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Jahresbericht - NAV-Virchow-Bund

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2013<br />

<strong>Jahresbericht</strong><br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


Vorwort<br />

Titelbilder: © Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

Nach dem politischen Großereignis des<br />

Jahres schaut die Republik gespannt auf<br />

die Koalitionsgespräche der Parteien. Die<br />

CDU verfehlte nur knapp die absolute<br />

Mehrheit der <strong>Bund</strong>estagssitze und ist die<br />

eindeutige Gewinnerin der <strong>Bund</strong>estagswahl.<br />

Durch das Aus für die FDP ist der<br />

Union jedoch der liebste Bündnispartner<br />

abhanden gekommen. Eine Regierungsbildung<br />

mit Sozialdemokraten oder Grünen,<br />

wird Kanzlerin Merkel teurer als mit den<br />

Liberalen zu stehen bekommen.<br />

Mit dem Wahlergebnis wurde den Planspielen<br />

für einen vereinheitlichten Versicherungsmarkt<br />

eine eindeutige Absage erteilt.<br />

Die Bürgerversicherung ist bis auf Weiteres<br />

vom Tisch. Darüber können sich die niedergelassenen<br />

Ärzte freuen, denn ohne die<br />

Einnahmen der Privatversicherten könnten<br />

viele Praxen nicht wirtschaftlich arbeiten.<br />

Grund zur Freude bereitet denn auch die<br />

Nachricht, dass sich <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />

und PKV-Verband über die Eckpunkte zur<br />

Reform der ärztlichen Gebührenordnung<br />

(GOÄ) einig geworden sind. Wenn auch der<br />

Zeitpunkt kurz vor einem Wechsel im Gesundheitsministerium<br />

nicht der günstigste<br />

ist, kann sich die Politik der Erneuerung der<br />

Uralt-GOÄ nicht verweigern. Eine eigenständig<br />

und wirtschaftlich kalkulierte Gebührenordnung<br />

ist das Kernmerkmal eines<br />

freien Berufes. Nur sie steht für die gesamte<br />

Bandbreite der Behandlungsmöglichkeiten<br />

in der Arztpraxis und unterscheidet sich<br />

damit grundsätzlich von der Kassengebührenordnung.<br />

Allen Bestrebungen, die Vergütungssysteme<br />

von Privater und Gesetzlicher<br />

Krankenversicherung zusammenzuführen,<br />

ist eine deutliche Absage zu erteilen.<br />

Darüber hinaus muss auch die Vergütung<br />

vertragsärztlicher Leistungen so gestaltet<br />

sein, dass die Praxen ihren Betrieb sicher<br />

kalkulieren können. Feste und kostendeckende<br />

Preise sind dafür unabdingbar und<br />

müssen auf den Weg gebracht werden. Nur<br />

so lässt sich eine leistungsgerechte Vergütung<br />

realisieren, die den Wert der ärztlichen Arbeit<br />

deutlich macht und die steigenden Gesundheitskosten<br />

einer alternden Gesellschaft von<br />

den Schultern der Ärzte nimmt. Dies kann<br />

jedoch nur gelingen, wenn die Ärzteschaft<br />

einig gegenüber den Krankenkassen auftritt<br />

und Partikularinteressen der Fachgruppen<br />

zurückstellt. Setzt sich die innerärztliche<br />

Spaltung fort, werden die Kassen auch künftig<br />

auf Umverteilung der begrenzten Mittel<br />

pochen, anstatt ihrer Versorgungsverantwortung<br />

gerecht zu werden.<br />

Dass sich gemeinsame Lösungen bei strittigen<br />

Themen finden lassen, zeigte sich<br />

beim diesjährigen Deutschen Ärztetag in<br />

Hannover. Nach einer hitzig geführten<br />

Diskussion verständigten sich die Delegierten<br />

darauf, dass die ambulante Weiterbildung<br />

gefördert werden muss. Das ist auch<br />

dringend notwendig, werden doch heutzutage<br />

viele Krankheiten nur noch ambulant<br />

behandelt. Die dafür erforderlichen Kompetenzen<br />

müssen den jungen Medizinern<br />

in den Praxen vermittelt werden. Gleichzeitig<br />

hilft ein fester ambulanter Abschnitt in<br />

der Weiterbildung, das Interesse an der<br />

Tätigkeit als Praxisarzt zu wecken. Bleibt<br />

das Nachwuchsproblem ungelöst, können<br />

die Strukturen der wohnortnahen ärztlichen<br />

Versorgung der Bevölkerung auf<br />

Dauer nicht gehalten werden. Bei dieser<br />

gesamtgesellschaftlichen Herausforderung<br />

ist auch die Politik gefragt. Sie muss die<br />

Mittel für eine gleichwertige Vergütung<br />

der Assistenzärzte auch im niedergelassenen<br />

Bereich bereitstellen.<br />

All diese Themen hat der Verband der niedergelassenen<br />

Ärzte Deutschlands als fachübergreifender<br />

Berufsverband maßgeblich<br />

mitbestimmt. Es geht um die Zukunft der<br />

ambulanten Versorgung, die auch künftig<br />

nur von Haus- und Fachärzten gemeinsam<br />

gestaltet werden kann. Sie sehen, es ist viel<br />

zu tun. Packen wir’s an!<br />

Ihr Dr. Dirk Heinrich<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

3


Impressum<br />

Klaus Greppmeir, Hauptgeschäftsführer<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Vorgelegt von der Haupt geschäfts führung<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Verband der<br />

niedergelassenen Ärzte Deutschlands, zur<br />

<strong>Bund</strong>eshaupt versammlung 2013.<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle:<br />

Chausseestraße 119 b · 10115 Berlin<br />

Fon (030) 288774–0<br />

Fax (030) 288774–115<br />

info@nav-virchowbund.de<br />

www.nav-virchowbund.de<br />

4


Aus dem Inhalt<br />

Berufspolitik6<br />

Honorar-Verhandlungen mit Eskalationspotential 6<br />

<strong>Bund</strong>eshauptversammlung – Vom Gang in die Entmündigung 18<br />

BHV-Beschlüsse – Freiberuflichkeit, Honorarreform, ambulante Weiterbildung 23<br />

Selbstverwaltung – KV keine Regierungsorganisation 26<br />

Arzttätigkeit28<br />

Wie Ärztinnen die Praxis der Zukunft prägen 28<br />

Niedergelassene fordern ambulanten Pflichtteil in der Weiterbildung 28<br />

Nach heftigem Streit: Ärztetag schließt Weiterbildungs-Kompromiss 30<br />

Ist die Niederlassung das Richtige? Verband klärt auf 33<br />

Aus der Agentur deutscher Ärztenetze 33<br />

Kooperationen und<br />

Partnerschaften<br />

WPV. – Wirtschafts- und<br />

Praxisverlag GmbH<br />

Belfortstraße 9<br />

50668 Köln<br />

Fon (0221) 988301-0<br />

Fax (0221) 988301-15<br />

E-Mail: post@wpv.de<br />

<strong>NAV</strong>-Wirtschaftsdienst GmbH<br />

Wiener Platz 3<br />

51065 Köln<br />

Fon (0221) 97355–0<br />

Fax (0221) 97355–22<br />

E-Mail: mail@nav-widi.de<br />

www.nav-widi.de<br />

Nilaplan<br />

Unternehmensberatung<br />

für Heilberufe GmbH<br />

Belfortstraße 9<br />

50668 Köln<br />

Fon (0221) 302397-51<br />

Fax (0221) 302397-59<br />

E-Mail: jzdarta@nav-widi.de<br />

DAZ<br />

Deutscher Arbeitskreis<br />

für Zahnheilkunde (DAZ) e.V.<br />

Kaiserstraße 52<br />

53840 Troisdorf<br />

Fon (02241) 9722876<br />

Fax (02241) 9722879<br />

E-Mail: kontakt@daz-web.de<br />

www.daz-web.de<br />

Gesundheitspolitik38<br />

Milliardenpoker im GKV-System 38<br />

Korruptionsdebatte – BGH stärkt ärztliche Freiberuflichkeit 44<br />

Praxisgebühr – Das kurze Leben einer Ungeliebten 47<br />

Präventionsgesetz – Wieder ein Anlauf vor Torschluss 49<br />

<strong>Bund</strong>estagswahl 2013 – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> legt Wahlprüfsteine vor 50<br />

Aus den Landesgruppen 54<br />

Saarland – Landesstaatssekretärin zu Gast 54<br />

Gesundheitspolitischer Talk im Saarland 55<br />

Schleswig-Holstein – Impfchaos im hohen Norden 57<br />

Westfalen-Lippe – Neuer Landesvorstand 58<br />

Diskreditierung schafft „Wut-Ärzte“ 58<br />

Verleihung der Kaspar-Roos-Medaille 60<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung61<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 64<br />

Rechtsberatung68<br />

Unser Service ist der Unterschied 72<br />

Aus den Landesgruppen 74<br />

<strong>Bund</strong>esvorstand75<br />

<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle76<br />

Organisatorischer Aufbau 77<br />

Internetauftritt78<br />

5


Berufspolitik<br />

© S. Pietschmann – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

© Marcus Kretschmar - Fotolia.com<br />

Honorar-Verhandlungen mit<br />

Eskalationspotential<br />

Pünktlich zu den jährlichen Honorarverhandlungen<br />

zwischen Kassenärztlicher<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband<br />

der Gesetzlichen Krankenkassen<br />

(GKV-SpiBu) häuften sich die Provokationen<br />

aus dem Kassenlager.<br />

Erster Aufschlag: Eine Umfrage zu vermeintlichen<br />

„Fangprämien“, die niedergelassene<br />

Ärzte für ihr Überweisungsverhalten<br />

erhalten würden. Dabei wurden – wissenschaftlich<br />

höchst problematisch – Ärzte<br />

befragt, ob sie sich ein solches Verhalten<br />

unter Ärzten vorstellen können und ob sie<br />

von solchen Fällen wüssten. Die Ergebnisse<br />

wurden als Fakten dargestellt und provozierten<br />

heftige Gegenreaktionen: Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es,<br />

Dr. Dirk Heinrich, mahnte im Gegenzug zu<br />

einem verantwortungsvolleren Umgang mit<br />

den Beitragsgeldern in der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung (GKV). „Wer ständig<br />

mit dem Finger auf die Ärzte zeigt, Pauschalvorwürfe<br />

am Fließband abliefert und<br />

sich als notorischer Scharfmacher in der<br />

Öffentlichkeit präsentiert, sollte seinen<br />

eigenen Laden besser sauber halten.“ So<br />

verdeutlichten die vom <strong>Bund</strong>esversicherungsamt<br />

(BVA) jüngst aufgedeckten Fälle<br />

von verschwendeten Beitragsgeldern, dass<br />

bei den Kassen mitnichten alles so korrekt<br />

ablaufe, wie sie es von der Ärzteschaft<br />

verlangten, kritisiert Dr. Heinrich.<br />

Geldverschwendung im GKV-System: „Seinen eigenen<br />

Laden besser sauber halten“<br />

Zwar handele es sich bei der vom BVA<br />

recherchierten Misswirtschaft um Einzelfälle.<br />

Nicht anders sei es jedoch bei den Vertragsärzten.<br />

„Anders als von Kassen und<br />

GKV-Spitzenverband in fataler Regelmäßigkeit<br />

dargestellt, sind wir Ärzte nicht per<br />

se korrupt und nur auf den eigenen Vorteil<br />

bedacht. Ganz im Gegenteil: Vertragsärzte<br />

leisten in Zeiten der Budgetierung vielerorts<br />

deutlich mehr, als sie vergütet bekommen“,<br />

erklärt der Vorsitzende des Verbandes<br />

der niedergelassenen Ärzte Deutschlands.<br />

Darüber hinaus kritisiert Heinrich die Verwendung<br />

von Beitragsgeldern für unseriöse<br />

Auftragsgutachten, bei denen das Ergebnis<br />

bereits vorher feststeht: „Nicht nur im Fall<br />

der so genannten Fangprämien-Studie<br />

wurden die Resultate von der GKV-Spitze<br />

selektiv dargestellt. Obwohl 82 Prozent der<br />

Befragten Zuweisung gegen Entgelt entschieden<br />

ablehnten, wurde das Zerrbild des<br />

korrupten Arztes gezeichnet.“ So habe<br />

selbst der Leiter der Studie später eingeräumt,<br />

dass die Ergebnisse deutlich weniger<br />

ärztefeindlich waren, als in den Medien<br />

berichtet, konstatiert Dr. Heinrich.<br />

Das Gebaren der selbsternannten Anwälte<br />

der Versicherten, so der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

weiter, stünde überdies im krassen Kontrast<br />

zur Realität im GKV-System. „Die Kassen<br />

nutzen die gute Konjunktur schamlos für<br />

ihren Vorteil aus. Anstatt die gehorteten<br />

Milliardenüberschüsse an die Versicherten<br />

zurückzugeben, sinnlose Zuzahlungsinstrumente<br />

zu beerdigen oder die Versorgung<br />

wirksam zu verbessern, werfen AOK, Barmer<br />

und Co. das Geld für zweckfremde<br />

Marketingmaßnahmen zum Fenster raus.“<br />

Auch dabei handele es sich um eine rechtswidrige<br />

Vergeudung von Beitragsgeldern.<br />

„Wenn sich das System der GKV daher<br />

nicht aus eigener Kraft reformiert, dann<br />

muss die Politik es an die Kandare nehmen“,<br />

fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

6


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

„Die Absicht der Krankenkassen, den Orientierungspunktwert<br />

zu senken und damit<br />

die Vergütung der Praxisärzte um 7 Prozent<br />

zu kürzen, ist ein klarer Gesetzesverstoß“,<br />

erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />

Verbandes der niedergelassenen Ärzte<br />

Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich. Im „Wettbewerbsstärkungsgesetz“<br />

hat Ulla Schmidt<br />

2007 durchgesetzt, dass das Morbiditätsrisiko<br />

an die Krankenkassen geht und niedergelassene<br />

Ärzte für ihre Leistungen<br />

feste Preise erhalten. „Durch die Kassenpläne<br />

wird dieses Gesetz völlig auf den<br />

Kopf gestellt. Es entsteht ein Globalbudget<br />

mit floatendem Punktwert und die Morbiditätslast<br />

wird dadurch wieder auf die<br />

Ärzteschaft verlagert. Das hat nicht einmal<br />

Ulla Schmidt so gewollt“, betont Dr. Heinrich.<br />

Sreitthema Ärztehonorare: Kassen fordern Kürzungen.<br />

Kassen: Honorare senken!<br />

Zweiter Aufschlag: Pünktlich zu den Honorarverhandlungen<br />

zauberte der GKV-<br />

Spitzenverband ein von Prognos erstelltes<br />

Gutachten aus dem Hut, das zu dem Ergebnis<br />

kam, dass die Honorare um 2,2<br />

Mrd. Euro sinken müssten. Mit dieser<br />

Forderung ging der Spitzenverband<br />

schließlich in die Verhandlungen. Die KBV<br />

forderte, dass bei der Festlegung des Orientierungspunktwertes<br />

nicht nur die Kostenentwicklung<br />

für das Jahr 2013, sondern<br />

die Kostensteigerungen seit 2008 zu berücksichtigen<br />

seien, ganz so, wie es das<br />

Sozialgesetzbuch V vorsieht. Das Klima war<br />

vergiftet, die Ärzteschaft sensibilisiert.<br />

© Tatjana Balzer - Fotolia.com<br />

Stattdessen seien die Forderungen der<br />

Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung nach<br />

einer Anhebung des Punktwertes auf 3,85<br />

Cent angesichts der steigenden Alterung<br />

der Patienten, der Veränderung von Morbidität,<br />

der Inflation, des Investitionsstaus in<br />

den Praxen, den Personalkostensteigerungen<br />

durch den Gehaltstarifvertrag mit den<br />

Medizinischen Fachangestellten und der<br />

anhaltenden Verlagerung des Versorgungsgeschehens<br />

von stationär auf ambulant<br />

mehr als gerechtfertigt. „Ein Abschluss<br />

unterhalb dieser Forderungen ist nur<br />

schwer denkbar“, so Dr. Heinrich.<br />

Während die Krankenkassen auf Milliardenüberschüssen<br />

sitzen, seien dagegen<br />

Honorar-Kürzungen um über 7 Prozent bei<br />

den Praxisärzten nicht nur gesetzwidrig,<br />

sondern ein Affront – und zwar gegenüber<br />

Ärzten wie Patienten gleichermaßen. „Wer,<br />

wie die Kassen, derart auf Konfrontationskurs<br />

geht, darf sich nicht wundern, wenn<br />

in wenigen Wochen wieder Tausende von<br />

Ärzten in Berlin auf die Straßen gehen“<br />

unterstreicht der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Allianz formiert sich<br />

Unter Führung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es,<br />

der zu dieser Zeit turnusmäßig den Vorsitz<br />

in der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />

hatte, erklärte der Zusammenschluss, dass<br />

mit den Honorarplänen der Krankenkassen<br />

die Niederlassung zukünftig zum Glücksspiel<br />

werde: Denn die niedergelassenen<br />

Ärzte verfolgten mit Empörung und Unverständnis<br />

das Gebaren der Krankenkassen<br />

in den Honorarverhandlungen. „Wieder<br />

7


einmal werden wir niedergelassenen Ärzte<br />

von den Kassen als eine geldgierige, überbezahlte<br />

Spezies verunglimpft. Dass die<br />

medizinische Versorgung ohne unser –<br />

zum Teil unbezahltes – Engagement in<br />

weiten Strecken zum Erliegen kommen<br />

würde, blenden die Kassenbosse vollständig<br />

aus. Aber wir werden es ihnen zeigen,<br />

sollten sie sich mit der geplanten Honorarkürzung<br />

durchsetzen“, warnt Dr. Dirk<br />

Heinrich, Sprecher der Allianz Deutscher<br />

Ärzteverbände.<br />

Die Ärzteverbände unterstützen die Forderung<br />

der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

(KBV) nach einer Anhebung des<br />

Orientierungspunktwertes auf mindestens<br />

3,85 Cent. „Der Investitionsstau in den<br />

Praxen, die Anhebung der Tarifgehälter für<br />

die Medizinischen Fachangestellten und<br />

die gestiegene Morbiditätslast erfordern<br />

zwingend eine Honorarsteigerung“, so die<br />

Ärzteallianz. Sollten die Kassen im erweiterten<br />

Bewertungsausschuss eine Nullrunde<br />

oder gar eine Absenkung des Orientierungspunktwertes<br />

durchsetzen, werden die<br />

Ärzte auf die Barrikaden gehen. „Protestaktionen,<br />

Demonstrationen, Praxisschließungen<br />

– wir sind zu allem bereit“, sind<br />

sich die Ärzteverbände einig.<br />

Besonders aufgebracht sind die Mitglieder<br />

der Allianz darüber, dass die Krankenkassen<br />

Überschüsse in Höhe von 20 Milliarden<br />

Euro horten oder für fragwürdige Wellness-Angebote<br />

ausgeben, gleichzeitig aber<br />

ausgerechnet bei der ambulanten medizinischen<br />

Versorgung die Daumenschrauben<br />

anlegen wollen. „Wenn die Bezahlung<br />

ärztlicher Leistungen nicht kontinuierlich<br />

nach Gesichtspunkten der Vernunft erfolgt,<br />

sondern alle Jahre wieder neu ausgeknobelt<br />

wird, wird die Niederlassung in eigener<br />

Praxis zum wirtschaftlichen Glücksspiel.<br />

Wie man unter diesen Umständen junge<br />

Ärzte für die Niederlassung begeistern und<br />

die ambulante Versorgung auf dem Land<br />

gewährleisten will, ist ein Geheimnis der<br />

Krankenkassenfürsten“, kritisiert die Allianz<br />

© Wolfgang-S - Fotolia.com<br />

Investitionen, Inflation, Gehaltssteigerung der Mitarbeiter:<br />

Ärzteallianz fordert zwingend Honorarsteigerung<br />

Deutscher Ärzteverbände. „Wir sehen die<br />

Kassen und die Politik in der Pflicht!“<br />

Schlichterspruch enttäuscht<br />

Nach dem erwartbaren Scheitern im Bewertungsausschuss<br />

und einem Patt im<br />

Erweiterten Bewertungsausschuss, kam es<br />

nun auf den „unparteiischen Vorsitzenden“,<br />

den Duisburger Gesundheitsökonomen<br />

Prof. Jürgen Wasem an. Der stimmt<br />

schließlich mit dem Kassenlager einer<br />

Erhöhung des Orientierungspunktwertes<br />

um 0,9 Prozent zu. Die Reaktion erfolgt<br />

umgehend: „Es ist unfassbar, was der<br />

Gremiumsvorsitzende mit den Stimmen der<br />

Kassen und gegen die Stimmen der KBV<br />

beschlossen hat. Wir sollen die Preisentwicklungen<br />

der vergangenen Jahre aus der<br />

eigenen Tasche bezahlen. Das ist eine<br />

Kriegserklärung“, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk<br />

Heinrich.<br />

„Eine Honorarkürzung ist zwar verhindert<br />

worden, aber ein Ergebnis von 0,9 Prozent<br />

ist bei Berücksichtigung der Inflation von<br />

2009 bis heute und den in dieser Zeit<br />

gestiegenen Energie- und Personalkosten<br />

faktisch eine Minusrunde“, so Dr. Heinrich.<br />

Die Strukturen, die der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

zur Protestvorbereitung aufgebaut habe,<br />

müssten nun zum Tragen kommen. „Das<br />

Kalkül der Kassen ist offenbar aufgegangen,<br />

mit üblen Diffamierungen und Neidkampagnen<br />

gegen die Ärzteschaft Stimmung<br />

zu machen. Damit ist das Klima auf<br />

lange Zeit vergiftet“, stellt Dr. Heinrich<br />

fest.<br />

Doch damit nicht genug: Die niedergelassenen<br />

Ärzte in Deutschland fordern tags<br />

darauf <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister Bahr<br />

auf, den am Vortag erzielten Honorar-<br />

Abschluss nachzubessern. „Dieses Ergebnis<br />

ist inakzeptabel“, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des Verbandes der niedergelassenen<br />

Ärzte Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich. „Der<br />

Beschluss konterkariert alle gesetzgeberischen<br />

Maßnahmen des Versorgungsstrukturgesetzes,<br />

das verhindern sollte, dass die<br />

medizinische Versorgung ganzer Landstriche<br />

durch Ärztemangel ausblutet“, erläutert<br />

Dr. Heinrich.<br />

Zwar bestünde in den Nachverhandlungen<br />

noch die Möglichkeit nachzubessern, aber<br />

das werde unterm Strich keine signifikante<br />

Steigerung mehr bringen. „Der einseitige<br />

Schlichterspruch bringt pro Arzt müde 150<br />

Euro mehr im Monat. Das bedeutet, dass<br />

die niedergelassenen Ärzte die Inflation für<br />

5 Jahre, also von 2009 bis 2013, die steigenden<br />

Gehälter ihrer Angestellten und die<br />

Betriebskosten, wie die explodierenden<br />

Strom- und Energieausgaben, aus der<br />

Substanz bezahlen müssen“, erläutert der<br />

Vorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Zudem trage die niedergelassene Ärzteschaft<br />

jetzt die Last der steigenden Morbidität,<br />

also die zunehmende Krankheitslast<br />

der Patienten durch die zunehmende Alterung<br />

der Bevölkerung.<br />

„Die Veränderung des Orientierungspunktwertes<br />

an der 2. Stelle hinterm Komma<br />

(von derzeit 3,5048 auf 3,5363 Cent) ist<br />

ein verheerendes Signal an die nachfolgende<br />

Arztgeneration. Für Landarztpraxen<br />

werden sich keine Nachfolger finden, Ärzte<br />

über 60 Jahre werden nun die Praxen<br />

früher als geplant abgeben. Die Wartezeiten<br />

werden ebenso zunehmen wie der<br />

Ärztemangel. Hier müssen auch die Landespolitiker,<br />

Landräte und Bürgermeister<br />

auf den <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister einwirken,<br />

dass er diesen desolaten Honorarabschluss<br />

revidiert“, fordert Dr. Heinrich.<br />

8 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> wird<br />

Koordinierungsstelle<br />

Der <strong>Bund</strong>esvorstand des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es beschloss indes in einer Sondersitzung,<br />

allen Berufs- und Fachverbänden in<br />

seiner Berliner Geschäftsstelle eine Koordinierungsstelle<br />

für den Ärzteprotest bereitzustellen.<br />

Nach einem möglichen Schlichterspruch<br />

zu den ärztlichen Honoraren<br />

Inakzeptables Ergebnis: Beschluss des Bewertungsausschusses<br />

treibt Ärzte auf die Barrikaden<br />

© picsfive - Fotolia.com<br />

konnten. Neben der Information von Patienten<br />

und Versicherten über die fatalen<br />

Forderungen der Krankenkassen und die<br />

Mobilisierung von Ärzten und Praxismitarbeitern<br />

wollte die neu formierte Ärzte-<br />

Allianz einen zentralen Protesttag in Berlin<br />

vorbereiten.<br />

Erste Urabstimmung der<br />

Niedergelassenen<br />

Dass die niedergelassenen Ärzte protestbereit<br />

sind, ergab eine umgehend durchgeführte<br />

Urabstimmung unter den niedergelassenen<br />

Ärzten, die erste dieser Art in der<br />

deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Aufruf<br />

hieß es: „Die freien Ärzteverbände sind<br />

entsetzt über die Blockadehaltung der<br />

Krankenkassen bei den heute stattgefundenen<br />

Verhandlungen.“ Der Spitzenverband<br />

der Krankenkassen zeigte sich derart<br />

kompromisslos, dass sich die Kassenärztliche<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigung gezwungen sah,<br />

die Verhandlungen abzubrechen. Die freien<br />

Ärzteverbände haben sich in einer Schaltkonferenz<br />

darauf geeinigt, dass ab der<br />

nächsten Woche erste harte Maßnahmen<br />

beginnen, die zunächst nur die Krankenkassen<br />

betreffen werden. Dabei ist vor<br />

allem das interne Umverteilungssystem der<br />

Krankenkassen im Visier. „Wir werden das<br />

System des Morbi-RSA so durcheinanderwirbeln,<br />

dass die Krankenkassen nicht<br />

mehr wissen, wie sie das Geld verteilen<br />

sollen“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Sprecher<br />

der Allianz deutscher Ärzteverbände. Zugleich<br />

führen die Verbände bei ihren Mitgliedern<br />

eine Urabstimmung über Warnstreiks<br />

und Praxisschließungen durch. Nach<br />

Ende der Urabstimmung können erste<br />

Warnstreiks und Praxisschließungen noch<br />

im September 2012 beginnen. Zugleich<br />

werden die niedergelassenen Ärzte ihre<br />

Patienten über die Hintergründe und mögliche<br />

Auswirkungen auf die Versorgung<br />

vorbereiten. Diese Informationen werden<br />

über die niedergelassenen Ärzte verteilt.“<br />

Ein Bogen mit fünf Fragen wurde über die<br />

Verbände an insgesamt rund 100.000<br />

niedergelassene Ärzte verschickt:<br />

1. Sind Sie für Protestaktionen?<br />

2. Würden Sie sich an Praxisschließungen<br />

beteiligen?<br />

3. Würden Sie sich an regionalen Veranstaltungen<br />

beteiligen?<br />

4. Würden Sie sich an einer zentralen Veranstaltung<br />

beteiligen?<br />

5. Würden Sie Ihre Praxis auch eine längere<br />

Zeit streng nach WANZ-Kriterien<br />

führen? (Die Krankenkassen erstatten<br />

Diagnostik und Therapien nach den<br />

sollte dadurch möglichst schnell die Aktionsfähigkeit<br />

der ärztlichen Verbände hergestellt<br />

werden. Ziel sei es, die anstehenden<br />

Protestmaßnahmen und Praxisschließungen<br />

zu koordinieren und diese Maßnahmen<br />

als ein wirkungsvolles Signal an<br />

Krankenkassen und Politik auszusenden.<br />

Honorarklau und eine Rückkehr zum alten<br />

Globalbudget mit floatendem Punktwert<br />

sind mit den niedergelassenen Ärzten nicht<br />

zu machen.<br />

In Form eines runden Tisches schlossen<br />

sich schließlich über 30 Berufs- und Fachverbände<br />

zusammen, die gleichberechtigt<br />

ihre Ideen und Protestformen einbringen<br />

Zur Allianz der über 30 Berufsverbände zählen: Allianz deutscher Ärzteverbände (Berufsverband<br />

der Deutschen Internisten, <strong>Bund</strong>esverband der Ärztegenossenschaften, Gemeinschaft<br />

Fachärztlicher Berufsverbände, Hartmannbund, Medi Deutschland, <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, Verband<br />

der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.), Bayerischer Facharztverband, Berufsverband<br />

Deutscher Neurochirurgen e.V. (BDNC), Berufsverband der Augenärzte Deutschlands<br />

e. V., Berufsverband der Dermatologen, Berufsverband der Deutschen Urologen e.V. (BDU),<br />

Berufsverband der Fachärzte für Kardiologie in freier Praxis e.V., Berufsverband der Fachärzte<br />

für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), Berufsverband der Frauenärzte (BVF), Berufsverband<br />

der HNO-Ärzte, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Berufsverband für<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V.<br />

(bkjpp), Berufsverband niedergelassener fachärztlich tätiger Internisten e.V. (BNFI), Berufsverband<br />

Deutscher Nervenärzte (BVDN), Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN), Berufsverband<br />

Deutscher Psychiater (BVDP), Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh), Berufsverband<br />

niedergelassener Chirurgen (BNC), Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen<br />

(bng), <strong>Bund</strong>esverband Ambulantes Operieren, <strong>Bund</strong>esverband hausärztlicher Internisten<br />

e.V. (BHI), <strong>Bund</strong>esverband der Pneumologen (BdP), <strong>Bund</strong>esverband niedergelassener Diabetologen<br />

(BVND), <strong>Bund</strong>esverband Niedergelassener Hämatologen und Onkologen (BNHO), <strong>Bund</strong>esverband<br />

Niedergelassener Kardiologen (BNK), Facharzt Allianz Bayern (FAABY), Freie Ärzteschaft<br />

e.V., Gesundheitsnetz Süd e.G., GFB Bayern, Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa)<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 9


Kriterien: wirtschaftlich, ausreichend,<br />

notwendig und zweckmäßig)<br />

Die Ergebnisse der Umfrage wurden vom<br />

KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas<br />

Köhler und dem <strong>Bund</strong>esvorsitzenden des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, in<br />

der <strong>Bund</strong>espressekonferenz vorgestellt: Es<br />

sprachen sich rund 75 Prozent der niedergelassenen<br />

Ärzte dafür aus, ihre Praxen aus<br />

Protest zu schließen. Nur eine Woche<br />

hatten die Verbände Zeit, ihre Mitglieder<br />

zu dieser Urabstimmung aufzurufen. An<br />

der Abstimmung beteiligten sich nach<br />

Angabe der Verbände knapp die Hälfte<br />

aller angeschriebenen Ärzte (49,19 Prozent).<br />

„Das ist bislang einmalig. An der<br />

enormen Beteiligung innerhalb so kurzer<br />

Zeit zeigt sich das hohe Protestpotential<br />

der Ärzteschaft“, erklärt der Sprecher der<br />

Allianz Deutscher Ärzteverbände, Dr. Dirk<br />

Heinrich.<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

75 Prozent für Praxisschließungen – KBV-Chef Dr. Köhler und Allianz-Sprecher Dr. Heinrich<br />

bei der Verkündung der Urabstimmungsergebnisse<br />

„Bei dem Protest geht es um die Anpassung<br />

der Preise für unsere ärztlichen Leistungen<br />

durch Inflation und Kostenerhöhung<br />

in den letzten Jahren. Die einseitig<br />

von den Kassen durchgedrückte minimale<br />

Anhebung um 0,9 Prozent ist eine Kampfansage<br />

an die Praxisärzte. Gleichzeitig<br />

stellt es ein verheerendes Signal der Kassen<br />

an die nachfolgende Ärztegeneration dar“,<br />

befürchtet Dr. Heinrich, zugleich <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es. Der<br />

Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigung (KBV), Dr. Andreas<br />

Köhler erklärte: „Lassen Sie es mich deutlich<br />

sagen: Es geht um die ambulante<br />

medizinische Versorgung der Versicherten.<br />

Diese müssen wir zukunftsfest machen<br />

insbesondere vor dem Hintergrund einer<br />

auch dank des medizinischen Fortschritts<br />

älter werdenden Bevölkerung und einer<br />

sich ändernden Gesellschaft. Damit werden<br />

auch an die Versorgung neue Herausforderungen<br />

gestellt. Wir haben dazu am Wochenende<br />

entscheidende Verhandlungen<br />

mit den Krankenkassen. Ich appelliere an<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

die Kassenseite, ihrer Verantwortung gerecht<br />

zu werden.“<br />

Zeitgleich haben Kassenärztliche Vereinigungen,<br />

KBV und freie Verbände zu Aktionen<br />

in den Praxen gegen die Kassenbüro-<br />

Hohe mediale Aufmerksamkeit – Dr. Heinrich im Interview<br />

10


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

kratie aufgerufen. Die Resonanz darauf bei<br />

den niedergelassenen Kolleginnen und<br />

Kollegen war positiv. „Wir sind kampfbereit“,<br />

signalisiert der Sprecher der Allianz,<br />

Dr. Heinrich. „Wir haben in dieser Woche<br />

gezeigt, dass wir nicht nur entschlossen,<br />

sondern auch handlungsfähig sind.“ Seit<br />

Montag fahren die freien Verbände und<br />

die KBV gemeinsam eine Politik der Nadelstiche.<br />

„Wir sind entschlossen die Maßnahmen<br />

auszuweiten: Kommt es am Samstag<br />

zu keiner Einigung, werden die Verbandsspitzen<br />

Anfang nächster Woche über Praxisschließungen<br />

noch in diesem Monat<br />

entscheiden. Dafür haben wir jetzt nicht<br />

nur den Rückhalt, sondern auch das Mandat.“<br />

„Die Aktionen richten sich gegen die<br />

Kassen, nicht gegen die Patienten“, stellt<br />

abschließend Dr. Heinrich klar. Dennoch<br />

könne es sein, dass Patienten dann betroffen<br />

sind: „Denn auch die jetzt zugestandene<br />

magere Erhöhung von 0,9 Prozent<br />

bedeutet für die Patienten in Zukunft<br />

Leistungskürzungen und längere Wartezeiten“.<br />

Operation „Shitstorm“<br />

Neben mit der KBV konzertierten Aktionen,<br />

wie eine Bürokratieblockade, waren es<br />

vor allem die feinen Nadelstiche, mit denen<br />

die Protestallianz auf sich aufmerksam<br />

machte: So bombardierten niedergelassene<br />

Ärzte für einen Tag die Zentralen der<br />

Krankenkassen und Krankenkassenverbände<br />

mit Protestfaxen. In den Faxen forderten<br />

die Ärzte die Kassen auf, die ständigen<br />

Diffamierungen zu beenden und die Mittel<br />

für eine ordentliche Versorgung der Patienten<br />

bereitzustellen.<br />

Nach Medienberichten verlief die Protestaktion<br />

erfolgreich. So berichtet das Hamburger<br />

Abendblatt in seiner Online-Ausgabe,<br />

dass der GKV-Spitzenverband bereits<br />

eine neue Nummer einrichten musste, um<br />

überhaupt erreichbar zu sein. Auch die<br />

Hamburger Zentrale des Verbandes der<br />

Ersatzkassen (vdek) soll demnach betroffen<br />

gewesen sein.<br />

© lagom - Fotolia.com<br />

Tausendfacher Protest an die Krankenkassen –<br />

„Operation Shitstorm“ legt Kassenfaxe lahm<br />

Die Aktion von über 30 Ärzteverbänden<br />

war im Vorfeld aus taktischen Gründen<br />

bewusst nicht angekündigt worden. „Nach<br />

der Bürokratie-Blockade, die zuvor begonnen<br />

hat, gehen wir nun einen Schritt weiter.<br />

Die Kassen sollen den tief sitzenden<br />

Frust der Ärzte direkt zu spüren bekommen“,<br />

erklärt der Sprecher der Allianz<br />

deutscher Ärzteverbände und <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dirk<br />

Heinrich. Die Protestmaßnahmen der Ärzte,<br />

so Dr. Heinrich weiter, zielten dabei ausdrücklich<br />

nicht auf die Patienten, sondern<br />

auf die Krankenkassen. In der Vergangenheit<br />

hätten die Krankenkassen immer wieder<br />

Auftragsgutachten und fragwürdige<br />

Studien veröffentlicht, die das Zerrbild des<br />

korrupten Arztes zeichneten. Dr. Heinrich:<br />

„Die Ärzte haben es satt, sich mit Schmutz<br />

bewerfen zu lassen. Das merken die Kassen<br />

jetzt.“<br />

Nachverhandlungen und<br />

Protestvorbereitung<br />

Nach dem Schlichterspruch zum Orientierungspunktwert<br />

wurde eine weitere Verhandlungsrunde<br />

anberaumt. Hierbei ging<br />

es um die Bewertung der Morbiditätsentwicklung<br />

und das Ziel der KBV, die Psychotherapie<br />

aus dem Honorartopf der<br />

Fachärzte herauszulösen. Zwar konnte<br />

hierbei keine Kompensation des schlechten<br />

Schlichterspruchs erwartet werden, dennoch<br />

war die ärztliche Basis sensibilisiert<br />

und unzufrieden. Demzufolge blieb die<br />

Protestbereitschaft hoch. Wenige Tage vor<br />

Beginn der nächsten Honorarrunde begannen<br />

die niedergelassenen Ärztinnen und<br />

© Yanterric - Fotolia.com<br />

Ärzte mit weiteren Protestaktionen gegen<br />

den Honorarbeschluss des erweiterten<br />

Bewertungsausschusses. Bei Beginn der<br />

Aktionswoche standen dabei ausschließlich<br />

die Krankenkassen im Visier der Maßnahmen.<br />

„Unser Protest richtet sich nicht<br />

gegen die Patientinnen und Patienten,<br />

sondern gegen die Kassen. Ab sofort machen<br />

die Ärzte Dienst nach Vorschrift“, so<br />

der Sprecher der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />

und <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich. Mit den<br />

Maßnahmen nehmen die Praxisärzte die<br />

Kassenbürokratie aufs Korn. So wurden<br />

Kassenanfragen gar nicht oder mit einem<br />

Standardschreiben beantwortet. „Dies trifft<br />

die Kassen empfindlich, verschicken sie<br />

Bürokratieblockade zur Aktionswoche: Rund sechs<br />

Millionen Anfragen verschicken die Kassen pro Jahr<br />

doch jährlich rund sechs Millionen dieser<br />

Schreiben. In der Summe müssen Niedergelassene<br />

dafür nahezu eine Million Arbeitsstunden<br />

zusätzlich aufwenden. Das ist<br />

Zeit, die wir nun mehr für die Behandlung<br />

unserer Patienten haben“, betont der Sprecher<br />

der Allianz.<br />

Darüber hinaus soll aufgeklärt werden. In<br />

den Praxen erhalten die Patienten von nun<br />

an Patienteninformationen über die der-<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 11


zeitigen Preise für ärztliche Leistungen.<br />

Heinrich: „Damit zeigen wir den Menschen,<br />

was eine ärztliche Leistung eigentlich<br />

wert ist und wie die Kassenpropaganda,<br />

das zu verschleiern versucht.“<br />

„Wir fordern die Rücknahme des Honorarbeschlusses,<br />

den Beginn von Neuverhandlungen<br />

sowie ein Ende der Stimmungsmache<br />

und Schmutzkampagne gegen die<br />

Ärzteschaft. Es geht auch um das zukünftige<br />

Miteinander von Kassen und Ärzten.<br />

Mit den Kassen-Forderungen, die Mittel<br />

für die ambulante Versorgung um zwei<br />

Milliarden Euro zu kürzen wurde eine rote<br />

Linie überschritten. Damit haben die Kassen<br />

ihre Rolle als Monopolist völlig überreizt“,<br />

erklärt Dr. Heinrich.<br />

Die Allianz der Ärzteverbände rüstete sich<br />

indes für ein mögliches Scheitern der Gespräche<br />

zwischen Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

(KBV) und dem GKV-Spitzenverband.<br />

Die Ärzteallianz rief daher zu<br />

einem flächendeckenden Aktionstag am<br />

10. Oktober 2012 auf. An diesem Tag<br />

organisieren Ärzte und auch Medizinische<br />

Fachangestellte (MFA) Demonstrationen<br />

vor den Zweigstellen von gesetzlichen<br />

Krankenkassen in Deutschland. In vielen<br />

Arztpraxen werden dann die Mitarbeiterinnen<br />

in den Praxen fehlen – eine ganze<br />

Reihe von Ärzten hat auch angekündigt,<br />

ihre Praxen ganz zu schließen.<br />

„Das bisher vorgelegte Angebot der Kassen<br />

ist absolut unzureichend. Diese angebliche<br />

Honorarsteigerung ist tatsächlich ein realer<br />

Einkommensverlust, da das Angebot unter<br />

der Inflationsrate liegt. Wir haben Hinweise<br />

darauf, dass sich an der Haltung der gesetzlichen<br />

Krankenkassen nichts geändert<br />

hat und dass ein für die Ärzte positives<br />

Ergebnis bei den anstehenden Verhandlungen<br />

unwahrscheinlich wird. Die bereits<br />

angelaufenen, internen Maßnahmen zur<br />

Eindämmung der Bürokratie durch die<br />

Krankenkassen behalten wir bei “, erläutert<br />

Dr. Dirk Heinrich, der Sprecher der Allianz.<br />

„Die gesetzlichen Krankenkassen horten<br />

mehr Überschüsse, als ihnen per Gesetz<br />

erlaubt ist. Nur ist in diesem Gesetz nicht<br />

geregelt, wie die Krankenkassen diese<br />

Überschüsse verwenden müssen. Statt das<br />

Geld in die medizinische Versorgung zu<br />

investieren, kann jede Kasse selbst entscheiden,<br />

was sie damit macht. Wohlgemerkt<br />

– es handelt sich um mehr Überschüsse,<br />

als das Gesetz erlaubt. Offensichtlich<br />

hat der Gesetzgeber ein solches Szenario<br />

nicht antizipiert – sonst gäbe es in dem<br />

Gesetz ja auch eine rechtliche Handhabe<br />

gegen die Blockade-Politik der Kassen.<br />

Gleichzeitig werden wir Ärzte zu Bittstellern<br />

degradiert, die in aller Öffentlichkeit<br />

von den Krankenkassen verunglimpft werden<br />

– es ist einfach unfassbar“, kritisiert<br />

Heinrich.<br />

Kassen: Problem ist Verteilung<br />

In der Honorarauseinandersetzung argumentieren<br />

die Krankenkassen immer wieder<br />

mit der Mär von der Umverteilung, dass<br />

eigentlich genug Geld im System, dies aber<br />

nur falsch verteilt sei. Zeit, mit diesem<br />

Märchen endlich aufzuräumen: „Thema<br />

verfehlt, kann ich da nur sagen“, erklärt<br />

der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />

niedergelassenen Ärzte, Dr. Dirk Heinrich.<br />

„Im derzeitigen Honorarstreit geht es gerade<br />

nicht um die Verteilung der Honorare,<br />

sondern um die Anpassung an die Preisentwicklung“,<br />

erläutert Dr. Heinrich. Beim<br />

aktuellen Honorarbeschluss habe das Kartell<br />

der Krankenkassen gegen die Ärzteschaft<br />

durchgesetzt, dass die Preisentwicklung<br />

der letzten fünf Jahre ignoriert und<br />

ein Ausgleich von gerade einmal 0,9 Prozent<br />

zugebilligt werde.<br />

Die Investitions- und Betriebskosten der<br />

Praxen sind in den letzten fünf Jahren<br />

mindestens um die Inflationsrate von 5,8<br />

Prozent gestiegen. Hier kommt der Orientierungswert<br />

ins Spiel. Über ihn werden die<br />

Kostensteigerungen kompensiert, auf die<br />

der Arzt keinen Einfluss hat. „Das wird<br />

ganz einfach deutlich am Beispiel eines<br />

© Jürgen Fälchle / Fotolia<br />

EKGs: Hierfür gibt es einen festen Preis,<br />

der aus den Fix- und Betriebskosten und<br />

dem rechnerischen Arztgehalt besteht. Die<br />

Fix- und Betriebskosten sind in den letzten<br />

fünf Jahren mindestens um die Inflationsrate<br />

von 5,8 Prozent gestiegen. Wird für<br />

diesen Zeitraum eine Erhöhung von lediglich<br />

0,9 Prozent zugebilligt, trägt die tatsächlichen<br />

Mehrkosten der Arzt über einen<br />

realen Einkommensverlust“, verdeutlicht<br />

Dr. Heinrich.<br />

Beispiel EKG: Fix- und Betriebskosten stiegen um mindestens<br />

5,8 Prozent.<br />

Der jüngste Honorarabschluss ignoriere<br />

zudem die Tarifsteigerungen für die Mitarbeiter<br />

in den Arztpraxen – allein für 2012:<br />

2,9 Prozent – und den Investitionsstau in<br />

den Praxen. Die wissenschaftliche ZiPP-<br />

Studie des Zi (Zentralinstitut für die kassenärztliche<br />

Versorgung) stellte kürzlich<br />

fest, dass derzeit im Schnitt rund 21.000<br />

Euro pro Praxis für Investitionen fehlen.<br />

Vor diesem Hintergrund entpuppe sich die<br />

geforderte Umverteilung als Scheinargument:<br />

„Die von den Krankenkassen geforderte<br />

Umverteilung würde immer bedeuten,<br />

dass ein Teil der ärztlichen Leistungen<br />

schlechter oder gar nicht mehr vergütet<br />

wird. Wer Umverteilung fordert, muss auch<br />

sagen, welche Leistungen nicht mehr erbracht<br />

werden sollen. Solange die Kassen<br />

hierzu schweigen, stehlen sie sich aus der<br />

Mitverantwortung“, so der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Einigung: Proteste gehen weiter<br />

