Eschmann - Antiquare - Antiquariat Dr. Wolfgang Rieger
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<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
228 Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5<br />
Spurensuche. Exlibris von<br />
<strong>Antiquare</strong>n<br />
Es fing mit einem Zufall an. Im April 2010<br />
war ich zur Vorbesichtigung auf einer<br />
Auktion in München. Bei der Durchsicht<br />
eines Buchkonvoluts fiel mir ein Exlibris<br />
auf. Dargestellt war eine Verkaufsszene in einem<br />
<strong>Antiquariat</strong>. Es war das Exlibris des Buch- und<br />
Kunstantiquariats Robert Wölfle in München.<br />
Mich interessierte die Frage, ob es weitere Objekte<br />
dieser Art gab. Aller Anfang ist schwer,<br />
hier galt dies doppelt. Alles musste erst entdeckt<br />
und wenn möglich erworben werden. Das<br />
Hauptproblem war die Unklarheit, ob ein Exlibris<br />
existierte oder nicht. Bei noch lebenden<br />
Kollegen versuchte ich dies durch eine schriftliche<br />
Anfrage zu klären. Nicht immer kamen positive<br />
Reaktionen. Manche haben nicht reagiert,<br />
wollten auch keine Auskünfte geben, zumal ein<br />
Exlibris auch etwas Privates ist. Der größte Teil<br />
von <strong>Antiquare</strong>n hatte zu allen Zeiten kein Exlibris.<br />
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einer<br />
mag darin bestehen, dass viele Kollegen zu den<br />
grafischen Künsten nur schwer Zugang finden.<br />
Was ist ein Exlibris?<br />
Ein Exlibris (lat. »aus den Büchern«) ist ein gezeichnetes<br />
beziehungsweise gedrucktes Bild.<br />
Eine Kleingrafik oder eine Fotografie, eine Art<br />
grafischer Bildschmuck. Sie weist darauf hin,
wem das Buch gehört und aus welcher Bibliothek<br />
es stammte. Es ist ein Besitzeignerzeichen<br />
(Bucheignerzeichnen). Oftmals hat es neben<br />
dem Namen des Bucheigners, der eine Einzelperson,<br />
Institution oder Gesellschaft sein kann,<br />
zusätzlich den Hinweis »Exlibris«, »Aus der Bibliothek«,<br />
»Aus der Handbücherei« oder auch<br />
nur »Dieses Buch gehört«. Sie sollen daran erinnern,<br />
es an die rechtmäßigen Besitzer zurück zu<br />
geben. Das Exlibris ist fast so alt wie der Buchdruck.<br />
Erste Exlibris dürften aus der Dürer-Zeit<br />
stammen, bekannt ist die »Igel-Darstellung«<br />
eines Johann Knabensberg (Hans Igler), genannt<br />
Igler, um 1480. Genaueres lässt sich<br />
nur schwer belegen. Im Laufe der Jahrhunderte<br />
hat es sich vom Eigentumsnachweis zur<br />
eigenständigen Kunstform gewandelt. Der<br />
Handel mit Exlibris unterliegt eigenen Gesetzen<br />
und grenzt sich vom antiquarischen<br />
Handel mit Büchern und Grafiken ab. Beliebte<br />
Sammelgebiete sind: Exlibris vor 1650,<br />
Berufsdarstellungen (Arzt und Rechtsanwalt),<br />
Erotik, Freimaurerei, Heraldik, Katzen,<br />
Landschaften und Städte, Memento<br />
Mori (Totentanz), und bestimmte Künstler<br />
(z. B. Hans Bastanier, Ludwig Hohlwein,<br />
Max Klinger, Emil Orlik, Max Slevogt und<br />
Heinrich Vogeler).<br />
Im weitesten Sinne sind Signaturen, Stempel<br />
und Buchhändlermarken auch Exlibris, denn sie<br />
befinden sich alle in Büchern und verraten uns<br />
etwas über die Herkunft des Buches und über<br />
den Vorbesitzer. Die Buchhändlermarke ist auf<br />
der einen Seite zunächst nur ein kleiner Adressenaufkleber,<br />
der meist aus zwei Teilen bestand.<br />
Einem Auszeichnungsfeld, das in der Regel<br />
weiß war und wiederum in ein oder zwei Unterfelder<br />
