27.04.2014 Aufrufe

Archivnachrichten Nr. 36 , März 2008 - Landesarchiv Baden ...

Archivnachrichten Nr. 36 , März 2008 - Landesarchiv Baden ...

Archivnachrichten Nr. 36 , März 2008 - Landesarchiv Baden ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nachkriegszeit – die Dinge in den Akten<br />

Manche Dinge, so scheint es, kommen<br />

nie in die Akten. Andere nur zu bestimmten<br />

Zeiten. Die Jahre nach 1945<br />

waren so eine Zeit, in der Dinge in den<br />

amtlichen Unterlagen erscheinen, die<br />

dort sonst keine Rolle spielen. Schreibmaschinen,<br />

Nähmaschinen, Stühle, Bettgestelle<br />

und Matratzen bevölkern die<br />

Akten ebenso wie Herde, Radios, Bügeleisen<br />

und Socken.<br />

Es waren die Jahre der Ernährungsund<br />

Wirtschaftsämter, die die Verteilung<br />

von Brennstoffen, Kleidung und Nahrungsmitteln<br />

zu organisieren hatten.<br />

Diese Ämter hatten Erfahrung: Während<br />

des Kriegs eingerichtet, machten sie 1945<br />

einfach weiter. Die Ämter führten Listen<br />

der Dinge und Listen der Leute, die sie<br />

erhalten sollten. Sie waren in diesen Jahren<br />

schwierig zu führen, weil alles in Bewegung<br />

war: Soldaten, Kriegsgefangene,<br />

Displaced Persons, Ostflüchtlinge, Evakuierte.<br />

Andere Listen verzeichneten die<br />

NSDAP-Funktionäre und -Parteimitglieder,<br />

Angehörige von SA und SS. Im Juni<br />

1945 brauchte man sie in Wertheim, weil<br />

die Belasteten Kleidung und Schuhe für<br />

die alliierte Militärkommission sammeln<br />

mussten. 35 Anzüge waren gefordert,<br />

700 Taschentücher, 300 Handtücher, 150<br />

Paar Frauenstrümpfe und 259 Socken.<br />

Am zweckmäßigsten bestellt der Herr Bürgermeister<br />

die ehemaligen Zellenleiter der<br />

früheren Partei zur Sammlung, da diese<br />

die einzelnen Familien durch ihre Tätigkeit<br />

am besten kennen (StAW S Akten II<br />

<strong>Nr</strong>. 1940).<br />

Wer ans Amt schreibt, wahrt die Form.<br />

Ein Vertriebener aus Mähren, nach der<br />

Ausweisung mit Frau, Schwiegermutter<br />

und 4 Kindern im Taubertal untergekommen,<br />

stellte einen Antrag auf ein Bügeleisen:<br />

Infolge Flucht konnte das Bügeleisen<br />

nicht mitgenommen werden. Es ist aber<br />

ein Bügeleisen für eine solche große Familie<br />

unbedingt erforderlich, zumal in der<br />

Landwirtschaft sooft gewaschen und gebügelt<br />

werden muß (StAW S O 13 <strong>Nr</strong>. 133).<br />

Nähmaschinen und Schreibmaschinen<br />

vagabundierten, sie gingen verloren und<br />

tauchten anderswo wieder auf, manche<br />

waren gar herrenlos. Mit Beschreibungen<br />

und Schriftproben versuchten ihre Besitzer,<br />

wieder in den Besitz verloren gegangener<br />

Exemplare zu gelangen. Ein<br />

Wertheimer Verzeichnis ausgegebener<br />

Leihgegenstände führt in der Rubrik<br />

Schreibmaschinen als Empfänger unter<br />

anderem auf: den Gewerkschaftsbund,<br />

die SPD, die Militärregierung Tauberbischofsheim,<br />

das Arbeitsamt, das Gymnasium<br />

und die Spruchkammer (StAW<br />

S Akten II <strong>Nr</strong>. 1941).<br />

1<br />

26<br />

<strong>Archivnachrichten</strong> <strong>36</strong> / <strong>2008</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!