Trotz einer Einigung in den Nachverhandlungen<br />

(je rund 250 Millionen Euro für die<br />

12 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

grundversorgenden Haus- und Fachärzte<br />

sowie eine teilweise Ausbudgetierung der<br />

psychotherapeutischen Leistungen) haben<br />

sich die Ärzteverbände in einer Telefonkonferenz<br />

für eine Fortsetzung der Protestaktionen<br />

entschieden. „Diese Einigung<br />

darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass das grundsätzliche Problem von fehlenden<br />

festen Preisen und unbezahlten<br />

Leistungen der Ärzte und Psychotherapeuten<br />

damit nicht gelöst ist. Der Orientierungspunktwert<br />

ist immer noch unverändert“,<br />

kritisiert der Sprecher der Allianz der<br />

Berufsverbände, Dr. Dirk Heinrich. Die<br />

vorbereiteten und bereits geplanten Proteste<br />

sollen deshalb ein Zeichen dafür sein,<br />

dass die niedergelassenen Ärzte auf eine<br />

grundsätzliche Lösung dieser Probleme<br />

drängen.<br />

Protest trotz Einigung – Niedergelassene drängen auf<br />

grundsätzliche Lösung<br />

Die niedergelassene Ärzteschaft unterstützt<br />

nachhaltig die von der KBV aufgestellten<br />

langfristigen Forderungen, insbesondere<br />

feste Preise zu vereinbaren und sämtliche<br />

medizinische Leistungen in der Praxis zu<br />

bezahlen. Nur so kann es den Ärzten gelingen,<br />

die Versorgung der Patienten auf<br />

dem gewohnten hohen Niveau zu sichern.<br />

Die weitere Strategie der Ärzteverbände<br />

wird nach der Befragung der Vertragsärzteschaft<br />

festgelegt.<br />

© pix4U / Fotolia<br />

Die Allianz der Ärzteverbände hat sich für<br />

eine Fortsetzung der Protestaktionen entschieden.<br />

Neben dem langfristigen Wunsch<br />

nach einer transparenten Bezahlung der<br />

ärztlichen Leistung zu festen Preisen,<br />

wehren sich die Mediziner insbesondere<br />

gegen Eingriffe der Krankenkassen in die<br />

Therapiehoheit der Ärzte. „Immer wieder<br />

sind Ärzte von Regressen betroffen, wenn<br />

sie Arzneien oder Medikamente verschreiben,<br />

die – aus Sicht der Krankenkassen –<br />

zu teuer sind oder wenn von den Kassen<br />

andere Medikamente als die verordneten<br />

zur Behandlung vorgeschrieben werden.<br />

Das geht inzwischen so weit, dass Krankenkassen<br />

sich z. B. für Impfstoffe entscheiden,<br />

die dann gar nicht lieferbar sind.<br />

„Wir sind dafür ausgebildet, Patienten zu<br />

helfen – es darf nicht sein, dass Krankenkassen<br />

in unsere Therapien eingreifen.<br />

Damit gefährdet man die Gesundheit unserer<br />

Patientinnen und Patienten“, kritisiert<br />

Dr. Dirk Heinrich, Sprecher der Allianz der<br />

Ärzteverbände und Vorsitzender des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

<strong>Bund</strong>esweiter Aktionstag<br />

So nahmen schließlich am Aktionstag<br />

„Praxis ohne Helferin“ und bei den Praxisschließungen<br />

bundesweit zehntausende<br />

Praxen teil. In diesen Arztpraxen fand<br />

entweder ein eingeschränkter Betrieb statt,<br />

andere Praxen blieben ganztags zu. Trotz<br />

der zuvor erzielten Einigung zwischen<br />

Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung und<br />

dem Spitzenverband der Krankenkassen<br />

beteiligten sich zusätzlich bundesweit<br />

Tausende Medizinische Fachangestellte<br />

und Ärzte an über 30 Demonstrationen vor<br />

Krankenkassenzentralen im gesamten<br />

<strong>Bund</strong>esgebiet.<br />

„Heute haben wir einen eindrucksvollen<br />

Schulterschluss von Ärzten und Praxispersonal<br />

erlebt. Das sollte ein deutliches Signal<br />

an die Krankenkassen sein, dass<br />

Arzthonorare Praxishonorare sind und im<br />

Wesentlichen dazu dienen, den Betrieb der<br />

niedergelassenen Arztpraxen aufrecht zu<br />

erhalten“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Sprecher<br />

der Allianz der Ärzteverbände und<br />

Vorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Deshalb seien auch 0,9 Prozent Erhöhung<br />

für ärztliche Preise zu wenig, um die Kosten-<br />

und Preissteigerungen der letzten<br />

fünf Jahre auszugleichen. „Diese Preispolitik<br />

der Krankenkassen gefährdet mittelfristig<br />

auch die Arbeitsplätze von Arzthelferinnen<br />

und medizinischen Angestellten“,<br />

betont Dr. Heinrich. Auch die Arbeitsbedingungen<br />

sind für viele niedergelassene<br />

Ärzte unbefriedigend. „Der hohe – großteils<br />

durch die Krankenkassen verursachte<br />

– bürokratische Aufwand, Regressandrohungen<br />

und die Einschränkungen bei der<br />

Auswahl der Medikation behindern die<br />

Arbeit in den Praxen. Wir sind Ärzte und<br />

nicht Bürokraten“, appelliert Heinrich an<br />

die Adresse der Krankenkassen.<br />

Nächste Runde: die Regionen<br />

Nach der endgültigen Einigung zwischen<br />

der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

und dem Spitzenverband der Krankenkassen<br />

im Streit um die Honorare der niedergelassenen<br />

Vertragsärzte kündigt die Allianz<br />

deutscher Ärzteverbände an, über die<br />

einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

Druck auf die regionalen Verhandlungspartner<br />

auszuüben. „Es kommt jetzt darauf<br />

an, dass die Beschlüsse in den Ländern<br />

umgesetzt werden. Die Kassen stehen<br />

dafür in der Verantwortung“, so der Sprecher<br />

der Allianz und <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />

Die Landesgruppen der einzelnen Berufsverbände<br />

werden dafür in den kommenden<br />

Tagen Kontakt zu den Sprechern der Vertreterversammlungen<br />

der Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen (KVen) aufnehmen. Weiteren<br />

Input erhalten die KVen über die beratenden<br />

Fachausschüsse, in denen auch die<br />

Mitglieder der Verbände vertreten seien, so<br />

Dr. Heinrich. „Wir tragen unsere Forderungen<br />

jetzt in die Regionen. Die Landesvor-<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 13


sitzenden von über 30 Berufsverbänden<br />

werden gerade mobilisiert.“<br />

Ziel der regionalen Verhandlungen müsse<br />

sein, so der Sprecher der Ärzteallianz weiter,<br />

die im Honorarbeschluss bestehenden<br />

Spielräume maximal zugunsten der Versorgung<br />

der Patienten auszureizen. „Das<br />

Ergebnis der Honorarverhandlungen auf<br />

<strong>Bund</strong>esebene ist für viele Kolleginnen und<br />

Kollegen nicht zufriedenstellend. Das ist an<br />

vielen Stellen nachvollziehbar, wie der Blick<br />

in die Versorgungswirklichkeit zeigt. Wir<br />

Verbände werden daher nun ganz genau<br />

aufpassen, dass vom Minimal-Konsens, der<br />

zwischen Kassen und Ärzten erzielt worden<br />

ist, zum Schluss auch was in den Praxen<br />

ankommt.“<br />

nicht mehr mit den Dachverbänden aller<br />

gesetzlicher Krankenkassen, sondern mit<br />

einzelnen Krankenkassenarten zu verhandeln.<br />

Dies fordert zunächst der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />

Dirk Heinrich, angesichts der schwierigen<br />

Honorarverhandlungen in den <strong>Bund</strong>esländern.<br />

„Wir brauchen kassenspezifische<br />

Schule machen könnte dabei das Beispiel<br />

Hamburgs. Unter Federführung der örtlichen<br />

KV sollen in einer Vollversammlung<br />

aller niedergelassenen Ärzte und Praxismitarbeiter<br />

der Hansestadt die Ergebnisse der<br />

Verhandlungen diskutiert werden. „Als<br />

Hamburger Arzt unterstütze ich die Aktion.<br />

Das hält den Druck im Kessel. Die Kassen<br />

sollen merken, dass wir Niedergelassenen<br />

vor Problemen stehen, die uns bereits<br />

heute eine vernünftige Versorgung unmöglich<br />

machen. Und das wird sich mit dem<br />

Rückgang der Arztzahlen in den nächsten<br />

Jahren noch verschärfen“, sagt Dr. Heinrich.<br />

Sollten sich die regionalen Verhandlungen<br />

insgesamt negativ für die Vertragsärzte<br />

entwickeln, seien Protestaktionen der<br />

Verbände nicht ausgeschlossen. Beispielsweise<br />

könne die so genannte Politik der<br />

Nadelstiche fortgesetzt werden. „Das können<br />

wir jederzeit wieder anlaufen lassen“,<br />

so der Sprecher der Allianz.<br />

Forderung nach kassenspezifischen<br />

Verträgen<br />

Als weitere Konsequenz aus den Honorarverhandlungen<br />

stand schnell die Forderung<br />

im Raum, das ärztliche Honorar zukünftig<br />

Verträge und keine Einheitsverträge mit<br />

allen Kassenarten.“ Dies könne die in vielen<br />

Regionen zäh verlaufenden Verhandlungsrunden<br />

beschleunigen und für eine<br />

bessere Ausstattung der ambulanten Versorgung<br />

sorgen.<br />

Das derzeitige Kassenkartell, so Dr. Heinrich,<br />

habe nicht nur zu einer gefährlichen<br />

Schieflage in der gemeinsamen Selbstverwaltung<br />

geführt. „Alle Verträge, die jetzt<br />

abgeschlossen werden, bilden lediglich den<br />

kleinsten gemeinsamen Nenner der Kassen<br />

ab und entsprechen nicht der Diversität der<br />

Versichertenstruktur“, bemängelt Dr. Heinrich.<br />

Konkret bedeute dies, dass die Probleme<br />

einzelner Krankenkassen dazu führen,<br />

dass die Versorgung für alle GKV-Versicherten<br />

auf einem Niveau stehen bleibe,<br />

das deutlich höher sein könne. „Wer Wett-<br />

Regionale Verhandlungsrunden stehen an:<br />

Spielräume ausnutzen<br />

14


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Es geht ums Geld: Die Honorarverhandlungen<br />

laufen zäh in den Regionen<br />

Streitthema Ärztehonorare – Dr. Dirk Heinrich zu<br />

Gast bei „Hart aber fair“ im ARD-Fernsehen<br />

© Joachim Wendler / Fotolia<br />

© ARD<br />

bewerb will, muss ihn auch zulassen, ganz<br />

besonders dort, wo er für die Menschen zu<br />

einer spürbaren Verbesserung der ambulanten<br />

Versorgung in den Praxen führen<br />

könnte“, verlangt Dr. Dirk Heinrich.<br />

Die Verhandlungen über die Arzthonorare<br />

waren in mehreren <strong>Bund</strong>esländern, unter<br />

anderem in Hamburg, Bayern und Sachsen,<br />

ergebnislos abgebrochen worden und<br />

mussten im Schiedsverfahren fortgeführt<br />

werden. Grund für das Scheitern, so der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />

niedergelassenen Ärzte Deutschlands, sei<br />

die destruktive Verhandlungsführung der<br />

regionalen Krankenkassen: „Es gibt offenbar<br />

eine Gesamtstrategie, die die <strong>Bund</strong>esvereinbarung<br />

außer Kraft setzen soll. In<br />

vielen Ländern werden die Vorgaben einfach<br />

ignoriert. Sogar die fest vereinbarte<br />

Ausbudgetierung der Psychotherapie steht<br />

plötzlich wieder zur Disposition.“ Vor<br />

diesem Hintergrund seien die abgeschlossenen<br />

beziehungsweise kurz vor dem Abschluss<br />

stehenden Verhandlungen in Berlin<br />

und in Baden-Württemberg eine absolute<br />

Ausnahme.<br />

Entscheidend für einen erfolgreichen Honorarabschluss<br />

sei, dass sich in den Verträgen<br />

die wesentlichen Punkte des <strong>Bund</strong>esergebnisses<br />

widerspiegelten und von Kassenseite<br />

nicht versucht werde, unter dem<br />

von Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

und GKV-Spitzenverband im Oktober<br />

ausgehandelten Honorarkompromiss zu<br />

bleiben, unterstreicht Dr. Heinrich. „Leider<br />

sind wir davon in vielen Regionen weit<br />

entfernt, wo es mitunter schon an den einfachsten<br />

Umgangsregeln scheitert. Gemeinsame<br />

Selbstverwaltung geht anders.“<br />

Proteste in den Medien<br />

Bei Verhandlungen hängt viel von der<br />

Taktik und der Strategie der Kontrahenten<br />

ab. So wird verzögert oder beschleunigt,<br />

wenn es der jeweiligen Sache dient. Ansonsten<br />

gilt das Prinzip: Zugeständnisse<br />

nur für Gegenleistungen. Diese Regel<br />

kennt eine Ausnahme: Zeigen sich Bürger<br />

und Medien am Thema interessiert, wird es<br />

für die Verhandlungspartner ungemütlich.<br />

Der Druck auf alle Beteiligten steigt. Bei<br />

den jüngsten Honorarverhandlungen, die<br />

im Oktober nach wochenlangem Streit<br />

unerwartet plötzlich abgeschlossen wurden,<br />

lassen sich alle Determinanten eines<br />

schonungslosen Gefeilsches wiederfinden.<br />

Die Krankenkassen eröffneten den niedergelassenen<br />

Ärzten gleich zu Beginn, dass<br />

sie nicht mehr, sondern künftig weniger<br />

Honorar erhalten sollen. Dieser Tiefschlag<br />

mobilisierte die Praxisärzte. Es formierte<br />

sich Protest – über alle Fachgruppen hinweg,<br />

zwischen Verbänden und Körperschaften.<br />

In einer Urabstimmung zeigten<br />

sich 75 Prozent der Niedergelassenen<br />

bereit, ihre Praxen aus Protest zu schließen.<br />

Die Drohung kam bei den Kassen an, wie<br />

in der „Welt“ tags darauf zu lesen war:<br />

„Der Spitzenverband der Kassen bekräftigte<br />

den Willen, auf dem Verhandlungsweg zu<br />

einer Verständigung über die Honorare zu<br />

kommen.“ Die Aussicht auf lange Wartezeiten<br />

und verschlossene Praxen, wie sie in<br />

allen Medien zu hören war, verfehlte ihre<br />

Wirkung nicht. Nur einen Tag nach der<br />

Urabstimmung legten die Kassen ein neues<br />

Angebot auf den Tisch. Die mediale Berichterstattung<br />

hatte gehörig Schwung in<br />

die verfahrenen Verhandlungen gebracht.<br />

Als noch wirkungsvoller erwies sich der<br />

angekündigte „Tag ohne Helferinnen“ im<br />

Oktober 2012. Ärzteverbände hatten Praxisärzte<br />

und Medizinische Fachangestellte<br />

dazu aufgerufen, Kundgebungen vor örtlichen<br />

Krankenkassen-Filialen im ganzen<br />

Land zu veranstalten. Dabei sollte öffentlich<br />

gezeigt werden, dass die Vergütung<br />

ärztlicher Leistungen weit mehr als das<br />

Honorar des Arztes ist. Tausende Arbeitsplätze<br />

seien gefährdet, war auf den Transparenten<br />

der Demonstranten zu lesen.<br />

Diese Botschaft kam an: Einerseits bei den<br />

Medien, die im großen Stil über die eigentlich<br />

gar nicht so großen Kundgebungen<br />

15


erichteten. Und andererseits bei den<br />

Kassen, die nun immer mehr Druck zu<br />

spüren bekamen. Zwar seien die Proteste<br />

„überzogen und substanzlos“ und es stehe<br />

„genug Geld“ zur Verfügung, beschwichtigte<br />

ein Kassensprecher. Die wütenden<br />

Ärzte vor Ort diktierten den zahlreich angereisten<br />

Journalisten jedoch eine andere<br />

Wahrheit in die Notizbücher. Dr. Lothar<br />

Bleckmann, ein HNO-Arzt aus Kleve,<br />

kämpfe für eine „vernünftige Grundbezahlung“.<br />

Diese sei nicht vorhanden, sagte er<br />

der „Rheinischen Post“. Der Fehler liege im<br />

System, das mit Pauschalen statt festen<br />

Leistungsvergütungen grundsätzlich unfair<br />

sei.<br />

Dass es bei den Protesten nicht um den<br />

neuen Porsche für den Arzt gehe, wie die<br />

ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ im Sendungstitel<br />

provozierend nahe legte, kam<br />

bei fast allen Medien an. So hieß es in der<br />

„ARD-Tagesschau“, dass die Mediziner<br />

„nicht nur steigende Honorare, sondern<br />

auch eine Reform des Verteilungssystems<br />

fordern.“ Das „Heute-Journal“ des ZDF<br />

erläuterte am Beispiel des Kieler Allgemeinmediziners<br />

Matthias Seusing (Landesgruppenvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es Schleswig-Holstein), wie viel beziehungsweise<br />

wie erstaunlich wenig von den<br />

Pauschalen nach Abzügen übrig bleibt. So<br />

arbeite er oft gratis, während die Kosten<br />

für Mitarbeiter und Praxis stiegen. Und<br />

selbst ein als Großverdiener unter den<br />

Ärzten sonst in der Regel argwöhnisch<br />

beäugter Nephrologe, hatte Gelegenheit,<br />

schlüssig zu erklären, dass Hochleistungsmedizin<br />

nun mal viel Geld koste und nicht<br />

mir nichts, dir nichts umverteilt werden<br />

könne.<br />

Nicht alle Journalisten machten sich die<br />

Mühe, Hintergründe und Ursachen für die<br />

Unzufriedenheit der Ärzte zu recherchieren.<br />

Entsprechend einseitige Kommentare<br />

waren zu lesen, die auf die vermeintliche<br />

Gier der Mediziner abzielten. Andere Medien<br />

schauten gründlicher nach und beleuchteten<br />

die Wahrheit hinter der gern<br />

publizierten Fassade der quengelnden<br />

Hochverdiener. So kommentierte die Zeit:<br />

„Der Streit um die Ärztehonorare ist nur<br />

ein Nebenschauplatz. Das gesamte System<br />

ist Irrsinn und muss sich dringend zum<br />

Wohle der Patienten ändern.“ Ähnlich<br />

differenziert analysierte der „Deutschlandfunk“<br />

die Lage. Demnach seien die gern<br />

bemühten Golfplatz-Vergleiche nur die<br />

halbe Wahrheit. „Wenn wir also wollen,<br />

dass es auch in Neukölln, Wilhelmsburg<br />

und Neuperlach, aber auch im bayrischen<br />

Wald oder am Oderhaff künftig gute niedergelassene<br />

Ärzte gibt, die auch noch Zeit<br />

finden, mit ihren Patienten zu reden, müssen<br />

wir sie so bezahlen, wie nun einmal ihr<br />

Marktwert ist. Dazu genügt es nicht, die<br />

Ärztehonorare weit unterhalb der Inflationsrate<br />

anzuheben“, so Andreas Baum im<br />

„Deutschlandfunk“.<br />

Verhältnis zu Kassen bleibt kritisch<br />

Dass die Honorarauseinandersetzung die<br />

scharfen arztkritschen Töne der Kassen<br />

nicht beendet und das Verhältnis der Ärzteschaft<br />

zu den Krankenkassen nachhaltig<br />

beschädigt hat, zeigte sich im weiteren<br />

Verlauf: So wurde Dr. Jürgen Graalmann,<br />

AOK-<strong>Bund</strong>esverbandschef, in der Welt<br />

zitiert mit den Worten: „Es ist immer dasselbe<br />

Lied. Im Gesundheitswesen fordern<br />

alle Akteure reihum mehr Geld. Im Herbst<br />

kommen immer die Ärzte, im Winter die<br />

Apotheker, im Frühling die Krankenhäuser<br />

und im Sommer die Pharmaindustrie.<br />

Besonders schlimm ist es in Wahljahren.“<br />

Auf diese Auslassungen reagierte der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> umgehend mit dem Kommentar,<br />

der Kassenboss habe „merkwürdige<br />

Ansichten zur gemeinsamen Selbstverwaltung.“<br />

Statt bereits Monate vor Verhandlungsbeginn<br />

gegen die Honorarforderungen<br />

der Niedergelassenen zu wettern, solle<br />

sich der AOK-Chef über die Ursachen der<br />

desolaten Finanzlage vieler Versorgerpraxen<br />

Gedanken machen, so Dr. Heinrich.<br />

„Kein Arzt protestiert aus langer Weile oder<br />

© AOK-Mediendienst © AOK-Mediendienst<br />

Pauschale Kritik an ärztlichen Forderungen –<br />

AOK-Vorstand Dr. Jürgen Graalmann<br />

„Merkwürdige Doppelzüngigkeit“ – Uwe Deh,<br />

AOK-Vorstandsmitglied<br />

16


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

um sich einen neuen Sportwagen zuzulegen.<br />

Viele Praxen der grundversorgenden<br />

Fachgruppen können bereits seit Jahren<br />

nicht mehr genug in neue Geräte oder<br />

weitere Mitarbeiter investieren.“ Wer diese<br />

Nöte als turnusgemäßes Jammern abtue,<br />

unterstreiche seine Blockadementalität und<br />

verhöhne das hohe Gut der gemeinsamen<br />

Selbstverwaltung aus Krankenkassen und<br />

Ärzten, kommentiert Dr. Heinrich die Aussagen<br />

des AOK-Vorstandes.<br />

Darüber hinaus seien die niedergelassenen<br />

Ärzte keine Bittsteller, erklärt der Verbandsvorsitzende.<br />

Sie sicherten mit ihren<br />

fast 100.000 Praxen die flächendeckende<br />

ambulante Versorgung. Die Aufgabe der<br />

Krankenkassen liege in der ausreichenden<br />

und angemessenen Finanzierung der ambulanten<br />

Versorgung und nicht in deren<br />

Abwehr. „Deshalb finden die jährlichen<br />

Honorarverhandlungen statt. Steigende<br />

Kosten und Mehrleistungen durch eine<br />

kränkere Bevölkerung erfordern Mehrausgaben<br />

für die ambulante Medizin. Wer dies<br />

nicht will, muss seinen Versicherten auch<br />

die Folgen erklären: nämlich Wartelisten<br />

und Zuteilungsmedizin nach Kassenlage“,<br />

so Dr. Heinrich.<br />

Am gemeinsamen Verständnis der Kassen<br />

von Selbstverwaltung zweifelt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

schon lange: „Das Kartell der Kassen ist<br />

inzwischen so selbstbewusst, dass es nun<br />

alle seine Partner der Leistungserbringerseite<br />

reihum diskreditiert. Es ist jedenfalls<br />

kein Ausdruck von Partnerschaft, sein<br />

Gegenüber auf Reflexe und Habgier zu<br />

reduzieren“, betont Dr. Heinrich.<br />

Weitere Beispiele gefällig? Immer wieder<br />

geraten Ärzteschaft und Krankenkassen<br />

aneinander, meist durch gezielte Provokationen<br />

der Kassenseite. So fordert der Vize-<br />

Chef des AOK-<strong>Bund</strong>esverbandes, Uwe Deh,<br />

auf der KBV-Versorgermesse mit treuen<br />

Augen, die ambulante Versorgung solle<br />

doch stärker auf Ergebnisqualität ausgerichtet<br />

sein. Sein eigenes Haus hatte er<br />

dabei wohl aus dem Blick verloren, denn<br />

auf der anderen Seite schließt ausgerechnet<br />

die AOK aber einen Vertrag zur Hörgeräteversorgung<br />

allein durch Hörgeräteakustiker<br />

unter Umgehung der HNO-Ärzte und<br />

im Widerspruch zu den Qualitätssicherungs-Richtlinien<br />

zur Hörgeräteversorgung.<br />

Die in den Richtlinien vorgeschriebene<br />

Qualitätssicherung, insbesondere auf die<br />

Ergebnisqualität hin, wird dadurch unmöglich<br />

gemacht. Dabei hatten sich die Krankenkassen<br />

bereits bei der Implementierung<br />

der Qualitätssicherungs-Richtlinien geweigert,<br />

dies entsprechend zu honorieren. „Ein<br />

solches Vorgehen empfinden die niedergelassenen<br />

Ärzte als heuchlerisch“, so Dr.<br />

Dirk Heinrich und attestierte Deh eine<br />

„merkwürdige Doppelzüngigkeit“.<br />

„Wer eine bessere Ergebnisqualität in der<br />

ambulanten Versorgung fordert, sollte<br />

zunächst seine Hausaufgaben machen und<br />

vor allem nicht entgegen der eigenen<br />

Sonntagsreden handeln“, fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Zudem könne das AOK-System mit seiner<br />

Marktmacht als gutes Beispiel vorangehen:<br />

„Warum ist die AOK denn nicht der<br />

Schrittmacher bei qualitätsbezogenen<br />

Innovationen, wie beispielsweise bei der<br />

Förderung von Qualitäts-Ärztenetzen nach<br />

§ 87b SGB V? Hier kann die AOK zeigen,<br />

dass sie Ergebnisqualität nicht nur fordern,<br />

sondern auch fördern kann“, erklärt Dr.<br />

Heinrich.<br />

„Wir werden die AOK jedenfalls beim Wort<br />

nehmen, und darauf achten, dass sie bei<br />

Innovationen in der Versorgung nicht nur<br />

im Bremserhäuschen sitzt, sondern auch<br />

einmal aufs Gaspedal tritt“, so der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>-Vorsitzende.<br />

Kassenkampagne hält an<br />

Auf die Anmerkung, sie verhielten sich wie<br />

ein altes Ehepaar, reagierten KBV-Chef Dr.<br />

Andreas Köhler und Dr. Manfred Partsch<br />

vom GKV-Spitzenverband (SpiBu) bei einer<br />

Diskussionsrunde der Versorgungsmesse<br />

der KBV im April mit eisigem Lächeln. Der<br />

Auflockerungsversuch war gescheitert. Zu<br />

tief ist der Graben zwischen Kassen und<br />

Ärzten. Statt das Gemeinsame der Selbstverwaltung<br />

zu suchen und die Versorgung<br />

voranzubringen, dominieren Argwohn,<br />

Streit und Diskreditierung. Taktangebend<br />

dabei: Der übermächtige Dachverband der<br />

Krankenkassen.<br />

Zahlreiche Besucher sind der Einladung zur<br />

KBV Messe in die Berliner Friedrichstraße<br />

gefolgt. Es geht um zukunftsweisende<br />

Versorgungskonzepte und die Frage, wie<br />

Kooperationen im Gesundheitswesen vorangebracht<br />

werden können, wie es sich<br />

einrichten lässt, dass Ärzte, Kassen und<br />

andere Leistungserbringer zukünftig besser<br />

miteinander zusammenarbeiten. Die Veranstaltung<br />

richtet sich an Querdenker. Es soll<br />

voraus geschaut werden.<br />

Doch gleich zum Auftakt bekommt die<br />

konstruktive Atmosphäre einen empfindlichen<br />

Dämpfer: Statt die bisherigen Qualitätsanstrengungen<br />

der Ärzteschaft zu<br />

honorieren, fordert AOK-Vorstand Uwe<br />

Deh, dass sich die ambulante Versorgung<br />

mehr auf Ergebnisqualität ausrichten müsse<br />

– eine kalkulierte Provokation des Kassen-Chefs.<br />

Die Anwesenden trauen ihren<br />

Ohren nicht. KBV-Chef Köhler läuft rot an.<br />

„Es hätte ein schöner Abend werden können“,<br />

presst der Ärztevertreter hervor. Die<br />

folgende Diskussion dreht sich um die<br />

alten Streitpunkte zwischen Struktur- und<br />

Ergebnisqualität und darum, ob bessere<br />

Leistungserbringung auch besser vergütet<br />

werden muss. Die Zuhörer werden Zeuge<br />

des mittlerweile ritualisierten Spiels aus<br />

Provokation und Zurückweisung zwischen<br />

Kassen und Ärzten. Von Innovation ist<br />

nichts zu spüren. Im Nachgang attestiert<br />

der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, Deh eine „merkwürdige<br />

Doppelzüngigkeit“. Beispielsweise<br />

bei der Hörgeräteversorgung weiche die<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 17


AOK auf die günstigeren Hörgeräteakustiker<br />

aus – ein Widerspruch zu den Qualitätssicherungs-<br />

Richtlinien der Hörgeräteversorgung.<br />

Den Kassenstrategen kann’s<br />

egal sein: Der Seitenhieb saß.<br />

Noch deutlich aggressiver gebiert sich der<br />

GKV-Spitzenverband beim Thema Korruption<br />

im Gesundheitswesen. Seit Ende 2012<br />

lassen die Kassen keine Gelegenheit aus,<br />

auf das vermeintlich zahlreiche Fehlverhalten<br />

der Leistungserbringer hinzuweisen.<br />

Besonders im Fokus stehen dabei die Ärzte.<br />

Was bislang fehlt, sind Beweise für die<br />

massiven Anschuldigungen. Die soll nun<br />

ein Portal auf der Internetseite des SpiBu<br />

liefern. Die Besucher der Seite werden<br />

aufgefordert, Fälle von Fehlverhalten im<br />

Gesundheitswesen anonym zu melden.<br />

Abgefragt werden „Tatverdächtige Personen<br />

und/oder Einrichtungen“ und „Angaben<br />

zu Tatort und Tatzeit“. „Allein die<br />

Formulierung der Fragen verunglimpft die<br />

Ärzteschaft aufs Übelste“, ärgert sich Dr.<br />

Heinrich. Das Portal sei der ideale Ort für<br />

anonyme Denunzianten. Es handele sich<br />

um reine Stimmungsmache gegen die<br />

Ärzte.<br />

Tatsächlich ist der Schaden durch Falschabrechnungen<br />

von ambulant tätigen Ärzten<br />

verschwindend gering, wie ein Korruptions-Bericht<br />

der DAK offenbart. Im Report<br />

des zehnköpfigen Ermittlungsteams spricht<br />

die Hamburger Kasse von 1800 ungeprüften<br />

Hinweisen auf Abrechnungsbetrug im<br />

Jahr 2012, die aber lediglich zu zwölf<br />

Prozent Ärzte betreffen. Alle anderen entfielen<br />

auf Physiotherapie, Pflege und Arzneimittel.<br />

Die darauf erfolgten Rückforderungen<br />

gegen Ärzte beliefen sich auf<br />

130.000 Euro, also 0,05 Promille der Gesamtausgaben<br />

für die ärztliche Behandlung<br />

der DAK. „Die DAK-Zahlen zeigen<br />

den tatsächlich geringen Umfang des<br />

Problems. Obwohl es sicherlich schwarze<br />

Schafe gibt, ist Fehlverhalten bei Ärzten<br />

äußerst selten“, konstatiert Dr. Dirk Heinrich.<br />

Es werde mit Kanonen auf Spatzen<br />

© Mopic / Fotolia<br />

geschossen. Das aggressive Treiben der<br />

Krankenkassen wird unterdessen auch im<br />

<strong>Bund</strong>esgesundheitsministerium registriert.<br />

Bei einem Interview mit der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung Bayerns äußerte sich<br />

Gesundheitsminister Daniel Bahr kritisch<br />

gegenüber der Machtkonzentration beim<br />

GKV-Spitzenverband. „Es gibt hier durchaus<br />

eine Diskrepanz zwischen dem, was<br />

einzelne Krankenkassenchefs mir sagen<br />

Gegeneinander statt Miteinander – Das Verhältnis zwischen<br />

Krankenkassen und Ärzten ist angespannt<br />

und den Positionen, die der GKV-Spitzenverband<br />

vertritt“, so Bahr.<br />

<strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />

Vom Gang in die Entmündigung<br />

Über den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen<br />

diskutierten Delegierte<br />

und Gäste des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es im<br />

Rahmen der öffentlichen Veranstaltung<br />

seiner <strong>Bund</strong>eshauptversammlung Mitte<br />

November 2012. Professor Dr. Paul Unschuld<br />

wagte dabei die These, dass der<br />

Arztberuf kurz vor seiner Entmündigung<br />

stehe. Droht der Ärzteschaft eine „Halbgötter-Dämmerung“?<br />

Dieser Frage widmete<br />

sich der Professor für Human- und<br />

Gesundheitswissenschaften am Horst-<br />

Görtz-Stiftungsinstitut der Berliner Charité.<br />

Der bereits provokanten Überschrift<br />

aus der „Zeit“ ließ Unschuld ebenso<br />

provokante Thesen folgen.<br />

Das Gesundheitswesen habe einen bemerkenswerten<br />

Umbruch zu verzeichnen. Die<br />

Gesundheit selbst werde zur Ware, die<br />

nicht etwa vom Patienten, sondern vom<br />

„Kunden“ nachgefragt wird. Ärzte denaturieren<br />

somit laut Unschuld von Heilern und<br />

Helfern zu Dienstleistern und Verwaltern<br />

des Mangels. Betrachte man die in immer<br />

kürzerer Taktung folgenden Gesundheitsreformen<br />

mit einem ständig steigenden<br />

Bedarf an Dokumentation und Bürokratisierung,<br />

könnte man die Ärzte heute sogar<br />

beinahe schon als Handlanger der Politik<br />

beschreiben. Insgesamt bezeichnete Unschuld<br />

die Entwicklung der letzten Jahre<br />

als den gesellschaftlichen Prozess einer<br />

Deprofessionalisierung, der letztlich zur<br />

Entmündigung des Arztberufes führe.<br />

Ärzte hätten heute kaum noch etwas selbst<br />

in der Hand. Das Wissen der Medizin, das<br />

ursprünglich von den Ärzten selbst geschaffen<br />

wurde, stamme heute in vielen<br />

Bereichen aus der Industrie und sei damit<br />

immer auch an Produkte und die diesen<br />

folgenden Renditeerwartungen geknüpft.<br />

Ähnlich verhalte sich dies mit der Anwendung<br />

des Wissens. Auch hier stünden<br />

Renditen beziehungsweise Sparzwänge im<br />

Vordergrund. Dahinter falle die eigentlich<br />

wesentliche Ethik des Arztes, die all sein<br />

Handeln bestimmen sollte, aufgrund ökonomischer<br />

und gesetzlicher Vorgaben<br />

zurück. Kaum Einfluss auf ihre Vergütung<br />

hätten die Ärzte schließlich trotz der Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen, so Unschuld.<br />

In diesem Segment hätten die Krankenkassen<br />

und natürlich die Politik deutlich mehr<br />

Entscheidungsbefugnisse.<br />

Gründe für diesen schleichenden Niedergang<br />

des Arztberufes machte der Gesundheitswissenschaftler<br />

an der sich wandelnden<br />

Gesellschaft, globalisierten ökonomischen<br />

Strukturen und an der zumindest in<br />

Europa feststellbaren rückläufigen Bedeutung<br />

der Nationalstaaten fest. Vom Ende<br />

18 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

des 18. bis hin in das 20. Jahrhundert galt<br />

die These, dass ein starker Staat immer<br />

auch ein gesunder Staat sein müsse. Die<br />

überall aufsprießenden Manufakturen und<br />

späteren industriellen Betriebe benötigten<br />

gesunde Arbeiter, um erfolgreich zu bestehen.<br />

Die Gesundheit der Bevölkerung<br />

(„Volksgesundheit“) war daher Voraussetzung<br />

für wirtschaftlichen Aufschwung und<br />

gesellschaftliche Prosperität. Gesunde<br />

Soldaten brauchten auch die Volksheere,<br />

die alle europäischen Nationalstaaten<br />

aufbauten, um die immer wiederkehrenden<br />

Auseinandersetzungen auch kriegerisch zu<br />

lösen. Nur mit einem großen Volksheer,<br />

getragen von gesunden Soldaten, konnte<br />

ein Nationalstaat seinen Machtbereich<br />

erweitern und so an Stärke und Größe<br />

zulegen. Gesundheit, so Unschuld, war<br />

daher auch Mittel zum Zweck – der Sicherstellung<br />

eines starken Staates. Vor diesem<br />

Hintergrund werde erklärbar, warum Rudolf<br />

<strong>Virchow</strong> seinerzeit Politik als „Medizin<br />

im Großen“ bezeichnete. Dieses Gedankengut<br />

sei es schließlich auch gewesen, das<br />

die öffentliche Gesundheitspflege erst<br />

ermöglichte. Von der seinerzeit hohen<br />

Bedeutung der „Volksgesundheit“ profitierten<br />

auch die Ärzte. Sie hatten das Mandat,<br />

sich für die gesundheitlichen Interessen<br />

der Gesamtbevölkerung einzusetzen<br />

und damit das Privileg, den Herrschenden<br />

und Besitzenden auch unangenehme Fragen<br />

stellen zu dürfen.<br />

Engagierter Redner für die Freiberuflichkeit – Prof. Paul Unschuld beim Vortrag vor den Delegierten<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Heute jedoch sei die Situation eine völlig<br />

andere, stellte Unschuld fest. Zum einen<br />

seien angesichts multinationaler Einsatzkräfte<br />

keine großen Volksheere mehr erforderlich,<br />

zum anderen stünden mehr als<br />

genügend gesunde Arbeitskräfte zur Verfügung.<br />

Die einstmals große Bedeutung einer<br />

gesunden Bevölkerung in allen Schichten<br />

für die wirtschaftliche und militärische<br />

Stärke des Nationalstaates sei daher heute<br />

nicht mehr gegeben. Als Beispiel nannte er<br />

den Fluglärm, der ohne Frage massive<br />

negative Auswirkungen auf die Gesundheit<br />

der Menschen in Einflugschneisen ausübe,<br />

dennoch aber aufgrund ökonomischer<br />

Argumente auch von staatlichen Einrichtungen<br />

und Behörden akzeptiert werde.<br />

Insgesamt sei der Druck auf die Politik<br />

gesunken, Gesundheit für alle – notfalls<br />

auch mit Zwang – durchzusetzen. Gesundheit<br />

sei heute vielmehr wieder das geworden,<br />

was sie schon vor dem 18. Jahrhundert<br />

war: ein Selbstzweck. „Wer gesund<br />

sein und bleiben möchte, soll sich bitte<br />

selbst darum kümmern“, erklärte Unschuld.<br />

„Die Politik zieht sich allmählich zurück.<br />

Nicht von einem Tag auf den anderen,<br />

aber allmählich.“<br />

Vom Gesundheitswesen zur<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

Konsequenzen sah Unschuld aber bereits<br />

reichlich. Das Gesundheitswesen, so seine<br />

These, werde zu einer eigenen Marktwirtschaft,<br />

die neue Akteure in den Entscheidungszentren<br />

erfordere. Ärzte und Apotheker<br />

seien zwar so ausgebildet, dass sie ihre<br />

Patienten und Kunden sowohl fachlich als<br />

auch ethisch behandeln und beraten können.<br />

Das heute immer stärker abgefragte<br />

Renditedenken hätten die beiden Berufsgruppen<br />

aber nicht gelernt und würden<br />

19


daher immer stärker an den Rand des<br />

Gesundheitswesens gedrängt. Immer stärker<br />

in den Vordergrund gerieten dagegen<br />

die Krankenkassen, die ihre ursprüngliche<br />

Rolle als Mittler zwischen Beitragszahlern<br />

und Heilkundigen verlassen hätten. Bei<br />

den Kassen sind nach Unschuld zwei<br />

Trends auszumachen:<br />

• Sie werden zunehmend zu eigenständig<br />

operierenden Agenten, die einen nicht<br />

unerheblichen Teil der über die Pflichtbeiträge<br />

eingezahlten Gelder für ihre<br />

Eigeninteressen zurückbehielten.<br />

• Zudem entwickelten die Kassen eigene<br />

Gewinninteressen. Sie gäben nicht nur<br />

„Unsummen für Werbung und Verwaltung“<br />

aus, sondern hätten auch gelernt,<br />

bestimmte Krankheiten als lukrativ zu<br />

sehen.<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Gespannte Aufmerksamkeit im Saal – Gäste und Delegierte verfolgen den Vortrag Prof. Unschulds<br />

