Joachim von Hellfeld Köln, den 29 - Kölner Anwaltverein
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6 W 39/09<br />
38 OH 42/08 LG Köln<br />
OBERLANDESGERICHT KÖLN<br />
BESCHLUSS<br />
In dem Prozesskostenhilfe- und Beschwerdeverfahren<br />
pp<br />
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln<br />
unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, <strong>von</strong> <strong>Hellfeld</strong> und Frohn<br />
am 5. Mai 2009<br />
b e s c h l o s s e n :<br />
Der Antrag auf Bewilligung <strong>von</strong> Prozesskostenhilfe für die sofortige Beschwerde<br />
gegen <strong>den</strong> Beschluss des Landgerichts Köln vom 05.01.2009 – 38 OH<br />
42/09 – wird zurückgewiesen.<br />
G r ü n d e :<br />
I.<br />
Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des Rechts, das im Oktober 2008 veröffentlichte<br />
Musikalbum „John Bello Story 2“ des Sängers Kool Savas über dezentrale<br />
Computernetzwerke auszuwerten. Sie beantragte bei dem Landgericht Köln, dem<br />
beteiligten Telekommunikationsunternehmen zu gestatten, ihr unter Verwendung <strong>von</strong><br />
Verkehrsdaten Auskunft über <strong>den</strong> Namen und die Anschrift der Kun<strong>den</strong> zu erteilen,<br />
die das Musikalbum zwischen dem 11.12. und 14.12.2008 über eine Computer-<br />
Tauschbörse unter einer der <strong>von</strong> der Beschwerdegegnerin ermittelten IP-Adressen
2<br />
öffentlich zugänglich gemacht hatten. Mit Beschluss vom 05.01.2009 hat das Landgericht<br />
dem Antrag entsprochen. Nach erteilter Auskunft nahm die Beschwerdegegnerin<br />
<strong>den</strong> Beschwerdeführer mit einem ihm am 23.03.2009 zugegangenen Schreiben,<br />
dem der Beschluss des Landgerichts in Kopie beigefügt war, wegen Urheberrechtsverletzung<br />
in Anspruch. Dieser bestreitet <strong>den</strong> Vorwurf. Mit am 04.04.2009 bei<br />
Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragt er Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittel<br />
der <strong>von</strong> ihm – vorbehaltlich der Bewilligung – eingelegten sofortigen Beschwerde<br />
mit dem Antrag, <strong>den</strong> Beschluss des Landgerichts Köln vom 05.01.2009 aufzuheben<br />
und die Kosten des Verfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Er meint,<br />
der Beschluss greife in seine Grundrechte ein, weshalb ihm Rechtsschutz zu gewähren<br />
sei; er hätte nicht ergehen dürfen, weil keine Urheberrechtsverletzung in gewerblichem<br />
Ausmaß vorgelegen und der Beschluss die Entscheidung in der Hauptsache<br />
vorweggenommen habe.<br />
II.<br />
Dem Beschwerdeführer war die begehrte Prozesskostenhilfe zu versagen, weil seine<br />
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 S. 1 ZPO).<br />
Denn ihm steht kein Beschwerderecht gegen die richterliche Anordnung zu, mit der<br />
der Beteiligten gestattet wor<strong>den</strong> ist, die <strong>von</strong> der Beschwerdegegnerin begehrte Auskunft<br />
über Name und Anschrift des Inhabers eines <strong>von</strong> ihr eingerichteten Internet-Anschlusses<br />
wegen offensichtlich rechtsverletzender Nutzung des Anschlusses (§ 101<br />
Abs.2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 UrhG) unter Verwendung <strong>von</strong> Verkehrsdaten zu erteilen<br />
(§ 101 Abs. 9 UrhG).<br />
Ein solches Recht des nach erteilter Auskunft als Verletzer in Anspruch genommenen<br />
