kann. Es handelt sich nicht um mit der Erzielung des<br />
Einkommens verb<strong>und</strong>ene notwendige Ausgaben iS des § 11 Abs 2 Nr 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Ob der Klägerin<br />
insoweit ein Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach den § § 16 ff <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zusteht, konnte der Senat<br />
schon in Ermangelung einer Verwaltungsentscheidung des Beklagten nicht entscheiden.<br />
BSG v. 22.8.2012 – B 14 AS 103/11 R – Zinseinkünfte auf Schmerzensgeld<br />
Der Beklagte hat die der Klägerin zu 1 zugeflossenen Zinseinkünfte aus der<br />
Schmerzensgeldzahlung zu Recht als Einkommen berücksichtigt. Die <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> normierte<br />
Freistellung von Schmerzensgeld be<strong>im</strong> zu berücksichtigenden Einkommen erstreckt sich<br />
nicht auf die aus Schmerzensgeldzahlungen erzielten Zinsen. Zum einen hat das BSG schon in<br />
anderem Zusammenhang entschieden, dass Kapitalzinsen auch dann nicht als sonstige<br />
zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahmen von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen sind, wenn es<br />
sich bei dem verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt. Der <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH ist<br />
zudem zu entnehmen, dass der Einsatz der aus dem Vermögensstamm fließenden Früchte nicht als<br />
besondere Härte eingestuft werden kann. Vergleichbare Wertungen, die jeweils zwischen Kapital<br />
<strong>und</strong> hieraus erzielten Zinsen unterscheiden, liegen auch der jüngeren <strong>Rechtsprechung</strong> des BVerwG<br />
zugr<strong>und</strong>e.<br />
BSG v. 22.8.2012 – B 14 AS – Zahlungen wg. Nichtberücksichtigung des § 82 <strong>SGB</strong> IX (16.700<br />
€)
Entschädigungszahlungen für einen Nichtvermögensschaden wegen Missachtung der<br />
spezifischen Rechte als Schwerbehinderter <strong>im</strong> Bewerbungsverfahren sind von der<br />
Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aF gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ausgenommen. Das Sozialhilferecht hat den Begriff der Entschädigung wegen <strong>im</strong>materieller<br />
Schäden stets weit ausgelegt <strong>und</strong> hierunter auch Entschädigungen wegen Verletzung des<br />
Persönlichkeitsrechts subsumiert. Der Gesetzgeber des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wollte mit der Regelung in § 11 Abs<br />
3 Nr 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aF an diese historische Entwicklung <strong>im</strong> Sozialhilferecht anknüpfen.<br />
Der Senat konnte jedoch in der Sache nicht durchentscheiden, weil das SG keine ausreichenden<br />
Feststellungen getroffen hat, ob die dem Kläger aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen zugeflossenen<br />
Zahlungen tatsächlich als derartige Entschädigungszahlungen anzusehen<br />
120<br />
b) Vermögen - § 12 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Das Gesetz<br />
meint damit aber nicht, dass jeder Vermögenswert angerechnet werden muss. Das BSG hat in<br />
mehreren Entscheidungen (B 14 AS 42/07 <strong>und</strong> 52/07 R) darauf hingewiesen, dass nur diejenigen<br />
Vermögensgegenstände zumutbar verwertbares Vermögen seien, die den Hilfebedürftigen in die<br />
Lage versetzten, seinen Lebensunterhalt ohne Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu sichern. Deshalb hat<br />
es ein mit einem Haus bebautes Gr<strong>und</strong>stück, das dem Hilfebedürftigen <strong>und</strong> seiner Schwester in<br />
ungeteilter Erbengemeinschaft gehörte, nicht als anrechenbares Vermögen angesehen, weil der<br />
Erbteil nicht alsbald hätte verwertet werden können. Manchen Fällen hat das BSG darauf abgestellt,<br />
ob ein Anspruch als Vermögensgegenstand innerhalb des Bewilligungszeitraums für das<br />
Arbeitslosengeld <strong>II</strong> verwertbar war.<br />
Vom Vermögen sind abzusetzen<br />
1. ein Gr<strong>und</strong>freibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen<br />
Hilfebedürftigen <strong>und</strong> seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 Euro; der Gr<strong>und</strong>freibetrag darf<br />
für den volljährigen Hilfebedürftigen <strong>und</strong> seinen Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden<br />
Höchstbetrag nicht übersteigen,<br />
1a. ein Gr<strong>und</strong>freibetrag in Höhe von 3.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind,<br />
2. Altersvorsorge in Höhe des nach B<strong>und</strong>esrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten<br />
Vermögens einschließlich seiner Erträge <strong>und</strong> der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge,<br />
soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet Riester-Rente),
121<br />
3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in<br />
den Ruhestand auf Gr<strong>und</strong> einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann<br />
<strong>und</strong> der Wert der geldwerten Ansprüche 750 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen <strong>und</strong> seines Partners, höchstens jedoch jeweils den nach Satz 2 maßgebenden<br />
Höchstbetrag nicht übersteigt,<br />
4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der<br />
Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.<br />
Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen (Abs. 3)<br />
1. angemessener Hausrat,<br />
2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen (Hier hat die <strong>Rechtsprechung</strong> einen Wert von 7500 € für angemessen gehalten),<br />
3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge best<strong>im</strong>mt bezeichnete Vermögensgegenstände in<br />
angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der<br />
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (diese Vermögensgegenstände<br />
können einen Wert bis zu 240.000 € bei Leistungsberechtigten haben, die älter als 60 Jahre<br />
sind),<br />
4. ein selbst genutztes Hausgr<strong>und</strong>stück von angemessener Größe oder eine entsprechende<br />
Eigentumswohnung (die <strong>Rechtsprechung</strong> geht für eine einzelne Person <strong>und</strong> ein Paar von einer<br />
Größe von 80 m² aus <strong>und</strong> addiert für jede weitere Person 20 m² hinzu, so dass eine vierköpfige<br />
Familie einer Eigentumswohnung von 120 m² angemessen untergebracht ist),<br />
5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines<br />
Hausgr<strong>und</strong>stücks von angemessener Größe best<strong>im</strong>mt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken<br />
behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll <strong>und</strong> dieser Zweck durch<br />
den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,<br />
6. Sachen <strong>und</strong> Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den<br />
Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.
122<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
a) Freibeträge für Personen, die kein Vermögen besitzen (§ 12 Abs 2 S 1 Nr 1a)<br />
BSG v 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - 1. D. S., 2. B. K., 3. J. K. ./. ARGE Düsseldorf<br />
Streitig ist, ob Freibeträge nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auch für solche Mitglieder einer<br />
Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sind, die selbst kein Vermögen besitzen.<br />
Der 1963 geborene Kläger zu 1, die mit ihm verheiratete, 1968 geborene Klägerin zu 2 <strong>und</strong> deren<br />
2004 geborener Sohn (Kläger zu 3) begehren Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Für den Kläger zu 3<br />
wird Kindergeld in Höhe von 154 Euro je Monat gezahlt. Die Klägerin zu 2 bezog bis zum Ende<br />
ihres Erziehungsurlaubes <strong>im</strong> Januar 2006 Erziehungsgeld. Weiteres Einkommen - außer geringen<br />
Kapitalerträgen - erzielten die Kläger nicht. Die Klägerin zu 2 war bei Antragstellung am 6.7.2005<br />
Eigentümerin eines Pkw Ford Mondeo. Weiter war die Klägerin zu 2 Inhaberin verschiedener<br />
Konten mit Anlagen von bis zu 12.115,76 Euro. Der beklagte Gr<strong>und</strong>sicherungsträger lehnte die<br />
Gewährung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit ab Antragstellung bis 31.1.2006 ab, weil<br />
in diesem Zeitraum keine Hilfebedürftigkeit vorgelegen habe. Im Juli habe das Vermögen insgesamt<br />
22.564,18 Euro, der Vermögensfreibetrag jedoch nur 17.100 Euro betragen. Entgegen der<br />
Auffassung der Kläger sei kein zusätzlicher Vermögensfreibetrag in Höhe von 4.100 Euro für das<br />
Kind (Kläger zu 3) zu berücksichtigen, da dieser kein Vermögen habe.<br />
BSG:<br />
Bei der Frage, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong> Vermögen zu<br />
berücksichtigen ist, hat die Beklagte zu Recht Vermögensfreibeträge nur für die Kläger zu 1) <strong>und</strong><br />
2), also die erwachsenen Partner, nicht aber für das Kind, den Kläger zu 3), berücksichtigt. Nach §<br />
12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist vom Vermögen zwar ein Gr<strong>und</strong>freibetrag in Höhe von 4.100 Euro<br />
für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind abzusetzen. Dieser Freibetrag kann aber nicht als sog<br />
"Kinderfreibetrag" der Bedarfsgemeinschaft angesehen werden, der der Bedarfsgemeinschaft<br />
unabhängig vom tatsächlichen Vorhandensein von Vermögen auf Seiten des zur Bedarfsgemeinschaft<br />
gehörenden Kindes zu Gute kommt. Zwar ließe der Wortlaut der Vorschrift auch eine<br />
Auslegung zu, den genannten Freibetrag als zusätzlichen Kinderfreibetrag für die<br />
Bedarfsgemeinschaft aufzufassen. Entstehungsgeschichte sowie Sinn <strong>und</strong> Zweck der Regelung<br />
sprechen aber gegen diese Auslegung <strong>und</strong> dafür, dass der Freibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a
123<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nur dem jeweiligen Kind <strong>und</strong> diesem auch nur dann zu Gute kommen soll, wenn es<br />
Vermögen hat. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf des § 12 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> noch vorsah, dass<br />
minderjährige Kinder ihr Vermögen vollständig für ihren Lebensunterhalt verbrauchen sollen, bevor<br />
die Einstandspflicht der Eltern gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eingreift, wurde <strong>im</strong><br />
<strong>Gesetzgebung</strong>sverfahren § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> eingefügt, um einen best<strong>im</strong>mten Teil des<br />
Vermögens des minderjährigen Kindes zu schonen. Dem hilfebedürftigen minderjährigen Kind soll<br />
ab seiner Geburt ein Gr<strong>und</strong>freibetrag zur Verfügung stehen, um zB Sparvermögen oder<br />
Ausbildungsversicherungen in dieser Höhe bei der Berechnung des Alg <strong>II</strong>/Sozialgeldes für das Kind<br />
zu schützen. Hieraus folgt, dass der Freibetrag ausschließlich dem Schutz des Vermögens des<br />
Kindes <strong>und</strong> nicht dem Schutz des gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für den Lebensunterhalt des<br />
Kindes einzusetzenden Vermögens der Eltern dienen soll. Da das Kind zunächst eigenes Vermögen<br />
zur Deckung seines Lebensunterhalts einzusetzen hat, bevor es nach dessen Verbrauch zur<br />
Bedarfsgemeinschaft zählt, kann sich eine entsprechende Schutzvorschrift auch nur auf dessen<br />
eigenes Vermögen beziehen.<br />
b) Altersvorsorge für Selbstständige BSG v 7.5.2009 - B 14 AS 35/08 R - M ./. JobCenter für<br />
Arbeitsmarkt-Integration<br />
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Alg <strong>II</strong> wegen des<br />
Vorhandenseins verwertbarer Lebensversicherungsverträge.<br />
Die 1950 geborene schwerbehinderte Klägerin war zuletzt 1977 versicherungspflichtig beschäftigt<br />
<strong>und</strong> danach in unterschiedlichen Bereichen selbständig tätig, ohne freiwillige Beiträge zur<br />
gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Sie hätte aktuell eine monatliche Altersrente von<br />
257,10 Euro (nach Vollendung des 65. Lebensjahrs) zu erwarten. Weil die Klägerin nur noch<br />
geringfügige Einnahmen aus einer Tätigkeit als ambulante H<strong>und</strong>epflegerin erzielte, beantragte sie<br />
<strong>im</strong> Dezember 2005 bei der Beklagten Alg <strong>II</strong> <strong>und</strong> gab an, neben einem Sparvermögen von 1.000<br />
Euro über sieben Kapitallebensversicherungen mit einem seinerzeitigen Rückkaufwert von ca<br />
80.000 Euro zu verfügen. Der Antrag wurde deshalb wegen Vorhandenseins verwertbaren<br />
Vermögens abgelehnt.<br />
Die dagegen erhobene Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Landessozialgericht hat<br />
die Auffassung vertreten, dass die Lebensversicherungen zum verwertbaren Vermögen zählten, von
124<br />
dem lediglich der Gr<strong>und</strong>freibetrag von 200 Euro (bzw nunmehr 150 Euro) je Lebensjahr <strong>und</strong> ein<br />
Freibetrag für einmalige Anschaffungen von 750 Euro abgesetzt werden könne. Der<br />
Privilegierungstatbestand für zur Altersvorsorge best<strong>im</strong>mte Vermögenswerte zugunsten von<br />
Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,<br />
greife nicht ein, weil die Klägerin als Selbständige nicht von der Versicherungspflicht befreit,<br />
sondern von vornherein versicherungsfrei gewesen sei. Die Verwertung bedeute für die Klägerin<br />
auch keine besondere Härte, weil dies <strong>im</strong> Kontext der den Vermögenseinsatz betreffenden<br />
Vorschriften zumindest voraussetze, dass das Vermögen tatsächlich für die Altersvorsorge best<strong>im</strong>mt<br />
gewesen sei. Dafür reiche eine entsprechende Behauptung der Klägerin nicht aus. Zu beachten sei<br />
vielmehr, dass die Klägerin es versäumt habe, für die Lebensversicherungen einen<br />
Verwertungsausschluss zu vereinbaren.<br />
Das Urteil des LSG wurde aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Entscheidung durch das LSG<br />
zurückverwiesen.<br />
Bei langjährig Selbständigen kann eine Pflicht zur Verwertung von Lebensversicherungen wegen<br />
Vorliegens eines Härtefalls ausscheiden, wenn eine Kumulation von Umständen vorliegt. Ob dies<br />
bei der Klägerin der Fall war, konnte der Senat allerdings wegen fehlender Feststellungen des LSG<br />
nicht abschließend entscheiden. Das LSG hat zu Unrecht auch bei der überwiegend selbständig tätig<br />
gewesenen Klägerin das Vorliegen eines Härtefalls schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin<br />
nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Verwertung ihrer<br />
Lebensversicherungsverträge vor Eintritt in den Ruhestand vertraglich in der Form auszuschließen,<br />
wie sie von § 12 Abs 2 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gefordert wird. Das LSG ist insofern in Bezug auf<br />
Hilfebedürftige, die <strong>im</strong> Verlauf ihres Erwerbslebens überwiegend nicht in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung pflichtversichert waren, von einem zu strengen, rechtlich unzutreffenden<br />
Maßstab ausgegangen. Maßgebend ist insoweit lediglich, ob die Lebensversicherungsverträge<br />
objektiv <strong>und</strong> subjektiv zur Altersvorsorge zweckbest<strong>im</strong>mt waren.<br />
Um feststellen zu können, ob die geforderte Verwertung der Lebensversicherungen der Klägerin<br />
für diese eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6, 2. Alternative <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> bedeuten würde,<br />
wird das LSG zu ermitteln haben, inwieweit bei der Klägerin eine Versorgungslücke besteht. Dies<br />
liegt bereits deshalb nahe, weil die Klägerin bei Vollendung des 65. Lebensjahres nur mit einer<br />
monatlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 257,10 Euro rechnen<br />
kann. Hierbei wird auch zu ermitteln sein, über welches Restleistungsvermögen die Klägerin<br />
verfügt. Ihr wurde ein GdB von 50 zuerkannt. Der Senat geht dabei davon aus, dass die
125<br />
Restleistungsfähigkeit auch Indiz dafür sein kann, inwiefern die Klägerin überhaupt noch in der<br />
Lage sein wird, eine neue, zusätzliche Rentenanwartschaft durch Erwerbstätigkeit aufzubauen.<br />
Gegebenenfalls wird auch zu berücksichtigen sein, aus welchem Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> für welche Dauer der<br />
Klägerin Berufsunfähigkeitsrenten gewährt werden, sowie über welche Berufsausbildungen <strong>und</strong><br />
Fertigkeiten die Klägerin verfügt. Das LSG wird auch zu berücksichtigen haben, dass die besondere<br />
Härte iS dieser Regelung möglicherweise noch nicht zu Beginn des Bewilligungszeitraums vorlag,<br />
als die Klägerin 55 Jahre alt war, gegebenenfalls aber später <strong>im</strong> Verlauf des Rechtsstreits eingetreten<br />
sein könnte.<br />
c) Erhaltungsaufwand für Haus - BSG v 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - 1) H.A., 2) S.A., 3) I.I.,<br />
4) G.I., 5) D.I. ./. Bürgermeister der Stadt Düren<br />
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Unterkunftskosten, insbesondere über die Berücksichtigung<br />
einer Erhaltungsaufwandspauschale. Die Kläger wohnen in einem der Klägerin zu 1)<br />
gehörenden Haus. Der Beklagte gewährte den Klägern für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis<br />
31.10.2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft (Hauslasten) in Höhe<br />
von 228,53 Euro. In diesem Betrag war eine Pauschale für Erhaltungsaufwendungen nicht<br />
enthalten. Nachdem die Beklagte davon erfahren hatte, dass der Klägerin zu 1) <strong>im</strong> März 2007 eine<br />
Eigenhe<strong>im</strong>zulage zugeflossen war, hob sie die Bewilligung teilweise auf, weil die Eigenhe<strong>im</strong>zulage<br />
bei großzügiger Auslegung zur Finanzierung des Eigenhe<strong>im</strong>s genutzt werde <strong>und</strong> sich die Kosten der<br />
Unterkunft entsprechend verringerten.<br />
Der Senat hat das Urteil des SG aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong><br />
Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Das SG hat zu Recht entschieden, dass eine<br />
Erhaltungsaufwandspauschale nicht zu den erstattungsfähigen Unterkunftskosten gehört. Zwar<br />
kommen als tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft iS des § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auch Kosten in Betracht,<br />
die für konkrete Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen bei einem vom Hilfebedürftigen<br />
selbstgenutzten Eigenhe<strong>im</strong> anfallen. Die Kläger haben aber nicht dargetan, dass sie tatsächlich<br />
Aufwendungen für derartige konkrete Maßnahmen getätigt haben. Ihnen geht es um die<br />
regelmäßige bedarfserhöhende Berücksichtigung einer Pauschale für unbest<strong>im</strong>mte zukünftige<br />
Erhaltungsaufwendungen. Bei einer solchen Pauschale für Erhaltungsaufwand handelt es sich nicht<br />
um tatsächliche Aufwendungen für Kosten der Unterkunft, die vom Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zu<br />
tragen sind.
