Einheit 2_HCVO_Aufsatz_LMuR 2013, 7.pdf
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Ullrich, Schikorra: Health-Claims-Verordnung – Das regulatorische Umfeld für die<br />
Lebensmittelwerbung nach Inkrafttreten der Art. 13 Liste<br />
<strong>LMuR</strong><br />
<strong>2013</strong>, 7<br />
Health-Claims-Verordnung – Das regulatorische Umfeld für die Lebensmittelwerbung<br />
nach Inkrafttreten der Art. 13 Liste<br />
Denis Ullrich und<br />
Dr. Nicole Schikorra, LL.M.oec.<br />
Am 14. 12. 2012 endete die Übergangsfrist der sogenannten „Art. 13 Liste” zur „Health-Claims-Verordnung”<br />
(<strong>HCVO</strong>, VO EG 1924/2006). Die Liste wurde mit Beschluss der EU-Kommission vom 16. 5. 2012 verabschiedet<br />
und ist in ihrer derzeitigen Fassung sowohl inhaltlich als auch formellrechtlich nicht unumstritten. Nicht zuletzt<br />
ist derzeit eine Nichtigkeitsklage beim EuG anhängig, welche sich unter anderem gegen die Vereinbarkeit des<br />
genannten Beschlusses mit der <strong>HCVO</strong> wendet. 1 Zum heutigen Zeitpunkt bedeutet die „Art. 13 Liste” für<br />
Lebensmittelunternehmen in Deutschland eine weitere Restriktion ihrer Werbemöglichkeiten. Es gilt, sich die<br />
Bestimmungen auf kreative Weise nutzbar zu machen.<br />
I. Bedeutung der <strong>HCVO</strong><br />
Primär zum Zwecke des Verbraucherschutzes vor irreführender Werbung und zur Transparenz im<br />
Lebensmittelbereich, aber auch um eine Harmonisierung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen in den<br />
EU-Mitgliedstaaten zu erzielen, erließ die Europäische Kommission die „Health-Claims-Verordnung” (<strong>HCVO</strong>), die<br />
verschiedene Regelungen zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, den Claims, in der Werbung und<br />
Kennzeichnung von Lebensmitteln enthält. Teil dieser Normierungen ist gemäß Art. 13 <strong>HCVO</strong> die Erstellung<br />
einer Gemeinschaftsliste, auf der die von der EU-Kommission genehmigten gesundheitsbezogenen Claims –<br />
positiv – aufgeführt werden sollen („Art. 13 Liste”).<br />
Für die Gemeinschaftsliste wurden von Lebensmittelunternehmen in den Mitgliedstaaten rund 44.000<br />
gesundheitsbezogene Angaben eingereicht, welche durch eine Konsolidierung auf knapp 4.700 Claims<br />
reduziert 2 und von denen später 222 Angaben in der „Art. 13 Liste” als Anhang zu der Verordnung (EU)<br />
432/2012 verabschiedet wurden. 3 Diese 222 Claims stellen hierbei nicht sämtliche durch die EFSA 4 als positiv<br />
bewerteten Angaben dar. Vielmehr erhielten gut 500 Claims eine positive Bewertung von der EFSA. 5 Die<br />
EU-Kommission ist insoweit jedoch nicht an die Beurteilung durch die EFSA gebunden und konnte von einer<br />
Einbeziehung einzelner Claims in die „Art. 13 Liste” absehen.<br />
Aus Sicht vieler Lebensmittelunternehmen bot die Einführung der <strong>HCVO</strong> neben der Stärkung des<br />
Verbraucherschutzes auch eine Möglichkeit, sich als innovatives Unternehmen gegenüber den Verbrauchern<br />
besser zu positionieren. Über die verschiedenen Lebensmittelindustrieverbände in Europa wurde an der<br />
Gestaltung der <strong>HCVO</strong> unterstützend mitgewirkt. Insbesondere innovative und forschungsstarke<br />
Lebensmittelunternehmen versprachen sich durch die Aufnahme der eingereichten Claims in die Positivliste<br />
eine individuelle und vorteilhafte Platzierung ihrer Lebensmittel am Markt und damit einen Wettbewerbsvorteil.<br />