Anschlussinhabers ergibt sich nicht aus der Bestimmung, dass gegen die Entscheidung<br />
des Landgerichts die sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht statthaft<br />
ist (§ 101 Abs. 9 S. 6 UrhG). Schon weil bei der fristgebun<strong>den</strong>en sofortigen Beschwerde<br />
der Lauf der Beschwerdefrist an die Zustellung der Entscheidung anknüpft<br />
(§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, §§ 22 Abs. 1 S. 2, 16 Abs. 2 S. 1 FGG; vgl. § 569 Abs. 1 S.<br />
2 ZPO), liegt es fern, dass der Gesetzgeber hiermit auch dem Anschlussinhaber, der
3<br />
bei der Entscheidung über die Art der Auskunftserteilung dem Gericht wie dem Antragsteller<br />
naturgemäß noch unbekannt ist, ein eigenes Beschwerderecht einräumen<br />
wollte. Denn eine Zustellung (§§ 166 ff. ZPO) der richterlichen Anordnung an <strong>den</strong> Anschlussinhaber,<br />
dessen I<strong>den</strong>tität (über seine nach § 185 ZPO unter Umstän<strong>den</strong> entbehrliche<br />
Anschrift hinaus) durch die spätere Auskunft erst ermittelt wer<strong>den</strong> soll,<br />
scheidet ersichtlich aus.<br />
Aus der Verweisung (§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG) auf das Verfahren nach dem FGG,<br />
demnächst (ab dem 01.09.2009) dem FamFG (Art. 83 FGG-RG, BGBl. I 2586), folgt<br />
nichts anderes. Während im Zivilprozessrecht auf die (formale) Parteistellung abgestellt<br />
wer<strong>den</strong> kann und am Verfahren der Vorinstanz unbeteiligte Dritte grundsätzlich<br />
nicht beschwerdeberechtigt sind (Zöller / Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rn. 6;<br />
Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 567 Rn. 15; Stein /<br />
Jonas / Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rn. 19), stellt im Verfahren der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit allerdings die Regelung, dass das (materielle) Recht des Beschwerdeführers<br />
durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt sein muss (§ 20 Abs.<br />
1 FGG), die notwendige nähere Bestimmung der für die Anfechtung ausreichen<strong>den</strong><br />
Beziehung zum Verfahrensgegenstand dar (vgl. Jansen / Briesemeister, FGG, 3.<br />
Aufl., § 20 Rn. 1). Der Reformgesetzgeber, der mit seiner Definition des Beteiligtenbegriffs<br />
(§ 7 FamFG) sicherstellen wollte, dass allen materiell Betroffenen möglichst<br />
früh rechtliches Gehör gewährt und ihre Beteiligung nicht erst im Rechtsmittelzug geklärt<br />
wird (BT-Drucks. 16/6308, S. 165, 177), hat diese Regelung beibehalten (§ 59<br />
Abs. 1 FamFG) und betont, dass es für die Beschwerdeberechtigung nicht auf die<br />
formale Beteiligung in der Vorinstanz ankommt (a.a.O., S. 204). Erforderlich ist aber<br />
ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein subjektives Recht des Beschwerdeführers<br />
gerade durch <strong>den</strong> jeweiligen Entscheidungssatz; eine nur mittelbare Einwirkung<br />
oder ein rechtliches Interesse genügen nicht (Jansen / Briesemeister, a.a.O., 4 f.;<br />
Keidel / Kuntze / Winkler / Kahl, FGG, 15. Aufl., § 20 Rn. 12). Regelmäßig nicht ausreichend<br />
ist auch ein Verstoß gegen Verfahrensrechte, der sich nicht (mehr) auf die<br />
materielle Rechtsstellung des Beschwerdeführers auswirkt (vgl. Jansen / Briesemeister,<br />
a.a.O., 7 f.; Keidel / Kuntze / Winkler / Kahl, FGG, 15. Aufl., § 20 Rn. 10 ff.<br />
m.w.N.).
