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Gemeinsam leben, wirtschaften, singen, beten, feiern: gemeinschaftliches Leben wird in Klöstern und<br />
Stiften seit vielen Jahrhunderten gepflegt. Für den freigeist traf Franz Josef Gaugg Prälat Maximilian Fürnsinn,<br />
Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg, zum Gespräch.<br />
<br />
Herr Prälat Fürnsinn, im<br />
Ausstellungskatalog anlässlich der 900<br />
Jahr Feier des Stiftes Herzogenburg,<br />
2012, ist mir eine Darstellung des Hl. Augustinus<br />
von Bartolomeo Altomonte aufgefallen,<br />
die ich hier näher beschreiben<br />
möchte. Der Hl. Augustinus ist auf diesem<br />
Gemälde aus der Barockzeit als ein sehr<br />
vielbeschäftigter Mann abgebildet. Er umklammert<br />
mit seiner linken Hand ganz energisch<br />
und kraftvoll das flammende Herz,<br />
mit der Rechten schreibt er in ein Buch.<br />
Sein Blick ist gegen den Himmel gerichtet<br />
- Gott zum Dialog zugewandt, würde ich<br />
sagen. Dann sehe ich ein bisschen Unruhe,<br />
so eine Art Erwartungshaltung. Als<br />
Machtattribute erkenne ich einen Mantel<br />
und eine Bischofsmütze.<br />
Jetzt frage ich Sie: ist ein Prälat so vielbeschäftigt<br />
wie uns dieses Bild zeigt, hin- und<br />
hergerissen zwischen einerseits dem Ewigen<br />
zugewandt sein zu wollen und andererseits<br />
doch in der Welt verhaftet zu sein<br />
und sich mitteilen zu müssen?<br />
Vieles<br />
von den Dingen, die Sie genannt haben,<br />
hat Augustinus nie besessen. Er hat nie<br />
einen liturgischen Mantel in dieser Form<br />
gehabt. Er hat auch nie eine Bischofsmütze<br />
getragen. Sicherlich hat er nicht in Büchern<br />
geschrieben und – ich weiß schon,<br />
wie Sie das meinen - sein eigenes Herz<br />
wird er nicht offen getragen haben. Das<br />
ist eine Darstellung der Barockzeit und<br />
man interpretiert und gestaltet den Augustinus<br />
so, wie man ihn damals sehen<br />
wollte: als Bischof, als Klostervorsteher.<br />
Aber das, was Sie vom Spannungsverhältnis<br />
sagen – Gott zugewandt einerseits,<br />
mitten in der Welt lebend und<br />
wirkend andererseits – das erfährt man<br />
als Propst, als Abt eines Klosters schon.<br />
Man sollte beides sein – geistiger Führer,<br />
sicher in Gott geborgen, gehalten,<br />
mit Gott in einem Kontakt, Gott zugewandt<br />
– das ist ein wunderbares Wort.<br />
Wir können uns Gott ja nur zuwenden,<br />
was dann mit uns geschieht, haben wir<br />
nicht in der Hand. Andererseits ist man<br />
als Leiter einer Gemeinschaft, eines Klosters,<br />
auch gehalten, in der Zeit heute zu<br />
<br />
leben, zu wirken, zu entscheiden. So wie<br />
es jeder andere, der in einer Schule oder<br />
in einem Wirtschaftsbetrieb steht auch<br />
tun muss. Mir gefällt diese Doppelfunktion<br />
und ich halte sie auch für mein Menschenbild<br />
für sehr gut. Ich würde sogar<br />
meinen, wenn eine der beiden Seiten<br />
nicht da ist, dann verrutscht dieses Bild.<br />
Wenn man nur spirituell ist: wovon lebt<br />
man, was tut man, wo handelt man, wo<br />
engagiert man sich, wo bringt man sich<br />
ein - und ähnliche Dinge mehr? Wenn<br />
man nur tätig ist, nur Unternehmer, nur<br />
arbeitet, nur ständig sich engagiert,<br />
kann es sein, dass man aus einem tieferen<br />
Bereich herausfällt. Ich glaube,<br />
dass das heute vielen Menschen zum<br />
Problem wird und dass sie sich heute<br />
viel weniger gehalten fühlen.<br />
Wenn wir schon bei Augustinus sind, so<br />
würde ich gerne meine Sicht des Menschenbildes<br />
von Augustinus umreißen.<br />
Augustinus hat viele verschiedene Lebensphasen<br />
durchlaufen, hat lange<br />
gesucht. Das flammende Herz in der<br />
Darstellung bezieht sich auf Augustinus‘<br />
leidenschaftliche Gottesliebe und<br />
Gottsuche. Er hatte zu verschiedenen<br />
Gemeinschaften Kontakt, aber nie einen<br />
Platz gefunden. Als er seine Regeln für<br />
die Gemeinschaft niederschreibt, hat<br />
er eine sehr freundschaftliche Ordensregel<br />
geschaffen - freundschaftlichintellektuell,<br />
das spürt man. Augustinus<br />
