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Dass du zwei Tage schweigst unter der Folter ... - Laika Verlag

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politischen (nicht nur den wirtschaftlichen) Zielen her zu<br />

<strong>unter</strong>suchen. In Bonn war seit 1974 Helmut Schmidt (SPD)<br />

Kanzler einer sozialliberalen Koalition mit Hans-Dietrich<br />

Genscher (FDP) als Außenminister. Schmidt war ein Machtmensch<br />

mit Blick auf Wirtschaft und auf die Gesamtgesellschaft,<br />

Genscher ein liberaler Machtopportunist. Schmidt<br />

hatte einen hervorragenden Draht zu einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Figuren im US-Regierungsapparat jener Zeit: Henry Kissinger,<br />

1969-73 Sicherheitsberater des US-Präsidenten, 1973-77 US-<br />

Außenminister. Die US-Administration hatte 1973 den<br />

Pinochet-Putsch in Chile ebenso geför<strong>der</strong>t wie den Militärputsch<br />

1976 in Argentinien. Die Schmidt-Genscher-Regierung<br />

hatte sich seinerzeit wohl dieser US-Sicherheitsdoktrin<br />

(gegen die „kommunistische Gefahr“) auch in Bezug auf<br />

Lateinamerika angeschlossen. <strong>Dass</strong> davon so nebenbei auch<br />

die westdeutsche Wirtschaft profitierte, war vielleicht eher<br />

nützliches Zubrot als zentrales Ziel. Die Hartleibigkeit <strong>der</strong><br />

BRD-Vertretung gegenüber hilfesuchenden Menschen in<br />

Argentinien erklärt sich daraus jedenfalls nicht.<br />

Warum einzelne BRD-Medien die gestürzte Präsidentin Isabel<br />

Perón seinerzeit dazu benutzt hatten, sie als „Schlampe“<br />

hinzustellen, <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> eine „starke Hand“ fehlte, weshalb<br />

letztendlich die Militärs zum Eingreifen gezwungen waren,<br />

analysiert Dagmar Lieske (Jahrgang 1978) aus heutiger Sicht<br />

umgekehrt deutlich fundierter, als dies 1976 hätte geleistet<br />

werden können. Offene Auseinan<strong>der</strong>setzungen über das<br />

Rollenverständnis von Mann und Frau gab es damals erst in<br />

zaghaften Anfängen. (Was inhaltlich mit <strong>der</strong> „Schlampe“<br />

ausgedrückt werden sollte, hat man auch seinerzeit ohne<br />

Hintergrundanalyse sehr genau begriffen.)<br />

Das in <strong>der</strong> „Bibliothek des Wi<strong>der</strong>stands“ erschienene Buch<br />

enthält zusätzlich eine DVD mit <strong>zwei</strong> Kurzfilmen. Der Beitrag<br />

des argentinischen Schriftstellers und Historikers Osvaldo<br />

Bayer, <strong>der</strong> mehrere Jahre im Exil in <strong>der</strong> BRD verbrachte (und<br />

nebenbei auch etliche Jahre Mitarbeiter <strong>der</strong> ila war), zeigt eine<br />

menschlich wie inhaltlich beeindruckende Skizze über<br />

Elisabeth Käsemanns Tun und Suchen in ihrer kurzen Lebensphase<br />

in Argentinien. Der <strong>zwei</strong>te Film von Frie<strong>der</strong> Wagner und<br />

Elvira Ochoa Wagner behandelt den Putsch <strong>der</strong> argentinischen<br />

Militärs und das bleierne Nichstun <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

im Entführungsfall Klaus Zieschank. (Die Regierung<br />

Schmidt-Genscher blieb bei insgesamt rund hun<strong>der</strong>t von <strong>der</strong><br />

Junta ermordeten Deutschen o<strong>der</strong> Deutschstämmigen untätig.)<br />

Beide Filme sind sehr beeindruckend. Einfach anschauen<br />

und wirken lassen! Übrigens enthüllt die CD auch das Geheimnis<br />

hinter dem Titel „<strong>Dass</strong> <strong>du</strong> <strong>zwei</strong> <strong>Tage</strong> <strong>schweigst</strong> <strong>unter</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Folter</strong>“.<br />