Mit letzterer These griff der Gesundheitswissenschaftler<br />

den Umgang der Krankenkassen<br />

mit dem Morbiditäts-Risiko- Strukturausgleich<br />

(Morbi-RSA) auf. Der Gesundheitsfonds<br />

ermuntere die einzelnen Kassen<br />

geradezu, ihre Patienten kränker aussehen<br />

zu lassen, um möglichst viel Geld aus dem<br />

Fonds zu erhalten, postulierte Unschuld,<br />

der in diesem Zusammenhang von einer<br />

„zielgerichteten Verkrankung der Versicherten“<br />

sprach. Für eine bestimmte Zahl<br />

von Indikationen bekommen die Kassen<br />

pro Versichertem, der an diesen Krankheiten<br />

leidet, eine Pauschale zugewiesen.<br />

Letztlich könne ein Erkrankter, dessen<br />

Behandlungskosten deutlich unter den<br />

vom Morbi-RSA festgelegten Durchschnittstherapiekosten<br />

lägen, so sogar<br />

lukrativer sein, als gesunde Patienten. Ein<br />

Paradoxon – denn erstmals in der Geschichte<br />

der modernen Zivilisation sei<br />

Krankheit damit volkswirtschaftlich wertvoller<br />

als Gesundheit.<br />

In diesem Sinne sei es auch kaum verwunderlich,<br />

dass man heute nicht mehr vom<br />

Gesundheitswesen, sondern von der Gesundheitswirtschaft<br />

spreche, in der Medizin<br />

zumindest in den Augen einiger Akteure<br />

ein Konsumgut ist. Und dem werden so<br />

exzellente Wachstumschancen beigemessen,<br />

dass sich zunehmend private Investoren<br />

in der Gesundheitswirtschaft engagieren.<br />

Für die Ärzte bedeute das den Gang in<br />

die Abhängigkeit, den Unschuld mit verschiedenen<br />

Faktoren markierte:<br />

• Fallpauschalen – DRGs<br />

• „Verkrankungssoftware“<br />

• „Aufwandsentschädigungen“ statt Vergütung<br />

• Mythos „Evidence based Medicine“<br />

• Amortisations- und Renditezwang sowie<br />

• Umsatzsteigerungen durch stationäre<br />

Patienten.<br />

Die angestrebte Werbung für verschreibungspflichtige<br />

Arzneimittel und die wie<br />

eine Monstranz vorangetragene Patientensouveränität<br />

würden das Bild komplettieren.<br />

Insgesamt werde der Gesundheitsmarkt<br />

immer weniger von Experten,<br />

dafür aber immer stärker von Laien und<br />

vor allem von Investoren dominiert. Der<br />

Shareholder-Value stehe so an oberster<br />

Stelle.<br />

20


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Für Unschuld steht die Auswirkung fest:<br />

„Der Preis, den wir alle zahlen als Kunden<br />

einer Gesundheitswirtschaft, ist der Verlust<br />

des Vertrauens.“ Angesichts der Ausrichtung<br />

auf Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />

sei der Begriff Krankheitswirtschaft<br />

ohnehin zutreffender. Die Patienten<br />

stellten sich so zunehmend die Frage, ob<br />

ein medizinischer Eingriff tatsächlich aus<br />

medizinisch fachlichen Erwägungen oder<br />

doch eher aus Renditeüberlegungen unternommen<br />

werde. Es gebe keine wirkliche<br />

Gewissheit mehr für den Patienten, dass<br />

der eigene Arzt, die Klinik oder staatliche<br />

Maßgaben tatsächlich den Kriterien bester<br />

medizinischer Versorgung folgten. Vor<br />

diesem Hintergrund seien sowohl Politik<br />

als auch die Standesvertretung der Ärzteschaft<br />

gefordert. Natürlich müsse die Politik<br />

gegen Verschwendung und gegen die<br />

Viele Fragen aus dem Publikum – Prof. Harald Mau, Vorsitzender der Landesgruppe Berlin-Brandenburg<br />

unsachgemäße Verwendung der verfügbaren<br />

Mittel eintreten, so Unschuld. Sie müsse<br />

aber auch verhindern, dass das Gesundheitswesen<br />

zum Rendite-Quell denaturiere,<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

dem die medizinisch-fachlichen und medizinisch-ethischen<br />

Kriterien nachgeordnet<br />

sind. Die standespolitische Aufgabe der<br />

Ärzteschaft sei es darüber hinaus, die Anwaltschaft<br />

für die Patienten überzeugend<br />

wieder zu erlangen. Es dürfe kein Zweifel<br />

daran bestehen, dass der Arzt immer zuerst<br />

an die Gesundheit des Patienten denke<br />

und erst in zweiter Linie an seinen ökonomischen<br />

Erfolg. Letztlich geht es dabei um<br />

die Frage, wie Ökonomie und Ethik in<br />

Einklang zu bringen seien. Eine Frage, die<br />

sicher nicht nur den <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

weiter beschäftigen wird.<br />

„Medizinethik für Kassenfunktionäre“<br />

Nach dem heißen Herbst der Honorarproteste<br />

bleibt die Stimmung unter den Ärzten<br />

aufgeheizt. Dabei geht es nicht allein<br />

um die Höhe der Vergütung in den kommenden<br />

Jahren. Es geht um die Frage, wie<br />

die gemeinsame Selbstverwaltung von<br />

Medizinern und Krankenkassen fortgeführt<br />

werden kann. Bei der <strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

machte Dr. Dirk Heinrich klar, dass dies nur<br />

mit einer Partnerschaft auf Augenhöhe<br />

gelingen könne. Von dieser jedoch, so der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende, hätten sich die Kassen<br />

weit entfernt. Angesichts des Zerwürfnisses<br />

zwischen Niedergelassenen und Krankenkassen<br />

schwor Dr. Heinrich die Delegierten<br />

auf kämpferische Zeiten ein. Wie einst Herkules<br />

schier unlösbare Aufgaben zu bewältigen<br />

gehabt hätte, stünde die Ärzteschaft<br />

vor enormen Herausforderungen unter<br />

ungünstigen Rahmenbedingungen. Zunächst<br />

gelte es, so Dr. Heinrich, den Stall<br />

des Augias, verkörpert durch den Spitzenverband<br />

der gesetzlichen Krankenkassen,<br />

auszumisten. Heinrich kritisierte die Studie<br />

zu angeblichen Fangprämien für Krankenhauseinweisungen,<br />

die einseitig geführte<br />

Diskussion über Individuelle Gesundheitsleistungen<br />

sowie das Auftragsgutachten<br />

der Beratungsgesellschaft Prognos, das<br />

eine Absenkung der Ärztehonorare um<br />

sieben Prozent empfohlen hatte. „Diese<br />

Kampagne gegen die Ärzteschaft läuft<br />

21


schon seit einem Jahr und es ist kein Ende<br />

abzusehen“, ärgerte sich Dr. Heinrich.<br />

Wie Krankenkassen tatsächlich arbeiteten,<br />

habe sich hingegen beim Grippeimpfstoffskandal<br />

gezeigt. Dank schlecht verhandelter<br />

Rabattverträge und einem Lieferengpass<br />

beim Hersteller des Serums verzögerte sich<br />

der Impfbeginn in drei <strong>Bund</strong>esländern um<br />

mehrere Wochen. Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

forderte angesichts dessen, derartige Rabattverträge<br />

für die Zukunft auszuschließen.<br />

„Es kann nicht sein, dass durch<br />

schlecht gemachte Verträge die Impfrate<br />

der Bevölkerung absinkt und dadurch eine<br />

steigende Sterblichkeit zu beklagen sein<br />

wird.“ Ähnlich skandalös habe sich die<br />

KKH-Allianz verhalten. Dort waren Ende<br />

Oktober schwer kranke Versicherte zum<br />

Kassenwechsel gedrängt worden. „Das hat<br />

mit Versorgungsverantwortung nichts zu<br />

tun“, kritisierte der Vorsitzende des Verbandes<br />

der niedergelassenen Ärzte<br />

Deutschlands. Darüber hinaus zeigten sich<br />

grundsätzliche Probleme in der gemeinsamen<br />

Selbstverwaltung. Statt die ärztlichen<br />

Leistungen anzuerkennen, fehle bei den<br />

Krankenkassen jegliche Wertschätzung für<br />

das Engagement der Ärzte. Stattdessen<br />

seien immer weitreichendere Einflussversuche<br />

in die Diagnose- und Therapiefreiheit<br />

an der Tagesordnung. Heinrich: „Die Krankenkassen<br />

haben sich von einem Partner<br />

der Selbstverwaltung zu einem Monopolisten<br />

entwickelt, der meint, er könne machen,<br />

was er will.“ Das ginge jedoch auf<br />

Dauer nicht mehr, betonte der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />

„Wenn man meint, in der Versorgung<br />

der Patienten mitzumischen, dann<br />

muss man sich den gleichen ethischen<br />

Anforderungen wie die Ärzte stellen.“<br />

Heinrich forderte daher eine „Medizinethik<br />

für Kassenfunktionäre“. Aufgabe der Politik<br />

sei es, an dieser Stelle genauer hinzuschauen.<br />

Rückblickend auf den Honorarstreit mit<br />

dem GKV-Spitzenverband stellte Dr. Heinrich<br />

fest: „Der Protest ist gelungen, weil es<br />

einen Zusammenschluss von 30 ärztlichen<br />

Verbänden und einen Schulterschluss mit<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

gegeben hat.“ Dennoch seien viele<br />

Grundprobleme ungelöst. Statt fester Preise<br />

gebe es immer noch quotierte Auszahlungen<br />

und Budgets. Die Bürokratie beanspruche<br />

nach wie vor wertvolle Zeit, die<br />

Dr. Dirk Heinrich: „Es kann nicht sein, dass den Krankenkassen Ethik egal ist.“<br />

Dr. Heinrich: Protest ist gelungen, weil Ärzteschaft zusammengestanden hat.<br />

22


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

nicht für die Behandlung der Patienten zur<br />

Verfügung stehe. 90 Prozent der strittigen<br />

Honorarentscheidungen würden im Schiedsamt<br />

getroffen. Obendrein zeichne sich in<br />

den regionalen Honorarverhandlungen ab,<br />

dass die Kassen nicht bereit seien, dass<br />

<strong>Bund</strong>esergebnis zu erfüllen. „Es wird darauf<br />

ankommen, in den Regionen Druck zu<br />

machen“, wandte sich Heinrich an die<br />

Delegierten.<br />

Hilfreich sei in diesem Zusammenhang der<br />

Vorstoß der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung,<br />

ihre Mitglieder zum Sicherstellungsauftrag<br />

zu befragen. Dr. Heinrich<br />

forderte alle Ärzte dazu auf, an der Umfrage<br />

teilzunehmen. Diese Grundfrage müsse<br />

jetzt gestellt werden, „weil es so nicht<br />

mehr weitergehen kann.“ Als Rahmenvorgabe<br />

für eine Fortführung der Sicherstellung<br />

warb Heinrich für den Forderungskatalog<br />

der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung,<br />

der im Oktober von KBV-Chef<br />

Köhler aufgestellt worden war. „Nächstes<br />

Jahr werden wir nicht über den Orientierungspunktwert,<br />

sondern über das Sieben-<br />

Punkte-Programm streiten“, prognostizierte<br />

Heinrich. Ebenfalls mit Blick auf das<br />

Wahljahr 2013 und eine mögliche neue<br />

Regierungskoalition unterstrich der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

darüber hinaus, wie wichtig<br />

es sei, den Wert der ärztlichen Freiberuflichkeit<br />

an die jungen Kollegen weiterzugeben<br />

und der Bevölkerung zu vermitteln.<br />

Dies sei in den letzten Jahren immer mehr<br />

verloren gegangen. „Letzten Endes geht es<br />

um den Schutz der Patienten“, betonte Dr.<br />

Heinrich. „Es kann nicht sein, dass den<br />

Krankenkassen Ethik egal ist.“<br />

BHV-Beschlüsse<br />

Freiberuflichkeit,<br />

Honorarreform,<br />

ambulante Weiterbildung<br />

Kernthemen der diesjährigen Entschließungen<br />

waren die ärztliche Freiberuflichkeit,<br />

die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens<br />

sowie die Anforderungen an<br />

eine zukünftige Honorarreform. Außerdem<br />

befassten sich die Delegierten mit der<br />

zunehmend ärztefeindlichen Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Krankenkassen und der<br />

Arzneimittelverordnung nach Krankenhausaufenthalten.<br />

Durch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens,<br />

den steigenden Einfluss von<br />

Krankenkassen, Gesundheitsökonomen<br />

sowie Krankenhaus- und Gesundheitskonzernen<br />

auf die Versorgung, aber auch<br />

durch die zunehmenden Eingriffe der<br />

Politik verliert die ärztliche Freiberuflichkeit<br />

seit Jahren schleichend an Wertschätzung.<br />

Erhalt der Freiberuflichkeit<br />

Der <strong>Bund</strong>esgerichtshof schützt in seinem<br />

Grundsatzurteil vom 29.03.2012 sowohl<br />

das Vertrauensverhältnis zwischen Patient<br />

und Arzt als auch die ärztliche Freiberuflichkeit.<br />

Auf dieses höchstrichterlich geschützte<br />

Vertrauensverhältnis muss der<br />

Patient auch weiterhin vertrauen dürfen.<br />

Die Ärzteschaft muss dieses Vertrauen aber<br />

auch rechtfertigen. Dazu ist es notwendig,<br />

dass Ärzte in Fortbildung, Berufsausübung<br />

und öffentlichen Äußerungen dem Wesen<br />

des freien Berufes gerecht werden. Dazu<br />

passt eine pharmaabhängige Fortbildung<br />

nicht, dazu passen Zahlungen für ein<br />

bestimmtes Verordnungsverhalten nicht,<br />

dazu passen auch Zielvereinbarungen mit<br />

Chefärzten nicht und dazu passt das<br />

marktschreierische Anpreisen von ärztlichen<br />

Leistungen, wie beispielsweise das<br />

Angebot von Schönheitsoperationen in<br />

Fernsehsendungen nicht. Das Gesundheitswesen<br />

ist kein Markt, der Patient kein<br />

Marktteilnehmer, der Arzt kein Anbieter<br />

und auch kein Leistungserbringer. Ein<br />

echter Wettbewerb ist nicht existent. Dennoch<br />

wird unter dem ständig wachsenden<br />

ökonomischen Druck die Therapie- und<br />

Organisationsfreiheit der eigenen Praxis<br />

weiter eingeschränkt. Die Ärzteschaft muss<br />

daher ihre professionelle Autonomie wieder<br />

zurückgewinnen und dadurch auch das<br />

Vertrauen zu den Patienten stärken. Zu<br />

dieser Autonomie gehören die Freiheit der<br />

Niederlassung, die Therapiefreiheit und<br />

Diagnostikfreiheit, die Freiheit, die Sprechund<br />

Behandlungszeiten frei zu gestalten,<br />

die Selbstbestimmung über das Honorar<br />

mit festen, betriebswirtschaftlich kalkulierten<br />

Preisen, der Schutz der Praxis vor<br />

staatlichen Eingriffen, wie polizeiliche<br />

Abhörmöglichkeiten.<br />

Zukunft Gesundheitswesen<br />

Der medizinische Fortschritt und der demografische<br />

Wandel stellen die Finanzierung<br />

unseres Gesundheitswesens vor große<br />

Herausforderungen. Die niedergelassenen<br />

Ärzte leisten mit ihrem Wissen, ihrer Qualität,<br />

ihren Leistungen, ihrem persönlichen<br />

Engagement und ihrem wirtschaftlichen<br />

Einsatz durch den Betrieb von 90.000<br />

Praxen einen wesentlichen Anteil an der<br />

flächendeckenden und wohnortnahen<br />

Versorgung der Menschen in Deutschland.<br />

Dabei fällt es nicht in die Kernkompetenz<br />

der Ärzteschaft und es kann nicht deren<br />

Aufgabe sein, sich mit der Organisation der<br />

Finanzierung zu befassen. Eine ausreichende<br />

Finanzierung zur Sicherstellung dieser<br />

Versorgung ist aber eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe und muss auf solidarischer<br />

Basis erfolgen. Daher ist es auch<br />

öffentliche Aufgabe, gegebenenfalls die<br />

Leistungen zu beschreiben, die nicht solidarisch,<br />

sondern eigenverantwortlich finanziert<br />

werden sollen. Es ist das Selbstverständnis<br />

der Ärzteschaft, ihren Sachverstand<br />

hierzu verantwortlich beizutragen.<br />

Die letztendliche Entscheidung muss aber<br />

politisch getroffen werden.<br />

Honorarreform<br />

Die zukünftige Honorarordnung muss eine<br />

leistungsgerechte und wirtschaftlich tragfähige<br />

Vergütung der Praxen niedergelassener<br />

Ärzte ermöglichen. Den Leistungen<br />

der niedergelassenen Ärzte muss das Geld<br />

folgen, um eine flächendeckende Versor-<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 23


gung auch in Zukunft zu gewährleisten<br />

und die Niederlassung attraktiv zu halten.<br />

Daher fordern die niedergelassenen Ärzte:<br />

• Feste, betriebswirtschaftlich kalkulierte<br />

Preise für ärztliche Leistungen, orientiert<br />

am Oberarztgehalt und an der Arbeitsbelastung<br />

sowie unter Berücksichtigung<br />

des Unternehmerlohns. Diese müssen<br />

in fairen Verhandlungen innerhalb der<br />

Selbstverwaltung festgelegt werden.<br />

• Gegebenenfalls von Krankenkassen oder<br />

der Politik für notwendig erachtete<br />

Mengenbegrenzungen müssen zwischen<br />

Krankenkassen und Ärzten verhandelt<br />

werden. Diese Mengenbegrenzungen<br />

müssen aber die Krankenkassen gegenüber<br />

ihren Versicherten rechtfertigen. Die<br />

Verantwortung für Rationierung oder<br />

Leistungseinschränkungen dürfen nicht<br />

in den Praxen abgeladen werden.<br />

• Die Morbiditätslast müssen die Krankenkassen<br />

tragen.<br />

• Ein Ende von unbezahlten Leistungen.<br />

Alle budgetierenden Elemente, die zu<br />

kostenloser Arbeit der niedergelassenen<br />

Ärzte führen, sind zu beenden.<br />

• Jährlicher Ausgleich von Inflations-,<br />

Energie- und Personalkosten sowie ein<br />

Investitionskostenausgleich. Die 90.000<br />

Praxen sind Arbeitgeber: rund 700.000<br />

Mitarbeiter, darunter über 80 Prozent<br />

Frauen verdienen dort ihren Lebensunterhalt.<br />

Steigende Kosten oder der Investitionsstau<br />

in Praxen dürfen nicht zu<br />

Lasten des Arzteinkommens gehen und<br />

zu Personalabbau in den Praxen führen.<br />

Kassen-Öffentlichkeitsarbeit<br />

Die niedergelassenen Ärzte verwahren<br />

sich gegen die regelmäßig von den Krankenkassen<br />

erhobenen Pauschalvorwürfe<br />

gegenüber der Ärzteschaft. Sie verurteilen<br />

besonders das systematische Vorgehen<br />

der Krankenkassen, zeitgenau vor<br />

Honorarverhandlungen oder Ärztetagen<br />

die Ärzteschaft wechselweise als Abzocker,<br />

Pfuscher oder Betrüger zu bezeichnen<br />

und dies durch schlecht gemachte<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Auftragsgutachten und polemische Studien<br />

versuchen zu belegen. So sieht kein<br />

partnerschaftliches Verhältnis in der<br />

gemeinsamen Selbstverwaltung aus.<br />

Krankenkassen und Ärzte haben eine<br />

gemeinsame Verantwortung für die Versorgung,<br />

aber auch für das Vertrauen,<br />

das Versicherte und Patienten in unser<br />

Gesundheitssystem haben. Die wechselseitige<br />

Diskreditierung und Herabsetzung<br />

zerstört dieses Vertrauen. Da für diese<br />

Art von Kassenpropaganda Beitragsgelder<br />

zweckentfremdet werden, sind solche<br />

Vorgänge auch ein Fall für die Aufsichtsbehörden.<br />

Ambulante Weiterbildung<br />

Bereits heute werden in vielen Fachgebieten<br />

zahlreiche für die Weiterbildung<br />

erforderliche Krankheitsbilder vorwiegend<br />

ambulant und nicht stationär behandelt.<br />

Für eine qualitativ hochwertige Weiterbildung<br />

ist es vor dem Hintergrund des<br />

immer bedeutsamer werdenden sektoren-<br />

Delegierte zur <strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />

24


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Fester ambulanter Teil in der Weiterbildung gefordert – Dr. Martina Teja, Delegierte aus dem Saarland<br />

übergreifenden Ansatzes wichtig, dass<br />

die ambulante Weiterbildung – insbesondere<br />

im fachärztlichen Bereich – gefördert<br />

wird. Die bestehenden Instrumente<br />

der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />

dienen hierbei als Vorbild. Im Ergebnis<br />

können kooperative Strukturen zwischen<br />

den Sektoren aufgebaut und teure<br />

Parallelstrukturen abgebaut werden. Viele<br />

Bereiche der Weiterbildung finden heutzutage<br />

vornehmlich in den Facharztpraxen<br />

statt, also dort, wo die Patienten<br />

behandelt werden und wo die ärztliche<br />

Kompetenz für viele rein ambulant Behandelbare<br />

zu finden ist. Daher fordert<br />

der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> von den Ärztekammern<br />

die Einführung eines festen<br />

Teils in der Weiterbildung, der in den<br />

Praxen niedergelassener Ärzte abgeleistet<br />

werden muss.<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Reform der GOÄ<br />

Die Reform der GOÄ muss dazu führen,<br />

dass die ärztliche Leistungsfähigkeit wieder<br />

nach dem aktuellen Stand moderner Untersuchungs-<br />

und Behandlungsmethoden<br />

abgebildet wird. Grundlage der Preisbildung<br />

müssen betriebswirtschaftliche Indikatoren<br />

der Praxisführung sein. Ein Automatismus<br />

zum Ausgleich von Inflation und<br />

Betriebskostensteigerungen ist einzuführen.<br />

Zur Zukunftssicherung einer reformierten<br />

GOÄ muss darüber hinaus ein<br />

geordnetes Verfahren implementiert werden,<br />

dass die Innovationsdynamik im medizinisch-technischen<br />

Bereich berücksichtigt.<br />

Um das mittlerweile Jahrzehnte andauernde<br />

Trauerspiel um die Erneuerung<br />

der Gebührenordnung alsbald zu beenden,<br />

fordert der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Verband<br />

der niedergelassenen Ärzte Deutschlands<br />

e. V., die <strong>Bund</strong>esärztekammer auf, eine<br />

politische Strategie zu entwickeln, die im<br />

Fall weiterer Verzögerungen der verantwortlichen<br />

Akteure, auch Eskalationsmaßnahmen<br />

umfasst. Dadurch kann gegebenenfalls<br />

der nötige Druck auf die Akteure<br />

ausgeübt werden.<br />

Entlass-Management<br />

Im Patienteninteresse ist eine gesetzliche<br />

Festlegung erforderlich, nach der der Patient<br />

vom Krankenhaus mit Medikamenten<br />

(zwischen einem und drei Tagen) versorgt<br />

wird, bis er seinen Arzt aufsuchen kann.<br />

Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, lehnt die Forderung<br />

der <strong>Bund</strong>esvereinigung Deutscher Apothekerverbände<br />

ab, dass der Entlassungsbrief<br />

eines Krankenhauses de facto als Rezept<br />

angesehen werden soll, somit der Patient<br />

insbesondere am Wochenende von der<br />

Apotheke mit den im Entlassungsbrief<br />

genannten Medikamenten versorgt werden<br />

soll und der behandelnde Arzt nachträglich<br />

hierfür das Rezept auszustellen hat.<br />

Keine Nahrungsmittelwerbung im<br />

Kinderprogramm<br />

Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es fordert ein generelles<br />

Werbeverbot für Nahrungsmittel innerhalb<br />

des Kinderprogramms im Fernsehen in<br />

Deutschland. Dies ist für uns eine vor-<br />

25


dringliche Maßnahme gesundheitlicher<br />

Prävention bereits im Kindesalter.<br />

Mutterschutz<br />

Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es fordert die <strong>Bund</strong>esregierung<br />

auf, die in der EU-Richtlinie<br />

2010/41/EU festgeschriebene Verpflichtung<br />

der Mitgliedstaaten, selbstständig erwerbstätigen<br />

Frauen ausreichenden Mutterschutz<br />

zu gewährleisten, zeitnah umzusetzen.<br />

schwerer Eingriff in die Selbstverwaltung<br />

auf der Basis einer plumpen Neiddiskussion<br />

um Vorstandsgehälter. Statt die Selbstverwaltung<br />

weiter zu stärken, wie es die ursprüngliche<br />

Politik der christlich-liberalen<br />

Regierungskoalition war, soll sie durch<br />

staatliche Eingriffe weiter ausgehöhlt<br />

werden“, befürchtet Dr. Heinrich.<br />

Selbstverwaltung<br />

KV keine<br />

Regierungsorganisation<br />

Der Verband der niedergelassenen Ärzte<br />

Deutschlands warnt die <strong>Bund</strong>esregierung<br />

vor weiteren Eingriffen in die ärztliche<br />

Selbstverwaltung: „Es ist einzig und allein<br />

die Aufgabe der demokratisch legitimierten<br />

Gremien der Ärzteschaft zu bestimmen,<br />

wie die Verträge ihrer Vertreter gestaltet<br />

werden und wie diese vergütet werden“,<br />

erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />

Die <strong>Bund</strong>esregierung plant, dass die Verträge<br />

von Vorständen der Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen künftig vorab durch das<br />

Ministerium genehmigt werden müssen.<br />

Nach Ansicht der niedergelassenen Ärzte<br />

werde damit in einen Topf geworfen, was<br />

nicht zusammen gebracht werden dürfe:<br />

„Die Vorstände der Krankenkassen werden<br />

aus den Beitragsgeldern der Versicherten<br />

bezahlt. Das ist bei den Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen anders. Hier zahlen die<br />

Praxisärzte ihre Vertreter über die KV-<br />

Beiträge selber, das heißt aus ihrem Praxisumsatz“,<br />

konstatiert Dr. Heinrich.<br />

Außerdem bedeute der Vorstoß eine empfindliche<br />

Schwächung der Vertreterversammlungen,<br />

die die Vorstandsgehälter<br />

genehmigen. Dr. Heinrich: „Dies ist ein<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Durch die Pläne der <strong>Bund</strong>esregierung<br />

werde das bisherige Verfahren, bei dem das<br />

Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde<br />

Verträge nach Abschluss beanstanden<br />

konnten, komplett auf den Kopf gestellt.<br />

„Die Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

sind Teil der ärztlichen Selbstverwaltung<br />

und keine Regierungsorganisationen. Kassenärztliche<br />

Vereinigungen vertreten die<br />

Interessen der Kassenärzte und nicht die<br />

der Regierung und des <strong>Bund</strong>esgesundheitsministeriums“,<br />

betont Dr. Heinrich.<br />

Heitere Momente – Delegierte stimmen über Anträge ab<br />

26


Weil Sie später keinem auf<br />

der Tasche liegen wollen.<br />

Die Pflege-Zusatzversicherung.<br />

Wenn im Pflegefall Kosten von mehreren Tausend Euro im Monat<br />

zusammenkommen, reicht die gesetzliche Pflegeversicherung nicht aus.<br />

Letztlich müssen unsere Kinder für unsere Pflege aufkommen.<br />

Gut, dass der Staat jetzt die zusätzliche private Pflegevorsorge fördert.<br />

Sie hilft Jung und Alt. Erfahren Sie mehr unter www.pkv.de


Arzttätigkeit<br />

Wie Ärztinnen die Praxis der<br />

Zukunft prägen<br />

Im Jahr 2008 waren von den Medizinstudenten<br />

im ersten Semester 63 Prozent<br />

Frauen und nur 37 Prozent Männer. Der<br />

Trend hat Auswirkungen auf die Medizin<br />

in allen Bereichen. Vor allem aber ändern<br />

sich die Anforderungen der nachrückenden<br />

Medizinergeneration. Der Arztberuf soll<br />

familientauglich sein und Platz für die<br />

Koordination von Freizeitaktivitäten und<br />

Fortbildungen lassen. Die Bedürfnisse<br />

haben dabei nicht nur junge Ärztinnen.<br />

Wie in nahezu allen anderen Berufen wollen<br />

auch Männer Familie, Beruf und Freizeit<br />

unter einen Hut bringen. Während<br />

dem Wandel der Ärzteschaft in den Krankenhäusern<br />

mit flexiblen Arbeitszeiten,<br />

Kinderbetreuungsangeboten und veränderten<br />

Arbeitsroutinen bereits vielerorts Rechnung<br />

getragen wurde, hinkt der ambulante<br />

Bereich der Entwicklung hinterher. Nur<br />

langsam werden Kooperationsformen geschaffen,<br />

die es einer jungen Ärztin erlauben,<br />

in Teilzeit zu arbeiten und sich neben<br />

dem Beruf um die Kindererziehung zu<br />

kümmern. Das schreckt die Jungen ab und<br />

hat Folgen für den ambulanten Bereich.<br />

Die Suche nach einem Nachfolger für die<br />

eigene Praxis wird für die ausscheidenden<br />

Ärzte schwieriger. Findet sich kein neuer<br />

Arzt beziehungsweise eben eine neue<br />

Ärztin, bekommen das auch die Patienten<br />

zu spüren. Sie müssen sich eine neue Praxis<br />

suchen. Die Lösung liegt in einem<br />

tiefgreifenden Strukturwandel. So geht es<br />

den Jungen heute kaum noch darum,<br />

besonders viel Geld zu verdienen. Stattdessen<br />

müssen auch im ambulanten Bereich<br />

Kooperationsmöglichkeiten massiv ausgebaut<br />

werden. Möglich dabei sind Gemeinschaftspraxen,<br />

Ärztehäuser, Medizinische<br />

Versorgungszentren und Ärztenetze. Kaum<br />

eine junge Ärztin oder ein junger Arzt<br />

lastet sich heutzutage freiwillig die Bürde<br />

einer Einzelpraxis auf. Zu groß ist das<br />

finanzielle Risiko, zu umfangreich der<br />

absehbare Arbeitsaufwand. Stattdessen<br />

© Dr. Felizitas Leitner<br />

Dr. Felizitas Leitner ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und<br />

betreibt eine Praxis im oberbayrischen Weßling. Neben ihrer<br />

Arzttätigkeit ist sie als Lehrbeauftragte an der TU München<br />

tätig.<br />

sind Teilzeitmodelle gefragt, die Raum für<br />

Freizeit und Familie lassen. Die vertragsarztrechtlichen<br />

Voraussetzungen sind zwar<br />

in den Grundzügen dafür bereits gelegt<br />

worden. Dennoch besteht weiterer Förderungsbedarf<br />

für Kooperationen. Sie müssen<br />

von der Ausnahme zur Regel werden – das<br />

wollen die jungen Ärztinnen und Ärzte von<br />

heute. Daneben macht sich der höhere<br />

Frauenanteil auch in den Behandlungszimmern<br />

bemerkbar. Frauen haben mehr kommunikative<br />

Fähigkeiten als ihre männlichen<br />

Kollegen und binden die Patienten eher in<br />

die Therapie ein. Die Compliance steigt.<br />

Wichtig ist zudem die Arbeit im Team.<br />

Fällen Ärzte Entscheidungen oft alleine,<br />

suchen Ärztinnen den Rat der Kollegen<br />

und tauschen sich häufiger gegenseitig<br />

aus.<br />

Dr. med. Felizitas Leitner, Mitglied des<br />

Vorstandes der Landesgruppe Bayern, in<br />

einem Gastbeitrag der Zeitschrift „Arzt &<br />

Wirtschaft“<br />

Niedergelassene fordern<br />

ambulanten Pflichtteil in der<br />

Weiterbildung<br />

Der künftige Mangel an Praxisärzten ist<br />

mittlerweile Konsens. Doch wie lässt sich<br />

28


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Karriereziel Krankenhaus? Junge Ärztinnen<br />

in der Weiterbildung.<br />

© Monkey Business - Fotolia.com<br />

die Mediziner-Misere abwenden? Mit dem<br />

Versorgungsstrukturgesetz ist der Gesetzgeber<br />

aktiv geworden. Doch ob das Maßnahmenpaket<br />

des so genannten Landärztegesetzes<br />

tatsächlich mehr Ärzte in die<br />

Niederlassung bringt, ist ungewiss. Denn<br />

bereits beim Studium werden die Weichen<br />

falsch gestellt. Die klinikdominierte Ausbildung<br />

läuft oft komplett am ambulanten<br />

Bereich vorbei – ein Zustand der sich nach<br />

dem Willen der Niedergelassenen ändern<br />

muss. Sie fordern einen obligatorischen<br />

ambulanten Teil in der ärztlichen Weiterbildung.<br />

Hausarzt als Traumberuf? Das hört man<br />

heute nur noch selten bei Medizinstudenten.<br />

Zu unsicher scheint die Aussicht auf<br />

wirtschaftlichen Erfolg, zu umfangreich<br />

der bürokratische Aufwand, zu ungewohnt<br />

das eigenständige Arbeiten in der Niederlassung.<br />

Zudem folgen dem Medizinstudium<br />

in der Regel zunächst ein paar Jahre<br />

als Assistenzarzt. Dort ergeht es jungen<br />

Ärzten mittlerweile längst nicht mehr so<br />

schlecht wie früher. Noch vor wenigen<br />

Jahren vergällten unbezahlte Überstunden<br />

und herrische Oberärzte dem Nachwuchs<br />

den Spaß an der Arbeit. Die eigene Praxis,<br />

und endlich sein eigener Chef zu sein,<br />

waren umso attraktiver. Heute sieht es für<br />

die so genannte Generation Y in den Kliniken<br />

weitaus besser aus. Sie sucht sich den<br />

Arbeitgeber selber aus und profitiert von<br />

festen Arbeitszeiten sowie attraktiven<br />

Tarifverträgen. Doch nicht allein der gestiegene<br />

Wohlfühlfaktor in den Krankenhäusern<br />

ist der Grund für den Ärztemangel<br />

in den Praxen. Geraten sie nicht durch<br />

Zufall in eine Arztpraxis oder kümmern<br />

sich selbst aktiv darum, verlaufen Studium<br />

und Facharzt-Weiterbildung für die Jungmediziner<br />

komplett am ambulanten Bereich<br />

vorbei. Die Arztpraxis bleibt Blackbox.<br />

Das Karriereziel heißt Krankenhaus.<br />

Die Schieflage zugunsten der Krankenhäuser<br />

verläuft dabei entgegen der Versorgungsrealität.<br />

In den vergangenen Jahren<br />

verlagerte sich das Behandlungsgeschehen<br />

weiter vom stationären in den ambulanten<br />

Bereich. Doch obwohl die Patienten in der<br />

Praxis um die Ecke weitaus kostengünstiger<br />

als in der Klinik versorgt werden können,<br />

behandelt die gültige Weiterbildungsordnung<br />

den ambulanten Sektor stiefmütterlich.<br />

Die Vernachlässigung zeigt Wirkung.<br />

Im vergangenen Jahr waren von den<br />

mehr als 10.000 Ärzten, die nach der Ausbildung<br />

ihre Weiterbildung abschlossen,<br />

laut Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

(KBV) nur noch knapp ein Zehntel Hausärzte.<br />

Nicht anders sieht es bei den ambulanten<br />

fachärztlichen Grundversorgern aus:<br />

„Bei Hausärzten, Augen-, Haut- und Hals-<br />

Nasen-Ohrenärzten geht zunehmend der<br />

Nachwuchs aus und die Weiterbildungsabschlüsse<br />

sinken“, warnt KBV-Vize Regina<br />

Feldmann<br />

„Es ist längst erforderlich, dass neben der<br />

Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />

auch die wohnortnahe fachärztliche Weiterbildung<br />

in der ambulanten Versorgung<br />

ausgebaut wird“, sagt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk<br />

Heinrich. Nur so könne das Dilemma des<br />

fehlenden Nachwuchses abgewendet werden.<br />

„Als junger Arzt habe ich keine Vorstellung,<br />

was mich in der Praxis erwartet.<br />

Hier muss die Ausbildung ansetzen“, so der<br />

in Hamburg niedergelassene Facharzt.<br />

Dabei reiche es nicht aus, einen ambulanten<br />

Teil auch für angehende Fachärzte fest<br />

in der Weiterbildungsordnung zu verankern.<br />

Auch die nötigen Voraussetzungen<br />

müssten ähnlich zum stationären Sektor<br />

geschaffen werden. „Während in den Kliniken<br />

die Weiterbildung cofinanziert wird,<br />

fehlen äquivalente Finanzierungsmodelle<br />

für den ambulanten Bereich“, kritisiert Dr.<br />

Heinrich. Ähnlich äußerte sich der KBV-<br />

Vorsitzende. Um den drohenden Medizinerschwund<br />

in den Praxen auszugleichen,<br />

so Dr. Andreas Köhler, müssten alle jungen<br />

Mediziner nach ihrer Approbation mit der<br />

Niederlassung konfrontiert werden. Nur<br />

durch einen verpflichtenden Praxis-Teil für<br />

29


alle könnten die bis 2020 rund 40.000<br />

scheidenden Haus- und Fachärzte ersetzt<br />

werden.<br />

Die Idee der ambulanten Weiterbildungspflicht<br />

stößt währenddessen auf Kritik.<br />

Sowohl der Medizinische Fakultätentag als<br />

auch die Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger<br />

<strong>Bund</strong> (MB) wollen vom ambulanten<br />

Pflichtteil nichts wissen. Rudolf Henke,<br />

CDU-<strong>Bund</strong>estagsabgeordneter und MB-<br />

Vorsitzender, äußerte gegenüber der Stuttgarter<br />

Zeitung, dass eine stärkere Einbindung<br />

der Niedergelassenen in die Weiterbildung<br />

zwar durchaus richtig sei. Nicht<br />

akzeptabel sei jedoch ein Zwang. Es bestehe<br />

das Risiko, dass junge Ärzte in „unwürdige<br />

Arbeitsverhältnisse“ gedrängt werden<br />

könnten. Diese Gefahr sieht man bei den<br />

Vertragsärzten nicht. „Wenn wir den ambulanten<br />

Bereich mit den gleichen Mitteln<br />

wie die Kliniken ausstatten, wird die Weiterbildung<br />

in den Praxen genauso gut wie<br />

in den Krankenhäusern funktionieren“,<br />

versichert Dr. Heinrich.<br />

Nach heftigem Streit:<br />

Ärztetag schließt<br />

Weiterbildungs-Kompromiss<br />

Nach einem offenen Schlagabtausch beim<br />

Deutschen Ärztetag in Hannover haben<br />

sich Vertragsärzte und Kliniker auf einen<br />

Kompromiss zur ambulanten Weiterbildung<br />

geeinigt. Diese soll gefördert werden,<br />

weil viele Krankheitsbilder fast nur noch in<br />

den Praxen behandelt werden, die Ausbildung<br />

bislang aber hauptsächlich in den<br />

Krankenhäusern passiert. Darüber waren<br />

sich die Delegierten einig. Streit entfachte<br />

sich um die Finanzierung und Tarifbindung<br />

und darüber, ob es einen ambulanten<br />

Pflichtteil geben soll. Erst in einem<br />

sechsstündigen Spitzengespräch der Verbände<br />

kam es schließlich zu einer Einigung.<br />

Obwohl die Forderung, die Sektorengrenzen<br />

in der Medizin zu überwinden,<br />

© contrastwerkstatt - Fotolia.com<br />

fester Bestandteil aller gesundheitspolitischen<br />

Reden ist, spaltete sich der diesjährige<br />

Ärztetag im Hannoveraner Kongresszentrum<br />

in zwei zunächst unversöhnlich gegenüberstehende<br />

Blöcke: Krankenhausärzte<br />

Ärztin in Weiterbildung: Wir brauchen voll ausgebildete<br />

Mediziner<br />

hier, Niedergelassene da. Während die<br />

Vertragsärzte das zuvor von der Vertreterversammlung<br />

der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

(KBV) einstimmig angenommene<br />

Elf-Punkte-Papier unterstützten,<br />

rieben sich die Kritiker am von KBV-Chef<br />

Dr. Andreas Köhler höchstpersönlich beworbenen<br />

Konzept. Den Anfang machte<br />

Dr. Andreas Botzlar und sorgte mit einem<br />

kämpferischen Statement für reichlich<br />

Unruhe im Saal. „Nur über meine Leiche“,<br />

so der Vize des Marburger <strong>Bund</strong>es (MB),<br />

werde der KBV-Antrag durchgehen. Botzlar<br />

sah gar den „casus belli“ gegeben. Was für<br />

ein Auftakt. Von nun an hatte der Tagesordnungspunkt<br />

die volle Aufmerksamkeit<br />

aller Delegierten. Die Rednerliste wuchs<br />

dramatisch an. Es ging jetzt um mehr als<br />

die Frage, wo junge Ärzte künftig weitergebildet<br />

werden. Es ging um Macht und<br />

den Einfluss von Körperschaften und Verbänden.<br />

Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, versuchte<br />

in seinem Redebeitrag kurz nach Botzlar,<br />

die Wogen zu glätten: Es solle kein<br />

neuer Flaschenhals in der Arzt-Weiterbildung<br />

geschaffen werden. Weiterbildungsassistenten<br />

in den Praxen sollten wie vollwertige<br />

Ärzte behandelt werden, versicherte<br />

der Verbandschef. Gleichzeitig machte<br />

Heinrich klar, dass die Patienten ein Recht<br />

auf einen vollständig ausgebildeten Arzt<br />

hätten und Pflichten nun mal zu einer<br />

Ausbildung dazugehörten. Dem stimmte<br />

Dr. Norbert Metke, Vorstand der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung Baden- Württembergs,<br />

zu und warnte, dass die Politik<br />

eingreifen werde, wenn die Ärzteschaft die<br />

Weiterbildungsfrage nicht alleine regele.<br />

Die Gegner des KBV-Entwurfs beeindruckte<br />

das wenig. Sie forderten, dass zunächst<br />

die Finanzierung der Assistenten geregelt<br />

werden müsse und erst im Anschluss über<br />

die Weiterbildung in den Praxen gesprochen<br />

werden könne. Obendrein lasse sich<br />

die neue Generation nicht in Pflichten<br />

zwängen. Die Präsidentin der Ärztekammer<br />

Bremen, Dr. Heidrun Gitter, kritisierte: „Der<br />

Nachwuchs wird als Faustpfand für die<br />

Finanzierung missbraucht.“ MB-Chef Rudolf<br />

Henke erklärte, dass Weiterbildungsassistenten<br />

in den Praxen dieselben Bedingungen<br />

wie in den Krankenhäusern vorfinden<br />

müssten und brachte seinen Verband<br />

damit geschickt in Stellung, die Weiterzubildenden<br />

tariflich zu vertreten. Baden-<br />

Württembergs Kammerchef Dr. Ulrich Clever<br />

analysierte, Schwierigkeiten gebe es vor<br />

allem im Sprachverständnis zwischen Kammer-<br />

und KV-System. „In der Sache sind<br />

beide Parteien sehr, sehr nah beieinander“,<br />

stellte auch BÄK-Vizepräsident Dr. Max<br />

Kaplan fest. Vor der großen Bühne des<br />

Ärztetages war unter diesen Voraussetzungen<br />

dennoch nicht mit einer Einigung zu<br />

rechnen. Auf Anregung des BÄK-Präsidenten<br />

Prof. Frank Ulrich Montgomery vereinbarten<br />

die Vertreter der großen Verbände<br />

und Körperschaften eine parallele Verhand-<br />

30 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Für einen leichteren Zugang zum Medizinstudium: KBV-Vize Dipl.-Med. Regina Feldmann<br />

Forderten pragmatische Lösungen für ihre Region: Dr. Carsten Jäger vom Ärztenetz<br />

Südbrandburg und Elsterwerdas Bürgermeister Dieter Herrchen<br />

Mehr Fantasie bei der Lösung der Probleme – Dr. Dirk Heinrich in der Diskussion mit<br />

