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Imperium and Officium Working Papers (<strong>IOWP</strong>)<br />

<strong>Rekrutierung</strong>spraxis im spätantiken Ägypten 2<br />

Version 01<br />

march 2011<br />

Anna Maria Kaiser<br />

(University of Vienna, Department of Ancient History, Papyrology and Epigraphy)<br />

Abstract: This paper compiles the papyrological evidence for the recruitment of Roman<br />

soldiers in Late Antique Egypt. It examines where the soldiers of the troops garrisoned along<br />

the Nile came from, how enlistment into a specific unit might have functioned and how long<br />

it took for foreign troops transferred to the dioceses Aegyptus to become genuinely Egyptian<br />

themselves. In the wake of these concerns “brothers in arms”, genuine siblings serving in the<br />

same unit, and the export of recruits and troops are considered as well.<br />

© Anna Maria Kaiser 2011<br />

anna.maria.kaiser@univie.ac.at


NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 2<br />

Antaiopolis<br />

Der Name der in Antaiopolis zumindest im 6. Jh. gelagerten Truppe ist nicht bekannt. Die<br />

Einheit wird, wie im spätantiken Ägypten üblich, nur mit dem Namen ihres<br />

Stationierungsortes bezeichnet: ἀριθµὸς Ἀνταίου. Die Notitia Dignitatum überliefert keine in<br />

Antaiopolis lagernde Einheit. Einer ihrer ehemaligen praepositi, Flavius Anuphis, Sohn des<br />

Abraham, war im nahe gelegenen Aphrodite beheimatet : ἀπὸ τῆς αὐτῆς κώµης Ἀφροδίτης. 1<br />

Die Herkunftsangabe birgt wieder die Unsicherheit, ob Anuphis sich nicht vielleicht erst im<br />

Zuge seines Militärdienstes in Antaiopolis oder nach seiner Entlassung dort angesiedelt hat.<br />

Panopolis<br />

In den Feldzügen gegen Ende des 3. Jh. spielte Panopolis eine große Rolle. 2 Die Notitia<br />

Dignitatum erwähnt um 400 in Panopolis hingegen keine Truppe mehr. Auch papyrologisch<br />

lässt sich erst gegen Ende des 5. Jh. dort wieder eine militärische Einheit greifen. 3 Ihr Name<br />

wird allerdings nicht genannt, wie es typisch für das 5. und 6. Jh. ist; Einheiten werden<br />

kolloquial nach ihrem Garnisonsort bezeichnet. Im vorliegenden Fall lautet die Angabe in<br />

P.Münch. I 16, 10-11 παρὰ Πλούλλου Σαβίνου στρατιώτου ἀγραρεύοντος Πανὸς. Das<br />

Dokument stammt aus Syene und behandelt den Verkauf eines Hofes ebendort. Der<br />

Verkäufer hielt fest, er habe die Hofstätte von mehreren <strong>Teil</strong>eigentümern rechtmäßig<br />

erworben, darunter dem Soldaten Ploullos, Sohn des Sabinus, der jetzt in Panopolis<br />

garnisonierte. 4 Die Schlussfolgerung, Ploullus stamme ursprünglich aus Syene und habe<br />

seinen Hofteil auf Grund seiner Ortsabwesenheit und der weiten Entfernung von Garnisonszu<br />

möglichem Heimatort verkauft, bietet sich an.<br />

Ptolemais Hormu<br />

Die Einheit, die im 6. Jh. zumindest in der näheren Umgebung von Ptolemais Hormu lag, 5 ist<br />

durch das Dossier des Flavius Samuel, Sohn des Colluthus, eines ihrer Soldaten, belegt. 6 Er<br />

selbst stammte aus dem Dorf Tanyaithis im Apollonopolites Mikros. 7<br />

1 P.Cair.Masp. III 67296,4 + BL XII, 47 (535, Aphrodites Kome, Antaiopolites).<br />

2 Vgl. dazu besonders Bowman, A.K. (1978) The Military Occupation of Upper Egypt in the<br />

Reign of Diocletian, BASP 15, 25-38.<br />

3 P.Monac. I 16 = FIRA III 107 (Auszüge) + BL VIII, 227 (Ende 5. Jh., Syene).<br />

4 P.Monac. I 16, 10-11 = FIRA III 107 (Auszüge) + BL VIII, 227 (Ende 5. Jh., Syene).<br />

5 Rémondon, R. (1961, Soldats de Byzance d’après un papyrus trouvé à Edfou, RecPap 1, 41-<br />

93; 81) nahm an, die Truppe, die im 5. Jh. in Panopolis und im 6. Jh. in Ptolemais lag, sei<br />

dieselbe gewesen. Möglicherweise ist an zwei parallele Stationierungsorte zu denken.<br />