aufgeteilt wurde. Hier konnte mit Bleistift<br />
der Verkaufspreis und eine Lager- und Inventarisierungsnummer<br />
oder auch verschlüsselt<br />
ein Einkaufscode eingetragen werden. Die andere<br />
Hälfte war das eigentliche Adressfeld, das<br />
eingeklebt im Buch sichtbar zurückblieb. Beim<br />
Verkauf wurde die weiße Hälfte abgetrennt,<br />
quasi als Eigenbeleg für das Kassenbuch des<br />
Händlers, während die zweite Hälfte als einge-<br />
klebte ›Erinnerung‹ an den neuen Käufer überging.<br />
Schon durch diesen Vorgang wird deutlich,<br />
dass die Verbreitung von Buchhändlermarken in<br />
enormen Auflagenhöhen geschehen ist. Im Exlibris<br />
drückt sich hingegen etwas von der Persönlichkeit<br />
des Eigners, aber auch des Künstlers<br />
aus. Das Stereotype der Buchhändlermarken<br />
wird hier durch eine künstlerische Gestaltung<br />
aufgehoben. So gesehen ist jedes Exlibris ein<br />
Unikat, auch wenn es mehrfach hergestellt<br />
wurde. Unter Signaturen versteht man handschriftliche<br />
Belege, die sich in Büchern aus der<br />
Arbeitsbibliothek des Antiquars befinden. Der<br />
Kollege Walter Alicke (1938–2003) hatte diese<br />
Angewohnheit. Der Exlibris-Stempel ist kostengünstig<br />
und kommt als Tintenstempel oder<br />
Blindprägestempel vor. Unter den aktiven Kollegen<br />
verwendet Tobias Wimbauer (geb. 1976)<br />
einen Exlibris Tintenstempel. Von mir nicht berücksichtigt<br />
werden weitere ›Spuren‹ wie Logos,<br />
Reklamemarken, Siegelmarken, Signets und andere<br />
Kleingrafiken.<br />
Erscheinungsformen<br />
Grundsätzlich lassen sich vier Hauptgruppen<br />
unterscheiden. Sogenannte »Geschäftsexlibris«,<br />
oft mit Zusätzen wie »<strong>Antiquariat</strong>« oder »Aus<br />
der Handbibliothek« versehen. Private Exlibris<br />
<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
<strong>Antiquariat</strong><br />
Robert Wölfle,<br />
München<br />
Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5 229
<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
Leopold Alfred<br />
Baer, Frankfurt<br />
am Main bzw.<br />
Paris<br />
von <strong>Antiquare</strong>n, auf denen nur der Name steht.<br />
Ferner »Luxusexlibris« für <strong>Antiquare</strong>, die meist<br />
überhaupt nicht in Bücher eingeklebt wurden,<br />
sondern eher in kleinen Auflagen, signiert vom<br />
Künstler, nummeriert etc. ›gesammelt‹ und ›getauscht‹<br />
wurden. Hier fehlt häufig auch der Terminus<br />
Exlibris. Meist waren diese <strong>Antiquare</strong><br />
Mitglieder einer Exlibrisvereinigung, wo diese<br />
»Tauschtradition« heute noch gepflegt wird.<br />
Und zuletzt eine recht kuriose Erscheinung,<br />
das »Provenienzexlibris«. Es ist eine Art Werbeexlibris<br />
und wurde zu reinen Propagandazwecken<br />
hergestellt, um auf eine bedeutende<br />
Provenienz einer Büchersammlung oder eines<br />
Vorbesitzers aufmerksam zu machen und somit<br />
für eine Bibliothek zu werben. Der Heidelberger<br />
Antiquar Ernst Carlebach (1838–1923)<br />
pflegte diese Tradition.<br />
Die Gestaltung eines Exlibris stellt an den<br />
Künstler eine Herausforderung dar. Er hat nur<br />
wenig Raum für eine grafische Umsetzung zur<br />
Verfügung. Ferner müssen Wünsche, Eigenheiten<br />
und Schriftzüge des Auftraggebers berücksichtigt<br />
werden. Meist werden drei bis fünf<br />
zeichnerische Vorentwürfe angefertigt, aus denen<br />
sich der Kunde einen Favoriten aussucht.<br />
Die Entscheidung, in welcher <strong>Dr</strong>ucktechnik das<br />