Aus diesem Blickwinkel kann die „Art. 13 Liste” in ihrer heutigen Fassung wohl kaum als „gelungen” bezeichnet<br />
werden. Einer der Hauptgründe liegt in der Hürde des wissenschaftlichen Nachweises der Ursache-Wirkungs-<br />
Beziehung zur Substantiierung der eingereichten Claims. So genügen diesem zumeist lediglich randomisierte<br />
placebo-kontrollierte Humanstudien, 6 welche auch in der medizinischen Forschung für die Überprüfung von<br />
Medikamenten Anwendung finden. 7 Die betroffenen Lebensmittelunternehmen müssen insoweit meist Kosten<br />
von ca. 50.000 bis 300.000 EUR 8 investieren, ohne dabei sicher davon ausgehen zu können, den von der<br />
EU-Kommission geforderten Nachweis letztendlich erbringen zu können. Dies zeigte sich beispielsweise an der<br />
Vielzahl abgelehnter Claims die gesundheitsbezogene Wirkung von Lebensmitteln mit Probiotika betreffend.<br />
Nach Ablauf der „Schonfrist” findet die <strong>HCVO</strong> nunmehr mit der im Anhang befindlichen „Art. 13 Liste” auf alle<br />
Lebensmittelunternehmen Anwendung – unabhängig davon, ob das betroffene Unternehmen einen Claim<br />
eingereicht hat oder nicht.<br />
II. Anwendungsbereich<br />
Für die Anwendung der <strong>HCVO</strong> ist gemäß Art. 1 Abs. 2 <strong>HCVO</strong> entscheidend, dass es sich um kommerzielle
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Mitteilungen auf bzw. Werbung für Lebensmittel handelt, welche für den Endverbraucher bestimmt sind. Dies<br />
bedeutet, dass auch Aussagen, die sich an Zwischenhändler oder ein Fachpublikum – etwa Apotheken oder<br />
Ernährungsberater – richten, der <strong>HCVO</strong> unterfallen, wenn das Produkt als solches an den Endverbraucher<br />
adressiert ist. 9 Presseinformationen oder wissenschaftliche Publikationen unterliegen dem gegenüber<br />
grundsätzlich nicht der <strong>HCVO</strong>.<br />
1. Claims für nährwertbezogene Angaben<br />
Innerhalb der <strong>HCVO</strong> ist streng zwischen den nährwertbezogen Angaben (etwa: „fettarm”) und den<br />
gesundheitsbezogenen Angaben (z.B.„Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei”) zu<br />
unterscheiden, denn an diese Differenzierung knüpfen sich unterschiedliche Voraussetzungen für die<br />
Verwendung. Eine Legaldefinition der Begrifflichkeiten erfolgt in Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 bzw. Art. 2 Abs. 5 <strong>HCVO</strong>.<br />
Zu nährwertbezogenen<br />
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nach Inkrafttreten der Art. 13 Liste (<strong>LMuR</strong> <strong>2013</strong>, 7)<br />
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Claims wurde bereits 2006, in einem ersten Anhang zur <strong>HCVO</strong>, eine Liste mit derzeit zulässigen Angaben sowie<br />
deren Voraussetzungen veröffentlicht. Diese Claims können u.a. unter den Werberestriktionen des Art. 3 <strong>HCVO</strong><br />
verwendet werden. Es gilt hierbei, dass in Art. 8 Abs. 1 <strong>HCVO</strong> normierte Verbot für andere Claims zu beachten.<br />
2. Claims für gesundheitsbezogene Angaben<br />
Neu ist nunmehr, dass ähnliche Regularien auch hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Claims gelten. Insofern<br />
normiert Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 <strong>HCVO</strong> ein Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt, das heißt nicht auf der<br />