Belegbar ist dies jedoch nicht, da für beide Truppen(teile) kein Name überliefert ist.<br />

NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom


NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 3<br />

Syene – Elephantine – Philae<br />

Das so genannte Patermuthis-Archiv 8 aus Syene 9 wirft Licht auf die Soldaten dreier<br />

Truppenkörper, von denen über hundert namentlich bekannt sind, die zumindest im 5. und 6.<br />

Jh. in Elephantine, Philae und Syene stationiert waren. Vermutlich sind die Einheiten, als<br />

legiones oder numeri ihres Garnisonsortes bezeichnet, mit den in der Notitia Dignitatum 10 für<br />

die jeweiligen Stationierungsorte überlieferten Truppen (cohors I Felix Theodosiana, legio I<br />

Maximiana, Milites Miliarenses) ident. 11 Hauptperson des nach ihm benannten Archives ist<br />

Flavius Patermuthis, Sohn des Menas. 581 tritt er uns zum ersten Mal als Soldat, als tiro des<br />

Truppenkörpers von Syene, entgegen. 12 Bis dahin kennzeichnete ihn das praenomen Aurelius<br />

als Zivilist. 13 Allerdings begegnet er drei Jahre später, 583, wiederum als Aurelius, mit<br />

seinem Zivilberuf, Schiffer von Syene. 14 Erst 585 begegnet er wieder als Soldat, diesmal im<br />

numerus von Elephantine. 15 Möglicherweise im selben Jahr wurde er auch für kurze Zeit dem<br />

numerus in Philae unterstellt, fand sich aber auf jeden Fall 590 wieder bei seinem<br />

Stammtruppenkörper in Elephantine. 16 Nach J. G. Keenan legt zudem das dezidiert ägyptische<br />

6 P.Vat.Aphrod. 14 + BL VIII, 503 (524, Aphrodites Kome, Antaiopolites); P.Michael 43 +<br />

BL VII, 106 (526, Aphrodites Kome, Antaiopolites); 44 (527, Aphrodites Kome,<br />

Antaiopolites); P.Mich. XIII 670 + BL VII, 117 (527, Tanyaithis, Apollonopolites<br />

Heptakomias).<br />

7 P.Michael 43 + BL VII, 106 (526, Aphrodites Kome, Antaiopolites); 44 (527, Aphrodites<br />

Kome, Antaiopolites).<br />

8 Zum Patermuthis-Archiv vgl. besonders Farber, J.J./Porten, B. (1986) The Patermouthis<br />

Archive: A Third Look, BASP 23, 81-97; Farber, J.J. (1990) Family Financial Disputes in the<br />

Patermouthis Archive, BASP 27, 111-122; Husson, G. (1990) Houses in Syene in the<br />

Patermouthis Archive, BASP 27, 123-137; Keenan 1990 (Anm. 22); MacCoull, L.S.B. (1990)<br />

Christianity at Syene/Elephantine/Philae, BASP 27, 151-162; Dijkstra, J.H.F. (2007) New<br />

Light on the Patermouthis Archive from Excavations at Aswan. When Archaeology and<br />

Papyrology meet, BASP 44, 179-209.<br />

9 Dijkstra 2007 (Anm. 105) 96-207.<br />

10 ND Or. XXXI 64; 37; 35.<br />

11 Keenan 1990 (Anm. 22) 141-142; Jones 1964 (Anm. 8) 654-655; Wagner 1987 (Anm. 32)<br />

385-386. Zusätzlich stationiert die Notitia Dignitatum (Or. XXXI 65) in Syene noch die<br />

cohors V Suenesium. Nachdem die in Syene stationierte Truppe jedoch als legio von Syene<br />

bezeichnet wird und kein Unterschied zwischen der Verwendung von numerus und legio<br />

gemacht wird, muss man an die unter den legiones gelisteten Milites Miliarenses denken.<br />

