Jahresbericht - NAV-Virchow-Bund
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Jahresbericht - NAV-Virchow-Bund
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2013<br />
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
Vorwort<br />
Titelbilder: © Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
Nach dem politischen Großereignis des<br />
Jahres schaut die Republik gespannt auf<br />
die Koalitionsgespräche der Parteien. Die<br />
CDU verfehlte nur knapp die absolute<br />
Mehrheit der <strong>Bund</strong>estagssitze und ist die<br />
eindeutige Gewinnerin der <strong>Bund</strong>estagswahl.<br />
Durch das Aus für die FDP ist der<br />
Union jedoch der liebste Bündnispartner<br />
abhanden gekommen. Eine Regierungsbildung<br />
mit Sozialdemokraten oder Grünen,<br />
wird Kanzlerin Merkel teurer als mit den<br />
Liberalen zu stehen bekommen.<br />
Mit dem Wahlergebnis wurde den Planspielen<br />
für einen vereinheitlichten Versicherungsmarkt<br />
eine eindeutige Absage erteilt.<br />
Die Bürgerversicherung ist bis auf Weiteres<br />
vom Tisch. Darüber können sich die niedergelassenen<br />
Ärzte freuen, denn ohne die<br />
Einnahmen der Privatversicherten könnten<br />
viele Praxen nicht wirtschaftlich arbeiten.<br />
Grund zur Freude bereitet denn auch die<br />
Nachricht, dass sich <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
und PKV-Verband über die Eckpunkte zur<br />
Reform der ärztlichen Gebührenordnung<br />
(GOÄ) einig geworden sind. Wenn auch der<br />
Zeitpunkt kurz vor einem Wechsel im Gesundheitsministerium<br />
nicht der günstigste<br />
ist, kann sich die Politik der Erneuerung der<br />
Uralt-GOÄ nicht verweigern. Eine eigenständig<br />
und wirtschaftlich kalkulierte Gebührenordnung<br />
ist das Kernmerkmal eines<br />
freien Berufes. Nur sie steht für die gesamte<br />
Bandbreite der Behandlungsmöglichkeiten<br />
in der Arztpraxis und unterscheidet sich<br />
damit grundsätzlich von der Kassengebührenordnung.<br />
Allen Bestrebungen, die Vergütungssysteme<br />
von Privater und Gesetzlicher<br />
Krankenversicherung zusammenzuführen,<br />
ist eine deutliche Absage zu erteilen.<br />
Darüber hinaus muss auch die Vergütung<br />
vertragsärztlicher Leistungen so gestaltet<br />
sein, dass die Praxen ihren Betrieb sicher<br />
kalkulieren können. Feste und kostendeckende<br />
Preise sind dafür unabdingbar und<br />
müssen auf den Weg gebracht werden. Nur<br />
so lässt sich eine leistungsgerechte Vergütung<br />
realisieren, die den Wert der ärztlichen Arbeit<br />
deutlich macht und die steigenden Gesundheitskosten<br />
einer alternden Gesellschaft von<br />
den Schultern der Ärzte nimmt. Dies kann<br />
jedoch nur gelingen, wenn die Ärzteschaft<br />
einig gegenüber den Krankenkassen auftritt<br />
und Partikularinteressen der Fachgruppen<br />
zurückstellt. Setzt sich die innerärztliche<br />
Spaltung fort, werden die Kassen auch künftig<br />
auf Umverteilung der begrenzten Mittel<br />
pochen, anstatt ihrer Versorgungsverantwortung<br />
gerecht zu werden.<br />
Dass sich gemeinsame Lösungen bei strittigen<br />
Themen finden lassen, zeigte sich<br />
beim diesjährigen Deutschen Ärztetag in<br />
Hannover. Nach einer hitzig geführten<br />
Diskussion verständigten sich die Delegierten<br />
darauf, dass die ambulante Weiterbildung<br />
gefördert werden muss. Das ist auch<br />
dringend notwendig, werden doch heutzutage<br />
viele Krankheiten nur noch ambulant<br />
behandelt. Die dafür erforderlichen Kompetenzen<br />
müssen den jungen Medizinern<br />
in den Praxen vermittelt werden. Gleichzeitig<br />
hilft ein fester ambulanter Abschnitt in<br />
der Weiterbildung, das Interesse an der<br />
Tätigkeit als Praxisarzt zu wecken. Bleibt<br />
das Nachwuchsproblem ungelöst, können<br />
die Strukturen der wohnortnahen ärztlichen<br />
Versorgung der Bevölkerung auf<br />
Dauer nicht gehalten werden. Bei dieser<br />
gesamtgesellschaftlichen Herausforderung<br />
ist auch die Politik gefragt. Sie muss die<br />
Mittel für eine gleichwertige Vergütung<br />
der Assistenzärzte auch im niedergelassenen<br />
Bereich bereitstellen.<br />
All diese Themen hat der Verband der niedergelassenen<br />
Ärzte Deutschlands als fachübergreifender<br />
Berufsverband maßgeblich<br />
mitbestimmt. Es geht um die Zukunft der<br />
ambulanten Versorgung, die auch künftig<br />
nur von Haus- und Fachärzten gemeinsam<br />
gestaltet werden kann. Sie sehen, es ist viel<br />
zu tun. Packen wir’s an!<br />
Ihr Dr. Dirk Heinrich<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
3
Impressum<br />
Klaus Greppmeir, Hauptgeschäftsführer<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Vorgelegt von der Haupt geschäfts führung<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Verband der<br />
niedergelassenen Ärzte Deutschlands, zur<br />
<strong>Bund</strong>eshaupt versammlung 2013.<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle:<br />
Chausseestraße 119 b · 10115 Berlin<br />
Fon (030) 288774–0<br />
Fax (030) 288774–115<br />
info@nav-virchowbund.de<br />
www.nav-virchowbund.de<br />
4
Aus dem Inhalt<br />
Berufspolitik6<br />
Honorar-Verhandlungen mit Eskalationspotential 6<br />
<strong>Bund</strong>eshauptversammlung – Vom Gang in die Entmündigung 18<br />
BHV-Beschlüsse – Freiberuflichkeit, Honorarreform, ambulante Weiterbildung 23<br />
Selbstverwaltung – KV keine Regierungsorganisation 26<br />
Arzttätigkeit28<br />
Wie Ärztinnen die Praxis der Zukunft prägen 28<br />
Niedergelassene fordern ambulanten Pflichtteil in der Weiterbildung 28<br />
Nach heftigem Streit: Ärztetag schließt Weiterbildungs-Kompromiss 30<br />
Ist die Niederlassung das Richtige? Verband klärt auf 33<br />
Aus der Agentur deutscher Ärztenetze 33<br />
Kooperationen und<br />
Partnerschaften<br />
WPV. – Wirtschafts- und<br />
Praxisverlag GmbH<br />
Belfortstraße 9<br />
50668 Köln<br />
Fon (0221) 988301-0<br />
Fax (0221) 988301-15<br />
E-Mail: post@wpv.de<br />
<strong>NAV</strong>-Wirtschaftsdienst GmbH<br />
Wiener Platz 3<br />
51065 Köln<br />
Fon (0221) 97355–0<br />
Fax (0221) 97355–22<br />
E-Mail: mail@nav-widi.de<br />
www.nav-widi.de<br />
Nilaplan<br />
Unternehmensberatung<br />
für Heilberufe GmbH<br />
Belfortstraße 9<br />
50668 Köln<br />
Fon (0221) 302397-51<br />
Fax (0221) 302397-59<br />
E-Mail: jzdarta@nav-widi.de<br />
DAZ<br />
Deutscher Arbeitskreis<br />
für Zahnheilkunde (DAZ) e.V.<br />
Kaiserstraße 52<br />
53840 Troisdorf<br />
Fon (02241) 9722876<br />
Fax (02241) 9722879<br />
E-Mail: kontakt@daz-web.de<br />
www.daz-web.de<br />
Gesundheitspolitik38<br />
Milliardenpoker im GKV-System 38<br />
Korruptionsdebatte – BGH stärkt ärztliche Freiberuflichkeit 44<br />
Praxisgebühr – Das kurze Leben einer Ungeliebten 47<br />
Präventionsgesetz – Wieder ein Anlauf vor Torschluss 49<br />
<strong>Bund</strong>estagswahl 2013 – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> legt Wahlprüfsteine vor 50<br />
Aus den Landesgruppen 54<br />
Saarland – Landesstaatssekretärin zu Gast 54<br />
Gesundheitspolitischer Talk im Saarland 55<br />
Schleswig-Holstein – Impfchaos im hohen Norden 57<br />
Westfalen-Lippe – Neuer Landesvorstand 58<br />
Diskreditierung schafft „Wut-Ärzte“ 58<br />
Verleihung der Kaspar-Roos-Medaille 60<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung61<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 64<br />
Rechtsberatung68<br />
Unser Service ist der Unterschied 72<br />
Aus den Landesgruppen 74<br />
<strong>Bund</strong>esvorstand75<br />
<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle76<br />
Organisatorischer Aufbau 77<br />
Internetauftritt78<br />
5
Berufspolitik<br />
© S. Pietschmann – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
© Marcus Kretschmar - Fotolia.com<br />
Honorar-Verhandlungen mit<br />
Eskalationspotential<br />
Pünktlich zu den jährlichen Honorarverhandlungen<br />
zwischen Kassenärztlicher<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband<br />
der Gesetzlichen Krankenkassen<br />
(GKV-SpiBu) häuften sich die Provokationen<br />
aus dem Kassenlager.<br />
Erster Aufschlag: Eine Umfrage zu vermeintlichen<br />
„Fangprämien“, die niedergelassene<br />
Ärzte für ihr Überweisungsverhalten<br />
erhalten würden. Dabei wurden – wissenschaftlich<br />
höchst problematisch – Ärzte<br />
befragt, ob sie sich ein solches Verhalten<br />
unter Ärzten vorstellen können und ob sie<br />
von solchen Fällen wüssten. Die Ergebnisse<br />
wurden als Fakten dargestellt und provozierten<br />
heftige Gegenreaktionen: Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es,<br />
Dr. Dirk Heinrich, mahnte im Gegenzug zu<br />
einem verantwortungsvolleren Umgang mit<br />
den Beitragsgeldern in der Gesetzlichen<br />
Krankenversicherung (GKV). „Wer ständig<br />
mit dem Finger auf die Ärzte zeigt, Pauschalvorwürfe<br />
am Fließband abliefert und<br />
sich als notorischer Scharfmacher in der<br />
Öffentlichkeit präsentiert, sollte seinen<br />
eigenen Laden besser sauber halten.“ So<br />
verdeutlichten die vom <strong>Bund</strong>esversicherungsamt<br />
(BVA) jüngst aufgedeckten Fälle<br />
von verschwendeten Beitragsgeldern, dass<br />
bei den Kassen mitnichten alles so korrekt<br />
ablaufe, wie sie es von der Ärzteschaft<br />
verlangten, kritisiert Dr. Heinrich.<br />
Geldverschwendung im GKV-System: „Seinen eigenen<br />
Laden besser sauber halten“<br />
Zwar handele es sich bei der vom BVA<br />
recherchierten Misswirtschaft um Einzelfälle.<br />
Nicht anders sei es jedoch bei den Vertragsärzten.<br />
„Anders als von Kassen und<br />
GKV-Spitzenverband in fataler Regelmäßigkeit<br />
dargestellt, sind wir Ärzte nicht per<br />
se korrupt und nur auf den eigenen Vorteil<br />
bedacht. Ganz im Gegenteil: Vertragsärzte<br />
leisten in Zeiten der Budgetierung vielerorts<br />
deutlich mehr, als sie vergütet bekommen“,<br />
erklärt der Vorsitzende des Verbandes<br />
der niedergelassenen Ärzte Deutschlands.<br />
Darüber hinaus kritisiert Heinrich die Verwendung<br />
von Beitragsgeldern für unseriöse<br />
Auftragsgutachten, bei denen das Ergebnis<br />
bereits vorher feststeht: „Nicht nur im Fall<br />
der so genannten Fangprämien-Studie<br />
wurden die Resultate von der GKV-Spitze<br />
selektiv dargestellt. Obwohl 82 Prozent der<br />
Befragten Zuweisung gegen Entgelt entschieden<br />
ablehnten, wurde das Zerrbild des<br />
korrupten Arztes gezeichnet.“ So habe<br />
selbst der Leiter der Studie später eingeräumt,<br />
dass die Ergebnisse deutlich weniger<br />
ärztefeindlich waren, als in den Medien<br />
berichtet, konstatiert Dr. Heinrich.<br />
Das Gebaren der selbsternannten Anwälte<br />
der Versicherten, so der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
weiter, stünde überdies im krassen Kontrast<br />
zur Realität im GKV-System. „Die Kassen<br />
nutzen die gute Konjunktur schamlos für<br />
ihren Vorteil aus. Anstatt die gehorteten<br />
Milliardenüberschüsse an die Versicherten<br />
zurückzugeben, sinnlose Zuzahlungsinstrumente<br />
zu beerdigen oder die Versorgung<br />
wirksam zu verbessern, werfen AOK, Barmer<br />
und Co. das Geld für zweckfremde<br />
Marketingmaßnahmen zum Fenster raus.“<br />
Auch dabei handele es sich um eine rechtswidrige<br />
Vergeudung von Beitragsgeldern.<br />
„Wenn sich das System der GKV daher<br />
nicht aus eigener Kraft reformiert, dann<br />
muss die Politik es an die Kandare nehmen“,<br />
fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
6
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
„Die Absicht der Krankenkassen, den Orientierungspunktwert<br />
zu senken und damit<br />
die Vergütung der Praxisärzte um 7 Prozent<br />
zu kürzen, ist ein klarer Gesetzesverstoß“,<br />
erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />
Verbandes der niedergelassenen Ärzte<br />
Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich. Im „Wettbewerbsstärkungsgesetz“<br />
hat Ulla Schmidt<br />
2007 durchgesetzt, dass das Morbiditätsrisiko<br />
an die Krankenkassen geht und niedergelassene<br />
Ärzte für ihre Leistungen<br />
feste Preise erhalten. „Durch die Kassenpläne<br />
wird dieses Gesetz völlig auf den<br />
Kopf gestellt. Es entsteht ein Globalbudget<br />
mit floatendem Punktwert und die Morbiditätslast<br />
wird dadurch wieder auf die<br />
Ärzteschaft verlagert. Das hat nicht einmal<br />
Ulla Schmidt so gewollt“, betont Dr. Heinrich.<br />
Sreitthema Ärztehonorare: Kassen fordern Kürzungen.<br />
Kassen: Honorare senken!<br />
Zweiter Aufschlag: Pünktlich zu den Honorarverhandlungen<br />
zauberte der GKV-<br />
Spitzenverband ein von Prognos erstelltes<br />
Gutachten aus dem Hut, das zu dem Ergebnis<br />
kam, dass die Honorare um 2,2<br />
Mrd. Euro sinken müssten. Mit dieser<br />
Forderung ging der Spitzenverband<br />
schließlich in die Verhandlungen. Die KBV<br />
forderte, dass bei der Festlegung des Orientierungspunktwertes<br />
nicht nur die Kostenentwicklung<br />
für das Jahr 2013, sondern<br />
die Kostensteigerungen seit 2008 zu berücksichtigen<br />