126<br />
Eine abschließende Prüfung der Anspruchshöhe war dem Senat nicht möglich, weil das SG weder<br />
die Bedarfe der einzelnen Kläger noch die Höhe des jeweils zu berücksichtigenden Einkommens<br />
festgestellt hat. Das LSG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die der Klägerin zu 1)<br />
zugeflossene Eigenhe<strong>im</strong>zulage als Einkommen zu berücksichtigen war. Die von den Klägern<br />
angegebene Verwendung der Eigenhe<strong>im</strong>zulage zur Begleichung von laufenden Steuern, Gebühren<br />
usw dient der Finanzierung laufender Aufwendungen <strong>und</strong> liegt nicht mehr innerhalb des Rahmens,<br />
der noch als "nachweisliche Finanzierung" gerade der Immobilie angesehen werden kann.<br />
Die monatliche Berücksichtigung von Teilbeträgen der Eigenhe<strong>im</strong>zulage als Einkommen erfolgt<br />
zusammen mit den übrigen Einkünften der Bedarfsgemeinschaft nach § 19 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Soweit<br />
die Beklagte die Eingenhe<strong>im</strong>zulage vorrangig zur Minderung der Unterkunftskosten anrechnet, ist<br />
diese Praxis nicht durch das Gesetz gedeckt. Erst nach einer Gegenüberstellung von Gesamtbedarf<br />
<strong>und</strong> Einkünften lässt sich feststellen, ob den Klägern <strong>im</strong> streitigen Zeitraum höhere<br />
Unterkunftskosten zustehen.<br />
d) Erbengemeinschaft B 14 AS 52/07 R - <strong>und</strong> - B 14 AS 42/07 R - T. ./. Hamburger ARGE<br />
Der 1960 geborene, alleinstehende Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
als Zuschuss statt als Darlehen. Er war seit dem 26.11.2004 in Erbengemeinschaft mit seiner<br />
Schwester Miteigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Gr<strong>und</strong>stücks <strong>im</strong> Landkreis<br />
Lüneburg. Das Haus wurde nach dem Erbfall <strong>im</strong> September 2004 weder von ihm noch von seiner<br />
Schwester bewohnt <strong>und</strong> war weder vermietet noch (<strong>im</strong> streitigen Zeitraum) zum Kauf angeboten.<br />
Seine Schwester gab an, dass sie das Haus voraussichtlich nicht verkaufen oder vermieten werde.<br />
Auf seinen Antrag hin, bei dem der Kläger ua entsprechende Angaben zu seinem ererbten<br />
Vermögen gemacht hatte, bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005 zunächst<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> als Zuschuss. Die Aufhebung dieser Bewilligung für die Zeit ab dem<br />
1.2.2005 <strong>und</strong> die folgende Gewährung der Leistung lediglich als Darlehen ist Gegenstand des<br />
Verfahrens B 14 AS 52/07 R. Im Verfahren B 14 AS 42/07 R geht es um den Bewilligungsabschnitt<br />
vom 1.7.2005 bis zum 31.12.2005, in dem die Beklagte ihre Leistung ebenfalls nur als Darlehen<br />
erbrachte. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Das SG hat ein<br />
Sachverständigengutachten zum Verkehrswert des Gr<strong>und</strong>stücks <strong>und</strong> zur Frage seiner Verwertbarkeit<br />
eingeholt. Der Sachverständige schätzte den Verkehrswert auf 128.000 Euro, der auch als Kaufpreis<br />
zu erzielen sei.
127<br />
Die beiden Revisionen des Klägers führten jeweils zur Aufhebung der zweitinstanzlichen Urteile<br />
<strong>und</strong> zur Zurückverweisung der Sachen an das LSG. Der Senat konnte aufgr<strong>und</strong> der Feststellungen<br />
des LSG nicht abschließend entscheiden, ob das mit einem Haus bebaute Gr<strong>und</strong>stück, das dem<br />
Kläger <strong>und</strong> seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörte, zumutbar verwert-bares<br />
Vermögen iS des § 12 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> war, das ihn in die Lage versetzte, seinen Lebensunterhalt ohne<br />
Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu sichern, sodass - wegen der fehlenden Möglichkeit einer sofortigen<br />
Verwertung - Leistungen lediglich als Darlehen zu erbringen waren. Das LSG hat seiner<br />
Entscheidung lediglich die theoretisch in Betracht kommenden Verwertungsvarianten unter den<br />
rechtlichen Gegebenheiten einer Erbengemeinschaft zugr<strong>und</strong>e gelegt. Hieraus konnte es aber nicht<br />
die Schlussfolgerung ziehen, dass in jedem Fall verwertbares Vermögen vorliege <strong>und</strong> der Kläger<br />
deshalb nur Anspruch auf eine darlehensweise Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts habe. Hierzu hätte es vielmehr näherer Feststellungen zu den tat-sächlichen<br />
Möglichkeiten einer Verwertung des Erbteils bedurft.<br />
e) Pflichtteilsanspruch - BSG v 6.5.2010 – B 14 AS 2/09 R<br />
Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Arge als Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die Gewährung<br />
von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> verweigern durfte, weil dem Kläger vor Beginn des<br />
Leistungszeitraums nach dem Tod seines Vaters ein Pflichtteilsanspruch zugefallen ist.<br />
Die Eltern des Klägers hatten 1995 ein so genanntes Berliner Testament verfasst. Darin setzten sie<br />
sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Erben des Längstlebenden sollten die beiden gemeinsamen<br />
Kinder der Eheleute sein. Sollte eines der Kinder vom Nachlass des Erstverstorbenen seinen<br />
Pflichtteil fordern, so solle es auch vom Nachlass des Überlebenden den Pflichtteil erhalten. Sein<br />
Erbteil wachse dann dem anderen Kind zu. Das Vermögen besteht <strong>im</strong> Wesentlichen aus einem Haus<br />
in Münster, das die Mutter des Klägers bewohnt.<br />
Der Kläger beantragte <strong>im</strong> September 2005 nach sechsmonatigem Bezug von Alg die Gewährung<br />
von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die Beklagte lehnte dies <strong>im</strong> Hinblick auf den<br />
Pflichtteilsanspruch ab. Dieser Anspruch stelle einen Vermögenswert dar <strong>und</strong> sei zur Sicherstellung<br />
des Lebensunterhalts einzusetzen.<br />
SG <strong>und</strong> LSG haben der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.
128<br />
Die Revision des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers führte zur Aufhebung des zweitinstanzlichen<br />
Urteils <strong>und</strong> zur Zurückverweisung an das LSG. Der Senat konnte auf Gr<strong>und</strong> der Feststellungen des<br />
LSG nicht abschließend entscheiden, ob <strong>und</strong> ggf in welcher Höhe dem Kläger <strong>im</strong> streitigen<br />
Zeitraum Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zustanden. Die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob der<br />
Pflichtteilsanspruch des Klägers als Vermögensgegenstand überhaupt innerhalb des Bewilligungszeitraums<br />
verwertbar war. Zu seiner Unverwertbarkeit führte noch nicht, dass der Kläger ihn aus<br />
Rücksicht auf seine Mutter nicht geltend machen wollte. Die Berücksichtigung des<br />
Pflichtteilsanspruchs war auch unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte nicht bereits<br />
deshalb ausgeschlossen, weil er aus einem Berliner Testament resultierte. Dies stellt für sich<br />
gesehen noch keine atypische Situation dar. Eine besondere Härte ist aber dann anzunehmen, wenn<br />
der überlebende Elternteil den Anspruch nur bei einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung<br />
erfüllen könnte. Eine solche ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die in § 9 Abs 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § §<br />
1 Abs 2, 4 Abs 2 Alg <strong>II</strong>-V festgelegten wirtschaftlichen Grenzen unterschritten würden. Hierzu wird<br />
das LSG die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.<br />
f) BSG v. 30.8.2010 – B 4 AS 70/09 R dingl. gesicherte unverzinsliche Forderung<br />
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> als Zuschuss in dem Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.4.2008.<br />
Die Beklagte bewilligte dem 1953 geborenen Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Zeit vom 1.9.2005 bis 30.4.2007 unter Berücksichtigung einer<br />
Forderung aus einem notariellen Überlassungsvertrag vom 28.4.2005 nur (noch) als Darlehen.<br />
Durch diesen Vertrag hatte die Mutter des Klägers ihrem weiteren Sohn W (Er-werber) drei <strong>im</strong><br />
Gr<strong>und</strong>buch eingetragene Gr<strong>und</strong>stücke übertragen <strong>und</strong> dieser sich verpflich-tet, dem Kläger 55.000<br />
Euro zu zahlen, fällig bei dessen Eintritt in die gesetzliche Rente, spätestens jedoch innerhalb von<br />
13 Jahren ab dem 24.8.2005. Für den Kläger wurde eine Sicherungshypothek an einem der<br />
übertragenen Gr<strong>und</strong>stücke eingetragen. Nachdem er sich geweigert hatte, eine Erklärung zu<br />
unterschreiben, wonach er den Anspruch auf Zahlung von 55.000 Euro bis zur Höhe der bis zum<br />
Fälligkeitstag an ihn gezahlten Sozialleistungen an die Beklagte abtrete, lehnte die Beklagte den<br />
Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab 1.5.2007 ab.<br />
Klage <strong>und</strong> Berufung hatten keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers ist <strong>im</strong> Sinne der Zurück-
129<br />
verweisung der Sache an das LSG begründet. Der Senat konnte mangels ausreichender<br />
Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der Kläger <strong>im</strong> streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis<br />
28.4.2008 hilfebedürftig war.<br />
Zwar handelt es sich auch bei einer dinglich gesicherten, unverzinslichen Forderung um einen zu<br />
berücksichtigenden Vermögenswert <strong>und</strong> nicht um Einkommen. Ob die Forderung als Vermögen<br />
verwertet werden kann, lässt sich jedoch <strong>im</strong> konkreten Fall nach der Entscheidung des LSG nicht<br />
beurteilen. Auf Gr<strong>und</strong> der vom Kläger erhobenen zulässigen <strong>und</strong> begründeten Verfahrensrügen kann<br />
die vom LSG angenommene Verwertungsmöglichkeit durch Beleihung der Forderung als nicht<br />
hinreichend festgestellt angesehen werden. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG<br />
zu beachten haben, dass nach der <strong>Rechtsprechung</strong> des BSG Vermögensgegenstände, für die in<br />
absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa, weil Gegenstände dieser Art nicht<br />
marktgängig sind, nicht als verwertbar gelten. Sollte das LSG eine Verwertungsmöglichkeit<br />
feststellen, wird es ferner zu prüfen haben, ob diese Verwertung wirtschaftlich ist <strong>und</strong> keine<br />
besondere Härte <strong>im</strong> Hinblick ua auf die vom Kläger zu erwartenden Ansprüche aus der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs darstellt.<br />
Bezogen auf die Unfallversicherung des Klägers mit garantierter Beitragsrückerstattung kann<br />
anhand der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden, ob es sich dabei um einen nach § 12 Abs<br />
3 Satz 1 Nr 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu verschonenden Altersvorsorgewert handelt. Ist die Unfallversicherung mit<br />
garantierter Beitragsrückzahlung kein generell geschütztes Vermögen, wird das LSG weiter zu<br />
ermitteln haben, ob deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Insofern sind<br />
Feststellungen zum Substanzwert der Versicherung <strong>und</strong> zu ihrem aktuellen Verkehrswert<br />
erforderlich. Auch bezogen auf die Verwertung der Unfallversicherung ist ferner die besondere<br />
Härte zu prüfen.<br />
Soweit das LSG zu einem Verwertungsausschluss beider zuvor benannter Vermögenswerte<br />
gelangen sollte, wird es hinsichtlich des Bestandes auf den Giro- <strong>und</strong> Wertpapierkonten des Klägers<br />
deren Wert bei Antragstellung <strong>und</strong> <strong>im</strong> Verlaufe des streitigen Zeitraums festzustellen <strong>und</strong> zu<br />
bewerten haben, inwieweit sie dem Hilfebedarf entgegengestellt werden können.