„Art. 13-Liste” aufgeführte Claims sind grundsätzlich verboten. 10 Diese apodiktische Positivauflistung stellt<br />
einen Paradigmenwechsel dar, denn Lebensmittelunternehmen müssen bei Verwendung der aufgelisteten<br />
Claims und Einhaltung der Verwendungsbedingungen den vormals geforderten wissenschaftlichen Nachweis<br />
nicht mehr erbringen. Dass aber die entsprechenden Claims, wie „Calcium trägt zu einer normalen<br />
Signalübertragung zwischen Nervenzellen bei”, jedoch häufig für die Bewerbung von Lebensmitteln nur im<br />
geringen Maße von Nutzen sind, ist offensichtlich.<br />
III. Künftig zulässige Werbemöglichkeiten<br />
Durch das nunmehr bestehende regulatorische Umfeld werden Lebensmittelunternehmen demnach in ihrer<br />
Kommunikation gegenüber dem Verbraucher eingeschränkt und sind gezwungen, ihre konsumentenorientierten<br />
Marketingstrategien anzupassen, um negative Konsequenzen durch Verstöße gegen die neuen Regularien zu<br />
vermeiden. Konsequenzen von Verstößen gegen die <strong>HCVO</strong> reichen von kostenintensiven Änderungen und<br />
Anpassungen der rechtswidrigen Werbekampagnen oder Lebensmittelkennzeichnungen bis zu Umsatzeinbußen,<br />
Lieferengpässen und Imageverlust. Entsprechende Verstöße können sowohl durch<br />
Lebensmittelüberwachungsbehörden also auch Wettbewerber aufgegriffen werden. Die Konsequenzen von<br />
Verstößen sind weitreichend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Spielräume bei der<br />
Anwendung der Art. 13 Liste bestehen und wie sich Unternehmen diese nutzbar machen können.<br />
1. „Flexible wording”<br />
Neben der stringenten Verwendung der genehmigten Claims besteht Spielraum für eine flexible Formulierung<br />
der Claims. Die EU-Kommission verweist insoweit auf ihrer Website auf „some flexibility of wording of the<br />
claim” 11 und bringt in Zusammenhang mit der Begründungserwägung Nr. 9 zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012<br />
zum Ausdruck, dass eine Umformulierung der Angaben erfolgen kann, wenn der Bedeutungsgehalt aus<br />
Verbrauchersicht erhalten bleibt. Diese Flexibilität sei den linguistischen und kulturellen Unterschieden in den<br />
einzelnen EU-Mitgliedsstaaten geschuldet. Ob bei entsprechender flexibler Umformulierung der gleiche<br />
Bedeutungsgehalt eines Claims erhalten bleibt, ist letztendlich eine Frage der Auslegung, zu der bisher in<br />
Deutschland keine Rechtsprechung vorhanden ist.<br />
Vertretbar erscheint es beispielsweise, den Claim „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des<br />
Immunsystems bei” in die Werbeangabe: „Vitamin C spielt eine Rolle bei der normalen Funktion des<br />
Immunsystems” oder „Vitamin C unterstützt eine normale Funktion des Immunsystems” bzw. „Vitamin C trägt<br />
zur Beibehaltung einer normalen Funktion des Immunsystems bei” umzuformulieren. Auch die geringfügige
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Umstellung von Satzgliedern wie „Vitamin C trägt zur Erhaltung eines normalen Immunsystems bei” kann als<br />
vertretbar bewertet werden. Die Grenzen des flexiblen „wording” scheinen aber bei inhaltlichen<br />
Veränderungen, wie „Vitamin C stimuliert die normale Funktion des Immunsystems” oder „Vitamin C optimiert<br />
die normale Funktion des Immunsystems” überschritten zu sein.<br />
In einigen EU-Staaten, wie beispielsweise Belgien 12 und Portugal, bestehen bereits Richtlinien bezüglich des<br />