Exlibris entsteht, liegt meist beim Künstler. Es<br />
gibt Grafiker, die vorwiegend mit Radier-, Stahlstich-<br />
oder Holzschnitttechniken arbeiten. An-<br />
230 Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5<br />
dere wiederum gestalten nur noch Buchdrucke<br />
(Klischee) per Computer. Unterschiedlich wird<br />
die künstlerische Kennzeichnung gehandhabt.<br />
Teilweise wird auf einen Namenshinweis oder<br />
Monogramm verzichtet oder nur auf Kundenwunsch<br />
ausdrücklich hinzugefügt. Ähnlich<br />
verhält es sich mit Datierungen. Das Weglassen<br />
dieser Informationen hat den Nachtteil, dass<br />
spätere Nachforschungen und Zuordnungen<br />
erschwert werden.<br />
Es gibt aus künstlerischer Sicht kein einheitliches<br />
Erscheinungsbild. Viel eher zeigt sich eine<br />
bunte Stilmischung verschiedener Zeiten und<br />
Kunstepochen. Oftmals findet man in der bildlichen<br />
Darstellung einen direkten beruflichen<br />
Bezug: Bücherstapel, Ladengeschäft (Innenund<br />
Außenansicht), Porträtdarstellungen (realistisch<br />
oder als Karikatur), aber auch Hinweise<br />
auf fachliche Spezialisierungen oder private<br />
(familiäre) Verbindungen.<br />
Problemkreise<br />
Meine Suche beginnt mit Hilfe von Suchmaschinen.<br />
Diese sind auf sprachlich klare Vorgaben<br />
angewiesen. Unterschieden werden weder die<br />
Konjugation eines Wortes noch unterschiedliche<br />
Rechtschreibformen. Ob man »Exlibris«<br />
oder » Ex-libris« schreibt, ist zunächst egal, hat<br />
aber durchaus Einfluss auf das Suchergebnis.<br />
Von ausländischen Suchprogrammen wird »Exlibris«<br />
inzwischen zwar akzeptiert, kommt im<br />
Englischen jedoch auch unter Begriffen wie<br />
»Bookplate« oder »Book Trade Label« vor; wobei<br />
hier oftmals (auch) die Buchhändlermarken<br />
gemeint sind.<br />
Ein weiteres Problem besteht darin, dass der<br />
Begriff Exlibris in der deutschen Sprache vielfältig<br />
verwendet wird: Computerprogramme, <strong>Antiquariat</strong>sbuchhandlungen<br />
und zahlreiche Buchtitel<br />
führen diesen Begriff ebenfalls. Exlibris<br />
haben keine Titelbeschreibung. Der Verkäufer<br />
vergibt durch seine Beschreibung des Objektes<br />
eher einen subjektiven ›Titel‹. Das kann ebenfalls<br />
zu kuriosen Funden oder, wie meist, zu
einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Als<br />
Beispiel sei hier nur das Exlibris von Karl W.<br />
Hiersemann erwähnt, das ich in einer Online-<br />
Auktion fand. Hier wurde der Verkaufsartikel<br />
derart dilettantisch beschrieben, dass ich ihn fast<br />
übersehen hätte. Es las sich wie folgt: »Älterer<br />
Mann schreibend vor Manuskript«. Auf dem<br />
angefügten Miniaturscan war der Name Hiersemann<br />
zu lesen, in der Beschreibung fehlte er.<br />
Mit diesem Beispiel zeigt sich ein weiteres Problem<br />
meiner Arbeit: Angebotene Objekte werden<br />
unvollständig oder derart oberflächlich beschrieben,<br />
dass eine schnelle Verbindung zum<br />
<strong>Antiquariat</strong> fast unmöglich erscheint.<br />
Nach meinem Kenntnisstand gibt es zu<br />
meinem Thema keine umfassende Publikation<br />
in deutscher Sprache. Bekannt ist die Arbeit von<br />
Fritz Funke ›Exlibris aus dem Buch- und Bibliothekswesen‹<br />
(Leipzig 1966), die aber lediglich<br />
ein <strong>Antiquariat</strong>s-Exlibris verzeichnet. Ich konnte<br />
weder auf Spezialsammlungen noch auf ein<br />
entsprechendes Verzeichnis zurückgreifen. Ich<br />
wusste, ich suche die ›Nadel im Heuhaufen‹,<br />