BSG v. 6.10.2011 – Überbrückungsgeld nach Haftentlassung- B 14 AS 94/10 R<br />
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob <strong>und</strong> ggf. in welcher Höhe sich die Gewährung von<br />
Überbrückungsgeld nach Haftentlassung für den Zeitraum vom 28.3. bis zum 22.4.2008 auf die Leistungen<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auswirkt.<br />
Der 1974 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Zwischen dem 19.8.2005 <strong>und</strong> dem 26.3.2008<br />
befand er sich in Strafhaft. Nach seiner Entlassung wohnte er zunächst kostenlos in einer<br />
Wohngemeinschaft, die einer Fachklinik für medizinische Rehabilitation angeschlossen war. Bei der<br />
Haftentlassung am 26.3.2008 wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 2.126 Euro ausgezahlt, in dem ein<br />
Überbrückungsgeld in Höhe von 1.794 Euro enthalten war. Am 28.3.2008 beantragte der Kläger bei dem<br />
beklagten Jobcenter Leistungen zur Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der Beklagte<br />
lehnte den Antrag unter Hinweis auf das Überbrückungsgeld wegen mangelnder Hilfebedürftigkeit ab. Der<br />
Kläger wandte ein, er habe mit dem Überbrückungsgeld Schulden in Höhe von 1.700 Euro beglichen.<br />
Außerdem habe er den Antrag auf Gewährung von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen erst nach der Auszahlung<br />
des Überbrückungsgeldes gestellt.<br />
Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger für den noch streitigen Zeitraum Leistungen nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu bewilligen. Das Überbrückungsgeld stelle be<strong>im</strong> Kläger Vermögen dar, das <strong>im</strong> Hinblick auf den<br />
Gr<strong>und</strong>freibetrag in Höhe von mindestens 3100 Euro nicht zu berücksichtigen sei. Das LSG hat die Berufung<br />
des Beklagten zurückgewiesen. Zwar sei das Überbrückungsgeld gr<strong>und</strong>sätzlich in den ersten vier Wochen<br />
nach der Haftentlassung als Einkommen zu berücksichtigen; vorliegend seien aber zum Zeitpunkt der<br />
Antragstellung die Mittel bereits verbraucht gewesen. Der Kläger habe das Überbrückungsgeld noch vor<br />
Antragstellung zur Begleichung von Schulden verwendet.<br />
Die Berufung des beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers wurde zurückgewiesen.<br />
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 28.3. bis zum 22.4.2008<br />
Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zustehen. Das nach<br />
Haftentlassung, aber vor Antragstellung auf <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Leistungen zugeflossene Überbrückungsgeld<br />
schließt die Anspruchsberechtigung auch <strong>im</strong> ersten Monat nach Haftentlassung nicht ohne weiteres<br />
aus. Hier stellte das Überbrückungsgeld <strong>im</strong> Zeitpunkt der Antragstellung Vermögen<br />
dar, das unter dem Gr<strong>und</strong>freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> lag <strong>und</strong> deshalb bei<br />
der Leistungsberechnung nicht als Einkommen iS von § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> berücksichtigt<br />
werden durfte.<br />
130<br />
BSG v 22.3.2012 – B 4 AS 99/11 R (angemessenes Hausgr<strong>und</strong>stück/ besondere Härte)<br />
In diesem Fall bewohnte ein Ehepaar ein Haus, das eine Wohnfläche von 167 m² hatte. Das Haus<br />
stand auf 600 m² Gr<strong>und</strong>stück. Die selbstgenutzte Wohnung <strong>im</strong> Erdgeschoss hat eine Wohnfläche<br />
von 117 m², die 50 m² große Einliegerwohnung ist vermietet.<br />
Das BSG hat ausgeführt, das Hausgr<strong>und</strong>stück stelle kein geschütztes Vermögen da, weil bei der<br />
Prüfung der angemessenen Größe des Hausgr<strong>und</strong>stücks zunächst die gesamte Wohnungsgröße<br />
festzustellen sei. Eine Abtrennung des Wohnungseigentum liege nicht vor. Es müssten also 167 m²<br />
geprüft werden. Dies sei kein Hausgr<strong>und</strong>stück von angemessener Größe. Das LSG sei davon<br />
ausgegangen, dass der Verkauf in absehbarer Zeit möglich <strong>und</strong> auch nicht offensichtlich
131<br />
unwirtschaftlich sei. Anders als bei anderen Vermögensgegenstände lasse sich eine absolute Grenze<br />
<strong>im</strong> Sinne eines best<strong>im</strong>mten prozentualen Betrages bei Immobilienvermögen nicht ziehen. 1996 ist<br />
ein Kaufpreis von etwa 194.000 € gezahlt worden, wenn ein Verkehrswert 2005 in Höhe von 187<br />
.000 € festgestellt werde, spreche nichts dafür, dass das Hausgr<strong>und</strong>stück nur mit erheblichen<br />
Verlusten verkauft werden könnte. Eine besondere Härte der Verwertung ergebe sich nicht bereits<br />
daraus, dass den Klägern mit dem Verkauf des Hausgr<strong>und</strong>stücks anstelle der bloßen Vermietung der<br />
Einliegerwohnung eine andere Art der Vermögens-Verwertung zugemutet werde.<br />
BSG v. 12.7.2012 – B 14 AS 158/11 R – Immobilie mit Wohnrecht der Eltern belastet<br />
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.<br />
Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die von dem beklagten Jobcenter gewährten<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen als Zuschuss statt als Darlehen erbracht werden. Das <strong>im</strong> Eigentum<br />
des Klägers stehende Hausgr<strong>und</strong>stück ist verwertbares Vermögen, das bei der Feststellung<br />
von Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Die Gesamtfläche des Hauses von 174 qm<br />
überschreitet die Angemessenheitsgrenze des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>; das Haus zählt<br />
deshalb nicht zum sog Schonvermögen. Es ist zudem trotz der Belastung mit einem<br />
Wohnrecht der Eltern verwertbar.<br />
Das LSG ist <strong>im</strong> Hinblick auf das Urteil des Senats vom 6.12.2007 (B 14/7b AS 46/06 R - BSGE<br />
99, 248 = SozR 4-4200 § 12 Nr 6) zu Unrecht davon ausgegangen, das BSG halte mit einer<br />
Dienstbarkeit (etwa Nießbrauch bzw - wie hier - Dauerwohnrecht) belastete Immobilien<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich für nicht verwertbar. Tatsächlich beruhte die genannte Entscheidung auf<br />
entsprechenden Tatsachenfeststellungen, an die das BSG geb<strong>und</strong>en war. Soweit das LSG<br />
vorliegend aufgr<strong>und</strong> der hier getroffenen Feststellungen eine Verwertungsmöglichkeit etwa durch<br />
Beleihung bejaht hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.<br />
BSG v. 23.5.2012 – B 14 AS 100/11 R - Münzsammlung<br />
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.<br />
Der Kläger konnte <strong>im</strong> streitigen Zeitraum die von ihm begehrten Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nicht als Zuschuss beanspruchen. Seine Münzsammlung ist als verwertbarer<br />
Vermögensgegenstand zu berücksichtigen. Der Verwertbarkeit der Münzsammlung steht weder<br />
eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch eine besondere Härte entgegen. Das Vorliegen von<br />
offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit kann bei einer Münzsammlung nicht nach denselben Kriterien<br />
beurteilt werden, die in der <strong>Rechtsprechung</strong> für die Verwertung einer Kapitallebensversicherung<br />
entwickelt worden sind, denn es ist nach der Art der Vermögensgegenstände zu differenzieren.<br />
Eine feste Grenze der Unwirtschaftlichkeit kann bei frei handelbaren Gegenständen, die<br />
schwankenden Marktgesetzen unterliegen, nicht gezogen werden. Der Gesetzgeber des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
verfolgte <strong>im</strong> Übrigen nicht das Ziel, jede vor Eintritt der Bedürftigkeit vorhandene<br />
Vermögensposition zu schützen, sondern nur einen wirtschaftlichen Ausverkauf zu verhindern.<br />
Den Feststellungen des LSG lassen sich zudem keine Umstände entnehmen, die seine Wertung,<br />
die Pflicht zur Verwertung der Münzsammlung stelle keine besondere Härte dar, als
132<br />
rechtsfehlerhaft erscheinen lässt.<br />
V. Verfahren.<br />
Die Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende werden auf Antrag <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich nicht<br />
für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs. 1, 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Allerdings wirkt der Antrag auf<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurück.<br />
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gilt das <strong>SGB</strong> X.<br />
Nachdem das BSG bereits entschieden hatte, dass § 44 <strong>SGB</strong> X auch für Leistungen nach dem <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong> gilt, es mithin kein über § 37 <strong>SGB</strong> I dem § 44 <strong>SGB</strong> X generell vorgehendes normatives<br />
Strukturprinzip ("keine Leistungen für die Vergangenheit"; Bedarfsdeckungsgr<strong>und</strong>satz;<br />
Aktualitätsprinzip) gibt, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen <strong>und</strong><br />
zur Änderung des Zweiten <strong>und</strong> Zwölften Buches Sozialgesetzbuch mit m.W.z. 2011 klargestellt, dass<br />
§ 44 Abs. 4 Satz 1 <strong>SGB</strong> X mit der Maßgabe gilt, dass an Stelle des Zeitraums von vier Jahren ein<br />
Zeitraum von einem Jahr tritt.<br />
BSG v. 27.9.2011, B 4 AS 155/10 R - RA-Gebühren<br />
Streitig ist die Übernahme weiterer Rechtsanwaltskosten für ein isoliertes Vorverfahren unter<br />
Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 der Anlage 1 Vergütungsverzeichnis (VV)<br />
zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).<br />
Die Klägerin zu 1 lebt mit den Klägern zu 2 bis 7 in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie beziehen<br />
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. In einem<br />
Widerspruchsverfahren verpflichtete sich der Beklagte <strong>im</strong> Zusammenhang mit einem<br />
Abhilfebescheid, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten auf Antrag<br />
zu erstatten, soweit diese notwendig <strong>und</strong> nachgewiesen seien. Auf Antrag des bevollmächtigten<br />
Rechtsanwalts setzte der Beklagte die zu erstattenden Gebühren <strong>und</strong> Auslagen auf 337,96 Euro<br />
fest; die Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber berücksichtigte er nicht.<br />
Klage <strong>und</strong> Berufung hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG<br />
ausgeführt, zwischen dem Prozessbevollmächtigten <strong>und</strong> allen (anderen) Mitgliedern der<br />
Bedarfsgemeinschaft - mit Ausnahme der Klägerin zu 1 - sei kein Vergütungsanspruch für das<br />
Widerspruchsverfahren entstanden, weil nicht die Bedarfsgemeinschaft, sondern nur die Klägerin<br />
zu 1 aufgetreten <strong>und</strong> auch nur diese anwaltlich vertreten gewesen sei. Der Anwalt habe nur "die<br />
Geschäfte der Klägerin" (<strong>und</strong> dies in deren Auftrag) nach außen erkennbar wahrgenommen <strong>und</strong><br />
wahrnehmen wollen.<br />
Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 38 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sowie Nr 1008 VV RVG.
Die Revision der Kläger hatte <strong>im</strong> Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur<br />
erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das LSG Erfolg. Der Senat vermochte nach<br />
den Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen, ob die Kläger einen<br />
Anspruch auf eine Erhöhungsgebühr nach VV-RVG Nr 1008 haben.<br />
VV-RVG Nr 1008 best<strong>im</strong>mt, dass sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bei einer<br />
Mehrheit von Auftraggebern ( § 7 RVG) erhöht, ..., wenn Auftraggeber in derselben<br />
Angelegenheit mehrere Personen sind. Ob der bevollmächtigte Rechtsanwalt hier allein für<br />
die Klägerin oder auch für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gehandelt hat,<br />
lässt sich an Hand der Ausführungen des LSG nicht feststellen. Eine Mehrheit von<br />
Auftraggebern liegt nach dem weiten Anwendungsbereich der VV-RVG Nr 1008 bereits vor,<br />
wenn derselbe Rechtsanwalt für verschiedene natürliche Personen tätig wird. Es kommt<br />
insoweit nicht darauf an, wer persönlich dem Anwalt den Auftrag erteilt hat. Auch dann,<br />
wenn nur eine Person für eine Personenmehrheit Auftraggeber des Anwalts ist <strong>und</strong> mit<br />
diesem den Anwaltsvertrag abschließt, kann VV-RVG Nr 1008 eingreifen. Im<br />
wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher festzustellen haben, ob unter<br />
Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />
Vermutungsregelung des § 38 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> davon ausgegangen werden kann, der<br />
bevollmächtigte Rechtsanwalt habe neben der Klägerin zu 1) die weiteren<br />
Bedarfsgemeinschaftsmitglieder <strong>im</strong> Widerspruchsverfahren vertreten.<br />
Sollte das LSG zu dem Ergebnis der Vertretung einer Personenmehrheit gelangen, wird das<br />
Gericht auch über den Umfang des geltend gemachten Erhöhungsanspruch zu<br />
entscheiden haben. Dabei ist zum Einen die Höhe der Geschäftsgebühr bis zur Höhe des<br />
vom Anwalt best<strong>im</strong>mten Umfangs zu überprüfen sowie zum Zweiten auf Gr<strong>und</strong>lage dessen<br />
der Umfang des Erhöhungsbetrags festzulegen <strong>und</strong> der Gesamtbetrag zu ermitteln.<br />
133<br />
BSG v 12.7.2012 – B 14 AS 35/12 R – 20 Ct. - Kein Rechtsschutzbedürfnis<br />
Die Revision des beklagten Jobcenters war erfolgreich.<br />
Die Urteile der Vorinstanzen wurden aufgehoben <strong>und</strong> die Klage abgewiesen.<br />
Streitgegenstand der Revision war - wie bereits <strong>im</strong> Berufungsverfahren - lediglich noch die<br />
Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts in Höhe von 20 Cent, die der Beklagte zuvor abgelehnt hatte.<br />
Die auf Verurteilung zur Zahlung weiterer 20 Cent gerichtete Klage war allerdings nicht<br />
zulässig. Zwar steht der Klägerin eine Klagebefugnis zu, denn sie kann sich darauf<br />
berufen, durch die teilweise Ablehnung einer höheren Leistung in eigenen Rechten<br />
verletzt zu sein. Die sich aus der Anwendung der R<strong>und</strong>ungsregelung be<strong>im</strong><br />
Leistungsberechtigten ergebenden Vor- bzw Nachteile betreffen unmittelbar dessen durch<br />
das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> begründete Rechtsposition. Für einen Leistungsberechtigten, der mit seiner<br />
Klage ausschließlich die Verletzung der R<strong>und</strong>ungsregelung nach § 41 Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
aF geltend macht, besteht jedoch kein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis<br />
1. Alg <strong>II</strong><br />
VI. Leistungen<br />
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten als Alg <strong>II</strong> Leistungen zur Sicherung des Lebens-
134<br />
unterhalts den Regelbedarf, Mehrbedarfe <strong>und</strong> den Bedarf für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung (§ 19 Satz 1,<br />
3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten<br />
in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf<br />
Leistungen nach dem Vierten Kapitel des <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> haben (§ 19 Abs. 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Leistungsberechtigte haben unter den Voraussetzungen des § 28 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> Anspruch auf Leistungen<br />
für Bildung <strong>und</strong> Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel<br />
des <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> haben. Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung <strong>und</strong><br />
Teilhabe nach § 6a Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 des BKKG gewährt werden, haben sie keinen Anspruch auf<br />
entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Dabei hat der Leistungsberechtigte gr<strong>und</strong>sätzlich die Nachteile zu tragen, wenn seine Leistungsberechtigung<br />
nicht nachgewiesen werden kann, obwohl das Jobcenter (<strong>und</strong> später das Sozialgericht)<br />
von Amts wegen nachgeforscht hat, ob die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.<br />
Zu einem der Beweismittel gehört die Aufforderung, die Kontoauszüge vorzulegen.<br />
Hierzu ist folgende <strong>Rechtsprechung</strong> zu berücksichtigen:<br />
a) (Vorlage von Kontoauszügen) BSG - B 14 AS 45/07 R – 19.9.08<br />
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Alg <strong>II</strong> wegen fehlender Mitwirkung. Er hatte<br />
bereits <strong>im</strong> Jahre 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> von der<br />
Beklagten bezogen. Im Hinblick auf einen neuen Bewilligungsabschnitt forderte ihn die Beklagte<br />
am 10.1.2006 auf, eine Kontenübersicht, Kontoauszüge der letzten drei Monate <strong>und</strong> die Steuerkarte<br />
für das Jahr 2006 vorzulegen. Sollte der Kläger bis zum 28.1.2006 die angeforderten Unterlagen<br />
nicht einreichen, werde die Geldleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden.<br />
Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Daraufhin versagte die Beklagte die Leistungen ab<br />
1.2.2006 wegen fehlender Mitwirkung des Klägers "vollständig". Die hiergegen gerichtete Klage ist<br />
in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.<br />
Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, dem Kläger ab<br />
1.2.2006 Alg <strong>II</strong> wegen fehlender Mitwirkung zu versagen. Eine gr<strong>und</strong>sätzliche Pflicht zur Vorlage<br />
der Kontoauszüge, einer Kontenübersicht <strong>und</strong> der Lohnsteuerkarte folgt aus § 60 I Nr 3 <strong>SGB</strong> I.<br />
Hiernach hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, Beweismittel zu bezeichnen <strong>und</strong> auf
135<br />
Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurk<strong>und</strong>en vorzulegen. Die allgemeinen<br />
Mitwirkungspflichten gelten gr<strong>und</strong>sätzlich auch <strong>im</strong> Bereich der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende. Die von der Beklagten geforderten Vorlagepflichten waren auch nicht durch § 65<br />
<strong>SGB</strong> I eingeschränkt, der Grenzen der Mitwirkungspflicht aufzeigt. Insbesondere kann die Beklagte<br />
nicht darauf verwiesen werden, nur <strong>im</strong> Rahmen eines (Erst-)Antrags die Vorlage von<br />
Kontoauszügen etc zu fordern. Eine solche Aufforderung kann auch - wie hier - bei Stellung eines<br />
Folgeantrags erfolgen. Ebenso wenig ist die Vorlagepflicht auf konkrete Verdachtsfälle beschränkt.<br />
Hinsichtlich der zeitlichen Erstreckung war die Vorlage von Kontoauszügen jedenfalls der letzten<br />
drei Monate nicht unverhältnismäßig.<br />
Die Vorlagepflicht wird auch durch die Regelungen des Sozialdatenschutzes nicht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
eingeschränkt. Sowohl nach den speziellen Datenschutzvorschriften des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ( § § 50 ff) als auch<br />
nach den allgemeinen Regelungen des Sozialdatenschutzes in den § § 67 ff <strong>SGB</strong> X ist die Erhebung<br />
von geschützten Sozialdaten zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der<br />
erhebenden Stelle nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Die Vorlage der Kontoauszüge <strong>und</strong><br />
einer Kontenübersicht ist in diesem Sinne erforderlich, um die Anspruchsvoraussetzungen der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen zu ermitteln <strong>und</strong> zu überprüfen. Im Einzelfall kann allerdings<br />
zweifelhaft sein, ob die Erhebung besonderer Arten personenbezogener Daten für die Erfüllung der<br />
Aufgaben des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers erforderlich ist. Hierzu zählen Angaben über die rassische<br />
<strong>und</strong> ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen,<br />
Gewerkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben. Dies betrifft aber nur die Ausgabenseite<br />
(Sollstellung) der Kontenbewegungen.<br />
Während die Einnahmen jeweils unbegrenzt aus den Kontoauszügen hervorgehen müssen, räumen<br />
die Regelungen des Sozialdatenschutzes ( § 67 Abs 12 iVm § 67a Abs 1 <strong>SGB</strong> X) dem<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsempfänger die Möglichkeit ein, auf der Ausgabenseite die Empfänger von<br />
Zahlungen zu schwärzen oder unkenntlich zu machen, wenn diese Zahlungen besondere<br />
personenbezogene Daten betreffen (etwa Beiträge für Gewerkschaften, politische Parteien,<br />
Religionsgemeinschaften etc). Die überwiesenen Beträge müssen aber auch in diesen Fällen für den<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger erkennbar bleiben. Die Regelungen über den Sozialdatenschutz in den § §<br />
67 ff <strong>SGB</strong> X greifen auch nicht in das Gr<strong>und</strong>recht des Klägers auf informationelle<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mung ein.
136<br />
Der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger ist zwar gr<strong>und</strong>sätzlich gehalten, in seinen Mitwirkungsaufforderungen<br />
auf die aufgezeigten Möglichkeiten der Schwärzung von Angaben zu Zahlungsempfängern<br />
hinzuweisen. Im vorliegenden Fall kann aber dahinstehen, ob ein unterlassener Hinweis die<br />
Aufforderung bereits rechtswidrig macht, denn der Kläger hat sich von vorneherein <strong>und</strong> prinzipiell<br />
geweigert, überhaupt Kontoauszüge vorzulegen bzw mitzuwirken.<br />
b. BSG v 19.2.2009 – B 4 AS 10/08 R - L. ./. ARGE Jobcenter Stadt Pforzhe<strong>im</strong><br />
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Empfänger von Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen dem<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger (ARGE) auch ohne konkreten Missbrauchsverdacht regelmäßig<br />
Kontoauszüge vorlegen müssen.<br />
Die 1954 geborene Klägerin bezieht Alg <strong>II</strong> nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Am 23.2.2007 teilte sie der beklagten<br />
ARGE die Änderung ihrer Bankverbindung mit <strong>und</strong> reichte ihr die Kündigung ihres Arbeitgebers<br />
sowie ihre letzte Provisionsabrechnung ein. Die Beklagte bewilligte der Klägerin auch für März <strong>und</strong><br />
April 2007 Alg <strong>II</strong>. Zugleich forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 21.3.2007 auf, die<br />
kompletten Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen. Die Klägerin kam der Aufforderung<br />
nach <strong>und</strong> bat die Beklagte mitzuteilen, ob auch in Zukunft ohne konkrete Anhaltspunkte für einen<br />
missbräuchlichen Leistungsbezug die Vorlage von Kontoauszügen verlangt werde. Die Beklagte<br />
bejahte dies <strong>und</strong> teilt der Klägerin mit, dass bei jeder Antragstellung <strong>im</strong> Zuge von<br />
Folgeantragsverfahren die vollständigen Kontoauszüge der letzten drei Monate von allen<br />
bestehenden Konten <strong>im</strong> Rahmen der Mitwirkungspflicht angefordert würden.<br />
Die Klägerin hat hierauf be<strong>im</strong> SG die Feststellung beantragt, dass sie ohne konkrete<br />
Verdachtsmomente auf missbräuchlichen Leistungsbezug nicht verpflichtet sei, Kontoauszüge<br />
vorzulegen. Das SG hat die Klage abgewiesen.<br />
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter. Sie trägt <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
vor, von einem Antragsteller, der kein Vermögen besitze, könne nicht verlangt werden, dass er das<br />
nicht existierende Vermögen durch Beweisurk<strong>und</strong>en nachweise, denn dies sei unmöglich.