Senatorin Prüfer-Storcks<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

lungsrunde im kleinen Kreis. Doch auch<br />

hier krachte es gleich zu Beginn heftig. Bei<br />

seinem Erklärungsversuch vor den Delegierten<br />

sprach MB-Chef Henke später von<br />

Missverständnissen, was die Teilnehmer der<br />

Runde angegangen sei. So sei zunächst<br />

verstanden worden, dass nur MB und KBV<br />

miteinander eine Lösung finden sollen. Die<br />

anderen Verbände nicht.<br />

Schließlich einigte man sich auf den erweiterten<br />

Kreis mit den Verbänden. Während<br />

der Ärztetag mit einem zunächst zurückgestellten<br />

Tagesordnungspunkt weitermachte,<br />

arbeitete der kleine Krisengipfel<br />

einen neuen gemeinsamen Antrag zur<br />

Abstimmung der Delegierten aus. Im Kern<br />

wird darin festgehalten, dass die Inhalte,<br />

die nur ambulant stattfinden, in ambulanter<br />

Weiterbildung und die, die nur im<br />

Krankenhaus passieren, stationär vermittelt<br />

werden sollen. Das Wort „Pflichtweiterbildung“<br />

kommt im Text nicht mehr vor.<br />

Zudem soll eine ärztliche Arbeitgeberorganisation<br />

für die Tarifverhandlungen gebildet<br />

werden. Tarifpartner auf Seite der<br />

Arbeitnehmer wird der Marburger <strong>Bund</strong><br />

sein. Hier hatten sich Henke und Co. in<br />

den Verhandlungen durchgesetzt. Am<br />

Ende passierte der Antrag die Delegiertenversammlung<br />

mit großer Mehrheit. Wann<br />

die neue ambulante Weiterbildung starten<br />

kann, ist indes ungewiss. Der Kompromiss<br />

steht unter Finanzierungsvorbehalt.<br />

Die neue Bedarfsplanung und die Frage,<br />

wie Ärzte dazu motiviert werden können,<br />

sich in unterversorgten Regionen niederzulassen,<br />

wurde beim Symposium des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es „Land ohne Ärzte?“ kontrovers<br />

diskutiert. Neben KBV-Vorstand<br />

Dipl.-Med. Regina Feldmann folgten Hamburgs<br />

Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks,<br />

der Bürgermeister von Elsterwerda,<br />

Dieter Herrchen, sowie Dr. Carsten<br />

Jäger vom Ärztenetz Südbrandenburg der<br />

Einladung zur gemeinsamen Diskussion.<br />

Mit auf dem Podium saß auch der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />

31


Dirk Heinrich. Die Moderation hatte die<br />

Leiterin des Hauptstadtbüros des Deutschen<br />

Ärzteblattes, Sabine Rieser.<br />

Ärztemangel: Bitte einmal ideologischen<br />

Ballast abwerfen<br />

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia<br />

Prüfer-Storcks hat neue Rezepte für Gebiete<br />

mit Unterversorgung gefordert. Es müsste<br />

in der Frage MVZ oder Einzelarzt ideologischer<br />

Ballast abgeworfen werden, sagte<br />

die Senatorin am Freitag auf einer Diskussionsveranstaltung<br />

in Berlin. <strong>NAV</strong>-Chef Dr.<br />

Dirk Heinrich widersprach: „MVZ sind<br />

keine kreative Lösung“.<br />

Sowieso sei es viel wichtiger, die Medizinstudenten<br />

schon an der Uni für eine Niederlassung<br />

zu begeistern, sagte der Verbandschef.<br />

Dort aber würden die meisten<br />

fachärztlichen Grundversorgungsfächer<br />

kaum noch verpflichtend auf dem Lehrplan<br />

stehen. Eine Ursache dafür sei die Universitätsmedizin,<br />

die die jungen Ärzte zu stark<br />

Man müsse aus den Umfragen unter Medizinstudenten<br />

und jungen Ärzten lernen,<br />

forderte Prüfer-Storcks auf der vom <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> organisierten Diskussionsveranstaltung.<br />

Schließlich seien neue Versorgungsstrukturen<br />

zu entwickeln, die<br />

junge Mediziner für die kurative Tätigkeit<br />

begeistern können. Der Gegensatz MVZ<br />

und Einzelarzt werde zu sehr hochgespielt.<br />

Für Hamburg sehe sie die Notwendigkeit,<br />

das Planungsgebiet kleinteiliger zu machen.<br />

Wir haben zwar angeblich eine Überversorgung,<br />

erklärte die Senatorin, in Wirklichkeit<br />

aber seien manche sozialen Brennpunkte<br />

bei der haus- und kinderärztlichen<br />

Grundversorgung eindeutige Mangelgebiete.<br />

Auch der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-Chef forderte mehr<br />

Fantasie bei der Bewältigung des regionalen<br />

Ärztemangels. „Wir werden künftig<br />

Flying Doctors brauchen, die auf dem Land<br />

die Versorgung übernehmen“, erklärte er.<br />

MVZ seien dort aber keine Lösung. Vielmehr<br />

würden Ärztenetze die Zukunft der<br />

Gesundheitsversorgung viel besser sichern.<br />

Als Arzt einfach nur ins MVZ zu gehen, um<br />

die Mühen einer Niederlassung zu vermeiden,<br />

sei nicht besonders kreativ, meinte<br />

Heinrich.<br />

© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

in die Weiterbildungsfächer Kardiologie<br />

und Chirurgie zöge.<br />

KBV-Vize Regina Feldmann hält dagegen<br />

schon die strengen Auswahlprozesse für<br />

die Medizinstudenten für falsch. Die Studienplatzvergabe<br />

über die ZVS sei kontraproduktiv<br />

für die kurative Medizin. Man wisse<br />

aus Studien, dass heute 35 Prozent der<br />

Medizinabsolventen nicht als Arzt arbeiten<br />

werden, sondern in die Forschung, Wissenschaft<br />

oder Verwaltung gingen. Wieso<br />

sollte jemand mit einem Abi-Schnitt von<br />

2,6 nicht auch ein guter Hausarzt werden<br />

können – vor allem, wenn er von vornher-<br />

Lösungsansatz MVZ: Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks<br />

32


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

ein diesen Berufswunsch habe, fragte<br />

Feldmann.<br />

Feldmann ging auch auf die neue Bedarfsplanung<br />

ein, die derzeit im G-BA verhandelt<br />

werde „Es wird völlig neue Freiheiten<br />

für die regionalen KVen geben“, sagte sie.<br />

Die neue Bedarfsplanungsrichtlinie werde<br />

lediglich ein Konzept vorgeben, das nun<br />

an die regionalen Gegebenheiten angepasst<br />

werden müsse. „So viel regionale<br />

Gestaltungsmöglichkeit war noch nie“,<br />

betonte sie.<br />

Quelle: Sten Beneke, Ärztenachrichtendienst<br />

Ist die Niederlassung das Richtige?<br />

Verband klärt auf<br />

Nach dem Abschluss des Medizinstudiums,<br />

der Facharzt-Weiterbildung und ein paar<br />

Jahren als Assistenzarzt im Krankenhaus<br />

stellt sich für junge Ärzte die Frage, in die<br />

Niederlassung zu gehen oder weiter angestellt<br />

in der Klinik zu arbeiten. Obwohl die<br />

eigene Praxis mit vielen Vorteilen gegenüber<br />

der Beschäftigung im stationären<br />

Bereich oder anderswo auftrumpfen kann,<br />

ist sie nicht für jedermann geeignet. Dies<br />

nahm der Verband der niedergelassenen<br />

Ärzte Deutschlands zum Anlass, ein neues<br />

Merkblatt mit dem Titel „Ist die Niederlassung<br />

für mich das Richtige?“ aufzulegen.<br />

Es gibt jungen Medizinern einen detaillierten<br />

Leitfaden an die Hand, was bei der<br />

Gründung einer Arztpraxis zu beachten ist.<br />

Das Merkblatt erläutert Schritt für Schritt<br />

die grundlegenden Fragen, die vor der<br />

Niederlassung als Arzt zu klären sind. Wo<br />

soll die neue Praxis sein? Welche Voraussetzungen<br />

muss ich als Arzt erfüllen?<br />

Welche bürokratischen Hürden sind zu<br />

nehmen? Ist die Entscheidung dann für die<br />

eigene Praxis gefallen, sind weitere Punkte<br />

abzuklären. Möchte ich alleine oder in<br />

Kooperation mit anderen praktizieren? Was<br />

muss ich beim Abschluss des Mietvertrages,<br />

was bei der Übernahme als Praxisnachfolger<br />

beachten? Das Merkblatt kann von<br />

Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern unter<br />

www.nav-virchowbund.de/bestellcenter<br />

abgerufen werden.<br />

Rahmenvorgaben verabschiedet<br />

Die Agentur deutscher Arztnetze begrüßte<br />

die Verabschiedung der Rahmenvorgaben<br />

für die Anerkennung von Praxisnetzen<br />

durch die Kassenärztliche <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

und den GKV-Spitzenverband. „Es ist<br />

ein großer Erfolg für Ärztenetze, die nun<br />

erstmals Aussicht auf eine Förderung im<br />

Kollektivvertrag haben“, sagt der Vorstandsvorsitzende<br />

der Netzagentur, Dr. Veit<br />

Wambach anlässlich der Veröffentlichung<br />

der Richtlinie.<br />

Vertreter beider Vertragspartner hatten bei<br />

der KBV Versorgungsmesse 2013 bestätigt,<br />

sich auf einen entsprechenden Kriterienkatalog<br />

geeinigt zu haben. Die Rahmenvorgabe<br />

trat zum 1. Mai 2013 in Kraft. Die<br />

Anerkennung durch die Kassenärztliche<br />

Vereinigung ist demnach Voraussetzung<br />

für die Möglichkeit, eine Förderung zu<br />

erhalten. Die Kriterien umfassen strukturelle<br />

Punkte, wie die Anzahl der Praxen, die<br />

Vertretung verschiedener Fachgruppen und<br />

die Einbindung weiterer Kooperationspartner.<br />

Außerdem werden Qualitätsziele vorgegeben,<br />

so zum Beispiel, dass die Netze<br />

bestimmte Versorgungsziele anstreben und<br />

die Patientenversorgung koordinieren und<br />

effizient gestalten.<br />

Mit der Vereinbarung stünden die Kooperationen<br />

vor einem weiteren wichtigen<br />

Entwicklungsschritt, betont Dr. Wambach:<br />

„Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Jetzt ist<br />

es Aufgabe der KVen, die Netze entsprechend<br />

der Kriterien anzuerkennen und<br />

geeignete Wege zur Förderung zu finden.“<br />

Das Interesse in den Regionen sei dabei<br />

schon jetzt enorm, dies habe eine Umfrage<br />

der Netzagentur unter allen Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen Anfang des Jahres<br />

ergeben. „Kaum eine Ländervertretung<br />

steht den Netzen ablehnend gegenüber.<br />

Viele KVen haben nur auf den Startschuss<br />

der <strong>Bund</strong>esebene gewartet“, sagt der Vorsitzende<br />

der Agentur deutscher Arztnetze.<br />

Die gesetzliche Grundlage der neuen Fördermöglichkeit<br />

liefert Paragraf 87b des<br />

Sozialgesetzbuches V. Die Netzagentur<br />

hatte im Vorfeld daraufhin gewirkt, eine<br />

Anerkennung der Ärztekooperationen ins<br />

Gesetz aufzunehmen. Dr. Wambach: „Der<br />

neue Aufbruch für die Netze ist auch auf<br />

das Engagement der Netzagentur zurückzuführen.<br />

Bei der Ausgestaltung des Kriterienkataloges<br />

haben Netzagentur und KBV<br />

eng zusammengearbeitet.“<br />

Workshop zur Netzförderung: Agentur<br />

zieht Bilanz<br />

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)<br />

in Deutschland, stehen der neuen Netzförderung<br />

nach § 87b des Sozialgesetzbuches<br />

V mehrheitlich positiv gegenüber. Dies ist<br />

das Ergebnis einer Umfrage, die die Agentur<br />

deutscher Arztnetze (AdA) vor ihrem<br />

Workshop „Startschuss oder Fehlstart? Die<br />

Umsetzung der Netze-Förderung in den<br />

Regionen“ durchführte. Bis auf drei KVen<br />

antworteten alle auf zwei kurze, aber<br />

entscheidende Fragen: Die Agentur wollte<br />

wissen, ob und wie die Förderung in den<br />

jeweiligen Bezirken finanziert werden soll<br />

und wer die dafür erforderliche Anerkennung<br />

vornimmt.<br />

Im Versorgungsstrukturgesetz wurde erstmals<br />

Netzen, die gewisse Kriterien erfüllen,<br />

eine Förderung durch die jeweiligen KVen<br />

ermöglicht. Die Voraussetzungen wurden<br />

in den letzten Monaten in enger Abstimmung<br />

mit der Agentur deutscher Arztnetze<br />

fertig gestellt und mit den Krankenkassen<br />

konsentiert. Der zuständige KBV-Referent<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 33


Dr. Bernhard Gibis berichtete auf dem<br />

Workshop, dass die Richtlinie, in der die<br />

Fördervoraussetzungen in drei Stufen<br />

definiert seien, wohl am 1. April 2013 in<br />

Kraft treten werde. „Durch die Richtlinien<br />

wurden Standards für Netze gesetzt“, so<br />

Dr. Gibis. Nun hätten auch die kleineren<br />

Krankenkassen einen Rahmen, um mit<br />

Netzen in Verhandlungen zu treten. In den<br />

Richtlinien werden vorrangig strukturelle<br />

Voraussetzungen definiert. So muss ein<br />

Netz mindestens drei Jahre existieren,<br />

neben Hausärzten mindestens zwei weitere<br />

Fachgruppen einbeziehen und ein professionelles<br />

Management sowie einen ärztlichen<br />

Leiter haben. Für die Rechtsform<br />

setzen die Richtlinien die Gesellschaftsformen<br />

voraus, die auch bei der Gründung<br />

von MVZ gelten. Das Netz selbst sollte<br />

zwischen 20 und 100 Ärzte einbinden und<br />

bei der zuständigen Ärztekammer gemeldet<br />

sein. Zudem müssen die Netze drei<br />

Versorgungsziele implementieren: Patientenzentrierung,<br />

kooperative Berufsausübung<br />

und verbesserte Effizienz. Dies<br />

könnten beispielsweise Fallbesprechungen,<br />

gemeinsame Dokumentationsstandards,<br />

beschleunigte Diagnose- und Therapieprozesse,<br />

eine verbesserte Wirtschaftlichkeit<br />

und Maßnahmen zur Patientensicherheit<br />

sein. Die Kassenärztlichen Vereinigungen,<br />

so das Ergebnis der AdA-Umfrage, werden<br />

die Zertifizierung der Netze, sprich die<br />

Überprüfung der Richtlinien, selbst vornehmen.<br />

Knackpunkt ist jedoch die Ausgestaltung<br />

der Netzförderung in den KVen. Zwar lässt<br />

das Gesetz die Finanzierung innerhalb der<br />

Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung<br />

(MGV) zu, doch keine der befragten KVen<br />

sieht dies als Königsweg. Kein Wunder,<br />

ginge eine solche Finanzierung doch zu<br />

Lasten der anderen KV-Mitglieder. Die<br />

KVen setzen daher bei der Netzförderung<br />

eher auf Zusatzverträge mit den Krankenkassen,<br />

so genannte add-on-Verträge.<br />

Explizit benannt haben diesen Weg die<br />

KVen Bayerns, Brandenburgs, Rheinland-<br />

Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein.<br />

Eine grundsätzliche Bereitschaft zur Förderung<br />

haben darüber hinaus die KVen in<br />

Thüringen und Westfalen-Lippe bekundet.<br />

© S. Knoop, änd<br />

Interessante eigene Wege gehen dabei die<br />

<strong>Bund</strong>esländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein.<br />

Letztere wollen zertifizierte<br />

Netze als „Versorgungsdienstleister“ in die<br />

Bedarfsplanung aufnehmen. Zudem hat<br />

die Vertreterversammlung jüngst beschlossen,<br />

die Förderung von Netzen aus dem<br />

Sicherstellungsfonds zu ermöglichen. Niedersachsen<br />

geht noch einen Schritt weiter:<br />

neben der Gründung einer KV-Netzwerkstatt<br />

will die KV für die 42 niedersächsischen<br />

Netze konkret insgesamt eine Million<br />

aus dem Sicherstellungsfonds bereitstellen.<br />

Dies soll die Netze in die Lage<br />

versetzen, die Anforderungen aus den<br />

Förderungs-Richtlinien zu erfüllen, beispielsweise<br />

durch Moderationshilfen, juristische<br />

Beratung oder Hilfen bei Vertragsverhandlungen.<br />

In vielen KVen ist zwar die Bereitschaft zur<br />

Förderung zu erkennen, konkrete Umsetzungspläne<br />

existieren jedoch kaum. Dafür<br />

wird auch die kurze Zeit verantwortlich<br />

gemacht. Denn seit Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes<br />

am Jahresanfang<br />

Das Maximale, was zu erwarten war: der Vorstndsvorsitzende der Agentur<br />

deutscher Arztnetze, Dr. Veit Wambach.<br />

34


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

2012 und der Umsetzung ist gerade einmal<br />

ein gutes Jahr vergangen. In den Prozessen<br />

des Gesundheitswesens ein überschaubar<br />

kurzer Zeitraum. So sieht es auch der<br />

Vorstandsvorsitzende der AdA, Dr. Veit<br />

Wambach: „In der Kürze der Zeit ist das<br />

Erreichte das Maximale, was zu erwarten<br />

war.“ Die Aufwertung vernetzter Strukturen<br />

in so kurzer Zeit sei „absolut ungewöhnlich“.<br />

Dem stimmte auch KBV-Mann<br />

Gibis zu und modifizierte den Workshop-<br />

Titel auf seine Weise: Die Umsetzung der<br />

Netzförderung sei weder ein Schnellstart,<br />

noch ein Fehlstart, „sondern ein Kaltstart“.<br />

Praxistest: Patienten sind in Ärztenetzen<br />

zufriedener<br />

In Praxisnetzen ist die Zufriedenheit der<br />

Patienten höher als in der ambulanten<br />

Für die Untersuchung erarbeitete die Stiftung<br />

gemeinsam mit der Technischen<br />

Universität Dresden einen Fragebogen, der<br />

in 53 Nürnberger Netzpraxen ausgelegt<br />

wurde. Neben Fragen zur Behandlungsqualität<br />

hatten die Patienten die Möglichkeit,<br />

die Räumlichkeiten und das Personal<br />

der Praxis einzuschätzen sowie die Wartezeiten<br />

und das Terminmanagement zu<br />

bewerten. Ebenfalls abgefragt wurde die<br />

Weiterempfehlungsbereitschaft des besuchten<br />

Arztes.<br />

Anhand der Fragen zu den Alltagsvorgängen<br />

in der Praxis lässt sich konkret darstellen,<br />

wo für die Patienten die Vorteile in<br />

Ärztenetzen liegen und was die Stärken<br />

und Schwächen eines Netzes sind. So<br />

erhalten Ärzte, Medizinische Fachangestellte<br />

und die Netzverwaltung konkrete<br />

Hinweise, was sie im Detail noch besser<br />

machen können. Wurde beispielsweise auf<br />

Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten<br />

genügend hingewiesen? Waren<br />

die Erklärungen zu Messwerten, wie Blutdruck<br />

oder Blutbild, ausführlich genug?<br />

Konnte das Serviceversprechen kurzer<br />

Wartezeiten eingehalten werden?<br />

Mutter bei Kinderärztin - Patientenzufriedenheit ist in Netzen höher.<br />

Regelversorgung. Dies zeigt eine Erhebung<br />

der Brendan-Schmittmann-Stiftung des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, bei der im Oktober<br />

2012 mehr als 4.500 Patientinnen und<br />

Patienten des Gesundheitsnetzes Qualität<br />

und Effizienz eG (QuE) in Nürnberg befragt<br />

wurden.<br />

© Monkey Business - Fotolia.com<br />

Durch die Darstellung der für die Patienten<br />

direkt erlebbaren Faktoren beim Arztbesuch<br />

bildet der Praxistest der Brendan-<br />

Schmittmann-Stiftung ein hilfreiches Instrument<br />

im Rahmen des praxisindividuellen<br />

Qualitätsmanagements. Sowohl Defizite als<br />

auch Potenziale werden für die Praxis<br />

sichtbar gemacht und können durch gezielte<br />

Maßnahmen behoben beziehungsweise<br />

ausgebaut werden. Somit trägt die<br />

Patientenbefragung dazu bei, dass sich die<br />

einzelnen Netzpraxen bei der wichtigen<br />

Frage der Patientenorientierung ständig<br />

weiterentwickeln.<br />

Die Befragung der QuE-Patienten ergab<br />

insgesamt eine hohe Zufriedenheit mit den<br />

Netzpraxen. 97,5 Prozent aller antwortenden<br />

Patientinnen und Patienten gaben an,<br />

alles in allem zufrieden zu sein. Der Groß-<br />

35


teil davon zeigte sich sogar sehr zufrieden<br />

(79,2 Prozent). Das Befragungsergebnis zur<br />

Bereitschaft, den eigenen Arzt oder die<br />

eigene Ärztin an andere Personen weiterzuempfehlen,<br />

ist ebenfalls hoch. 93,15<br />

Prozent würden ihren Arzt beziehungsweise<br />

ihre Ärztin uneingeschränkt weiterempfehlen.<br />

Gute Ergebnisse erzielte das Netz auch bei<br />

den Wartezeiten. Knapp 85 Prozent der<br />

Befragten gaben an, nicht länger als 30<br />

Minuten warten zu müssen. Damit erfüllen<br />

die QuE-Praxen die Erwartungen ihrer<br />

Patientinnen und Patienten voll und ganz,<br />

denn 77,5 Prozent finden Wartezeiten bis<br />

30 Minuten akzeptabel, weitere 16,4 Prozent<br />

wären auch mit Wartezeiten bis zu 45<br />

Minuten zufrieden. Bei der Frage zum<br />

Terminmanagement stimmten 94 Prozent<br />

der Befragten der Aussage zu, passende<br />

Termine zu bekommen, mehr als 70 Prozent<br />

sogar „voll und ganz“.<br />

Im Vergleich zu den Zufriedenheitswerten<br />

anderer Befragungen wird deutlich, dass<br />

die Patientenzufriedenheit in QuE-Praxen<br />

überdurchschnittlich hoch ist. So liegt die<br />

Zufriedenheit beim Bewertungsportal<br />

„Weisse Liste“ im <strong>Bund</strong>esdurchschnitt<br />

zwischen 80 und 90 Prozent, bei einer<br />

repräsentativen Studie der Techniker Krankenkasse<br />

aus dem Jahr 2010 zwischen 34<br />

und 61 Prozent und bei einer Forsa-Umfrage<br />

im Auftrag der DAK-Gesundheit aus<br />

2012 zwischen 30 und 51 Prozent.<br />

Die Agentur deutscher Ärztenetze<br />

Die Agentur deutscher Arztnetze e.V. vertritt die Interessen der rund 400 Arztnetze<br />

und Gesundheitsverbünde in Deutschland, unterstützt ihre Mitglieder auf dem<br />

Weg der Professionalisierung und tritt als Dienstleister für Vertrags- und Versorgungskonzepte<br />

auf. Die Netzagentur agiert in enger Zusammenarbeit und gemeinsam<br />

mit dem <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, dem Verband der niedergelassenen Ärzte<br />

Deutschlands e.V.<br />

Regionale Integrierte Versorgung ist die Gesundheitsversorgung von morgen. Viele<br />

hoch entwickelte Netze führen das heute bereits vor. Andere Netze stehen an der<br />

Schwelle, mehr Versorgungsverantwortung übernehmen zu können. Ziele der<br />

Agentur deutscher Arztnetze sind die bundesweite Unterstützung und Professionalisierung<br />

von Gesundheitsnetzen durch<br />

• Lobbying und Marketing,<br />

• Know-how-Bündelung und Wissenstransfer sowie<br />

• die Entwicklung von Angeboten für Vorteilsdienstleistungen für Gesundheitsnetze.<br />

Gemeinsames politisches Ziel ist, dass Ärztenetze und Gesundheitsverbünde den<br />

Status von Leistungserbringern im Sozialgesetzbuch erhalten. Professionell strukturierte<br />

und organisierte Ärztenetze müssen im Sinne einer regionalen effizienzorientierten<br />

Versorgung Vertragspartner mit allen Rechten und Pflichten sein können,<br />

insbesondere beim Abschluss von Strukturverträgen oder bei der Gründung ärztlich<br />

geleiteter Medizinischer Versorgungszentren.<br />

Darüber hinaus müssen Netze, die qualitative und organisatorische Voraussetzungen<br />

erfüllen, die Möglichkeit bekommen, einen regionalen Versorgungsauftrag<br />

oder ein eigenes Honorarbudget zu erhalten. Dies sollte über die jeweilige Kassenärztliche<br />

Vereinigung erfolgen und könnte bis hin zu einem Teil-Sicherstellungsauftrag<br />

gehen.<br />

Die Netzagentur im Internet: www.deutsche-aerztenetze.de<br />

Mitglieder der Agentur deutscher Ärztenetze e.V.: Arbeitsgemeinschaft Berliner<br />

Ärztenetze GbR, Ärztenetz „Medizin und Mehr“ (MuM) e. G., Ärztenetz Fürth Stadt<br />

und Landkreis Fürth e.V., Ärztenetz Südbrandenburg Consult GmbH, Gesundheitsnetz<br />

Dreiländereck Südbaden GmbH & Co. KG, Gesundheitsnetz Köln-Süd (GKS)<br />

e.V., Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG – QuE Nürnberg, Gesundheitsorganisation<br />

Ludwigshafen eG (GO-LU), GMZ GmbH (Management im Gesundheitswesen),<br />

Hessenmed – Verbund hessischer Ärztenetze e.V., HNOnet NRW eG, Leipziger<br />

Gesundheitsnetz e.V., <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> e.V., OptiMedis AG, PaedNetz Bayern e.V.,<br />

Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V., Praxisnetz Kiel, Praxisnetz Nürnberg Süd<br />

e.V., Praxisnetz Vorderpfalz (PRAVO), Regensburger Ärztenetz e.V., solimed – Unternehmen<br />

Gesundheit GmbH & Co. KG, Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte<br />

(UGOM) GmbH & Co. KG<br />

36


Konto & Karten | Beruf & Praxis | Absichern | Vorsorge | Immobilie | Vermögen | Private Banking<br />

Arzt, Arbeitgeber,<br />

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und Vater.<br />

Ihr Berater weiß, wer Sie gerade sind.<br />

Sie gehören zu den wichtigsten Menschen für Ihre Familie, Ihre<br />

Patienten und Ihre Mitarbeiter – und für uns. Deshalb haben wir uns<br />

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Dr. Michael Röttinger, Radiologe, München, Mitglied der apoBank


Gesundheitspolitik<br />

Milliardenpoker im GKV-System<br />

Die Krankenkassen demonstrieren seit<br />

längerem, wie man aus den enormen<br />

Rücklagen der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

(GKV) brisanten Zündstoff macht.<br />

Statt die Probleme der Versorgung anzugehen<br />

oder die Beitragszahler zu entlasten,<br />

bunkern die Kassen Mitgliederbeiträge in<br />

Milliardenhöhe. Von den großen Playern<br />

im GKV-System kündigte zuerst die Techniker<br />

Krankenkasse (TK) an, Prämien auszuschütten.<br />

Der Vorstoß sorgt für Aufregung<br />

im Kassenlager und offenbart den<br />

frostigen Konkurrenzkampf von AOK,<br />

Barmer und Co. Gleichzeitig gerät der<br />

<strong>Bund</strong>esgesundheitsminister in die Kritik.<br />

Dank der robusten deutschen Wirtschaft<br />

und hohen Beschäftigungszahlen sprudeln<br />

die Einnahmen der Krankenkassen. Zudem<br />

wirken sich die Sparpakete, die insbesondere<br />

der Pharmaindustrie auferlegt wurden,<br />

positiv auf die Bilanzen aus. Preisstopp<br />

und Zwangsrabatte haben den Ausgabenanstieg<br />

im Arzneimittelbereich gebremst.<br />

Der Zusatzbeitrag, wie ihn noch im vergangenen<br />

Jahr viele Versicherer verlangten,<br />

scheint wie eine blasse Erinnerung aus<br />

längst vergangenen Zeiten. Die GKV<br />

schwimmt im Geld. Die derzeitigen Rücklagen<br />

von Krankenkassen und Gesundheitsfonds<br />

in Höhe von rund 22 Milliarden<br />

Euro, so hat es das Kieler Institut für Weltwirtschaft<br />

errechnet, werden bis Ende 2014<br />

auf stattliche 27,4 Milliarden steigen. Das<br />

entspricht etwa einem Prozent des Bruttoinlandprodukts.<br />

Zwar gibt es gute Gründe für ein ausreichendes<br />

Finanzpolster in der GKV. Mahner<br />

warnen, Deutschland könne sich letztendlich<br />

womöglich nicht mehr gegen den<br />

wirtschaftlichen Abwärtstrend behaupten<br />

und selbst zum Problemfall werden. Die<br />

Überschüsse würden dann gebraucht.<br />

Krankenkassen sind aber keine Sparkassen,<br />

wie Gesundheitsminister Daniel Bahr nicht<br />

müde wird zu wiederholen. So will es auch<br />

das Gesetz. Hat eine Kasse mehr als anderthalb<br />

Monatsausgaben auf dem Konto<br />

über, muss sie das Geld ausgeben. Höhere<br />

Rücklagen sind nicht erlaubt. Auf das<br />

Minister-Mantra, Geld an die Versicherten<br />

zurückzugeben, reagierten die Kassen<br />

bislang durch die Bank zurückhaltend. Das<br />

Gebot lautete, nicht vor den Forderungen<br />

einzuknicken und so einen Dammbruch in<br />

den eigenen Reihen zu verursachen. Das<br />

ging lange gut. Bis zu einer Vorstands-<br />

Pressekonferenz der Techniker Krankenkasse.<br />

Dort kündigte der neue TK-Chef Jens<br />

Baas an, 2013 Prämien an die Mitglieder<br />

ausschütten zu wollen. Aus einigen Betriebskrankenkassen<br />

verlautet Ähnliches.<br />

Der Riss, den die Nummer zwei der GKV in<br />

der Kassenfront verursacht hat, könnte<br />

folgenreich sein. Der unter Marketingaspekten<br />

clevere Schachzug der TK setzt die<br />

übrigen Versicherer unter Handlungsdruck<br />

und sorgt kassenintern für Aufregung.<br />

Zwar könnten etwa 30 der 145 Krankenkassen<br />

Beiträge zurückzahlen, heißt es aus<br />

Regierungskreisen. Diese bieten aber lieber<br />

Zusatzleistungen an, wie Umfragen der<br />

Wirtschaftswoche und des Focus ergaben.<br />

Unter der Konkurrenz von Geldgeschenken<br />

könnte sich das bald ändern. So könnte<br />

die Aktion der Techniker Krankenkasse für<br />

den Minister den ersten Punktsieg in der<br />

Überschuss-Debatte bedeuten.<br />

Bahr hofft auf weitere Kassen, die nachziehen.<br />

Vor dem Hintergrund der <strong>Bund</strong>estagswahl<br />

im kommenden Jahr machen sich<br />

solche Geldgeschenke an die Wähler gut<br />

– zumal, wenn sie aus dem Gesundheitsressort<br />

stammen. Früher musste hier stets<br />

zugebuttert werden. Unmittelbar nach der<br />

Ankündigung der TK wird des Ministers<br />

Erfolg jedoch von einer Parallele überschattet.<br />

So hatte der FDP-Mann das ihm<br />

unterstellte BVA ungefähr zeitgleich angewiesen,<br />

die geplante Reform des Finanzausgleichs<br />

auf Eis zu legen. Die Reform<br />

soll einen lange bekannten Rechenfehler<br />

im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich<br />

(Morbi-RSA) beheben. Aufgrund<br />

38


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Milliardenpoker um Versichertenbeiträge – Versorgung wird zur Nebensache<br />

des Fehlers werden für alte und schwerkranke<br />

Menschen zu wenig Mittel bereitgestellt.<br />

Während Kassen mit vielen Mitgliedern<br />

dieser Patientengruppe auf die<br />

Neuregelung drängen, ist die Techniker<br />

durch den Stopp im Vorteil. Bei ihr sind<br />

überdurchschnittlich junge und gesunde<br />

Menschen krankenversichert.<br />

Die Synchronizität der Ereignisse nährt<br />

Kungelei-Gerüchte und hat eine offene<br />

Auseinandersetzung unter den Kassen<br />

entfacht. Hinter vorgehaltener Hand ist<br />

von einem möglichen Kuhhandel zwischen<br />

Baas und Bahr die Rede: Prämienausschüttung<br />

gegen Reformstopp. Die restlichen<br />

Kassen reagieren verschnupft. Der Frust<br />

über den Reformstau paart sich mit dem<br />

Groll auf die Nestbeschmutzer von der TK.<br />

AOK-Chef Jürgen Graalmann, dessen Mitgliederstruktur<br />

ungünstig für die derzeitige<br />

Berechnungsformel ist, droht mit einem<br />

Klageverfahren vor dem <strong>Bund</strong>essozialgericht.<br />

Mit in der Ärzteschaft wohlbekannter<br />

Kassen-Rhetorik rumpelte Graalmann<br />

außerdem gegen die Konkurrenz: Der<br />

Prämiensegen der TK sei nichts weiter als<br />

eine „Fangprämie für Neukunden“; die TK<br />

mache mit dem zu Unrecht erhaltenen<br />

Geld Kasse.<br />

© pzRomashka - Fotolia.com<br />

So gleicht die Situation einem Pokerspiel,<br />

das gerade erst begonnen hat. Während<br />

die meisten Kassen mit vermeintlichen<br />

Leistungsausweitungen auftrumpfen wollen,<br />

hat die TK bereits den ersten Stich<br />

gemacht. Den hohen Einsatz brachte sie<br />

nicht freiwillig. Das BVA hatte die TK<br />

bereits im Mai dazu aufgefordert, Überschüsse<br />

abzubauen und an die Mitglieder<br />

auszuzahlen. Die Versorgung der Versicherten<br />

gerät im Konkurrenzkampf der Krankenkassen<br />

derweil zur Nebensache. Obwohl<br />

die Forderung, die nutzlose Praxisgebühr<br />

kritisch zu überprüfen, bei Wissenschaftlern,<br />

Verbänden und Teilen der Politik<br />

breite Unterstützung findet, ist ihre Abschaffung<br />

ungewiss. Die Christsozialen<br />

halten mit Hinweis auf schlechtere Zeiten<br />

an der Abgabe fest. Den Kassen kann die<br />

Blockadehaltung nur Recht sein.<br />

Die Abschaffung der Zehn-Euro-Abgabe<br />

wäre ein Nullsummenspiel für alle ohne<br />

individuellen Marketingnutzen. Lieber<br />

geben die Kassen das Geld, das sie den<br />

Patienten über die Praxen abverlangen,<br />

später medienwirksam an sie zurück. Lachender<br />

Dritter im Beitragspoker könnte<br />

schließlich <strong>Bund</strong>esfinanzminister Wolfgang<br />

Schäuble sein. Während die Beitragszahlungen<br />

der Versicherten grundsätzlich<br />

steuerlich absetzbar sind, gilt das für Prämienzahlungen<br />

nicht. Schreibt die Techniker<br />

Krankenkasse jedem ihrer rund sechs<br />

Millionen Mitglieder 100 Euro gut, würden<br />

nicht nur 600 Millionen Euro aus der<br />

Versorgung abgezogen. Bei einem durchschnittlichen<br />

Einkommenssteuersatz von<br />

etwa 15 Prozent dürften sich auch die<br />

Finanzbeamten in Berlin die Hände reiben.<br />

Opposition treibt Bürgerversicherung<br />

voran<br />

Mit Eintritt ins <strong>Bund</strong>estagswahljahr 2013<br />

gewinnt die Debatte über die Finanzierung<br />

des Gesundheitswesens an Fahrt. Geht es<br />

nach den Plänen von SPD und Bündis90/<br />

Die Grünen wird das duale System aus<br />

gesetzlicher und privater Krankenversiche-<br />

39


ung durch eine einheitliche Bürgerversicherung<br />

für Alle ersetzt. Die PKV gerät<br />

damit unter enormen Druck. An Reformen<br />

wird sie nicht vorbeikommen. Vielen Linken<br />

ist sie ein Dorn im Auge, das Symbol<br />

der „Zwei-Klassen-Medizin“ in Deutschland.<br />

Die private Krankenversicherung biete<br />

Gutverdienern und den meisten Selbstständigen<br />

die Möglichkeit, sich der Solidargemeinschaft<br />

zu entziehen. Denn Privatpatienten<br />

versicherten nur ihr eigenes Krankheitsrisiko.<br />

Zum Solidarausgleich tragen sie<br />

nicht bei. Um diese Gerechtigkeitslücke zu<br />

schließen, so die im Großen und Ganzen<br />

gleichlautenden Reformpläne der rotgrünen<br />

Opposition, soll eine Bürgerversicherung<br />

eingeführt werden. Im neuen<br />

vereinheitlichten Versicherungssystem seien<br />

dann alle Patienten gleich – unabhängig<br />

von ihrem Versichertenstatus.<br />

Der Charme einer vermeintlich gerechteren<br />

Gesundheitsversorgung verfängt – sogar<br />

bei den Ärzten und damit denjenigen, die<br />

die Reform am deutlichsten zu spüren<br />

bekommen würden. 51 Prozent der Mediziner<br />

befürworten die Einführung der<br />

Bürgerversicherung, so das Umfrageergebnis<br />

des MLP-Gesundheitsreports. Nur 41<br />

Prozent lehnen das Vorhaben ab. Zwar<br />

fragte das vom Finanzdienstleister MLP für<br />

den Report beauftragte Institut für Demoskopie<br />

Allensbach nicht nur Niedergelassene,<br />

sondern auch Kliniker nach ihrer Meinung.<br />

Dennoch sorgte das Ergebnis für<br />

Verwunderung. Es sei erstaunlich, so Allensbach-Chefin<br />

Renate Köcher. Offenbar<br />

hofften viele Mediziner, ihre Einbußen<br />

durch den Wegfall der Privatliquidation<br />

über mehr Patienten mit privater Zusatzversicherung<br />

wettzumachen. Nur noch<br />

private Zusatzversicherung – das wäre<br />

„Zwei-Klassen-Medizin“ pur. Sollte nicht<br />

genau das durch die Bürgerversicherung<br />

abgeschafft werden? Die rot-grüne Einheitsversicherung<br />

sei eine Mogelpackung,<br />

ein süßes Gift der Opposition, kritisiert der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, die Reformpläne.<br />

„Alle Patienten, die es sich leisten<br />

können, werden private Zusatzversicherungen<br />

abschließen. Je nach Geldbeutel haben<br />

wir dann keine Zwei-Klassen-Medizin<br />

mehr, sondern eine Drei-, oder gar Vier-<br />

Teilung der Gesundheitsversorgung.“ Viele<br />

Praxen könnten darüber hinaus GKV-Patienten<br />

heute nur noch durch die Querfinanzierung<br />

durch die private Krankenversicherung<br />

behandeln. Der Wegfall der GOÄ<br />

als Finanzierungsquelle müsste durch eine<br />

Anhebung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes<br />

um rund 30 Prozent kompensiert<br />

werden, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />

„Daran glaubt doch kein Mensch.“<br />

Deutliche Kritik kommt auch vom Präsidenten<br />

der <strong>Bund</strong>esärztekammer. Durch den<br />

Wegfall der PKV, mahnte Prof. Frank Ulrich<br />

Montgomery bei einer Podiumsdiskussion<br />

des Pharmaherstellers UCB im Januar in<br />

Berlin, fehle dem Gesundheitssystem zukünftig<br />

ein wichtiger Innovationsmotor.<br />

Derzeit zwinge der Druck der GOÄ den<br />

Gemeinsamen <strong>Bund</strong>esausschuss zur Einführung<br />

von neuen Methoden in der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung. Diese<br />

Wettbewerbsdynamik fehle im Bürgerversicherungsmodell<br />

völlig, so Montgomery.<br />

Was bleibe sei ein „hohes Symbol von<br />

Gerechtigkeit auf verdammt niedrigem<br />

Niveau.“ „Ein Wettbewerb findet gar nicht<br />

statt“, entgegnete der Obmann der Grünen<br />

im Gesundheitsausschuss, Dr. Harald Terpe.<br />

Die solidarische Bürgerversicherung werde<br />

die Unterfinanzierung des GKV-Systems<br />

ausbalancieren und für eine Verbesserung<br />

der Versorgung sorgen. Dabei könnten<br />

auch private Versicherungen zu Anbietern<br />

der Bürgerversicherung werden. Allerdings<br />

unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen<br />

wie die GKV.<br />

Ähnlich sieht es auch die SPD. Geht es<br />

nach den Sozialdemokraten wird das bestehende<br />

Nebeneinander der Systeme<br />

durch einen einheitlichen Versicherungsrahmen<br />

ersetzt. Der PKV bliebe lediglich<br />

eine Gnadenfrist, denn den Privatversicher-<br />

© Michaela Gruse/ Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern<br />

„Ein Wettbewerb findet nicht statt“ –<br />

Dr. Harald Terpe attackiert die PKV<br />

40


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

ten würde eine goldene Brücke in die GKV<br />

gebaut. „Wir wollen eine Wechselmöglichkeit<br />

für eine begrenzte Zeit unter Mitnahme<br />

der Rückstellungen“, erklärte die Vorsitzende<br />

des <strong>Bund</strong>estags-Gesundheitsausschusses,<br />

Dr. Carola Reimann, die für die<br />

SPD auf dem Podium saß. Für die privaten<br />

Krankenversicherer stehen somit schwere<br />

Zeiten ins Haus. Ganz gleich in welche<br />

Richtung die politischen Lager tendieren,<br />

kann die PKV wohl kaum zur Tagesordnung<br />

übergehen. Steigende Beitragssätze,<br />

überhöhte Maklerprovisionen und eine<br />

veraltete Gebührenordnung bringen die<br />

Assekuranzen zunehmend in Schwierigkeiten.<br />

Noch aber, so Frank Ulrich Montgomery,<br />

scheine der Reformdruck nicht groß<br />

genug zu sein. Die Verhandlungen über<br />

die GOÄ-Reform erklärte der Ärztepräsident<br />

für gescheitert.<br />

Bürgerversicherung gefährdet<br />

zehntausende Praxen<br />

Bei Einführung einer Bürgerversicherung<br />

nach den Plänen der Opposition müssten<br />

niedergelassene Ärzte nahezu aller Fachgruppen<br />

mit massiven Umsatzverlusten im<br />

zweistelligen Prozentbereich rechnen.<br />

Dieses Ergebnis einer Studie des PVS-<br />

Verbandes zur finanziellen Belastung der<br />

Ärzte durch den Wegfall der Privaten Krankenversicherung<br />

(PKV) nahm der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> zum Anlass für Generalkritik.<br />

