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Flurumgänge- Flurzüge in früherer Zeit - Kurstadt Bad Berka

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(Viehtrift) und „VW“ (Viehweide) sowie Zahlen versehen. Innerhalb der Gemarkung<br />

zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Grundstücken waren die Ste<strong>in</strong>e nur e<strong>in</strong> Schuh hoch und ohne<br />

Bezeichnung, meistens aber mit Zahlen, die Ste<strong>in</strong>e für Rittergut mit „RT“, Kirchengut „KG“<br />

und Schulgut mit „SG“ versehen.<br />

Ob nun die <strong>Flurzüge</strong> <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> regelmäßig nach Vorschrift des Herzogs gehalten wurden, ist<br />

schwer zu sagen, da zahlreiche Akten dazu verloren gegangen s<strong>in</strong>d. Aus den wenigen<br />

vorhandenen aber geht hervor, dass sich e<strong>in</strong>e Reihe dieser Umgänge fast zu Volksfesten<br />

entwickelten. Bei den Ausgaben des Flurzugs 1769 s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> 28 Tonnen Bier angegeben,<br />

weiterh<strong>in</strong> Brot und Fleisch, aber auch Fische und Krebse, Käse und Butter sowie Branntwe<strong>in</strong>.<br />

Letztere Köstlichkeiten waren sicher aber nur dem Amtmann und höheren Beamten<br />

vorbehalten. Auch Pfeifen und Tabak wurden ausgegeben. Merkwürdig auch der Betrag von<br />

fast 2 Gulden für drei Pfund Pulver für die „junge Mannschaft“. Offensichtlich begleiteten die<br />

„Defenssioner“ (junge Männer des Ortes, die mit Waffen versehen jederzeit zur<br />

Landesverteidigung zur Verfügung stehen mussten) den Umzug und feuerten an bestimmten<br />

Stellen Salven. Großzügig zeigte man sich auch gegenüber den teilnehmenden Schulknaben.<br />

Alle<strong>in</strong> für 3 Gulden und 9 Groschen wurden Kle<strong>in</strong>münzen bei neu zu setzenden Ste<strong>in</strong>en oder<br />

wichtigen Stellen ausgeworfen. Den stolzen Betrag von fast 7 Gulden erhielten Musikanten<br />

für “bey den Fluhrzug aufgeführte Musique“. So ist überliefert, dass sich nach Abschluss des<br />

Flurumganges, der an zwei Tagen, meistens im schönen Monat Mai durchgeführt wurde, alle<br />

Beteiligten auf der Wiese am „Viehsteg bei der Ilm“ trafen. Geme<strong>in</strong>t ist der heutige Spielplatz<br />

unterhalb der Ilmbrücke, der ehemaligen Kuhstegbrücke an der Blankenha<strong>in</strong>er Straße. Dort<br />

errichtete die Jugend mit Bänken und Tischen ausgestattete Laubhütten aus frischen Birken–<br />

und Buchenzweigen sowie e<strong>in</strong>en mit Fichtennadeln bestreuten Tanzplatz. Beim Spiel der<br />

Musikanten vergnügte man sich bis weit nach Mitternacht. Solche und ähnliche Festlichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d auch aus den Jahren 1739, 1769, 1798, 1819 und1842 überliefert. In anderen Jahren<br />

fielen die <strong>Flurumgänge</strong> allerd<strong>in</strong>gs weit bescheidener aus. Meistens mussten sich die<br />

Teilnehmer mit Bier und Brot begnügen und auch der Münzsegen für die Jugend war nicht<br />

groß. Tabak, Pulver und Musik entfielen ganz.<br />

Vermutlich waren die <strong>Flurumgänge</strong>, von den angenehmen Seiten abgesehen, e<strong>in</strong>e<br />

anstrengende mit großer Organisation und Ärger verbundene Veranstaltung, zum<strong>in</strong>dest für die<br />

Verantwortlichen der Stadt. Meistens nahmen auch der Amtmann als Vertreter des Herzogs<br />

oder e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Beamten und <strong>in</strong> den Forstrevieren die herzoglichen „Forstkreiser“, Jäger,<br />

Revier– und Oberförster teil. Mit ihnen kam es oft zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen, die nicht selten<br />

zu Ungunsten der Stadt oder der Bürger ausfielen.<br />

Teilzunehmen hatten auch die Ortsnachbarn. <strong>Zeit</strong>lich abgestimmt mussten sie sich an ihren<br />

Grenzabschnitten e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den. Ihre Vertretung war ebenfalls oft umfangreich. Zu ersche<strong>in</strong>en<br />

hatten der jeweilige Ortsschulze mit se<strong>in</strong>en Heimbürgen, Gerichtsschöppen,<br />

Feldgeschworenen, Feldnachbarn und Schulknaben. Begleitet wurden sie ebenfalls von<br />

höheren Beamten, dem Amtmann, Gutsbesitzern und Forstbeamten.<br />

Nache<strong>in</strong>ander wurden am ersten Tage des Flurzuges geme<strong>in</strong>sam die Grenzen zu Troistedt,<br />

Gutendorf, Tiefengruben, Tonndorf, München und e<strong>in</strong> Teil zu Tannroda umgangen. Am 2.<br />

Tag folgten die Grenzbereiche zu Bergern, Hetschburg, Saalborn, Blankenha<strong>in</strong> Thangelstedt<br />

und e<strong>in</strong> weiterer Teil der Tannrodaer Grenze.<br />

Begonnen wurde der Flurzug frühmorgens 6 Uhr am Grenzste<strong>in</strong> zwischen Hexenberg und<br />

Breitenberg, der die Fluren <strong>Berka</strong> , Bergern und Troistedt scheidet. Entlang der Grenze zog<br />

man nach den alten Protokollen von Ste<strong>in</strong> zu Ste<strong>in</strong>, um diese zu kontrollieren, zu säubern oder<br />

aufzurichten. Unkenntlich gewordene Zahlen oder Bezeichnungen wurden vom mitgeführten<br />

Ste<strong>in</strong>hauer sofort nachgeschlagen. Zweifel über den richtigen Stand e<strong>in</strong>es Ste<strong>in</strong>es klärte man<br />

möglichst auch gleich vor Ort durch Anhörung der Feldgeschworenen und <strong>in</strong> den Wäldern der<br />

Forstbeamten. Es kam aber vor, dass man sich nicht e<strong>in</strong>igen konnte. Dann wurde der Ste<strong>in</strong>

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