flexiblen wording für Lebensmittelunternehmen. In den Niederlanden 13 wird darüber hinaus bezüglich einer<br />
Liste mit zulässigen gleichbedeutenden Angaben beraten. 14 In Deutschland ist eine solche Liste bzw. Richtlinie<br />
bisher nicht vorhanden.<br />
2. Formulierung „normal”<br />
Für eine positive Kommunikation bei der Vermarktung von Lebensmitteln hinderlich ist vielmals die<br />
Verwendung des Wortes „normal” in den Claims, welche auch in der englischen Version in einer Vielzahl der<br />
Claims zu finden ist. Die von einigen EU-Staaten bereits erlassenen Richtlinien für die Anwendung der flexiblen<br />
Formulierungen nehmen hierauf direkten Bezug. So wird in der portugiesischen Richtlinie streng reglementiert,<br />
dass die Formulierung „normal” als solche beibehalten werden muss. Gemäß der belgischen Richtlinie kann<br />
demgegenüber anstelle von „normal” unter bestimmten Voraussetzungen die Formulierung „gesund” oder<br />
„richtig” gewählt werden.<br />
Da in Deutschland eine entsprechende Richtlinie derzeit noch nicht implementiert ist, können sich<br />
Lebensmittelunternehmen einerseits die Positionierung der EU-Kommision<br />
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zur Befürwortung des „flexible wording” und andererseits die Argumentation anderer Mitgliedsstaaten, die eine<br />
solche Ersetzungsmöglichkeit in entsprechenden Richtlinien grundsätzlich zulassen, zunutze machen.<br />
3. Richtige Beziehung zwischen Substanz, Nutzen und Lebensmittel<br />
Innerhalb der Formulierungsmöglichkeiten gilt es zudem zu beachten, dass die EU-Kommission auf ihrer<br />
Website die strenge Ansicht vertritt, dass sich der genehmigte Claim lediglich auf die konkrete Substanz (z.B.<br />
Vitamin C) beziehen darf und nicht auf ein Lebensmittel was diese Substanz enthält. 15 Die Angabe: „Ein Glas<br />
Orangensaft trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei” ist nach Ansicht der EU-Kommission<br />
daher nicht mit der <strong>HCVO</strong> vereinbar. Vielmehr müsste „Das Vitamin C in einem Glas Orangensaft trägt zur<br />
Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei” formuliert werden. 16 Diese rechtlich unverbindliche<br />
Rechtsansicht der EU-Kommission wird nach Teufer 17 voraussichtlich durch die nationalen Gerichte korrigiert<br />
werden, da Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 <strong>HCVO</strong> auf den Zusammenhang zwischen einem „Lebensmittel” und der<br />
Gesundheit abstellt und damit grundsätzlich den Raum für eine solche Auslegungsmöglichkeit eröffnet.<br />
4. Kombinationsmöglichkeiten<br />
Zu denken ist weiterhin an die wohl zulässige Kombination von unterschiedlichen Inhaltsstoffen (z.B. „Der<br />
Vitaminmix (B12, B6, C) trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei”). 18 Gleiches gilt für die<br />
Kombination aus verschiedenen zugelassenen Claims zu einem Inhaltsstoff. Nicht zu verwechseln ist dies<br />
jedoch mit der Kombination unterschiedlicher Inhaltsstoffe und differenten Claims (z.B. „Vitamin C und Zink<br />
tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems und zur Erhaltung normaler Haare bei”). Zwar sind die<br />
einzelnen Claims separat betrachtet zulässig, aber die Koppelung würde dem Verbraucher suggerieren, dass<br />
auch Vitamin C zur Erhaltung normaler Haare beitrage.<br />
5. Bildliche Darstellungen<br />