seien, ganz so, wie es das<br />
Sozialgesetzbuch V vorsieht. Das Klima war<br />
vergiftet, die Ärzteschaft sensibilisiert.<br />
© Tatjana Balzer - Fotolia.com<br />
Stattdessen seien die Forderungen der<br />
Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung nach<br />
einer Anhebung des Punktwertes auf 3,85<br />
Cent angesichts der steigenden Alterung<br />
der Patienten, der Veränderung von Morbidität,<br />
der Inflation, des Investitionsstaus in<br />
den Praxen, den Personalkostensteigerungen<br />
durch den Gehaltstarifvertrag mit den<br />
Medizinischen Fachangestellten und der<br />
anhaltenden Verlagerung des Versorgungsgeschehens<br />
von stationär auf ambulant<br />
mehr als gerechtfertigt. „Ein Abschluss<br />
unterhalb dieser Forderungen ist nur<br />
schwer denkbar“, so Dr. Heinrich.<br />
Während die Krankenkassen auf Milliardenüberschüssen<br />
sitzen, seien dagegen<br />
Honorar-Kürzungen um über 7 Prozent bei<br />
den Praxisärzten nicht nur gesetzwidrig,<br />
sondern ein Affront – und zwar gegenüber<br />
Ärzten wie Patienten gleichermaßen. „Wer,<br />
wie die Kassen, derart auf Konfrontationskurs<br />
geht, darf sich nicht wundern, wenn<br />
in wenigen Wochen wieder Tausende von<br />
Ärzten in Berlin auf die Straßen gehen“<br />
unterstreicht der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Allianz formiert sich<br />
Unter Führung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es,<br />
der zu dieser Zeit turnusmäßig den Vorsitz<br />
in der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />
hatte, erklärte der Zusammenschluss, dass<br />
mit den Honorarplänen der Krankenkassen<br />
die Niederlassung zukünftig zum Glücksspiel<br />
werde: Denn die niedergelassenen<br />
Ärzte verfolgten mit Empörung und Unverständnis<br />
das Gebaren der Krankenkassen<br />
in den Honorarverhandlungen. „Wieder<br />
7
einmal werden wir niedergelassenen Ärzte<br />
von den Kassen als eine geldgierige, überbezahlte<br />
Spezies verunglimpft. Dass die<br />
medizinische Versorgung ohne unser –<br />
zum Teil unbezahltes – Engagement in<br />
weiten Strecken zum Erliegen kommen<br />
würde, blenden die Kassenbosse vollständig<br />
aus. Aber wir werden es ihnen zeigen,<br />
sollten sie sich mit der geplanten Honorarkürzung<br />
durchsetzen“, warnt Dr. Dirk<br />
Heinrich, Sprecher der Allianz Deutscher<br />
Ärzteverbände.<br />
Die Ärzteverbände unterstützen die Forderung<br />
der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
(KBV) nach einer Anhebung des<br />
Orientierungspunktwertes auf mindestens<br />
3,85 Cent. „Der Investitionsstau in den<br />
Praxen, die Anhebung der Tarifgehälter für<br />
die Medizinischen Fachangestellten und<br />
die gestiegene Morbiditätslast erfordern<br />
zwingend eine Honorarsteigerung“, so die<br />
Ärzteallianz. Sollten die Kassen im erweiterten<br />
Bewertungsausschuss eine Nullrunde<br />
oder gar eine Absenkung des Orientierungspunktwertes<br />
durchsetzen, werden die<br />
Ärzte auf die Barrikaden gehen. „Protestaktionen,<br />
Demonstrationen, Praxisschließungen<br />
– wir sind zu allem bereit“, sind<br />
sich die Ärzteverbände einig.<br />
Besonders aufgebracht sind die Mitglieder<br />
der Allianz darüber, dass die Krankenkassen<br />
Überschüsse in Höhe von 20 Milliarden<br />
Euro horten oder für fragwürdige Wellness-Angebote<br />
ausgeben, gleichzeitig aber<br />
ausgerechnet bei der ambulanten medizinischen<br />
Versorgung die Daumenschrauben<br />
anlegen wollen. „Wenn die Bezahlung<br />
ärztlicher Leistungen nicht kontinuierlich<br />
nach Gesichtspunkten der Vernunft erfolgt,<br />
sondern alle Jahre wieder neu ausgeknobelt<br />
wird, wird die Niederlassung in eigener<br />
Praxis zum wirtschaftlichen Glücksspiel.<br />
Wie man unter diesen Umständen junge<br />
Ärzte für die Niederlassung begeistern und<br />
die ambulante Versorgung auf dem Land<br />
gewährleisten will, ist ein Geheimnis der<br />
Krankenkassenfürsten“, kritisiert die Allianz<br />
© Wolfgang-S - Fotolia.com<br />
Investitionen, Inflation, Gehaltssteigerung der Mitarbeiter:<br />
Ärzteallianz fordert zwingend Honorarsteigerung<br />
Deutscher Ärzteverbände. „Wir sehen die<br />
Kassen und die Politik in der Pflicht!“<br />
Schlichterspruch enttäuscht<br />
Nach dem erwartbaren Scheitern im Bewertungsausschuss<br />
und einem Patt im<br />
Erweiterten Bewertungsausschuss, kam es<br />
nun auf den „unparteiischen Vorsitzenden“,<br />
den Duisburger Gesundheitsökonomen<br />
Prof. Jürgen Wasem an. Der stimmt<br />
schließlich mit dem Kassenlager einer<br />
Erhöhung des Orientierungspunktwertes<br />
um 0,9 Prozent zu. Die Reaktion erfolgt<br />
umgehend: „Es ist unfassbar, was der<br />
Gremiumsvorsitzende mit den Stimmen der<br />
Kassen und gegen die Stimmen der KBV<br />
beschlossen hat. Wir sollen die Preisentwicklungen<br />
der vergangenen Jahre aus der<br />
eigenen Tasche bezahlen. Das ist eine<br />
Kriegserklärung“, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk<br />
Heinrich.<br />
„Eine Honorarkürzung ist zwar verhindert<br />
worden, aber ein Ergebnis von 0,9 Prozent<br />
ist bei Berücksichtigung der Inflation von<br />
2009 bis heute und den in dieser Zeit<br />
gestiegenen Energie- und Personalkosten<br />
faktisch eine Minusrunde“, so Dr. Heinrich.<br />
Die Strukturen, die der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
zur Protestvorbereitung aufgebaut habe,<br />
müssten nun zum Tragen kommen. „Das<br />
Kalkül der Kassen ist offenbar aufgegangen,<br />
mit üblen Diffamierungen und Neidkampagnen<br />
gegen die Ärzteschaft Stimmung<br />
zu machen. Damit ist das Klima auf<br />
lange Zeit vergiftet“, stellt Dr. Heinrich<br />
fest.<br />
Doch damit nicht genug: Die niedergelassenen<br />
Ärzte in Deutschland fordern tags<br />
darauf <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister Bahr<br />
auf, den am Vortag erzielten Honorar-<br />
Abschluss nachzubessern. „Dieses Ergebnis<br />
ist inakzeptabel“, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des Verbandes der niedergelassenen<br />
Ärzte Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich. „Der<br />
Beschluss konterkariert alle gesetzgeberischen<br />
Maßnahmen des Versorgungsstrukturgesetzes,<br />
das verhindern sollte, dass die<br />
medizinische Versorgung ganzer Landstriche<br />
durch Ärztemangel ausblutet“, erläutert<br />
Dr. Heinrich.<br />
Zwar bestünde in den Nachverhandlungen<br />
noch die Möglichkeit nachzubessern, aber<br />
das werde unterm Strich keine signifikante<br />
Steigerung mehr bringen. „Der einseitige<br />
Schlichterspruch bringt pro Arzt müde 150<br />
Euro mehr im Monat. Das bedeutet, dass<br />
die niedergelassenen Ärzte die Inflation für<br />
5 Jahre, also von 2009 bis 2013, die steigenden<br />
Gehälter ihrer Angestellten und die<br />
Betriebskosten, wie die explodierenden<br />
Strom- und Energieausgaben, aus der<br />
Substanz bezahlen müssen“, erläutert der<br />
Vorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Zudem trage die niedergelassene Ärzteschaft<br />
jetzt die Last der steigenden Morbidität,<br />
also die zunehmende Krankheitslast<br />
der Patienten durch die zunehmende Alterung<br />
der Bevölkerung.<br />
„Die Veränderung des Orientierungspunktwertes<br />
an der 2. Stelle hinterm Komma<br />
(von derzeit 3,5048 auf 3,5363 Cent) ist<br />
ein verheerendes Signal an die nachfolgende<br />
Arztgeneration. Für Landarztpraxen<br />
werden sich keine Nachfolger finden, Ärzte<br />
über 60 Jahre werden nun die Praxen<br />
früher als geplant abgeben. Die Wartezeiten<br />
werden ebenso zunehmen wie der<br />
Ärztemangel. Hier müssen auch die Landespolitiker,<br />
Landräte und Bürgermeister<br />
auf den <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister einwirken,<br />
dass er diesen desolaten Honorarabschluss<br />
revidiert“, fordert Dr. Heinrich.<br />
8 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> wird<br />
Koordinierungsstelle<br />
Der <strong>Bund</strong>esvorstand des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es beschloss indes in einer Sondersitzung,<br />
allen Berufs- und Fachverbänden in<br />
seiner Berliner Geschäftsstelle eine Koordinierungsstelle<br />
für den Ärzteprotest bereitzustellen.<br />
Nach einem möglichen Schlichterspruch<br />
zu den ärztlichen Honoraren<br />
Inakzeptables Ergebnis: Beschluss des Bewertungsausschusses<br />
treibt Ärzte auf die Barrikaden<br />
© picsfive - Fotolia.com<br />
konnten. Neben der Information von Patienten<br />
und Versicherten über die fatalen<br />
Forderungen der Krankenkassen und die<br />
Mobilisierung von Ärzten und Praxismitarbeitern<br />
wollte die neu formierte Ärzte-<br />
Allianz einen zentralen Protesttag in Berlin<br />
vorbereiten.<br />
Erste Urabstimmung der<br />
Niedergelassenen<br />
Dass die niedergelassenen Ärzte protestbereit<br />
sind, ergab eine umgehend durchgeführte<br />
Urabstimmung unter den niedergelassenen<br />
Ärzten, die erste dieser Art in der<br />
deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Aufruf<br />
hieß es: „Die freien Ärzteverbände sind<br />
entsetzt über die Blockadehaltung der<br />
Krankenkassen bei den heute stattgefundenen<br />
Verhandlungen.“ Der Spitzenverband<br />
der Krankenkassen zeigte sich derart<br />
kompromisslos, dass sich die Kassenärztliche<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigung gezwungen sah,<br />
die Verhandlungen abzubrechen. Die freien<br />
Ärzteverbände haben sich in einer Schaltkonferenz<br />
darauf geeinigt, dass ab der<br />
nächsten Woche erste harte Maßnahmen<br />
beginnen, die zunächst nur die Krankenkassen<br />
betreffen werden. Dabei ist vor<br />
allem das interne Umverteilungssystem der<br />
Krankenkassen im Visier. „Wir werden das<br />
System des Morbi-RSA so durcheinanderwirbeln,<br />
dass die Krankenkassen nicht<br />
mehr wissen, wie sie das Geld verteilen<br />
sollen“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Sprecher<br />
der Allianz deutscher Ärzteverbände. Zugleich<br />
führen die Verbände bei ihren Mitgliedern<br />
eine Urabstimmung über Warnstreiks<br />
und Praxisschließungen durch. Nach<br />
Ende der Urabstimmung können erste<br />
Warnstreiks und Praxisschließungen noch<br />
im September 2012 beginnen. Zugleich<br />
werden die niedergelassenen Ärzte ihre<br />
Patienten über die Hintergründe und mögliche<br />
Auswirkungen auf die Versorgung<br />
vorbereiten. Diese Informationen werden<br />
über die niedergelassenen Ärzte verteilt.“<br />
Ein Bogen mit fünf Fragen wurde über die<br />
Verbände an insgesamt rund 100.000<br />
niedergelassene Ärzte verschickt:<br />
1. Sind Sie für Protestaktionen?<br />
2. Würden Sie sich an Praxisschließungen<br />
beteiligen?<br />
3. Würden Sie sich an regionalen Veranstaltungen<br />
beteiligen?<br />
4. Würden Sie sich an einer zentralen Veranstaltung<br />
beteiligen?<br />
5. Würden Sie Ihre Praxis auch eine längere<br />
Zeit streng nach WANZ-Kriterien<br />
führen? (Die Krankenkassen erstatten<br />
Diagnostik und Therapien nach den<br />
sollte dadurch möglichst schnell die Aktionsfähigkeit<br />
der ärztlichen Verbände hergestellt<br />
werden. Ziel sei es, die anstehenden<br />
Protestmaßnahmen und Praxisschließungen<br />
zu koordinieren und diese Maßnahmen<br />
als ein wirkungsvolles Signal an<br />
Krankenkassen und Politik auszusenden.<br />
Honorarklau und eine Rückkehr zum alten<br />
Globalbudget mit floatendem Punktwert<br />
sind mit den niedergelassenen Ärzten nicht<br />
zu machen.<br />
In Form eines runden Tisches schlossen<br />
sich schließlich über 30 Berufs- und Fachverbände<br />
zusammen, die gleichberechtigt<br />
ihre Ideen und Protestformen einbringen<br />
Zur Allianz der über 30 Berufsverbände zählen: Allianz deutscher Ärzteverbände (Berufsverband<br />
der Deutschen Internisten, <strong>Bund</strong>esverband der Ärztegenossenschaften, Gemeinschaft<br />
Fachärztlicher Berufsverbände, Hartmannbund, Medi Deutschland, <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, Verband<br />
der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.), Bayerischer Facharztverband, Berufsverband<br />
Deutscher Neurochirurgen e.V. (BDNC), Berufsverband der Augenärzte Deutschlands<br />
e. V., Berufsverband der Dermatologen, Berufsverband der Deutschen Urologen e.V. (BDU),<br />
Berufsverband der Fachärzte für Kardiologie in freier Praxis e.V., Berufsverband der Fachärzte<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), Berufsverband der Frauenärzte (BVF), Berufsverband<br />
der HNO-Ärzte, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Berufsverband für<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V.<br />
(bkjpp), Berufsverband niedergelassener fachärztlich tätiger Internisten e.V. (BNFI), Berufsverband<br />
Deutscher Nervenärzte (BVDN), Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN), Berufsverband<br />
Deutscher Psychiater (BVDP), Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh), Berufsverband<br />