4<br />
An einer solchen unmittelbaren Beeinträchtigung eines Rechts des unbekannten, am<br />
landgerichtlichen Verfahren naturgemäß nicht beteiligten Anschlussinhabers durch<br />
die angefochtene Entscheidung fehlt es hier. Adressat der richterlichen Anordnung<br />
ist allein der Auskunftspflichtige, dem die Verwendung <strong>von</strong> Verkehrsdaten bei der<br />
Auskunft gestattet wird und der damit <strong>von</strong> der Prüfung entlastet wer<strong>den</strong> soll, ob eine<br />
offensichtliche Rechtsverletzung vorliegt (BT-Drucks. 16/5048, S. 40). Zwar dient der<br />
vom Gesetz vorgesehene Richtervorbehalt ausweislich § 109 Abs. 9 S. 9, Abs. 10<br />
UrhG und der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/5048, S. 39, 63, vgl. aber auch<br />
S. 55 ff.) dem Schutz sensibler Daten des dem Gericht bei der Anordnung und dem<br />
Antragsteller bis zur Auskunftserteilung unbekannten Dritten (Senat, Beschl. v.<br />
21.10.2008 – 6 Wx 2/08, GRUR-RR 2009, 9 [11] = JMBl 2009, 101 [103]; Beschl. v.<br />
03.11.2008 – 6 W 136/08, S. 5) – dies jedoch nur im Sinne eines reflexhaften Schutzes<br />
seiner rechtlichen Interessen durch ein dem Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehör<strong>den</strong><br />
nachgebildetes Verfahren (vgl. Hoeren, NJW 2008, 3099 [3101]),<br />
nicht dagegen im Sinne eines unmittelbaren Eingriffs in seine Rechtsstellung:<br />
Hängt <strong>von</strong> der richterlichen Gestattung auch die Offenbarung seiner I<strong>den</strong>tität gegenüber<br />
dem Antragsteller ab (und bedarf es umgekehrt weder einer Gestattung noch einer<br />
Auskunft, sofern dem Antragsteller seine I<strong>den</strong>tität schon bekannt ist), so wird<br />
doch der Anschlussinhaber dadurch nicht (nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung<br />
auch nicht mit Kosten) direkt belastet; insbesondere wird ihm nicht jede legitime<br />
Verteidigungsmöglichkeit gegenüber dem künftig (nach erteilter Auskunft) geltend zu<br />
machen<strong>den</strong> Unterlassungsbegehren des Antragstellers genommen. Die Anordnung<br />
setzt nur voraus, dass über <strong>den</strong> Internet-Anschluss, dem eine bestimmte (dynamische)<br />
IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war, eine offensichtliche<br />
Rechtsverletzung begangen wurde, nicht aber (weil das Anliegen des Gesetzgebers<br />
sonst leerlaufen würde) die vor erteilter Auskunft praktisch unmögliche Feststellung,<br />
dass die Rechtsverletzung <strong>von</strong> einer bestimmten Person begangen wurde; ein<br />
verfassungsrechtlich be<strong>den</strong>klicher Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht<br />
des Anschlussinhabers liegt darin nicht (Senat a.a.O., GRUR-RR 2009, 9 [10<br />
f.]; Beschl. v. 03.11.2008, S. 4 f.; zustimmend Musiol, GRUR-RR 2009, 1 [4]; vgl. zur<br />
Abgrenzung <strong>von</strong> einer drohen<strong>den</strong> längerfristigen Nutzung eines umfassen<strong>den</strong>, durch<br />
Vorratsdatenspeicherung gewonnenen Datenbestandes zu Strafverfolgungszwecken
5<br />
BVerfG, MMR 2008, 303 [305] = NStZ 208, <strong>29</strong>0 = NVwZ 2008, 543; Czychowski /<br />
Nordemann, NJW 2008, 3095 [3097 f.]; Hoeren, NJW 2008, 3099 [3101]).<br />
Mit der Begründung, dass die vom Antragsteller behauptete Rechtsverletzung entgegen<br />
der als rechtsfehlerhaft (§ 101 Abs. 9 S. 7 UrhG) beanstandeten Annahme des<br />
Landgerichts kein gewerbliches Ausmaß erreicht habe (vgl. aber zu der gegenüber §<br />
108a UrhG und § 1 Abs. 2 HGB selbständigen Definition dieses Begriffs und entgegen<br />
der <strong>von</strong> OLG Ol<strong>den</strong>burg, Beschl. v. 01.12.2008, MMR 2009, 188 [189] vertretenen<br />