12 P.Monac. I 4 + 5 V = P.Lond. V 1726 + BL 1.1, 138 (581, Syene).<br />

13 P.Lond. V 1724 + BL XII, 108 (578-582, Syene).<br />

14 P.Monac. I 7 + BL XII, 130 (583, Syene). Zur Erklärung dieses denkwürdigen Umstandes<br />

vgl. o. Keenan 1990 (Anm. 22).<br />

15 P.Lond. V 1730 (585, Syene).<br />

16 P.Lond. V 1732 (586, Syene); P.Monac. I 12 (590-591, Syene); Keenan widerspricht hier<br />

H.I. Bell (1913, Syene Papyri in the British Museum, Klio 13, 160-174; 167) der davon<br />

ausging, es handle sich bei Philae um einen Lapsus des Schreibers. Jones (1964 (Anm. 8)<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 4<br />

Namensmaterial der Soldaten im Archiv eine lokale <strong>Rekrutierung</strong> bis mindestens in den Rang<br />

der centuriones nahe, 17 und entspricht damit genau dem Prinzip der Beförderung nach dem<br />

Dienstalter innerhalb der eigenen Truppe. Dass lokal rekrutiert wurde zeigt neben<br />

Dokumenten, die Syene als Wohnort aktiver Soldaten angeben besonders P.Münch. I 2 =<br />

W.Chr. 470 (578, Syene), das die Aufnahme eines Syeners in die Matrikel des numerus von<br />

Elephantine belegt, auch indirekt der Umstand von zu Flavii werdenden Aurelii.<br />

Aufschlussreich ist etwa der Fall des Aurelius Paeion, Sohn des Dios, der im Jahre 574 als<br />

Vertragszeuge fungiert und im Jahr 581 als Flavius und Soldat des numerus von Syene<br />

auftrat. 18<br />

662-663) führte den Wechsel der Truppenkörper in den Bezeichnungen Patermuthis’ noch auf<br />

Gleichgültigkeit in der Benennung der Truppe in der Patermuthis diente zurück. Dem jedoch<br />

widerspricht Keenan, der aus unter anderem diesen Umständen eine Warteliste bei der<br />

<strong>Rekrutierung</strong> rekonstruierte, vgl. o.<br />

17 Keenan 1990 (Anm. 22) 146.<br />

18 P.Monac. I 1 (574, Syene); P.Monac. I 4 + 5 V = P.Lond. V 1726 + BL 1.1, 138 (581,<br />

Syene).<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 5<br />

Alexandria / Nicopolis<br />

Philadelphia<br />

Pelkeesis<br />

Arsinoiton Polis<br />

Dionysias<br />

Andromachis &<br />

Hermupolis<br />

Psobthis ?<br />

Oxyrhynchos<br />

Hermupolis Magna<br />

Alyi<br />

Memphis<br />

Antinoopolis<br />

Pharanitae<br />

Lykopolis<br />

Aphrodite<br />

Ptolemais<br />

Antaiopolis<br />

Panopolis<br />

Bau<br />

Tentyra<br />

Tanyaithis<br />

Diospolis Magna<br />

Aspyhnis<br />

N<br />

Elephantine<br />

Syene<br />

Philae<br />

0 200 km<br />

Abb. 1: In „Ägyptische Soldaten am Nil – Dienst in der Heimatstadt“ erwähnte<br />

Stationierungs- und Heimatorte der Soldaten. Ovale Flächen kennzeichnen die ungefähre<br />

Lokalisierung des genannten Ortes bzw. im Sinai das Stammesgebiet der Pharanitae.<br />

Kaiser 2011.<br />

Brothers in arms<br />

Die bekannten „brothers in arms“ der Dire Straits dürfen im Fall der römischen Truppen im<br />

spätantiken Ägypten wörtlich genommen werden. In der papyrologischen Überlieferung<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 6<br />

finden sich einige für die vorliegende Thematik besonders interessante Dokumente, die<br />

Brüderpaare nennen, von denen beide im Militär dienten (und im Rahmen ihrer jeweiligen<br />

Einheiten oben großteils schon angeführt wurden). Ein derartiger Fall liegt bei den Flavii<br />