niedergelassener Chirurgen (BNC), Berufsverband niedergelassener Gastroenterologen<br />
(bng), <strong>Bund</strong>esverband Ambulantes Operieren, <strong>Bund</strong>esverband hausärztlicher Internisten<br />
e.V. (BHI), <strong>Bund</strong>esverband der Pneumologen (BdP), <strong>Bund</strong>esverband niedergelassener Diabetologen<br />
(BVND), <strong>Bund</strong>esverband Niedergelassener Hämatologen und Onkologen (BNHO), <strong>Bund</strong>esverband<br />
Niedergelassener Kardiologen (BNK), Facharzt Allianz Bayern (FAABY), Freie Ärzteschaft<br />
e.V., Gesundheitsnetz Süd e.G., GFB Bayern, Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa)<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 9
Kriterien: wirtschaftlich, ausreichend,<br />
notwendig und zweckmäßig)<br />
Die Ergebnisse der Umfrage wurden vom<br />
KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas<br />
Köhler und dem <strong>Bund</strong>esvorsitzenden des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, in<br />
der <strong>Bund</strong>espressekonferenz vorgestellt: Es<br />
sprachen sich rund 75 Prozent der niedergelassenen<br />
Ärzte dafür aus, ihre Praxen aus<br />
Protest zu schließen. Nur eine Woche<br />
hatten die Verbände Zeit, ihre Mitglieder<br />
zu dieser Urabstimmung aufzurufen. An<br />
der Abstimmung beteiligten sich nach<br />
Angabe der Verbände knapp die Hälfte<br />
aller angeschriebenen Ärzte (49,19 Prozent).<br />
„Das ist bislang einmalig. An der<br />
enormen Beteiligung innerhalb so kurzer<br />
Zeit zeigt sich das hohe Protestpotential<br />
der Ärzteschaft“, erklärt der Sprecher der<br />
Allianz Deutscher Ärzteverbände, Dr. Dirk<br />
Heinrich.<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
75 Prozent für Praxisschließungen – KBV-Chef Dr. Köhler und Allianz-Sprecher Dr. Heinrich<br />
bei der Verkündung der Urabstimmungsergebnisse<br />
„Bei dem Protest geht es um die Anpassung<br />
der Preise für unsere ärztlichen Leistungen<br />
durch Inflation und Kostenerhöhung<br />
in den letzten Jahren. Die einseitig<br />
von den Kassen durchgedrückte minimale<br />
Anhebung um 0,9 Prozent ist eine Kampfansage<br />
an die Praxisärzte. Gleichzeitig<br />
stellt es ein verheerendes Signal der Kassen<br />
an die nachfolgende Ärztegeneration dar“,<br />
befürchtet Dr. Heinrich, zugleich <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es. Der<br />
Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigung (KBV), Dr. Andreas<br />
Köhler erklärte: „Lassen Sie es mich deutlich<br />
sagen: Es geht um die ambulante<br />
medizinische Versorgung der Versicherten.<br />
Diese müssen wir zukunftsfest machen<br />
insbesondere vor dem Hintergrund einer<br />
auch dank des medizinischen Fortschritts<br />
älter werdenden Bevölkerung und einer<br />
sich ändernden Gesellschaft. Damit werden<br />
auch an die Versorgung neue Herausforderungen<br />
gestellt. Wir haben dazu am Wochenende<br />
entscheidende Verhandlungen<br />
mit den Krankenkassen. Ich appelliere an<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
die Kassenseite, ihrer Verantwortung gerecht<br />
zu werden.“<br />
Zeitgleich haben Kassenärztliche Vereinigungen,<br />
KBV und freie Verbände zu Aktionen<br />
in den Praxen gegen die Kassenbüro-<br />
Hohe mediale Aufmerksamkeit – Dr. Heinrich im Interview<br />
10
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
kratie aufgerufen. Die Resonanz darauf bei<br />
den niedergelassenen Kolleginnen und<br />
Kollegen war positiv. „Wir sind kampfbereit“,<br />
signalisiert der Sprecher der Allianz,<br />
Dr. Heinrich. „Wir haben in dieser Woche<br />
gezeigt, dass wir nicht nur entschlossen,<br />
sondern auch handlungsfähig sind.“ Seit<br />
Montag fahren die freien Verbände und<br />
die KBV gemeinsam eine Politik der Nadelstiche.<br />
„Wir sind entschlossen die Maßnahmen<br />
auszuweiten: Kommt es am Samstag<br />
zu keiner Einigung, werden die Verbandsspitzen<br />
Anfang nächster Woche über Praxisschließungen<br />
noch in diesem Monat<br />
entscheiden. Dafür haben wir jetzt nicht<br />
nur den Rückhalt, sondern auch das Mandat.“<br />
„Die Aktionen richten sich gegen die<br />
Kassen, nicht gegen die Patienten“, stellt<br />
abschließend Dr. Heinrich klar. Dennoch<br />
könne es sein, dass Patienten dann betroffen<br />
sind: „Denn auch die jetzt zugestandene<br />
magere Erhöhung von 0,9 Prozent<br />
bedeutet für die Patienten in Zukunft<br />
Leistungskürzungen und längere Wartezeiten“.<br />
Operation „Shitstorm“<br />
Neben mit der KBV konzertierten Aktionen,<br />
wie eine Bürokratieblockade, waren es<br />
vor allem die feinen Nadelstiche, mit denen<br />
die Protestallianz auf sich aufmerksam<br />
machte: So bombardierten niedergelassene<br />
Ärzte für einen Tag die Zentralen der<br />
Krankenkassen und Krankenkassenverbände<br />
mit Protestfaxen. In den Faxen forderten<br />
die Ärzte die Kassen auf, die ständigen<br />
Diffamierungen zu beenden und die Mittel<br />
für eine ordentliche Versorgung der Patienten<br />
bereitzustellen.<br />
Nach Medienberichten verlief die Protestaktion<br />
erfolgreich. So berichtet das Hamburger<br />
Abendblatt in seiner Online-Ausgabe,<br />
dass der GKV-Spitzenverband bereits<br />
eine neue Nummer einrichten musste, um<br />
überhaupt erreichbar zu sein. Auch die<br />
Hamburger Zentrale des Verbandes der<br />
Ersatzkassen (vdek) soll demnach betroffen<br />
gewesen sein.<br />
© lagom - Fotolia.com<br />
Tausendfacher Protest an die Krankenkassen –<br />
„Operation Shitstorm“ legt Kassenfaxe lahm<br />
Die Aktion von über 30 Ärzteverbänden<br />
war im Vorfeld aus taktischen Gründen<br />
bewusst nicht angekündigt worden. „Nach<br />
der Bürokratie-Blockade, die zuvor begonnen<br />
hat, gehen wir nun einen Schritt weiter.<br />
Die Kassen sollen den tief sitzenden<br />
Frust der Ärzte direkt zu spüren bekommen“,<br />
erklärt der Sprecher der Allianz<br />
deutscher Ärzteverbände und <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dirk<br />
Heinrich. Die Protestmaßnahmen der Ärzte,<br />
so Dr. Heinrich weiter, zielten dabei ausdrücklich<br />
nicht auf die Patienten, sondern<br />
auf die Krankenkassen. In der Vergangenheit<br />
hätten die Krankenkassen immer wieder<br />
Auftragsgutachten und fragwürdige<br />
Studien veröffentlicht, die das Zerrbild des<br />
korrupten Arztes zeichneten. Dr. Heinrich:<br />
„Die Ärzte haben es satt, sich mit Schmutz<br />
bewerfen zu lassen. Das merken die Kassen<br />
jetzt.“<br />
Nachverhandlungen und<br />
Protestvorbereitung<br />
Nach dem Schlichterspruch zum Orientierungspunktwert<br />
wurde eine weitere Verhandlungsrunde<br />
anberaumt. Hierbei ging<br />
es um die Bewertung der Morbiditätsentwicklung<br />
und das Ziel der KBV, die Psychotherapie<br />
aus dem Honorartopf der<br />
Fachärzte herauszulösen. Zwar konnte<br />
hierbei keine Kompensation des schlechten<br />
Schlichterspruchs erwartet werden, dennoch<br />
war die ärztliche Basis sensibilisiert<br />
und unzufrieden. Demzufolge blieb die<br />
Protestbereitschaft hoch. Wenige Tage vor<br />
Beginn der nächsten Honorarrunde begannen<br />
die niedergelassenen Ärztinnen und<br />
© Yanterric - Fotolia.com<br />
Ärzte mit weiteren Protestaktionen gegen<br />
den Honorarbeschluss des erweiterten<br />
Bewertungsausschusses. Bei Beginn der<br />
Aktionswoche standen dabei ausschließlich<br />
die Krankenkassen im Visier der Maßnahmen.<br />
„Unser Protest richtet sich nicht<br />
gegen die Patientinnen und Patienten,<br />
sondern gegen die Kassen. Ab sofort machen<br />
die Ärzte Dienst nach Vorschrift“, so<br />
der Sprecher der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />
und <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich. Mit den<br />
Maßnahmen nehmen die Praxisärzte die<br />
Kassenbürokratie aufs Korn. So wurden<br />
Kassenanfragen gar nicht oder mit einem<br />
Standardschreiben beantwortet. „Dies trifft<br />
die Kassen empfindlich, verschicken sie<br />
Bürokratieblockade zur Aktionswoche: Rund sechs<br />
Millionen Anfragen verschicken die Kassen pro Jahr<br />
doch jährlich rund sechs Millionen dieser<br />
Schreiben. In der Summe müssen Niedergelassene<br />
dafür nahezu eine Million Arbeitsstunden<br />
zusätzlich aufwenden. Das ist<br />
Zeit, die wir nun mehr für die Behandlung<br />
unserer Patienten haben“, betont der Sprecher<br />
der Allianz.<br />
Darüber hinaus soll aufgeklärt werden. In<br />
den Praxen erhalten die Patienten von nun<br />
an Patienteninformationen über die der-<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 11
zeitigen Preise für ärztliche Leistungen.<br />
Heinrich: „Damit zeigen wir den Menschen,<br />
was eine ärztliche Leistung eigentlich<br />
wert ist und wie die Kassenpropaganda,<br />
das zu verschleiern versucht.“<br />
„Wir fordern die Rücknahme des Honorarbeschlusses,<br />
den Beginn von Neuverhandlungen<br />
sowie ein Ende der Stimmungsmache<br />
und Schmutzkampagne gegen die<br />
Ärzteschaft. Es geht auch um das zukünftige<br />
Miteinander von Kassen und Ärzten.<br />
Mit den Kassen-Forderungen, die Mittel<br />
für die ambulante Versorgung um zwei<br />
Milliarden Euro zu kürzen wurde eine rote<br />
Linie überschritten. Damit haben die Kassen<br />
ihre Rolle als Monopolist völlig überreizt“,<br />
erklärt Dr. Heinrich.<br />
Die Allianz der Ärzteverbände rüstete sich<br />
indes für ein mögliches Scheitern der Gespräche<br />
zwischen Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
(KBV) und dem GKV-Spitzenverband.<br />
Die Ärzteallianz rief daher zu<br />
einem flächendeckenden Aktionstag am<br />
10. Oktober 2012 auf. An diesem Tag<br />
organisieren Ärzte und auch Medizinische<br />
Fachangestellte (MFA) Demonstrationen<br />
vor den Zweigstellen von gesetzlichen<br />
Krankenkassen in Deutschland. In vielen<br />
Arztpraxen werden dann die Mitarbeiterinnen<br />
in den Praxen fehlen – eine ganze<br />
Reihe von Ärzten hat auch angekündigt,<br />
ihre Praxen ganz zu schließen.<br />
„Das bisher vorgelegte Angebot der Kassen<br />
ist absolut unzureichend. Diese angebliche<br />
Honorarsteigerung ist tatsächlich ein realer<br />
Einkommensverlust, da das Angebot unter<br />
der Inflationsrate liegt. Wir haben Hinweise<br />
darauf, dass sich an der Haltung der gesetzlichen<br />
Krankenkassen nichts geändert<br />
hat und dass ein für die Ärzte positives<br />
Ergebnis bei den anstehenden Verhandlungen<br />
unwahrscheinlich wird. Die bereits<br />
angelaufenen, internen Maßnahmen zur<br />
Eindämmung der Bürokratie durch die<br />
Krankenkassen behalten wir bei “, erläutert<br />
Dr. Dirk Heinrich, der Sprecher der Allianz.<br />
„Die gesetzlichen Krankenkassen horten<br />
mehr Überschüsse, als ihnen per Gesetz<br />
erlaubt ist. Nur ist in diesem Gesetz nicht<br />
geregelt, wie die Krankenkassen diese<br />
Überschüsse verwenden müssen. Statt das<br />
Geld in die medizinische Versorgung zu<br />
investieren, kann jede Kasse selbst entscheiden,<br />
was sie damit macht. Wohlgemerkt<br />
– es handelt sich um mehr Überschüsse,<br />
als das Gesetz erlaubt. Offensichtlich<br />
hat der Gesetzgeber ein solches Szenario<br />
nicht antizipiert – sonst gäbe es in dem<br />
Gesetz ja auch eine rechtliche Handhabe<br />
gegen die Blockade-Politik der Kassen.<br />
Gleichzeitig werden wir Ärzte zu Bittstellern<br />
degradiert, die in aller Öffentlichkeit<br />
von den Krankenkassen verunglimpft werden<br />
– es ist einfach unfassbar“, kritisiert<br />
Heinrich.<br />
Kassen: Problem ist Verteilung<br />
In der Honorarauseinandersetzung argumentieren<br />
die Krankenkassen immer wieder<br />
mit der Mär von der Umverteilung, dass<br />
eigentlich genug Geld im System, dies aber<br />
nur falsch verteilt sei. Zeit, mit diesem<br />
Märchen endlich aufzuräumen: „Thema<br />
verfehlt, kann ich da nur sagen“, erklärt<br />
der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />
niedergelassenen Ärzte, Dr. Dirk Heinrich.<br />
„Im derzeitigen Honorarstreit geht es gerade<br />
nicht um die Verteilung der Honorare,<br />
sondern um die Anpassung an die Preisentwicklung“,<br />
erläutert Dr. Heinrich. Beim<br />
aktuellen Honorarbeschluss habe das Kartell<br />
der Krankenkassen gegen die Ärzteschaft<br />
durchgesetzt, dass die Preisentwicklung<br />
der letzten fünf Jahre ignoriert und<br />
ein Ausgleich von gerade einmal 0,9 Prozent<br />
zugebilligt werde.<br />
Die Investitions- und Betriebskosten der<br />
Praxen sind in den letzten fünf Jahren<br />
mindestens um die Inflationsrate von 5,8<br />
Prozent gestiegen. Hier kommt der Orientierungswert<br />
ins Spiel. Über ihn werden die<br />
Kostensteigerungen kompensiert, auf die<br />
der Arzt keinen Einfluss hat. „Das wird<br />
ganz einfach deutlich am Beispiel eines<br />
© Jürgen Fälchle / Fotolia<br />
EKGs: Hierfür gibt es einen festen Preis,<br />
der aus den Fix- und Betriebskosten und<br />
dem rechnerischen Arztgehalt besteht. Die<br />
Fix- und Betriebskosten sind in den letzten<br />