Angesichts der neuen Zahlen warnt der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, ein historisch<br />

begründetes und funktionierendes duales<br />

Versicherungssystem ohne Not zu opfern.<br />

Heinrich: „Brechen die PKV-Umsätze weg,<br />

geraten viele Praxen in eine gefährliche<br />

wirtschaftliche Schieflage. Das können sich<br />

weder die Patienten, die eine wohnortnahe<br />

Versorgung erhalten, noch die Ärzte und<br />

Praxismitarbeiter, die um ihre Existenz<br />

bangen, leisten.“<br />

Derzeit finanzierten 11,4 Prozent Privatversicherte<br />

das deutsche Gesundheitssystem<br />

zu 25 Prozent. Ohne diese Privatumsätze<br />

© LUCKAS - Fotolia.com<br />

müssten niedergelassene Ärzte im Schnitt<br />

einen Verlust von etwa 43.400 Euro jährlich<br />

einkalkulieren. Fachärzte wären dabei<br />

am stärksten betroffen, so die Berechnungen<br />

des PVS-Verbandes. Dermatologische,<br />

orthopädische und radiologische Praxen<br />

hätten Umsatzverluste zwischen 30 und 40<br />

Prozent zu verkraften. Geringer sei der<br />

Ausfall bei den Allgemein- und Kinderärzten<br />

sowie den Internisten. Hier wurde ein<br />

Vergütungsverlust zwischen circa 6 und 14<br />

Prozent errechnet.<br />

Vor allem fachärztliche Praxen müssten drastische<br />

Umsatzeinbußen befürchten. Praxisschließungen drohen.<br />

Die absehbaren Umsatzverluste in einer<br />

Bürgerversicherung werden von den niedergelassenen<br />

Ärzten heftig kritisiert: „Die<br />

Studie zeigt es deutlich: Die Bürgerversicherung<br />

ist nicht nur schlecht für die<br />

Patienten, weil sie die Versorgung teurer<br />

macht und Innovationen blockiert. Sie ist<br />

auch eine reale wirtschaftliche Gefahr für<br />

zehntausende Arztpraxen. Ein Umsatzrückgang<br />

zwischen 20 und 40 Prozent ist nur<br />

mit radikalem Personalabbau und weitgehenden<br />

Streichungen nötiger Neuinvestitionen<br />

in Technik und Geräte ausgleichbar.<br />

Beides hätte direkte Auswirkungen auf die<br />

Patientenversorgung. Es drohen längere<br />

Wartezeiten und vermehrte Krankenhauseinweisungen“,<br />

warnt Dr. Dirk Heinrich,<br />

der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />

niedergelassenen Ärzte Deutschlands.<br />

Zwar beteuern die Befürworter der Bürgerversicherung<br />

immer wieder, dass die wegbrechenden<br />

PKV-Honorare in einem vereinheitlichten<br />

Versicherungssystem kompensiert<br />

werden würden. Bei den Ärzten<br />

bleibt man dennoch skeptisch. Dr. Heinrich:<br />

„Dass nach einem Systemwechsel<br />

genügend Geld für die Erhöhung der GKV-<br />

Einnahmen zur Verfügung gestellt wird, ist<br />

ein leeres Versprechen. Letztendlich heißt<br />

Bürgerversicherung nichts anderes als<br />

Enteignung der Privatversicherten, schlechtere<br />

Versorgung für Kassenpatienten, Unterschlagung<br />

der guten ambulanten, insbesondere<br />

fachärztlichen, Versorgung. Das ist<br />

weder gerecht noch fair“, so der Verbandsvorsitzende.<br />

Währenddessen wächst der innerärztliche<br />

Widerstand gegen die Einführung einer<br />

Bürgerversicherung. Bei einer Online-Umfrage<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es über das<br />

Ärztenetzwerk coliquio gaben 81 Prozent<br />

der Befragten an, nichts von den Reformplänen<br />

der Opposition zu halten. 86 Prozent<br />

erwarten Umsatzeinbußen in ihren<br />

Praxen. Bei der Frage, ob Reformen innerhalb<br />

der PKV die Bürgerversicherung verhindern<br />

könnten, zeigten sich 57 Prozent<br />

der Teilnehmer davon überzeugt, dass die<br />

Konvergenz der Systeme aus grundsätzlichen<br />

Erwägungen angestrebt wird und<br />

auch Fortschritte bei den hausgemachten<br />

Problemen in der PKV daran nichts ändern<br />

würden. An der Online-Abstimmung nahmen<br />

über 1.400 Ärzte teil.<br />

Und täglich grüßt …<br />

die Einheits-Gebührenordnung<br />

Man könnte fast die Uhr danach stellen. In<br />

regelmäßigen Abständen fordern Befürworter<br />

der Bürgerversicherung und Krankenkassen-Bosse<br />

die einheitliche Gebührenordnung<br />

für Ärzte, weil es doch nicht<br />

sein kann, dass für gleiche medizinische<br />

Leistung unterschiedlich bezahlt würde<br />

und weil dies überhaupt der Grund für die<br />

„Zwei-Klassen-Medizin“ in Deutschland<br />

sei. Vergessen wird dabei stets die historische<br />

Entwicklung der Gebührenordnungen<br />

von den Bismarckschen Sozialgesetzen bis<br />

heute und die Zwecke, zu denen insbesondere<br />

die Gebührenordnungen innerhalb der<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />

41


Gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt<br />

und fortgeschrieben wurden.<br />

Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es warnt dabei stets und ständig vor<br />

einer Vereinheitlichung der ärztlichen<br />

Honorarordnung auf das Niveau des Einheitlichen<br />

Bewertungsmaßstabes (EBM).<br />

„Ohne die Einnahmen aus der Privaten<br />

Krankenversicherung wären viele Praxen<br />

nicht überlebensfähig und müssten schließen.<br />

Und zwar nicht nur am Starnberger<br />

See, sondern auch in den bereits heute<br />

schlecht versorgten Regionen Deutschlands“,<br />

so Dr. Dirk Heinrich. Kurz nachdem<br />

der Vorstandsvorsitze des AOK-<strong>Bund</strong>esverbandes,<br />

Jürgen Graalmann, das Sachleistungsprinzip<br />

der GKV als Grundlage für<br />

eine Einheitsgebührenordnung gefordert,<br />

gleichzeitig aber vor Revolutionen im<br />

Gesundheitswesen gewarnt und damit die<br />

Einführung einer Bürgerversicherung gemeint<br />

hatte, konterte Dr. Heinrich: „Das<br />

passt nicht zusammen!“<br />

Nichts mehr einzusparen – Keine weitere Kostendämpfung<br />

durch die Bürgerversicherung<br />

Es sei zwar begrüßenswert, dass sich immer<br />

mehr Kassenvertreter gegen die Reformpläne<br />

der Oppositionsparteien stellten,<br />

so Dr. Heinrich weiter. Die Äußerung des<br />

AOK-Vorstandes offenbare jedoch die<br />

einseitige Interessenpolitik der Krankenkassen:<br />

„Den Kassen geht es bei der Bürgerversicherung<br />

nicht um mehr Gerechtigkeit,<br />

sondern allein um weitere Kostendämpfungen<br />

im ambulanten Bereich.“ Durch die<br />

Budgetierung seien die Praxisärzte bereits<br />

© psdesign1 - Fotolia.com<br />

heute gezwungen, rund ein Fünftel ihrer<br />

Leistungen umsonst zu erbringen, so der<br />

Verbandsvorsitzende. „Hier ist nichts mehr<br />

einzusparen.“<br />

Nicht der EBM, sondern die Gebührenordnung<br />

für Ärzte (GOÄ) sei darüber hinaus<br />

die Referenz für ärztliche Leistungen. Die<br />

seien bei Privatversicherten und Kassenpatienten<br />

eigentlich gleich, nur dass die Ärzte<br />

im Sachleistungsprinzip der GKV weniger<br />

für ihre Leistung bekämen. Falle die GOÄ<br />

als Vorgabe weg, stünde einer Medizin<br />

nach Kassenlage nichts mehr entgegen.<br />

„Wer die Arzthonorare dauerhaft auf das<br />

Sparniveau des EBM eindampfen will,<br />

muss den Patientinnen und Patienten auch<br />

klar sagen, wo gespart werden soll. Eine<br />

Rationierungsdebatte wäre dann unumgänglich.“<br />

Dies wäre eine echte Revolution<br />

im Gesundheitswesen, so Dr. Dirk Heinrich<br />

an die Adresse des AOK-Vorstandes.<br />

Doppelzüngigkeit bei<br />

PKV-Abschaffung<br />

Auch der neue Chef der Techniker Krankenkasse,<br />

Dr. Jens Baas stieß ins selbe<br />

Horn, als er in einem Handelsblatt-Interview<br />

für die Abschaffung der Privaten<br />

Krankenversicherung plädierte. In einem<br />

offenen Brief antwortete ihm der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />

Dirk Heinrich:<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Baas,<br />

mit großem Befremden haben die niedergelassenen<br />

Ärztinnen und Ärzte Ihr Plädoyer<br />

für die Abschaffung der Privaten<br />

Krankenversicherung im Handelsblatt<br />

vom 27.12.2012 zur Kenntnis genommen.<br />

Ihre Äußerung scheint eine neue Ära bei<br />

der Techniker Krankenkasse einzuläuten.<br />

Nicht nur, dass Sie die Rückzahlung von<br />

Versichertengeldern in Ihrer Pressemeldung<br />

vom 14.12.2012 als „Dividende“<br />

bezeichnen, was völlig widersinnig ist,<br />

sondern auch, dass Sie die Abschaffung<br />

der Privaten Krankenversicherung fordern<br />

zeigt, dass Sie mehr am Wohl Ihrer Krankenkasse<br />

interessiert sind, als am Wohl<br />

Ihrer Versicherten und dem Anteil Ihrer<br />

Versicherten, die Patienten sind.<br />

Ohne die Einnahmen aus den privaten<br />

Krankenversicherungen würde es die<br />

heutige Landschaft an Haus- und Fachärzten<br />

in Niederlassung nicht geben. Der<br />

Spitzenverband der GKV und auch Sie<br />

selbst haben sich in der letzten Honorarrunde<br />

nicht für eine ausreichende Steigerung<br />

der Einnahmeseite der niedergelassenen<br />

Ärzte eingesetzt. Jetzt die Abschaffung<br />

der einzigen noch wirklich funktionierenden<br />

und adäquat bezahlenden Versicherungssparte<br />

zu fordern, ist<br />

angesichts der Tatsache, dass Sie selbst<br />

Ihren Versicherten Privatleistungen anbieten<br />

völlig inkongruent.<br />

Es ist zudem empörend, dass Sie das<br />

zusätzliche Hautkrebsscreening, das Sie<br />

Ihren Versicherten ab dem fünfzehnten<br />

Lebensjahr über eine Privatpraxis in<br />

Hamburg anbieten, anstatt über diejenigen<br />

Ärzte, die sowieso schon gesetzlich<br />

krankenversicherte Patienten tagein und<br />

tagaus behandeln. Sie unterstützen damit<br />

rein privat niedergelassene Ärzte und<br />

fordern gleichzeitig die Abschaffung des<br />

Versicherungssystems, das genau diese<br />

Ärzte im Wesentlichen finanziert. Dies<br />

mag verstehen wer will; ein normal denkender<br />

Mensch jedoch nicht.<br />

Es ist genau diese Doppelzüngigkeit, die<br />

den Anschein erweckt, dass Ihre Äußerung<br />

rein dem Wohl der Kasse dient und<br />

nicht dem Wohl der Versicherten und<br />

Patienten. Wir niedergelassenen Ärzte<br />

müssen dies als heuchlerische Äußerung<br />

empfinden. Bislang gehörte die Techniker<br />

Krankenkasse zu den Krankenkassen, die<br />

von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten,<br />

die Kassenpatienten behandeln, als<br />

solide und verlässlich empfohlen wurden.<br />

Diese Haltung muss nun grundlegend<br />

überdacht werden.<br />

42<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Wir erwarten von einer großen Krankenkasse<br />

wie der Techniker Krankenkasse,<br />

dass sie nicht nur sorgsam mit den Versichertengeldern<br />

umgeht, sondern dass sie<br />

sich seriös am Markt verhält. Wir sind<br />

sehr enttäuscht von dem Kurswechsel der<br />

Techniker Krankenkasse.<br />

Sozialversicherungssyteme, wie sie die<br />

Opposition fordert“, erklärt daraufhin der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />

„Merkwürdige Doppelzüngigkeit:<br />

TK-Chef Dr. Jens Baas<br />

© Techniker Krankenkasse<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Dr. Dirk Heinrich<br />

Widerlegte Wartezeiten<br />

Ein immer wieder gehörtes Argument im<br />

Zusammenhang mit der Forderung einer<br />

Bürgerversicherung: die Abschaffung der<br />

„Zwei-Klassen-Medizin“, festgemacht an<br />

unterschiedlichen Wartezeiten für Terminvergaben<br />

an gesetzlich und privat Versicherte.<br />

Mal starten Wahlkreiskandidaten<br />

eine Telefonaktion, um bei niedergelassenen<br />

Ärzten Termine zu vereinbaren – erst<br />

als GKV-Patient, dann als Privatversicherter.<br />

Und die Differenz der Terminvergaben<br />

befriedigt die Empörungs- und Skandalisierungsabsicht,<br />

ohne nach den wahren<br />

Gründen vor Ort zu suchen und einen<br />

Vergleich zu anderen Ländern zu ziehen.<br />

Hauptsache das Argument wird bestätigt:<br />

„Wir haben eine Zwei-Klassen-Medizin“.<br />

Dabei lohnt der Blick über den Tellerrand:<br />

Denn Patienten in Deutschland müssen im<br />

Vergleich der OECD-Länder am kürzesten<br />

auf einen Termin beim Facharzt oder einen<br />

operativen Eingriff im Krankenhaus warten.<br />

Dies ergibt eine Studie des Wissenschaftlichen<br />

Instituts der Privaten Krankenversicherung<br />

(WIP), die Rationierung<br />

und Versorgungsunterschiede in Gesundheitssystemen<br />

international verglichen hat.<br />

„Damit ist das Hauptargument für eine<br />

rot-grüne Bürgerversicherung klar widerlegt.<br />

Es gibt in Deutschland kein Wartezeitenproblem<br />

aufgrund einer sogenannten<br />

Zwei-Klassen-Medizin durch das duale<br />

System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung.<br />

Im Gegenteil: In fast<br />

allen anderen Ländern mit langen Wartezeiten<br />

existieren öffentliche Steuer- oder<br />

© Alexander Raths - Fotolia.com<br />

83 Prozent der Deutschen warten weniger als einen Monat<br />

auf einen Facharzt-Termin.<br />

Dennoch sei die Versorgung dort nicht<br />

besser, sondern schlechter. Laut der WIP-<br />

Studie gaben bei einer internationalen<br />

Erhebung in den OECD-Ländern 83 Prozent<br />

der deutschen Befragten an, weniger<br />

als einen Monat auf einen Facharzt-Termin<br />

warten zu müssen. 78 Prozent mussten<br />

weniger als einen Monat auf einen operativen<br />

Eingriff im Krankenhaus warten. Bei<br />

beiden Werten liegt Deutschland im Länder-Vergleich<br />

an erster Stelle. Der Anteil<br />

der Patienten, die zwei Monate oder länger<br />

auf einen Facharzt-Termin warten müssen,<br />

liegt hierzulande bei sieben Prozent. Nur<br />

in der Schweiz gibt es weniger überlange<br />

Wartende. Auch die Patienten sehen keinen<br />

Trend zur Zwei-Klassen-Medizin in der<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik.<br />

Bei einer repräsentativen Forsa-Umfrage im<br />

Auftrag der IKK Classic bemängeln lediglich<br />

neun Prozent der Befragten eine Bevorzugung<br />

Privatversicherter. Gleichzeitig<br />

gaben 78 Prozent an, dass sie mit der<br />

kurzfristigen Terminvergabe der Ärzte<br />

zufrieden seien. „Das Nebeneinander von<br />

Privaten und Gesetzlichen Krankenkassen<br />

ist der große Vorteil für den Gesundheitsstandort<br />

Deutschland. Dass zeigen die<br />

Zahlen deutlich. Kommt die Bürgerversicherung<br />

nach den Plänen der Opposition,<br />

43


droht die Patientenversorgung Schaden zu<br />

nehmen“, warnt Dr. Heinrich. Das Beispiel<br />

lieferten alle anderen entwickelten Länder<br />

mit staatlichen Einheitssystemen.<br />

Korruptionsdebatte<br />

BGH stärkt ärztliche<br />

Freiberuflichkeit<br />

© Hans-Jörg Nisch - Fotolia.com<br />

Ärzte sind weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen.<br />

So urteilte der <strong>Bund</strong>esgerichtshof.<br />

Berufsrecht und im Sozialrecht verankert.“<br />

Es sei nun Aufgabe der Ärzteschaft, die<br />

Vorgaben der Berufsordnung eigenständig<br />

durchzusetzen, erklärte der Vorsitzende des<br />

Verbandes der niedergelassenen Ärzte<br />

Deutschlands: „Jetzt hat es die ärztliche<br />

Selbstverwaltung maßgeblich in der Hand,<br />

dass die schwarzen Schafe benannt und<br />

anschließend wirkungsvoll bestraft werden.“<br />

Vertragsärzte sind weder Amtsträger noch<br />

Beauftragte der Krankenkassen. Das hat<br />

der <strong>Bund</strong>esgerichtshof (BGH) Ende Juni in<br />

einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil<br />

festgestellt. Während die Ärzteschaft<br />

nahezu durchweg mit Erleichterung<br />

auf die Entscheidung reagierte, war die<br />

veröffentlichte Meinung von einer anderen<br />

Lesart dominiert: Ärzte dürfen Geschenke<br />

von Pharmafirmen annehmen. Ein heikles<br />

Urteil, das die Selbstverwaltung fordert.<br />

Ein Jahr lang hatten sich die Richter des<br />

BGH mit der Klage einer Pharmareferentin<br />

befasst, die ihre Verurteilung wegen Bestechung<br />

durch das Landgericht Hamburg<br />

nicht akzeptieren wollte. Die Frau hatte<br />

Vertragsärzten im Rahmen eines so genannten<br />

Verordnungsmanagements insgesamt<br />

rund 18.000 Euro übergeben. Bedingung<br />

für den Geldfluss: Die Ärzte verschrieben<br />

ihren Patienten ein bestimmtes<br />

Medikament des betreffenden Pharmaunternehmens<br />

und erhielten dafür fünf Prozent<br />

des Herstellerabgabepreises. Dabei<br />

handelt es sich nicht um Bestechlichkeit im<br />

geschäftlichen Verkehr, urteilten die Karlsruher<br />

Strafrichter nun. Der Straftatbestand<br />

wäre nur dann erfüllt gewesen, wären<br />

niedergelassene Vertragsärzte Amtsträger<br />

oder Beauftragte der Krankenkassen, so<br />

der Senat. Dies ist jedoch nicht der Fall.<br />

Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder<br />

Angestellter noch Funktionsträger einer<br />

öffentlichen Behörde, hielten die Richter<br />

fest. Allein die freie Auswahl eines gesetzlich<br />

versicherten Patienten veranlasst seine<br />

Tätigkeit.<br />

Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient,<br />

so die Begründung der BGH-Richter, ist<br />

dabei wesentlich vom persönlichen Vertrauen<br />

und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet,<br />

bei der die Kassen außen vor<br />

zu bleiben haben. Obwohl Vertragsärzte<br />

durchaus in das System öffentlich gelenkter<br />

Daseinsfürsorge eingebunden sind, hat<br />

ihre Tätigkeit nicht den Charakter hoheitlich<br />

gesteuerter Verwaltungsausübung.<br />

Vielmehr agieren Krankenkassen und Vertragsärzte<br />

gleichberechtigt nebeneinander,<br />

weswegen Niedergelassene nicht Beauftragte<br />

der Kassen sein können, heißt es in<br />

dem Urteil. Damit stellte der BGH eindeutig<br />

klar, dass Ärzte in erster Linie dem<br />

Patientenwohl und nicht den Kassen verpflichtet<br />

sind. Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich,<br />

begrüßte die Senatsentscheidung: „Das<br />

BGH-Urteil ist ein eindrucksvolles Plädoyer<br />

für die ärztliche Freiberuflichkeit. Jeder<br />

Gesetzgeber, gleich in welcher Koalition,<br />

der strafrechtliche Verschärfungen im<br />

Patienten-Arzt-Verhältnis vornimmt, rüttelt<br />

an den Grundfesten dieser höchstrichterlich<br />

geschützten Freiberuflichkeit.“<br />

Nagelprobe für die Selbstverwaltung<br />

Dennoch dürfe das Urteil keineswegs als<br />

Freibrief für unlauter handelnde Praxisärzte<br />

verstanden werden. Dr. Heinrich: „Geldgeschenke<br />

für Verordnungsverhalten, Korruption<br />

und Fangprämien sind mit dem<br />

Arztberuf unvereinbar. Die hierfür erforderlichen<br />

rechtlichen Grundlagen sind im<br />

Trotz des positiven Ausgangs des BGH-<br />

Verfahrens besteht nach dem Urteil erhöhter<br />

Erklärungsbedarf. So zeigte sich Dr.<br />

Frank Ulrich Montgomery verärgert angesichts<br />

der einhelligen Interpretation der<br />

Medien, Ärzte dürften sich straflos bestechen<br />

lassen. Der Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />

sagte im Interview mit dem<br />

Deutschlandfunk: „Mitnichten darf sich<br />

der Arzt Geschenke von Pharmafirmen<br />

schenken lassen.“ Die rechtlichen Vorschriften<br />

seien hier eindeutig. Sowohl das<br />

ärztliche Berufsrecht, als auch das so genannte<br />

Kassenarztrecht seien bei dieser<br />

Frage eindeutig. Die möglichen Sanktionen<br />

reichten bereits jetzt bis zum Verlust der<br />

Approbation.<br />

Hitzige Debatte kreist nur um Ärzte<br />

Die im Anschluss geführte Debatte um<br />

Korruption im Gesundheitswesen trug teils<br />

kuriose Züge. Alle wollen die Korruption<br />

bekämpfen, aber im Blick blieb nur die<br />

Ärzteschaft. Selbst in der veröffentlichten<br />

Meinung zierten Ärzte die Überschriften,<br />

auch wenn nur über Fehlverhalten von<br />

Physiotherapeuten, Apothekern und auch<br />

Patienten berichtet wurde. Hier ein Beispiel:<br />

Wie weit die Schere zwischen den erhobenen<br />

Korruptions-Vorwürfen gegen die<br />

Ärzteschaft, der öffentlichen Wahrnehmung<br />

und der Realität klafft, machen<br />

Zahlen der DAK deutlich. Hier spricht die<br />

Hamburger Kasse von 1.800 ungeprüften<br />

„Hinweisen“ auf Abrechnungsbetrug im<br />

Jahre 2012, die aber lediglich zu zwölf<br />

44<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Prozent Ärzte betreffen. Alle anderen entfielen<br />

auf Physiotherapie, Pflege und Arzneimittel.<br />

Die darauf erfolgten Rückforderungen<br />

gegen Ärzte beliefen sich auf<br />

130.000 Euro, also 0,05 Promille der Gesamtausgaben<br />

für die ärztliche Behandlung<br />

der DAK. Die dazugehörigen Schlagzeilen<br />

lauten aber, wie hier im Hamburger<br />

Abendblatt „Zahlreiche Ärzte und Apotheker<br />

betrügen bei Abrechnung“.<br />

„Die DAK-Zahlen zeigen den tatsächlich<br />

geringen Umfang des Problems. Obwohl es<br />

sicherlich hier und da schwarze Schafe<br />

gibt, ist Fehlverhalten bei Ärzten äußerst<br />

selten“, konstatiert Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Die Zahlen belegten darüber hinaus, dass<br />

der Ermittlungsaufwand, den die Kassen<br />

betreiben, nicht gerechtfertigt sei. Dr.<br />

Heinrich: „Hier wird mit Kanonen auf<br />

Spatzen geschossen und künstlich Druck<br />

aufgebaut. Das Perfide dabei ist, dass die<br />

Ärzte sich, trotzdem sie sich fast durchweg<br />

nichts zu Schulden kommen lassen, permanent<br />

gegen die unlauteren Vorwürfe<br />

wehren müssen und mit dem Makel der<br />

Korruption zu kämpfen haben.“<br />

Geringer Umfang des Problems - nur 130.000 Euro Rückforderungen<br />

aufgrund Abrechnungsbetruges bei der DAK<br />

© pic-unique - Fotolia.com<br />

Hinsichtlich der Forderungen nach einer<br />

gesetzlichen Regelung gegen Korruption<br />

im Gesundheitswesen fordert Dr. Heinrich<br />

alle Beteiligten dazu auf, die Verhältnismäßigkeit<br />

zu wahren: „Von einem ‚dringenden<br />

Handlungsbedarf‘ zu sprechen, ist<br />

daher vollkommen überzogen. Ein neuer<br />

Anti-Korruptionsparagraf müsste vielmehr,<br />

so er denn tatsächlich kommt, alle Beteiligten<br />

im Gesundheitswesen betreffen, also<br />

auch die Krankenkassen als Institution.“ So<br />

gebe es derzeit nicht ausreichend wirkungsvolle<br />

Kontrollinstrumente gegen den<br />

Machtmissbrauch bei Krankenkassen.<br />

„Wenn, wie im Fall der DAK, zehnköpfige<br />

Ermittlungsteams mit den Beitragsgeldern<br />

der Versicherten finanziert werden und die<br />

Ergebnisse derart dürftig ausfallen, sollte<br />

das die zuständige Aufsichtsbehörde aufhorchen<br />

lassen.“<br />

Die in den letzten Wochen gehäufte Berichterstattung<br />

über angebliche Ärzte-<br />

Korruption sei allein auf die Inszenierung<br />

durch die Krankenkassen zurückzuführen,<br />

kritisiert Dr. Heinrich. Erst in der vergangenen<br />

Woche hatte AOK-Vorstand Jürgen<br />

Graalmann Schwerpunktstaatsanwaltschaften<br />

gegen Korruption bei Ärzten gefordert.<br />

Die Forderung sei populistisch und habe<br />

nur zum Ziel, die Atmosphäre zwischen<br />

Patienten und Ärzten zu vergiften, entgegnete<br />

der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />

Ärzte unter Generalverdacht<br />

Nachdem der <strong>Bund</strong>esgerichtshof festgestellt<br />

hat, dass sich Ärzte nach geltendem<br />

Recht nicht strafbar machen, wenn sie<br />

Geschenke annehmen, sieht der Gesetzgeber<br />

eine Lücke, die zu schließen sei. Der<br />

Nebeneffekt: Angesichts der losgetretenen<br />

öffentlichen Debatte geraten nahezu alle<br />

Ärzte unter den Generalverdacht der Bestechlichkeit.<br />

Dass es ein Mittel gegen<br />

Korruption bei Ärzten geben muss, ist wohl<br />

die Meinung eines Jeden, für den es zum<br />

verantwortungsvollen Umgang mit Patienten<br />

keine Alternative gibt. Die dann aber<br />

geführte öffentliche Diskussion geht da<br />

einen Schritt zu weit. Denn glaubt man<br />

den Zeitungsberichten, tut sich unter<br />

Deutschlands niedergelassenen Ärzten<br />

nahezu ein Sündenbabel der Bestechlichkeit<br />

auf. Dabei sind die bislang diskutierten<br />

Fälle lediglich Ausnahmen. Dennoch will<br />

die <strong>Bund</strong>esregierung nach derzeitigem<br />

Stand nicht etwa gesetzliche Regelungen<br />

für alle Freien Berufe angehen, sondern<br />

Sondermaßnahmen gegen Ärztinnen und<br />

Ärzte ergreifen.<br />

<strong>Bund</strong>esärztekammer gegen Sondergesetze<br />

So sind zumindest die derzeitigen Signale<br />

zu werten. Denn das <strong>Bund</strong>esjustizministerium<br />

möchte sich nicht auf eine Regelung<br />

für alle Freiberufler einlassen. Im FDPgeführten<br />

Ressort will man offenkundig<br />

nicht noch die letzten Stammwähler der<br />

Liberalen verprellen. Eher geht man davon<br />

aus, dass <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister Daniel<br />

Bahr eine Sonderreglung für Ärzte im<br />

Sozialgesetzbuch auf den Weg bringt.<br />

Damit kann sich allerdings die <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />

(BÄK) aus gutem Grund nicht<br />

anfreunden. Auf ihrer Hompage verweist<br />

sie auf ein Interview von BÄK-Präsident<br />

Professor Frank Ulrich Montgomery, der<br />

eine „Schärfung der Ermittlungskompetenzen“<br />

der Ärztekammern und eine „Verbesserung<br />

des Strafrahmens“ im Berufsrecht<br />

forderte, um Korruption bei niedergelassenen<br />

Ärzten wirksamer bekämpfen zu können.<br />

Strafrecht oder Sozialrecht?<br />

„Wir lehnen eine gesetzliche Regelung ab,<br />

wenn sie als lex spezialis gegen Ärzte<br />

gemacht wird“, erklärte Montgomery im<br />

„Deutschen Ärzteblatt“. „Wir würden uns<br />

aber nicht gegen einen Paragrafen wehren,<br />

der für alle Freiberufler gilt – also auch für<br />

Architekten, Anwälte oder Journalisten.“<br />

Wenn es ein Gesetz gebe, dass bei allen<br />

Menschen greife, die in freiberuflicher<br />

Tätigkeit wirtschaftliche Interessen verfolgen<br />

und dabei gegen die Interessen ihrer<br />

Mandanten, Kunden oder Patienten verstießen,<br />

werde man das gerne prüfen. Die<br />

BÄK habe dazu bereits konkrete Vorschläge<br />

erarbeitet, die aber mit der Politik noch<br />

abgestimmt werden müssten.<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 45


Schwert des Berufsrechts soll geschärft<br />

werden<br />

Außerdem müsse der Gesetzgeber den<br />

Strafrahmen im Berufsrecht erhöhen, beispielsweise<br />

die Höhe der Geldstrafen. „In<br />

einigen Kammern fallen bei Vergehen nur<br />

wenige tausend bis 10.000 Euro an. Das ist<br />

zu wenig“, erklärte Montgomery. Stattdessen<br />

hält er es für überlegenswert, den<br />

Kammern mehr Kompetenzen auch beim<br />

Entzug der Approbation einzuräumen,<br />

„damit diese zügiger, schneller und auch<br />

spürbarer handeln können“. Gleichzeitig<br />

machte Montgomery Front gegen die<br />

Kassen, die auf den Zug gegen die Ärzte<br />

mit einem eigenen Gesetzesvorschlag<br />

aufgesprungen sind. Ihren Gesetzesvorschlag,<br />

künftig für korrupte Kassenärzte<br />

eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren<br />

vorzusehen, hält der Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />

für völlig überzogen. „Das ist<br />

ein typischer Teil der Imagekampagne<br />

gegen die Ärzte, die die Krankenkassen<br />

momentan betreiben.“ Ihnen fehle inzwischen<br />

jedes Gefühl für Dimension und<br />

Proportion, meinte er und fügte hinzu,<br />

dass sich die Kassen damit aus der Rolle<br />

eines verantwortungsvollen Partners im<br />

Gesundheitswesen verabschiedeten.<br />

Ähnlich bewertet dies auch der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>.<br />

Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende, Dr.<br />

Dirk Heinrich, sieht in der Frage der Korruption<br />

im Gesundheitswesen einen Anlass<br />

für die Kammern und Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen, „noch stärker ihrer Aufgabe<br />

als Selbstverwaltung eines Freien Berufes<br />

nachzukommen“. „Zu lange haben wir die<br />

wenigen schwarzen Schafe unter der Decke<br />

gehalten“, so Heinrich in einer Erklärung.<br />

„Der Eindruck, den die Öffentlichkeit davon<br />

hat, ist ein Zerrbild vom korrupten<br />

Arzt, der Prämien von Pharmaindustrie<br />

oder Krankenhausträgern für sein Verordnungs-<br />

und Einweisungsverhalten erhält.<br />

Wenn die ärztliche Selbstverwaltung weitere<br />

Instrumente benötigt, diese Missbrauchsfälle<br />

aufzudecken, dann soll sie<br />

© picture alliance/Tobias Hase für Deutsches Ärzteblatt<br />

diese jetzt benennen und fordern. Denn<br />

ein effektiver, vor allem transparenter und<br />

öffentlicher Selbstreinigungsprozess ist<br />

längst überfällig“, stellte der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des Verbandes der niedergelassenen<br />

Ärzte fest.<br />

Keine lex spezialis für Ärzte – Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />

Dabei müssten Kammern und Kassenärztliche<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigungen auch sagen,<br />

welche Hilfestellung sie bei Ermittlung und<br />

Überführung von korruptivem Verhalten<br />

benötigen. Heinrich ist davon überzeugt,<br />

dass sich das Thema Korruption bei niedergelassenen<br />

Ärzten auf eine Handvoll Fälle<br />

beschränkt und die absolute Ausnahme<br />

darstellt. „Korruption ist kein wirkliches<br />

Problem innerhalb der Ärzteschaft. Diese<br />

Fälle müssen aber aufgedeckt und sanktioniert<br />

werden, um alle Redlichen und Ehrlichen<br />

zu schützen. Dabei sind die bestehenden<br />

Sanktionsmöglichkeiten ausreichend.<br />

Ein zeitlicher Entzug der Approbation<br />

oder der Zulassung bewirkt einen<br />

wirtschaftlichen Schaden, der an die Grenzen<br />

der Existenz führen kann. Einnahmeausfälle<br />

von einem halben Jahresumsatz<br />

wirken besser als jede Haftandrohung“, so<br />

Heinrich. „Die Lösung dieser Aufgabe wird<br />

zur Nagelprobe für die Ärztekammern und<br />

die Kassenärztlichen Vereinigungen. Nur<br />

46


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

ein glaubhafter Selbstreinigungsprozess ist<br />

gelebte Selbstverwaltung“, sagte der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>-Vorsitzende.<br />

Auf eine stärkere Einbeziehung der Selbstverwaltung<br />

zielen auch die derzeit diskutierten<br />

Gesetzesänderungen ab. So sollen<br />

die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig<br />

Fälle von Abrechnungsbetrug oder anderes<br />

Fehlverhalten an Behörden und Ärztekammern<br />

melden, wofür derzeit die rechtliche<br />

Grundlage fehlt. So würden nach Meinung<br />

der Initiatoren aus der Politik nicht nur<br />

berufsrechtliche Verstöße, sondern auch<br />

Qualitätsmängel leichter geahndet werden<br />

können. Allerdings mehren sich bereits die<br />

Stimmen von Verbraucherschützern und<br />

anderen Experten des Gesundheitswesen,<br />

die davor warnen, allein auf die Selbstverwaltung<br />

zu setzen. Dabei können sich<br />

deren Vorstöße, gegen Korruption vorzugehen,<br />

bereits jetzt durchaus sehen lassen.<br />

In den vergangenen Jahren haben die<br />

Ärztekammern in fast 1.000 Fällen Ermittlungsverfahren<br />

gegen Mediziner wegen<br />

Korruptionsverdachts in Gang gesetzt. 163<br />

dieser Fälle endeten mit einer Strafe. Den<br />

Kassen ist das zu wenig. Sie sehen eine<br />

grobe Gesetzeslücke. Auch die von Professor<br />

Frank Ulrich Montgomery geforderten<br />

größeren Ermittlungsrechte für die ärztliche<br />

Selbstverwaltung stießen auf Kritik. In<br />

der „Frankfurter Rundschau“ erklärte Uwe<br />

Dolata vom <strong>Bund</strong> Deutscher Kriminalbeamter,<br />

dass damit das Rechtssystem untergraben<br />

werde. Er forderte die Einführung<br />

von konkreten Straftatbeständen, die<br />

staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ermöglichen.<br />

Ähnlich äußerte sich auch<br />

Professor Gerd Glaeske vom Bremer Zentrum<br />

für Sozialpolitik.<br />

Faktum ist, dass Korruption im Gesundheitswesen<br />

– wie in allen anderen Bereichen<br />

des gesellschaftlichen Lebens – wohl<br />

nie ganz ausgeschlossen werden kann. Die<br />

derzeitige Diskussion verschweigt aber die<br />

erheblichen Fortschritte, die von allen<br />

Beteiligten schon erzielt worden sind. So<br />

haben sich zahlreiche pharmazeutische Unternehmungen<br />

bereits eigene Anti-Korruptionsrichtlinien<br />

gegeben, bei deren Zuwiderhandlung<br />

den betreffenden Mitarbeitern<br />

sogar die fristlose Kündigung droht.<br />

Schon seit Jahren ist es Ärzten im Berufsrecht<br />

explizit verboten, Vorteile für Gegenleistungen<br />

anzunehmen. Nicht zuletzt aber<br />

sind die Ärztekammern, die für die Überwachung<br />

des Berufsrechts zuständig sind,<br />

Körperschaften des öffentlichen Rechts, die<br />

allesamt der Rechtsaufsicht durch die jeweiligen<br />

Landesministerien unterstehen.<br />

Sie haben damit den gleichen Status wie<br />

die gesetzlichen Krankenkassen. Die Diskussion<br />

ist nicht zuletzt so aufgeflammt,<br />

weil die Zeit zwischen Weihnachten und<br />

dem Jahresanfang traditionell eher nachrichtenarm<br />

ist. Alle Beteiligten sollten sich<br />

aber davor hüten, sie zu überziehen – ein<br />

Generalverdacht gegen Ärzte darf nicht<br />

geschürt werden. Niemand zweifelt daran,<br />

dass der mit Abstand größte Teil der deutschen<br />

Ärzte unanfällig gegen Korruption<br />

ist und seine Tätigkeit ausschließlich am<br />

Wohl des Patienten ausrichtet. Für sie steht<br />

das Vertrauensverhältnis mit den Patienten<br />

an erster Stelle. Wenn dieses jetzt ausgerechnet<br />

durch eine Diskussion über einzelne<br />

konkrete und viel mehr noch über unterstellte<br />

Bestechungsvorwürfe leidet, wäre<br />

keinem geholfen. Am wenigsten den Patienten<br />

selbst.<br />

Praxisgebühr<br />

Das kurze Leben einer<br />

Ungeliebten<br />

Seit Beginn der Einführung der Praxisgebühr<br />

hat der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> gegen sie<br />

angekämpft. In sage und schreibe 28 Veröffentlichungen<br />

forderte der Verband die<br />

Abschaffung der Kassengebühr, da sie als<br />

reines Zuzahlungsinstrument systemfremd<br />

in der Arztpraxis erhoben wird und dort zu<br />

nicht unerheblichem bürokratischem Aufwand<br />

führt.<br />

Ursprünglich von der rot-grünen Koalition<br />

2004 als Steuerungsinstrument bei Arztbesuchen<br />

eingeführt (Gesetz zur Modernisierung<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

– GMG), stellten sich <strong>Bund</strong>espolitiker von<br />

SPD und Grünen sowie die Länder mit<br />

gleichfarbigen Regierungskoalitionen<br />

schnell an die Spitze der Bewegung, die<br />

dieses wenig geliebte Instrument wieder<br />

abschaffen will.<br />

Die Geschichte der Praxisgebühr ist konfliktbeladen,<br />

die Diskussionen darüber<br />

weitestgehend emotional und damit oft<br />

irrational. Das begann schon mit ihrer<br />

Einführung. Während die damaligen Oppositionsparteien<br />

CDU/CSU und FDP immer<br />

wieder eine stärkere Eigenverantwortung<br />

der Versicherten forderten, war es ausgerechnet<br />

das rot-grüne Regierungsbündnis,<br />

das diesen Schritt mit dem GMG vollzog.<br />

Neben der Entlastung der Krankenkassen<br />

um geplante 2,5 Milliarden Euro hatte die<br />

<strong>Bund</strong>esregierung damals nach eigener<br />

Aussage zwei Ziele. Zum einen sollte die<br />

„Eigenverantwortung der Versicherten für<br />

ihre Gesundheit“ gestärkt werden. Man<br />

wollte verhindern, dass Patienten auch mit<br />

Bagatellerkrankungen gleich den Arzt<br />

aufsuchten. Zum anderen wollte man aber<br />

auch die Selbstüberweisungen reduzieren.<br />

Der für die Kassen oft teure Gang zum<br />

Facharzt sollte nur nach Überweisung<br />

durch den Hausarzt stattfinden. Denn legt<br />

der Patient in der Fachpraxis einen Überweisungsschein<br />

vor, muss er die bereits<br />

beim Allgemeinarzt gezahlten zehn Euro<br />

nicht noch einmal entrichten.<br />

Gegen diese Neuregelung liefen die Ärzte<br />

seinerzeit Sturm. Sie warnten vor der Gefahr,<br />

dass die Gebühr bei sozialschwachen<br />

Patienten dazu führen könne, notwendige<br />

Arztbesuche nur aus Geldmangel zu unterlassen.<br />

Zudem wollten sich Deutschlands<br />

niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht<br />

zu Inkasso-Büros für die gesetzliche<br />

Krankversicherung degradieren lassen.<br />

Genutzt hat ihnen das wenig. Bis zum<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 47


