Download Leseprobe - Universität Vechta
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Kontrollgesellschaften existieren. Eben diese scheinbar paradoxe Formation soll sich, folgt man<br />
diversen Autoren der Cultural Criminology, durch den spätmodernen Alltag ziehen. Graffiti in ihrer<br />
illegalen Kontextualisierung sollen hier als Beispiel für eben jenen kulturellen Eigensinn gegenüber<br />
einem rechtlichen Verbot und seiner Durchsetzung verstanden werden.<br />
Als zentralen Fokus bietet es sich somit an, gewöhnliche Alltagskulturen in den Blick zu nehmen.<br />
Autoren wie Jock Young (2003) dachten bereits an, Kriminalität und Kontrolle nicht nur entlang der<br />
Kategorien einer politischen Soziologie der Rachsucht und einer transgressiven Subjektivität zu<br />
untersuchen, sondern diese Analyse als einen „Hip Hop Across the Border“ zu betreiben und in ihrem<br />
Spannungsfeld zwischen der Inszenierung auf der Straße und der im hyperrealen Raum der Medien<br />
nachzuzeichnen. Dominante Deutungen sollen gleichzeitig mit „subordinierten“ Erfahrungen und,<br />
nach einiger Kritik, auch mit Rückgriffen auf Kontrollversuche als kulturell konstruiert erfasst werden.<br />
Auf die bundesdeutsche Kriminologie hin umformuliert, könnte man ein solches Unterfangen, als<br />
einen empirischen Ausflug in den Alltag der Kontrollgesellschaft deuten, durch den versucht werden<br />
soll, die aktuelle Artikulation von Transgression und Kontrolle durch eine kulturwissenschaftliche<br />
Brille zu erfassen. Ein entsprechender Versuch soll im Rahmen dieser Studie mit der Rekonstruktion<br />
des Graffitiwritings, seiner Performanz, seiner Performativität und der ihm entgegenstehenden<br />
Kontrollbemühungen unternommen werden. Entlang der für Graffitiwriting wie Graffitikontrolle<br />
üblichen Nutzungen von Legalität und Illegalität, soll ein Verständnis des spätmodernen Alltags vor<br />
dem Hintergrund seiner Durchdringung mit Sicherheitsbelangen und transgressiven Akten ermöglicht<br />
werden. Entsprechend gilt es, die kulturelle Formation des Graffitiwritings, oder eben Graffiti als<br />
kulturelle Formation, zu kartographieren, wie es Lawrence Grossberg (1992) in Anlehnung an Deleuze<br />
und Guattari formuliert hat. Dementsprechend existieren eine Menge alternativer Zugänge zur<br />
Writingkultur, zum Beispiel hin auf Fragen der Veränderungen von Subkulturen, der<br />
Kommerzialisierung, des Flow-Erlebens, der Performanz im Hip Hop, der Theoretisierung von<br />
Männlichkeit oder der Produktion von städtischen Raum durch jüngere Alterskohorten. Sicherlich<br />
werden auch diese Belange während der Rekonstruktion angesprochen, doch zeichnen sie alternative<br />
Wege durch das Feld.<br />
Das folgende Kapitel „Normalität, Pathologie und das Soziale“ zieht eine kritische Bilanz zu Theorien<br />
im Themenfeld Kriminalität und Kontrolle. Hierzu wird unter anderem das Disziplinarraster Michel<br />
Foucaults rekonstruiert und in Abgrenzung zur bundesdeutschen Formation der kritischen<br />
Kriminologie die Problemstellung des Zusammenhangs von Kultur, Kriminalität und Performanz<br />
abgesteckt. Im Kontext des Kapitels „Konturen der Kontrollgesellschaften – Subjekte, Raum,<br />
Sicherheit und Responsibilität“ wird versucht, die gegenwärtige Formation sozialer Kontrolle<br />
nachzuzeichnen. Hierfür greife ich einerseits auf das „Postskriptum“ der Kontrollgesellschaften nach<br />
Deleuze und dessen Aufarbeitungen in der theoretischen Kriminologie zurück. Auch die garland´sche