137<br />
Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass<br />
die Klägerin auch ohne konkrete Verdachtsmomente auf missbräuchlichen Leistungsbezug bei jeder<br />
Beantragung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> - also auch bei Folgeanträgen auf Weitergewährung<br />
von Leistungen - verpflichtet ist, sämtliche Kontoauszüge der jeweils vergangenen drei Monate<br />
vorzulegen.<br />
Das Recht der Beklagten, sich bei jedem erneuten Leistungsantrag Kontoauszüge vorlegen zu<br />
lassen, ist die Kehrseite der Mitwirkungsobliegenheiten, die Empfängern von Sozialleistungen ganz<br />
allgemein <strong>und</strong> auch Hilfeempfänger treffen. Der Senat schließt sich hierbei der Rechtsauffassung<br />
des 14. Senats vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - an. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist<br />
nicht erkennbar, dass sich der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger die von der Klägerin gewünschten<br />
Informationen auf leichtere Weise beschaffen könnte.<br />
Zwar ermöglicht § 93 Abs 8 AO in der ab 18.8.2007 geltenden Fassung iVm § 24c KWG dem<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsträger über das B<strong>und</strong>eszentralamt für Steuern unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen<br />
einen Zugriff auf die sog Kontostammdaten. Dies kann die Vorlage der Kontoauszüge jedoch nicht<br />
vollständig ersetzen. Denn der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger wird damit lediglich in die Lage versetzt die<br />
Existenz von Konten <strong>und</strong> Depots <strong>und</strong> die Verknüpfung mit dem Inhaber, Verfügungsberechtigten<br />
oder wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Zugriff auf Inhalte der Konten, wie etwa Kontostand<br />
oder Kontenbewegungen sind dadurch aber nicht möglich.<br />
Die Obliegenheit zur Vorlage der Kontoauszüge führt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht<br />
dazu, dass sie nunmehr den Beweis negativer Tatsachen erbringen müsste. Es verbleibt bei der<br />
Amtsermittlungspflicht des Gr<strong>und</strong>sicherungsträgers. Allerdings trägt, wer Alg <strong>II</strong> beantragt, die<br />
Folgen einer objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren<br />
Beweismittel die Bedürftigkeit des Antragstellers nicht feststellen lässt. Weigert sich der<br />
Hilfeempfänger <strong>im</strong> Rahmen der ihn treffenden Obliegenheit Kontoauszüge vorzulegen, geht dies<br />
materiell-rechtlich zu seinen Lasten, wenn das Vorliegen seiner Bedürftigkeit <strong>und</strong> damit seine<br />
Leistungsberechtigung nicht feststeht.
138<br />
BSG v. 25.1.2012 B 14 AS 65/11 R Offenbarung von Sozialgehe<strong>im</strong>nissen durch Jobcenter<br />
Die Kläger machen eine Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen durch das beklagte Jobcenter<br />
geltend.<br />
Die Kläger, ein 1957 <strong>und</strong> 1966 geborenes Ehepaar, das Arbeitslosengeld <strong>II</strong> bezieht, bewohnten<br />
zusammen mit mehreren Kindern <strong>und</strong> weiteren Familienangehörigen bis Ende Februar 2008 ein<br />
125 qm großes Haus <strong>im</strong> Landkreis Emmendingen. Das Mietverhältnis wurde von der Vermieterin,<br />
vertreten durch den Haus- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitzerverein, gekündigt. Die Kläger hatten hierfür eine von<br />
ihnen selbst aufgebrachte Kaution in Höhe von 2.611,78 Euro hinterlegt. Im Dezember 2007<br />
unterzeichneten sie einen Mietvertrag für ein Haus in B. <strong>im</strong> Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.<br />
Das Mietverhältnis begann am 15.2.2008; der Vermieter forderte eine Mietkaution in Höhe von<br />
1.700 Euro. Den Antrag der Kläger, die Mietkaution darlehensweise zu übernehmen, lehnte der<br />
Beklagte ab <strong>und</strong> verwies auf die Mietkaution für das bislang bewohnte Haus, die zur Begleichung<br />
der neuen Kaution eingesetzt werden könne. Die Kläger machten geltend, die hinterlegte<br />
Mietkaution für das bislang bewohnte Haus stehe voraussichtlich erst mit Ablauf der<br />
sechsmonatigen Prüfungsfrist der Vermieterin <strong>und</strong> daher weit nach Fälligkeit der Mietkaution für<br />
das neue Haus zur Verfügung. Mit Schreiben vom 12.2.2008 wandte sich der Beklagte daraufhin<br />
wegen der Auszahlung der Kaution an den Haus- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitzerverein E. unter dem Betreff<br />
"Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> Mietverhältnis ..." mit Angabe der bisherigen Adresse <strong>und</strong> des<br />
Namens der Kläger <strong>und</strong> bat unter anderem um Mitteilung des Auszahlungstermins <strong>und</strong> der Höhe<br />
der Kaution. In der Folgezeit telefonierten Bedienstete des Beklagten mehrmals mit dem Haus<strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>besitzerverein E. <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>igten sich nach dem Sachstand. Ende Februar 2008<br />
beantragten die Kläger bei dem Beklagten außerdem je einen Schrank für ihre Kinder, weil diese<br />
über keine Schränke verfügten, da in dem bisherigen Haus Einbauschränke gewesen seien. Am<br />
19.3.2008 telefonierte ein Bediensteter des Beklagten wegen dieser Angelegenheit mit dem<br />
Ehemann der früheren Vermieterin.<br />
Im Rahmen ihrer auf die Bewilligung der Mietkaution gerichteten Klage haben die Kläger ua die<br />
Verletzung ihres Sozialdatenschutzes durch das Schreiben des Beklagten vom 12.2.2008 geltend<br />
gemacht. Erst durch dieses Schreiben habe die Vermieterin von ihrem Leistungsbezug erfahren<br />
<strong>und</strong> sie - die Kläger - seien nunmehr dem Hohn <strong>und</strong> Spott der Familie der ehemaligen Vermieterin<br />
ausgesetzt. Das SG hat den Antrag der Kläger, festzustellen, dass der Beklagte durch sein<br />
Verhalten unbefugt Sozialgehe<strong>im</strong>nisse offenbart habe, abgewiesen. Das LSG hat die Berufung<br />
zurückgewiesen. Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von §<br />
35 Abs 1 <strong>SGB</strong> I <strong>und</strong> ihres Gr<strong>und</strong>rechts auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung. Der Beklagte habe<br />
nicht <strong>im</strong> Wege der Amtsermittlung ohne ihre vorherige Zust<strong>im</strong>mung Daten bei Dritten mit der Folge<br />
erheben dürfen, dass Sozialdaten, wie ihr Bezug von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> offenbart<br />
würden. Eine Rechtsgr<strong>und</strong>lage für die vorgenommene Offenbarung ihrer Sozialdaten sei nicht<br />
ersichtlich.<br />
Die Revision der Kläger war erfolgreich <strong>und</strong> führte zur Aufhebung des zweitinstanzlichen <strong>und</strong> zur<br />
Änderung des erstinstanzlichen Urteils.<br />
Der Senat hat festgestellt, dass das beklagte Jobcenter durch sein Schreiben an den Haus<strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>besitzerverein E. sowie durch seine Telefongespräche mit diesem <strong>und</strong> mit dem<br />
Ehemann der früheren Vermieterin der Kläger unbefugt Sozialgehe<strong>im</strong>nisse der Kläger<br />
offenbart hat, indem er den Leistungsbezug der Kläger mitgeteilt hat. Nach den auch für<br />
das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften hat jeder Anspruch darauf, dass<br />
die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben,<br />
verarbeitet oder genutzt werden. Der Beklagte kann eine Befugnis zum Offenbaren der<br />
Sozialdaten hier nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die<br />
eigenen Aufgaben zu erfüllen. Er musste in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der<br />
Kläger beachten <strong>und</strong> hätte deshalb vor einer Kontaktaufnahme mit Dritten zunächst das
139<br />
Einverständnis der Kläger einholen müssen.<br />
Sanktionen - Minderung des Alg <strong>II</strong><br />
In der Praxis hat die Minderung des Alg <strong>II</strong> nach den §§ 31-31b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> große Bedeutung.. Die<br />
Minderung kommt gem. § 31 Abs. 1, 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> in Betracht, wenn - trotz schriftlicher Belehrung<br />
über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis - die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (für die<br />
nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vgl. § 31a Abs. 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) eine der folgenden Pflichten<br />
verletzen, ohne dafür einen wichtigen Gr<strong>und</strong> zu haben:<br />
1. Weigerung, trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis, die in der<br />
Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang<br />
Eigenbemühungen nachzuweisen,<br />
2. Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> oder<br />
eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach § 16e <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geförderte Arbeit aufzunehmen,<br />
fortzuführen oder deren Anbahnung durch eigenes Verhalten zu verhindern,<br />
3. Nichtantritt oder Abbruch einer zumutbare Maßnahme zur Eingliederung, wobei es schon<br />
reicht, Anlass für den Abbruch gegeben zu haben,<br />
4. Minderung von Einkommen oder Vermögen - nach Vollendung des 18. Lebensjahres - in der<br />
Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Alg <strong>II</strong> herbeizuführen,<br />
5. Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren<br />
Kenntnis,<br />
6. Ruhen oder Erlöschen des Anspruchs auf Alg, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer<br />
Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I festgestellt hat oder<br />
7. Erfüllen der <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit, die das<br />
Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Alg begründen.
140<br />
Die Pflichtverletzung sowie der Umfang der Leistungsminderung müssen ausdrücklich durch<br />
anfechtbaren Bescheid festgestellt werden <strong>und</strong> die Dauer der Minderung ist i.d.R. auf 3 Monate<br />
begrenzt (§ 31b Abs. 1 Satz 1, 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Das Alg <strong>II</strong> wird gem. § 31a Abs. 1 Satz 1, 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für erwerbsfähigen Leistungsberechtigten(für<br />
nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigte: § 31a Abs. 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) in einer ersten Stufe um 30%, bei<br />
einer wiederholten (innerhalb eines Jahres liegenden) Pflichtverletzung um 60% <strong>und</strong> dann bei jeder<br />
weiteren, wiederholten Pflichtverletzung um 100% gemindert. Betroffen ist allerdings nur der nach<br />
§ 20 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> maßgebende Regelbedarf (nicht also die sonstigen Bedarfe, z.B. für Mehrbedarfe),<br />
wobei die Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung ab einer Minderung um 60 % dann an<br />
Vermieter oder andere Empfangsberechtigte direkt gezahlt werden sollen (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 3<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Hinweis: Das ist anders bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch<br />
nicht vollendet haben, denn hier reduziert sich das Alg <strong>II</strong> bei der ersten Pflichtverletzung nach § 31<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf die Bedarfe nach § 22 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
entfällt das Alg. <strong>II</strong> vollständig.<br />
Bei Meldeversäumnissen kann es gem. § 32 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu einer Minderung des Alg <strong>II</strong> oder des<br />
Sozialgeldes um 10 % kommen.<br />
Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt allerdings nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung<br />
festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums<br />
länger als ein Jahr zurückliegt (§ 31a Abs. 1 Satz 3, 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Erklären sich erwerbsfähige<br />
Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige<br />
Träger die Minderung der Leistungen ab diesem Zeitpunkt auf 60 % des Regelbedarfs begrenzen<br />
(vgl. § 31a Abs. 2 Satz 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> für die Unter -25-Jährigen). Diese an § 67 <strong>SGB</strong> I erinnernde<br />
Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 5 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zeigt, dass es hier um den Verstoß gegen<br />
Mitwirkungspflichten i.S. der §§ 60 ff. <strong>SGB</strong> I geht.