aber gab es überhaupt eine ›Nadel‹? Diese Frage<br />
kann man inzwischen mit ja beantworten. Es<br />
gibt inzwischen sogar recht viele ›Nadeln‹,<br />
gefunden werden müssen sie trotzdem.<br />
So steht für die kommenden Jahre die<br />
Sichtung der großen deutschen Exlibris-Sammlungen<br />
in Bibliotheken an. Die größte Samm-<br />
lung besitzt das Gutenberg-Museum in Mainz.<br />
Zahlreiche Schenkungen, darunter 1963 die umfangreiche<br />
Sammlung des Chemikers Willy<br />
Tropp (1884–1972), trugen zum Wachstum des<br />
grafisches Bestands bei. Inzwischen besitzt das<br />
Gutenberg-Museum etwa 100.000 Exlibris von<br />
mehr als 7.000 Künstlern. Das Museum Schloss<br />
Burgk wurde 1981 als ›Nationales Exlibris-<br />
Zentrum der DDR‹ gegründet. Hier befindet sich<br />
die Sammlung Paul Heinicke (1874–1965), seit<br />
1904 Mitglied des Leipziger Bibliophilen<br />
Abends. Inzwischen umfasst die Sammlung<br />
mehr als 75.000 Blätter. Die Deutsche Nationalbibliothek<br />
in Leipzig verwaltet im Bestand der<br />
Grafischen Sammlung eine Exlibrisabteilung<br />
mit circa 10.000 Blatt, die aus unterschiedlichen<br />
Provenienzen stammen und überwiegend unerschlossen<br />
sind. Sie sind entweder geografisch<br />
und/oder nach Künstlern geordnet aufgestellt.<br />
Zu einem Teilbestand von 5.000 Blatt gibt es<br />
einen Zettelkatalog der Eigner, der keine sachlichen<br />
Zugriffe nach <strong>Antiquare</strong>n oder <strong>Antiquariat</strong>en<br />
erlaubt. Hierin integriert ist die Sammlung<br />
von Raymund Schmidt (1869–1946).<br />
Wer sich mit Exlibris von <strong>Antiquare</strong>n beschäftigt,<br />
kann dies nicht ohne Berücksichtigung<br />
der Entwicklung von Bibliophilie und <strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
tun. Einen Handel mit antiquarischen<br />
Büchern im heutigen Sinne dürfte es in<br />
Deutschland erst seit Beginn des 19. Jahrhun-<br />
<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
<strong>Dr</strong>ei Berliner<br />
Firmen: Martin<br />
Breslauer, Kaufhaus<br />
des Westens<br />
und Max Harrwitz<br />
Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5 231
<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
Alfred Dultz,<br />
München, und<br />
Klaus Schubert,<br />
Mannheim<br />
derts geben. Die Blütezeit des <strong>Antiquariat</strong>s beginnt<br />
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
mit Geschäftsgründungen großer Weltfirmen<br />
wie 1864 Ludwig Rosenthal in Fellheim (später<br />
München), 1872 Harrassowitz in Leipzig und<br />
1885 Hiersemann, ebenfalls in Leipzig. Etwa ab<br />
1890 erlebte der <strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel einen<br />
Aufschwung. Bedingt wurde diese Entwicklung<br />
durch Faktoren wie: Technische Modernisierungen<br />
in der Buchherstellung, Urbanisierung<br />
der Städte mit Schaffung einer neuen Ladenund<br />
Geschäftsstruktur, Gründung von Bibliotheken<br />
und Universitäten weltweit, Gewerbe-<br />
freiheit, Reichsgründung, immensen Bevölkerungsanstieg<br />
bei gleichzeitig verbesserten<br />
Bedingungen für Alphabetisierung und Schulbildung<br />
und letztendlich einem Bildungsbürgertum,<br />
das ein wachsendes Interesse für Bibliophile<br />
entwickelte. Und so mag es wenig erstaunen,<br />
dass die Deutsche Exlibris Gesellschaft 1891 in<br />
Berlin unter dem Namen ›Exlibris-Verein zu<br />
Berlin‹ gegründet wurde. Inspiriert durch die<br />
Jugendstilbewegung entstand eine Exlibriskultur.<br />