© pix4U - Fotolia.com<br />

Schluss ist die Zahlung der zehn Euro zwar<br />

immer noch bei Patienten und Ärzten<br />

unbeliebt, sie hat sich aber inzwischen<br />

weitestgehend eingespielt. Dass sie wieder<br />

in der Diskussion ist, liegt nur zum Teil an<br />

den enormen Überschüssen der Krankenkassen,<br />

die – da ist sich jeder einig – abgebaut<br />

werden müssen. Wesentlich bedeutender<br />

dürfte die Tatsache sein, dass Wahlen<br />

anstehen und zumindest die FDP sich<br />

ernsthaft Gedanken machen muss, ob sie<br />

es wieder schafft, in den Deutschen <strong>Bund</strong>estag<br />

einzuziehen.<br />

Keine nachweisbare Steuerungswirkung – die Praxisgebühr<br />

hatte ein kurzes Leben<br />

Obwohl sie eigentlich stets für die Stärkung<br />

der so genannten Eigenverantwortung<br />

der Patienten eingetreten ist, waren<br />

es daher folgerichtig die Liberalen, die sich<br />

als erste öffentlich für die Abschaffung der<br />

Praxisgebühr aussprachen – und damit<br />

eine der vielen Streitigkeiten im Koalitionslager<br />

auslösten. Die CSU wollte stattdessen<br />

die Krankenkassenbeiträge senken. Den<br />

Bürgern würde man damit auch etwas vom<br />

Überschuss der Krankenkassen zukommen<br />

lassen und die „Eigenverantwortung“<br />

bliebe in diesem Bereich der ambulanten<br />

Versorgung erhalten. Bei der christlichen<br />

größeren Schwesterpartei CDU war man<br />

sich lange uneins, in welche Richtung man<br />

gehen will. Unter dem Strich hätten zwar<br />

beide Wege die gleichen Auswirkungen, die<br />

Abschaffung der Praxisgebühr ließe sich<br />

jedoch ungleich besser als Wahlgeschenk<br />

nutzen. Denn die nicht mehr vorhandene<br />

Pflicht, zu Beginn jedes Quartals einen<br />

roten Zehn-Euro-Schein als Eintrittsgebühr<br />

in die Untersuchungs- und Behandlungsräume<br />

der Praxen zahlen zu müssen, wird<br />

vom Bürger ungleich stärker wahrgenommen<br />

als die Entlastung bei den Beiträgen,<br />

die womöglich angesichts der vielen Positionen<br />

auf der monatlichen Lohnabrechnung<br />

untergeht.<br />

So kam es dann zu dem, was die Koalition<br />

in den Augen vieler Wähler am besten<br />

kann: zu Streit, zu internen Verhandlungen<br />

und zum Feilschen. Schnell wurde die<br />

Praxisgebühr Teil des koalitionsinternen<br />

Milliardenpokers, bei dem neben der Gebühr<br />

noch das Betreuungsgeld und die<br />

Rentenreform auf dem Tisch liegen. Nicht<br />

zu vergessen sind in diesem Zusammenhang<br />

auch die unterschiedlichen Auffassungen<br />

bei der Energiewende. Diese haben<br />

zwar mit der Causa Praxisgeld überhaupt<br />

nichts zu tun, eingesetzt werden sie in<br />

dem Spiel aber dennoch. Damit verlor die<br />

Koalition allerdings das, was ihr im Rennen<br />

um die Wählergunst derzeit am meisten<br />

fehlt: Zeit und die Nase vorne. Denn längst<br />

haben sich SPD und Grüne des Themas<br />

Praxisgebühr angenommen und vermarkten<br />

es bereits medien- und damit öffentlichkeitswirksam.<br />

Im Deutschen <strong>Bund</strong>estag wurden von<br />

beiden Parteien Anträge eingebracht, die<br />

die Abschaffung des selbst gesetzlich<br />

geschaffenen Instruments zum Ziel hatten.<br />

Prof. Karl Lauterbach, Arzt, Gesundheitsökonom,<br />

seinerzeit Berater von <strong>Bund</strong>esgesundheitsministerin<br />

Ulla Schmidt und<br />

heute gesundheitspolitischer Sprecher der<br />

SPD, lässt keine Gelegenheit aus, in Interviews<br />

zu erklären, dass die Praxisgebühr<br />

ihren eigentlichen Sinn, nämlich den der<br />

Steuerung, verfehlt habe. Zwar sei kurz<br />

nach ihrer Einführung die Zahl der Arztbesuche<br />

erst einmal gesunken, sie habe sich<br />

aber bald wieder auf das vorher bestehende<br />

Niveau angeglichen. Heute gingen<br />

sogar mehr Bürger zum Arzt als noch<br />

2004. Damit sei klar, dass diese Form der<br />

Selbstbeteiligung abgeschafft werden<br />

könne. Und obwohl alles danach aussieht,<br />

dass die Koalition schon längst auch davon<br />

überzeugt ist, die Gebühr zu kippen, wurde<br />

sie dennoch weiter im freien Spiel der<br />

Kräfte zwischen FDP, CDU und CSU hin<br />

und her geschoben. Und zwar so lange,<br />

dass man SPD und Grünen erneut Gelegenheit<br />

gab, das Thema für sich zu besetzen.<br />

Trotz der ohnehin erkennbaren Tendenz<br />

und trotz des eigenen Antrags im Parlament<br />

hat das rot-grün regierte Nordrhein-<br />

Westfalen nämlich noch eine <strong>Bund</strong>esratsinitiative<br />

„draufgelegt“. Ministerpräsidentin<br />

Hannelore Kraft will wohl damit zeigen,<br />

dass sie auch auf <strong>Bund</strong>esebene immer die<br />

Interessen der Wahlbürger fest im Blick<br />

hat. Und damit das auch auf die Aufmerksamkeit<br />

der Medien stößt, wurde zusätzlich<br />

zur verfehlten Steuerungswirkung noch ein<br />

weiteres Argument in die Begründung des<br />

NRW-Antrages aufgenommen. Die grüne<br />

Gesundheitsministerin des bevölkerungsreichsten<br />

<strong>Bund</strong>eslandes, Barbara Steffens,<br />

fügte hinzu, dass durch die Praxisgebühr<br />

ausgerechnet Geringverdienende, die ohnehin<br />

schon zu den auch gesundheitlich<br />

benachteiligten Bevölkerungsgruppen<br />

zählen, wegen der Kosten auf notwendige<br />

Arztbesuche verzichten. Daher schade die<br />

Gebühr mehr als sie nutze. Ebenfalls öffentlichkeitswirksam<br />

erklärte die Landesregierung<br />

von Schleswig-Holstein, der neben<br />

den Grünen und der SPD auch der Südschleswigsche<br />

Wählerverband angehört,<br />

ihre Unterstützung für den Antrag aus<br />

Düsseldorf. Was dann folgte, versteht nur<br />

der wirklich, der die politische Luft der<br />

Hauptstadt tief in sich aufgesogen hat. Am<br />

25. Oktober 2012 wurden sowohl die Anträge<br />

der SPD als auch die der Grünen<br />

abgelehnt. Dazu gab es den gewohnten<br />

Schlagabtausch, der allerdings etwas merkwürdig<br />

ausfiel. Politiker aus dem Regierungslager<br />

warfen der Opposition „taktische<br />

Spielchen“ vor und erklärten, dass sie<br />

dem „unmoralischen Angebot“ nicht folgen<br />

würden. Eine Steilvorlage für Karl<br />

Lauterbach, der seinerseits süffisant fest-<br />

48 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

stellte, dass die Annahme der Oppositionsanträge<br />

die Abschaffung der Praxisgebühr<br />

ohne Kuhhandel ermöglicht hätte.<br />

Zufrieden können SPD und Grüne dennoch<br />

mit dem Ergebnis sein. Denn sie haben der<br />

FDP ein Thema, das sie schon seit Monaten<br />

spielt, buchstäblich in letzter Minute<br />

aus der Hand geschlagen. Sie waren es, die<br />

als erste eine konkrete Gesetzesinitiative<br />

eingebracht haben und sie werden es daher<br />

auch natürlich sein, die eine Abschaffung<br />

der Praxisgebühr als ihre Leistung für<br />

sich verbuchen werden. „Die Regierung hat<br />

auf unseren Druck hin gehandelt“, heißt<br />

das in aller Regel in der Berliner Politiker-<br />

Sprache. Das Wahlgeschenk, das die FDP<br />

eigentlich für ihre eigene Imagewerbung<br />

nutzen wollte, fällt so als Verdienst dem<br />

politischen Gegner zu. Oder – wie Michael<br />

Gorbatschow es einmal ausdrückte: „Wer<br />

zu spät kommt, den bestraft das Leben.“<br />

Mehr statt weniger Arztbesuche<br />

Angesichts der Debatte um die Abschaffung<br />

der Praxisgebühr fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, die<br />

Diskrepanz zwischen Aufwand, Kosten und<br />

Nutzen der Zuzahlung kritisch zu überprüfen.<br />

Dr. Dirk Heinrich: „Auch acht Jahre<br />

nach Einführung der Kassengebühr, erlebe<br />

ich beinahe täglich Diskussionen zwischen<br />

meinem Praxispersonal und uneinsichtigen<br />

Patienten.“ Neben der normalen Verwaltung<br />

der Geldeingänge seien darüber hinaus<br />

die Mahnverfahren gegen säumige<br />

Zahler eine besondere Belastung. Dies<br />

müsse bei der Frage um die Zuzahlung<br />

immer mit bedacht werden. „Ich wünsche<br />

mir hier eine ehrliche Bilanz und mehr<br />

Verständnis von Seiten der Politik“, mahnt<br />

Dr. Heinrich.<br />

Neben dem erheblichen bürokratischen<br />

Mehraufwand, den die Gebühr verursache,<br />

verfehle sie alle ihre Ziele. So sei es ein<br />

Irrglauben, dass aufgrund der Zuzahlung<br />

weniger Menschen zum Arzt gingen. Im<br />

Gegenteil: „Etliche Patienten kommen nur,<br />

weil sie sich bei einem früheren Arztbesuch<br />

auf Vorrat zu weiteren Ärzten überweisen<br />

lassen.“ Hier könnten erhebliche finanzielle<br />

Einspareffekte erzielt werden. Andere,<br />

tatsächlich Hilfsbedürftige aus einkommensschwachen<br />

Verhältnissen, halte die<br />

Praxisgebühr dagegen vom Arztbesuch ab,<br />

kritisiert Dr. Heinrich.<br />

Nach Berechnung der Kassenärztlichen<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigung verschlingt der bürokratische<br />

Aufwand durch die Zuzahlung<br />

jährlich insgesamt rund 360 Millionen<br />

Euro. Auf jede Praxis entfallen so im<br />

Schnitt 4.100 Euro. Der zeitliche Mehraufwand<br />

für das Praxispersonal liegt bei circa<br />

120 Stunden im Jahr.<br />

Ärzte subventionieren Praxisgebühr mit<br />

3,24 Mrd. €<br />

Völlig versagt hat die Praxisgebühr bei der<br />

ursprünglichen Zielsetzung, der Steuerung<br />

von Arztbesuchen. Nach wie vor geht der<br />

durchschnittliche Versicherte mehr als 18<br />

Mal im Jahr zum Arzt.<br />

Damit hat sich die Praxisgebühr als ein<br />

alleiniges Finanzierungsmittel für die Krankenkassen<br />

entwickelt. „Die Kassengebühr<br />

ist nur noch ein bürokratischer Kropf,<br />

verfehlt seine beabsichtigte Steuerungswirkung<br />

und sorgt für einen erheblichen<br />

Mehraufwand bei der Verwaltung“, erinnert<br />

Dr. Heinrich. „Angesichts der Überschüsse<br />

bei den Gesetzlichen Krankenkassen<br />

von voraussichtlich 25 Milliarden Euro<br />

Ende 2013, werden die Patienten durch die<br />

Abschaffung der Zehn-Euro-Abgabe langfristig<br />

wirksamer entlastet, als durch Beitragsrückerstattungen“,<br />

so Dr. Heinrich.<br />

Die Entlastung komme aber auch der<br />

Ärzteschaft zugute. In den neun Jahren<br />

des Bestehens der Kassengebühr haben<br />

allein die Praxisärzte den Verwaltungsaufwand<br />

von insgesamt rund 3,24 Milliarden<br />

Euro getragen. Denn der bürokratische<br />

Aufwand durch die Zuzahlung verschlingt<br />

nach Berechnung der Kassenärztlichen<br />

© thongsee / Fotolia<br />

<strong>Bund</strong>esvereinigung jährlich insgesamt rund<br />

360 Millionen Euro.<br />

Beispiel Grippeimpfung: In mehreren <strong>Bund</strong>esländer kann<br />

nicht geimpft werden, weil der Kassen-Impfstoff fehlt.<br />

Impfchaos trifft Risikopatienten<br />

In den <strong>Bund</strong>esländern Bayern, Schleswig-<br />

Holstein und Hamburg stehen nach wie<br />

(Stand 2012) vor der vorgesehene Grippeimpfstoff<br />

für Kassenpatienten nicht oder<br />

wenn, dann nur in nicht ausreichender<br />

Menge zur Verfügung. Insbesondere für<br />

Risikopatienten, wie ältere Menschen und<br />

chronisch kranke Patienten, kann dies<br />

Probleme mit sich bringen. „Die Grippeimpfung<br />

sollte zwischen September und<br />

November verabreicht werden. Dieser Zeitraum<br />

verkürzt sich nun durch die Lieferverzögerungen<br />

um mindestens ein Drittel,<br />

für die meisten sogar noch erheblich stärker,<br />

da im Moment noch gar nicht absehbar<br />

ist, wann genügend Grippeimpfstoff<br />

zur Verfügung steht“, erläutert Heinrich.<br />

„Gerade Ältere und Patienten mit einer<br />

chronischen Erkrankung haben oft nur ein<br />

relativ schmales Impffenster, weil sie im<br />

Herbst aufgrund ihres geschwächten Immunsystems<br />

häufig unter Infekten leiden<br />

und während dieser Zeit nicht geimpft<br />

werden dürfen. Der Beginn der Grippeimpfsaison<br />

Anfang September ist deshalb<br />

sinnvoll und wichtig, um möglichst jedem<br />

Risikopatienten die Chance zu geben, eine<br />

infektfreie Zeit für die Impfung zu erwischen.“<br />

So trifft der Mangel an verfügba-<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 49


en und geeigneten Grippeimpfstoffen vor<br />

allem diejenigen, für die der Impfschutz<br />

besonders wichtig ist. „Wir sind an einem<br />

Punkt angekommen, an dem die Sparpolitik<br />

der Kassen die Gesundheit unserer<br />

Patienten möglicherweise gefährdet“,<br />

warnt Heinrich. „Das können wir nicht<br />

akzeptieren.“<br />

Den Bezug von Grippeimpfstoffen an<br />

Rabattverträge zu koppeln, hat in den drei<br />

von Lieferschwierigkeiten betroffenen <strong>Bund</strong>esländern<br />

zu einer Situation geführt, die<br />

aus medizinischer Sicht nicht hinnehmbar<br />

sei. „Bei der Grippeimpfung handelt es sich<br />

um eine vorbeugende Maßnahme, die in<br />

einem bestimmten Zeitraum verabreicht<br />

werden sollte“, erklärt Heinrich. „Ist dies<br />

nicht möglich oder treten Verzögerungen<br />

auf, geht dies zu Lasten der Patientenversorgung.<br />

Bei Grippeimpfstoffen muss sichergestellt<br />

sein, dass Anfang September<br />

geeignete Impfstoffe zur Verfügung stehen.<br />

Da es bei der komplexen Impfstoffherstellung<br />

aber immer wieder zu Produktionsschwierigkeiten<br />

bei einzelnen Impfstoffen<br />

und damit auch<br />

Lieferverzögerungen – wie im Moment –<br />

kommen kann, war es ein Fehler, sich<br />

durch den Abschluss von Rabattverträgen<br />

von einem Hersteller abhängig zu machen.“<br />

Bis zum Jahr 2011 konnten Ärzte<br />

den Impfstoff über Apotheken bestellen.<br />

Zu Engpässen bei der Versorgung mit<br />

Grippeimpfstoffen war es bis dahin nicht<br />

gekommen.<br />

bei dem gescheiterten Vorhaben von Ulla<br />

Schmidt werden in dem schwarz-gelben<br />

Präventionsgesetz ausdrücklich die Präventionsleistungen<br />

durch Ärzte erwähnt. Die<br />

Veränderungen im ambulanten Bereich<br />

sind dann auch schnell aufgezählt: So soll<br />

die bisherige U-35-Untersuchung in eine<br />

generelle Primärpräventions-Untersuchung<br />

„umgestaltet“ werden. Die Beschränkung<br />

auf Alter und Häufigkeit fällt, am Ende soll<br />

der Arzt eine „Präventionsempfehlung“<br />

geben. Im Bereich der Früherkennungsuntersuchungen<br />

bei Kindern soll ein weiterer<br />

Check im Alter von neun Jahren entstehen,<br />

der insbesondere auf die psychosoziale<br />

Entwicklung des Kindes zielt.<br />

Früherkennung bei Kindern: weitere Untersuchung geplant<br />

© Pavel Losevsky - Fotolia.com<br />

© Alexander Raths - Fotolia.com<br />

Konkrete Impfziele benötigt – Präventionsstrategie der<br />

<strong>Bund</strong>esregierung in der Diskussion<br />

Volkskrankheiten‘, wie chronische Sinusitis<br />

oder Schwerhörigkeit einbezogen werden.<br />

Hierfür ist es notwendig, die entsprechenden,<br />

teils noch fehlenden, Datengrundlagen<br />

zu erheben. Des Weiteren muss die<br />

Präventions-Untersuchung durch eine<br />

abschließende zusammenfassende Bewertung<br />

des kardiovaskulären Gesamtrisikos<br />

durch die Verwendung eines wissenschaftlichen<br />

Risikoscores die Patientinnen und<br />

Patienten in die Lage versetzen, ihr individuelles<br />

Risiko einzuschätzen und für sie<br />

geeignete Lösungsansätze zu finden“, so<br />

der Verband.<br />

Die neue SPD-Mehrheit im <strong>Bund</strong>esrat<br />

jedenfalls hat das Gesetz bis zum Ende der<br />

Legislaturperiode erst einmal aufgehalten.<br />

Sechs Jahre nach dem letzten gesetzgeberischen<br />

Versuch war dies nicht das einzige<br />

Déjàvu. Seinerzeit blockierte der unionsdominierte<br />

<strong>Bund</strong>esrat das Präventionsgesetz<br />

und es kam anschließend zu einem Regierungswechsel<br />

und der Ablösung von Rot-<br />

Grün.<br />

Präventionsgesetz<br />

Wieder ein Anlauf vor<br />

Torschluss<br />

Es sollte das letzte große schwarz-gelbe<br />

Gesundheitsprojekt werden: das Präventionsgesetz.<br />

Ganze sechs Jahre nach dem<br />

letzten Versuch startet wieder eine <strong>Bund</strong>esregierung,<br />

die Prävention in ein Gesetzesvorhaben<br />

zu pressen: Doch anders als<br />

Das war‘s denn auch. Weitere Inhalte des<br />

Gesetzes: Die Summe, die die Kassen für<br />

Prävention zur Verfügung stellen müssen,<br />

steigt schrittweise auf bis zu sechs Euro je<br />

Versicherten, wobei mindestens die Hälfte<br />

davon automatisch an die <strong>Bund</strong>eszentrale<br />

für gesundheitliche Aufklärung geht. Gesundheitsprogramme,<br />

die die Krankenkassen<br />

anbieten, müssen zertifiziert und evaluiert<br />

werden. Und die betriebliche Gesundheitsförderung<br />

wird ausgebaut – mit<br />

einer Stärkung der Betriebsärzte. Der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> begrüßte denn auch den<br />

Referentenentwurf für ein Präventionsgesetz<br />

als einen „ersten Schritt in die richtige<br />

Richtung“, fordert aber zugleich eine weitere<br />

Konkretisierung des neuen Gesundheits-Checks<br />

durch niedergelassene Ärzte:<br />

„Es muss insbesondere darauf geachtet<br />

werden, dass so genannte ‚versteckte<br />

Korrektur bei Präventionsstrategie<br />

„Anbietermonopole bei Impfstoffen stehen<br />

den Präventionsbemühungen im Gesundheitswesen<br />

diametral entgegen und müssen<br />

vom Gesetzgeber unterbunden werden“,<br />

fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich,<br />

nachdem bekannt geworden war, dass die<br />

Krankenkassen auch weiterhin auf exklusive<br />

Rabattverträge mit einzelnen Herstellern<br />

50 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

setzen. Es sei unverantwortlich, dass bei<br />

den Exklusivverträgen einzig der Aspekt<br />

der Kostendämpfung im Mittelpunkt stehe.<br />

Ein Impfchaos, wie bei der verzögerten<br />

Grippeschutzimpfung in mehreren <strong>Bund</strong>esländern<br />

im vergangenen Herbst dürfe sich<br />

nicht wiederholen, so Dr. Heinrich.<br />

Da die Exklusivverträge zwischen Krankenkassen<br />

und Pharmaherstellern mit dem<br />

Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />

(AMNOG) vom Gesetzgeber ermöglicht<br />

worden seien, sei es jetzt auch Aufgabe der<br />

Politik, hier umgehend nachzuregulieren,<br />

fordert Dr. Heinrich. „Beim langwierigen<br />

und komplexen biologischen Produktionsprozess<br />

von Impfstoffen, der mitunter eine<br />

Vorlaufzeit von einem Jahr beträgt, ist es<br />

schon aus technischen Gründen unverantwortlich,<br />

allein auf einen Hersteller zu<br />

Wohin steuern die Parteien? Zehn Wahlprüfsteine zur<br />

Gesundheitspolitik geben Antwort.<br />

setzen.“ Gehe in den Produktion einer<br />

Charge etwas schief, wie unlängst bei<br />

einem Arzneimittelhersteller geschehen,<br />

könnten Risikopatienten nicht rechtzeitig<br />

immunisiert werden. „In solchen Fällen ist<br />

mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate der<br />

Bevölkerung zu rechnen. Das ist ein Skandal“,<br />

kritisiert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />

© Marco2811 - Fotolia.com<br />

Um das Ziel hoher Immunitätsraten zu<br />

erreichen und damit die Bevölkerung bestmöglich<br />

vor Ansteckungskrankheiten zu<br />

schützen, müssten in die kürzlich vereinbarte<br />

Präventionsstrategie der <strong>Bund</strong>esregierung<br />

verbindliche Zielvorgaben einfließen:<br />

„Ein Vorsorgeplan muss konkrete<br />

Impfziele festlegen und die Rahmenbedingungen<br />

zu ihrer Erreichung ermöglichen.<br />

Das fängt bei den Kassen an, denen die<br />

einseitige Kostensenkungspolitik untersagt<br />

werden muss und hört bei den niedergelassenen<br />

Ärzten auf, die in die Lage versetzt<br />

werden müssen, ihre Patienten rechtzeitig<br />

und umfassend vor Infektionskrankheiten<br />

zu schützen.“<br />

Es war bekannt geworden, dass sowohl<br />

von der BARMER GEK als auch der AOK<br />

Plus für die Grippesaison 2013/14 und<br />

2014/15 Rabattverträge über Impfstoffe in<br />

Sachsen-Anhalt beziehungsweise Sachsen<br />

ausgeschrieben worden waren. Ein ähnliches<br />

Vorgehen hatte zu Beginn der diesjährigen<br />

Grippeperiode zu Lieferengpässen<br />

geführt. Da nach dem Zuschlag für einen<br />

Hersteller andere Lieferanten ihre Produktion<br />

teilweise fast vollständig zurückgefahren<br />

hatten, fehlte es darüber hinaus an<br />

alternativen Seren.<br />

<strong>Bund</strong>estagswahl 2013<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> legt<br />

Wahlprüfsteine vor<br />

Rechtzeitig zum Beginn des Wahlkampfes<br />

hat der Verband der niedergelassenen<br />

Ärzte Deutschlands Wahlprüfsteine für die<br />

politischen Parteien vorgelegt. Die Antworten<br />

auf die zehn Fragen rund um die Zukunft<br />

der ambulanten ärztlichen Versorgung<br />

sollen die Positionen der Parteien zu<br />

den Kernfragen der niedergelassenen Ärzte<br />

verdeutlichen und in der Gegenüberstellung<br />

vergleichbar machen. Neben Fragen<br />

zur ärztlichen Freiberuflichkeit und der<br />

Rollenverteilung innerhalb der Selbstverwaltung<br />

werden die Politiker aufgefordert,<br />

zur künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens<br />

Stellung zu beziehen. Hier die<br />

gestellten Fragen:<br />

Feste Preise<br />

Die niedergelassenen Ärzte haben sich in<br />

einer Befragung aller Vertragsärzte eindrucksvoll<br />

zum Sicherstellungsauftrag<br />

bekannt, dies aber an Bedingungen geknüpft:<br />

So sollen für ärztliche Leistungen<br />

feste und kostendeckende Preise eingeführt<br />

und die vollständige diagnostische<br />

und therapeutische Freiheit wiederhergestellt<br />

werden. Stimmen Sie zu, dass auch<br />

niedergelassene Ärzte für ihre Leistungen<br />

feste Preise erhalten sollten?<br />

Freiberuflichkeit<br />

Durch ein BGH-Urteil wurde die besondere<br />

Rolle der freiberuflich tätigen niedergelassenen<br />

Ärzte bezeichnet als „wesentlich von<br />

persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit<br />

gekennzeichnet“. Dieser Wesenskern<br />

der Freiberuflichkeit wurde in den<br />

letzten Jahren sukzessive von den Krankenkassen<br />

ausgehöhlt, so dass die am<br />

zweithäufigsten genannte Forderung aus<br />

der Ärztebefragung der KBV die nach<br />

„diagnostischer und therapeutischer Freiheit<br />

bei kassenärztlichen Leistungen, die<br />

allein in der Verantwortung der ärztlichen<br />

Selbstverwaltung liegt“, war. Teilen Sie<br />

diese Forderung und wie kann die diagnostische<br />

und therapeutische Freiheit wiederhergestellt<br />

werden?<br />

Duales System der Krankenversicherung<br />

Sind Sie für den Erhalt des dualen Systems<br />

aus Gesetzlichen Krankenkassen und Privaten<br />

Krankenversicherungen? Wenn ja,<br />

welche Reformen benötigen die jeweiligen<br />

Systeme? Sollen die Vergütungssysteme<br />

(EBM und GOÄ) angeglichen werden?<br />

Wenn ja, nach welcher Systematik und<br />

über welchen Zeitraum? Welche Zukunft<br />

hat die ärztliche Referenzgebührenordnung<br />

GOÄ? Wenn nein, wie wollen Sie die Finanzlücken<br />

in der ambulanten Versorgung,<br />

die die Abschaffung der PKV verursacht,<br />

kompensieren (es handelt sich um rund 9,5<br />

Milliarden Euro Privathonorarumsatz in<br />

den Arztpraxen). Die durch den Wegfall der<br />

ambulanten privatärztlichen Honorare<br />

verursachte Lücke erfordert eine Anhebung<br />

der Leistungsbewertungen im EBM um<br />

durchschnittlich 36 Prozent. Wie soll dieser<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />

51


Anstieg finanziert werden, oder wie soll<br />

das ansonsten zu befürchtende Praxissterben<br />

kompensiert werden?<br />

Selbstverwaltung<br />

Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen<br />

stößt in jüngster Vergangenheit immer<br />

öfter an ihre Grenzen – beispielsweise bei<br />

den konfliktiven Honorarauseinandersetzungen<br />

in 2012. Als verantwortlich dafür<br />

wird die Machtkonzentration auf Kassenseite<br />

durch die Begründung des Spitzenverbandes<br />

<strong>Bund</strong> der Gesetzlichen Krankenkassen<br />

gemacht. Welche Veränderungen in<br />

der Organisation der Selbstverwaltung sind<br />

nötig, um sie zukunftsfest und ausgewogen<br />

zu gestalten? Sind Sie für eine Rückkehr<br />

zu kassenartenspezifischen Honorarverhandlungen<br />

auf <strong>Bund</strong>es- und Landesebene<br />

sowie für die Wiedereinführung der<br />

Beitragsautonomie der Krankenkassen?<br />

Wie stehen Sie zu der wiederkehrenden<br />

Forderung, die Sozialwahlen zu reformieren?<br />

Wie können die demokratischen Beteiligungsrechte<br />

von Versicherten und<br />

Patienten gestärkt werden? Werden deren<br />

Interessen durch das derzeitige System der<br />

Sozialwahlen noch vertreten?<br />

Förderung der Vernetzung<br />

Der Gesetzgeber hat über 15 Jahre nach<br />

der Begründung von vernetzter Versorgung<br />

erstmals professionellen Arztnetzen die<br />

Möglichkeit einer Förderung durch die<br />

KVen eingeräumt. Wie bewerten Sie die<br />

Einführung und die ersten Erfahrungen<br />

mit diesem Instrument? Wie stehen Sie zu<br />

einem weiteren Ausbau von vernetzter<br />

Versorgung, beispielsweise durch die Möglichkeit<br />

für Arztnetze, den Leistungserbringerstatus<br />

zu erhalten oder einen Teilsicherstellungsauftrag<br />

von den Kassenärztlichen<br />

Vereinigungen verliehen zu bekommen?<br />

Weiterbildung<br />

In den vergangenen Jahren hat sich das<br />

Behandlungsgeschehen weiter vom stationären<br />

in den ambulanten Bereich verlagert.<br />

Dies hat zur Folge, dass in zahlreichen<br />

Fächern weite Teile von weiterbildungsrelevanten<br />

Inhalten vorwiegend im ambulanten<br />

Bereich vermittelt werden müssen.<br />

Daher ist es längst erforderlich, dass neben<br />

der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />

auch die – insbesondere wohnortnahe<br />

– fachärztliche Weiterbildung in der ambulanten<br />

Versorgung ausgebaut wird. Dies<br />

stellt das ambulante System aber vor neue<br />

Herausforderungen, insbesondere bei der<br />

Finanzierung der Weiterbildung. Während<br />

in den Kliniken die Weiterbildung kofinanziert<br />

wird, fehlen Finanzierungsmodelle für<br />

den ambulanten Bereich. Unterstützen Sie<br />

die Ausweitung der Förderung der Weiterbildung<br />

– insbesondere im fachärztlichen<br />

Bereich? Wie kann diese Weiterbildung<br />

analog zum stationären Bereich finanziert<br />

werden?<br />

Krankenhausfinanzierung<br />

Die Krankenhäuser in Deutschland klagen<br />

über mangelnde Finanzierung. Dabei liegt<br />

eine Hauptursache für diese Finanznot in<br />

der dualen Krankenhausfinanzierung.<br />

Länder, Kreise und Kommunen kommen<br />

ihren Investitionsverpflichtungen nicht<br />

ausreichend nach. Die Krankenhäuser ihrerseits<br />

sehen als Lösungsweg die Öffnung<br />

ihrer Häuser für die ambulante Versorgung.<br />

Hierdurch wird ein durch eine politisch<br />

verursachte Unterfinanzierung verursachter<br />

Verdrängungswettbewerb zulasten niedergelassener<br />

Ärzte initiiert. Dabei zeigen<br />

internationale Vergleiche, dass die ambulante<br />

Versorgung dadurch teurer wird und<br />

sich die Wartezeiten verlängern. Wollen Sie<br />

die Beibehaltung der dualen Finanzierung<br />

und wenn ja, warum? Sind Sie für die<br />

monistische Finanzierung der Krankenhäuser<br />

und wenn ja, wie und in welchem<br />

Zeitraum wollen Sie diese durchsetzen?<br />

Bürokratie<br />

Die überbordende Bürokratie gilt als eines<br />

der größten Hemmnisse für den ärztlichen<br />

Nachwuchs, in die Niederlassung zu wechseln.<br />

Laut Ärztemonitor von KBV und<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> müssen niedergelassene<br />

Ärzte durchschnittlich 7,8 Wochenstunden<br />

allein für Verwaltungsarbeit aufbringen.<br />

Laut einer Bürokratiestudie der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung Westfalen-Lippe<br />

betragen die bundesweiten Bürokratiekosten<br />

für Praxisärzte im Jahr rund 1,6 Milliarden<br />

Euro. Jeder Vertragsarzt hat demnach<br />

rund 600 Informationspflichten.<br />

Entgegen vielfältiger Bekundungen sind<br />

Bürokratiekosten und -aufwand seit Jahren<br />

ansteigend. Mit welchen Maßnahmen<br />

wollen Sie den Bürokratieabbau in den<br />

Arztpraxen angehen?<br />

Eigenbeteiligung der Patienten<br />

Die 2004 eingeführte Praxisgebühr hat<br />

keinerlei Steuerungswirkung entfaltet.<br />

Daher wurde sie zum Jahresbeginn 2013<br />

abgeschafft. Welche Elemente der Patientensteuerung<br />

planen Sie? Welche Rolle<br />

spielt dabei das System der Kostenerstattung<br />

mit sozialverträglichem Eigenanteil?<br />

Welche Formen der Selbstverantwortung<br />

oder Eigenbeteiligung planen Sie?<br />

Weiterentwicklung der<br />

Vergütungssysteme<br />

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung<br />

der Entwicklung im Gesundheitswesen hat<br />

in seinem Sondergutachten 2012 einen<br />

verstärkten Wettbewerb um Qualität statt<br />

um Preise angeregt. Auch der <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> sieht in einem Qualitätswettbewerb<br />

ein besseres Mittel zur Versorgungsoptimierung<br />

und Weiterentwicklung<br />

des Gesundheitswesens als durch den<br />

bisher praktizierten Preiswettbewerb. Hierfür<br />

müssen aber spezielle Anreize gesetzt<br />

werden. Wie stehen Sie zu qualitätsbezogenen<br />

Vergütungssystemen, insbesondere<br />

zu den Modellen „pay for performance“<br />

und „pay for outcome“?<br />

Eine Gesamtübersicht zu den Antworten<br />

der Parteien steht auf der Internetseite des<br />

Verbandes unter www.nav-virchowbund.<br />

de/bundestagswahl.<br />

52 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


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Aus den Landesgruppen<br />

Saarland<br />

Landesstaatssekretärin zu Gast<br />

hätten. Diese betrachteten erstmals in der<br />

Geschichte den Kranken als Ressource und<br />

Gesundheit als Ware. Kritik übte er insbesondere<br />

an den gesetzlichen Krankenkassen,<br />

die in ihrer eigenen Zweckbestimmung<br />

nichts anderes als Verwaltungsbürokratien<br />

seien, sich aber aufgrund ihrer Strategie<br />

zur Gewinnmaximierung immer mehr von<br />

ihrer eigentlichen Zweckbestimmung entfernt<br />

hätten.<br />

war Gast der Landeshauptversammlung der<br />

Landesgruppe Saarland des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es. Dabei referierte sie über die Konzepte<br />

der saarländischen Landesregierung<br />

zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung<br />

und den Stand der durch das<br />

GKV-Versorgungsstrukturgesetz neu geregelten<br />

Bedarfsplanung.<br />

Im saarländischen Landtag sei im Oktober<br />

2012 einstimmig die Einrichtung des für<br />

die dezentrale Bedarfsplanung zuständigen<br />

gemeinsamen Landesgremiums beschlossen<br />

worden. Insofern sei man zuversichtlich,<br />

dass die sektorenübergreifende Bedarfsplanung<br />

als dritte Schiene der Gesundheitsdienstleistungen<br />

im Jahr 2013 etabliert<br />

werden könne. Die Vorgaben des Gemeinsamen<br />

<strong>Bund</strong>esausschuss (G-BA) im Sinne<br />

einer Bedarfsplanungsrichtlinie lägen jedoch<br />

noch nicht vor.<br />

In seinem Vortrag vor den Delegierten wies<br />

der Landesgruppenvorsitzende Dr. Nikolaus<br />

Rauber zuvor daraufhin, dass bei der Ausgestaltung<br />

der ambulanten Versorgung die<br />

Bedarfsorientierung im Vordergrund stehen<br />

müsse. Zudem verwies er darauf, dass die<br />

Ärzte die wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens<br />

seien. Er monierte, dass technischer<br />

Fortschritt, gesellschaftlicher Wandel<br />

und, an erster Stelle, die zunehmende<br />

Ökonomisierung der Medizin die Ärzte als<br />

zentrale Entscheidungsträger verdrängt<br />

und neue Akteure an die Macht gebracht<br />

Die neu ernannte Staatssekretärin im Ministerium<br />

Er blickte zudem auf die Darstellung ärztli-<br />

für Soziales, Gesundheit, Frauen cher Themen in der Öffentlichkeit zurück,<br />

und Familie des Saarlandes, Gaby Schäfer, die sowohl in der regionalen als auch in<br />

Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

der des überregionalen <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es Presse von einer negativen<br />

Grundhaltung gegenüber der Ärzteschaft<br />

geprägt gewesen seien – egal ob es<br />

sich um den Organspendeskandal oder die<br />

Ärzteproteste im Rahmen des Honorarstreites<br />

gehandelt habe. Nur wenige, wie der<br />

ZDF-Moderator Peter Hahne, hätten zu<br />

den Ärzteprotesten differenziert Stellung<br />

genommen. Die meisten Journalisten,<br />

monierte Rauber weiter, würden die Unterschiede<br />

zwischen Umsatz, ärztlichem Honorar<br />

und Nettoeinkommen nicht kennen<br />

oder bewusst durcheinander bringen.<br />

Im Hinblick darauf rief Dr. Rauber dazu<br />

auf, mehr aufzuklären gegen Vorurteile,<br />

wie beispielsweise, dass Ärzte nicht mehr<br />

wüssten, wohin mit ihrem Geld. So liege<br />

das durchschnittliche Nettoeinkommen<br />

eines Kassenarztes laut statistischem <strong>Bund</strong>esamt<br />

im Monat bei 5.500,00 Euro und<br />

eines Hausarztes bei 5.018,00 Euro. Letztere<br />

seien die Leute, die nach langem Studium<br />

und schlecht bezahlter Assistenzzeit<br />

rund um die Uhr da seien, Nacht- und<br />

Notdienste sowie Hausbesuche absolvierten.<br />

Rauber wies insbesondere darauf<br />

hin, dass der Honorarumsatz von niedergelassenen<br />

Ärzten sowie Psychotherapeuten<br />

nicht mit dem Nettoeinkommen gleichzusetzen<br />

sei. Dies betrage laut dem aktuellen<br />

Honorarbericht der KBV für das 1. Halbjahr<br />

2011 durchschnittlich nur 23,5 Prozent des<br />

Umsatzes.<br />

54


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Lebhafte Diskussion - Dr. Nikolaus Rauber<br />

und Staatssekretärin Gaby Schäfer<br />

Gedankenaustausch in gemütlicher Runde,<br />

v.l.: Dr. Thomas Geiß, Dr. Nikolaus Rauber,<br />

Tobias Hans<br />

Foto: privat<br />

Foto: privat<br />

Schließlich rief der Landesgruppenvorsitzende<br />

auf, den Schulterschluss mit den<br />

angestellten Ärzten im Krankenhaus zu<br />

suchen und die berechtigten Ansprüche<br />

der Patienten zu verteidigen, sich für solide<br />

Arbeitsperspektiven einzusetzen, um<br />

damit die Attraktivität des Arztberufs zu<br />

stärken und die landesweite Versorgungsqualität<br />

auch in Zukunft sicher zu stellen.<br />

Dabei sei es von entscheidender Rolle, dass<br />

der Arztberuf ein freier Beruf bleibe, ärztliche<br />

Entscheidungen also unabhängig und<br />

ausnahmslos im Interesse der Patienten<br />

gefällt würden.<br />

In der anschließenden lebhaften Diskussion<br />

gab es einen regen Austausch zwischen<br />

den anwesenden Ärzten und der Staatssekretärin,<br />

die darauf hinwies, dass sich im<br />

Saarland manches leichter zur Zufriedenheit<br />

aller Beteiligten klären lasse als in<br />

größeren Flächenstaaten. Besonders erfreulich<br />

war, dass auch Nichtmitglieder des<br />

Verbandes am öffentlichen Teil der Landeshauptversammlung<br />

teilnahmen.<br />

Gesundheitspolitischer Talk im<br />

Saarland<br />

Der saarländische Landesverband hat eine<br />

neue Diskussionsreihe ins Leben gerufen:<br />

In unregelmäßiger Folge werden Gesundheitspolitiker,<br />

Vertreter der Krankenkassen<br />

und im Gesundheitssystem Verantwortung<br />

tragende Personen zu Diskussionsrunden<br />

eingeladen. Den Anfang machte der gesundheitspolitische<br />

Sprecher der CDU-<br />

Landtagsfraktion im Saarland, Tobias Hans.<br />

Tobias Hans wurde bei der Landtagswahl<br />

am 30. August 2009 im Wahlkreis Neunkirchen<br />

in den saarländischen Landtag<br />

gewählt. Im Zuge der vorgezogenen Neuwahl<br />

am 25. März 2010 konnte er sein<br />

Mandat bestätigen und rückte innerhalb<br />

der CDU-Landtagsfraktion zum parlamentarischen<br />

Geschäftsführer auf. In den Jahren<br />

2006 und 2007 war er wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter der CDU-Landtagsfraktion,<br />

von 2007 bis zu seiner Wahl in den<br />

saarländischen Landtag persönlicher Referent<br />

des saarländischen Gesundheitsministers<br />

Josef Hecken und später von dessen<br />

Nachfolger Gerhard Vigener. Seit der Wahl<br />

in den Landtag ist er gesundheitspolitischer<br />

Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.<br />

Unter der Moderation des Vorsitzenden der<br />

saarländischen Landesgruppe des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Nikolaus Rauber, und<br />

dem Landesvorsitzenden des Hartmannbundes,<br />

Dr. Grundmann, stellte Tobias<br />

Hans vor interessiertem Publikum die<br />

Schwerpunkte der gesundheitspolitischen<br />

Arbeit der saarländischen Landes-CDU dar.<br />

Da der saarländische Gesundheitsminister<br />

von der CDU-Landtagsfraktion gestellt<br />

werde, bestehe eine hohe Übereinstimmung<br />

zwischen dem gesundheitspolitischen<br />

Grundsatzprogramm im Wahljahr<br />

2013 und dem gesundheitspolitischen<br />

Handeln auf Landes- und <strong>Bund</strong>esratsebene.<br />

Der gesundheitspolitische Sprecher bekannte<br />

sich ohne Wenn und Aber zu der<br />

Freiberuflichkeit der Ärzte und zum Erhalt<br />

des dualen Systems der Krankenversicherung.<br />

Hans geht davon aus, dass bei einem<br />

möglichen Rückgang der Vollversorgungsversicherungen<br />

ein großer Wachstumsmarkt<br />

bezüglich privater Zusatzversicherungen<br />

bei einer zunehmenden Leistungsausgrenzung<br />

in der gesetzlichen Basisversorgung<br />

bestehe.<br />

In der Diskussion wurden unterschiedliche<br />

Formen der Eigenbeteiligung der Patienten<br />

nach Abschaffung der im Jahr 2004 eingeführten<br />

Praxisgebühr zum Jahresbeginn<br />

2013 diskutiert. Tobias Hans betonte, dass<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig neue<br />

Elemente der Patientensteuerung erforderlich<br />

seien. Welche letztendlich zum Tragen<br />

kämen, hänge entscheidend von dem<br />

Ausgang der <strong>Bund</strong>estagswahl im Septem-<br />

55


er 2013 und den dann bestehenden<br />

Machtverhältnissen ab.<br />

Bezüglich der Weiterbildung gab es eine<br />

vollkommene Übereinstimmung mit den<br />

anwesenden Ärzten, dass es erforderlich<br />

sei, neben der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />

auch die fachärztliche Weiterbildung<br />

in der ambulanten Versorgung<br />

aufzubauen. Voraussetzung hierfür sei, ein<br />

Modell der Finanzierung zu entwickeln. Er<br />

versicherte, dass die saarländische Landesregierung<br />

an dem Bestand der hiesigen<br />

Universität festhalte. Auch sprach er sich<br />

für die baldige Besetzung des Lehrstuhls<br />

für Allgemeinmedizin an der Universität<br />

des Saarlandes in Homburg aus, um damit<br />

auch im Studium das Fach Allgemeinmedizin<br />

aufzuwerten.<br />

Zum andern wurden Modelle diskutiert,<br />

das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium<br />

zu reformieren. Die saarländische<br />

Situation stelle sich so dar, dass aufgrund<br />

des fehlenden persönlichen Auswahlverfahrens<br />

der hiesigen Universität die Zulassung<br />

ausschließlich über den Numerus Clausus<br />

erfolge. Es komme so dazu, dass saarländische<br />

Abiturienten, die an einer zentralen<br />

Abiturprüfung teilnehmen, gegenüber<br />

Abiturienten mancher anderer <strong>Bund</strong>esländer<br />

in der Zulassung benachteiligt würden,<br />

die dann aber nach Abschluss des Studiums<br />

ihre ärztliche Tätigkeit überwiegend<br />

außerhalb des Saarlandes ausübten. Insofern<br />

sprach er sich für eine Modifizierung<br />

der Zulassungskriterien aus, z. B. neben<br />

dem Notendurchschnitt auch das soziale<br />

Engagement, die Bereitschaft nach dem<br />

Studium im Saarland ärztlich tätig werden<br />

zu wollen, vorausgegangene berufliche<br />

Weiterbildung in einem Beruf des Gesundheitsweisens<br />

sowie die familiäre Sozialisation<br />

in Form von Ausübung sozialer Berufe<br />

im Elternhaus als Entscheidungskriterien<br />

heranzuziehen. Da das Saarland die Lehre<br />

finanziere, habe das Land ein Mitspracherecht<br />

auf die Vergabe der Studienplätze,<br />

das aber bisher seitens des Landes nicht<br />

wahrgenommen worden sei.<br />

Seitens Dr. Rolshoven, einem Mitglied der<br />

saarländischen Ärztekammer, wurde darauf<br />

hingewiesen, dass von der hiesigen Kammer<br />

bereits der medizinischen Fakultät<br />

angeboten worden sei, ein qualifiziertes<br />

Auswahlverfahren für die Studienzulassung<br />

im Bereich der Humanmedizin zu übernehmen.<br />

Mit Sorge wurde die zunehmende Anzahl<br />

der medizinischen Versorgungszentren an<br />

Krankenhäusern diskutiert, insbesondere<br />

dass sie in einem weit geringeren zeitlichen<br />

Umfang in der Patientenversorgung tätig<br />

seien, was zu einem erheblich gesteigerten<br />

Arbeitsaufwand in den Praxen der niedergelassenen<br />

freiberuflich tätigen Kollegen<br />

führe. Die Funktion der MVZ sieht Tobias<br />

Hans in der Übernahme der spezialärztlichen<br />

Versorgung, womit aber längerfristig<br />

Versorgungsdefizite in der Basisversorgung<br />

einhergingen.<br />

Auch seitens der anwesenden Ärzte wurde<br />

die wachsende Anzahl der MVZ an Krankenhäusern<br />

kritisch gesehen, insbesondere<br />

im Hinblick auf die zunehmende Anzahl<br />

von Selbstzuweisungen innerhalb eines<br />

Krankenhauskonzerns und damit einer<br />

Gefährdung der freien Arztwahl der Patienten,<br />

besonders dann, wenn in ländlichen<br />

Regionen durch die Anbindung aller Fachärzte<br />

einer Fachgruppe in einem MVZ am<br />

Krankenhaus keine Wahlmöglichkeiten<br />

mehr beständen.<br />

Nach weit über drei Stunden intensiven<br />

Gedankenaustausches vereinbarten die<br />

Teilnehmer, den gesundheitspolitischen<br />

Austausch fortzuführen.<br />

Zweite Runde mit SPD-Mann<br />

In Fortsetzung der Kamingespräche war<br />

wenige Wochen später Volker Schmidt<br />

Gast. Volker Schmidt ist seit 1999 Mitglied<br />

des saarländischen Landtages und gesundheitspolitischer<br />

Sprecher der SPD-Landtagsfraktion<br />

sowie deren stellvertretender<br />

Vorsitzender seit 2012. Von 2004 bis 2009<br />

war Schmidt Vorsitzender des saarländischen<br />

Landtagsausschusses für Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales.<br />