fünf Jahren mindestens um die Inflationsrate<br />
von 5,8 Prozent gestiegen. Wird für<br />
diesen Zeitraum eine Erhöhung von lediglich<br />
0,9 Prozent zugebilligt, trägt die tatsächlichen<br />
Mehrkosten der Arzt über einen<br />
realen Einkommensverlust“, verdeutlicht<br />
Dr. Heinrich.<br />
Beispiel EKG: Fix- und Betriebskosten stiegen um mindestens<br />
5,8 Prozent.<br />
Der jüngste Honorarabschluss ignoriere<br />
zudem die Tarifsteigerungen für die Mitarbeiter<br />
in den Arztpraxen – allein für 2012:<br />
2,9 Prozent – und den Investitionsstau in<br />
den Praxen. Die wissenschaftliche ZiPP-<br />
Studie des Zi (Zentralinstitut für die kassenärztliche<br />
Versorgung) stellte kürzlich<br />
fest, dass derzeit im Schnitt rund 21.000<br />
Euro pro Praxis für Investitionen fehlen.<br />
Vor diesem Hintergrund entpuppe sich die<br />
geforderte Umverteilung als Scheinargument:<br />
„Die von den Krankenkassen geforderte<br />
Umverteilung würde immer bedeuten,<br />
dass ein Teil der ärztlichen Leistungen<br />
schlechter oder gar nicht mehr vergütet<br />
wird. Wer Umverteilung fordert, muss auch<br />
sagen, welche Leistungen nicht mehr erbracht<br />
werden sollen. Solange die Kassen<br />
hierzu schweigen, stehlen sie sich aus der<br />
Mitverantwortung“, so der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Einigung: Proteste gehen weiter<br />
Trotz einer Einigung in den Nachverhandlungen<br />
(je rund 250 Millionen Euro für die<br />
12 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
grundversorgenden Haus- und Fachärzte<br />
sowie eine teilweise Ausbudgetierung der<br />
psychotherapeutischen Leistungen) haben<br />
sich die Ärzteverbände in einer Telefonkonferenz<br />
für eine Fortsetzung der Protestaktionen<br />
entschieden. „Diese Einigung<br />
darf aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass das grundsätzliche Problem von fehlenden<br />
festen Preisen und unbezahlten<br />
Leistungen der Ärzte und Psychotherapeuten<br />
damit nicht gelöst ist. Der Orientierungspunktwert<br />
ist immer noch unverändert“,<br />
kritisiert der Sprecher der Allianz der<br />
Berufsverbände, Dr. Dirk Heinrich. Die<br />
vorbereiteten und bereits geplanten Proteste<br />
sollen deshalb ein Zeichen dafür sein,<br />
dass die niedergelassenen Ärzte auf eine<br />
grundsätzliche Lösung dieser Probleme<br />
drängen.<br />
Protest trotz Einigung – Niedergelassene drängen auf<br />
grundsätzliche Lösung<br />
Die niedergelassene Ärzteschaft unterstützt<br />
nachhaltig die von der KBV aufgestellten<br />
langfristigen Forderungen, insbesondere<br />
feste Preise zu vereinbaren und sämtliche<br />
medizinische Leistungen in der Praxis zu<br />
bezahlen. Nur so kann es den Ärzten gelingen,<br />
die Versorgung der Patienten auf<br />
dem gewohnten hohen Niveau zu sichern.<br />
Die weitere Strategie der Ärzteverbände<br />
wird nach der Befragung der Vertragsärzteschaft<br />
festgelegt.<br />
© pix4U / Fotolia<br />
Die Allianz der Ärzteverbände hat sich für<br />
eine Fortsetzung der Protestaktionen entschieden.<br />
Neben dem langfristigen Wunsch<br />
nach einer transparenten Bezahlung der<br />
ärztlichen Leistung zu festen Preisen,<br />
wehren sich die Mediziner insbesondere<br />
gegen Eingriffe der Krankenkassen in die<br />
Therapiehoheit der Ärzte. „Immer wieder<br />
sind Ärzte von Regressen betroffen, wenn<br />
sie Arzneien oder Medikamente verschreiben,<br />
die – aus Sicht der Krankenkassen –<br />
zu teuer sind oder wenn von den Kassen<br />
andere Medikamente als die verordneten<br />
zur Behandlung vorgeschrieben werden.<br />
Das geht inzwischen so weit, dass Krankenkassen<br />
sich z. B. für Impfstoffe entscheiden,<br />
die dann gar nicht lieferbar sind.<br />
„Wir sind dafür ausgebildet, Patienten zu<br />
helfen – es darf nicht sein, dass Krankenkassen<br />
in unsere Therapien eingreifen.<br />
Damit gefährdet man die Gesundheit unserer<br />
Patientinnen und Patienten“, kritisiert<br />
Dr. Dirk Heinrich, Sprecher der Allianz der<br />
Ärzteverbände und Vorsitzender des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
<strong>Bund</strong>esweiter Aktionstag<br />
So nahmen schließlich am Aktionstag<br />
„Praxis ohne Helferin“ und bei den Praxisschließungen<br />
bundesweit zehntausende<br />
Praxen teil. In diesen Arztpraxen fand<br />
entweder ein eingeschränkter Betrieb statt,<br />
andere Praxen blieben ganztags zu. Trotz<br />
der zuvor erzielten Einigung zwischen<br />
Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung und<br />
dem Spitzenverband der Krankenkassen<br />
beteiligten sich zusätzlich bundesweit<br />
Tausende Medizinische Fachangestellte<br />
und Ärzte an über 30 Demonstrationen vor<br />
Krankenkassenzentralen im gesamten<br />
<strong>Bund</strong>esgebiet.<br />
„Heute haben wir einen eindrucksvollen<br />
Schulterschluss von Ärzten und Praxispersonal<br />
erlebt. Das sollte ein deutliches Signal<br />
an die Krankenkassen sein, dass<br />
Arzthonorare Praxishonorare sind und im<br />
Wesentlichen dazu dienen, den Betrieb der<br />
niedergelassenen Arztpraxen aufrecht zu<br />
erhalten“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Sprecher<br />
der Allianz der Ärzteverbände und<br />
Vorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Deshalb seien auch 0,9 Prozent Erhöhung<br />
für ärztliche Preise zu wenig, um die Kosten-<br />
und Preissteigerungen der letzten<br />
fünf Jahre auszugleichen. „Diese Preispolitik<br />
der Krankenkassen gefährdet mittelfristig<br />
auch die Arbeitsplätze von Arzthelferinnen<br />
und medizinischen Angestellten“,<br />
betont Dr. Heinrich. Auch die Arbeitsbedingungen<br />
sind für viele niedergelassene<br />
Ärzte unbefriedigend. „Der hohe – großteils<br />
durch die Krankenkassen verursachte<br />
– bürokratische Aufwand, Regressandrohungen<br />
und die Einschränkungen bei der<br />
Auswahl der Medikation behindern die<br />
Arbeit in den Praxen. Wir sind Ärzte und<br />
nicht Bürokraten“, appelliert Heinrich an<br />
die Adresse der Krankenkassen.<br />
Nächste Runde: die Regionen<br />
Nach der endgültigen Einigung zwischen<br />
der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
und dem Spitzenverband der Krankenkassen<br />
im Streit um die Honorare der niedergelassenen<br />
Vertragsärzte kündigt die Allianz<br />
deutscher Ärzteverbände an, über die<br />
einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen<br />
Druck auf die regionalen Verhandlungspartner<br />
auszuüben. „Es kommt jetzt darauf<br />
an, dass die Beschlüsse in den Ländern<br />
umgesetzt werden. Die Kassen stehen<br />
dafür in der Verantwortung“, so der Sprecher<br />
der Allianz und <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />
Die Landesgruppen der einzelnen Berufsverbände<br />
werden dafür in den kommenden<br />
Tagen Kontakt zu den Sprechern der Vertreterversammlungen<br />
der Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen (KVen) aufnehmen. Weiteren<br />
Input erhalten die KVen über die beratenden<br />
Fachausschüsse, in denen auch die<br />
Mitglieder der Verbände vertreten seien, so<br />
Dr. Heinrich. „Wir tragen unsere Forderungen<br />
jetzt in die Regionen. Die Landesvor-<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 13
sitzenden von über 30 Berufsverbänden<br />
werden gerade mobilisiert.“<br />
Ziel der regionalen Verhandlungen müsse<br />
sein, so der Sprecher der Ärzteallianz weiter,<br />
die im Honorarbeschluss bestehenden<br />
Spielräume maximal zugunsten der Versorgung<br />
der Patienten auszureizen. „Das<br />
Ergebnis der Honorarverhandlungen auf<br />
<strong>Bund</strong>esebene ist für viele Kolleginnen und<br />
Kollegen nicht zufriedenstellend. Das ist an<br />
vielen Stellen nachvollziehbar, wie der Blick<br />
in die Versorgungswirklichkeit zeigt. Wir<br />
Verbände werden daher nun ganz genau<br />
aufpassen, dass vom Minimal-Konsens, der<br />
zwischen Kassen und Ärzten erzielt worden<br />
ist, zum Schluss auch was in den Praxen<br />
ankommt.“<br />
nicht mehr mit den Dachverbänden aller<br />
gesetzlicher Krankenkassen, sondern mit<br />
einzelnen Krankenkassenarten zu verhandeln.<br />
Dies fordert zunächst der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />
Dirk Heinrich, angesichts der schwierigen<br />
Honorarverhandlungen in den <strong>Bund</strong>esländern.<br />
„Wir brauchen kassenspezifische<br />
Schule machen könnte dabei das Beispiel<br />
Hamburgs. Unter Federführung der örtlichen<br />
KV sollen in einer Vollversammlung<br />
aller niedergelassenen Ärzte und Praxismitarbeiter<br />
der Hansestadt die Ergebnisse der<br />
Verhandlungen diskutiert werden. „Als<br />
Hamburger Arzt unterstütze ich die Aktion.<br />
Das hält den Druck im Kessel. Die Kassen<br />
sollen merken, dass wir Niedergelassenen<br />
vor Problemen stehen, die uns bereits<br />
heute eine vernünftige Versorgung unmöglich<br />
machen. Und das wird sich mit dem<br />
Rückgang der Arztzahlen in den nächsten<br />
Jahren noch verschärfen“, sagt Dr. Heinrich.<br />
Sollten sich die regionalen Verhandlungen<br />
insgesamt negativ für die Vertragsärzte<br />
entwickeln, seien Protestaktionen der<br />
Verbände nicht ausgeschlossen. Beispielsweise<br />
könne die so genannte Politik der<br />
Nadelstiche fortgesetzt werden. „Das können<br />
wir jederzeit wieder anlaufen lassen“,<br />
so der Sprecher der Allianz.<br />
Forderung nach kassenspezifischen<br />
Verträgen<br />
Als weitere Konsequenz aus den Honorarverhandlungen<br />
stand schnell die Forderung<br />
im Raum, das ärztliche Honorar zukünftig<br />
Verträge und keine Einheitsverträge mit<br />
allen Kassenarten.“ Dies könne die in vielen<br />
Regionen zäh verlaufenden Verhandlungsrunden<br />
beschleunigen und für eine<br />
bessere Ausstattung der ambulanten Versorgung<br />
sorgen.<br />
Das derzeitige Kassenkartell, so Dr. Heinrich,<br />
habe nicht nur zu einer gefährlichen<br />
Schieflage in der gemeinsamen Selbstverwaltung<br />
geführt. „Alle Verträge, die jetzt<br />
abgeschlossen werden, bilden lediglich den<br />
kleinsten gemeinsamen Nenner der Kassen<br />
ab und entsprechen nicht der Diversität der<br />
Versichertenstruktur“, bemängelt Dr. Heinrich.<br />
Konkret bedeute dies, dass die Probleme<br />
einzelner Krankenkassen dazu führen,<br />
dass die Versorgung für alle GKV-Versicherten<br />
auf einem Niveau stehen bleibe,<br />
das deutlich höher sein könne. „Wer Wett-<br />
Regionale Verhandlungsrunden stehen an:<br />
Spielräume ausnutzen<br />
14
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Es geht ums Geld: Die Honorarverhandlungen<br />
laufen zäh in den Regionen<br />
Streitthema Ärztehonorare – Dr. Dirk Heinrich zu<br />
Gast bei „Hart aber fair“ im ARD-Fernsehen<br />
© Joachim Wendler / Fotolia<br />
© ARD<br />
bewerb will, muss ihn auch zulassen, ganz<br />
besonders dort, wo er für die Menschen zu<br />
einer spürbaren Verbesserung der ambulanten<br />
Versorgung in den Praxen führen<br />
könnte“, verlangt Dr. Dirk Heinrich.<br />
Die Verhandlungen über die Arzthonorare<br />
waren in mehreren <strong>Bund</strong>esländern, unter<br />
anderem in Hamburg, Bayern und Sachsen,<br />
ergebnislos abgebrochen worden und<br />
mussten im Schiedsverfahren fortgeführt<br />
werden. Grund für das Scheitern, so der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />
niedergelassenen Ärzte Deutschlands, sei<br />
die destruktive Verhandlungsführung der<br />
regionalen Krankenkassen: „Es gibt offenbar<br />
eine Gesamtstrategie, die die <strong>Bund</strong>esvereinbarung<br />
außer Kraft setzen soll. In<br />
vielen Ländern werden die Vorgaben einfach<br />
ignoriert. Sogar die fest vereinbarte<br />
Ausbudgetierung der Psychotherapie steht<br />
plötzlich wieder zur Disposition.“ Vor<br />
diesem Hintergrund seien die abgeschlossenen<br />
beziehungsweise kurz vor dem Abschluss<br />
stehenden Verhandlungen in Berlin<br />
und in Baden-Württemberg eine absolute<br />
Ausnahme.<br />
Entscheidend für einen erfolgreichen Honorarabschluss<br />
sei, dass sich in den Verträgen<br />
die wesentlichen Punkte des <strong>Bund</strong>esergebnisses<br />
widerspiegelten und von Kassenseite<br />
nicht versucht werde, unter dem<br />
von Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
und GKV-Spitzenverband im Oktober<br />
ausgehandelten Honorarkompromiss zu<br />
bleiben, unterstreicht Dr. Heinrich. „Leider<br />
sind wir davon in vielen Regionen weit<br />
entfernt, wo es mitunter schon an den einfachsten<br />
Umgangsregeln scheitert. Gemeinsame<br />
Selbstverwaltung geht anders.“<br />
Proteste in den Medien<br />
Bei Verhandlungen hängt viel von der<br />
Taktik und der Strategie der Kontrahenten<br />
ab. So wird verzögert oder beschleunigt,<br />
wenn es der jeweiligen Sache dient. Ansonsten<br />
gilt das Prinzip: Zugeständnisse<br />
nur für Gegenleistungen. Diese Regel<br />
kennt eine Ausnahme: Zeigen sich Bürger<br />
und Medien am Thema interessiert, wird es<br />
für die Verhandlungspartner ungemütlich.<br />