Terentius und Semplicius, Söhne des Felix vor, die in der legio VI Ferrata dienten. Sie waren<br />

zudem ihrem Vater, einem ehemaligen primicerius, im Militärdienst gefolgt. 19 Ob der Vater<br />

auch schon in der legio VI Ferrata gedient hatte, ist allerdings nicht bekannt. Auch die Flavii<br />

Johannes und Patermuthis dienten beide in derselben Einheit, im numerus der<br />

Leontoclibanarii. 20 Zur Thematik der Brüder die im selben Truppenkörper Dienst versahen,<br />

lässt sich auch ein Dokument heranziehen, das die Garnison des außerägyptischen Nessana,<br />

Palästina Tertia, betrifft. Im dort liegenden numerus Theodosiacus dienten die leiblichen<br />

Brüder Flavii Stephanus und Auson, Söhne des Abraham. 21 Auch im cuneus der equites<br />

Mauri Scutarii in Hermupolis dienten zwei Brüderpaare. 22 Der Fall der von den Herausgebern<br />

als Stiefbrüder gehandelten Flavii Zoilos und Phoibammon, die ebenfalls bei den Mauri in<br />

Hermupolis dienten, verlagert sich insofern, als Andrea Jördens die Familienverhältnisse<br />

anders rekonstruiert. Nach ihr wäre Phoibammon der Neffe des Zoilos. Möglicherweise greift<br />

man hier eine Militärfamilie, falls beider Väter auch schon in der Armee gedient haben. 23<br />

Eine andere bemerkenswerte Erscheinung sind jene Fälle, in denen Brüder in<br />

unterschiedlichen Truppenkörpern dienten. Die Truppen solcher Brüderpaare waren jedoch<br />

nicht allzu weit von einander entfernt stationiert. Mögliche persönliche Befinden der<br />

jeweiligen Brüder, z.B. strikte Abneigung gegen den jeweils anderen oder der potentielle<br />

Wunsch in der Truppe des Vaters zu dienen, außer Acht lassend, liefert dieser Umstand einen<br />

weiteren Hinweis auf die „Warteliste“ in der <strong>Rekrutierung</strong>, wie sie J. G. Keenan an Hand der<br />

Flavii Patermuthis und Johannes rekonstruierte, vgl. o. Die Einheit in der der ältere (im Sinn<br />

von der zuerst einrückende) Bruder bereits Dienst versah hätte zum Meldungszeitpunkt des<br />

jüngeren Bruders keinen Bedarf an Rekruten gehabt, worauf die Zuteilung zentral zu einer<br />

Truppe mit freien Kapazitäten erfolgt wäre. In diesem Fall darf man annehmen, dass die<br />

Soldaten versuchten, eine freie Stelle möglichst in der Nähe zum Truppenkörper des bereits<br />

dienenden Bruders zu bekommen. Zudem ist in den beiden bekannten Fällen in denen Brüder<br />

19 PSI IX 1077 + BL VIII, 406 (354-355, Lykopolites).<br />

20 P.Oxy. LXXII 4919 (501, Oxyrhynchos ?).<br />

21 P.Ness. III 15 + BL IV, 22; V, 25; IX 9, 59 gegen VII, 39 (511, Rhinocolura).<br />

22 P.Lond. III 992 S. 253 = M.Chr. 365 = Sel.Pap. I 61 = FIRA III 182 + BL I 295 (507,<br />

Hermupolis); P.Cair.Masp. III 67329 = Ch.L.A. XLI 1194 = C.Pap.Lat., Annexe 18<br />

(Auszüge) + BL IV, 15 (524-525, Antaiopolis).<br />

23 P.Prag. I 42+ BL X, 163 (vor 533, Hermupolis); Jördens 1991 (Anm. 59) 326. Auch wenn<br />

man über die Väter der beiden, Kyros, Vater des Zoilos und Probus, Vater des Phoibammon,<br />

nichts weiß, sodass es bei einer Möglichkeit und Vermutung bleiben muss.<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 7<br />

in verschiedenen Einheiten dienten, auch ihr Heimatort nicht weit von den jeweiligen<br />