Der ausgebildete Krankenpfleger und medizinisch-technische<br />

Assistent, überblickt<br />

die gesundheitspolitischen Entwicklungen<br />

seit knapp 40 Jahren und ist mit der saarländischen<br />

Versorgungsstruktur gut vertraut.<br />

Als langjähriger Geschäftsführer und<br />

Inhaber eines Seniorenheims ist er auch<br />

selber Akteur im Gesundheitsmarkt und<br />

kennt die Probleme des Gesundheitswesens<br />

nicht nur als Sozialpolitiker.<br />

Unter der Moderation des Vorsitzenden der<br />

saarländischen Landesgruppe des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Nikolaus Rauber, und<br />

des Landesvorsitzenden des Hartmannbundes,<br />

Dr. Ralf Grundmann, stellte sich<br />

Volker Schmidt den Fragen der Teilnehmer,<br />

wobei insbesondere angesichts der anstehenden<br />

<strong>Bund</strong>estagswahl im September<br />

2013 die Themen Bürgerversicherung,<br />

Ökonomisierung der Medizin, bürokratische<br />

Überfrachtung der ärztlichen Tätigkeit,<br />

Attraktivität des Arztberufes, Neukonzeption<br />

der ärztlichen Weiterbildung und<br />

die Sicherstellung der regionalen Versorgung<br />

Interessenschwerpunkte darstellten.<br />

Bezüglich des Fortbestandes des dualen<br />

Systems der Krankenversicherung zeigte<br />

Schmidt Verständnis für die Ängste der<br />

anwesenden Ärzte. Er sah das Problem der<br />

Finanzierungslücke in der ambulanten<br />

Versorgung, die durch die Abschaffung der<br />

privaten Krankenversicherung verursacht<br />

werden würde, ging aber davon aus, dass<br />

durch eine zusätzliche Steuerfinanzierung<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

Einkommensverluste der niedergelassenen<br />

Ärzte ausgeglichen werden könnten und es<br />

somit zu keinem Praxissterben kommen<br />

werde. Das Geschäftsfeld der privaten<br />

56 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Gesundheitspolitischer Talk in entspannter<br />

Atmosphäre - Volker Schmidt zu Gast bei<br />

saarländischen Ärzten (3. v. l.)<br />

Foto: privat<br />

Versicherungen sah er künftig auf das<br />

Angebot von Zusatzleistungen beschränkt.<br />

Von den anwesenden Ärzten wurde auch<br />

darauf hingewiesen, dass seit Jahren in der<br />

GOÄ keinerlei Inflationsausgleich mehr<br />

erfolgte. Die Teilnehmer sprachen sich für<br />

den Erhalt der PKV aus, nicht nur wegen<br />

der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz,<br />

sondern auch vor dem Hintergrund,<br />

dass über die PKV in den letzten Jahrzehnten<br />

alle Innovationen den Eingang in<br />

die flächendeckende medizinische Versorgung<br />

gefunden hätten.<br />

In Abgrenzung zum Bündnis90/Die Grünen<br />

verwies Volker Schmidt darauf, dass<br />

die SPD auf die Rückstellungen der privatversicherten<br />

Patienten nicht zurückgreifen<br />

wolle, da dies einer Enteignung gleichkäme.<br />

Volker Schmidt wies darauf hin, dass die<br />

Politik sich in keinem Fall aus der Bedarfsplanung<br />

herausnehmen werde, erinnerte<br />

daran, dass gerade im Schnittstellenbereich<br />

der ambulanten und stationären Sektoren<br />

durch die Schaffung eines gemeinsamen<br />

Landesgremiums der landespolitische Einfluss<br />

gestärkt worden sei. Diesen wolle<br />

man auch im Bereich der Krankenhausplanung<br />

nicht an die Kassen abgeben.<br />

Volker Schmidt merkte an, dass im Saarland<br />

nur in einzelnen Disziplinen freie<br />

Arztsitze nicht besetzt werden konnten,<br />

sah aber aufgrund der Altersstruktur der<br />

saarländischen Ärzte das Problem durchaus<br />

als Damoklesschwert der nächsten Jahre.<br />

Seitens der Teilnehmer wurde insbesondere<br />

darauf hingewiesen, dass durch die zunehmende<br />

Spezialisierung in der Medizin dies<br />

noch verstärkt werde.<br />

Insbesondere in der Einbeziehung der<br />

niedergelassenen Praxen in die ärztliche<br />

Ausbildung sah er ein wirksames Instrument<br />

dem drohenden Versorgungsmangel<br />

zu begegnen. Er brachte die Hoffnung<br />

zum Ausdruck, dass bei Aufhebung der<br />

strengen Sektorengrenzen von ambulanter<br />

und stationärer Versorgung, junge Ärzte<br />

die Angst vor der Niederlassung besser<br />

überwinden könnten.<br />

Einigkeit bestand bezüglich der Notwendigkeit<br />

der Novellierung der fachärztlichen<br />

Weiterbildung, auch dass hierfür eine<br />

ausreichende Finanzierung in der niedergelassenen<br />

Praxis sichergestellt sein und der<br />

zusätzliche Aufwand, den ein Praxisinhaber<br />

im Rahmen der Fortbildung betreibe, auch<br />

in der fachärztlichen Praxis honoriert werden<br />

müsse.<br />

Seitens der Teilnehmer wurde darauf hingewiesen,<br />

dass zunehmend medizinische<br />

Leistungen aus dem stationären Bereich,<br />

wie z. B. bei der Dialyse, der Schlafmedizin,<br />

aber auch der Augenheilkunde aus dem<br />

stationären Bereich in den ambulanten<br />

Sektor verlagert worden seien, so dass es<br />

für die angehenden Fachärzte nicht möglich<br />

sei, ausreichende Kompetenzen alleine<br />

in der stationären Weiterbildung zu erwerben.<br />

Diskutiert wurden schließlich Konzepte von<br />

Verbundweiterbildungen im fachärztlichen<br />

Bereich, wie sie bereits im Bereich der<br />

Allgemeinmedizin realisiert worden sind.<br />

Schleswig-Holstein<br />

Impfchaos im hohen Norden<br />

„In diesem Jahr steht die Möglichkeit, als<br />

Schleswig-Holsteiner gegen die Virusgrippe<br />

(Influenza) geimpft zu werden, in den<br />

Sternen“, kritisiert der Vorsitzende der<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />

57


Landesgruppe Schleswig-Holstein des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Matthias Seusing im<br />

Spätherbst 2012. Hintergrund sind Lieferschwierigkeiten<br />

des Impfstoffs bei der<br />

Firma Novartis. Das Pharmaunternehmen<br />

hatte in der Kassenausschreibung, die<br />

federführend von der AOK organisiert<br />

worden war, den Zuschlag für den rabattierten<br />

Einkauf bekommen.<br />

Der Engpass zur einsetzenden Grippeperiode<br />

sei fatal und unnötig, ärgert sich der<br />

Landesvorsitzende Seusing. „Zum ersten<br />

Mal haben die Krankenkassen die Bestellung<br />

der Impfstoffe landesweit in eigener<br />

Regie übernommen und schon fällt das<br />

von den Vertragsärzten seit Jahren aufgebaute<br />

und gut funktionierende Impfmanagement<br />

wie ein Kartenhaus zusammen.“<br />

Wann das Serum lieferbar sei, könne auch<br />

nach neuesten Informationen nicht gesagt<br />

werden. Den zuletzt zugesagten Liefertermin<br />

musste der Pharmahersteller erneut<br />

absagen. „Auf absehbare Zeit wird es keinen<br />

Kassen-Impfstoff geben. Wir haben<br />

keinen neuen Liefertermin mitgeteilt bekommen.<br />

Das ist ein Desaster und zeigt<br />

erneut, dass die Krankenkassen nur noch<br />

am wirtschaftlichen Erfolg und nicht mehr<br />

an der Versorgung interessiert sind. Verantwortung<br />

sieht anders aus“, moniert<br />

Seusing.<br />

Grippemittel nicht lieferbar – Fataler Engpass<br />

zur Impfsaison<br />

© Tobilander - Fotolia.com<br />

Mit Einsetzen der kalten Jahreszeit häuften<br />

sich die Nachfragen nach Grippeimpfungen<br />

in den Praxen zusehends. Matthias<br />

Seusing: „Wir wissen nicht, was wir unseren<br />

Patienten sagen sollen. Eigene Impfstoffbestellungen<br />

durch die Ärzte sind mit<br />

Regress bedroht.“ Werbekampagnen der<br />

Kassen, sich jetzt impfen zu lassen, seien<br />

vor diesem Hintergrund absurd.<br />

Das Beispiel zeige darüber hinaus in alarmierender<br />

Weise, welche haarsträubenden<br />

Folgen die missglückten Regulierungsversuche<br />

der Krankenkassen haben können.<br />

„Durch politisches Einsparkalkül der Krankenkassen<br />

wird die Gesundheit der Bevölkerung<br />

aufs Spiel gesetzt. Krankenkassen-<br />

Versicherte werden zu Krankenkassen-<br />

Verunsicherten“, sagt der<br />

Landesvorsitzende Schleswig-Holstein.<br />

Westfalen-Lippe<br />

Neuer Landesvorstand<br />

Bei der Landeshauptversammlung der<br />

Landesgruppe Westfalen-Lippe des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es wählten die Delegierten<br />

Gert Buchner zum neuen Landesvorsitzenden.<br />

Der 59-Jährige ist als praktischer Arzt<br />

in Arnsberg niedergelassen. Stellvertretender<br />

Landesvorsitzender wurde Dr.<br />

Werner von Tils (61), Allgemeinmediziner<br />

aus Rheine.<br />

Das neue Führungsduo beerbt mit dem<br />

Wechsel an die Spitze der Landesgruppe<br />

die beiden langjährigen stellvertretenden<br />

Landesvorsitzenden Dr. Martin Junker und<br />

Dr. Ulrich Oberschelp. Beide hatten nicht<br />

mehr für das Amt kandidiert.<br />

Darüber hinaus wählten die Delegierten<br />

Klaus-Wilhelm van Doornick (64), Orthopäde<br />

aus Werne, Dr. Gernot Scheibl (53),<br />

Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologe<br />

aus Paderborn, Dr. Ulrich Oberschelp<br />

(67), Orthopäde aus Werne sowie<br />

Dr. Martin Junker (65), Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

aus Olpe, als Beisitzer des<br />

Vorstandes.<br />

In seiner Antrittsrede als neuer Landesvorstand<br />

skizzierte Gert Buchner die Schwerpunkte<br />

seiner zukünftigen berufspolitischen<br />

Arbeit. Dabei machte er deutlich,<br />

dass der jüngste Honorarkompromiss mit<br />

den Krankenkassen bei weitem nicht dazu<br />

ausreiche, die Versorgung langfristig sicherzustellen.<br />

Neben der Ausgliederung der<br />

Leistungen der nichtärztlichen Psychotherapeuten<br />

aus dem Facharztbudget sei die<br />

Konvergenz der Leistungen in Westfalen-<br />

Lippe überfällig. Hier läge die Region<br />

immer noch am unteren Ende der Fahnenstange,<br />

so der neue Landeschef.<br />

Als weitere Ziele nannte Buchner den<br />

Bürokratieabbau in den Praxen und dabei<br />

insbesondere die Abschaffung der Praxisgebühr,<br />

sowie die innerverbandliche Tätigkeit<br />

seiner Landesgruppe. In einer Laudatio<br />

würdigte Dr. Oberschelp die Verdienste des<br />

langjährigen Vorsitzenden und zuletzt<br />

stellvertretenden Landesvorsitzenden Dr.<br />

Junker, der sich in fast 30 Jahren Ehrenamt<br />

große Verdienste in Westfalen-Lippe<br />

wie auch auf <strong>Bund</strong>esebene erworben habe.<br />

Diskreditierung schafft<br />

„Wut-Ärzte“<br />

In einem Leserbrief äußert sich das Mitglied<br />

des Vorstandes der Landesgruppe<br />

Westfalen-Lippe, Dr. Martin Junker, zur<br />

Korruptionsdebatte:<br />

Wieder einmal hangeln sich an wenigen<br />

Bestechungsfällen von Ärzten, die im<br />

vergangenen Jahr längst vom höchsten<br />

deutschen Gericht abgelegt wurden, Krankenkassen-Apparatschiks,<br />

wahlkampfbemühte<br />

Politiker und sensationsgeile Medien<br />

hoch. Einzelfälle, die in erheblich<br />

58 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Pseudo-Empörung von Kassen und Politikern –<br />

Dr. Martin Junker, Landesgruppe Westfalen-Lippe<br />

© <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

geringerem Maße vorliegen als in anderen<br />

Berufsgruppen, werden zur Diskreditierung<br />

eines ganzen Berufsstandes bemüht.<br />

Dabei gilt auch hier der Grundsatz „Wer<br />

im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen<br />

werfen.“ Die fortlaufenden Kritiken und<br />

„Studien“ von Krankenkassen-Spitzenmanagern<br />

sind in der Regel nicht belegbar<br />

und nur unverschämt.<br />

Der <strong>Bund</strong>esrechnungshof-Präsident Prof.<br />

Dr. Dieter Engels will künftig verstärkt<br />

das Finanzgebaren der gesetzlichen Krankenkassen<br />

untersuchen, was er „unglaublich“<br />

nannte: „Wie manche Kassen mit<br />

dem Geld der Versicherten umgehen, habe<br />

ich mir nicht vorstellen können.“ Es gebe<br />

„Deals“ unter den Beteiligten, „da bekommt<br />

ein Prüfer, der sie aufdeckt, graue<br />

Haare.“ (Wirtschaftswoche 30.04.2010)<br />

<strong>Bund</strong>estagspräsident Norbert Lammert<br />

(CDU) forderte empört, das Gesetz, das<br />

korrupte Parlamentarier unter Strafe<br />

stellen soll, müsse endlich kommen, entsprechend<br />

der von Deutschland 2003<br />

unterschriebenen UN-Konvention gegen<br />

Korruption (WELT Online 05.02.12).<br />

Die üblichen Wadenbeißer in der Politik,<br />

die selbst hochdotierte Aufsichtsratsposten<br />

unter anderem bei verschiedenen<br />

Lobby-Institutionen unter der meldepflichtigen<br />

50.000 Euro-Schamgrenze<br />

gewissenlos besetzen, sollten endlich<br />

Abstand nehmen von der Verunglimpfung<br />

eines Berufsstandes, der sich nach Meinung<br />

der Bevölkerung am ehrenhaftesten<br />

und ehrlichsten um das Wohl der Bürgerinnen<br />

und Bürger kümmert. Dabei sollen<br />

die wenigen schwarzen Schafe durchaus<br />

gebrandmarkt und zur Rechenschaft gezogen<br />

werden, aber als Einzelfälle!<br />

Diese Scheinheiligkeit und Pseudo-Empörung<br />

von Krankenkassen- und Politikvertretern<br />

schaffen nur eine neue Form von<br />

„Wut-Ärzten“, die sich innerlich zunehmend<br />

von ihrem hohen Berufsethos und<br />

ihrer Einsatzbereitschaft frustriert verabschieden.<br />

Dies sollten auch die Medien<br />

begreifen, die kritiklos diese Vorwürfe<br />

aufnehmen und vervielfältigen. So motiviert<br />

man keine jungen Menschen, dem<br />

drohenden Ärztemangel abzuhelfen. Es ist<br />

verunglimpfend und beschämend, wie mit<br />

dem ärztlichen Berufsstand derzeit umgegangen<br />

wird. Wir niedergelassenen Ärztinnen<br />

und Ärzte weisen diese beleidigende<br />

Diskussion mit allem Nachdruck<br />

zurück.<br />

Dr. Martin Junker<br />

Hausarzt seit 35 Jahren<br />

Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen<br />

Vereinigung Westfalen-Lippe<br />

59


Die Ehrung<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

URKUNDE<br />

Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.,<br />

verleiht<br />

Herrn Professor Dr. med. Fritz Beske, MPH,<br />

in Würdigung seiner langjährigen Verdienste um das Ansehen der deutschen Ärzteschaft die<br />

Kaspar-Roos-Medaille.<br />

Professor Beske wurde am 12. Dezember 1922 in Wollin, Pommern als Ältestes von drei Kindern des praktischen Arztes Fritz<br />

Beske und seiner Ehefrau Klara geboren. Nach dem Abitur 1940 und Einsatz in der Kriegsmarine begann er 1946 im Alter<br />

von 23 Jahren das Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, das er 1951 mit einer Promotion<br />

über das Bronchialkarzinom abschloss.<br />

Nach dem Studium begann Professor Beske 1952 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Hygiene-Institut der<br />

Universität Kiel. Diese Arbeit unterbrach er 1954, um an der Universität Michigan in Ann Arbor (USA), den Abschluss Master<br />

of Public Health (MPH) zu erwerben. Damit war er wohl einer der ersten Deutschen, der eine solche Qualifikation vorweisen<br />

konnte.<br />

1955 kehrte er an das Kieler Hygiene-Institut zurück. Es folgten Tätigkeiten als Referent in der Gesundheitsabteilung des<br />

Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein, als internationaler Beamter im europäischen Büro der Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) in Kopenhagen, als Leiter der Gesundheitsabteilung im Schleswig-Holsteinischen Innenministerium in<br />

Kiel und schließlich 1971 bis 1981 als Staatssekretär im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein unter dem<br />

Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU). Die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck ernannte ihn schließlich<br />

1973 zum Honorarprofessor.<br />

Die wissenschaftliche Arbeit von Professor Beske führte ihn 1975 zur Gründung des Instituts für Gesundheits-System-Forschung<br />

Kiel (IGSF), das von 1983 bis 2004 Kooperationszentrum der WHO war. Heute trägt das Institut den Namen Fritz-<br />

Beske-Institut für Gesundheits-System-Forschung.<br />

Getreu seinem Grundsatz „Mehr Sachverstand in die gesundheitspolitische Diskussion“ publizierte Professor Beske allein<br />

über sein Institut 122 Bände mit Studien und Analysen zu nahezu allen Aspekten der Gesetzlichen Krankenversicherung und<br />

deren Wert, Reformnotwendigkeiten und zukünftige Gestaltungsoptionen. Darüber hinaus hat er zahlreiche Bücher, Fachaufsätze<br />

und Gutachten veröffentlicht.<br />

Als anerkannter Wissenschaftler analysiert er mit Kompetenz und Sachverstand die Struktur des Gesundheitssystems. Seine<br />

Gutachten sind dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger und keine abstrakten akademischen Abhandlungen.<br />

Deshalb sind seine Werke stets eine Pflichtlektüre für die politisch Handelnden und alle Akteure des Gesundheitswesens.<br />

Sein Herzensanliegen ist und war die Zukunftsfähigkeit und Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems – auch mit der<br />

tragenden Säule der ambulanten Medizin durch freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzten –, das er im internationalen Vergleich<br />

immer an der Spitze verortet hat.<br />

Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> würdigt sein Engagement und ehrt ihn für seine Verdienste um die niedergelassene Ärzteschaft mit<br />

der Kaspar-Roos-Medaille. Professor Dr. Fritz Beske ist ein Vorbild für die heranwachsende Ärztegeneration.<br />

Berlin, den 16. November 2012<br />

60


Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

VORSTAND DER BRENDAN-<br />

SCHMITTMANN-STIFTUNG<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

© S. Pietschmann – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Prof. Harald Mau,<br />

Vorsitzender des Vorstandes der<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

Vorsitzender<br />

Prof. Dr. Harald Mau<br />

Arzt für Kinderchirurgie<br />

c/o <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Chausseestr. 119b<br />

10115 Berlin<br />

Stellv. Vorsitzender<br />

Dr. Erwin Hirschmann<br />

Arzt für Kinderheilkunde<br />

Mainaustr. 38<br />

81243 München<br />

Beisitzer<br />

Ralf Wilhelm Büchner<br />

Arzt für Allgemeinmedizin<br />

Am Bahnhof 14<br />

25924 Klanxbüll<br />

Dr. Brigitte Ernst<br />

Ärztin für Allgemeinmedizin<br />

Lessingstr. 12<br />

93049 Regensburg<br />

Dr. Wolfgang Holz<br />

Praktischer Arzt<br />

Saarstr. 92 A<br />

66265 Heusweiler<br />

Anschrift:<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

Dr. Klaus Gebuhr (bis Oktober 2013)<br />

Chausseestr. 119b<br />

10115 Berlin<br />

Fon (030) 28 8774-121<br />

Fax (030) 28 8774-115<br />

E-Mail: info-berlin@nav-virchowbund.de<br />

61


Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

Kuratorium DER BRENDAN-SCHMITTMANN-STIFTUNG<br />

Vorsitzender<br />

Prof. Dr. Dr. Rainer Rix<br />

Arzt für Augenheilkunde<br />

Maxi MVZ<br />

Weissenseestr. 7<br />

90491 Nürnberg<br />

© <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Dr. Klaus Bogner<br />

Mitglieder<br />

Dr. Martin Junker<br />

Prof. Rainer Rix,<br />

Vorsitzender des Kuratoriums der<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

Arzt für Allgemeinmedizin<br />

Arzt für Allgemeinmedizin<br />

Katrin Koepchen<br />

Tochter von Dr. Brendan Schmittmann<br />

Ewald Kraus<br />

Notgemeinschaft Medizingeschädigter e.V.<br />

Dr. Dirk Heinrich<br />

Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,<br />

Arzt für Allgemeinmedizin,<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzender <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Prof. Dr. Michael Häder<br />

Technische Universität Dresden,<br />

Institut für Soziologie<br />

Dr. Peter Nachtweh<br />

Deutscher Arbeitskreis Zahnheilkunde,<br />

Projektleiter Qualitätssicherung<br />

Beate Stadge-Bourguignon<br />

WPV Verlag, Geschäftsführerin<br />

Lutz Kindt<br />

Arzt für Allgemeinmedizin<br />

Dr. Veit Wambach<br />

Arzt für Allgemeinmedizin,<br />

Stellvertretender <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Stand: September 2013<br />

62


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Bericht über die Arbeit der<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

im Jahr 2012<br />

Als Stiftung des Verbandes der niedergelassenen<br />

Ärzte Deutschlands e.V. besteht<br />

der Auftrag der Brendan-Schmittman-<br />

Stiftung nach wie vor im Erheben, Sammeln<br />

und wissenschaftlichen Auswerten<br />

von Informationen und Meinungen zur<br />

Arbeit der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte.<br />

Ihnen sollen valide Daten zur<br />

Verbesserung ihrer Arbeit zur Verfügung<br />

gestellt werden. Diese Daten beziehen sich<br />

einerseits auf das Arzt-Patienten-Verhältnis<br />

(insbesondere im Rahmen der vertragsärztlichen<br />

Tätigkeit), andererseits auf die Interaktion<br />

zwischen der Vertragsärzteschaft<br />

und den standespolitischen Organisationen<br />

bzw. den Gremien der Selbstverwaltung.<br />

Die Ergebnisse anonymer schriftlicher<br />

Befragungen von Patientinnen und Patienten<br />

zu Ihrer Arztpraxis, zum ärztlichen<br />

und Heilhilfspersonal, zu den räumlichen<br />

Gegebenheiten, zur Praxisorganisation etc.<br />

eröffnen dem betroffenen Praxisinhaber<br />

Kenntnisse über Stimmungen und Meinungen<br />

seiner Patienten, die durch andere<br />

Evaluation kaum zu erreichen wären.<br />

Der Vergleich der Befragungsergebnisse<br />

zwischen den teilnehmenden Praxen gestattet<br />

dem Praxisinhaber zudem sich in<br />

einem Ranking innerhalb von Fachgruppen<br />

bzw. im regionalen Rahmen zu positionieren.<br />

1. Qualitätssicherungsprojekt „Praxistest“<br />

Nachdem im Frühjahr 2012 vor allem die<br />

Ergebnisse für die einzelnen Praxen (50<br />

Arzt- und Zahnarztpraxen, ca. 2.300 Patientenfragebogen)<br />

erarbeitet wurden, stand<br />

für das zweite Halbjahr die Durchführung<br />

des Praxistests im Ärztenetz Nürnberg<br />

Nord (105 Ärzte in 65 Praxen) im Mittelpunkt<br />

der Arbeit. Es liegen die Antworten<br />

von ca. 4.500 Patientenfragebogen vor, die<br />

nach den genannten Kriterien aufzubereiten<br />

und zu bewerten sind. Außerdem sind<br />

Vergleiche von Antworten zu Haus- zu<br />

Fachärzten und verschiedenen Krankenkassen<br />

zu erarbeiten. Die Realisierung der<br />

einzelnen Praxisberichte und der angeführten<br />

speziellen Gesamtauswertungen<br />

für das Management des Ärztenetzes<br />

Nürnberg Nord wird in der Mehrzahl wahrscheinlich<br />

erst im ersten Halbjahr des Jahres<br />

2013 erfolgen.<br />

Im Oktober 2012 erfolgte schließlich die<br />

Veröffentlichung der Studie „Vertragsärzte<br />

im Urteil ihrer Patienten – dargestellt an<br />

Hand ausgewählter Ergebnisse des Projektes<br />

Qualitätssicherung in der Arztpraxis<br />

(Praxistest)“. In dieser Studie wurden die<br />

1.576 Antworten der Patienten aus der<br />

abschließenden offenen Frage des Patientenfragebogens<br />

kategorisiert, analysiert<br />

und dargestellt. Dieser Auswertung wurde<br />

besondere Bedeutung beigemessen, da<br />

einer Meinungsäußerung in einem freien<br />

Text eine andere Relevanz als einer programmierten<br />

Abfrage zukommt.<br />

Die im Zeitraum von 1996 bis 2010 von<br />

der Brendan-Schmittmann-Stiftung veröffentlichten<br />

„Burn-out-Studien“ erbrachten<br />

interessante und wertvolle Hinweise über<br />

die Meinung der Vertragsärztinnen und<br />

Vertragsärzte über die Standesorganisationen<br />

bzw. die Gremien der Selbstverwaltung.<br />

Das lebhafte Interesse in der ärztlichen<br />

Öffentlichkeit an den Ergebnissen<br />

veranlasste die Kassenärztliche <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

die Zusammenarbeit mit dem<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> und der Brendan-<br />

Schmittmann-Stiftung zu suchen. Resultat<br />

dieser Kooperation ist der „Ärztemonitor",<br />

dessen Konzeption zum Teil aus der Arbeit<br />

der Brendan-Schmittmann-Stiftung erwachsen<br />

ist.<br />

2. Der Ärztemonitor der KBV, des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es und der<br />

Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />

Aus dem Datenfundus des Ärztemonitors<br />

der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />

von 2012 hat die Stiftung im Oktober die<br />

Studie „Ausgewählte Aspekte vertragsärztlicher<br />

Tätigkeit – das Verhältnis zur vertragsärztlichen<br />

Arbeit unter dem Gesichtspunkt<br />

des Burn-outs“ veröffentlicht. In<br />

Vorbereitung sind diesbezüglich noch<br />

Studien zur wirtschaftlichen Zufriedenheit<br />

und zur Einstellung zu Ärztenetzen.<br />

Spendenaufruf<br />

Die Stiftung hat sich in den letzten<br />

Jahren verstärkt bemüht, die Problemfelder<br />

der vertragsärztlichen Tätigkeit<br />

zu bearbeiten. Natürlich sind die Möglichkeiten<br />

dazu stark von den vorhandenen<br />

finanziellen Mitteln abhängig.<br />

Die Erträge aus dem Stiftungskapital<br />

reichen nicht aus. Die Stiftung ist<br />

daher zur Finanzierung ihrer Projekte<br />

auf Spenden angewiesen. Insofern<br />

möchten wir jeden Besucher unserer<br />

Internetseite um Spenden auf folgende<br />

Bankverbindung bitten:<br />

Brendan-Schmittmann-<br />

Stiftung,<br />

10115 Berlin<br />

Konto 0001418386<br />

BLZ 30060601<br />

Deutsche Apotheker- und Ärztebank<br />

eG<br />

Für die Ausstellung einer Spendenquittung<br />

geben Sie bitte Ihre Anschrift<br />

bekannt.<br />

Für Ihr Engagement bedanken wir uns<br />

sehr herzlich!<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 63


Was sonst noch wichtig war<br />

Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Ärzte genießen ein hohes Ansehen in der<br />

Bevölkerung. Das beweisen die regelmäßig<br />

veröffentlichten Ranglisten der Berufsgruppen,<br />

bei denen der erste Platz für die Mediziner<br />

reserviert zu sein scheint. Der eigene<br />

Arzt oder die eigene Ärztin zählen zu<br />

den Vertrauenspersonen der Menschen. Sie<br />

heilen Leiden, lindern Schmerzen und<br />

retten im Notfall sogar Leben. Zudem sind<br />

die Menschen kaum in der Lage, sich bei<br />

größeren gesundheitlichen Problemen<br />

selber zu helfen. Ohne das Fachwissen und<br />

die Erfahrung der Mediziner geht es nicht.<br />

Der erste Platz auf der erst jüngst wieder<br />

vom Allensbacher Institut für Demoskopie<br />

vorgestellten Prestigeskala lässt sich also<br />

leicht erklären.<br />

Doch neben dem „Halbgott in Weiß“ existiert<br />

ein weiteres, deutlich negativeres<br />

Image in der Bevölkerung. Die Frage, wie<br />

viel es den Menschen wert ist, eine wohnortnahe<br />

ambulante Versorgung zur Verfügung<br />

zu haben, wird unter dem Stichwort<br />

Arzthonorare kontrovers diskutiert. Die<br />

Medien führen die Debatte gerne und<br />

meist in einem kritischen, wenn nicht<br />

sogar ärztefeindlichen, Grundton. Die<br />

Nachrichtenlogik fordert negative Schlagzeilen.<br />

Der sehr gut verdienende Radiologe<br />

in einer der privilegierten Gegenden der<br />

Republik, die vielen Selbstzahlerleistungen<br />

beim Augenarzt – solche Beispiele verfangen<br />

bei den Menschen und sorgen für<br />

öffentliche Aufmerksamkeit. Da Zeitungen,<br />

Fernsehsender, Radiostationen und<br />

Newsportale von dieser Aufmerksamkeit<br />

leben, verwundert es nicht, dass die guten<br />

Einkommen der Ärzte immer wieder unter<br />

den Vorzeichen einer Neiddebatte an den<br />

medialen Pranger geraten.<br />

So geschah es im vergangenen Herbst, als<br />

Krankenkassen und Vertragsärzte erbittert<br />

um die künftige Höhe der Vergütung stritten.<br />

Ein Auftragsgutachten der Kassen<br />

beim schweizerischen Prognos-Institut kam<br />

zum Ergebnis, dass der Orientierungspunktwert<br />

nicht erhöht, sondern abgesenkt<br />

werden müsse. Während die KBV rund 3,5<br />

Milliarden Euro mehr für die Ärzte forderte,<br />

verlangten die Kassen eine Honorarkürzung<br />

um etwa 2,2 Milliarden. Dies<br />

geschah am 9. August. „Die Absicht der<br />

Krankenkassen, den Orientierungspunktwert<br />

zu senken und damit die Vergütung<br />

der Praxisärzte um 7 Prozent zu kürzen, ist<br />

ein klarer Gesetzesverstoß“, erklärt der<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich. Die Kassen<br />

Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

dürften des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

sich nicht wundern, wenn in weni-<br />

© KV-ON<br />

gen Wochen wieder Tausende von Ärzten<br />

auf die Straßen gingen. In Voraussicht<br />

eines unbefriedigenden Verhandlungsergebnisses<br />

und in der Rolle des amtierenden<br />

Sprechers der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />

bildete der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

umgehend eine Koordinierungsstelle für<br />

mögliche Protestaktionen der ärztlichen<br />

Verbände und avancierte so zur ersten<br />

Anlaufstelle für die Medien.<br />

„Bringen Sie die politischen Geisterfahrer zur Vernunft!“<br />

– Dr. Heinrich vor der Sondervertreterversammlung der KBV<br />

Die Kassen zeigten sich von der Protestankündigung<br />

der Ärzte zunächst unbeeindruckt.<br />

Bei den folgenden Verhandlungen<br />

konnte keine Einigung erzielt werden.<br />

Gegen das Votum der KBV und mit den<br />

Stimmen des GKV-Spitzenverbandes und<br />

des Ausschussvorsitzenden Prof. Jürgen<br />

Wasem fällte der Erweiterte Bewertungsausschuss<br />

Ende August seine Entscheidung:<br />

Die Gesamtvergütung sollte um 0,9<br />

Prozent angehoben werden. „Wir sollen die<br />

Preisentwicklungen der vergangenen Jahre<br />

aus der eigenen Tasche bezahlen. Das ist<br />

64


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

eine Kriegserklärung", kommentierte Dr.<br />

Heinrich das Resultat und kündigte Proteste<br />

bis hin zu Praxisschließungen an.<br />

Ähnlich konsterniert zeigte sich die KBV-<br />

Führung und rief die Delegierten der KVen<br />

kurzfristig zu einer Sondervertreterversammlung<br />

nach Berlin. Trotz der geringen<br />

Vorlaufzeit und der Terminlegung auf<br />

einen Sonnabend platzte der Versammlungsraum<br />

aus allen Nähten. Die Stimmung<br />

war aufgeladen, die Reden kämpferisch<br />

und oft von Beifall unterbrochen.<br />

KBV-Chef Köhler stellte öffentlich den<br />

Sicherstellungsauftrag in Frage und erntete<br />

tosenden Applaus in der Versammlung.<br />

Zwar hatten sich der GKV-Spitzenverband<br />

und die KBV auf eine Nachverhandlung<br />

am folgenden Montag geeinigt. Allen<br />

Beteiligten schien jedoch klar zu sein, dass<br />

das Treffen zu keinem Ergebnis führen<br />

würde. Die Nachrichtenagenturen zitierten<br />

Dr. Heinrich noch am gleichen Tag mit der<br />

Ankündigung von „Protestmaßnahmen<br />

bisher nicht gekannten Ausmaßes.“ Die<br />

Streikandrohung fand sich am Montag<br />

darauf in nahezu allen Zeitungen des<br />

Landes wieder. Die Zeichen standen nun<br />

auf Sturm.<br />

Improvisierte Streikzentrale beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> –<br />

Klaus Greppmeir im ARD-Interview<br />

Unterdessen liefen in der Geschäftsstelle<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es die Planungen<br />

für die angekündigten Protestmaßnahmen<br />

auf Hochtouren. Die Allianz deutscher<br />

Ärzteverbände wurde um die Fachverbände<br />

zur so genannten Allianz +30 erweitert.<br />

Und während die Verbandsspitzen auf<br />

kurzfristig anberaumten Telefonkonferenzen<br />

die nächsten Schritte vereinbarten,<br />

beantwortete die Pressestelle die zahllosen<br />

© ARD<br />

© ARD<br />

Anfragen der Journalisten. Selten zuvor<br />

standen Verbände und Körperschaften so<br />

eng zusammen. Alte Rivalitäten rückten in<br />

den Hintergrund. Die kompromisslose<br />

Haltung der Krankenkassen schweißte die<br />

Ärzteschaft zusammen. Und es wurde<br />

gehandelt. Ohne jegliche Vorbereitungszeit<br />

brachten die Verbände eine Urabstimmung<br />

unter ihren insgesamt rund 100.000 Mitgliedern<br />

auf den Weg. Die Hauptfrage<br />

dabei lautete, ob die Ärzte ihre Praxis<br />

schließen würden, sollte es nicht zu einer<br />

deutlichen Verbesserung des Verhandlungsergebnisses<br />

kommen. Das hatte es<br />

bislang in der <strong>Bund</strong>esrepublik noch nicht<br />

gegeben. Zudem einigten sich Verbände<br />

und KVen auf erste Protestmaßnahmen zu<br />

Beginn der darauffolgenden Woche.<br />

„Es geht hier nicht um den zweiten Wagen in der Garage“<br />

– Dr. Heinrich zu Gast bei „Hart aber fair“<br />

im ARD-Fernsehen<br />

Unterdessen liefen die Faxgeräte in der<br />

Geschäftsstelle heiß. Auch an die eigenen<br />

Mitglieder war der Abstimmungsbogen<br />

versandt worden und nun gingen die Antworten<br />

ein – zu Hunderten, jeden Tag.<br />

Gleichzeitig mussten die Rücksendungen<br />

sortiert und ausgezählt werden, wofür<br />

kurzfristig Verbandsmitarbeiter abgestellt<br />

und eine Hilfskraft engagiert wurde, denn<br />

die Zeit drängte. Bereits am darauffolgenden<br />

Mittwoch endete die Abstimmungsfrist.<br />

Das Ergebnis sollte einen Tag<br />

später bekanntgegeben werden. Erste<br />

Warnstreiks und Praxisschließungen, erklärte<br />

die Ärzteallianz gegenüber der Presse,<br />

könnten aufgrund des straffen Zeitplans<br />

noch im September beginnen. Alles<br />

blickte gespannt auf die Koordinierungsstelle<br />

in der Berliner Chausseestraße. Man<br />

hielt den Atem an.<br />

© ARD<br />

Mit jedem Tag, den die Ergebnisverkündung<br />

näherrückte, steigerte sich auch das<br />

Interesse der Medien. Ein Kamerateam der<br />

ARD-Tagesschau besuchte die Streikzentrale<br />

beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, das Frühstücksfernsehen<br />

berichtete live aus Hamburger<br />

Arztpraxen, unzählige Interviewanfragen<br />

gingen in der Pressestelle ein, Dr.<br />

Heinrich diskutierte auf Phoenix mit Kassensprecher<br />

Florian Lanz, Radiointerviews<br />

wurden im Fünf-Minuten-Takt gegeben.<br />

Das Thema hatte es auf der Wahrnehmungsskala<br />

der Öffentlichkeit ganz nach<br />

oben geschafft.<br />

Topthema Ärzteproteste – Ausschnitt der ARD-Dauerserie<br />

„Lindenstraße“ vom 16.09.2012<br />

Mit der medialen Aufmerksamkeitswelle<br />

rollten auch die ersten Protestaktionen der<br />

Vertragsärzte an. Nicht die Patienten<br />

sollten das Ziel des Ärztezorns sein, sondern<br />

die Krankenkassen und ihre Bürokratie.<br />

„Ab sofort machen die Ärzte Dienst<br />

nach Vorschrift“, gab Dr. Heinrich als Parole<br />

aus. Kassenanfragen sollten gar nicht<br />

oder mit Standardanschreiben beantwortet,<br />

die dadurch freie Zeit den Patienten gewidmet<br />

werden. Gleichzeitig riefen die<br />

KVen zum Bürokratie-Boykott auf.<br />

Bereits einen Tag später folgte der nächste<br />

Schlag der Ärzteallianz. Unter dem Namen<br />

„Operation Shitstorm“ legten die wütenden<br />

Mediziner mit Tausenden Faxen die Telefonzentralen<br />

verschiedener Krankenkassen<br />

lahm. Die Aktion war im Vorfeld nicht<br />

angekündigt worden und verfehlte so ihre<br />

Wirkung nicht. Laut einem Bericht des<br />

Hamburger Abendblattes musste selbst der<br />

GKV-Spitzenverband vorübergehend eine<br />

neue Faxnummer einrichten. Ähnliches war<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 65


von der Hamburger Zentrale des Ersatzkassenverbandes<br />

vdek zu hören.<br />

Am darauffolgenden Tag endete die Urabstimmungsfrist<br />

und die Ergebnisse der<br />

einzelnen Fachverbände liefen in der Protestzentrale<br />

beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> ein.<br />

Dabei bestätigte sich schnell, was in den<br />

vergangenen Tagen bereits zu spüren war:<br />

Die Protestbereitschaft der Ärzteschaft war<br />

hoch. Nach der Revolte gegen die Reformen<br />

der damaligen <strong>Bund</strong>esgesundheitsministerin<br />

Ulla Schmidt im Jahr 2006 lag<br />

ein neuer Ärztestreik der Niedergelassenen<br />

in der Luft. Bis spät am Abend wurden die<br />

Ergebnisse zusammengetragen und für die<br />

Präsentation in der <strong>Bund</strong>espressekonferenz<br />

am nächsten Tag vorbereitet. Aufgrund der<br />

hohen Bedeutung des Themas hatten die<br />

Hauptstadtjournalisten dazu einige Tage<br />

zuvor eingeladen. Eine gemeinsame Pressemeldung<br />

mit der KBV wurde vorbereitet,<br />

die letzten Details abgesprochen. Der große<br />

Tag konnte kommen.<br />

Bis zur offiziellen Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses<br />

am Donnerstagmittag<br />

wollten einige Journalisten trotz strikter<br />

Sperrfrist nicht warten. Nicht nur in der<br />

Pressestelle glühten jetzt die Drähte. Auch<br />

in den anderen Abteilungen des Verbandes<br />

kamen nun Anrufe der Pressevertreter an,<br />

die mit aller Macht und Überredungskunst<br />

das Abstimmungsergebnis vorab wissen<br />

wollten.<br />

Appell an die Krankenkassen – Dr. Köhler und Dr. Heinrich<br />

vor Journalisten der <strong>Bund</strong>espressekonferenz<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Am Mittag war es endlich soweit. Wo sonst<br />

die <strong>Bund</strong>eskanzlerin und ihr Sprecher den<br />

Medien Rede und Antwort stehen nahmen<br />

nun KBV-Chef Dr. Köhler und Verbändesprecher<br />

Dr. Heinrich Platz. „Die einseitig<br />

von den Kassen durchgedrückte minimale<br />

Anhebung um 0,9 Prozent ist eine Kampfansage<br />

an die Praxisärzte. Daher sprechen<br />

sich 75 Prozent der niedergelassen Ärzte<br />

dafür aus, ihre Praxen aus Protest zu<br />

schließen“, verkündete Dr. Heinrich das<br />

Abstimmungsergebnis vor den zahlreichen<br />

Medienvertretern. An der Abstimmung<br />

hatten sich rund 50 Prozent der angeschriebenen<br />

Ärzte beteiligt. Daran zeige<br />

sich das hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft,<br />

betonte Heinrich und KBV-Chef Dr.<br />

Köhler ergänzte an die Adresse der Krankenkassen:<br />

„Wir haben am Wochenende<br />

entscheidende Verhandlungen. Ich appelliere<br />

an die Kassenseite, ihrer Verantwortung<br />

gerecht zu werden.“ Und auch Dr.<br />

Heinrich wandte sich an die Verhandlungspartner:<br />

„Die Krankenkassen haben den<br />

Schlüssel in der Hand, Praxisschließungen<br />

zu verhindern.“<br />

Doch dazu sollte es nicht kommen. Die<br />

Streikandrohung hatte ihre Wirkung bei<br />

den Kassen offenbar nicht verfehlt. Sie<br />

warteten nicht bis zum geplanten Verhandlungstermin<br />

am Wochenende, sondern<br />

unterbreiteten noch am selben Tag<br />

ein neues Angebot. Einzige Bedingung:<br />

Vertagung der Verhandlungen auf Anfang<br />

Oktober und keine Praxisschließungen bis<br />

dahin. Zähneknirschend stimmte die Ärzteallianz<br />

dem überraschenden Waffenstillstand<br />

zwischen KBV und Kassenverband<br />

zu, kündigte jedoch gleichzeitig weitere<br />

Protestmaßnahmen an: „Die Vorbereitung<br />

der Protestaktionen wird im Hintergrund<br />

fortgesetzt. Die niedergelassenen Ärzte<br />

halten sich weiterhin bereit, notfalls ihre<br />

Praxen zu schließen.“ Im Interview mit<br />

dem Ärztenachrichtendienst änd ergänzte<br />

Dr. Heinrich: „Es ist ein großes Entgegenkommen<br />

von Seiten der Ärzteschaft, dass<br />

wir für die Praxisschließungen ein Moratorium<br />

ausgesprochen haben. Die Kassen<br />

müssen jetzt beweisen, dass sie nicht nur<br />

rumtaktieren.“<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Gefragter Interviewpartner in diesen Tagen – Dr. Heinrich<br />

im Gespräch mit Fernsehjournalisten<br />

Trotz der Verhandlungspause hielt sich das<br />

Thema in den Medien. Die Frage, wie hoch<br />

die Honorare der Ärzte sein dürfen, wurde<br />

mittlerweile von einer breiten Öffentlichkeit<br />

diskutiert. Während viele Veröffentlichungen<br />

lediglich an der Oberfläche des<br />

komplexen Themas kratzten und beharrlich<br />

das Zerrbild der gierigen Weißkittel zeichneten,<br />

machten sich andere Formate mehr<br />

Mühe. Hierzu zählte Frank Plasbergs Talkformat<br />

„Hart aber fair“ in der ARD, bei<br />

dem am 8. Oktober 2012 über die Ärzte<br />

und ihre Forderungen debattiert wurde.<br />

Zwar versprach der Titel der Sendung „Mit<br />

der Praxis kommt der Porsche – neue<br />

Wohlstandsgarantie für unsere Ärzte?"<br />

nichts Gutes. Dank der ausgewogenen<br />

Moderation Plasbergs und der gründlichen<br />

Recherche seiner Redaktion im Vorfeld,<br />

gelang es der Sendung, ein differenziertes<br />

Bild von der Einkommenssituation der<br />

Praxen hierzulande zu zeichnen. Dr. Dirk<br />

Heinrich, der für die Ärzteseite an Plasbergs<br />

Tresen stand, argumentierte munter<br />

gegen die mehrheitlich ärztekritische Stimmung<br />

am Tisch und hob sich in weiten<br />

Teilen erfrischend von den oft pauschal<br />

argumentierten Mitdiskutanten ab. Am<br />

Ende war Heinrich der Gewinner des<br />

Abends und die Ärzteschaft um einen<br />

Punktsieg reicher.<br />

Ungeachtet der Verhandlungen zwischen<br />

GKV-Spitzenverband und KBV liefen währenddessen<br />

die Vorbereitungen für eine<br />

besondere Form des Ärzteprotests im Hintergrund<br />

auf Hochtouren: Die Allianz<br />

deutscher Ärzteverbände kündigte für den<br />

66 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

10. Oktober einen bundesweiten Aktionstag<br />

„Praxis ohne Helferinnen“ an. Dabei<br />

sollte gezeigt werden, dass ein Arzt allein<br />

noch keine Praxis ausmacht, sondern von<br />

seinem Verdienst auch die Praxismitarbeiterinnen<br />

bezahlt werden müssen. In vielen<br />

deutschen Großstädten, so der Plan,<br />

sollten dafür Arztpraxen mit reduziertem<br />

Personal arbeiten oder ganz geschlossen<br />

bleiben. Gleichzeitig kündigte die Ärzteallianz<br />

gemeinsame Protestkundgebungen<br />

von Ärzten und Praxispersonal vor den<br />

Geschäftsstellen der Gesetzlichen Krankenkassen<br />

an.<br />

Protestierende Mitarbeiterinnen in Berlin – „Eine Praxis<br />

macht nicht der Arzt allein“<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Ärzte und Mitarbeiterinnen beim Protest vor Kassenzentrale – 560.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel<br />

