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Hugo von Hofmannsthal, Der Schwierige

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Hans Karl Aber ein innerlich vornehmer Mensch.<br />

Stani Ein uneleganter, schwerfälliger Kerl.<br />

Hans Karl Er braucht eine Flasche Champagner ins Blut.<br />

Stani Sag' das nie vor ihm, er nimmt's wörtlich. Ein uneleganter Mensch ist mir ein Greuel, wenn er<br />

getrunken hat.<br />

Hans Karl Ich hab' ihn gern.<br />

Stani Er nimmt alles wörtlich, auch deine Freundschaft für ihn.<br />

Hans Karl Aber er darf sie wörtlich nehmen.<br />

Stani Pardon, Onkel Kari, bei dir darf man nichts wörtlich nehmen, wenn man das tut, gehört man in die<br />

Kategorie: Instinktlos.<br />

Hans Karl Aber er ist ein so guter, vortrefflicher Mensch.<br />

Stani Meinetwegen, wenn du das <strong>von</strong> ihm sagst, aber das ist noch gar kein Grund, daß er immer <strong>von</strong> deiner<br />

Güte spricht. Das geht mir auf die Nerven. Ein eleganter Mensch hat Bonhomie, aber er ist kein guter<br />

Mensch. Pardon, sag' ich, der Onkel Kari ist ein großer Herr und darum auch ein großer Egoist,<br />

selbstverständlich. Du verzeihst.<br />

Hans Karl Es nützt nichts, ich hab' ihn gern.<br />

Stani Das ist eine Bizarrerie <strong>von</strong> dir! Du hast es doch nicht notwendig, bizarr zu sein! Du hast doch das<br />

Wunderbare, daß du mühelos das vorstellst, was du bist: ein großer Herr! Mühelos! Das ist der große Punkt.<br />

<strong>Der</strong> Mensch zweiter Kategorie bemüht sich unablässig. Bitte, da ist dieser Theophil Neuhoff, den man seit<br />

einem Jahr überall sieht. Was ist eine solche Existenz anderes als eine fortgesetzte jämmerliche Bemühung,<br />

ein Genre zu kopieren, das eben nicht sein Genre ist.<br />

Elfte Szene<br />

Lukaskommt eilig Darf ich fragen – haben Euer Erlaucht Befehl gegeben, daß fremder Besuch vorgelassen<br />

wird?<br />

Hans Karl Aber absolut nicht. Was ist denn das?<br />

Lukas Da muß der neue Diener eine Konfusion gemacht haben. Eben wird vom Portier herauftelephoniert,<br />

daß Herr Baron Neuhoff auf der Treppe ist. Bitte, zu befehlen, was mit ihm geschehen soll.<br />

Stani Also, im Moment, wo wir <strong>von</strong> ihm sprechen. Das ist kein Zufall. Onkel Kari, dieser Mensch ist mein<br />

Guignon, und ich beschwöre sein Kommen herauf. Vor einer Woche bei der Helen, ich will ihr eben meine<br />

Ansicht über den Herrn v. Neuhoff sagen, im Moment steht der Neuhoff auf der Schwelle. Vor drei Tagen,<br />

ich geh' <strong>von</strong> der Antoinette weg – im Vorzimmer steht der Herr v. Neuhoff. Gestern früh bei meiner Mutter,<br />

ich wollte dringend etwas mit ihr besprechen, im Vorzimmer find' ich den Herrn v. Neuhoff.<br />

Vinzenztritt ein, meldet Herr Baron Neuhoff sind im Vorzimmer.<br />

Hans Karl Jetzt muß ich ihn natürlich empfangen.<br />

Lukas winkt: eintreten lassen.<br />

Vinzenz öffnet die Flügeltür, läßt eintreten.<br />

Zwölfte Szene<br />

Neuhofftritt ein Guten Abend, Graf Bühl. Ich war so unbescheiden, nachzusehen, ob Sie zu Hause wären.<br />

Hans Karl Sie kennen meinen Neffen Freudenberg?<br />

Stani Wir haben uns getroffen. Sie setzen sich.<br />

Neuhoff Ich sollte die Freude haben, Ihnen diesen Abend im Altenwylschen Hause zu begegnen. Gräfin<br />

Helene hatte sich ein wenig darauf gefreut, uns zusammenzuführen. Um so schmerzlicher war mein<br />

Bedauern, als ich durch Gräfin Helene diesen Nachmittag erfahren mußte, Sie hätten abgesagt.<br />

Hans Karl Sie kennen meine Cousine seit dem letzten Winter?<br />

Neuhoff Kennen – wenn man das Wort <strong>von</strong> einem solchen Wesen brauchen darf. In gewissen Augenblicken<br />

gewahrt man erst, wie doppelsinnig das Wort ist: es bezeichnet das Oberflächlichste <strong>von</strong> der Welt und<br />

zugleich das tiefste Geheimnis des Daseins zwischen Mensch und Mensch.<br />

Hans Karl und Stani wechseln einen Blick.<br />

Neuhoff Ich habe das Glück, Gräfin Helene nicht selten zu sehen und ihr in Verehrung anzugehören.<br />

Eine kleine, etwas genierte Pause.<br />

Neuhoff Heute nachmittag – wir waren zusammen im Atelier <strong>von</strong> Bohuslawsky – Bohuslawsky macht mein<br />

Porträt, das heißt, er quält sich unverhältnismäßig, den Ausdruck meiner Augen festzuhalten: er spricht <strong>von</strong><br />

einem gewissen Etwas darin, das nur in seltenen Momenten sichtbar wird – und es war seine Bitte, daß die<br />

Gräfin Helene einmal dieses Bild ansehen und ihm über diese Augen ihre Kritik geben möchte – da sagt sie<br />

mir: Graf Bühl kommt nicht, gehen Sie zu ihm. Besuchen Sie ihn, ganz einfach. Es ist ein Mann, bei dem die<br />

Natur, die Wahrheit alles erreicht und die Absicht nichts. Ein wunderbarer Mann in unserer absichtsvollen

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