Stationierungsorten entfernt bzw. sogar mit diesem ident. Der aus Arsinoiton Polis<br />

stammende Flavius Demetrius diente im numerus Transtigritanorum, in Arsinoiton Polis oder<br />

der nächsten Umgebung, sein Bruder, dessen Name nicht erhalten ist, in der legio V<br />

Macedonica, in Memphis stationiert. 24 Die Söhne des Johannes aus Arsinoiton Polis, von<br />

denen nur der Name des Flavius Callinicus Iuvinianus bekannt ist, dienten in den Truppen der<br />

Leontoclibanarii (Callinicus) im herakleopolitanischen Alyi respektive bei den Transtigritani<br />

im Arsinoites. Zudem diente auch ihr Vater Johannes schon in der Armee. Er brachte es bis<br />

zum Rang eines primicerius, doch ist nicht bekannt, in welcher Truppe er seinen Dienst<br />

versehen hatte. 25 Da jedoch seine beiden Söhne nicht im selben Truppenkörper dienten,<br />

können naturgemäß nicht beide in der Truppe des Vaters eingerückt sein, wie es im Sinn der<br />

Erblichkeit des Soldatenstandes oft angenommen wird, sofern man von einem<br />

Einheitswechsel des Vaters absieht. Eine weitere Möglichkeit ist zudem die, dass der Vater in<br />

einer ganz anderen Truppe gedient hatte als seine beiden Söhne.<br />

Der Import von Truppen und deren Assimilierung<br />

Truppen, die schon seit der Kaiserzeit am Nil lagen, setzten sich in der Spätantike ohne<br />

Zweifel mit überwältigender Mehrheit aus in Ägypten rekrutierten Soldaten zusammen,<br />

begann doch bereits in der Hohen Kaiserzeit, ab dem beginnenden 2. Jh., eine lokale<br />

<strong>Rekrutierung</strong> für die Bedürfnisse der in der jeweiligen Provinz ansässigen Truppen. 26<br />

Besonders bei den Legionen setzte diese Tendenz im römischen Osten früher ein als im<br />

Westen. 27 Aufschluss darüber geben die Namen der Soldaten. Die Soldaten der legio II<br />

Traiana etwa besaßen gute griechische Allerweltsnamen oder aber solche, die eindeutig auf<br />

ägyptische Herkunft schließen lassen. Auch das im Rahmen der Feldzüge gegen Ende des 3.<br />

Jh. ins Land verlegte Detachment der legio V Macedonica bietet keine Soldaten mit eindeutig<br />

nichtägyptischem Namen, ebenso wenig die equites Mauri Scutarii. Im Fall der Mauri lassen<br />

sich sogar einige der Stationen der Truppe bis zu ihrer festen Garnisonierung in Hermupolis<br />

Magna nachvollziehen, vgl. o. Nichts weißt darauf hin, dass diese Truppen nach ihrer<br />

Stationierung in Ägypten aus ihrem ursprünglichen <strong>Rekrutierung</strong>sgebiet oder früheren<br />

Garnisonsort weiterhin Rekruten bezogen hätten. Dass sofort nach der Ankunft und festen<br />

Stationierung in Ägypten auch lokal rekrutiert wurde, zeigt das Beispiel des numerus<br />

24 SB XXII 15801 + BL XII, 236 (419, Arsinoites).<br />

25 P.Worp 33 (501, Arsinoites oder Aphroditopolites); Palme 2008 (Anm. 40) 223.<br />

26 Haensch 2010 (Anm. 5) 119.<br />

27 Mann 1983 (Anm. 5) 49-65.<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 8<br />

Transtigritanorum, 28 der zwischen 400 und 406 nach Ägypten verlegt wurde. So diente<br />

bereits im Jahre 419 ein Einwohner von Arsinoiton Polis, wo die Truppe auch stationiert war,<br />

in der Einheit. 29 Arsinoiton Polis ist in diesem Fall als Heimatort des Mannes zu sehen, da<br />

auch seine Brüder, einer von ihnen Aurelius und somit Zivilist, dort wohnhaft sind. Die<br />

Ergänzung der Truppen erfolgte demnach bald nach der Ankunft der Transtigritani aus der<br />