Für die betroffenen Unternehmen attraktiv erscheint zudem die Verstärkung der Werbebotschaft durch die<br />
Verwendung entsprechender Bilder und Symbole (z.B. die Abbildung von Obst). Hier ist darauf hinzuweisen,<br />
dass diese nicht uneingeschränkt nutzbar sind. Vielmehr sind Bilder, grafische Darstellungen und Symbole vom<br />
Begriff der „Angaben” i.S. der <strong>HCVO</strong> erfasst und unterliegen daher den gleichen Regularien wie Claims im<br />
herkömmlichen Sinne. Allerdings bieten sich Lebensmittelunternehmen hier weitreichendere Auslegungs- und
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Gestaltungsspielräume, da spezifische Regelungen, wann eine solche bildliche Darstellung eine unzulässige<br />
nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe darstellt, nicht existent sind.<br />
6. Sternchenhinweis<br />
In der Praxis kommt der Sternchenhinweis häufig zur Anwendung, der beispielsweise von<br />
Lebensmittelunternehmen genutzt werden kann, um Kernelemente eines Claims für den Verbraucher attraktiv<br />
und prägnant hervorzuheben. Das vollständige Claim mit dem regulatorisch entsprechend vorgeschriebenem<br />
Wortlaut wird dagegen an anderer Stelle platziert, zu der der Verbraucher anhand den Sternchenhinweises<br />
verwiesen wird. Dabei ist fraglich, ob das, was heutzutage als gängige Praxis beobachtet wird, den<br />
Anforderungen der <strong>HCVO</strong> genügt. Eine gerichtliche Entscheidung hierzu steht noch aus. Für die Zulässigkeit<br />
dieses Vorgehens spricht jedoch, dass Verbraucher mit den Sternchenhinweisen vertraut ist und die<br />
Verwendung als anerkannt gesehen werden kann. 19 Der Sternchenhinweis muss jedoch klar und<br />
unmissverständlich, gut lesbar und vollständig sein. 20<br />
7. Unspezifische Claims<br />
In der Praxis sind zudem allgemeine und unspezifische Claims zu finden, welche zum Teil auf Vorteile von<br />
Nährstoffen und Lebensmittel für die Gesundheit im Allgemeinen – wie beispielsweise ein Lebensmittel sei<br />
„gesund” – oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden hinweisen. Gemäß Art. 10 Abs. 3 <strong>HCVO</strong> sind diese<br />
Claims mit speziellen gesundheitsbezogenen Angaben der „Art. 13 Liste” 21 zu koppeln. Eine solche Koppelung<br />
könnte beispielsweise sein: „Produkt X für gesundes Haar – Produkt X enthält Zink, das zur Erhaltung normaler<br />
Haare beiträgt”.<br />
Die „Achillesferse” besteht jedoch auch hier in der Beurteilung der Frage, wann tatsächlich auf das<br />
„gesundheitsbezogene Wohlbefinden” Bezug genommen wird. Beispielsweise urteilte das OLG Stuttgart, 22 dass<br />
die Angabe „So wichtig wie das tägliche Glas Milch” auf einem Fruchtquark keine nährwert- oder<br />
gesundheitsbezogene Angabe sei, da sich der Claim lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden – nicht das<br />
gesundheitsbezogene Wohlbefinden i.S.v. Art 10 Abs. 3 <strong>HCVO</strong> – beziehe. Unter dem zusätzlichen Verweis auf<br />
die Presseerklärung der Kommission vom Oktober 2003 sollen diese Werbeaussagen mit pauschalem Charakter<br />
daher nicht von der <strong>HCVO</strong> umfasst sein. 23 Eine entsprechende Koppelung zu einem zulässigen Health Claim<br />
der Art. 13 Liste wäre nach dieser gerichtlichen Auffassung nicht notwendig. Gegensätzlich äußerte sich jedoch<br />
der im Anschluss damit befasste BGH, 24 indem er dieses Claim als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der<br />