Und wieder kam es kurz vor der Aktion zu<br />

einer unerwarteten Wendung. Am späten<br />

Vorabend des Aktionstags verkündeten die<br />

Verhandlungspartner überraschend ein<br />

Ergebnis im Honorarstreit. KBV und GKV-<br />

Spitzenverband hatten sich im Erweiterten<br />

Bewertungsausschuss auf ein Eckpunktepapier<br />

geeinigt, das bis zu vier Prozent<br />

mehr Honorar für die Ärzte vorsah. Zudem<br />

sollten fortan alle psychotherapeutischen<br />

Leistungen aus dem Honorarbudget der<br />

Vertragsärzte ausgegliedert werden. Darüber<br />

hinaus vereinbarten die Verhandlungspartner<br />

eine finanzielle Stärkung der<br />

Grundversorgung bei Haus- und Fachärzten.<br />

Dennoch: nicht zuletzt, weil die für<br />

den nächsten Morgen geplanten Maßnahmen<br />

so kurzfristig nicht mehr zu stoppen<br />

waren und nach einer weiteren von vielen<br />

Telefonkonferenzen der Verbandsvertreter<br />

in den letzten Wochen, die bis kurz vor<br />

Mitternacht dauerten, erklärte Dr. Heinrich,<br />

dass der Tag ohne Helferinnen trotzdem<br />

stattfinden solle. „Diese Einigung darf<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, dass das<br />

grundsätzliche Problem von fehlenden<br />

festen Preisen und unbezahlten Leistungen<br />

der Ärzte und Psychotherapeuten damit<br />

nicht gelöst ist“, begründete der Allianzsprecher<br />

sein Festhalten an den geplanten<br />

Protestmaßnahmen.<br />

So blieben am 10. Oktober trotz der Einigung<br />

im gesamten <strong>Bund</strong>esgebiet Zehntausende<br />

Praxen geschlossen und Tausende<br />

Ärzte und Praxismitarbeiter demonstrierten<br />

vor den Krankenkassen gegen die Honorarpolitik<br />

und die Diffamierungskampagnen<br />

der vergangenen Monate. „Heute haben<br />

wir einen eindrucksvollen Schulterschluss<br />

von Ärzten und Praxispersonal erlebt. Das<br />

sollte ein deutliches Signal an die Krankenkassen<br />

sein, dass Arzthonorare Praxishonorare<br />

sind und im Wesentlichen dazu dienen,<br />

den Betrieb der niedergelassenen<br />

Arztpraxen aufrecht zu erhalten“, erklärte<br />

Dr. Dirk Heinrich. Trotz der unerwarteten<br />

Einigung der Verhandlungspartner am<br />

Abend zuvor, war der Aktionstag vor allem<br />

in den Medien ein Erfolg. Wenn auch mit<br />

Kritik am Protest trotz Einigung wurde<br />

breit von geschlossenen Praxen und den<br />

Demonstrationen vor den Kassenzentralen<br />

berichtet. Auf selbstgemalten Transparenten<br />

forderten die Helferinnen in Zeiten<br />

voller Beitragskassen eine angemessene<br />

Vergütung für die Praxen. Dank der Pressefotografen<br />

vor Ort hatte der Honorarprotest<br />

damit letztendlich auch seine Bilder<br />

bekommen.<br />

Zwar zeigten sich am Ende einige Ärztevertreter<br />

enttäuscht vom hart erstrittenen<br />

Honorarkompromiss. Ohne die Einigkeit<br />

der Ärzteschaft und ihrem entschlossenen<br />

Auftreten in der Öffentlichkeit wäre jedoch<br />

weit weniger zu erreichen gewesen. Allein<br />

die Vorstellung von massenhaft geschlossenen<br />

Arztpraxen und streikenden Praxisteams<br />

in den Großstädten der Republik<br />

hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Der<br />

Honorarprotest der Ärzteschaft, angeführt<br />

vom <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, war damit letzten<br />

Endes von Erfolg gekrönt.<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 67


Rechtsberatung<br />

Rechtsberatung im Jahr 2013, das sind<br />

circa 3.500 Telefonanrufe von ratsuchenden<br />

Ärzten und Ärztinnen, etwa 740<br />

schriftliche Anfragen von Mitgliedern des<br />

<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es. Um sich besser<br />

vorstellen zu können, was hinter diesen<br />

Zahlen steht, hier einige Beispiele der<br />

Rechtsberatung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es:<br />

Frau Dr. P. aus Elsterwerda hat folgendes<br />

Problem:<br />

„Ich habe gehört die Kündigung eines<br />

Arbeitsverhältnisses muss immer schriftlich<br />

erfolgen. Eine Mitarbeiterin hat bei mir nur<br />

mündlich gekündigt und ist auch zwei<br />

Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen.<br />

Ich habe ihr dann selbst fristlos gekündigt<br />

und sie hat jetzt gegen meine Kündigung<br />

Kündigungsschutzklage erhoben.<br />

Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ich kann Sie beruhigen, das hat sie nicht,<br />

so hat auch das Landesarbeitsgericht<br />

Rheinland Pfalz am 08.02.2012 (Az.: 8 Sa<br />

318/11) entschieden. Wer sich als Arbeitnehmer<br />

bei einer fristlosen Kündigung des<br />

Arbeitgebers auf das Fehlen eines wichtigen<br />

Grundes beruft, obwohl er selbst<br />

vorher gekündigt hat, der handelt widersprüchlich.<br />

Er verstößt dadurch gegen den<br />

Grundsatz von Treu und Glauben gemäß<br />

§ 242 BGB. Dies gilt auch dann, wenn der<br />

Arbeitnehmer seine eigene Kündigung nur<br />

mündlich ausgesprochen hat in Form der<br />

sogenannten Eigenkündigung. Hier ist der<br />

Arbeitnehmer nicht befugt, sich auf die für<br />

die Kündigung nach § 623 BGB vorgeschriebene<br />

Schriftform zu berufen. Denn<br />

dann setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten<br />

in Widerspruch.“<br />

Herr Dr. K. aus Wismar fragt Folgendes:<br />

„Einige meiner Methadon-Patienten möchten,<br />

dass ich ihnen Methadon zur eignen<br />

Verfügung für mehrere Tag mit nach Hause<br />

gebe. Darf ich das?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Nein, dass dürfen sie nicht. Sie riskieren<br />

sogar Ihre Approbation zu verlieren. So hat<br />

zumindest das Verwaltungsgericht Köln am<br />

24.04.2012 (Az.: 7 K 7253/10) entschieden<br />

und das Ruhen der Approbation eines<br />

Arztes‚ wegen nicht ordnungsgemäßer<br />

Behandlung von Methadon-Patienten<br />

bestätigt. Denn gemäß § 6 Abs.1 Nr. 1<br />

BÄO kann das Ruhen der Approbation<br />

angeordnet werden, wenn gegen den Arzt<br />

wegen Verdachts einer Straftat, aus der<br />

sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des<br />

ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren<br />

eingeleitet ist. Dies war im entschiedenen<br />

Fall gegeben gewesen. Also<br />

bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen<br />

bei der Take-Home-Vergabe von<br />

Methadon in vollem Umfang.“<br />

Herr Dr. P. aus Duisburg hat folgendes<br />

Problem:<br />

„Ich möchte eine gebrauchte Software-<br />

Lizenz an einen Kollegen verkaufen, da ich<br />

meinen Praxissitz in eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft<br />

verlege und dort<br />

eine andere Software verwendet wird. Ist<br />

das zulässig?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ja, das dürfen Sie, so hat auch der Europäische<br />

Gerichtshof am 03.07.2012 (Az.:<br />

C - 128/11) entschieden. Nach Ansicht der<br />

Richter dürfen gebrauchte Software-<br />

Lizenzen weiterverkauft werden, auch<br />

wenn die Software im Internet erworben<br />

wurde. Mit dem Verkauf der Software seien<br />

die Rechte des Herstellers an der betreffenden<br />

Kopie erschöpft. Allerdings darf der<br />

Erstkäufer die Software nach dem Weiterverkauf<br />

anschließend nicht mehr selbst<br />

benutzen. Unzulässig ist es auch, wenn der<br />

Kunde die Software für den Weiterverkauf<br />

aufspaltet und teilweise weiterverkauft. Der<br />

Erwerber der gebrauchten Lizenz hat auch<br />

das Recht auf die aktuelle Version der<br />

entsprechenden Software, etwa wenn ein<br />

Programm zuvor über das Internet aktualisiert<br />

wurde.“<br />

Herr Dr. H. aus Lippstadt stellt folgende<br />

Frage:<br />

„Ich bin in einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft<br />

tätig. Die Kassenärztliche<br />

Vereinigung stellt jetzt Honorarrückforderungen<br />

aufgrund einer zeitbezogenen<br />

Plausibilitätsprüfung in Höhe von rund<br />

1 Mio. Euro. Wir haben bisher keine<br />

Akteneinsicht erhalten, obgleich wir sie<br />

beantragt haben. Ist ein Antrag auf Anordnung<br />

der aufschiebenden Wirkung unseres<br />

Widerspruches gegen den Rückforderungsbescheid<br />

erfolgsversprechend? “<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ich fürchte nein, denn das Sozialgericht<br />

Marburg hat durch Beschluss vom<br />

25.05.2012 (Az.: S 12 KA 217/12 ER) festgestellt,<br />

dass bei einer Honorarberichtigung<br />

aufgrund zeitbezogener Plausibilitätsprüfung<br />

Tages- und Quartalsprofilzeiten<br />

ein geeignetes Beweismittel zum<br />

Nachweis fehlerhafter Abrechnung darstellen.<br />

Auch die hohe Rückforderungssumme<br />

– von hier 1,5 Mio. Euro – begründet an<br />

sich noch keinen Anordnungsgrund. Ebenso<br />

wenig könne auf die fehlerhafte Anhörung<br />

die Anordnung nicht gestützt werden,<br />

da die verfahrensrechtliche Möglichkeit<br />

der Heilung bestehe.“<br />

Herr Dr. J. aus Hannover stellt folgende<br />

Frage:<br />

„Eine meiner Mitarbeiterin ist schwanger.<br />

Bei dem Einstellungsgespräch für deren<br />

Vertretung fragte ich die neue Mitarbeiterin,<br />

ob sie vielleicht auch schwanger sei.<br />

Dies verneinte diese, hat mir aber jetzt<br />

nach zwei Wochen Beschäftigung mitgeteilt,<br />

dass sie auch schwanger sei. Kann ich<br />

den Arbeitsvertrag jetzt wegen arglistiger<br />

Täuschung anfechten?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Leider nein, so hat es in einem vergleichbaren<br />

Fall das Landesarbeitsgericht Köln<br />

am 11.10.2012 (6 Sa 641/12) entschieden.<br />

Danach braucht auch eine Frau, die befristet<br />

zur Vertretung einer schwangeren<br />

68 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


<strong>Jahresbericht</strong><br />

Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

2013<br />

Mitarbeiterin eingestellt wird, dem Arbeitgeber<br />

vor Abschluss des Arbeitsvertrages<br />

nicht ihre eigene Schwangerschaft offenbaren.<br />

Dies gilt sogar dann, wenn nur ein<br />

befristeter Arbeitsvertrag begründet werden<br />

soll und die Bewerberin während eines<br />

wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht<br />

arbeiten kann. Offen ließen die Richter<br />

aber, ob in Fällen eines dauerhaften Beschäftigungsverbotes<br />

eine Ausnahme zu<br />

machen wäre.“<br />

Herr Dr. M. aus Mainz hat folgendes<br />

Problem:<br />

„In dem Gebäudekomplex, in dem meine<br />

Praxis liegt, hat mein Vermieter Praxisräumlichkeiten<br />

an einen Fachkollegen<br />

vermietet. In meinem Mietvertrag findet<br />

sich eine Konkurrenzschutzklausel, die dies<br />

untersagt. Was kann ich jetzt tun?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Sie können die Miete mindern, sofern dies<br />

nicht im Mietvertrag ausgeschlossen wurde.<br />

Denn nach dem Urteil des <strong>Bund</strong>esgerichtshofs<br />

(BGH) vom 10.10.2012 (Az.: XII<br />

ZR 117/10) stellt die Verletzung der in<br />

einem Gewerbemietvertrag vereinbarten<br />

Konkurrenzschutzklausel durch den Vermieter<br />

einen Mangel der Mietsache dar, der<br />

zur Mietminderung führen kann. Mit dieser<br />

Entscheidung folgt der BGH der überwiegend<br />

vertretenen Meinung und gewährt<br />

dem Mieter ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung<br />

seines Rechtes gegenüber dem<br />

vertragsbrüchigen Vermieter.“<br />

Herr Dr. K. aus Detmold stellt folgende<br />

Frage:<br />

„Ich bin Mitglied einer fachübergreifenden<br />

Gemeinschaftspraxis. Ich hafte doch nicht<br />

für Fehler eines fachfremden Kollegen,<br />

wenn ich den Patienten gar nicht selbst<br />

behandelt habe?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Leider doch, so hat es der <strong>Bund</strong>esgerichtshof<br />

am 10.05.2012 (Az.: IX ZR<br />

125/10) in einem Fall entschieden, in dem<br />

© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des <strong>NAV</strong>-<br />

<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

in einer Sozietät neben Rechtsanwälten<br />

auch Steuerberater tätig waren. Diese<br />

Entscheidung ist aber auch für fachübergreifende<br />

Gemeinschaftspraxen von Bedeutung.<br />

Kommt ein Behandlungsvertrag mit<br />

der Gemeinschaftspraxis zustande und wird<br />

mit dem Patienten keine Beschränkung der<br />

persönlichen Haftung auf einzelne Mitglieder<br />

der Gemeinschaftspraxis wirksam vereinbart,<br />

haftet im Zweifel jedes Mitglied<br />

der Kooperation persönlich auch für Ansprüche<br />

der Patienten aus ‚fachfremden‘<br />

Behandlungsfehlern.“<br />

Herr Dr. M. aus Freiburg hat folgendes<br />

Problem:<br />

„Im gleichen Stockwerk in der sich meine<br />

Praxis befindet, habe ich Räume an ein<br />

Ehepaar als Wohnung vermietet. Da ich<br />

einen Partner in die Praxis aufnehmen<br />

möchte, werden die jetzigen Praxisräume zu<br />

klein. Kann ich dem Ehepaar auch wegen<br />

beruflichen Eigenbedarfs kündigen?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ja, das können Sie. So hat auch der <strong>Bund</strong>esgerichtshof<br />

am 19.09.2012 (Az.: V ZB<br />

86/12) entschieden. Nach Ansicht der<br />

Richter ist die Kündigung von Wohnraum<br />

nicht nur wegen Eigenbedarf zu Wohnzwecken,<br />

sondern auch bei einem beruflichen<br />

Bedarf an den Räumen möglich.<br />

Nach Ansicht der Richter bestehe in einem<br />

solchen Fall ein berechtigtes Interesse,<br />

sogar wenn die Räumlichkeiten für die<br />

berufliche Tätigkeit eines Familienmitgliedes<br />

benötigt werden. Im Hinblick auf<br />

die verfassungsrechtliche geschützte Berufsfreiheit<br />

ist der Bedarf im Rahmen der<br />

Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB nicht<br />

geringer zu werten als Wohnbedarf, was<br />

umso mehr gilt, als sich die selbstgenutzte<br />

und die nunmehr begehrte Wohnung im<br />

entschiedenen Fall im selben Haus befindet,<br />

wie auch bei Ihnen.“<br />

Herr Dr. C aus Bensheim fragt Folgendes:<br />

„Eine Patientin möchte wieder zum Checkup<br />

35 kommen. Ab welchem Zeitpunkt<br />

kann ich die Untersuchung bei der KV<br />

abrechnen?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„In welchen Abstand bestimmte Untersuchungsleistungen<br />

abgerechnet werden<br />

dürfen, ist für viele Ärzte unklar. Die den<br />

einzelnen Untersuchungsleistungen zugeordneten<br />

Abrechnungsintervalle werden<br />

häufig missverstanden. So steht beim<br />

Check-up 35 für Männer und Frauen ‚alle<br />

zwei Jahre‘. Doch bei zwei Jahren sind hier<br />

keinesfalls 24 Monate gemeint. Diese<br />

Leistung kann vielmehr schon im, zweiten<br />

auf die Untersuchung folgenden Jahr<br />

stattfinden. War z. B. eine Patientin im<br />

Sommer 2011 beim ‚Check-up 35‘, können<br />

Sie den weiteren ‚Check-up 35‘ ab Januar<br />

2013 abrechnen.“<br />

Herr Dr. K. aus Mettmann hat folgendes<br />

Problem:<br />

„Ich soll einer privaten Krankenversicherung<br />

Auskunft über einen Patienten geben.<br />

Eine aktuelle Schweigepflichtentbindung<br />

wurde mir nicht vorgelegt, kann ich die<br />

Auskunft verweigern?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ja, das können Sie, auch wenn der Patient<br />

bei Abschluss der Versicherung eine generelle<br />

Einwilligung zur Erhebung von Daten<br />

unterschrieben hat. Denn der Patient kann<br />

nach § 213 Abs. 3 VVG jederzeit verlangen,<br />

dass eine Erhebung von Daten nur erfolgen<br />

kann, wenn durch ihn jeweils in die einzelne<br />

Erhebung eingewilligt worden ist. Da in der<br />

Praxis der Arzt jedoch nicht nachvollziehen<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 69


kann, ob eine Einwilligung im Einzelfall<br />

vorliegt oder er der Erhebung widersprochen<br />

hat, kann ich nur anraten, auf die<br />

Vorlage einer aktuellen Schweigepflichtentbindungserklärung<br />

zu bestehen. Dies ist zur<br />

rechtlichen Absicherung des Arztes nach<br />

meiner Ansicht unerlässlich.“<br />

Herr Dr. I. aus Saarbrücken stellt folgende<br />

Frage:<br />

„Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass es<br />

mir bei einem Rechtsstreit negativ zu Last<br />

gelegt werden kann, wenn ich die aktuelle<br />

Fachliteratur nicht kenne. Ist dies richtig?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Leider ja, wenn man der Ansicht des<br />

Oberlandesgerichts Koblenz vom<br />

20.06.2012 (Az.: 5 U 1450/11) folgt. In<br />

dem konkreten Fall hatte eine Patientin vor<br />

einer OP darauf hingewiesen, dass sie<br />

überempfindlich auf die üblichen Narkosemittel<br />

reagiere. Nach der OP litt sie mehrere<br />

Tage an starker Übelkeit und verklagte<br />

u. a. aus diesem Grund den Anästhesisten.<br />

Das Gericht verurteilte diesen zur Zahlung<br />

von Schmerzensgeld, da er aus einem 2004<br />

erschienenen Fachartikel hätte wissen<br />

müssen, dass die Nebenwirkungen durch<br />

ein weiteres Medikament abgeschwächt<br />

werden können. Der Arzt muss sich also<br />

regelmäßig weiterbilden und neue Fachliteratur<br />

berücksichtigen. Versäumt er dies<br />

und kommt es zu einem Behandlungsfehler<br />

kann er zur Zahlung von Schmerzensgeld<br />

verurteilt werden.“<br />

Herr Dr. T. aus Baseweiler hat folgendes<br />

Problem:<br />

„Ich möchte einer Mitarbeiterin kündigen,<br />

habe aber die Befürchtung, dass sie<br />

schwerbehindert ist und dass ich für die<br />

Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes<br />

benötige. Darf ich sie nach der<br />

Schwerbehinderung fragen?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Nach der Ansicht des <strong>Bund</strong>esarbeitsgerichts<br />

dürfen Sie das. Die Richter vertraten<br />

am 16.02.2012 (6 AZR 553/10) die Ansicht,<br />

dass die Frage nach der Schwerbehinderung<br />

bzw. einem diesbezüglich gestellten<br />

Antrag in einem bestehenden<br />

Arbeitsverhältnis, jedenfalls nach sechs<br />

Monaten, d. h. gegebenen falls nach Erwerb<br />

des Behindertenschutzes gem. §§ 85<br />

ff. SGB IX, zulässig ist. Dies gelte insbesondere<br />

zur Vorbereitung einer beabsichtigten<br />

Kündigung.<br />

Die Frage nach einer Schwerbehinderung<br />

oder Gleichstellung im Bewerbungsverfahren,<br />

also vor Beginn des Arbeitsverhältnisses<br />

ist dagegen unzulässig. Eine Anfechtung<br />

des Arbeitsvertrages scheidet<br />

daher aus, auch wenn die Bewerberin die<br />

Frage unwahr beantwortet hat.“<br />

Frau Dr. K. aus Gießen fragt Folgendes:<br />

„Ich möchte nach der Geburt meines Kindes<br />

entsprechend der Regelung des § 32<br />

Abs. 2 Ärzte-Zulassungsordnung einen<br />

Assistenten zur Entlastung einstellen.<br />

Bezieht sich die zeitliche Beschränkung<br />

von 36 Monaten auf das Lebensalter<br />

meines Kindes? Dann könnte ich nur einen<br />

Assistenten bis zur Vollendung des<br />

3. Lebensjahres einstellen. Oder ist die<br />

Dauer der Vertretung ausschlaggebend?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Das Landessozialgericht hat am<br />

27.02.2013 (L 11 KA 8/13 B ER) in einem<br />

Eilverfahren entschieden, dass es auf die<br />

Dauer der Vertretung und nicht auf das<br />

Lebensalter des Kindes ankommt. Mit<br />

diesem Beschluss wird die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf deutlich gestärkt.<br />

Nach den gesetzlichen Vorgaben muss der<br />

Zeitraum von 36 Monaten nicht zusammenhängend<br />

genommen werden. Daraus<br />

schlossen die Richter mit subtilem Humor,<br />

dass auf die Dauer der Vertretung abzustellen<br />

sei, da „nicht zusammenhängend<br />

genommenes Lebensalter schwerlich vorstellbar<br />

sei“. Das bedeutet, dass sie bis zum<br />

14. Geburtstag Ihres Kindes einen Entlastungsassistenten<br />

für einen Gesamtzeitraum<br />

von 36 Monaten genehmigt bekommen<br />

müssen.<br />

Herr Dr. T. aus München stellt folgende<br />

Frage:<br />

„Ich habe gehört, dass gegen einen Gynäkologen<br />

ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet wurde, da er unbefugt<br />

Bilder von Patientinnen während der<br />

Untersuchung gemacht haben soll. Kann<br />

jetzt schon das Ruhen der Approbation<br />

angeordnet werden oder ihm die Zulassung<br />

entzogen werden?“<br />

Andrea Schannath:<br />

„Ja, durchaus, so hat das Verwaltungsgericht<br />

Arnsberg am 06.12.2012 (Az.: 7 L<br />

790/129) in einem vergleichbaren Fall den<br />

Sofortvollzug der Anordnung des Ruhens<br />

der Approbation bestätigt, welche die<br />

Bezirksregierung gegen einen Gynäkologen<br />

aufgrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens<br />

ausgesprochen hatte. Ohne<br />

eine Entscheidung in der Sache zu treffen,<br />

befanden die Richter den Sofortvollzug für<br />

rechtmäßig. Die Interessenabwägung falle<br />

zu Lasten des Arztes aus. Denn die heimlich<br />

gemachten Fotos während der Untersuchung<br />

wertete das Gericht als massiven<br />

Vertrauensbruch unter Ausnützung des<br />

Behandlungsverhältnisses. Nach dem Ermittlungsstand<br />

spreche alles dafür, dass<br />

der Arzt ohne Wissen und Einverständnis<br />

Aufnahmen seiner Patienten gemacht<br />

habe. Gemäß § 6 Abs. 1 der <strong>Bund</strong>esärzteordnung<br />

kann das Ruhen angeordnet<br />

werden, wenn gegen einen Arzt wegen des<br />

Verdachts einer Straftat, aus der sich die<br />

Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur<br />

Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben<br />

kann, ein Strafverfahren eingeleitet wurde.<br />

Eine Klageerhebung sei hierfür nicht erforderlich.<br />

Der Sofortvollzug war daher verhältnismäßig.“<br />

70 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


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Ihre personenbezogenen Daten in unserer EDV gespeichert und<br />

verarbeitet werden, soweit dies geschäftsnotwendig und im Rahmen<br />

des BDSG zulässig ist.<br />

72<br />

www.nav-virchowbund.de


Der<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

<strong>Jahresbericht</strong><br />

2013<br />

Mitglieder haben Anspruch auf günstige<br />

Arzt-Versicherungen, zum Beispiel:<br />

• Regressversicherung<br />

• Haftpflichtversicherung<br />

• Praxisausfallversicherung<br />

Mitglieder erhalten eine Analyse und<br />

Beratung zur wirtschaftlichen Situation<br />

der Praxis zu vergünstigten Konditionen:<br />

• Kostenanalyse<br />

• Betriebswirtschaftliche Beratung<br />

• Praxis-Controlling<br />

• Praxisvergleich<br />

Aus unserem Service-Angebot<br />

Verlässt ein Mitarbeiter die Arztpraxis, hat<br />

er Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Dabei<br />

kommt es auf präzise Formulierungen an.<br />

Das Merkblatt „Arbeitszeugnis“ gibt dem<br />

Arzt als Arbeitgeber einen detaillierten<br />

Wegweiser zur Formulierung einer<br />

Mitarbeiter-Einschätzung an die Hand.<br />

Die Broschüre „Wirtschaftlichkeit<br />

in der ärztlichen Praxis“ ist<br />

ein praktisches Hilfsmittel zur<br />

Bewältigung der wirtschaftlichen<br />

Sorgfaltspflicht. Auf über 60<br />

Seiten finden sich Informationen<br />

zu Ablauf und Besonderheiten<br />

der Prüfverfahren.<br />

Obwohl die eigene Praxis mit vielen Vorteilen<br />

gegenüber der Beschäftigung im<br />

stationären Bereich auftrumpfen kann,<br />

ist sie nicht für jedermann geeignet.<br />

Das neue Merkblatt des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />

<strong>Bund</strong>es „Ist die Niederlassung für mich<br />

das Richtige?“ gibt jungen Medizinern<br />

einen detaillierten Leitfaden an die<br />

Hand, was bei der Gründung einer<br />

Arztpraxis zu beachten ist.<br />

Durchstöbern Sie das komplette Serviceangebot des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es bequem von Ihrem Computer aus.<br />

Unter www.nav-virchowbund.de/Bestell-Center stehen über 80 Merkblätter, Vertragsmuster und Broschüren<br />

zu allen wichtigen Praxisthemen zum Download oder zur Bestellung bereit.<br />

Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 73


Die Landesgruppen<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

Hamburg<br />

Dr. Dirk Heinrich<br />

Rennbahnstraße 32 c<br />

22111 Hamburg<br />

Fon: 0 40 / 6 51 78 70<br />

Fax: 0 40 / 65 90 15 51<br />

heinrich@nav-virchowbund.de<br />

Schleswig-Holstein<br />

Matthias Seusing<br />

Rüsterstraße 33<br />

24146 Kiel<br />

Fon: 04 31 / 78 96 90<br />

Fax: 04 31 / 7 85 8216<br />

seusing.matthias@kielnet.net<br />

Niedersachsen/Bremen<br />

Udo Birkenfeld<br />

Über dem Dorfe 11<br />

30989 Gehrden<br />

Fon: 05137/4021<br />

Fax: 05137/939704<br />

birkenfeld-gehrden@t-online.de<br />

Westfalen-Lippe<br />

Gert Buchner<br />

Adenauerstraße 16<br />

59759 Arnsberg<br />

Fon: 02932/31250<br />

Fax: 02932/54987<br />

gert.buchner@gmx.de<br />

Nordrhein<br />

Dr. Helmut Gudat<br />

Auf dem Damm 102-104<br />

47137 Duisburg<br />

Fon: 02 03 / 43 11 40<br />

Fax: 02 03 / 43 38 09<br />

E-Mail:<br />

helmut.gudat@web.de<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Dr. Detlev Steimers<br />

Porta-Nigra-Platz 2<br />

54292 Trier<br />

Fon: 06 51 / 2 53 44<br />

Fax: 06 51 / 9 91 09 36<br />

drsteimershno@aol.com<br />

Sachsen<br />

Dr. Sibylle Berndt<br />

Bünaustraße 11<br />

01159 Dresden<br />

Fon: 03 51 / 4 2153 23<br />

Fax: 03 51 / 4 2755 94<br />

berndt.sibylle@gmx.de<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

N.N.<br />

Berlin/Brandenburg<br />

Prof. Dr. Harald Mau<br />

c/o <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

Chausseestraße 119b<br />

10115 Berlin<br />

Fon: 0 30 / 28 87 74-0<br />

Fax: 0 30 / 28 87 74-15<br />

haraldmau@gmx.de<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Dr. Kerstin Jäger<br />

Große Steinstraße 12<br />

06108 Halle<br />

Fon: 03 45 / 2 08 05 73<br />

Fax: 03 45 / 2 08 05 74<br />

E-Mail:<br />

dr.kerstinjaeger@yahoo.de<br />

Thüringen<br />

Dr. Kerstin Jäger<br />

Große Steinstraße 12<br />

06108 Halle<br />

Fon: 03 45 / 2 08 05 73<br />

Fax: 03 45 / 2 08 05 74<br />

E-Mail:<br />

dr.kerstinjaeger@yahoo.de<br />

Saarland<br />

Dr. Nikolaus Rauber<br />

Rheinstraße 35<br />

66113 Saarbrücken<br />

Fon: 06 81 / 9 71 72 33<br />

Fax: 06 81 / 9 71 72 35<br />

E-Mail:<br />

nav-virchowbund.saarland@t-online.de<br />

Bayern<br />

Dr. Veit Wambach<br />

Flataustraße 25<br />

90411 Nürnberg<br />

Fon: 09 11 / 51 29 28<br />

Fax: 09 11 / 51 10 25<br />

info@drwambach.de<br />

74<br />

74<br />

Hessen<br />

Dr. Hans-Martin Hübner<br />

Kirchenplatz 8<br />

35390 Gießen<br />

Fon: 06 41 / 7 40 83<br />

Fax: 06 41 / 9 71 60 58<br />

E-Mail: dr.hans-martin.<br />

huebner@t-online.de<br />

Baden-Württemberg<br />

Dr. Olaf Boettcher<br />

Schachenbühlstraße 23<br />

79737 Herrischried<br />

Fon: 0 77 64/ 2 32<br />

Fax: 0 77 64/ 61 37<br />

E-Mail: olaf@boettcheronline.de


<strong>Bund</strong>esvorstand<br />

gemäß Wahl vom 13.11.2010<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

Dr. med. Dirk Heinrich<br />

Facharzt für HNO<br />

Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

Rennbahnstraße 32 c<br />

22111 Hamburg<br />

Fon: 0 40/6 51 78 70<br />

Fax: 0 40/65 90 15 51<br />

E-Mail: heinrich@nav-virchowbund.de<br />

Stellv. <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

Stephan Kraft<br />

Oberarzt Kinderchirurgie<br />

c/o Klinikum d. Borromäerinnen<br />

Feldstraße 16<br />

54290 Trier<br />

Fon: 06 51/94 78 27 99<br />

Fax: 06 51/9 47 28 30<br />

E-Mail: kraft@nav-virchowbund.de<br />

Stellv. <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />

Dr. med. Veit Wambach<br />

Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

Flataustraße 25<br />

90411 Nürnberg<br />

Fon: 09 11/51 29 28<br />

Fax: 09 11/51 10 25<br />

E-Mail: info@drwambach.de<br />

Dr. med. Olaf Boettcher<br />

Facharzt für Allgemeinmedizin<br />

Schachenbühlstraße 23<br />

79737 Herrischried<br />

Fon: 0 77 64/2 32<br />

Fax: 0 77 64/61 37<br />

E-Mail: boettcher@nav-virchowbund.de<br />

Beisitzer<br />

Dr. med. Dr. vet. Rainer Broicher<br />

Facharzt für HNO<br />

Genovevastraße 16-18<br />

51065 Köln<br />

Fon: 02 21/61 12 22<br />

Fax: 02 21/2 97 38 09<br />

E-Mail: dr.broicher@koeln.de<br />

Dr. med. Kerstin Jäger<br />

Fachärztin für Gynäkologie<br />

Gr. Steinstraße 12<br />

06108 Halle<br />

Fon: 03 45/2 08 05 73<br />

Fax: 03 45/2 08 05 74<br />

E-Mail: jaeger@nav-virchowbund.de<br />

Dr. med. Nikolaus Rauber<br />

(ab 12.11.2011)<br />

Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische<br />

Medizin und Schlafmedizin<br />

Rheinstraße 35<br />

66113 Saarbrücken<br />

Fon: 0681/9488687<br />

Fax: 0681/9717235<br />

nav-virchowbund.saarland@t-online.de<br />

Fritz Stagge<br />

Facharzt für Gefäßchirurgie<br />

Dorotheenstraße 3<br />

45130 Essen<br />

Fon: 02 01/7 22 87 45<br />

E-Mail: stagge@nav-virchowbund.de<br />

75


<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />

des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

(genannt sind die wichtigsten Aufgaben)<br />

<strong>Bund</strong>esvorstand<br />

Berufs-, gesundheits- und sozialpolitische<br />

Führung des Verbandes, Vertretung und<br />

Durchsetzung der formulierten Ziele<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Vorbereitung und Formulierung der<br />

Meinungsbildung des Verbandes, Vertretung<br />

in Anhörungen und Sitzun gen anderer<br />

Orga ni sa tionen, Herstellung und Pflege von<br />

Kontakten, Innerverbandliche Organisation<br />

und Verwaltung, Personal- und Rechnungswesen,<br />

Koordination innerhalb der <strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />

Klaus Greppmeir<br />

Geschäftsführer<br />

in der <strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle Berlin<br />

sowie im Bereich weiterer<br />

definierter berufspolitischer<br />

Aufgabenfelder<br />

Dr. Klaus Gebuhr (bis Oktober 2013)<br />

Verwaltung<br />

Rechtsabteilung<br />

Mitglieder-Service<br />

Pressestelle<br />

Büro- und Veranstaltungsorganisation,<br />

Mitgliederabteilung,<br />

Immobilien- und<br />

Vermögensverwaltung,<br />

Finanz- und Personalbuchhaltung,<br />

Zentrale Dienste<br />

Juristische Beratung der<br />

Verbands mitglieder und der<br />

Verbandsführung, Honorarkürzungen,<br />

Regresse inkl.<br />

Regressversicherung,<br />

Vertragsfragen<br />

Telefonische und schriftliche<br />

Beratung<br />

praxisrelevanter Probleme<br />

Fon (030) 288774-0<br />

Fax (030) 288774-115<br />

E-Mail:<br />

info@nav-virchowbund.de<br />

(Öffentlichkeitsarbeit)<br />

Kontaktherstellung und<br />

-pflege zu Presse, Funk und<br />

Fernsehen, Pressemitteilungen,<br />

Pressekonferenzen,<br />

Redaktion der Zeitschrift<br />

„der niedergelassene arzt“,<br />

Auslandsarbeit<br />

Klaus Greppmeir,<br />

Holger Zacharias<br />

RA Andrea Schannath<br />

Kerstin Welz<br />

Klaus Greppmeir<br />

Julia Bathelt<br />

Thomas Hahn<br />

Stand: September 2013<br />

76


<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />

<br />

(Organisatorischer Aufbau)<br />

Bezirksgruppen<br />

Landesgruppen<br />

Baden-<br />

Württemberg<br />

Bayern Berlin/Brandenburg Hamburg Hessen<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Niedersachsen/<br />

Bremen<br />

Nordrhein Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt<br />

Schleswig-<br />

Holstein<br />

Thüringen<br />

Westfalen-<br />

Lippe<br />

Ressorts<br />

Versorgungsstrukturen,<br />

Integrierte Versorgung, Netze<br />

Europa/Ausland/Zukunft/Umwelt<br />

<strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />

Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung setzt<br />

sich zusammen aus den Delegierten<br />

der Landesgruppen<br />

Fortbildung und Weiterbildung<br />

Prüfwesen und Qualitätssicherung<br />

Telematik und Datenschutz<br />

Prävention und Rehabilitation,<br />

Sucht und Drogen, Pflege<br />

Arzneimittelversorgung,<br />

Heil- und Hilfsmittel<br />

<strong>Bund</strong>esvorstand<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzender, bis zu zwei Stellvertretende<br />

<strong>Bund</strong>esvorsitzende und<br />

mindestens vier Beisitzer<br />

Gesamtvorstand<br />

Setzt sich zusammen aus <strong>Bund</strong>es -<br />

vorstand, Vorsitzenden und einem Stellver<br />

tretenden Vorsitzenden der Landesgruppen<br />

Berufsordnung<br />

Honorar- und Abrechnungsfragen<br />

<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Geschäftsführer<br />

Referate<br />

77


Das Internet wird als Informationsquelle<br />

immer beliebter und läuft den etablierten<br />

Medien den Rang ab. Das merken nicht<br />

nur die Zeitungsverlage, die sich nach und<br />

nach in Richtung Internet bewegen und<br />

ihre Inhalte hinter so genannte Bezahlschranken<br />

stellen und für die Leser entgeltpflichtig<br />

machen. Auch im gesundheitspolitischen<br />

Bereich passiert mittlerweile<br />

viel im Netz. Veranstaltungen werden<br />

live per Video-Stream übertragen, Video-<br />

Beiträge mit Interviews und Reportagen<br />

geben einen audiovisuellen Eindruck vom<br />

Ort des Geschehens, in zahllosen Foren<br />

und Blogs diskutieren Patienten wie Ärzte<br />

miteinander, die sozialen Netzwerke wachsen<br />

unentwegt – und es werden immer<br />

mehr. Kurzum: Das Internet ist längst<br />

keine Randerscheinung mehr, sondern ein<br />

etabliertes und äußerst vielfältiges Medium,<br />

bei dem der direkte Austausch untereinander<br />

und die Vielfalt der Angebote zu<br />

einem geänderten Mediennutzungsverhalten<br />

insgesamt geführt haben.<br />

Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> hat früh auf den<br />

Digitalisierungstrend reagiert. So wurde die<br />

Verbandswebseite den neuen Ansprüchen<br />

angepasst und inhaltlich wie optisch<br />

grundlegend überarbeitet. Seither stehen<br />

den Mitgliedern alle Merkblätter und Musterverträge<br />

bequem zum Download zur<br />

Der Verband im Internet<br />

Verfügung. Über den geschützten Login-<br />

Bereich lassen sich Adress- oder Kontoänderungen<br />

einfach selbst angeben. Außerdem<br />

ergänzen Videos und Fotostrecken<br />

Schlagabtausch bei Twitter: Diskussion mit<br />

GKV-Sprecher<br />

das Angebot für die Besucher. Die Auftritte<br />

bei Facebook und Twitter werden kontinuierlich<br />

gepflegt und regen neben den regulären<br />

Veröffentlichungen des Verbandes<br />

zuweilen zum Disput an. Unterhaltsam<br />

wird es zum Beispiel in der Regel dann,<br />

wenn GKV-Sprecher Florian Lanz per Twitter<br />

aktuelle Themen kommentiert und sich<br />

daraus ein Gespräch mit einem Widersacher<br />

entwickelt. War es früher meist KBV-<br />

Presse chef Dr. Roland Stahl, der Lanz per<br />

140 Zeichen-Kurznachricht Paroli bot,<br />

„unterhielt“ sich im April auch Dr. Heinrich<br />

mit dem Kassenmann auf Twitter. Thema<br />

war der vermeintlich häufige Abrechnungsbetrug<br />

von Ärzten. Die KBV hatte eine<br />

Pressemitteilung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

an ihre Twitter-Abonnenten (Follower)<br />

weitergeleitet, woraufhin sich Florian Lanz<br />

an KBV und <strong>NAV</strong> wandet und textete:<br />

„Lösungsvorschläge wären besser als zu<br />

versuchen, Probleme klein zu reden!“.<br />

Antwort des Verbandes: „Genau! Wo ist<br />

der Lösungsvorschlag für Machtmissbrauch<br />

bei Krankenkassen?“ Diese so genannten<br />

Tweets haben eine nicht zu verachtende<br />

Reichweite. Rund 2.500 Follower aller drei<br />

Institutionen haben den Schlagabtausch<br />

beobachtet.<br />

Folgen Sie uns:<br />

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Klares Design, viel Funktionen – die Homepage des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />

78 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.


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Was sich im Laufe der Zeit dabei entwickelt hat, ist weit mehr als eine<br />

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