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Rogateheft in geringer Auflösung - beim Leipziger Missionswerk

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Freiwilligenprogramm<br />

„Man darf ständig<br />

und überall lernen“<br />

Erfahrungen e<strong>in</strong>es Freiwilligen<br />

Von Marius Koch, weltwärts-Freiwilliger des LMW<br />

Nach e<strong>in</strong>igen mehr oder m<strong>in</strong>der fachkundigen<br />

Blicken fassen wir unseren<br />

Entschluss: Etwas unsicher, aber doch bestimmt,<br />

ziehe ich 1.500 tansanische Schill<strong>in</strong>g<br />

[71 Cent] aus der Tasche. Justus nickt<br />

mir nochmals zu und es ist getan – drei Bananen<br />

wechseln den Besitzer. Es gehört zu<br />

den D<strong>in</strong>gen, die man als Freiwilliger darf.<br />

Etwas blauäugig e<strong>in</strong>kaufen, orientierungslos<br />

auf dem Markt stehen oder e<strong>in</strong>fach verständnisvoll<br />

nicken, wenn die Kenntnisse<br />

der Landessprache den Gehalt e<strong>in</strong>es Reiskrackers<br />

haben. Vor allem hat man aber<br />

e<strong>in</strong> Privileg: Man darf ständig und überall lernen. E<strong>in</strong>blicke<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fremde Kultur, e<strong>in</strong>en vielleicht ungewohnten Umgang<br />

mite<strong>in</strong>ander, Tabus, Sitten und Gebräuche bilden nur e<strong>in</strong>en<br />

kle<strong>in</strong>en Teil, der sich mir als deutscher Jugendlicher <strong>in</strong> Tansania<br />

förmlich vor die Nase schiebt.<br />

Manches überrumpelt auch, macht sprachlos und führt das<br />

e<strong>in</strong>e oder andere Mal auch gar nicht dazu, dass ich dauerhaft<br />

motiviert über die Sandpiste wandele. Solche E<strong>in</strong>drücke<br />

betreffen auch das Leben Jugendlicher <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Alter. Unterwegs<br />

trifft man zu bestimmten Stoßzeiten oft Wanafunzi,<br />

Schüler <strong>in</strong> den bei uns blauen Uniformen. An den letzten<br />

süßen Mangos nagend, präsentieren sie mir zischend ihr<br />

„Shikamoo“, die ehrenvolle Begrüßung oft Älteren gegenüber.<br />

Selbst die Schüler<strong>in</strong>nen der Schwesternschule grüßen mich<br />

auf diese Art, wenn ich mich auf dem Gelände aufhalte. So<br />

gut wie alle wohnen auf dem Gelände und sche<strong>in</strong>en, me<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>druck nach, von früh bis spät e<strong>in</strong>geplant zu se<strong>in</strong>.<br />

Tatsächlich bekomme ich bei der Arbeit im Krankenhaus<br />

von Lugala nur am Rande mit, wie genau ihr Tagesablauf aussieht.<br />

Nach den Unterrichtsstunden, begleiteten Rundgängen<br />

auf Station und auch Teepausen, sche<strong>in</strong>en sie meist damit beschäftigt<br />

zu se<strong>in</strong>, Wäsche zu waschen, ihre Zimmer zu fegen<br />

oder den Campus im Allgeme<strong>in</strong>en aufzuräumen. Während<br />

ich daran denke, dass das <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> Deutschland<br />

höchstens von statten g<strong>in</strong>g, wenn e<strong>in</strong> Projekttag bevorstand,<br />

betrachte ich mehr und mehr auch den tansanischen Alltag<br />

<strong>in</strong> den Familien. K<strong>in</strong>der und Jugendliche sche<strong>in</strong>en viel, viel<br />

mehr e<strong>in</strong>geplant zu se<strong>in</strong>. Sehe ich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Mädchen vor<br />

dem Haus Geschirr spülen und die Schwester auf dem Mais-<br />

Die Tansania-Freiwilligen des LMW 2012/2013 von l<strong>in</strong>ks<br />

nach rechts: Felix Stauch (Radioprojekt Furaha <strong>in</strong> Ir<strong>in</strong>ga),<br />