<strong>HCVO</strong> wertete und hierbei auf die „Deutsches Weintor”-Entscheidung des EuGH 25 hinwies. Die Frage wurde<br />
nunmehr dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. 26<br />
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8. „Enthält-Aussagen”<br />
Den Unternehmen steht weiterhin offen, mit sogenannten „Enthält-Angaben” zu werben. So qualifizierte<br />
beispielsweise das OLG Nürnberg 2012 die Angabe „mit bioaktiven Pflanzenstoffen” weder als nährwert- noch<br />
als gesundheitsbezogene Angabe. Auch wenn der Zusatznutzen für ein Lebensmittel durch solch eine Angabe<br />
nicht direkt formuliert wird, kann davon ausgegangen werden, dass wissende Verbraucher einen solchen<br />
Nutzen mit bestimmten Inhaltsstoffen eines Lebensmittels in Verbindung bringen.<br />
9. Traditionelle Bezeichnungen sowie Handels- und Markennamen<br />
Besondere Regelungen gelten für traditionelle Bezeichnungen (wie zum Beispiel „Hustenbonbons”) sowie<br />
Handels- und Markennamen. Für diese besteht keine positiv normierte Auflistung. Trotzdem müssen die<br />
allgemeinen Verwendungsvoraussetzungen der <strong>HCVO</strong> grundsätzlich beachtet werden, denn Handels- und<br />
Markennamen sowie Phantasienamen unterliegen dem Geltungsbereich der <strong>HCVO</strong> (vgl. Art. 1 Abs. 3 <strong>HCVO</strong>).<br />
Neu zu entwickelnde Handels- oder Markennamen sollten daher keine nährwert- oder gesundheitsbezogenen<br />
Angaben enthalten. Eine Ausnahme gilt für bereits länger als 2005 bestehende Handels- oder Markennamen.<br />
Gemäß Art. 28 Abs. 2 HCV dürfen diese auch bei Nichtvereinbarkeit mit der <strong>HCVO</strong> bis zum 19. 1. 2022<br />
weiterhin verwendet werden. Bezüglich der traditionellen Bezeichnungen können Ausnahmegenehmigungen<br />
erteilt werden (vgl. Art. 1 Abs. 4 <strong>HCVO</strong>).
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10. „on-hold” Claims<br />
Nicht zu vergessen sind die bereits eingereichten aber noch nicht abschließend geprüften Claims. Hinsichtlich<br />
dieser sogenannten „on hold” Claims erklärte die EUKommission in der Begründungserwägung Nr. 11, 27 dass<br />
diese gemäß Art. 28 Abs. 5 und 6 <strong>HCVO</strong> weiter verwendet werden dürfen 28 soweit sie mit allen übrigen<br />
relevanten Regularien vereinbar sind. Hier sollte insbesondere ein Mindestmaß an wissenschaftlicher<br />
Absicherung des entsprechenden Claims gegeben sein. Durch diese Regelung soll nach dem OLG Düsseldorf<br />
„ein Recht zur (erstmaligen) Benutzung eines bloß angemeldeten Claims, das im Übrigen allen<br />
Verbraucherschutzerwägungen zuwiderlaufen würde, […] nicht geschaffen werden.” 29<br />
IV. Neueste Entwicklungen<br />
Wie eingangs bereits dargestellt, wurde eine Nichtigkeitsklage beim EuG bezüglich des Beschlusses der<br />
EUKommission vom 16. 5. 2012 eingereicht. Mit dem angegriffenen Beschluss hatte die EU-Kommission die<br />
gegenständliche Liste mit zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben („Art. 13-Liste”) angenommen und<br />
zusätzlich die Liste der „on-hold” Claims erstellt. Entgegen Art. 28 <strong>HCVO</strong> fand somit eine Aufteilung des dort<br />
geregelten Bewertungsprozesses hinsichtlich gesundheitsbezogener Claims und die Verabschiedung nicht einer<br />
vollständigen Positivliste, sondern zweier Teillisten statt. Hauptargument der Nichtigkeitsklage ist daher unter<br />