Der Druck auf alle Beteiligten steigt. Bei<br />
den jüngsten Honorarverhandlungen, die<br />
im Oktober nach wochenlangem Streit<br />
unerwartet plötzlich abgeschlossen wurden,<br />
lassen sich alle Determinanten eines<br />
schonungslosen Gefeilsches wiederfinden.<br />
Die Krankenkassen eröffneten den niedergelassenen<br />
Ärzten gleich zu Beginn, dass<br />
sie nicht mehr, sondern künftig weniger<br />
Honorar erhalten sollen. Dieser Tiefschlag<br />
mobilisierte die Praxisärzte. Es formierte<br />
sich Protest – über alle Fachgruppen hinweg,<br />
zwischen Verbänden und Körperschaften.<br />
In einer Urabstimmung zeigten<br />
sich 75 Prozent der Niedergelassenen<br />
bereit, ihre Praxen aus Protest zu schließen.<br />
Die Drohung kam bei den Kassen an, wie<br />
in der „Welt“ tags darauf zu lesen war:<br />
„Der Spitzenverband der Kassen bekräftigte<br />
den Willen, auf dem Verhandlungsweg zu<br />
einer Verständigung über die Honorare zu<br />
kommen.“ Die Aussicht auf lange Wartezeiten<br />
und verschlossene Praxen, wie sie in<br />
allen Medien zu hören war, verfehlte ihre<br />
Wirkung nicht. Nur einen Tag nach der<br />
Urabstimmung legten die Kassen ein neues<br />
Angebot auf den Tisch. Die mediale Berichterstattung<br />
hatte gehörig Schwung in<br />
die verfahrenen Verhandlungen gebracht.<br />
Als noch wirkungsvoller erwies sich der<br />
angekündigte „Tag ohne Helferinnen“ im<br />
Oktober 2012. Ärzteverbände hatten Praxisärzte<br />
und Medizinische Fachangestellte<br />
dazu aufgerufen, Kundgebungen vor örtlichen<br />
Krankenkassen-Filialen im ganzen<br />
Land zu veranstalten. Dabei sollte öffentlich<br />
gezeigt werden, dass die Vergütung<br />
ärztlicher Leistungen weit mehr als das<br />
Honorar des Arztes ist. Tausende Arbeitsplätze<br />
seien gefährdet, war auf den Transparenten<br />
der Demonstranten zu lesen.<br />
Diese Botschaft kam an: Einerseits bei den<br />
Medien, die im großen Stil über die eigentlich<br />
gar nicht so großen Kundgebungen<br />
15
erichteten. Und andererseits bei den<br />
Kassen, die nun immer mehr Druck zu<br />
spüren bekamen. Zwar seien die Proteste<br />
„überzogen und substanzlos“ und es stehe<br />
„genug Geld“ zur Verfügung, beschwichtigte<br />
ein Kassensprecher. Die wütenden<br />
Ärzte vor Ort diktierten den zahlreich angereisten<br />
Journalisten jedoch eine andere<br />
Wahrheit in die Notizbücher. Dr. Lothar<br />
Bleckmann, ein HNO-Arzt aus Kleve,<br />
kämpfe für eine „vernünftige Grundbezahlung“.<br />
Diese sei nicht vorhanden, sagte er<br />
der „Rheinischen Post“. Der Fehler liege im<br />
System, das mit Pauschalen statt festen<br />
Leistungsvergütungen grundsätzlich unfair<br />
sei.<br />
Dass es bei den Protesten nicht um den<br />
neuen Porsche für den Arzt gehe, wie die<br />
ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ im Sendungstitel<br />
provozierend nahe legte, kam<br />
bei fast allen Medien an. So hieß es in der<br />
„ARD-Tagesschau“, dass die Mediziner<br />
„nicht nur steigende Honorare, sondern<br />
auch eine Reform des Verteilungssystems<br />
fordern.“ Das „Heute-Journal“ des ZDF<br />
erläuterte am Beispiel des Kieler Allgemeinmediziners<br />
Matthias Seusing (Landesgruppenvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es Schleswig-Holstein), wie viel beziehungsweise<br />
wie erstaunlich wenig von den<br />
Pauschalen nach Abzügen übrig bleibt. So<br />
arbeite er oft gratis, während die Kosten<br />
für Mitarbeiter und Praxis stiegen. Und<br />
selbst ein als Großverdiener unter den<br />
Ärzten sonst in der Regel argwöhnisch<br />
beäugter Nephrologe, hatte Gelegenheit,<br />
schlüssig zu erklären, dass Hochleistungsmedizin<br />
nun mal viel Geld koste und nicht<br />
mir nichts, dir nichts umverteilt werden<br />
könne.<br />
Nicht alle Journalisten machten sich die<br />
Mühe, Hintergründe und Ursachen für die<br />
Unzufriedenheit der Ärzte zu recherchieren.<br />
Entsprechend einseitige Kommentare<br />
waren zu lesen, die auf die vermeintliche<br />
Gier der Mediziner abzielten. Andere Medien<br />
schauten gründlicher nach und beleuchteten<br />
die Wahrheit hinter der gern<br />
publizierten Fassade der quengelnden<br />
Hochverdiener. So kommentierte die Zeit:<br />
„Der Streit um die Ärztehonorare ist nur<br />
ein Nebenschauplatz. Das gesamte System<br />
ist Irrsinn und muss sich dringend zum<br />
Wohle der Patienten ändern.“ Ähnlich<br />
differenziert analysierte der „Deutschlandfunk“<br />
die Lage. Demnach seien die gern<br />
bemühten Golfplatz-Vergleiche nur die<br />
halbe Wahrheit. „Wenn wir also wollen,<br />
dass es auch in Neukölln, Wilhelmsburg<br />
und Neuperlach, aber auch im bayrischen<br />
Wald oder am Oderhaff künftig gute niedergelassene<br />
Ärzte gibt, die auch noch Zeit<br />
finden, mit ihren Patienten zu reden, müssen<br />
wir sie so bezahlen, wie nun einmal ihr<br />
Marktwert ist. Dazu genügt es nicht, die<br />
Ärztehonorare weit unterhalb der Inflationsrate<br />
anzuheben“, so Andreas Baum im<br />
„Deutschlandfunk“.<br />
Verhältnis zu Kassen bleibt kritisch<br />
Dass die Honorarauseinandersetzung die<br />
scharfen arztkritschen Töne der Kassen<br />
nicht beendet und das Verhältnis der Ärzteschaft<br />
zu den Krankenkassen nachhaltig<br />
beschädigt hat, zeigte sich im weiteren<br />
Verlauf: So wurde Dr. Jürgen Graalmann,<br />
AOK-<strong>Bund</strong>esverbandschef, in der Welt<br />
zitiert mit den Worten: „Es ist immer dasselbe<br />
Lied. Im Gesundheitswesen fordern<br />
alle Akteure reihum mehr Geld. Im Herbst<br />
kommen immer die Ärzte, im Winter die<br />
Apotheker, im Frühling die Krankenhäuser<br />
und im Sommer die Pharmaindustrie.<br />
Besonders schlimm ist es in Wahljahren.“<br />
Auf diese Auslassungen reagierte der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> umgehend mit dem Kommentar,<br />
der Kassenboss habe „merkwürdige<br />
Ansichten zur gemeinsamen Selbstverwaltung.“<br />
Statt bereits Monate vor Verhandlungsbeginn<br />
gegen die Honorarforderungen<br />
der Niedergelassenen zu wettern, solle<br />
sich der AOK-Chef über die Ursachen der<br />
desolaten Finanzlage vieler Versorgerpraxen<br />
Gedanken machen, so Dr. Heinrich.<br />
„Kein Arzt protestiert aus langer Weile oder<br />
© AOK-Mediendienst © AOK-Mediendienst<br />
Pauschale Kritik an ärztlichen Forderungen –<br />
AOK-Vorstand Dr. Jürgen Graalmann<br />
„Merkwürdige Doppelzüngigkeit“ – Uwe Deh,<br />
AOK-Vorstandsmitglied<br />
16
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
um sich einen neuen Sportwagen zuzulegen.<br />
Viele Praxen der grundversorgenden<br />
Fachgruppen können bereits seit Jahren<br />
nicht mehr genug in neue Geräte oder<br />
weitere Mitarbeiter investieren.“ Wer diese<br />
Nöte als turnusgemäßes Jammern abtue,<br />
unterstreiche seine Blockadementalität und<br />
verhöhne das hohe Gut der gemeinsamen<br />
Selbstverwaltung aus Krankenkassen und<br />
Ärzten, kommentiert Dr. Heinrich die Aussagen<br />
des AOK-Vorstandes.<br />
Darüber hinaus seien die niedergelassenen<br />
Ärzte keine Bittsteller, erklärt der Verbandsvorsitzende.<br />
Sie sicherten mit ihren<br />
fast 100.000 Praxen die flächendeckende<br />
ambulante Versorgung. Die Aufgabe der<br />
Krankenkassen liege in der ausreichenden<br />
und angemessenen Finanzierung der ambulanten<br />
Versorgung und nicht in deren<br />
Abwehr. „Deshalb finden die jährlichen<br />
Honorarverhandlungen statt. Steigende<br />
Kosten und Mehrleistungen durch eine<br />
kränkere Bevölkerung erfordern Mehrausgaben<br />
für die ambulante Medizin. Wer dies<br />
nicht will, muss seinen Versicherten auch<br />
die Folgen erklären: nämlich Wartelisten<br />
und Zuteilungsmedizin nach Kassenlage“,<br />
so Dr. Heinrich.<br />
Am gemeinsamen Verständnis der Kassen<br />
von Selbstverwaltung zweifelt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
schon lange: „Das Kartell der Kassen ist<br />
inzwischen so selbstbewusst, dass es nun<br />
alle seine Partner der Leistungserbringerseite<br />
reihum diskreditiert. Es ist jedenfalls<br />
kein Ausdruck von Partnerschaft, sein<br />
Gegenüber auf Reflexe und Habgier zu<br />
reduzieren“, betont Dr. Heinrich.<br />
Weitere Beispiele gefällig? Immer wieder<br />
geraten Ärzteschaft und Krankenkassen<br />
aneinander, meist durch gezielte Provokationen<br />
der Kassenseite. So fordert der Vize-<br />
Chef des AOK-<strong>Bund</strong>esverbandes, Uwe Deh,<br />
auf der KBV-Versorgermesse mit treuen<br />
Augen, die ambulante Versorgung solle<br />
doch stärker auf Ergebnisqualität ausgerichtet<br />
sein. Sein eigenes Haus hatte er<br />
dabei wohl aus dem Blick verloren, denn<br />
auf der anderen Seite schließt ausgerechnet<br />
die AOK aber einen Vertrag zur Hörgeräteversorgung<br />
allein durch Hörgeräteakustiker<br />
unter Umgehung der HNO-Ärzte und<br />
im Widerspruch zu den Qualitätssicherungs-Richtlinien<br />
zur Hörgeräteversorgung.<br />
Die in den Richtlinien vorgeschriebene<br />
Qualitätssicherung, insbesondere auf die<br />
Ergebnisqualität hin, wird dadurch unmöglich<br />
gemacht. Dabei hatten sich die Krankenkassen<br />
bereits bei der Implementierung<br />
der Qualitätssicherungs-Richtlinien geweigert,<br />
dies entsprechend zu honorieren. „Ein<br />
solches Vorgehen empfinden die niedergelassenen<br />
Ärzte als heuchlerisch“, so Dr.<br />
Dirk Heinrich und attestierte Deh eine<br />
„merkwürdige Doppelzüngigkeit“.<br />
„Wer eine bessere Ergebnisqualität in der<br />
ambulanten Versorgung fordert, sollte<br />
zunächst seine Hausaufgaben machen und<br />
vor allem nicht entgegen der eigenen<br />
Sonntagsreden handeln“, fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Zudem könne das AOK-System mit seiner<br />
Marktmacht als gutes Beispiel vorangehen:<br />
„Warum ist die AOK denn nicht der<br />
Schrittmacher bei qualitätsbezogenen<br />
Innovationen, wie beispielsweise bei der<br />
Förderung von Qualitäts-Ärztenetzen nach<br />
§ 87b SGB V? Hier kann die AOK zeigen,<br />
dass sie Ergebnisqualität nicht nur fordern,<br />
sondern auch fördern kann“, erklärt Dr.<br />
Heinrich.<br />
„Wir werden die AOK jedenfalls beim Wort<br />
nehmen, und darauf achten, dass sie bei<br />
Innovationen in der Versorgung nicht nur<br />
im Bremserhäuschen sitzt, sondern auch<br />
einmal aufs Gaspedal tritt“, so der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>-Vorsitzende.<br />
Kassenkampagne hält an<br />
Auf die Anmerkung, sie verhielten sich wie<br />
ein altes Ehepaar, reagierten KBV-Chef Dr.<br />
Andreas Köhler und Dr. Manfred Partsch<br />
vom GKV-Spitzenverband (SpiBu) bei einer<br />
Diskussionsrunde der Versorgungsmesse<br />
der KBV im April mit eisigem Lächeln. Der<br />
Auflockerungsversuch war gescheitert. Zu<br />
tief ist der Graben zwischen Kassen und<br />
Ärzten. Statt das Gemeinsame der Selbstverwaltung<br />
zu suchen und die Versorgung<br />
voranzubringen, dominieren Argwohn,<br />
Streit und Diskreditierung. Taktangebend<br />
dabei: Der übermächtige Dachverband der<br />
Krankenkassen.<br />
Zahlreiche Besucher sind der Einladung zur<br />
KBV Messe in die Berliner Friedrichstraße<br />
gefolgt. Es geht um zukunftsweisende<br />
Versorgungskonzepte und die Frage, wie<br />
Kooperationen im Gesundheitswesen vorangebracht<br />
werden können, wie es sich<br />
einrichten lässt, dass Ärzte, Kassen und<br />
andere Leistungserbringer zukünftig besser<br />
miteinander zusammenarbeiten. Die Veranstaltung<br />
richtet sich an Querdenker. Es soll<br />
voraus geschaut werden.<br />
Doch gleich zum Auftakt bekommt die<br />
konstruktive Atmosphäre einen empfindlichen<br />
Dämpfer: Statt die bisherigen Qualitätsanstrengungen<br />
der Ärzteschaft zu<br />
honorieren, fordert AOK-Vorstand Uwe<br />
Deh, dass sich die ambulante Versorgung<br />
mehr auf Ergebnisqualität ausrichten müsse<br />
– eine kalkulierte Provokation des Kassen-Chefs.<br />
Die Anwesenden trauen ihren<br />
Ohren nicht. KBV-Chef Köhler läuft rot an.<br />
„Es hätte ein schöner Abend werden können“,<br />
presst der Ärztevertreter hervor. Die<br />
folgende Diskussion dreht sich um die<br />
alten Streitpunkte zwischen Struktur- und<br />
Ergebnisqualität und darum, ob bessere<br />
Leistungserbringung auch besser vergütet<br />
werden muss. Die Zuhörer werden Zeuge<br />
des mittlerweile ritualisierten Spiels aus<br />
Provokation und Zurückweisung zwischen<br />
Kassen und Ärzten. Von Innovation ist<br />
nichts zu spüren. Im Nachgang attestiert<br />
der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, Deh eine „merkwürdige<br />
Doppelzüngigkeit“. Beispielsweise<br />
bei der Hörgeräteversorgung weiche die<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 17
AOK auf die günstigeren Hörgeräteakustiker<br />
aus – ein Widerspruch zu den Qualitätssicherungs-<br />
Richtlinien der Hörgeräteversorgung.<br />
Den Kassenstrategen kann’s<br />
egal sein: Der Seitenhieb saß.<br />
Noch deutlich aggressiver gebiert sich der<br />