Bevölkerung der Stationierungsprovinz.<br />

In den 530er Jahren fanden sich dann wieder definitiv nichtägyptische Truppen am Nil; die<br />

unter dem namensgebenden Herrscher Iustinian ausgehobenen Bis Electi Iustiniani, Numidae<br />

Iustiniani und Scythae Iustiniani. Neben den Namen der Einheiten, zusammengesetzt aus<br />

einer ethnischen Bezeichnung und dem des aushebenden Kaisers, wie sie aus Ägypten bei den<br />

alten, schon vor den Tetrarchen ausgehobenen Truppen bekannt sind, deuten auch die Namen<br />

der Soldaten selbst auf außerägyptische <strong>Rekrutierung</strong> hin. Ein Soldat Rigimer im numerus der<br />

Scythae kann nicht als einheimischer Ägypter gesehen werden. 30 Die Bis Electi und Scythae<br />

Iustiniani dürften in Africa, im 543 von Konstantinopel zurückeroberten Numidien, rekrutiert<br />

worden sein. Die Scythae möglicherweise aus bei der Wiedereroberung Italiens gefangen<br />

genommenen Goten, die möglichst weit von ihrer Heimat zum Einsatz gebracht wurden.<br />

Unter dem Kommando des Narses zogen diese drei Truppen gegen die paganen Kulte auf der<br />

Insel Philae. 31 Lediglich die Truppe der Scythae Iustiniani verblieb bis mindestens ins späte 6.<br />

Jh. im Land, die beiden anderen Einheiten wurden bald nach ihrem Einsatz wieder abgezogen.<br />

Über die ethnische Zusammensetzung der „Skythen“ gegen Ende des 6. Jh. lässt sich auf<br />

Grund mangelnder Überlieferung keine Aussage treffen. Es darf jedoch davon ausgegangen<br />

werden, dass sich auch die „Skythen“ mit ihrer fixen Stationierung in Ägypten der indigenen<br />

Bevölkerung als <strong>Rekrutierung</strong>sbasis bedienten. 32<br />

Export von Rekruten<br />

In spätantiken Papyrusurkunden finden sich neben den (indirekten) Hinweisen auf die<br />

Herkunftsorte der Soldaten auch so manche Belege für Männer aus Ägypten, die zumindest<br />

<strong>Teil</strong>e ihres Militärdienstes fern der Heimat ableisteten, stellte doch Ägypten bis auf jeden Fall<br />

die Zeit von Theodosius I (379-395) immer wieder Soldaten für den Dienst außerhalb des<br />

28 Zum numerus Transtigritanorum vgl. o.<br />

29 SB XXII 15801 + BL XII, 236 (419, Arsinoites).<br />

30 Grabstein in Apollonopolis Magna, I.Lefebvre 559.<br />

31 Zuckerman 2004 (Anm. 70) 169-171; Mitthof 2008 (Anm. 72) 252.<br />

32 Ähnlich auch Teall 1965(Anm. 4) 322.<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 9<br />

Landes. 33 So finden sich beispielsweise in der Notitia Dignitatum Detachments von am Nil<br />

stationierten Einheiten bzw. auch Truppenkörper, die sich zumindest ursprünglich in der<br />

Thebais rekrutierten, im Feldheer. 34 Neben ganz regulären Versetzungen von Rekruten und<br />

Soldaten in die Ferne, sind auch Ausnahmesituationen, wie Feldzüge, in den Texten<br />

dokumentiert. Rekruten aus der Thebais werden nach Antiochia und Hierapolis in Ägypten<br />

geleitet 35 und solche aus dem Oxyrhynchites sollen ins ägyptische Babylon gebracht<br />

werden. 36 Wo die Rekruten, deren Destination innerhalb Ägyptens lag, schließlich dienen<br />

sollten, bleibt unbekannt. Die außerordentlichen Maßnahmen die sich in den Papyri<br />

widerspiegeln, betreffen etwa die Mobilisation der Kräfte des Licinius gegen Constantin, 37 die<br />

Vorbereitungen des Constantius gegen die Perser und gegen Iulian, 38 sowie für die Konflikte<br />

des Valens mit den Persern; 39 auch sind Soldaten des Theodosius, die gegen die des Maximus<br />

in Africa marschieren, belegt. 40<br />

Besonders die noch nicht in die Matrikel ihrer zukünftigen Einheit eingeschriebenen Männer<br />

schienen eine große Abneigung gegenüber dem Militärdienst fern der Heimat gehabt zu<br />

haben. Bei Einsatz der tirones außerhalb des Landes drohte Flucht. 41 Aus Ägypten sind<br />

allerdings lediglich drei Dokumente erhalten, die explizit von geflohenen Soldaten, sprich<br />