141<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
Absenkung der Regelleistung nach § 31 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
a) B 4 AS 60/07 R - A. ./. ARGE für die Gr<strong>und</strong>sicherung Arbeitsuchender für den Landkreis<br />
Ostallgäu<br />
Der 1950 geborene Kläger ist Ingenieur für Kunststoffe. Im September 2001 wurde er arbeitslos,<br />
bezog bis März 2003 Alg nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I <strong>und</strong> anschließend bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe<br />
(Alhi). Seit dem 1.1.2005 erhielt er Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende nach dem<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, ua von Mai bis Oktober 2005 in Höhe von 970,33 Euro. Die beklagte ARGE bot dem<br />
Kläger am 4.8.2005 eine bis 17.12.2005 befristete Arbeitsgelegenheit gegen eine<br />
Mehraufwandsentschädigung von 1,50 Euro/St<strong>und</strong>e als Gemeindearbeiter bei dem Markt Waal <strong>im</strong><br />
Umfang von wöchentlich 30 St<strong>und</strong>en an. Der Kläger teilte der Beklagten am 7.8.2005 mit, er habe<br />
eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen (Bruttoarbeitsentgelt August 2005: 86,25 Euro). Am<br />
11.8. wurde der Beklagten seitens der Verwaltungsgemeinschaft Buchloe mitgeteilt, der Kläger habe<br />
sich auf die Arbeitsgelegenheit nicht gemeldet <strong>und</strong> nicht beworben. Daraufhin senkte die beklagte<br />
ARGE die Regelleistung (Alg <strong>II</strong>) für Oktober bis Dezember in Höhe von bisher 345 Euro monatlich<br />
um 30 vH (= 103,50 Euro). Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er trug vor, der Gr<strong>und</strong>satz<br />
des Vorrangs der Vermittlung in reguläre Arbeit sei nicht beachtet worden <strong>und</strong> die angebotene<br />
Tätigkeit überschreite mit 30 St<strong>und</strong>en das Maß des Zulässigen. Außerdem habe er zum fraglichen<br />
Zeitpunkt eine Tätigkeit aufgenommen, die ein hohes Maß an Flexibilität erfordere. Die Arbeit sei<br />
schließlich nicht zusätzlich iS von § 16 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> er sei auch körperlich nicht in der<br />
Lage, die angebotene Arbeit auszuführen. Die Beklagte hat den Widerspruch zurückgewiesen..<br />
Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Urteil des LSG aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur<br />
erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung zurückverwiesen.<br />
Nach § 31 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wird das Alg in einer ersten Stufe um 30 vH der maßgebenden<br />
Regelleistung ua dann abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über<br />
die Rechtsfolgen weigert, zumutbare Arbeitsgelegenheiten auszuführen. Eine Absenkung tritt nicht<br />
ein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige für sein Verhalten einen wichtigen Gr<strong>und</strong> nachweist.<br />
Die Beklagte hat dem Kläger eine Tätigkeit angeboten, die den Anforderungen an eine<br />
Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> genügt. Die Arbeitsgelegenheiten sind nach der<br />
geltenden Gesetzeslage keine Gegenleistung für die dem Hilfebedürftigen gewährten
142<br />
Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen. Sofern der Gesetzgeber <strong>im</strong> Bereich der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende unter dem "Gesichtspunkt des Forderns" sog "Workfare-Elemente" für angemessen<br />
hält, muss er dies <strong>im</strong> Gesetz klar <strong>und</strong> unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Dies ist nach der<br />
derzeitigen Gesetzeslage nicht der Fall. Die Arbeitsgelegenheiten gehören systematisch vielmehr<br />
zum Katalog der in § 16 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelten Eingliederungsleistungen. Deren Aufgabe ist die<br />
umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in<br />
Arbeit. Arbeitsgelegenheiten sind Mittel der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zur Umsetzung des Gr<strong>und</strong>satzes<br />
des Förderns. Eine besondere Regelung gilt für die <strong>im</strong> öffentlichen Interesse liegenden, zusätzlichen<br />
Arbeiten, die nicht nach § 16 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert werden:<br />
Bei Ausübung einer derartigen Arbeitsgelegenheit wird dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
zuzüglich zum Alg <strong>II</strong> eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt.<br />
Arbeitsgelegenheiten müssen - bezogenen auf den konkreten Hilfebedürftigen - daher erforderlich,<br />
geeignet <strong>und</strong> auch <strong>im</strong> engeren Sinne angemessen sein, diesem Ziel - Eingliederung in Arbeit - näher<br />
zu kommen. Dabei steuert das für alle Eingliederungsleistungen geltende ungeschriebene Merkmal<br />
der Erforderlichkeit auch die Dauer <strong>und</strong> den zeitlichen Umfang der Inanspruchnahme.<br />
Entgegen der Auffassung des LSG widerspricht es den für Arbeitsgelegenheiten geltenden<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich, wenn für die Ausübung einer derartigen Tätigkeit ein zeitlicher<br />
Umfang von bis zu 30 St<strong>und</strong>en anzusetzen ist. Eine gesetzliche Regelung hierzu existiert nicht.<br />
Tätigkeiten <strong>im</strong> Rahmen von Arbeitsgelegenheiten sind keiner isolierten Betrachtung zugänglich. Sie<br />
stellen vielmehr - wie andere Eingliederungsleistungen auch - lediglich einen Zwischenschritt zum<br />
angestrebten Endziel der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit dar. Handelt<br />
es sich bei den Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> damit ihrem Charakter nach um<br />
Förderungsleistungen, die die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen erhalten, verbessern oder<br />
wiederherstellen sollen, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang<br />
während des Zeitraums der Ausübung der Tätigkeit die Relation von Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung<br />
gewahrt ist. Gegen eine zeitliche Inanspruchnahme in dem hier fraglichen Umfang kann auch nicht<br />
ins Feld geführt werden, dass durch eine zeitliche Begrenzung die Gefahr einer Verdrängung<br />
regulärer Arbeitsverhältnisse verhindert werde. Denn die Verdrängungsgefahr resultiert nicht aus<br />
dem Umfang, sondern allein aus der Art der Tätigkeit.<br />
Voraussetzungen für eine Absenkung des Alg <strong>II</strong> ist aber, dass das Angebot der Arbeitsgelegenheit
hinreichend best<strong>im</strong>mt war <strong>und</strong> der Kläger <strong>im</strong> zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot<br />
über die Rechtsfolgen einer Ablehnung verständlich, richtig <strong>und</strong> vollständig belehrt worden ist.<br />
143<br />
Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Es wird nach Zurückverweisung prüfen müssen;<br />
ob ein Arbeitsangebot vorliegt, das hinreichende Angaben zur Art der Tätigkeit, zur wöchentlichen<br />
Arbeitszeit, zur zeitlichen Lage der Arbeitszeiten <strong>und</strong> zum Umfang der Aufwandsentschädigung<br />
enthält. Weiter ist zu klären, ob eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den<br />
Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt <strong>und</strong> sich nicht in einer bloßen Wiederholung des<br />
Gesetzeswortlauts erschöpft.<br />
2. Sozialgeld<br />
Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer<br />
Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen der<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung <strong>im</strong> Alter <strong>und</strong> bei Erwerbsminderung gem. §§ 41 ff. <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> haben (§ 19 Abs. 1<br />
Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Ein Anspruch auf Alg <strong>II</strong> scheidet aus, weil dieser unmittelbar nur für erwerbsfähige<br />
Leistungsberechtigte besteht. Der Anspruch auf Sozialgeld ist indes akzessorisch vom Bestehen<br />
einer Bedarfsgemeinschaft abhängig, die auch temporär bestehen kann. Der erwerbsfähige<br />
Berechtigte vertritt die nicht erwerbsfähigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft bei der<br />
Antragstellung (§ 38 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
3. Eingliederungsleistungen<br />
Neben der reinen Existenzsicherung soll der <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>-Träger die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />
insbesondere bei dem Ziel der Eingliederung in Arbeit unterstützen (§ 14 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Dazu<br />
kann sich der Träger der in den §§ 15-18a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelten Instrumente bedienen, die <strong>im</strong><br />
Einzelfall auch dann fortgesetzt werden dürfen, wenn während einer Maßnahme die<br />
Hilfebedürftigkeit entfällt (vgl. § 16f <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Diese Leistungen setzen eine Infrastruktur voraus<br />
(Leistungserbringer, § 17 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> der Gesetzgeber verpflichtet zur umfassenden<br />
Zusammenarbeit (vgl. § 18, 18a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Erwerbsfähigen Personen, die innerhalb der letzten zwei Jahre laufende Geldleistungen, die der
144<br />
Sicherung des Lebensunterhalts dienen, weder nach <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> noch nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I bezogen haben,<br />
sollen bei der Beantragung von Leistungen nach diesem Buch unverzüglich Leistungen zur<br />
Eingliederung in Arbeit angeboten werden (§ 15a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Neben einzelnen gesetzlich geprägten<br />
Fördermaßnahmen ist auch eine freie Förderung möglich (§ 16f <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>), die insbesondere bei<br />
Langzeitarbeitslosen dazu führen kann, dass von gesetzlich normierten Leistungsvoraussetzungen<br />
bzw. -höhen abgewichen werden darf .<br />
Neben einer Leistungsgewährung gegenüber den hilfebedürftigen Leistungsberechtigten kommen<br />
nach § 16e <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> Beschäftigungszuschüsse gegenüber einem Arbeitgeber zur Eingliederung von<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit als Ausgleich der zu<br />
erwartenden Minderleistungen des Arbeitnehmers <strong>und</strong> einen Zuschuss zu sonstigen Kosten in<br />
Betracht.<br />
a. Eingliederungsvereinbarung<br />
Die Agentur für Arbeit – die in der Eingliederung in Arbeit besonders ausgewiesen ist - soll gem. §<br />
15 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung).<br />
Bei der Eingliederungsvereinbarung gem. § 15 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> handelt es sich<br />
nach herrschender Meinung um einen öffentlich - rechtlichen Vertrag. Regelungsgegenstand sind<br />
die sich aus dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ergebenden (öffentlichen) Rechte <strong>und</strong> Pflichten. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung<br />
nicht zustande, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen (§ 15 Abs.<br />
1 Satz 6 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere best<strong>im</strong>men,<br />
1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält,<br />
2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung<br />
in Arbeit mindestens unternehmen muss <strong>und</strong> in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat<br />
sowie<br />
3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, der erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige zu beantragen hat.
145<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
Eingliederungsvereinbarung BSG v 22.9.2009 - B 4 AS 13/09 R<br />
……………………………………………..Dem Kläger steht kein subjektiv-öffentliches Recht<br />
auf den Abschluss einer individuellen Eingliederungsvereinbarung oder das Verhandeln der<br />
Beklagten mit ihm über seine Eingliederung <strong>und</strong> die Zuweisung eines persönlichen Ansprechpartners<br />
zu. Die Agentur für Arbeit soll <strong>im</strong> Einvernehmen mit dem Kommunalen Träger mit jedem<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren.<br />
Kommt eine solche Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen, die Inhalt<br />
der Eingliederungsvereinbarung sein können, durch Verwaltungsakt erfolgen. Soweit die Verwaltung<br />
aufgefordert ist, mit dem Hilfebedürftigen eine Eingliederungsvereinbarung zu schließen,<br />
handelt es sich um eine reine Verfahrensvorschrift, die das Verhalten <strong>und</strong> Vorgehen der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger<br />
- Arbeitsagentur <strong>und</strong> kommunaler Träger- steuern soll.<br />
Der Gr<strong>und</strong>sicherungsträger trifft insoweit eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung<br />
darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen wählt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige kann durch ein "Nichtverhandeln"<br />
keinen Rechtsverlust erleiden. Denn er kann das inhaltliche Ergebnis einer durch Verwaltungsakt<br />
abgelehnten oder bewilligten Eingliederungsleistung gerichtlich voll überprüfen lassen. Auch auf<br />
die Benennung eines persönlichen Ansprechpartners besteht kein Rechtsanspruch. Ebenso wie bei<br />
den Regelungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung handelt es sich auch<br />
insoweit um eine an den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger adressierte verfahrensleitende Vorschrift auf dem<br />
Weg der Erreichung des Ziels der Eingliederung. Der Anspruch des Klägers auf Eingliederungsleistungen<br />
wird dadurch nicht berührt.<br />
b. Eingliederungsleistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I <strong>und</strong> § 16a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
Nach § 16 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> erbringt die Agentur für Arbeit bzw. die Arbeitsgemeinschaft zur<br />
Eingliederung in Arbeit Leistungen nach § 35 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I (Vermittlungsangebote). Sie kann darüber<br />
hinaus weitere Leistungen erbringen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2–5, Abs. 2, 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>; Bsp. für § 16<br />
Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (i.V.m. § 45 Satz 2 Ziff. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I): Übernahme von Kosten <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
Fahrten zur Berufsberatung, Vermittlung, Eignungsfeststellung <strong>und</strong> zu Vorstellungsgesprächen; Bsp.
146<br />
für § 16 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>: Leistungen zur Fortsetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit), wobei<br />
dann, wenn das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nichts Abweichendes regelt, für die Leistungen die Voraussetzungen <strong>und</strong><br />
Rechtsfolgen des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I gelten mit Ausnahme der Anordnungsermächtigungen für die<br />
B<strong>und</strong>esagentur <strong>und</strong> mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Alg das Alg <strong>II</strong> tritt (§ 16 Abs. 2 <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>). Berechtigt sind die hilfebedürftigen Leistungsberechtigten, so dass eine präventive<br />
Leistungsgewährung nicht in Betracht kommt.<br />
Der das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I betreffende Anwendungsbefehl steht nach § 16 Abs. 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> allerdings<br />
unter der Prämisse, dass das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nichts Anderes (= Abweichendes) regelt.<br />
Nach § 16a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> können zusätzlich zur Verwirklichung einer ganzheitlichen <strong>und</strong> umfassenden<br />
Betreuung <strong>und</strong> Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit noch folgende Leistungen, die für die<br />
Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind, erbracht<br />
werden:<br />
1. die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von<br />
Angehörigen,<br />
2. die Schuldnerberatung,<br />
3. die psychosoziale Betreuung,<br />
4. die Suchtberatung.<br />
c. Einstiegsgeld<br />
Zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit kann erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind,<br />
bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein<br />
Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
erforderlich ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Die Gewährung von Einstiegsgeld setzt daher u.a.<br />
voraus, dass eine Tätigkeit von wenigstens 15 St<strong>und</strong>en in der Woche nachgewiesen sein muss, weil<br />
erst ab diesem Umfang Arbeitslosigkeit i. S. des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I entfällt. Das Einstiegsgeld kann auch<br />
erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit<br />
entfällt (§ 16b Abs. 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
d. Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen<br />
Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die eine selbständige,<br />
hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können (Ermessen) nur gewährt werden, wenn
147<br />
zu erwarten ist, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist <strong>und</strong> Hilfebedürftigkeit<br />
durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überw<strong>und</strong>en<br />
oder verringert wird (Prognose). Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit soll<br />
die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachk<strong>und</strong>igen Stelle verlangen (§ 16 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder<br />
ausüben, können Darlehen <strong>und</strong> Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für<br />
die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig <strong>und</strong> angemessen sind. Zuschüsse dürfen einen<br />
Betrag von 5000,- € nicht übersteigen (§ 16 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Eine Förderung in der Weise, dass z.B.<br />
laufende Aufwendungen für ein Arbeitsz<strong>im</strong>mer übernommen werden, scheidet aus.<br />
e. Arbeitsgelegenheiten<br />
Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen gem. § 16d <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> sog.<br />
Arbeitsgelegenheiten („1-Euro-Job“) geschaffen werden. Dies erfolgt durch<br />
Eingliederungsvereinbarung bzw. Verwaltungsakt, wenn der Leistungsträger die<br />
Arbeitsgelegenheit bei sich selbst schaffen will; wird die Arbeitsgelegenheit hingegen bei einem<br />
Dritten geschaffen, scheidet ein öffentlich-rechtliches Handlungsinstrument aus. Werden<br />
Gelegenheiten für <strong>im</strong> öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten gefördert, ist den<br />
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Alg <strong>II</strong> eine angemessene Entschädigung für<br />
Mehraufwendungen zu zahlen, die nicht der Pfändung unterliegt; diese Arbeiten begründen kein<br />
Arbeitsverhältnis <strong>im</strong> Sinne des Arbeitsrechts.<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
„1-Euro-Job“ <strong>und</strong> Wertersatz<br />
BSG v- 13.4.2011 – B 14 AS 98/10 R <strong>und</strong> 101/10 R<br />
a) B 14 AS 98/10 R - S. ./. Jobcenter Mannhe<strong>im</strong><br />
Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter Wertersatz für geleistete Arbeit <strong>im</strong> Rahmen einer<br />
Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung (sogenannter Ein-Euro-Job). Er erhält seit<br />
dem 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Am<br />
24.3.2005 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem der Kläger verpflichtet wurde, für die Dauer<br />
von sechs Monaten gegen eine Mehraufwandsentschädigung von einem Euro pro geleisteter<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>e einen sogenannten Zusatzjob als Bürohilfskraft bei der Stadt Mannhe<strong>im</strong> auszuüben;<br />
die Stelle war jedoch bereits anderweitig vergeben. Daraufhin schlug der Beklagte dem Kläger am
148<br />
6.4.2005 eine Arbeitsstelle als Umzugshelfer bei der Stadt Mannhe<strong>im</strong> für vorbereitende Arbeiten für<br />
den Umzug des Fachbereichs Ges<strong>und</strong>heit vor. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein <strong>und</strong><br />
beantragte zugleich be<strong>im</strong> SG einstweiligen Rechtsschutz. Während des laufenden Eilverfahrens<br />
arbeitete der Kläger ab dem 25.4.2005 als Umzugshelfer <strong>und</strong> erhielt hierfür eine entsprechende<br />
Mehraufwandsentschädigung. Der Beklagte nahm <strong>im</strong> Verlauf des Eilverfahrens den Bescheid vom<br />
24.3.2005 zurück. Am 18.5.2005 stellte der Kläger die Arbeit ein.<br />
Eine vor dem Arbeitsgericht Mannhe<strong>im</strong> gegen die Stadt Mannhe<strong>im</strong> erhobene Klage auf Zahlung<br />
von Arbeitsentgelt wurde mit der Begründung abgewiesen, es habe kein Arbeitsverhältnis<br />
bestanden. Mit seiner danach be<strong>im</strong> SG erhobenen Klage, macht der Kläger geltend, mit der<br />
Rücknahme des Bescheides vom 24.3.2005 sei der Rechtsgr<strong>und</strong> für die von ihm geleistete Arbeit<br />
entfallen. Die Arbeitsverpflichtung sei zudem rechtswidrig gewesen, weil die be<strong>im</strong> Umzug des<br />
Ges<strong>und</strong>heitsamtes angefallene Arbeit nicht zusätzlich gewesen sei. Aus diesem Gr<strong>und</strong> habe der<br />
Beklagte ihm den Tariflohn zu erstatten.<br />
SG <strong>und</strong> LSG haben die Klage zurückgewiesen. Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, durch<br />
die von dem Beklagten erfolgte Zuweisung an die Stadt Mannhe<strong>im</strong> liege <strong>im</strong> Ergebnis eine Leistung<br />
an den Beklagten vor. Ein Vergleich mit regulär Beschäftigten ergebe zudem, dass dem Kläger<br />
zumindest die Erwerbstätigenfreibeträge verbleiben müssten.<br />
Das beklagte Jobcenter wurde verurteilt, an den Kläger den Betrag von 149,28 Euro, auf den der<br />
Kläger den Revisionsantrag begrenzt hatte, zu zahlen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein<br />
öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Bei der Arbeitsgelegenheit, die vom Kläger wahrgenommen<br />
worden ist, fehlte das Merkmal der Zusätzlichkeit. Maßgebend für den durch diese nicht<br />
zusätzliche Tätigkeit bedingten Vermögensvorteil bei dem Beklagten ist, dass dieser durch die<br />
Schaffung der Arbeitsgelegenheit <strong>und</strong> die Zuweisung des Klägers an den Maßnahmeträger die<br />
Arbeitsleistung veranlasst hat. Hinsichtlich der Höhe des Erstattungsanspruchs ist das LSG<br />
zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte für die Arbeit des Klägers das übliche<br />
Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe hätte aufwenden müssen <strong>und</strong> dem<br />