GKV-Spitzenverband beim Thema Korruption<br />
im Gesundheitswesen. Seit Ende 2012<br />
lassen die Kassen keine Gelegenheit aus,<br />
auf das vermeintlich zahlreiche Fehlverhalten<br />
der Leistungserbringer hinzuweisen.<br />
Besonders im Fokus stehen dabei die Ärzte.<br />
Was bislang fehlt, sind Beweise für die<br />
massiven Anschuldigungen. Die soll nun<br />
ein Portal auf der Internetseite des SpiBu<br />
liefern. Die Besucher der Seite werden<br />
aufgefordert, Fälle von Fehlverhalten im<br />
Gesundheitswesen anonym zu melden.<br />
Abgefragt werden „Tatverdächtige Personen<br />
und/oder Einrichtungen“ und „Angaben<br />
zu Tatort und Tatzeit“. „Allein die<br />
Formulierung der Fragen verunglimpft die<br />
Ärzteschaft aufs Übelste“, ärgert sich Dr.<br />
Heinrich. Das Portal sei der ideale Ort für<br />
anonyme Denunzianten. Es handele sich<br />
um reine Stimmungsmache gegen die<br />
Ärzte.<br />
Tatsächlich ist der Schaden durch Falschabrechnungen<br />
von ambulant tätigen Ärzten<br />
verschwindend gering, wie ein Korruptions-Bericht<br />
der DAK offenbart. Im Report<br />
des zehnköpfigen Ermittlungsteams spricht<br />
die Hamburger Kasse von 1800 ungeprüften<br />
Hinweisen auf Abrechnungsbetrug im<br />
Jahr 2012, die aber lediglich zu zwölf<br />
Prozent Ärzte betreffen. Alle anderen entfielen<br />
auf Physiotherapie, Pflege und Arzneimittel.<br />
Die darauf erfolgten Rückforderungen<br />
gegen Ärzte beliefen sich auf<br />
130.000 Euro, also 0,05 Promille der Gesamtausgaben<br />
für die ärztliche Behandlung<br />
der DAK. „Die DAK-Zahlen zeigen<br />
den tatsächlich geringen Umfang des<br />
Problems. Obwohl es sicherlich schwarze<br />
Schafe gibt, ist Fehlverhalten bei Ärzten<br />
äußerst selten“, konstatiert Dr. Dirk Heinrich.<br />
Es werde mit Kanonen auf Spatzen<br />
© Mopic / Fotolia<br />
geschossen. Das aggressive Treiben der<br />
Krankenkassen wird unterdessen auch im<br />
<strong>Bund</strong>esgesundheitsministerium registriert.<br />
Bei einem Interview mit der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung Bayerns äußerte sich<br />
Gesundheitsminister Daniel Bahr kritisch<br />
gegenüber der Machtkonzentration beim<br />
GKV-Spitzenverband. „Es gibt hier durchaus<br />
eine Diskrepanz zwischen dem, was<br />
einzelne Krankenkassenchefs mir sagen<br />
Gegeneinander statt Miteinander – Das Verhältnis zwischen<br />
Krankenkassen und Ärzten ist angespannt<br />
und den Positionen, die der GKV-Spitzenverband<br />
vertritt“, so Bahr.<br />
<strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />
Vom Gang in die Entmündigung<br />
Über den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen<br />
diskutierten Delegierte<br />
und Gäste des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es im<br />
Rahmen der öffentlichen Veranstaltung<br />
seiner <strong>Bund</strong>eshauptversammlung Mitte<br />
November 2012. Professor Dr. Paul Unschuld<br />
wagte dabei die These, dass der<br />
Arztberuf kurz vor seiner Entmündigung<br />
stehe. Droht der Ärzteschaft eine „Halbgötter-Dämmerung“?<br />
Dieser Frage widmete<br />
sich der Professor für Human- und<br />
Gesundheitswissenschaften am Horst-<br />
Görtz-Stiftungsinstitut der Berliner Charité.<br />
Der bereits provokanten Überschrift<br />
aus der „Zeit“ ließ Unschuld ebenso<br />
provokante Thesen folgen.<br />
Das Gesundheitswesen habe einen bemerkenswerten<br />
Umbruch zu verzeichnen. Die<br />
Gesundheit selbst werde zur Ware, die<br />
nicht etwa vom Patienten, sondern vom<br />
„Kunden“ nachgefragt wird. Ärzte denaturieren<br />
somit laut Unschuld von Heilern und<br />
Helfern zu Dienstleistern und Verwaltern<br />
des Mangels. Betrachte man die in immer<br />
kürzerer Taktung folgenden Gesundheitsreformen<br />
mit einem ständig steigenden<br />
Bedarf an Dokumentation und Bürokratisierung,<br />
könnte man die Ärzte heute sogar<br />
beinahe schon als Handlanger der Politik<br />
beschreiben. Insgesamt bezeichnete Unschuld<br />
die Entwicklung der letzten Jahre<br />
als den gesellschaftlichen Prozess einer<br />
Deprofessionalisierung, der letztlich zur<br />
Entmündigung des Arztberufes führe.<br />
Ärzte hätten heute kaum noch etwas selbst<br />
in der Hand. Das Wissen der Medizin, das<br />
ursprünglich von den Ärzten selbst geschaffen<br />
wurde, stamme heute in vielen<br />
Bereichen aus der Industrie und sei damit<br />
immer auch an Produkte und die diesen<br />
folgenden Renditeerwartungen geknüpft.<br />
Ähnlich verhalte sich dies mit der Anwendung<br />
des Wissens. Auch hier stünden<br />
Renditen beziehungsweise Sparzwänge im<br />
Vordergrund. Dahinter falle die eigentlich<br />
wesentliche Ethik des Arztes, die all sein<br />
Handeln bestimmen sollte, aufgrund ökonomischer<br />
und gesetzlicher Vorgaben<br />
zurück. Kaum Einfluss auf ihre Vergütung<br />
hätten die Ärzte schließlich trotz der Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen, so Unschuld.<br />
In diesem Segment hätten die Krankenkassen<br />
und natürlich die Politik deutlich mehr<br />
Entscheidungsbefugnisse.<br />
Gründe für diesen schleichenden Niedergang<br />
des Arztberufes machte der Gesundheitswissenschaftler<br />
an der sich wandelnden<br />
Gesellschaft, globalisierten ökonomischen<br />
Strukturen und an der zumindest in<br />
Europa feststellbaren rückläufigen Bedeutung<br />
der Nationalstaaten fest. Vom Ende<br />
18 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
des 18. bis hin in das 20. Jahrhundert galt<br />
die These, dass ein starker Staat immer<br />
auch ein gesunder Staat sein müsse. Die<br />
überall aufsprießenden Manufakturen und<br />
späteren industriellen Betriebe benötigten<br />
gesunde Arbeiter, um erfolgreich zu bestehen.<br />
Die Gesundheit der Bevölkerung<br />
(„Volksgesundheit“) war daher Voraussetzung<br />
für wirtschaftlichen Aufschwung und<br />
gesellschaftliche Prosperität. Gesunde<br />
Soldaten brauchten auch die Volksheere,<br />
die alle europäischen Nationalstaaten<br />
aufbauten, um die immer wiederkehrenden<br />
Auseinandersetzungen auch kriegerisch zu<br />
lösen. Nur mit einem großen Volksheer,<br />
getragen von gesunden Soldaten, konnte<br />
ein Nationalstaat seinen Machtbereich<br />
erweitern und so an Stärke und Größe<br />
zulegen. Gesundheit, so Unschuld, war<br />
daher auch Mittel zum Zweck – der Sicherstellung<br />
eines starken Staates. Vor diesem<br />
Hintergrund werde erklärbar, warum Rudolf<br />
<strong>Virchow</strong> seinerzeit Politik als „Medizin<br />
im Großen“ bezeichnete. Dieses Gedankengut<br />
sei es schließlich auch gewesen, das<br />
die öffentliche Gesundheitspflege erst<br />
ermöglichte. Von der seinerzeit hohen<br />
Bedeutung der „Volksgesundheit“ profitierten<br />
auch die Ärzte. Sie hatten das Mandat,<br />
sich für die gesundheitlichen Interessen<br />
der Gesamtbevölkerung einzusetzen<br />
und damit das Privileg, den Herrschenden<br />
und Besitzenden auch unangenehme Fragen<br />
stellen zu dürfen.<br />
Engagierter Redner für die Freiberuflichkeit – Prof. Paul Unschuld beim Vortrag vor den Delegierten<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Heute jedoch sei die Situation eine völlig<br />
andere, stellte Unschuld fest. Zum einen<br />
seien angesichts multinationaler Einsatzkräfte<br />
keine großen Volksheere mehr erforderlich,<br />
zum anderen stünden mehr als<br />
genügend gesunde Arbeitskräfte zur Verfügung.<br />
Die einstmals große Bedeutung einer<br />
gesunden Bevölkerung in allen Schichten<br />
für die wirtschaftliche und militärische<br />
Stärke des Nationalstaates sei daher heute<br />
nicht mehr gegeben. Als Beispiel nannte er<br />
den Fluglärm, der ohne Frage massive<br />
negative Auswirkungen auf die Gesundheit<br />
der Menschen in Einflugschneisen ausübe,<br />
dennoch aber aufgrund ökonomischer<br />
Argumente auch von staatlichen Einrichtungen<br />
und Behörden akzeptiert werde.<br />
Insgesamt sei der Druck auf die Politik<br />
gesunken, Gesundheit für alle – notfalls<br />
auch mit Zwang – durchzusetzen. Gesundheit<br />
sei heute vielmehr wieder das geworden,<br />
was sie schon vor dem 18. Jahrhundert<br />
war: ein Selbstzweck. „Wer gesund<br />
sein und bleiben möchte, soll sich bitte<br />
selbst darum kümmern“, erklärte Unschuld.<br />
„Die Politik zieht sich allmählich zurück.<br />
Nicht von einem Tag auf den anderen,<br />
aber allmählich.“<br />
Vom Gesundheitswesen zur<br />
Gesundheitswirtschaft<br />
Konsequenzen sah Unschuld aber bereits<br />
reichlich. Das Gesundheitswesen, so seine<br />
These, werde zu einer eigenen Marktwirtschaft,<br />
die neue Akteure in den Entscheidungszentren<br />
erfordere. Ärzte und Apotheker<br />
seien zwar so ausgebildet, dass sie ihre<br />
Patienten und Kunden sowohl fachlich als<br />
auch ethisch behandeln und beraten können.<br />
Das heute immer stärker abgefragte<br />
Renditedenken hätten die beiden Berufsgruppen<br />
aber nicht gelernt und würden<br />
19
daher immer stärker an den Rand des<br />
Gesundheitswesens gedrängt. Immer stärker<br />
in den Vordergrund gerieten dagegen<br />
die Krankenkassen, die ihre ursprüngliche<br />
Rolle als Mittler zwischen Beitragszahlern<br />
und Heilkundigen verlassen hätten. Bei<br />
den Kassen sind nach Unschuld zwei<br />
Trends auszumachen:<br />
• Sie werden zunehmend zu eigenständig<br />
operierenden Agenten, die einen nicht<br />
unerheblichen Teil der über die Pflichtbeiträge<br />
eingezahlten Gelder für ihre<br />
Eigeninteressen zurückbehielten.<br />
• Zudem entwickelten die Kassen eigene<br />
Gewinninteressen. Sie gäben nicht nur<br />
„Unsummen für Werbung und Verwaltung“<br />
aus, sondern hätten auch gelernt,<br />
bestimmte Krankheiten als lukrativ zu<br />
sehen.<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Gespannte Aufmerksamkeit im Saal – Gäste und Delegierte verfolgen den Vortrag Prof. Unschulds<br />
Mit letzterer These griff der Gesundheitswissenschaftler<br />
den Umgang der Krankenkassen<br />
mit dem Morbiditäts-Risiko- Strukturausgleich<br />
(Morbi-RSA) auf. Der Gesundheitsfonds<br />
ermuntere die einzelnen Kassen<br />
geradezu, ihre Patienten kränker aussehen<br />
zu lassen, um möglichst viel Geld aus dem<br />
Fonds zu erhalten, postulierte Unschuld,<br />
der in diesem Zusammenhang von einer<br />
„zielgerichteten Verkrankung der Versicherten“<br />
sprach. Für eine bestimmte Zahl<br />
von Indikationen bekommen die Kassen<br />
pro Versichertem, der an diesen Krankheiten<br />
leidet, eine Pauschale zugewiesen.<br />
Letztlich könne ein Erkrankter, dessen<br />
Behandlungskosten deutlich unter den<br />
vom Morbi-RSA festgelegten Durchschnittstherapiekosten<br />
lägen, so sogar<br />
lukrativer sein, als gesunde Patienten. Ein<br />
Paradoxon – denn erstmals in der Geschichte<br />
der modernen Zivilisation sei<br />
Krankheit damit volkswirtschaftlich wertvoller<br />
als Gesundheit.<br />
In diesem Sinne sei es auch kaum verwunderlich,<br />
dass man heute nicht mehr vom<br />
Gesundheitswesen, sondern von der Gesundheitswirtschaft<br />
spreche, in der Medizin<br />
zumindest in den Augen einiger Akteure<br />
ein Konsumgut ist. Und dem werden so<br />
exzellente Wachstumschancen beigemessen,<br />
dass sich zunehmend private Investoren<br />
in der Gesundheitswirtschaft engagieren.<br />
Für die Ärzte bedeute das den Gang in<br />
die Abhängigkeit, den Unschuld mit verschiedenen<br />
Faktoren markierte:<br />
• Fallpauschalen – DRGs<br />
• „Verkrankungssoftware“<br />
• „Aufwandsentschädigungen“ statt Vergütung<br />
• Mythos „Evidence based Medicine“<br />
• Amortisations- und Renditezwang sowie<br />
• Umsatzsteigerungen durch stationäre<br />
Patienten.<br />
Die angestrebte Werbung für verschreibungspflichtige<br />
Arzneimittel und die wie<br />
eine Monstranz vorangetragene Patientensouveränität<br />
würden das Bild komplettieren.<br />
Insgesamt werde der Gesundheitsmarkt<br />
immer weniger von Experten,<br />
dafür aber immer stärker von Laien und<br />
vor allem von Investoren dominiert. Der<br />
Shareholder-Value stehe so an oberster<br />
Stelle.<br />
20
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Für Unschuld steht die Auswirkung fest:<br />
„Der Preis, den wir alle zahlen als Kunden<br />
einer Gesundheitswirtschaft, ist der Verlust<br />
des Vertrauens.“ Angesichts der Ausrichtung<br />
auf Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />
sei der Begriff Krankheitswirtschaft<br />
ohnehin zutreffender. Die Patienten<br />
stellten sich so zunehmend die Frage, ob<br />
ein medizinischer Eingriff tatsächlich aus<br />
medizinisch fachlichen Erwägungen oder<br />
doch eher aus Renditeüberlegungen unternommen<br />
werde. Es gebe keine wirkliche<br />
Gewissheit mehr für den Patienten, dass<br />
der eigene Arzt, die Klinik oder staatliche<br />
Maßgaben tatsächlich den Kriterien bester<br />
medizinischer Versorgung folgten. Vor<br />
diesem Hintergrund seien sowohl Politik<br />
als auch die Standesvertretung der Ärzteschaft<br />