Jetzt galt es nicht mehr nur Exlibris in Bücher<br />
zu kleben. Sie wurden gesammelt, getauscht<br />
und als selbständiges, kleines Kunstwerk betrachtet.<br />
Alleine im deutschsprachigen Raum<br />
waren zwischen 1890 und 1930 ungefähr 3.500<br />
bis 4.000 Künstler auf diesem Gebiet aktiv. Man<br />
schätzt die Zahl der in dieser Zeit gedruckten<br />
232 Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5<br />
Exlibris auf über 200.000 Exemplare. Es gab<br />
eine regelrechte Exlibrisbewegung, die breiten<br />
Zuspruch bei Sammlern, Verlegern und Künstlern<br />
fand. Diese Euphorie dürfte sich auch auf<br />
<strong>Antiquare</strong> verbreitet haben. Das bisher älteste<br />
Exlibris eines Berufskollegen, das ich nachweisen<br />
konnte, stammte aus dem Jahr 1899. Es ist<br />
das schöne Jugendstil-Exlibris von Ephraim<br />
Mose Lilien für Martin Breslauer.<br />
Meine Studie dokumentiert in erster Linie die<br />
Firmengeschichte eines Berufsstands. Hier ist<br />
das entsprechende Exlibris der Ausgangspunkt<br />
zu weiteren Nachforschungen. Bemerkenswert<br />
ist vielleicht noch<br />
die Tatsache, dass<br />
es sich oftmals<br />
um Firmen handelt,<br />
die ansonsten<br />
nicht mehr bekannt<br />
wären. So<br />
ist das Exlibris eine<br />
Art Wegweiser<br />
zu einer Lebensspur<br />
geworden.<br />
Die Exlibrisforschung<br />
hingegen<br />
hat sich fast immer<br />
auf die künstlerischenHintergründe<br />
dieser Kleingrafiken konzentriert und<br />
selten auf die Geschichte der Eigner. Bei mir ist<br />
dies genau umgekehrt.<br />
Das größte Problem ist, wie bereits gesagt,<br />
das Auffinden der entsprechenden Objekte.<br />
Fast gleichzeitig müssen Beweise ermittelt werden,<br />
die bezeugen, dass dies wirklich ein Exlibris<br />
eines Antiquars und nicht eines Namenvetters<br />
ist. Bei derart schlechter Quellenlage,<br />
wie sie in diesem Berufsstand vorhanden ist,<br />
kann dies schwierig sein.<br />
Zunächst wollte ich mein Projekt auf<br />
deutschsprachige Kollegen beschränken. Dies<br />
war auch naheliegend, weil hier der Zugang zu<br />
etwaigen Hintergrundinformationen am einfachsten<br />
erschien. Dadurch würden aber die Ergebnisse<br />
stark eingeschränkt werden. Da das
Thema ohnehin komplex ist und ich immerhin<br />
schon 54 Exlibris nachweisen konnte, werde ich<br />
den internationalen Ansatz fortsetzen.<br />
Bisher wurden insgesamt 101 Exlibris von 54<br />
<strong>Antiquare</strong>n beziehungsweise <strong>Antiquariat</strong>en ermittelt:<br />
Antikvariat Hejda & Tucek • <strong>Antiquariat</strong><br />
an der Bundesstraße • Leo Baer • Jens H.<br />
Bauer • Bourcy und Paulusch • Günter Bremer<br />
(5) • Bernhard H. Breslauer • Martin Breslauer<br />
(2) • Erich Bürck (2) • Ernst Carlebach • Deuerlichsche<br />
Buchhandlung • Alfred Dultz • Michael<br />
<strong>Eschmann</strong> (2) • Georg Ewald • William A. Foyle<br />
• Rene Gemuseus • Hans Harrassowitz • Max<br />
Harrwitz • Paul Hennings • Karl W. Hiersemann<br />
• Emil Hirsch • Abraham Horodisch (22)<br />
• Kaufhaus des Westens • Stephan Kellner • V.<br />
Klochkov • H. P. Kraus • Wilhelm Kuhrdt (2) •<br />
Louis Lamm • Arnulf Liebing • Leo Liepmannssohn<br />
(2) • R. Loef • Aad van Maanen • Edith<br />
Markert (2) • Karl Markert (2) • Günther Metzeltin<br />
• Müller <strong>Antiquariat</strong> (Bernburg) • Josef<br />
Müller • P. J. Nienaber • Leonis S. Olschki •<br />
Eberhard Ott • H. D. Pfann jr. • Theodor Pinkus<br />