hieraus resultierenden Betrag die von dem Beklagten erbrachten Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen<br />
(einschließlich der zu tragenden Aufwendungen für die gesetzliche Renten-, Kranken- <strong>und</strong> Pflegeversicherung)<br />
gegenüber zu stellen sind. Anders als das LSG entschieden hat, können hierbei jedoch<br />
nur Sozialleistungen berücksichtigt werden, die der Kläger für die Zeit erhalten hat, in der er durch<br />
seine Arbeitsleistung eine Bereicherung des Beklagten bewirkt hat. Dies war hier der Zeitraum vom
149<br />
25.4.2005 bis 18.5.2005. Das LSG hat demgegenüber zu Unrecht die gesamten Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen<br />
für die Monate April <strong>und</strong> Mai 2005 berücksichtigt.<br />
b) B 14 AS 101/10 R - O. ./. Jobcenter Wilhelmshaven<br />
In dieser Sache war ebenfalls zu entscheiden, ob der Kläger von dem beklagten Jobcenter Wertersatz<br />
für geleistete Arbeit <strong>im</strong> Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung<br />
(sogenannter Ein-Euro-Job) verlangen kann.<br />
Die Beteiligten schlossen am 28.11.2007 eine Eingliederungsvereinbarung die als Leistung des<br />
Beklagten ua das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung "bei<br />
Verfügbarkeit <strong>und</strong> Eignung" vorsah. Der Kläger verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, bei<br />
einem entsprechenden Angebot des Beklagten an einer öffentlich geförderten Beschäftigung<br />
teilzunehmen. Mit Schreiben vom 4.1.2008 schlug der Beklagte dem Kläger eine Arbeitsgelegenheit<br />
mit Mehraufwandsentschädigung bei der Gesellschaft für Arbeitsvermittlung <strong>und</strong><br />
Qualifizierungsförderung eV (GAQ) für eine Tätigkeit als "Hilfsarbeiter bei der Aktion "Saubere<br />
Stadt" - Aufsammeln von Müll <strong>und</strong> Unrat <strong>im</strong> Stadtgebiet" vor. Nachdem der Kläger bei der GAQ<br />
eine entsprechende Vereinbarung über seine Tätigkeit unterzeichnet hatte, nahm er am 8.1.2008<br />
seine Tätigkeit dort auf. Gegen das Schreiben vom 4.1.2008 legte er allerdings mit Schreiben vom<br />
9.1.2008 Widerspruch ein <strong>und</strong> beantragte zugleich (erfolglos) die Gewährung vorläufigen<br />
Rechtsschutzes ua mit dem Ziel festzustellen, dass die Arbeitsgelegenheit rechtswidrig <strong>und</strong> der<br />
Beklagte verpflichtet sei, ihm den branchenüblichen Lohn zu bezahlen. Am 2.4.2008 stellte der<br />
Kläger seine Tätigkeit <strong>im</strong> Rahmen der Arbeitsgelegenheit wieder ein. Daraufhin "kündigte" ihm der<br />
Maßnahmeträger mit Schreiben vom 9.4.2008. Eine zunächst verhängte Sanktion (Absenkung des<br />
Arbeitslosengeldes <strong>II</strong> -Alg <strong>II</strong>- für den Zeitraum von drei Monaten um 30 %) hob der Beklagte später<br />
auf. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte zurück.<br />
Die Klage ist vor dem SG erfolglos geblieben. Mit der Sprungrevision rügt der Kläger eine<br />
Verletzung der Gr<strong>und</strong>sätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Rechtlicher Gr<strong>und</strong> für<br />
die den Erstattungsanspruch begründende Vermögensverschiebung sei entgegen der Ansicht des SG<br />
nicht die Eingliederungsvereinbarung, sondern der "Heranziehungsbescheid" vom 4.1.2008<br />
gewesen.<br />
Das Urteil des SG wurde aufgehoben <strong>und</strong> die Sache zur erneuten Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an
das LSG zurückverwiesen. Im Gegensatz zu dem unter Nr. 1 aufgeführten Verfahren fehlt es hier an<br />
150<br />
Feststellungen zur Zusätzlichkeit der vom Kläger ausgeführten Arbeiten.<br />
Der Kläger konnte das Schreiben des Beklagten vom 4.1.2008, mit dem dieser dem Kläger eine<br />
Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Gesellschaft für Arbeitsvermittlung<br />
<strong>und</strong> Qualifizierungsförderung eV (GAQ) für eine Tätigkeit als "Hilfsarbeiter bei der "Aktion<br />
"Saubere Stadt" - Aufsammeln von Müll <strong>und</strong> Unrat <strong>im</strong> Stadtgebiet" "vorgeschlagen" hatte, mit<br />
Widerspruch <strong>und</strong> Anfechtungsklage angreifen. Ist der "Heranziehungsbescheid" rechtswidrig <strong>und</strong><br />
kann der Kläger deshalb seine Aufhebung verlangen, kommt ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch<br />
in Betracht. Hierzu hat das SG ausgehend von seiner Auffassung, ein Anfechtungsklage<br />
sei unzulässig, keine weiteren Feststellungen getroffen.<br />
e) Ein-Euro-Job <strong>und</strong> Erstattung von Fahrtkosten -- B 14 AS 66/07 R - (13.11.08)<br />
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Fahrtkosten für die Fahrten zu einer Arbeitsgelegenheit mit<br />
Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs 3 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Der allein stehende Kläger bezog seit 2005 Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende von<br />
der Beklagten. Ab April 2006 nahm er eine so genannte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung<br />
(Ein-Euro-Job) auf. Er beantragte bei der Beklagten, zusätzlich zu dem ihm gewährten<br />
einen Euro pro Arbeitsst<strong>und</strong>e die Fahrtkosten zu übernehmen. Die Entfernung zu seinem Einsatzort<br />
betrage vier Kilometer, die Kosten für eine Monatskarte mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
51,90 Euro. Die Beklagte lehnte die Erstattung von zusätzlichen Fahrtkosten ab.<br />
Die Klage blieb vor dem SG ohne Erfolg<br />
Der Kläger trägt mit seiner Sprungrevision vor, die "Vergütung" für den Ein-Euro-Job sei nicht<br />
mehr angemessen, wenn er auch die Fahrtkosten hieraus tragen müsse. Rechne man die abzüglich<br />
der Fahrtkosten verbleibende "Vergütung" für den Ein-Euro-Job mit dem ihm gewährten Alg <strong>II</strong> in<br />
Höhe von 650 Euro zusammen, so verbleibe ihm ein "St<strong>und</strong>enlohn" von lediglich 5,99 Euro. Durch<br />
einen solchen "St<strong>und</strong>enlohn" werde jeder Anreiz zerstört, eine Arbeitsgelegenheit aufzunehmen.<br />
Die Sprungrevision des Klägers blieb ohne Erfolg. Aus § 16 Abs 2 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> folgt lediglich ein<br />
Anspruch des Teilnehmers an einer Maßnahme auf eine angemessene Entschädigung für<br />
Mehraufwendungen. Bei der Durchführung eines sog Ein-Euro-Jobs wird kein Arbeitsverhältnis<br />
begründet <strong>und</strong> auch kein Arbeitsentgelt für die Tätigkeit gezahlt. Vielmehr handelt es sich um einen
151<br />
Anspruch gegen den Gr<strong>und</strong>sicherungsträger <strong>und</strong> damit um eine (Sozial-)Leistung nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>,<br />
die zusätzlich zum Alg <strong>II</strong> gezahlt wird. Mithin steht den Teilnehmern an einer Maßnahme gemäß §<br />
16 Abs 2 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> lediglich ein Anspruch auf Entschädigung für alle Aufwendungen zu, die<br />
gerade deshalb anfallen, weil eine Arbeitsgelegenheit wahrgenommen wird. Im vorliegenden Fall<br />
beantragt der Kläger lediglich die Mehraufwendungen für eine Monatskarte mit ÖPNV in Höhe von<br />
51,90 Euro. Aus der ihm gewährten Entschädigung in Höhe von bis zu 130 Euro monatlich können<br />
alle geltend gemachten Aufwendungen gedeckt werden, die durch den Ein-Euro-Job entstehen,<br />
weshalb kein Anspruch auf zusätzlichen Fahrkostenersatz besteht. Da dem Kläger mithin ein Betrag<br />
von bis zu 80 Euro monatlich für seine Tätigkeit verblieb, konnte der Senat offen lassen, ob die<br />
Mehraufwandsentschädigung überhaupt irgendeinen Anreiz bzw Kompensation für die Tätigkeit als<br />
solche enthalten muss. Der Vortrag des Klägers, er erziele insgesamt mit einem St<strong>und</strong>enlohn von ca<br />
6 Euro (unter Berücksichtigung aller ihm gewährten Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) einen<br />
unangemessenen "Lohn" verkennt die Rechtsnatur des Ein-Euro-Jobs, wie sie vom Gesetzgeber des<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong> umgesetzt wurde.<br />
4. Leistungen des <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong><br />
An sich stellt das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ein geschlossenes System dar. Durch § 5 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> wird allerdings<br />
die Möglichkeit eröffnet, Leistungen des <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> (allerdings nicht nach dem 3. Kapitel) auch als<br />
Arbeitsuchender in Anspruch zu nehmen. Dem kommt insbesondere wegen der Eingliederungshilfe<br />
für behinderte Menschen (§§ 53-60 <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>) <strong>und</strong> der Leistungen nach dem Achten <strong>und</strong> Neunten<br />
Kapitel <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> Bedeutung zu. S. hierzu insbesondere § 73 <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong>.<br />
V<strong>II</strong>. Träger der Gr<strong>und</strong>sicherungsleistungen<br />
V<strong>II</strong>I. Ersatzansprüche <strong>und</strong> Verpflichtungen Dritter<br />
Ebenso wie be<strong>im</strong> <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> sind <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> Ersatzansprüche (§§ 33–34b b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> die<br />
Erbenhaftung (§ 35 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) zu unterscheiden.<br />
Bei den Ersatzansprüchen ist insbesondere der Übergang von Ansprüchen (§ 33 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) von<br />
großer Bedeutung.<br />
I. Ersatzansprüche
152<br />
Ersatzansprüche werden in § 34 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> geregelt (§ 34a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist eine Sonderregelung zu § 33<br />
<strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Sie treten selbständig neben Ansprüche gem. § 50 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, gehen auf die Erben über (§ 34<br />
Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>) <strong>und</strong> verjähren in drei Jahren (§ 34 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Wer nach Vollendung des 18.<br />
Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig<br />
1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von<br />
Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,<br />
oder<br />
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an<br />
Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,<br />
ohne wichtigen Gr<strong>und</strong> herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen<br />
verpflichtet (§ 34 Abs. 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>). Von der Geltendmachung des Ersatzanspruches ist nur<br />
abzusehen, soweit sie den Ersatzpflichtigen künftig von Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts nach <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> oder von Leistungen nach <strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> abhängig machen würde (§ 34<br />
Abs. 1 Satz 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Weil es sich um einen quasi-deliktischen Anspruch handelt, der von einem schuldhaften Verhalten<br />
des Ersatzpflichtigen abhängt, ist neben dem Vorwurf der Sozialwidrigkeit i.S. eines objektiven<br />
Unwerturteils zu fordern, dass sich der Betreffende der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst<br />
oder grobfahrlässig nicht bewusst gewesen ist. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> werden Ersatzansprüche oft<br />
nur schwer zu realisieren sein.<br />
Modifizierungen des § 34 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> enthalten § 34a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (Ersatzansprüche für rechtswidrig<br />
erhaltenen Leistungen) <strong>und</strong> § 34b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> (Ersatzansprüche nach sonstigen Vorschriften). Nach §<br />
34a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist zum Ersatz rechtswidrig erhaltener Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auch verpflichtet,<br />
wer durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten dafür gesorgt hat, dass ein Dritter diese<br />
Leistungen erhalten hat. Mit der Einführung dieser Vorschrift wird der Gr<strong>und</strong>gedanke des § 104<br />
<strong>SGB</strong> X<strong>II</strong> in das <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> aufgenommen. Es soll derjenige zur Erstattung aller Leistungen in<br />
Anspruch genommen werden können, der zurechenbar eine unrechtmäßige Leistungsgewährung an<br />
Dritte verursacht hat. Dies dürfte insbesondere bei Leistungsgewährungen an minderjährige Kinder<br />
in Betracht kommen. Es handelt sich nicht um eine höchstpersönliche Pflicht. Abs. 3 stellt vielmehr<br />
klar, dass die Ansprüche nicht mit dem Tod des Ersatzpflichtigen erlöschen, sondern als Forderung
in seinen Nachlass übergehen. § 34b <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist eine Folgeänderung zur Einfügung des § 34a <strong>SGB</strong><br />
<strong>II</strong>.<br />
153<br />
IX. Übergang von Ansprüchen<br />
In § 33 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist der Übergang von Ansprüchen geregelt. Die Vorschrift dient dazu, den Gr<strong>und</strong>satz<br />
des Nachrangs der Gr<strong>und</strong>sicherung zu verwirklichen. Die Vorschrift ist anwendbar, wenn der<br />
Leistungsträger einem Anspruchsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach<br />
dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gewährt, weil ein Dritter eine Leistung, die er dem Anspruchsberechtigten eigentlich<br />
gewähren muss, nicht oder nicht rechtzeitig erbringt. In diesen Fällen geht der Anspruch bis zur<br />
Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Gr<strong>und</strong>leistungsträger über, wenn bei rechtzeitiger<br />
Leistung des Dritten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären.<br />
Eine Besonderheit für Unterhaltsansprüche enthält § 33 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Nach dieser Vorschrift geht<br />
ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht nicht auf den Leistungsträger (Jobcenter oder<br />
Gemeinde) über, wenn die Personen, die Unterhalt verlangen kann,<br />
1. mit der oder dem zum Unterhalt Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,<br />
2. mit der oder dem Verpflichteten verwandt ist <strong>und</strong> den Unterhaltsanspruch nicht<br />
geltend macht. Das bedeutet, dass ein Kind gegen seine Eltern ein Unterhaltsanspruch nicht<br />
geltend zu machen braucht. Er braucht dafür keine Gründe vorzutragen. Das Jobcenter oder<br />
die Gemeinde darf deswegen den Regelbedarf nicht herab senken oder den Hilfebedürftigen<br />
auffordern, den Unterhaltsanspruch geltend zu machen. Das gilt nur dann nicht, wenn der<br />
Hilfebedürftige minderjährig ist oder zwar volljährig ist, das 25. Lebensjahr aber noch nicht<br />
vollendet <strong>und</strong> eine Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hat gegen die Eltern.<br />
3. Ein Unterhaltsanspruch geht auch nicht über, wenn die unterhaltsberechtigte Person in<br />
einem Kindschaftsverhältnis zu oder zum Verpflichteten steht <strong>und</strong> schwanger ist oder ihr<br />
leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut.<br />
Ein Unterhaltsanspruch geht auch nicht über, soweit er durch laufende Zahlungen erfüllt wird,<br />
er unter Berücksichtigung von Kindergeld nach § 11 Abs. 1 Satz 3 <strong>SGB</strong> geringere Leistungen an<br />
die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären. Der Übergang wird nicht
dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden<br />
kann.<br />
154<br />
X. Die Erbenhaftung<br />
Hat ein Hilfebedürftiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld<br />
<strong>II</strong>/Sozialgeld) erhalten <strong>und</strong> ist er verstorben, ist ein Erbe zum Ersatz der Leistungen verpflichtet, die<br />
innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erbracht worden sind <strong>und</strong> 1.700 Euro übersteigen<br />
(§ 35 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>).<br />
Achtung: Durch diese Regelung wird jeder Erbe »zur Kasse gebeten«, wenn <strong>im</strong> Nachlass des<br />
Hilfebedürftigen Vermögen des Hilfebedürftigen vorhanden ist, das die Bagatellgrenze übersteigt<br />
<strong>und</strong> für den Hilfebedürftigen möglicherweise nicht einzusetzendes Vermögen darstellte.<br />
Die Privilegierung zum Beispiel eines Autos, eines höheren Gr<strong>und</strong>freibetrages oder eines<br />
Hausgr<strong>und</strong>stücks bzw. einer Eigentumswohnung ist auf den Hilfebedürftigen beschränkt <strong>und</strong> gilt<br />
nicht (mehr) zugunsten des Erben. Dementsprechend muss der Erbe der Behörde als Ersatz für das<br />
geleistete Arbeitslosengeld <strong>II</strong> bzw. das Sozialgeld alles herausgeben, was <strong>im</strong> Nachlass vorhanden ist<br />
<strong>und</strong> nicht mehr wert ist als die Leistungen, die von der Behörde innerhalb der letzten zehn Jahre vor<br />
dem Erbfall (Todesfall) erbracht worden sind <strong>und</strong> 1.700 Euro übersteigen.<br />
Allerdings ist die Ersatzpflicht auf den Nachlasswert <strong>im</strong> Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.<br />
In zwei Fällen ist der Ersatzanspruch gegen den Erben nicht geltend zu machen:<br />
●● Wenn der Erbe der Partner des Leistungsempfängers war oder mit ihm verwandt war <strong>und</strong> nicht<br />
nur vorübergehend bis zum Tode des Leistungsempfängers mit diesem in häuslicher Gemeinschaft<br />
gelebt <strong>und</strong> ihn gepflegt hat, soweit der Wert des Nachlasses unter 15.500 Euro liegt,<br />
Die Privilegierung gilt nicht für Erben.<br />
Begrenzte Ersatzpflicht<br />
Die Erbenhaftung umfasst ebenso wie der Ersatzanspruch nach § 34 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gemäß § 35 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> das
155<br />
gesamte Leistungsspektrum des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> <strong>und</strong> nicht nur wie bisher die Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts. Nach § 35 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> ist der Erbe einer Person, die Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
erhalten hat, zum Ersatz der Leistungen verpflichtet, soweit diese innerhalb der letzten zehn Jahre<br />
vor dem Erbfall erbracht worden sind <strong>und</strong> 1700 € übersteigen. Der Ersatzanspruch umfasst nicht<br />
nur die dem Verstorbenen gewährten Leistungen, sondern auch die vom Jobcenter/der Gemeinde<br />
XI.<br />
Auskunfts- <strong>und</strong> Mitwirkungspflichten, Auskunftsverlangen<br />
Nach §§ 60, 61 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> haben Dritte gegenüber dem Jobcenter best<strong>im</strong>mte Auskunfts- <strong>und</strong> Mitwirkungspflichten.<br />
Die Behörde hat genau zu unterscheiden, welche Handlung sie von dem Dritten<br />
erwartet, <strong>und</strong> sich für eine Ermächtigungsgr<strong>und</strong>lage zu entscheiden.<br />
Beispiel: BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - M. ./. Landkreis Oberhavel<br />
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.<br />
Der 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines Gerüstbauunternehmens. Mit der <strong>im</strong> Jahre 1969<br />
geborenen Frau Diana S. <strong>und</strong> den drei gemeinsamen in den Jahren 2001, 2002 <strong>und</strong> 2005 geborenen<br />
Kindern war er Mieter eines Einfamilienhauses. Am 1.3.2007 beantragte Frau S. für sich <strong>und</strong> ihre<br />
Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Der beklagte Landkreis<br />
forderte den Kläger daraufhin auf, Unterlagen vorzulegen sowie Auskünfte zu erteilen <strong>und</strong> durch<br />
entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei als<br />
Partner einer Person, die Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> beantrage verpflichtet, über sein Einkommen<br />
<strong>und</strong> Vermögen Auskunft zu erteilen. Die Auskunftspflicht ergebe sich aus § 60 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>.<br />
Auf die Revision des Klägers wurden die vorinstanzlichen Urteile <strong>und</strong> die angefochtenen Bescheide<br />
des Beklagten aufgehoben.<br />
Das Auskunftsbegehren der Beklagten gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form<br />
rechtswidrig. Für das konkrete Auskunftsverlangen fehlte es an einer Rechtsgr<strong>und</strong>lage. Die<br />
Voraussetzungen des § 60 Abs 4 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, auf die der Beklagte das Auskunftsverlangen <strong>im</strong><br />
angefochtenen Bescheid gestützt hat, lagen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen<br />
Feststellungen des LSG nicht vor. Es war auch nicht zulässig, das Auskunftsverlangen nachträglich<br />
mit einem Rückgriff auf § 60 Abs 2 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zu rechtfertigen, wie dies das LSG <strong>im</strong> Rahmen des
156<br />
Berufungsverfahrens getan hat.<br />
B<strong>und</strong>essozialgericht - B 14 AS 87/09 R -<br />
X<strong>II</strong>.<br />
Der Kinderzuschlag<br />
Eine interessante neue Leistung <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Gr<strong>und</strong>sicherung für Arbeitsuchende ist<br />
der Kinderzuschlag.<br />
Er findet sich nicht <strong>im</strong> <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>, sondern in § 6a des B<strong>und</strong>eskindergeldgesetzes. Er setzt auch<br />
einen gesonderten Antrag voraus.<br />
Der Zuschlag wird für die unverheirateten Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet<br />
haben <strong>und</strong> <strong>im</strong> Haushalt des Leistungsberechtigten leben, gezahlt, wenn<br />
●● für diese Kinder einen Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung hat,<br />
●● mit Ausnahme des Wohngeldes <strong>und</strong> des Kindergeldes über ein Nettoeinkommen von 900 Euro<br />
oder, wenn er alleinerziehend ist, von 600 Euro verfügt,<br />
●● mit Ausnahme des Wohngeldes über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, das die Grenzen<br />
oder Freibeträge nach §§ 11 <strong>und</strong> 12 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zuzüglich für jedes Kind einen Betrag von 140 Euro<br />
übersteigt <strong>und</strong><br />
●● durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden wird.<br />
Die Berechnung des Kinderzuschlags ist nicht ganz einfach.<br />
Deshalb sollte man sich wegen der Einzelheiten an die Kindergeldkasse oder das Jobcenter bzw. die<br />
Gemeinde wenden.<br />
Der Gesetzgeber will verhindern, dass Eltern nur deswegen Leistungen der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende bzw. eine andere Fürsorgeleistung in Anspruch nehmen müssen, weil sie wegen<br />
ihres Kindes bzw. ihrer Kinder »bedürftig« sind.<br />
Deswegen soll ihnen für ihre Kinder ein Kinderzuschlag gezahlt werden, wenn dadurch die<br />
Bedürftigkeit entfällt.<br />
Dabei ist als Kind derjenige anzusehen, der von einem anderen abstammt.