gefordert. Natürlich müsse die Politik<br />
gegen Verschwendung und gegen die<br />
Viele Fragen aus dem Publikum – Prof. Harald Mau, Vorsitzender der Landesgruppe Berlin-Brandenburg<br />
unsachgemäße Verwendung der verfügbaren<br />
Mittel eintreten, so Unschuld. Sie müsse<br />
aber auch verhindern, dass das Gesundheitswesen<br />
zum Rendite-Quell denaturiere,<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
dem die medizinisch-fachlichen und medizinisch-ethischen<br />
Kriterien nachgeordnet<br />
sind. Die standespolitische Aufgabe der<br />
Ärzteschaft sei es darüber hinaus, die Anwaltschaft<br />
für die Patienten überzeugend<br />
wieder zu erlangen. Es dürfe kein Zweifel<br />
daran bestehen, dass der Arzt immer zuerst<br />
an die Gesundheit des Patienten denke<br />
und erst in zweiter Linie an seinen ökonomischen<br />
Erfolg. Letztlich geht es dabei um<br />
die Frage, wie Ökonomie und Ethik in<br />
Einklang zu bringen seien. Eine Frage, die<br />
sicher nicht nur den <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
weiter beschäftigen wird.<br />
„Medizinethik für Kassenfunktionäre“<br />
Nach dem heißen Herbst der Honorarproteste<br />
bleibt die Stimmung unter den Ärzten<br />
aufgeheizt. Dabei geht es nicht allein<br />
um die Höhe der Vergütung in den kommenden<br />
Jahren. Es geht um die Frage, wie<br />
die gemeinsame Selbstverwaltung von<br />
Medizinern und Krankenkassen fortgeführt<br />
werden kann. Bei der <strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
machte Dr. Dirk Heinrich klar, dass dies nur<br />
mit einer Partnerschaft auf Augenhöhe<br />
gelingen könne. Von dieser jedoch, so der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende, hätten sich die Kassen<br />
weit entfernt. Angesichts des Zerwürfnisses<br />
zwischen Niedergelassenen und Krankenkassen<br />
schwor Dr. Heinrich die Delegierten<br />
auf kämpferische Zeiten ein. Wie einst Herkules<br />
schier unlösbare Aufgaben zu bewältigen<br />
gehabt hätte, stünde die Ärzteschaft<br />
vor enormen Herausforderungen unter<br />
ungünstigen Rahmenbedingungen. Zunächst<br />
gelte es, so Dr. Heinrich, den Stall<br />
des Augias, verkörpert durch den Spitzenverband<br />
der gesetzlichen Krankenkassen,<br />
auszumisten. Heinrich kritisierte die Studie<br />
zu angeblichen Fangprämien für Krankenhauseinweisungen,<br />
die einseitig geführte<br />
Diskussion über Individuelle Gesundheitsleistungen<br />
sowie das Auftragsgutachten<br />
der Beratungsgesellschaft Prognos, das<br />
eine Absenkung der Ärztehonorare um<br />
sieben Prozent empfohlen hatte. „Diese<br />
Kampagne gegen die Ärzteschaft läuft<br />
21
schon seit einem Jahr und es ist kein Ende<br />
abzusehen“, ärgerte sich Dr. Heinrich.<br />
Wie Krankenkassen tatsächlich arbeiteten,<br />
habe sich hingegen beim Grippeimpfstoffskandal<br />
gezeigt. Dank schlecht verhandelter<br />
Rabattverträge und einem Lieferengpass<br />
beim Hersteller des Serums verzögerte sich<br />
der Impfbeginn in drei <strong>Bund</strong>esländern um<br />
mehrere Wochen. Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
forderte angesichts dessen, derartige Rabattverträge<br />
für die Zukunft auszuschließen.<br />
„Es kann nicht sein, dass durch<br />
schlecht gemachte Verträge die Impfrate<br />
der Bevölkerung absinkt und dadurch eine<br />
steigende Sterblichkeit zu beklagen sein<br />
wird.“ Ähnlich skandalös habe sich die<br />
KKH-Allianz verhalten. Dort waren Ende<br />
Oktober schwer kranke Versicherte zum<br />
Kassenwechsel gedrängt worden. „Das hat<br />
mit Versorgungsverantwortung nichts zu<br />
tun“, kritisierte der Vorsitzende des Verbandes<br />
der niedergelassenen Ärzte<br />
Deutschlands. Darüber hinaus zeigten sich<br />
grundsätzliche Probleme in der gemeinsamen<br />
Selbstverwaltung. Statt die ärztlichen<br />
Leistungen anzuerkennen, fehle bei den<br />
Krankenkassen jegliche Wertschätzung für<br />
das Engagement der Ärzte. Stattdessen<br />
seien immer weitreichendere Einflussversuche<br />
in die Diagnose- und Therapiefreiheit<br />
an der Tagesordnung. Heinrich: „Die Krankenkassen<br />
haben sich von einem Partner<br />
der Selbstverwaltung zu einem Monopolisten<br />
entwickelt, der meint, er könne machen,<br />
was er will.“ Das ginge jedoch auf<br />
Dauer nicht mehr, betonte der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />
„Wenn man meint, in der Versorgung<br />
der Patienten mitzumischen, dann<br />
muss man sich den gleichen ethischen<br />
Anforderungen wie die Ärzte stellen.“<br />
Heinrich forderte daher eine „Medizinethik<br />
für Kassenfunktionäre“. Aufgabe der Politik<br />
sei es, an dieser Stelle genauer hinzuschauen.<br />
Rückblickend auf den Honorarstreit mit<br />
dem GKV-Spitzenverband stellte Dr. Heinrich<br />
fest: „Der Protest ist gelungen, weil es<br />
einen Zusammenschluss von 30 ärztlichen<br />
Verbänden und einen Schulterschluss mit<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen<br />
gegeben hat.“ Dennoch seien viele<br />
Grundprobleme ungelöst. Statt fester Preise<br />
gebe es immer noch quotierte Auszahlungen<br />
und Budgets. Die Bürokratie beanspruche<br />
nach wie vor wertvolle Zeit, die<br />
Dr. Dirk Heinrich: „Es kann nicht sein, dass den Krankenkassen Ethik egal ist.“<br />
Dr. Heinrich: Protest ist gelungen, weil Ärzteschaft zusammengestanden hat.<br />
22
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
nicht für die Behandlung der Patienten zur<br />
Verfügung stehe. 90 Prozent der strittigen<br />
Honorarentscheidungen würden im Schiedsamt<br />
getroffen. Obendrein zeichne sich in<br />
den regionalen Honorarverhandlungen ab,<br />
dass die Kassen nicht bereit seien, dass<br />
<strong>Bund</strong>esergebnis zu erfüllen. „Es wird darauf<br />
ankommen, in den Regionen Druck zu<br />
machen“, wandte sich Heinrich an die<br />
Delegierten.<br />
Hilfreich sei in diesem Zusammenhang der<br />
Vorstoß der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung,<br />
ihre Mitglieder zum Sicherstellungsauftrag<br />
zu befragen. Dr. Heinrich<br />
forderte alle Ärzte dazu auf, an der Umfrage<br />
teilzunehmen. Diese Grundfrage müsse<br />
jetzt gestellt werden, „weil es so nicht<br />
mehr weitergehen kann.“ Als Rahmenvorgabe<br />
für eine Fortführung der Sicherstellung<br />
warb Heinrich für den Forderungskatalog<br />
der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung,<br />
der im Oktober von KBV-Chef<br />
Köhler aufgestellt worden war. „Nächstes<br />
Jahr werden wir nicht über den Orientierungspunktwert,<br />
sondern über das Sieben-<br />
Punkte-Programm streiten“, prognostizierte<br />
Heinrich. Ebenfalls mit Blick auf das<br />
Wahljahr 2013 und eine mögliche neue<br />
Regierungskoalition unterstrich der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
darüber hinaus, wie wichtig<br />
es sei, den Wert der ärztlichen Freiberuflichkeit<br />
an die jungen Kollegen weiterzugeben<br />
und der Bevölkerung zu vermitteln.<br />
Dies sei in den letzten Jahren immer mehr<br />
verloren gegangen. „Letzten Endes geht es<br />
um den Schutz der Patienten“, betonte Dr.<br />
Heinrich. „Es kann nicht sein, dass den<br />
Krankenkassen Ethik egal ist.“<br />
BHV-Beschlüsse<br />
Freiberuflichkeit,<br />
Honorarreform,<br />
ambulante Weiterbildung<br />
Kernthemen der diesjährigen Entschließungen<br />
waren die ärztliche Freiberuflichkeit,<br />
die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens<br />
sowie die Anforderungen an<br />
eine zukünftige Honorarreform. Außerdem<br />
befassten sich die Delegierten mit der<br />
zunehmend ärztefeindlichen Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Krankenkassen und der<br />
Arzneimittelverordnung nach Krankenhausaufenthalten.<br />
Durch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens,<br />
den steigenden Einfluss von<br />
Krankenkassen, Gesundheitsökonomen<br />
sowie Krankenhaus- und Gesundheitskonzernen<br />
auf die Versorgung, aber auch<br />
durch die zunehmenden Eingriffe der<br />
Politik verliert die ärztliche Freiberuflichkeit<br />
seit Jahren schleichend an Wertschätzung.<br />
Erhalt der Freiberuflichkeit<br />
Der <strong>Bund</strong>esgerichtshof schützt in seinem<br />
Grundsatzurteil vom 29.03.2012 sowohl<br />
das Vertrauensverhältnis zwischen Patient<br />
und Arzt als auch die ärztliche Freiberuflichkeit.<br />
Auf dieses höchstrichterlich geschützte<br />
Vertrauensverhältnis muss der<br />
Patient auch weiterhin vertrauen dürfen.<br />
Die Ärzteschaft muss dieses Vertrauen aber<br />
auch rechtfertigen. Dazu ist es notwendig,<br />
dass Ärzte in Fortbildung, Berufsausübung<br />
und öffentlichen Äußerungen dem Wesen<br />
des freien Berufes gerecht werden. Dazu<br />
passt eine pharmaabhängige Fortbildung<br />
nicht, dazu passen Zahlungen für ein<br />
bestimmtes Verordnungsverhalten nicht,<br />
dazu passen auch Zielvereinbarungen mit<br />
Chefärzten nicht und dazu passt das<br />
marktschreierische Anpreisen von ärztlichen<br />
Leistungen, wie beispielsweise das<br />
Angebot von Schönheitsoperationen in<br />
Fernsehsendungen nicht. Das Gesundheitswesen<br />
ist kein Markt, der Patient kein<br />
Marktteilnehmer, der Arzt kein Anbieter<br />
und auch kein Leistungserbringer. Ein<br />
echter Wettbewerb ist nicht existent. Dennoch<br />
wird unter dem ständig wachsenden<br />
ökonomischen Druck die Therapie- und<br />
Organisationsfreiheit der eigenen Praxis<br />
weiter eingeschränkt. Die Ärzteschaft muss<br />
daher ihre professionelle Autonomie wieder<br />
zurückgewinnen und dadurch auch das<br />
Vertrauen zu den Patienten stärken. Zu<br />
dieser Autonomie gehören die Freiheit der<br />
Niederlassung, die Therapiefreiheit und<br />
Diagnostikfreiheit, die Freiheit, die Sprechund<br />
Behandlungszeiten frei zu gestalten,<br />
die Selbstbestimmung über das Honorar<br />
mit festen, betriebswirtschaftlich kalkulierten<br />
Preisen, der Schutz der Praxis vor<br />
staatlichen Eingriffen, wie polizeiliche<br />
Abhörmöglichkeiten.<br />
Zukunft Gesundheitswesen<br />
Der medizinische Fortschritt und der demografische<br />
Wandel stellen die Finanzierung<br />
unseres Gesundheitswesens vor große<br />
Herausforderungen. Die niedergelassenen<br />
Ärzte leisten mit ihrem Wissen, ihrer Qualität,<br />
ihren Leistungen, ihrem persönlichen<br />
Engagement und ihrem wirtschaftlichen<br />
Einsatz durch den Betrieb von 90.000<br />
Praxen einen wesentlichen Anteil an der<br />
flächendeckenden und wohnortnahen<br />
Versorgung der Menschen in Deutschland.<br />
Dabei fällt es nicht in die Kernkompetenz<br />
der Ärzteschaft und es kann nicht deren<br />
Aufgabe sein, sich mit der Organisation der<br />
Finanzierung zu befassen. Eine ausreichende<br />
Finanzierung zur Sicherstellung dieser<br />
Versorgung ist aber eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe und muss auf solidarischer<br />
Basis erfolgen. Daher ist es auch<br />
öffentliche Aufgabe, gegebenenfalls die<br />
Leistungen zu beschreiben, die nicht solidarisch,<br />
sondern eigenverantwortlich finanziert<br />
werden sollen. Es ist das Selbstverständnis<br />
der Ärzteschaft, ihren Sachverstand<br />
hierzu verantwortlich beizutragen.<br />
Die letztendliche Entscheidung muss aber<br />
politisch getroffen werden.<br />
Honorarreform<br />
Die zukünftige Honorarordnung muss eine<br />
leistungsgerechte und wirtschaftlich tragfähige<br />
Vergütung der Praxen niedergelassener<br />
Ärzte ermöglichen. Den Leistungen<br />
der niedergelassenen Ärzte muss das Geld<br />
folgen, um eine flächendeckende Versor-<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 23
gung auch in Zukunft zu gewährleisten<br />
und die Niederlassung attraktiv zu halten.<br />
Daher fordern die niedergelassenen Ärzte:<br />
• Feste, betriebswirtschaftlich kalkulierte<br />
Preise für ärztliche Leistungen, orientiert<br />
am Oberarztgehalt und an der Arbeitsbelastung<br />
sowie unter Berücksichtigung<br />
des Unternehmerlohns. Diese müssen<br />
in fairen Verhandlungen innerhalb der<br />
Selbstverwaltung festgelegt werden.<br />
• Gegebenenfalls von Krankenkassen oder<br />
der Politik für notwendig erachtete<br />
Mengenbegrenzungen müssen zwischen<br />
Krankenkassen und Ärzten verhandelt<br />
werden. Diese Mengenbegrenzungen<br />
müssen aber die Krankenkassen gegenüber<br />
ihren Versicherten rechtfertigen. Die<br />
Verantwortung für Rationierung oder<br />
Leistungseinschränkungen dürfen nicht<br />
in den Praxen abgeladen werden.<br />
• Die Morbiditätslast müssen die Krankenkassen<br />
tragen.<br />
• Ein Ende von unbezahlten Leistungen.<br />
Alle budgetierenden Elemente, die zu<br />
kostenloser Arbeit der niedergelassenen<br />
Ärzte führen, sind zu beenden.<br />
• Jährlicher Ausgleich von Inflations-,<br />
Energie- und Personalkosten sowie ein<br />
Investitionskostenausgleich. Die 90.000<br />
Praxen sind Arbeitgeber: rund 700.000<br />
Mitarbeiter, darunter über 80 Prozent<br />
Frauen verdienen dort ihren Lebensunterhalt.<br />