Deserteuren, sprechen. Über den Grund ihrer Flucht geben sie keine Auskunft. 42 Dass Dienst<br />

in fernen Provinzen nicht sehr beliebt war, zeigt z.B. ein Schreiben, das an den praefectus<br />

33 Le Bohec 2006 (Anm. 4) 63.<br />

34 Jones 1964 (Anm. 8), 368. Es sind dies <strong>Teil</strong>e der legiones I Maximiana Thebaeorum und III<br />

Diocletiana Thebaeorum in Thracia (ND or. VIII 36; 37), der legio II Flavia Constantia<br />

Thebaeorum und II Felix Valentis Thebaeorum (die in der Notitia Dignitatum bereits nicht<br />

mehr in Ägypten stationiert wird) unter dem Kommando des magister militum per Orientem<br />

(ND or. VII 45; 46) und eine als Thebaei bezeichnete Einheit in Italia (ND occ. 29).<br />

35 W.Chr. 469 = Sel.Pap. II 228 + BL V, 153 (364 / nach 382, Hermupolis ?); P.Abinn. 1 =<br />

P.Lond. II 447 R descr. = Ch.L.A. II 202 = C.Pap.Lat. 265 = C.Epist.Lat. I 226 (340,<br />

Arsinoites).<br />

36 P.Oxy. IX 1190 (347, Oxyrhynchos).<br />

37 SB XXVI 16670 = SB XXII 11069 = P.Oxy. XLV 3261 = (324, Oxyrhynchos); Zuckerman<br />

1998 (Anm. 8) 100-101.<br />

38 BGU 21 (340, Prektis, Hermupolites); P.Abinn. 1 = P.Lond. II 447 R descr. = Ch.L.A. II<br />

202 = C.Pap.Lat. 265 = C.Epist.Lat. I 226 (340, Arsinoites); Zuckerman 1998 (Anm. 8) 100-<br />

101.<br />

39 P.Oxy. VIII 1103 = W.Chr. 465 (360, Oxyrhynchos).<br />

40 P.Lips. I 63 (388, Antinoopolis); Maspero 1912 (Anm. 2) 126; Mitthof 2001 (Anm. 32) Nr.<br />

150 486-487.<br />

41 Jones 1964 (Anm. 8) 648.<br />

42 P.Abinn. 32 = P.Lond. II 417 = W.Chr. 129 = Sel.Pap. I 161 = Naldini, Cristianesimo 40 =<br />

Tibiletti, Lettere private 24 (ca. 346, Hermupolis, Arsinoites); P.Flor. III 362 (4. Jh., Herkunft<br />

unbekannt); SB XXIV 16333 (340, Hermupolis). Dazu Kaiser, Die Fahndung nach<br />

Deserteuren im spätantiken Ägypten, in Kürze.<br />

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NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient Bureaucracy and Officialdom 10<br />

alae Flavius Abinnaeus, den Kommandanten der ala V Praelectorum in der Mitte des 4. Jh.,<br />

gerichtet ist. 43 Der Absender des Schreibens bittet für den Bruder seiner Frau. Dieser sei der<br />

Sohn eines Soldaten und solle eingezogen werden. Abinnaeus möge nun dafür sorgen, dass<br />

der junge Mann, sofern er nicht überhaupt vom Militärdienst befreit werde könne, zumindest<br />

nicht im kaiserlichen comitatus und somit fern der Heimat Dienst versehen müsse, denn seine<br />

Mutter sei Witwe und er der einzige, der ihr geblieben sei. 44<br />

Résumé<br />

Die außergewöhnliche Quellenlage für die spätantike Provinz bzw. Diözese Ägypten erlaubt<br />

es, Rückschlüsse auf die Herkunft (origo) der dort rekrutierten und stationierten Soldaten zu<br />

ziehen, die in den übrigen <strong>Teil</strong>en des (ehemaligen) Imperium Romanum nicht erschlossen<br />

werden können. In der Hohen Kaiserzeit wurden pro Jahr etwa 0,5% der gesamten<br />