• <strong>Wolfgang</strong> <strong>Rieger</strong> • Bernard M. Rosenthal •<br />
Jacques Rosenthal • Norbert Rosenthal • Klaus<br />
Schubert (2) • Alfred Schulz • Schuster & Bufleb<br />
• Johan Souverein (15) • Heinrich Staadt •<br />
Tobias Wimbauer • Claus Wittal • Robert<br />
Wölfle. – Die Zahl in Klammer gibt die Motivvarianten<br />
an. Es ist nicht ungewöhnlich, dass<br />
<strong>Antiquare</strong>, die Mitglied einer Exlibrisgesellschaft<br />
waren, mehrere Exlibris besaßen.<br />
Bisher ermittelte Exlibris nach Ländern geordnet:<br />
Deutschland • Großbritannien • Niederlande<br />
• Österreich • Rußland • Schweiz •<br />
Südafrika • Tschechien • Ungarn • USA.<br />
Ausblick<br />
Geplant sind ausführliche Firmenporträts mit<br />
Abbildungen der entsprechenden Exlibris. Unabhängig<br />
davon wären auch zusammenfassende<br />
Arbeiten denkbar, die sich auf einen speziellen<br />
Themenschwerpunkt konzentrieren, wie zum<br />
Beispiel <strong>Antiquare</strong> als Sammler, Grafik und Ex-<br />
libris als Handelsgegenstände des <strong>Antiquariat</strong>s,<br />
Exlibris als Geschäftsexlibris, Exlibris als<br />
Luxusexlibris und Sammelgegenstand, Exlibris<br />
als Werbeträger oder über offene und versteckte<br />
Motive des <strong>Antiquariat</strong>sbuchhandels im Exlibris.<br />
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es<br />
gelingt, neben den eigentlichen Exlibris auch<br />
genügend firmengeschichtliches Hintergrundmaterial<br />
zu sammeln.<br />
Mein Projekt ist eine Suche nach ›Bildern‹,<br />
die zwischen Buchdeckeln versteckt sind und<br />
etwas von der Geschichte des <strong>Antiquariat</strong>sbuchhandels<br />
erzählen. Es ist eine Suche nach Spuren<br />
von Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes. Es<br />
sind kleine Gedenksteine aus Papier, die es zu<br />
finden gilt. Da nicht bekannt ist, wie viele Exlibris<br />
überhaupt existieren, muss davon ausgegangen<br />
werden, dass weitere unbekannte Objekte<br />
irgendwo schlummern. Schon deshalb kann die<br />
vorliegende Arbeit keine Vollständigkeit anstreben.<br />
Sie ist ein ernsthafter Versuch, sich diesem<br />
interessanten und bisher unerforschten Gebiet<br />
mit Ausdauer von zehn Jahren zu nähern.<br />
Danach wird das Projekt in schriftlicher Form<br />
abgeschlossen werden, bleibt jedoch neuen Erkenntnissen<br />
und Belegen offen.<br />
Wie sieht das <strong>Antiquariat</strong> 2020 oder 2030<br />
aus? Sammelt der Antiquar dann selbst noch<br />
Bücher? Klebt er in diese sein Exlibris ein? Interessiert<br />
er sich noch tiefgehend genug für Hintergründe<br />
eines Sammelgebietes, mit dem er<br />
handelt? Oder wird immer mehr ausschließlich<br />
das Internet als Datenquelle für berufliche Recherchen<br />
zu Rate gezogen werden? Meine Arbeit<br />
geht auch diesen Fragen nach. Das Selbstverständnis<br />
des Antiquars befindet sich in einem<br />
radikalen Werteumbruch. Ausgehend von einer<br />
gewachsenen Ethik, die sich über Ideale wie<br />
Individualität, Gelehrtentum, Handbibliothek<br />
und Bibliophilie definierte, unterliegt sie heute<br />
neuen, teilweise recht unklaren Berufsvorstellungen.<br />
Das Exlibris des Antiquars wirkt hier<br />
wie ein Fanal aus ›alten‹ Zeiten. So bleibt zum<br />
Schluss nur (noch) die Frage zu klären, ob dies<br />
alles ein Strohfeuer von knapp 110 Jahren war?<br />
Michael <strong>Eschmann</strong><br />
<strong>Antiquariat</strong>sbuchhandel<br />
Aus dem <strong>Antiquariat</strong> NF 9 (2011) Nr. 5 233