157<br />
Als Kinder werden aber auch berücksichtigt:<br />
die in den Haushalt aufgenommene Kinder des Ehegatten, Pflegekinder <strong>und</strong> vom Berechtigten in<br />
seinen Haushalt aufgenommene Enkel.<br />
Kinder, die mehr als 8.004 Euro <strong>im</strong> Kalenderjahr verdienen, dürfen nicht berücksichtigt<br />
werden.<br />
Das zwischen der Unter- <strong>und</strong> der Obergrenze für die Gewährung des Kinderzuschlags liegende<br />
Einkommen der Eltern bzw. des Elternteils mindert den Kinderzuschlag. Dabei führen je zehn Euro,<br />
die über den Bedarf der Eltern hinaus verdient werden, zu einer Verringerung des Kinderzuschlags<br />
um fünf Euro monatlich. Dies gilt natürlich nur bis zur Höchstgrenze. Danach entfällt der Kinderzuschlag<br />
völlig.<br />
Vermögen <strong>und</strong> anderes Einkommen, das nicht Einkommen aus nichtselbstständiger Beschäftigung<br />
oder selbstständiger Tätigkeit ist, mindern den Kinderzuschlag in voller Höhe.<br />
Auch eigenes Einkommen <strong>und</strong> Vermögen des Kindes mindert den Kinderzuschlag.<br />
Der Kinderzuschlag beträgt monatlich höchstens 140 Euro für jedes Kind. Der Betrag von 140 Euro<br />
ist gewählt worden, weil er nach Ansicht des Gesetzgebers zusammen mit dem Kindergeld von 184<br />
Euro <strong>und</strong> dem auf das Kind entfallenden Wohngeldanteil »den durchschnittlichen Bedarf eines<br />
Kindes an Arbeitslosengeld <strong>II</strong> oder Sozialgeld abdeckt«.<br />
Kindergeld wird neben dem Kinderzuschlag in voller Höhe gezahlt.<br />
Der Kinderzuschlag muss gesondert schriftlich beantragt werden.<br />
Der Vordruck umfasst sieben Seiten <strong>und</strong> einschließlich der Ausfüllhinweise.<br />
Leben mehrere minderjährige unverheiratete Kinder <strong>im</strong> Haushalt, für die ein Anspruch auf Kindergeld<br />
oder auf eine vergleichbare Leistung besteht, wird aus der Summe der Kinderzuschläge ein<br />
Gesamtkinderzuschlag gebildet.<br />
Der Gesamtkinderzuschlag war bis zum 31.12.2007 auf längstens 36 Monate begrenzt. Diese Begrenzung<br />
ist nunmehr weggefallen. Der Kinderzuschlag wird jetzt unbegrenzt gezahlt (natürlich nur<br />
so lange, wie seine Voraussetzungen vorliegen).
158<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
( Kinderzuschlag nach § 6a BKGG) BSG v 6.5.2010 – B 14 KG 1/08 R<br />
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Kinderzuschlages nach § 6a<br />
B<strong>und</strong>eskindergeldgesetz (BKGG). Sie wohnt mit ihrer 1997 geborenen Tochter <strong>und</strong> dem 2001<br />
geborenen Sohn in einem gemeinsamen Haushalt. Während des streitigen Zeitraums <strong>im</strong> Jahr 2005<br />
bezog die Klägerin Arbeitslosengeld (Alg) <strong>und</strong> Wohngeld. Ferner erhielt sie Kindergeld in Höhe<br />
von 154 Euro monatlich je Kind. Außerdem erhielt sie Unterhaltszahlungen für ihren Sohn von<br />
dessen Vater. Den Antrag der Klägerin auf Zahlung eines Kinderzuschlages lehnte die Beklagte ab,<br />
weil die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht werde.<br />
……………………………….<br />
Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils <strong>und</strong> zur Abweisung der<br />
Klage.<br />
Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf den Kinderzuschlag, weil sie<br />
ihren eigenen Bedarf nicht aus dem von ihr erzielten Einkommen decken kann. Daher kann durch<br />
die Gewährung von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht vermieden werden;<br />
wie dies § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG für den Kinderzuschlag voraussetzt. Wie der Senat bereits<br />
entschieden hat (vgl BSG SozR 4-5870 § 6a Nr 1), erfolgt die Feststellung des Bedarfs der Klägerin<br />
iS des § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG nicht ausschließlich nach den Regeln des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die auf Seiten der<br />
Klägerin zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft sind nicht nach der anteiligen Miete der<br />
Klägerin, ermittelt nach Kopfteilen, für jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu<br />
errechnen. Als Rechengröße ist vielmehr der prozentuale Anteil nach dem Existenzmin<strong>im</strong>umbericht<br />
der B<strong>und</strong>esregierung zu Gr<strong>und</strong>e zu legen. An dieser <strong>Rechtsprechung</strong> hält der Senat fest.<br />
BSG v. 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - G. ./. B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />
Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag.<br />
Das dem Kläger nach Eintritt von Arbeitslosigkeit <strong>im</strong> Februar 2006 für die Zeit vom 10.2.2006 bis<br />
11.2.2007 in Höhe von 1056,90 Euro monatlich bewilligte Arbeitslosengeld als Versicherungs-
159<br />
leistung wurde wegen eines Pfändungs- <strong>und</strong> Überweisungsbeschlusses ab September 2006 nur noch<br />
in Höhe von 972,60 Euro monatlich gezahlt. Die Beklagte bewilligte ihm einen Kinderzuschlag für<br />
seine drei Kinder bis einschließlich August 2006, lehnte dies für die Zeit danach jedoch mit der Begründung<br />
ab, dass sein Einkommen unter der "Mindesteinkommensgrenze" für den Kinderzuschlag<br />
nach § 6a Abs 1 Nr 2 iVm Abs 4 Satz 1 BKGG liege.<br />
Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG aufgehoben <strong>und</strong> die Beklagte unter Änderung der<br />
angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger auch für die Monate September 2006 bis Januar<br />
2007 einen Kinderzuschlag zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die<br />
Beklagte habe zu Unrecht nur den tatsächlich auf das Konto des Klägers gezahlten Betrag<br />
berücksichtigt. Auch der gepfändete Teil des Arbeitslosengelds sei als Einkommen zu<br />
berücksichtigen.<br />
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine unrichtige Anwendung von § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG iVm §<br />
11 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Als Einkommen könne nur dasjenige berücksichtigt werden, was<br />
tatsächlich bereit stehe <strong>und</strong> bedarfsbezogen verwendet werden könne. Dies betreffe nur finanzielle<br />
Mittel, die der Hilfebedürftige kurzfristig <strong>und</strong> ohne wesentliche Zwischenschritte realisieren könne,<br />
um mit ihnen seinen aktuellen Lebensunterhalt zu decken. Seien - wie hier - Teile des<br />
Arbeitslosengelds gepfändet, bestünden hierüber keinerlei Verfügungsmöglichkeiten.<br />
Die Revision der Beklagten führte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Mangels ausreichender<br />
tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht abschließend über den möglichen<br />
Anspruch des Klägers auf Kinderzuschlag in dem Zeitraum von September 2006 bis Januar 2007<br />
entscheiden. Bei der Prüfung, er iS der so genannten "Mindesteinkommensgrenze" des § 6a Abs 1<br />
Nr 2 BKGG iVm § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG über Einkommen nach § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> mindestens in Höhe<br />
des ohne Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Alg <strong>II</strong> verfügte, wird das LSG -<br />
neben Feststellungen zu den tatsächlichen <strong>und</strong> angemessenen Aufwendungen für Unterkunft <strong>und</strong><br />
Heizung iS des § 22 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> auf der Bedarfsseite - bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden<br />
Einkommens nach § 6a BKGG die gleichen Maßstäbe wie bei dem Einkommensbegriff<br />
des § 11 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> zugr<strong>und</strong>e legen müssen. Der Senat kann nicht beurteilen, ob überhaupt <strong>und</strong> ggf in<br />
welchem Umfang die gepfändeten Beträge des Arbeitslosengeldes als "nicht bereite Mittel" bei<br />
der Einkommensanrechnung ausnahmsweise außer Betracht bleiben müssen. Zwar ist auch der
160<br />
gepfändete Teil Einkommen iS des § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG iVm § 11 Abs 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Dieser darf<br />
nicht gr<strong>und</strong>sätzlich unberücksichtigt bleiben, weil die Sicherung des Lebensunterhalts durch<br />
eigene Mittel der Schuldentilgung vorgeht. Steht ein Berechtigter - wie in der hier zu bewertenden<br />
Fallgestaltung der Kläger - <strong>im</strong> laufenden Sozialleistungsbezug, ist ihm regelmäßig<br />
zuzumuten, sich gegen eine Pfändung zu wehren, um eine Abhängigkeit von steuerfinanzierten<br />
<strong>und</strong> Existenz sichernden Sozialleistungen zu mindern oder zu vermeiden. Von diesem<br />
Gr<strong>und</strong>satz ist eine Ausnahme zu machen, wenn der Berechtigte die Rückgängigmachung<br />
einer Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne weiteres realisieren<br />
kann. Dem Berechtigten stehen dann bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung.<br />
Nach diesen Maßstäben wird das LSG näher aufklären müssen, wegen welcher Umstände die<br />
Pfändung erfolgte <strong>und</strong> aus welchen Gründen das Amtsgericht Kempten dem Kläger in seinem<br />
Beschluss vom 21.8.2006 nur einen pfandfreien Betrag iHv 635 Euro <strong>und</strong> einen Differenzbetrag<br />
iHv 4/5 des Differenzbetrags zwischen 635 Euro <strong>und</strong> dem Alg belassen hat. Im wiedereröffneten<br />
Berufungsverfahren wird das LSG ggf auch den zuständigen Träger der Gr<strong>und</strong>sicherung für<br />
Arbeitsuchende nach § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt SGG durch Beiladung in das Verfahren einzubeziehen<br />
haben.<br />
X<strong>II</strong>I. Rückforderungen der Behörde<br />
<strong>Rechtsprechung</strong><br />
BSG v. 7.7.2011 – B 14 AS 153/10 R (Rückforderung – Einrede nach § 1629a BGB – Haftungsbegrenzung)<br />
- L. ./. Jobcenter Kreis Unna<br />
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.<br />
Die 1989 geborene Klägerin bezog von dem beklagten Gr<strong>und</strong>sicherungsträger zusammen mit ihrer<br />
Mutter <strong>und</strong> ihrer Schwester seit dem 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>. Die Anträge auf Gewährung von Leistungen stellte durchgehend die<br />
Mutter der Klägerin. Der Beklagte berücksichtigte als Einkommen der Klägerin lediglich das ihr
161<br />
gewährte Kindergeld. Ab August 2005 bezog die Klägerin allerdings auch monatliche Unterhaltsleistungen<br />
von dem getrennt lebenden Vater. Eine Mitteilung gegenüber dem Beklagten erfolgte<br />
insoweit nicht. Im Januar 2007 erfuhr der Beklagte von den Unterhaltszahlungen <strong>und</strong> hob mit an die<br />
Mutter der seinerzeit noch minderjährigen Klägerin gerichtetem Bescheid die für den Zeitraum<br />
1.8.2005 bis 31.7.2006 ergangenen Bewilligungen "für Sie <strong>und</strong> ihre Kinder" auf. Im Aufhebungsbescheid<br />
erfolgte sodann eine Aufschlüsselung der Gesamtüberzahlung in Höhe von 2.539,65 Euro<br />
auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft; jeweils getrennt nach Regelleistung <strong>und</strong><br />
Kosten für Unterkunft <strong>und</strong> Heizung. Im Hinblick auf die Klägerin ergab sich dabei ein Gesamtbetrag<br />
an überzahlten Leistungen in Höhe von 1.820,90 Euro. Weiter heißt es in dem Bescheid:<br />
"Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlicher Vertreter."<br />
. Die gegen das Erstattungsverlangen gerichtete Klage hat die Klägerin fortgeführt <strong>und</strong> zugleich<br />
"die Einrede des § 1629a BGB" erhoben Das SG hat die Klage abgewiesen <strong>und</strong> zugleich die<br />
Sprungrevision zugelassen.<br />
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1629a BGB sowie § 50 <strong>SGB</strong> X.<br />
Ergänzend beruft sie sich auf ein Schreiben des B<strong>und</strong>esministeriums für Arbeit <strong>und</strong> Soziales an den<br />
Petitionsausschuss des Deutschen B<strong>und</strong>estages, wo ausgeführt wird, dass die Gefahr einer Überschuldung<br />
Minderjähriger durch die Rückforderung von Leistungen nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> nicht gesehen<br />
werde. Soweit sich der Erstattungsanspruch nach § 50 <strong>SGB</strong> X gegen eine minderjährige Person<br />
richte <strong>und</strong> ein Elternteil der Verursacher sei, könne das Kind <strong>im</strong> Rahmen der Vollstreckung die Einrede<br />
der Haftungsbeschränkung nach § 1629a Abs 1 Satz 1 BGB erheben. Diese Norm begründe ein<br />
Leistungsverweigerungsrecht für das dann volljährige Kind gegenüber dem Gläubiger.<br />
Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des SG aufgehoben <strong>und</strong> der Rechtsstreit zur<br />
anderweitigen Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage der Feststellungen des SG konnte nicht abschließend entschieden werden, ob der<br />
hier noch alleine streitgegenständliche <strong>und</strong> auf § 40 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> iVm § 50 <strong>SGB</strong> X beruhende<br />
Erstattungsbescheid formell rechtmäßig war; insbesondere ob die nach § 40 Abs 1 Satz 1 <strong>SGB</strong> <strong>II</strong><br />
iVm § 24 Abs 1 <strong>SGB</strong> X erforderliche Anhörung stattgef<strong>und</strong>en hat oder ein entsprechender Verfahrensmangel<br />