ägyptischen Bevölkerung benötigt, um den Sollstand der am Nil stationierten Truppenkörper<br />

aufrecht zu erhalten. Auch wenn der Prozentsatz in der Spätantike etwas höher gelegen haben<br />

mag, so dürften sich Angebot und Nachfrage nicht die Waage gehalten haben. Zumindest gibt<br />

es, wenn auch spärliche, Hinweise auf eine Warteliste, auf der Freiwillige, die eine Karriere<br />

beim Heer anstrebten, in Evidenz gehalten wurden so die Truppe bei der sie zu dienen<br />

gedachten über keine vakante Stelle verfügte.<br />

Die Papyrusdokumente in denen römische Soldaten der Spätantike fungieren sind zum<br />

Großteil privater und geschäftlicher, jedoch nicht militärischer Natur. Die Informationen<br />

bezüglich Herkunft (origo) der Soldaten lassen sich nur bedingt herausfiltern und sind mit<br />

Vorsicht zu betrachten. Wendet man das strikte Kriterium an, dass Soldaten, die sich als am<br />

Garnisonsort ansässig bezeichnen, dort nicht unbedingt ihre origo haben müssen, so bleiben<br />

nur wenige Dokumente übrig, die Männer belegen, die fern ihrer Heimat Dienst versehen.<br />

Dieser Umstand vermittelt den Eindruck als hätten junge Männer versucht in einer Truppe<br />

möglichst nahe ihres Heimatortes zu dienen. Im Idealfall war die Herkunfts- gleich der<br />

Garnisonsstadt. Fixe „<strong>Rekrutierung</strong>ssprengel“ der in Ägypten stationierten Truppen lassen<br />

sich nicht festmachen. Zu viele Einheiten lagen in zu geringem Abstand zueinander, um das<br />

43 Zu Abinnaeus vgl. besonders Bell e. a. 1962 (Anm. 75).<br />

und Barnes 1985 (Anm. 77).<br />

44 P.Abinn. 19, 14-24 (Mitte 4. Jh., Arsinoites). Dienst fern der Heimat stand auch in anderen<br />

Provinzen des römischen Reiches nicht hoch im Kurs. Ammianus Marcellinus überliefert eine<br />

Episode der Truppe der Petulantes, die zusammen mit anderen Verbänden im Jahr 360 in den<br />

Osten verlegt werden sollten, dies aber verweigerten, da sie ihre Familien nicht von den<br />

Alamannen bedroht zurücklassen wollten und ihre Angehören schließlich mitnehmen durften.<br />

(Amm. Marc. 20,4,2,3; 20,4,10-11; Hoffmann 1969 (Anm. 49) 205; 379.<br />

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Land in einzelne Einzugsgebiete gliedern zu können. Jedoch zeigt sich die Tendenz, dass die<br />

Soldaten aus dem Gau in der die Truppe stationiert war bzw. den Nachbargauen stammten.<br />

Unabdingbar für eine funktionierende Beschickung der Truppenkörper, die gerade Bedarf an<br />

Rekruten hatten, war eine zentrale Organisation, die in der Form des dux bzw. seines officium,<br />

der tirones an den jeweiligen Kommandanten einer Truppe übergab, mit der Aufforderung,<br />

sie in die Matrikel einzutragen, auch papyrologisch belegt ist.<br />

Schließlich zeigt vor allem der Export von Rekruten aber besonders von gesamten<br />

Truppenkörpern bzw. Detachments in Ägypten stationierter legiones, dass die am Nil<br />

rekrutierten und ergänzten Einheiten alles andere als unbeweglich waren, wie dies seinerzeit<br />

noch J. Maspero annahm. Der Import von Truppenkörpern auf der anderen Seite zeigt die<br />

schnelle Assimilierung der Mannschaften bzw. die sofortige <strong>Rekrutierung</strong> und Ergänzung aus<br />

der indigenen Bevölkerung, wodurch innerhalb von kürzester Zeit aus einer nichtägyptischen<br />

Truppe ein rein ägyptische Einheit wurde, deren Soldaten somit wieder in ihrer Heimat Dienst<br />

versahen.<br />

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