Landtag Brandenburg P-ABJS 5/47 Protokoll
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2. Freiheitsentziehende Unterbringung — Der Bezugsrahmen<br />
Kinder und Jugendliche, die in der Haasenburg GmbH untergebracht sind und waren,<br />
haben oft eine lange Kette von wenig wirksamen öffentlichen Hilfen hinter sich. Sehr<br />
viele von ihnen erlebten sich in ihren Hilfegeschichten als Objekte des Handelns der<br />
Erwachsenen (Eltern, Jugendamt, Heimleiter/-innen...) (vgl. Menk/ Schnorr/ Schrapper<br />
2013 1 ). Auch in der Haasenburg GmbH lebte die große Mehrzahl von ihnen zumindest<br />
anfangs nicht freiwillig, denn die Einrichtung bietet freiheitsentziehende Plätze und ist<br />
eine teilweise geschlossene (fakultativ geschlossene) Einrichtung.<br />
Im Rahmen freiheitsentziehende Maßnahmen (FM) (synonym mit geschlossener Unterbringung,<br />
GU) muss sich ein/e Klient/-in auf richterlichen Beschluss an einem zugewiesenen<br />
Ort aufhalten. Weite Teile seines/ihres Lebens sind den Vorgaben der Institution<br />
unterworfen; diese stellen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte dar. Eine mit<br />
Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung liegt vor, wenn „das Kind oder der Jugendliche<br />
gegen seinen Willen auf einem bestimmten beschränkten Raum festgehalten,<br />
sein Aufenthalt ständig überwacht und die Aufnahme zu Kontakten mit Personen<br />
außerhalb des Raumes durch Sicherungsmaßnahmen verhindert wird". 2<br />
Von fakultativer Geschlossenheit (oft synonym verwendet wird teilgeschlossene Unterbringung)<br />
spricht man, wenn die Unterbringung mit freiheitsentziehenden Maßnahmen<br />
möglich, aber im Einzelfall nicht zwingend ist und aus dem „Stand by"-Modus<br />
Geschlossenheitselemente variabel einsetzbar sind. So gibt es verschiedene Grade<br />
von Geschlossenheit im Rahmen von Stufenmodellen und neben freiheitsentziehenden<br />
Plätzen existieren ggf. auch offene Plätze mit freien Bewegungsmöglichkeiten<br />
ohne Kontaktverbote. Die freiheitsentziehenden Maßnahmen werden vor allem durch<br />
Abschließen von Gruppen- und Haustüren und Bestimmungen zum Bewegungsradius<br />
ohne Begleitung sowie Verbote und Gebote zur Art der Gestaltung der sozialen Beziehungen<br />
realisiert. Meist sind weitere Einschränkungen der persönlichen Rechte damit<br />
verbunden, die hier unter Zwang subsumiert werden, wie etwa das Vorgeben von Sitzoder<br />
Stehpositionen, die Durchsuchung von Zimmern oder das Wegnehmen bzw. Vorenthalten<br />
von Gegenständen.<br />
Zwang übt aus, wer zur Durchsetzung des eigenen Willens gegen den Willen anderer<br />
physische und/oder psychische Machtmittel einsetzt, die dazu führen, dass das Gegenüber<br />
eigene Ziele vorübergehend aufgibt und sich dem Willen des Machtausübenden<br />
unterordnet. Beispiele sind Festhalten, Leibesvisitation, Time out-Raum, Zimmerdurchsuchungen<br />
oder angeordnete Urinkontrollen. Zwang ist ein Teil des Umgangs von Erziehenden<br />
und zu Erziehenden (Schutzauftrag, Verhinderung von Selbst- und Fremdgefährdung;<br />
Durchsetzung vernünftiger Forderungen), wobei R. Stoppel Pädagogik<br />
1 Menk, Sandra/Schnorr, Vanessa/Schrapper, Christian: „Woher die Freiheit bei all dem Zwange?". Langzeitstudie<br />
zu (Aus-)Wirkungen geschlossener Unterbringung in der Jugendhilfe. Weinheim/München 2013<br />
2 Wiesner, Reinhard, SGB VIII, 2006 (3. Auflage) § 45 RZ 41; mit Raum ist sowohl ein Gebäudeteil als auch ein<br />
Gelände zu verstehen<br />
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