In gleicher Aufmachung ist im LAIKA-<strong>Verlag</strong> auch die Buch/<br />

Film-Edition „Panteón Militar – Kreuzzug gegen die Subversion<br />

Argentinien 1973-1983“ erschienen. Neben einer DVD<br />

mit dem gleichnamigen Film von Wolfgang Landgraeber<br />

enthält das 144-seitige Buch Aufsätze von Osvaldo Bayer,<br />

Klaus Eichner, Elvira Ochoa, Frie<strong>der</strong> Wagner und Gaby Weber<br />

zur Kollaboration <strong>der</strong> deutschen Bundesregierung und deutscher<br />

Unternehmen, beson<strong>der</strong>s Mercedes-Benz, mit <strong>der</strong><br />

argentinischen Militärdiktatur.<br />

GERNOT WIRTH<br />

Von Auschwitz zu den<br />

Müttern von <strong>der</strong> Plaza de Mayo<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Sara Rus<br />

In ihrem Buch „Zweimal Überleben“ erzählt die argentinische<br />

Pädagogin und Autorin Eva Eisenstaedt die Geschichte<br />

<strong>der</strong> polnisch-argentinischen Jüdin Sara Rus.<br />

1927 in <strong>der</strong> Textilin<strong>du</strong>striestadt Lodz als Schejne Maria Rus<br />

geboren, erlebte sie den ganzen Terror, <strong>der</strong> für Polens Juden<br />

und Jüdinnen mit dem Einmarsch <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht<br />

im September 1939 begann. Schon bald nach dem Beginn<br />

<strong>der</strong> Besatzung musste die Familie aus ihrem Haus in das von<br />

den Nazis eingerichtete jüdische Ghetto umziehen. Wie ihre<br />

Eltern begann auch Schejne Maria bald in <strong>der</strong> Textilin<strong>du</strong>strie<br />

zu arbeiten, um Anrecht auf die immer kleiner werdenden<br />

Essensrationen zu haben. Wegen seiner wirtschaftlichen<br />

Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft blieb das Ghetto<br />

Lodz länger als alle übrigen in Polen, bis August 1944 bestehen.<br />

Doch auch aus Lodz wurden schon ab Anfang 1942<br />

jüdische Menschen in die<br />

Vernichtungslager transportiert,<br />

vorerst verschont<br />

blieben nur die, die trotz<br />

<strong>der</strong> Hungerrationen ihre<br />

tägliche Arbeitsleistung<br />

erbrachten.<br />

Schejne Maria Rus wurde<br />

mit ihren Eltern im Juli<br />

1944 nach Auschwitz<br />

deportiert. Ihr Vater wurde<br />

dort sofort ermordet, sie<br />

und die Mutter wurden zur<br />

Zwangsarbeit eingeteilt.<br />

Nach sieben Wochen in<br />

Auschwitz-Birkenau wurden<br />

beide nach Freiberg in<br />

Sachsen gebracht, wo sie in<br />

einer Flugzeugfabrik arbeiten<br />

mussten. Von dort<br />

transportierte man sie im<br />

April 1945 nach Mauthausen.<br />

Hier wurden sie am 5.<br />

Mai 1945 von US-Truppen<br />

befreit.<br />

Schejne Maria war zu diesem Zeitpunkt schwer krank und<br />

extrem <strong>unter</strong>ernährt. Doch sie überlebte, ebenso wie ihr<br />

Freund Benno, den sie 1946 in Polen wie<strong>der</strong>traf. Mit ihm<br />

und ihrer Mutter emigrierte sie 1948 nach Argentinien, wo<br />

bereits ein Onkel von ihr lebte. Dort wurde aus Schejne<br />

Maria dann Sara, aus Benno wurde Bernardo. In Buenos Aires<br />

konnte sich die Familie bald integrieren und Sara bekam<br />

<strong>zwei</strong> Kin<strong>der</strong>, 1950 den Sohn Daniel, 1955 die Tochter Naty.<br />

Am 15. Juli 1977 griff staatlicher Terror erneut brutal in ihr<br />

Panteón Militar– Kreuzzug gegen die Subversion Argentinien<br />

1973-1983, 144 Seiten & 1 DVD mit dem Film „Panteón Militar“<br />

(BRD/Argentinien 1991, 90 Minuten), LAIKA-<strong>Verlag</strong>, Hamburg<br />

2010, 24,90 Euro<br />

57<br />

ila 345<br />

Mai 2011

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