sagt vor hunderten von Jahren schon,<br />
es geht um Gottsuche und er prägt das<br />
wunderbare Wort: wer ihn sucht, wird<br />
ihn finden, wer ihn gefunden hat, wird<br />
ihn suchen. Es ist dies ein unglaublich<br />
dynamisches Menschenbild. Also, der<br />
Mensch ist ein Wesen der Heimkehr –<br />
zu sich selbst und zu Gott. Augustinus<br />
schreibt in den Bekenntnissen, seinem<br />
berühmten Werk, den Satz: ich bin mir<br />
selbst zur Frage geworden. Ein suchender<br />
Mensch wird immer merken, dass er<br />
sich selbst zur Frage wird. Was bin ich?<br />
Woher? Wozu? Woher komme ich? Wohin<br />
gehe ich? Warum überhaupt? Diese<br />
Fragen lassen den Menschen nie los. Er<br />
wird sie für sich selber fragen müssen,<br />
Foto: Weingar tner (Ausschnitt), Autor<br />
<br />
die Antworten selbst finden müssen. Es<br />
wird sich ihm die Frage nach Gott stellen.<br />
Ob er sie beantwortet, ob er sie akzeptiert<br />
oder nicht, ist etwas anderes.<br />
Wir haben in der Schule 5 Grundregeln:<br />
wir tun einander nicht weh, weder mit<br />
Worten noch mit Taten. Wir lassen einander<br />
in Ruhe spielen und arbeiten. Wenn<br />
ich mittun möchte, frage ich. Wir räumen<br />
Material zurück an seinen Platz. Wir gehen<br />
mit Material achtsam um. Wir geben<br />
Mist in den entsprechenden Mistkübel.<br />
Herr Prälat, kann man das recht komplexe<br />
Regelwerk des Hl. Augustinus auf ebenso<br />
wenige wichtige Grundregeln herunterbrechen?<br />
Wenn ich vorab zwei Sätze zur Regel<br />
des Hl. Augustinus sagen darf. Die Regel<br />
ist nicht kompliziert, sehr moderat, gut<br />
adaptierbar und sie lässt sich auf ein<br />
paar einfache Prinzipien zurückführen.<br />
Als Einleitungssatz verwendete Augustinus<br />
ein Zitat aus der Apostelgeschichte,<br />
wo die erste Urchristengemeinde beschrieben<br />
wird: ein Herz und eine Seele<br />
werden auf Gott hin. Wie kann man diesen<br />
Satz in eine praktische Regel umsetzen?<br />
Das heißt für mich einerseits Gott<br />
zugewandt leben, anderseits im Dienst<br />
am Anderen stehen.<br />
Wie darf ich mir das vorstellen? Die<br />
Gottzugewandtheit kann ich mir gut<br />
vorstellen beim gemeinsamen Gebet<br />
und beim gemeinsamen Mittagstisch.<br />
Schwieriger finde ich es dann im Alltag, bei<br />
Konflikten. Wie geht man in Ihrer Gemeinschaft<br />
damit um?<br />
Wenn ich eine gewisse Gottzugewandtheit<br />
lebe, dann werde ich das<br />
schon auch im Umgang mit anderen<br />
spüren lassen. Es kann ihnen der Andere<br />
nicht total wurscht sein. Oder du kannst<br />
nicht über eine gewisse Grenze gehen.<br />
Was Sie in ihrem Regulativ gesagt haben<br />
zu Respekt, Würde, usw. das zeigt<br />
sich schon im konkreten Umgang. Also<br />
irgendwo ist die Gottzugewandtheit<br />
auch eine Garantie des guten Umgangs<br />
miteinander. Das ist eine Hoffnung. Es<br />
gibt bei uns genauso Streit, die Auseinandersetzung.<br />
Das ist in jeder Gemeinschaft,<br />
die lebendig ist, ein notwendiger<br />
Prozess. Und trotzdem meine ich, es<br />
drückt sich schon im konkreten Tun aus.<br />
Oder dass ich mein Tun immer wieder<br />
aus dieser Gottbezogenheit überdenke.<br />
Hat das einen Sinn, was ich hier tue?<br />
Auch dass eine Gemeinschaft immer<br />
wieder ihre Orientierung suchen muss<br />
–z.B. werden wir ab Herbst einen begleiteten<br />
Prozess mit Innen- und Außenblick<br />
beginnen.<br />
Gibt es einen konkreten Anlass dazu?<br />
Nein. Es ist von Zeit zu Zeit notwendig<br />
zu prüfen, wohin unser Weg<br />
geht. Wo ist die Zukunft für das Stift?<br />
Wir stehen in einem gesellschaftlichen<br />
und kirchlichen Wandel und da hat ein<br />
Kloster seine Position zu suchen. Position<br />
besetzen jetzt nicht im Sinne von<br />
Macht, sondern wo können wir als Kloster<br />
unseren Dienst versehen, was müssen<br />
wir halten, was neu beginnen, was<br />
abgeben? Aber immer auch, wenn man<br />
den Außenblick schärft, muss man den<br />
Innenblick ansehen. Wie sind unsere<br />
Beziehungen, wie sehen wir sie? Gibt<br />
es den Ausgleich geistlichen Lebens?