anderem die Unvereinbarkeit solcher Teillisten mit der <strong>HCVO</strong>.<br />
Darüber hinaus wurde dem europäischen Gericht im Wege des Vorabentscheidungsverfahren die für die Praxis<br />
relevante Frage vorgelegt, ob der Begriff der „Handelsmarke” bzw. des „Handelsnamens” kommerzielle<br />
Mitteilungen auf der Verpackung eines Lebensmittels einschließt, das heißt diese dann, auch wenn sie nicht den<br />
Vorgaben der <strong>HCVO</strong> entsprechen, bis zum 19. 1. 2022 weiterhin genutzt werden dürfen. 30 Zudem soll die<br />
Frage geklärt werden, ob die „Handelsmarke” bzw. der „Handelsname” allein auf den bereits vor 2005<br />
verwendeten Lebensmitteln genutzt werden dürfen (3. Vorlagefrage). 31 Dies ist insoweit von großer Relevanz,<br />
als dass Lebensmittelunternehmen bei Verneinung dieser Auslegung die „Handelsmarke” bzw. den<br />
„Handelsnamen” auch auf anderen, also nach 2005 in den Markt eingeführten Lebensmitteln verwenden<br />
dürften.<br />
V. Fazit<br />
Dass die <strong>HCVO</strong> an vielen Stellen der Auslegung offen und die im Dezember 2012 verbindlich gewordene „Art.<br />
13 Liste” nicht abschließend ist, führt zu einer Vielzahl von Fragen für die werbenden<br />
Lebensmittelunternehmen. Fest steht jedoch, dass mit der nunmehr verabschiedeten Positivliste zu zulässigen<br />
Health Claims und des damit verbundenen Erlaubnisvorbehalts Einschränkungen in der Vermarktung von<br />
Lebensmitteln einhergehen. Den dennoch bestehenden Gestaltungsspielraum sollten sich betroffene<br />
Lebensmittelunternehmen nutzbar machen. Neben der zulässigen Nutzung der in der Positivliste aufgeführten<br />
Claims sowie der noch nicht abschließend bewerteten Claims der „on hold” Liste steht den Unternehmen<br />
insbesondere das Instrumentarium des „flexible wording” und der Unterstützung der Werbebotschaften durch<br />
bildliche Darstellungen im zulässigen Rahmen zur Verfügung.<br />
Ergänzend wird es für die Lebensmittelunternehmen zunehmend von Bedeutung sein, bereits im<br />
Innovationsprozess das regulatorische Umfeld der zukünftig angestrebten Vermarktung des neu zu<br />
entwickelnden Lebensmittels oder der Rezeptur mit einzubeziehen.<br />
Es ist davon auszugehen, dass sich die nationale Rechtsprechung mit den aufgeworfenen Fragestellungen in<br />
naher Zukunft zu befassen hat. Auch bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der deutsche Gesetzgeber durch<br />
nationale Regelungen zusätzliche Rechtssicherheit schaffen wird, wie dies in anderen EU-Mitgliedsstaaten zum<br />
Teil bereits geschehen ist.<br />
Anschrift der Verfasser:<br />
Denis Ullrich, Rechtsanwalt,<br />
Dr. Nicole Schikorra, LL.M.oec., Rechtsanwältin<br />
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />
Grimmaische Straße 25
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04109 Leipzig<br />
Tel.: 03 41/52 99-0<br />
Fax: 03 41/52 99-1 10<br />
E-Mail: denis.ullrich@luther-lawfirm.com<br />
E-Mail: nicole.schikorra@luther-lawfirm.com<br />
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Rs.T-296/12, ABl. EU v. 18. 8. 2012.<br />
Loosen, ZLR 2012, 401, 402.<br />
Die betroffenen Unternehmen können hierbei alle abgelehnten und zugelassenen Claims in einem<br />
EU-weiten Unionsregister auf der Website der EU-Kommission einsehen.<br />
European Food Safety Authority – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit.<br />
Loosen, ZLR 2012, 401, 402.<br />