Mirjam Oehler (Waisenprojekt Mwika), Justus Örtl (Sekundarschule<br />

<strong>in</strong> Lupalilo), Marius Koch (Krankenhaus <strong>in</strong><br />

Lugala) und Theresa Parisius (K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong> Matamba).<br />

feld arbeiten, denke ich an me<strong>in</strong> Genörgele<br />

<strong>beim</strong> Badeimer herausbr<strong>in</strong>gen und<br />

verstehe das „Shikamoo“ noch weniger,<br />

als ich es sonst tue.<br />

Meist kommt man nicht umh<strong>in</strong>, solche<br />

Beobachtungen mit dem eigenen Leben <strong>in</strong> Deutschland zu<br />

vergleichen, auch wenn sich das meist nur auf e<strong>in</strong>en Sachverhalt<br />

bezieht. Das gesamte Drumherum, wo das e<strong>in</strong>e mal<br />

mehr und mal weniger zum anderen führt, lässt sich <strong>in</strong> der<br />

Bandbreite oft gar nicht erfahren. Ich könnte banal schreiben,<br />

dass viele tansanische Jugendliche mehr arbeiten müssen,<br />

was an sich auch stimmt. Dabei würde aber die Tatsache<br />

untergehen, dass es für viele Familien e<strong>in</strong>fach notwendig ist,<br />

dass jedes Familienmitglied mitarbeitet. Oft genug sieht man<br />

sehr junge Mädchen und Jungen, die Nüsse durch die Busfenster<br />

verkaufen oder mal e<strong>in</strong>en Tag der Verkäufer im Duka<br />

s<strong>in</strong>d, statt <strong>in</strong> der Schule zu se<strong>in</strong>. Und das ist trotz all des beabsichtigten<br />

Weitblicks für mich traurig.<br />

Als Freiwilliger kommt mir dadurch oft nochmals das Privileg<br />

<strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n, wenn auch <strong>in</strong> etwas abgewandelter Form,<br />

dass ich hier ständig lernen darf und auch schon <strong>in</strong> Deutschland<br />

ständig lernen durfte. Dass ich zwölf Jahre zur Schule<br />

gehen konnte, sche<strong>in</strong>t mir auf e<strong>in</strong>mal viel wertvoller, so wie<br />

man vieles e<strong>in</strong>fach mehr zu schätzen lernt. Sei es e<strong>in</strong> Stück<br />

Salami, fließend Wasser oder die Möglichkeit sich auch mal<br />

zurückzuziehen. Plötzlich kümmert es mich, ob e<strong>in</strong>e Glühbirne<br />

unnötig brennt oder me<strong>in</strong> Wasserfass seit zwei Sekunden<br />

überläuft, so dass ich schlechten Gewissens <strong>in</strong> das Bad<br />

stürze.<br />

Bananen kaufe ich <strong>in</strong>zwischen für den richtigen Preis – weniger<br />

als die Hälfte – und me<strong>in</strong> Reiskrackerswahili bekommt<br />

mit anderen Facetten me<strong>in</strong>es Aufenthaltes hier immer mehr<br />

e<strong>in</strong>en gehaltvollen Belag. Vielleicht ist es ke<strong>in</strong>e Salami, doch<br />

was immer es auch ist – am Geschmack zweifele ich nicht.<br />

Das <strong>Leipziger</strong> <strong>Missionswerk</strong> entsendet im Rahmen des weltwärts-Programms jährlich bis zu zwölf Freiwillige. Am letzten Novemberwochenende<br />

f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> Informationssem<strong>in</strong>ar statt. Die Teilnahme daran ist Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Bewerbung. Weitere Informationen<br />

f<strong>in</strong>den sich auf www.lmw-mission.de/de/freiwilligenprogramm.html. Ansprechpartner ist Direktor Volker Dally.<br />

22<br />

Evangelisch-Lutherisches <strong>Missionswerk</strong> Leipzig<br />

<strong>Rogateheft</strong>, 2013

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