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Küchenplaner LivingKitchen 2013 (Vorschau)

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Impulse/Ansichten<br />

Sturm im Wasserglas<br />

Die Bilanz 2012 führt an eine Weggabelung. Besser<br />

nach rechts abbiegen oder nach links? Das will gut<br />

überlegt sein. Eine Richtungsentscheidung hat Konsequenzen.<br />

Sie entscheidet über argumentatives Nörgeln<br />

und Zuversicht. Bezogen auf das Küchenjahr 2012 geht<br />

es um die Frage: Ist das Glas halbvoll oder halbleer?<br />

Wie so oft hilft es, die Scheuklappen etwas zu lüften<br />

und den Blick weit werden zu lassen. In diesem Fall<br />

auf das, was vor 2012 stattfand. Konkret: 2011. Das war<br />

ein prima Küchenjahr. Wer sich als Hersteller, Händler<br />

oder Verband unternehmerisch nicht total verweigerte<br />

oder schlimme Altlasten mit sich herumzuschleppen<br />

hatte, jubelte über zweistellige Zuwachsraten. Die Bilanzrekorde<br />

purzelten nur so. Dass in den Monaten vor<br />

2011 die Überschuldungs- und Finanzmarktkrise manchen<br />

Märkten die Beine weggehauen und famose Zuwachsraten<br />

zurück auf ehemaliges Niveau erst möglich<br />

gemacht hat? Schwamm drüber. Wer will den glockenklaren<br />

Klang aneinanderstoßender Champagnerkelche<br />

schon mit solchen Spitzfindigkeiten vermiesen?<br />

Nun zeigt der Kalender Dezember 2012. Etliche<br />

Marktteilnehmer stöhnen, und das gute Kristall steht<br />

wieder sicher verstaut in der Vitrine unten links. Denn<br />

nach einer soliden bis furiosen Lage in den ersten sechs<br />

Monaten, kühlten die Verkäufe in der zweiten Jahreshälfte<br />

merklich ab. Umsatzprognosen wurden angepasst.<br />

Mit der Botschaft: „Alles nicht so gut wie gedacht<br />

– und höchstens zwei, drei Prozent besser als 2011.“<br />

Die Tendenzen zur dramatisch angehauchten Übertreibung<br />

sind bei diesen Vorgängen allgegenwärtig und<br />

laufen Gefahr, Ereignisse aus dem Zusammenhang zu<br />

lösen. 2011 war ein tolles Küchenjahr mit erheblichen<br />

Wachstumsraten. Dieses Ergebnis wird in diesem Jahr<br />

aller Voraussicht nach nicht nur gehalten, sondern sogar<br />

ausgebaut. Wenn auch bescheiden. Nun klagen wir<br />

in Deutschland über ein Küchen- und/oder Möbelplus<br />

von „mageren“ zwei, drei Prozent, und Stimmen werden<br />

laut, die vieles in Schutt und Asche wähnen. Ein<br />

lütter Sturm im Wasserglas? Oder steckt mehr dahinter?<br />

Grund zur Sorge besteht allemal. Allen voran über<br />

den eingeschränkten Wahrnehmungshorizont vieler<br />

strategisch platzierter Wirtschaftsprognosen – diese<br />

sind überraschend oft national getrimmt. Und das in<br />

einer Welt, die ihrem materiellen Wohlstand den eingerissenen<br />

Grenzen der Globalität verdankt.<br />

„Zwei, drei Prozent Wachstum“ = Krise? Irritierend.<br />

Manche unserer Nachbarn haben Sorge, ihre Arbeitslosenquote<br />

unter 25 Prozent zu halten – bei jungen Menschen<br />

sogar unter 50 Prozent. Alte Menschen in fast<br />

ganz Südosteuropa bangen, ob ihre Rente am nächsten<br />

Ersten tatsächlich überwiesen wird, und nicht wenige<br />

Länder fragen sich, ob sie sich auf ihre Nachbarn verlassen<br />

können. In der Not nicht allein zu stehen, davon<br />

haben einst auch die Menschen hier in Deutschland<br />

profitiert. Aber das ist lange her. Zu lange?<br />

In allen Ländern Europas drängen<br />

strukturelle Probleme, sonst gäbe es<br />

nicht so viele Schulden. Manchen Nationen<br />

geht es ökonomisch betrachtet gar<br />

um die Exis tenz. Ebenso wie den gesundheitlich<br />

und wirtschaftlich ausgebeuteten<br />

Arbeitern in Afrika, China, Bangladesch<br />

oder Indien, die unter menschenverachtenden<br />

Zuständen Billigwaren für unseren<br />

Wegwerfkonsum produzieren.<br />

Der scheuklappengelüftete Blick offenbart eine weitere<br />

Perspektive: Westeuro pa lebt dank visionär gelebter<br />

Solidarität seit 67 Jahren in Frieden. Davon konnten<br />

unsere Vorfahren nur träumen. Menschen in vielen<br />

anderen Regionen der Welt ganz aktuell auch. Wir<br />

scheinen uns so sehr daran gewöhnt zu haben, dass<br />

Europa im Großen und Ganzen funktioniert, dass wir<br />

gar nicht merken, wie leichtfertig wir den Erfolg einer<br />

Arbeit von Jahrzehnten aufs Spiel setzen, wenn die Parolenschreier<br />

der politischen Stammtische die Oberhand<br />

gewönnen. Was keineswegs einer Pilcherisierung<br />

der Diskussion das Wort reden soll.<br />

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die<br />

Euro päische Union ist ein Signal zur rechten Zeit.<br />

Es sollte gehört und beachtet werden. Ja, auch in der<br />

Küchen branche! Denn ob Europa und die europäischen<br />

Märkte weiterhin funktionieren, hängt nicht allein von<br />

Frau Merkel und Herrn Schäuble ab. Die zahllosen täglichen<br />

Entscheidungen aller am Wirtschaftsprozess<br />

Beteiligter sind es, die darüber maßgeblich entscheiden.<br />

Einem reformbedürftigen Europa den Rücken zu<br />

kehren und mit seinen auf Verdrängung zielenden Haltungen<br />

„einfach“ ein Häuschen weiter zu ziehen, führt<br />

in eine Sackgasse.<br />

Komplexe Zusammenhänge wie diese sind anstrengend<br />

und verschließen sich einfachen Antworten. Neue<br />

und undogmatische Betrachtungsweisen sind gefragt.<br />

Wie gewohnt ausschließlich auf quantitatives Wachstum<br />

zu setzen bei gleichzeitiger Geheimniskrämerei<br />

um den Ertrag, zählt wohl nicht dazu. Geschirrspüler<br />

zu verschenken auch nicht. Kreative Ideen und Entscheidungen<br />

umso mehr – lokal, national und global.<br />

Dirk Biermann, Chefredakteur<br />

d.biermann@kuechenplaner-magazin.de<br />

PS: Am 14. Januar beginnt die <strong>LivingKitchen</strong> in Köln.<br />

Für Händler eine Gelegenheit, einen Busausflug mit<br />

ausgewählten Kunden zu organisieren. Um sich selbst<br />

einen Eindruck zu verschaffen, ob die aktuelle Lage in<br />

der Küchenbranche nun Nörgelei oder Zuversicht verdient<br />

– oder irgendwas dazwischen.<br />

12/2012 küchenplaner 3

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