geheilt worden war. Allerdings steht der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen<br />
Verwaltungsakts nicht bereits seine mangelnde Best<strong>im</strong>mtheit entgegen. Während die tatbe-
162<br />
standlichen Voraussetzungen des § 50 <strong>SGB</strong> X <strong>im</strong> vorliegenden Fall gr<strong>und</strong>sätzlich vorliegen, konnte<br />
ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, ob die Haftung der Klägerin hier gemäß § 1629a<br />
BGB begrenzt war <strong>und</strong> der Erstattungsbescheid bereits deshalb (eventuell teilweise) aufzuheben ist.<br />
Entgegen der Ansicht des SG ist § 1629a BGB auch <strong>im</strong> Rahmen der Rückforderung von Leistungen<br />
zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem <strong>SGB</strong> <strong>II</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich entsprechend<br />
anwendbar.<br />
<strong>Aktuelle</strong> Zahlen<br />
Alleinstehender: 374 € (+ 10 €); 337 € (+9 €) Partner; Kinder: von 14-17 287 €, v. 6-<br />
13 251 €, bis 6 Jahre 219 € (+4 €]; 18 – 24 Jahre = 299 € (+ 8 €)<br />
Mehrbedarf für Warmwasser: 8,60 € Alleinstehende; 7,75 € Lebenspartner; Kinder:<br />
1,75 € (0-6), 3,01 € (6-14), 4,02 € (14-18), 6,88 € (18-24)
163<br />
Die Änderungen des <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I seit 1.4.2012<br />
Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt<br />
Nach Artikel 2 Nummer 18 des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der<br />
Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks. 17/6277) sollen zum 1. April 2012 die §§ 29<br />
bis 279a <strong>SGB</strong> <strong>II</strong>I (Drittes bis Fünftes Kapitel <strong>und</strong> Erster Abschnitt des Sechsten Kapitels) eine neue<br />
Nummerierung erhalten. Die nachfolgende Synopse stellt die alte <strong>und</strong> die neue Paragraphenzählung<br />
gegenüber. Ein „Ä“ markiert, dass die Vorschrift erhebliche inhaltliche Veränderungen erfahren soll.<br />
Bloß redaktionelle Anpassungen (geschlechtsneutrale Formulierung, Auflösung von a-Absätzen,<br />
Folgeänderungen bei Querverweisen etc.) sind nicht vermerkt.<br />
Teil 1: Herkunft – Verbleib<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
29 29<br />
30 30<br />
31 31<br />
32 32<br />
33 S. 1 <strong>und</strong> 2 33 Ä (Wegfall)<br />
33 S. 3 <strong>und</strong> 5 48 Abs. 1<br />
33 S. 4 48 Abs. 2<br />
34 34<br />
35 35<br />
36 36<br />
37 37 Ä (Streichung)<br />
37a bis 37c – bereits aufgehoben<br />
38 38 Ä (Aufhebung)<br />
39 39
164<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
40 – bereits aufgehoben<br />
41 40<br />
42 41<br />
43 42<br />
44 43<br />
45 44<br />
46 Abs. 1 45 Abs. 1 Ä<br />
46 Abs. 2 45 Abs. 2 Ä<br />
47 47<br />
48 bis 56 – bereits aufgehoben<br />
57 93 Ä<br />
58 94<br />
59 56 Ä<br />
60 57<br />
61 Abs. 1 51 Abs. 2 Ä<br />
61 Abs. 2 51 Abs. 3<br />
61 Abs. 3 51 Abs. 4<br />
61a 53<br />
62 58<br />
63 Abs. 1<br />
<strong>und</strong> 2<br />
52 Abs. 2<br />
63 Abs. 2a 59 Abs. 2
165<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
63 Abs. 3 52 Abs. 2,<br />
59 Abs. 3<br />
64 Abs. 1 60 Ä<br />
64 Abs. 1 S. 3 65 Abs. 2<br />
64 Abs. 2 52 Abs. 1 Ä<br />
65 61 Ä<br />
66 62 Ä (Tausch Abs. 2 <strong>und</strong> 3)<br />
67 63<br />
68 64<br />
69 (i.V.m.<br />
434s Abs. 3a)<br />
54 Ä<br />
70 66<br />
71 67 Ä (Abs. 1 bis 3 in § 67)<br />
72 68<br />
73 69 Ä<br />
74 70<br />
75 71<br />
76 55, 72 Ä<br />
76a – bereits aufgehoben<br />
77 81 Abs. 1 bis<br />
4<br />
78 – bereits aufgehoben<br />
79 83
166<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
80 84 Ä (Neugliederung)<br />
81 85<br />
82 86<br />
83 87<br />
84 176 bis 184 Ä<br />
85 180<br />
86 183<br />
87 184<br />
88 bis 96 – bereits aufgehoben<br />
97 bis 103 112 bis 118 Ä<br />
104 bis 109 122 bis 127 Ä<br />
110 – bereits aufgehoben<br />
111 128<br />
112 bis 114 – bereits aufgehoben<br />
115 129<br />
116 – entfällt künftig<br />
117 bis 126 136 bis 146<br />
127 147<br />
128 148 Ä<br />
129 149<br />
130 150 Ä
167<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
131 bis 134 151 bis 154<br />
135 bis 140 – bereits aufgehoben<br />
141 155 Ä<br />
142 156<br />
143 157<br />
143a 158<br />
144 159 Ä<br />
145 – bereits aufgehoben<br />
146 160<br />
147 161<br />
147a – infolge Zeitablaufs gegenstandslos<br />
147b bis 149 – bereits aufgehoben<br />
150 162<br />
151 163 Ä<br />
152 164<br />
153 bis 159 – bereits aufgehoben<br />
160 bis 162 119 bis 121 Ä<br />
163 bis 168 – bereits aufgehoben<br />
169 bis 174 95 bis 100<br />
175 101 Ä<br />
175a 102
168<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
175b – infolge Zeitablaufs gegenstandslos<br />
176 103<br />
177 104<br />
178 105<br />
179 106<br />
180 107<br />
181 108<br />
182 109 Ä<br />
183 165<br />
184 bis 188 166 bis 170<br />
189 171<br />
189a 172<br />
190 bis 206 – bereits aufgehoben<br />
207, 207a 173, 174<br />
208 175<br />
209 bis 216 – bereits aufgehoben<br />
216a 110 Ä<br />
216b 111<br />
217 bis 222 88 bis 92 Ä<br />
222a – bereits aufgehoben<br />
223 45 Abs. 4 Ä
169<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
224 47 Ä<br />
225 bis 234 – bereits aufgehoben<br />
235 – bereits aufgehoben<br />
235a 73 Ä (Zusammenfassung mit 236)<br />
235b 131 Ä (neu: Abs. 6)<br />
235c 81 Abs. 5<br />
235d 80<br />
236 73 Ä (Zusammenfassung mit 235a)<br />
237 46 Abs. 2<br />
238 46 Abs. 1<br />
239 80<br />
240 74 Ä<br />
241 75 Ä (Klarstellung, Tausch von Absätzen)<br />
242 76 Ä (Abs. 1, 2)<br />
243 – entfällt künftig<br />
244 77 Ä<br />
245 78 Ä<br />
246 79 Ä<br />
246a bis 246d –<br />
bereits aufgehoben<br />
247 80<br />
248 bis 259 – bereits aufgehoben
170<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
260 bis 271 – entfallen künftig<br />
272 bis 279a – bereits aufgehoben<br />
417 82 Ä (Entfristung, Flexibilität)<br />
421g 45 Abs. 7<br />
421h 135<br />
421q 130<br />
421s Abs. 1 49 Abs. 1 Ä<br />
421s Abs. 2<br />
S. 1, 2, 5<br />
421s Abs. 2<br />
S. 3, 4<br />
49 Abs. 2<br />
49 Abs. 3 Ä<br />
421s Abs. 3 49 Abs. 4<br />
421s Abs. 5 49 Abs. 5<br />
434n Abs. 2<br />
bis 5<br />
133<br />
434x Abs. 1 132<br />
– 45 Abs. 3 bis<br />
6<br />
Maßnahmen zur Aktivierung <strong>und</strong> beruflichen Eingliederung<br />
– 48 Abs. 3 Berufsorientierungsmaßnahmen<br />
– 50 Anordnungsermächtigung<br />
– 51 Abs. 1 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />
– 59 Abs. 1 Förderungsfähiger Personenkreis
171<br />
§§ alt §§ neu Bemerkung<br />
– 65 Abs. 1 Besonderheiten be<strong>im</strong> Besuch des Berufsschulunterrichts in<br />
Blockform<br />
– 134 Erfolgsabhängige Pauschale bei Transfermaßnahmen<br />
– 176 bis 184 Zulassung von Trägern <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
Teil 2: Verbleib – Herkunft<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
29 29<br />
30 30<br />
31 31<br />
32 32<br />
33 33 S. 1 <strong>und</strong><br />
2<br />
Ä (Wegfall)<br />
34 34<br />
35 35<br />
36 36<br />
37 37 Ä (Streichung)<br />
38 38 Ä (Aufhebung)<br />
39 39<br />
40 41<br />
41 42<br />
42 43<br />
43 44
172<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
44 45<br />
45 Abs. 1 46 Abs. 1 Ä<br />
45 Abs. 2 46 Abs. 2 Ä<br />
45 Abs. 3 bis<br />
6<br />
Neu (tlw.<br />
223)<br />
Maßnahmen zur Aktivierung <strong>und</strong> beruflichen Eingliederung<br />
45 Abs. 7 421g<br />
46 Abs. 1 238<br />
46 Abs. 2 237<br />
47 47, 224 (Ä)<br />
48 Abs. 1 33 S. 3 <strong>und</strong><br />
5<br />
48 Abs. 2 33 S. 4<br />
48 Abs. 3 Neu Berufsorientierungsmaßnahmen<br />
49 Abs. 1 421s Abs. 1 Ä<br />
49 Abs. 2 421s Abs. 2<br />
S. 1, 2, 5<br />
49 Abs. 3 421s Abs. 2<br />
S. 3, 4<br />
Ä<br />
49 Abs. 4 421s Abs. 3<br />
49 Abs. 5 421s Abs. 5<br />
50 Neu Anordnungsermächtigung<br />
51 Abs. 1 Neu Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />
51 Abs. 2 61 Abs. 1,<br />
62 Abs. 1<br />
Ä
173<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
51 Abs. 3 61 Abs. 2<br />
51 Abs. 4 61 Abs. 3<br />
52 Abs. 1 64 Abs. 2 Ä<br />
52 Abs. 2 63 Abs. 1, 2<br />
<strong>und</strong> 3<br />
53 61 a<br />
54 69 i.V.m.<br />
434s Abs. 3a<br />
Ä<br />
55 76 Ä<br />
56 59 Ä<br />
57 60<br />
58 62<br />
59 Abs. 1 Neu Förderungsfähiger Personenkreis<br />
59 Abs. 2 63 Abs. 2a<br />
59 Abs. 3 63 Abs. 3<br />
60 64 Abs. 1 Ä<br />
61 65 Ä<br />
62 66 Ä (Tausch Abs. 2 <strong>und</strong> 3)<br />
63 67<br />
64 68<br />
65 Abs. 1 Neu Besonderheiten be<strong>im</strong> Besuch des Berufsschulunterrichts in<br />
Blockform<br />
65 Abs. 2 64 Abs. 1 S.<br />
3
174<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
66 70<br />
67 71 Ä (Abs. 1 bis 3 in § 67)<br />
68 72<br />
69 73 Ä<br />
70 74<br />
71 75<br />
72 76<br />
73 235a, 236 Ä (Zusammenfassung)<br />
74 240 Ä<br />
75 241 Ä (Klarstellung, Tausch von Absätzen)<br />
76 242 Ä (Abs. 1, 2)<br />
77 244 Ä<br />
78 245 Ä<br />
79 246 Ä<br />
80 235d, 239,<br />
247<br />
81 Abs. 1 bis<br />
4<br />
77<br />
81 Abs. 5 235c<br />
82 417 Ä (Entfristung, Flexibilität)<br />
83 79<br />
84 80 Ä (Neugliederung)<br />
85 81
175<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
86 82<br />
87 83<br />
88 bis 92 217 bis 221 Ä<br />
93, 94 57, 58 Ä<br />
95 bis 100 169 bis 174<br />
101 175 Ä<br />
102 175a<br />
103 176<br />
104 bis 106 177 bis 179<br />
107 180<br />
108 181<br />
109 182 Ä<br />
110 216a Ä<br />
111 216b<br />
112 bis 118 97 bis 103 Ä<br />
119 bis 121 160 bis 162 Ä<br />
122 bis 127 104 bis 109 Ä<br />
128 111<br />
129 115<br />
130 421q<br />
131 235b Ä (neu: Abs. 6)
176<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
132 434x Abs. 1<br />
133 434n Abs. 2<br />
bis 5<br />
134 Neu Erfolgsabhängige Pauschale bei Transfermaßnahmen<br />
135 421h<br />
136 bis 146 117 bis 126<br />
147 127<br />
148 128 Ä<br />
149 129<br />
150 130 Ä<br />
151 bis 154 131 bis 134<br />
155 141 Ä<br />
156 bis 158 142 bis 143a<br />
159 144 Ä<br />
160 146<br />
161 147<br />
162 150<br />
163 151 Ä<br />
164 152<br />
165 183<br />
166 bis 170 184 bis 188<br />
171 189
177<br />
§§ neu §§ alt Bemerkung<br />
172 189a<br />
173, 174 207, 207a<br />
175 208<br />
176 Neu, tlw 84<br />
Abs 1, 85<br />
Abs 1<br />
177 Neu, 2-4<br />
AZWV<br />
Zulassung von Trägern <strong>und</strong> Maßnahmen – Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />
Fachk<strong>und</strong>ige Stelle<br />
178 84 Trägerzulassung<br />
179 85 Abs 1 Maßnahmezulassung<br />
180 Neu (tlw. 85<br />
Abs. 2-4)<br />
181 7, 10<br />
AZWV<br />
Ergänzende Anforderungen an Maßnahmen der beruflichen<br />
Weiterbildung<br />
Zulassungsverfahren<br />
182 6 AZWV Beirat<br />
183 86 Qualitätsprüfung<br />
184 Neu (tlw.<br />
87)<br />
Verordnungsermächtigung
178<br />
Neue <strong>Rechtsprechung</strong> (ab November 2011 bis August 2012)<br />
BSG vom 20. März 2012-§ 7 Abs. 5 (7)<br />
BSG vom 25. Januar 2012-§ 7 Abs. 1 S 2 Nr 2 (11)<br />
BSG vom 16. Mai 2012-§ 7 Abs. 4 (12)<br />
BSG vom 14.3.2012-Stiefvater-§ 9 Abs. 2<br />
BSG vom 19. Juni 2012- § 28 Abs. 3-Bildungspaket (23)<br />
BSG vom 22. November 2011-Mehrbedarf an Ernährung (25)<br />
BSG vom 6. Oktober 2011-Regelbedarf <strong>und</strong> Asylbewerber (31)<br />
BSG vom 12.7.2012-Regelsätze verfassungsgemäß (52)<br />
BSG vom 22. November 2011-mehrtägige Klassenfahrt (53)<br />
BSG vom 16. Mai 2012-Fortsetzungszahlungsantrag<br />
BSG vom 16. Mai 2012-50 m² auch in Nordrhein-Westfalen (48)<br />
BSG vom 20.12.2011-noch schlüssiges Konzept (63)<br />
BSG vom 20. März 2012-noch schlüssiges Konzept (65)<br />
BSG vom 24. November 2011-Heizungs Energie-(90)<br />
BSG vom 22. November 2011-Zusicherung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (91)<br />
BSG vom 6. Oktober 2011 <strong>und</strong> 24. November 2011-Renovierungskosten (92)<br />
BSG vom 20. November 2011-Betriebskostenabrechnung (94)<br />
BSG vom 16. Mai 2012-§ 22 Abs. 3 gegen § 48 <strong>SGB</strong> X (95)<br />
BSG vom 16. Mai 2012-§ § 40, 44,48 <strong>und</strong> Einkommen (96)<br />
BSG vom 20. Dezember 2011-Darlehen (104)<br />
BSG vom 14. März 2012-Kurzarbeitergeld <strong>und</strong> Freibetrag nach § 30<br />
BSG vom 22. März 2012-Betriebskostengutschrift (114)<br />
BSG vom 20. März 2012-Schuldentilgung/Anspruchsgr<strong>und</strong>lage (115)<br />
BSG vom 25. Januar 2012-Erbschaft als Einkommen (118)<br />
BSG vom 20. Dezember 2011-Einkommen/Vermögen (119)<br />
BSG vom 19. Juni 2012-Regelbedarf <strong>und</strong> Aufwendungen (120)<br />
BSG vom 22. März 2012-angemessenes messen das Hausgr<strong>und</strong>stück<br />
BSG vom 12. Juli 2012-Wohnrecht der Eltern/Verwertbarkeit (132)<br />
BSG vom 23. Mai 2012-Münzsammlung (132)<br />
BSG vom 12. Juli 2012-Rechtsschutzbedürfnis bei 0,20 €-Klage (134)<br />
BSG vom 25. Januar 2012 Offenbarung von Sozialdaten durch Behörde (138)<br />
32. BSG v. 23.8.2012 – Einstandsgemeinschaft – S 16<br />
33. BSG v. 22.8.2012 – Tilgungsraten – S 78<br />
34. BSG v. 22.8.2012 – qm-Zahl ist abstrakt festzustellen – S 48<br />
35. BSG v. 23.8.2012 – Modernisierungszuschlag <strong>und</strong> KdU – S 79<br />
36. BSG v. 22.8.2012 – Zinseinkünfte auf Schmerzensgeld – S 120<br />
37. BSG v. 22.8.2012 – Abfindung nach § 82 <strong>SGB</strong> IX- S 120<br />
38. BSG v. 23.8.2012 – Mehrbedarf wg Alleinerziehung – S 27