Verbeek, DLR 2012, 126, 127.<br />
Das OLG Frankfurt (Az.: 6 U 174/10) geht hierbei in seiner Entscheidung vom 10. 11. 2011 noch weiter<br />
und lässt allein „randomisierte und placebo-kontrollierte Doppelblindstudien”, das heißt Studien auf<br />
„Goldstandrad” genügen; vgl. auch: Senat, Urt. v. 12. 1. 2006 – 6 U 241/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.<br />
11. 2009 Az.: I-20 U 194/08; zuletzt bestätigt durch: BGH, Beschl. v. 1. 6. 2011 – I ZR 199/09.<br />
Vgl. hierzu Jakobs, Die Health Claims Verordnung und die Konsequenz für die Lebensmittelindustrie: Eine<br />
Unternehmensbefragung, S. 50f.<br />
Grube/Conte-Salinas, <strong>HCVO</strong>, 21, Rn. 4.<br />
Zu beachten sind die Ausnahmen für noch nicht abschließend geprüfte Angaben.<br />
„Some flexibility of wording of the claim is possible provided its aim is to help consumer understanding<br />
taking into account factors such as linguistic and cultural variations and the target population. Adapted<br />
wording must have the same meaning for the consumer as the authorized claim in the EU Register.”(vgl.<br />
Terms and Conditions unter: http://ec.europa.eu/nuhclaims/).<br />
http://www.favv-afsca.be/denreesalimentaires/allegations-nutritionnelles-sante/_documents<br />
/2012–11-05_Guidelineswordingflexibilityclaims2012–10-FR.PDF. Die Richtlinie wurde von der<br />
Föderalagentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette – FASNK (Agence fédérale pour la sécurité de<br />
la chaîne alimentaire – AFSCA/Federaal Agentschap voor de veiligheid van de voedselketen –<br />
FAVV/Federal Agency for the Safety of the Food Chain – FASFC) veröffentlicht und entspringt der Feder<br />
des Föderalen Öffentlichen Dienstes für Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt<br />
(Service Public Fédéral – Santé publique, Sécurité de la Chaîne alimentaire et Environnement/Federale<br />
Overheidsdients – Volksgezondheid, Veiligheid van de Voedselketen en Leefmilieu/Federal Public Service<br />
– Health, Food chain safety and Environment).<br />
http://www.favv-afsca.be/levensmiddelen/voedingsgezondheidsclaims/_documents<br />
/2012–11-05_Guidelineswordingflexibilityclaims2012–10-NL.PDF.<br />
Loosen, ZLR 2012, 401, 404.<br />
Vgl. hierzu: Teufer, GRUR-Prax 2012, 476ff.<br />
Vgl. hierzu: Teufer, GRUR-Prax 2012, 476ff.<br />
Vgl. hierzu: Teufer, GRUR-Prax 2012, 476ff.<br />
Der Claim darf insofern für alle drei Vitamine verwandt werden.<br />
Gloy/Loschelder/Erdmann, Wettbewerbsrecht, § 59, Rn. 103.<br />
Gloy/Loschelder/Erdmann, Wettbewerbsrecht, § 59, Rn. 103.<br />
Bzw. mit der „Art. 14 Liste”.<br />
OLG Stuttgart, Urt. v. 3. 2. 2011, LMRR 2011, 101ff.<br />
Vgl. hierzu: Grube/Conte-Salinas, <strong>HCVO</strong>, 95, Rn. 10ff.<br />
BGH-Pressemitteilung v. 5. 12. 2012 (Nr. 200/2012).<br />
EuGH, Urt. v. 6. 9. 2012 – C 544/10, GRUR 2012, 1161, Rn. 34–36.<br />
BGH-Pressemitteilung v. 5. 12. 2012 (Nr. 200/2012).<br />
Zur VO (EU) 432/2012.
MuR <strong>2013</strong>, 7 - beck-online<br />
http://beck-online.beck.de/default.aspx?printmanager=print&VPATH=...<br />
7 von 7 07.11.<strong>2013</strong> 17:30<br />
28<br />
29<br />
30<br />
31<br />
Vgl. Grube/Conte-Salinas, <strong>HCVO</strong>, 135, Rn. 4.<br />
OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. 3. 2011 – I-20 U 85/10.<br />
Vgl. Rs.C-299/12, ABl. EU v. 8. 9. 2012.<br />
Vgl. Rs.C-299/12, ABl. EU v. 8. 9. 2012.