engen Auslegung Senat, Beschl. v. 21.10.2008 und 3.11.2008, a.a.O.; Beschl. v.<br />
09.02.2009 – 6 W 182/08), vermag der Beschwerdeführer eine (fortbestehende) materielle<br />
Beschwer erst recht nicht darzulegen: Muss danach das Vorliegen einer offensichtlichen,<br />
lediglich kein gewerbliches Ausmaß erreichen<strong>den</strong> Rechtsverletzung<br />
als zugestan<strong>den</strong> angenommen oder je<strong>den</strong>falls als wahr unterstellt wer<strong>den</strong>, so kommt<br />
ein aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem Fernmeldegeheimnis<br />
allenfalls folgender verfahrensrechtlicher Anspruch des Verletzers (Anschlussinhabers)<br />
auf Geheimhaltung seiner I<strong>den</strong>tität gegenüber dem Verletzten zumindest<br />
jetzt nicht mehr in Betracht, nachdem er selbst erst nach erteilter Auskunft<br />
durch <strong>den</strong> Verletzten <strong>von</strong> der Entscheidung des Landgerichts erfahren hat. Rückgängig<br />
machen lässt sich die Auskunft jetzt nämlich nicht mehr. Dass der Verletzte ihn<br />
jetzt kennt und wegen der Verletzung in Anspruch nimmt, könnte selbst eine <strong>den</strong><br />
Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers bestätigende Beschwerdeentscheidung<br />
nicht mehr verhindern.<br />
Zwar kann die grundrechtlich verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs.<br />
4 GG) bei schwerwiegen<strong>den</strong> Grundrechtseingriffen unter Umstän<strong>den</strong> ein Bedürfnis<br />
nach gerichtlicher Entscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels<br />
begrün<strong>den</strong>, wenn sich die direkte Belastung (wie bei einer Hausdurchsuchung)<br />
typischerweise auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche<br />
Entscheidung der <strong>von</strong> der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen<br />
kann, oder wenn dem Eingriff eine diskriminierende Wirkung innewohnt, so dass ein<br />
besonders schutzwürdiges Interesses des Betroffenen an der nachträglichen Feststellung<br />
der Rechtslage besteht (BVerfGE 96, 27 [39 f.] = NJW 1997, 2163 [2164];<br />
104, 220 [231 ff.] = NJW 2002, 2456; vgl. aus jüngerer Zeit nur die Kammerbeschlüsse<br />
BeckRS 2006, 25345 und NStZ 2009, 166 [167] m.w.N.). Ein besonders tiefgrei-
6<br />
fender Grundrechtseingriff, der im Sinne dieser Grundsätze eine Entscheidung des<br />
Beschwerdegerichts erfordern könnte, steht hier nach dem eigenen Vorbringen des<br />
Beschwerdeführers aber nicht in Rede. Der einfachgesetzlich angeordnete (nicht<br />
durch Art. 10 GG geforderte) Richtervorbehalt (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 56) ermöglicht<br />
eine unabhängige und effektive Rechtskontrolle vor Gestattung der Auskunftserteilung;<br />
eine weitere Überprüfung dieser richterlichen Entscheidung nach erfolgter<br />
Auskunft wäre auf Grund der Natur der Sache und nicht wegen einer Versagung<br />
einer <strong>von</strong> der Prozessordnung gegebenen Instanz ineffektiv. Dagegen würde<br />
die Einräumung eines nachträglichen Beschwerderechts des inzwischen bekannten<br />
Anschlussinhabers, durch das dessen materielle Rechtsstellung nicht mehr zu verbessern<br />
ist, ihrerseits die auch für die Gerichte geltende Effizienz staatlichen Handelns<br />
in Frage stellen.
7<br />
III.<br />
Eine Kostenentscheidung oder Festsetzung des Beschwerdewertes ist nicht veranlasst,<br />
<strong>den</strong>n die streitwertunabhängige Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren<br />
wird kraft Gesetzes ohne besonderen Ausspruch erhoben und außergerichtliche<br />
Kosten wer<strong>den</strong> nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).<br />
Dr. Schwippert <strong>von</strong> <strong>Hellfeld</strong> Frohn