Steigende Kosten oder der Investitionsstau<br />
in Praxen dürfen nicht zu<br />
Lasten des Arzteinkommens gehen und<br />
zu Personalabbau in den Praxen führen.<br />
Kassen-Öffentlichkeitsarbeit<br />
Die niedergelassenen Ärzte verwahren<br />
sich gegen die regelmäßig von den Krankenkassen<br />
erhobenen Pauschalvorwürfe<br />
gegenüber der Ärzteschaft. Sie verurteilen<br />
besonders das systematische Vorgehen<br />
der Krankenkassen, zeitgenau vor<br />
Honorarverhandlungen oder Ärztetagen<br />
die Ärzteschaft wechselweise als Abzocker,<br />
Pfuscher oder Betrüger zu bezeichnen<br />
und dies durch schlecht gemachte<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Auftragsgutachten und polemische Studien<br />
versuchen zu belegen. So sieht kein<br />
partnerschaftliches Verhältnis in der<br />
gemeinsamen Selbstverwaltung aus.<br />
Krankenkassen und Ärzte haben eine<br />
gemeinsame Verantwortung für die Versorgung,<br />
aber auch für das Vertrauen,<br />
das Versicherte und Patienten in unser<br />
Gesundheitssystem haben. Die wechselseitige<br />
Diskreditierung und Herabsetzung<br />
zerstört dieses Vertrauen. Da für diese<br />
Art von Kassenpropaganda Beitragsgelder<br />
zweckentfremdet werden, sind solche<br />
Vorgänge auch ein Fall für die Aufsichtsbehörden.<br />
Ambulante Weiterbildung<br />
Bereits heute werden in vielen Fachgebieten<br />
zahlreiche für die Weiterbildung<br />
erforderliche Krankheitsbilder vorwiegend<br />
ambulant und nicht stationär behandelt.<br />
Für eine qualitativ hochwertige Weiterbildung<br />
ist es vor dem Hintergrund des<br />
immer bedeutsamer werdenden sektoren-<br />
Delegierte zur <strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />
24
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Fester ambulanter Teil in der Weiterbildung gefordert – Dr. Martina Teja, Delegierte aus dem Saarland<br />
übergreifenden Ansatzes wichtig, dass<br />
die ambulante Weiterbildung – insbesondere<br />
im fachärztlichen Bereich – gefördert<br />
wird. Die bestehenden Instrumente<br />
der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />
dienen hierbei als Vorbild. Im Ergebnis<br />
können kooperative Strukturen zwischen<br />
den Sektoren aufgebaut und teure<br />
Parallelstrukturen abgebaut werden. Viele<br />
Bereiche der Weiterbildung finden heutzutage<br />
vornehmlich in den Facharztpraxen<br />
statt, also dort, wo die Patienten<br />
behandelt werden und wo die ärztliche<br />
Kompetenz für viele rein ambulant Behandelbare<br />
zu finden ist. Daher fordert<br />
der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> von den Ärztekammern<br />
die Einführung eines festen<br />
Teils in der Weiterbildung, der in den<br />
Praxen niedergelassener Ärzte abgeleistet<br />
werden muss.<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Reform der GOÄ<br />
Die Reform der GOÄ muss dazu führen,<br />
dass die ärztliche Leistungsfähigkeit wieder<br />
nach dem aktuellen Stand moderner Untersuchungs-<br />
und Behandlungsmethoden<br />
abgebildet wird. Grundlage der Preisbildung<br />
müssen betriebswirtschaftliche Indikatoren<br />
der Praxisführung sein. Ein Automatismus<br />
zum Ausgleich von Inflation und<br />
Betriebskostensteigerungen ist einzuführen.<br />
Zur Zukunftssicherung einer reformierten<br />
GOÄ muss darüber hinaus ein<br />
geordnetes Verfahren implementiert werden,<br />
dass die Innovationsdynamik im medizinisch-technischen<br />
Bereich berücksichtigt.<br />
Um das mittlerweile Jahrzehnte andauernde<br />
Trauerspiel um die Erneuerung<br />
der Gebührenordnung alsbald zu beenden,<br />
fordert der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Verband<br />
der niedergelassenen Ärzte Deutschlands<br />
e. V., die <strong>Bund</strong>esärztekammer auf, eine<br />
politische Strategie zu entwickeln, die im<br />
Fall weiterer Verzögerungen der verantwortlichen<br />
Akteure, auch Eskalationsmaßnahmen<br />
umfasst. Dadurch kann gegebenenfalls<br />
der nötige Druck auf die Akteure<br />
ausgeübt werden.<br />
Entlass-Management<br />
Im Patienteninteresse ist eine gesetzliche<br />
Festlegung erforderlich, nach der der Patient<br />
vom Krankenhaus mit Medikamenten<br />
(zwischen einem und drei Tagen) versorgt<br />
wird, bis er seinen Arzt aufsuchen kann.<br />
Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, lehnt die Forderung<br />
der <strong>Bund</strong>esvereinigung Deutscher Apothekerverbände<br />
ab, dass der Entlassungsbrief<br />
eines Krankenhauses de facto als Rezept<br />
angesehen werden soll, somit der Patient<br />
insbesondere am Wochenende von der<br />
Apotheke mit den im Entlassungsbrief<br />
genannten Medikamenten versorgt werden<br />
soll und der behandelnde Arzt nachträglich<br />
hierfür das Rezept auszustellen hat.<br />
Keine Nahrungsmittelwerbung im<br />
Kinderprogramm<br />
Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es fordert ein generelles<br />
Werbeverbot für Nahrungsmittel innerhalb<br />
des Kinderprogramms im Fernsehen in<br />
Deutschland. Dies ist für uns eine vor-<br />
25
dringliche Maßnahme gesundheitlicher<br />
Prävention bereits im Kindesalter.<br />
Mutterschutz<br />
Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung 2012 des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es fordert die <strong>Bund</strong>esregierung<br />
auf, die in der EU-Richtlinie<br />
2010/41/EU festgeschriebene Verpflichtung<br />
der Mitgliedstaaten, selbstständig erwerbstätigen<br />
Frauen ausreichenden Mutterschutz<br />
zu gewährleisten, zeitnah umzusetzen.<br />
schwerer Eingriff in die Selbstverwaltung<br />
auf der Basis einer plumpen Neiddiskussion<br />
um Vorstandsgehälter. Statt die Selbstverwaltung<br />
weiter zu stärken, wie es die ursprüngliche<br />
Politik der christlich-liberalen<br />
Regierungskoalition war, soll sie durch<br />
staatliche Eingriffe weiter ausgehöhlt<br />
werden“, befürchtet Dr. Heinrich.<br />
Selbstverwaltung<br />
KV keine<br />
Regierungsorganisation<br />
Der Verband der niedergelassenen Ärzte<br />
Deutschlands warnt die <strong>Bund</strong>esregierung<br />
vor weiteren Eingriffen in die ärztliche<br />
Selbstverwaltung: „Es ist einzig und allein<br />
die Aufgabe der demokratisch legitimierten<br />
Gremien der Ärzteschaft zu bestimmen,<br />
wie die Verträge ihrer Vertreter gestaltet<br />
werden und wie diese vergütet werden“,<br />
erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />
Die <strong>Bund</strong>esregierung plant, dass die Verträge<br />
von Vorständen der Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen künftig vorab durch das<br />
Ministerium genehmigt werden müssen.<br />
Nach Ansicht der niedergelassenen Ärzte<br />
werde damit in einen Topf geworfen, was<br />
nicht zusammen gebracht werden dürfe:<br />
„Die Vorstände der Krankenkassen werden<br />
aus den Beitragsgeldern der Versicherten<br />
bezahlt. Das ist bei den Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen anders. Hier zahlen die<br />
Praxisärzte ihre Vertreter über die KV-<br />
Beiträge selber, das heißt aus ihrem Praxisumsatz“,<br />
konstatiert Dr. Heinrich.<br />
Außerdem bedeute der Vorstoß eine empfindliche<br />
Schwächung der Vertreterversammlungen,<br />
die die Vorstandsgehälter<br />
genehmigen. Dr. Heinrich: „Dies ist ein<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Durch die Pläne der <strong>Bund</strong>esregierung<br />
werde das bisherige Verfahren, bei dem das<br />
Gesundheitsministerium als Aufsichtsbehörde<br />
Verträge nach Abschluss beanstanden<br />
konnten, komplett auf den Kopf gestellt.<br />
„Die Kassenärztlichen Vereinigungen<br />
sind Teil der ärztlichen Selbstverwaltung<br />
und keine Regierungsorganisationen. Kassenärztliche<br />
Vereinigungen vertreten die<br />
Interessen der Kassenärzte und nicht die<br />
der Regierung und des <strong>Bund</strong>esgesundheitsministeriums“,<br />
betont Dr. Heinrich.<br />
Heitere Momente – Delegierte stimmen über Anträge ab<br />
26
Weil Sie später keinem auf<br />
der Tasche liegen wollen.<br />
Die Pflege-Zusatzversicherung.<br />
Wenn im Pflegefall Kosten von mehreren Tausend Euro im Monat<br />
zusammenkommen, reicht die gesetzliche Pflegeversicherung nicht aus.<br />
Letztlich müssen unsere Kinder für unsere Pflege aufkommen.<br />
Gut, dass der Staat jetzt die zusätzliche private Pflegevorsorge fördert.<br />
Sie hilft Jung und Alt. Erfahren Sie mehr unter www.pkv.de
Arzttätigkeit<br />
Wie Ärztinnen die Praxis der<br />
Zukunft prägen<br />
Im Jahr 2008 waren von den Medizinstudenten<br />
im ersten Semester 63 Prozent<br />
Frauen und nur 37 Prozent Männer. Der<br />
Trend hat Auswirkungen auf die Medizin<br />
in allen Bereichen. Vor allem aber ändern<br />
sich die Anforderungen der nachrückenden<br />
Medizinergeneration. Der Arztberuf soll<br />
familientauglich sein und Platz für die<br />
Koordination von Freizeitaktivitäten und<br />
Fortbildungen lassen. Die Bedürfnisse<br />
haben dabei nicht nur junge Ärztinnen.<br />
Wie in nahezu allen anderen Berufen wollen<br />
auch Männer Familie, Beruf und Freizeit<br />
unter einen Hut bringen. Während<br />
dem Wandel der Ärzteschaft in den Krankenhäusern<br />
mit flexiblen Arbeitszeiten,<br />
Kinderbetreuungsangeboten und veränderten<br />
Arbeitsroutinen bereits vielerorts Rechnung<br />
getragen wurde, hinkt der ambulante<br />
Bereich der Entwicklung hinterher. Nur<br />
langsam werden Kooperationsformen geschaffen,<br />
die es einer jungen Ärztin erlauben,<br />
in Teilzeit zu arbeiten und sich neben<br />
dem Beruf um die Kindererziehung zu<br />
kümmern. Das schreckt die Jungen ab und<br />
hat Folgen für den ambulanten Bereich.<br />
Die Suche nach einem Nachfolger für die<br />
eigene Praxis wird für die ausscheidenden<br />
Ärzte schwieriger. Findet sich kein neuer<br />
Arzt beziehungsweise eben eine neue<br />
Ärztin, bekommen das auch die Patienten<br />
zu spüren. Sie müssen sich eine neue Praxis<br />
suchen. Die Lösung liegt in einem<br />
tiefgreifenden Strukturwandel. So geht es<br />
den Jungen heute kaum noch darum,<br />
besonders viel Geld zu verdienen. Stattdessen<br />
müssen auch im ambulanten Bereich<br />
Kooperationsmöglichkeiten massiv ausgebaut<br />
werden. Möglich dabei sind Gemeinschaftspraxen,<br />
Ärztehäuser, Medizinische<br />
Versorgungszentren und Ärztenetze. Kaum<br />
eine junge Ärztin oder ein junger Arzt<br />
lastet sich heutzutage freiwillig die Bürde<br />
einer Einzelpraxis auf. Zu groß ist das<br />
finanzielle Risiko, zu umfangreich der<br />
absehbare Arbeitsaufwand. Stattdessen<br />
© Dr. Felizitas Leitner<br />
Dr. Felizitas Leitner ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und<br />
betreibt eine Praxis im oberbayrischen Weßling. Neben ihrer<br />
Arzttätigkeit ist sie als Lehrbeauftragte an der TU München<br />
tätig.<br />
sind Teilzeitmodelle gefragt, die Raum für<br />
Freizeit und Familie lassen. Die vertragsarztrechtlichen<br />
Voraussetzungen sind zwar<br />
in den Grundzügen dafür bereits gelegt<br />
worden. Dennoch besteht weiterer Förderungsbedarf<br />
für Kooperationen. Sie müssen<br />
von der Ausnahme zur Regel werden – das<br />
wollen die jungen Ärztinnen und Ärzte von<br />
heute. Daneben macht sich der höhere<br />
Frauenanteil auch in den Behandlungszimmern<br />
bemerkbar. Frauen haben mehr kommunikative<br />
Fähigkeiten als ihre männlichen<br />
Kollegen und binden die Patienten eher in<br />
die Therapie ein. Die Compliance steigt.<br />
Wichtig ist zudem die Arbeit im Team.<br />
Fällen Ärzte Entscheidungen oft alleine,<br />
suchen Ärztinnen den Rat der Kollegen<br />
und tauschen sich häufiger gegenseitig<br />
aus.<br />
Dr. med. Felizitas Leitner, Mitglied des<br />
Vorstandes der Landesgruppe Bayern, in<br />
einem Gastbeitrag der Zeitschrift „Arzt &<br />
Wirtschaft“<br />
Niedergelassene fordern<br />
ambulanten Pflichtteil in der<br />
Weiterbildung<br />
Der künftige Mangel an Praxisärzten ist<br />
mittlerweile Konsens. Doch wie lässt sich<br />
28
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Karriereziel Krankenhaus? Junge Ärztinnen<br />
in der Weiterbildung.<br />
© Monkey Business - Fotolia.com<br />
die Mediziner-Misere abwenden? Mit dem<br />
Versorgungsstrukturgesetz ist der Gesetzgeber<br />
aktiv geworden. Doch ob das Maßnahmenpaket<br />
des so genannten Landärztegesetzes<br />
tatsächlich mehr Ärzte in die<br />
Niederlassung bringt, ist ungewiss. Denn<br />
bereits beim Studium werden die Weichen<br />
falsch gestellt. Die klinikdominierte Ausbildung<br />
läuft oft komplett am ambulanten<br />
Bereich vorbei – ein Zustand der sich nach<br />
dem Willen der Niedergelassenen ändern<br />
muss. Sie fordern einen obligatorischen<br />
ambulanten Teil in der ärztlichen Weiterbildung.<br />
Hausarzt als Traumberuf? Das hört man<br />
heute nur noch selten bei Medizinstudenten.<br />
Zu unsicher scheint die Aussicht auf<br />
wirtschaftlichen Erfolg, zu umfangreich<br />
der bürokratische Aufwand, zu ungewohnt<br />
das eigenständige Arbeiten in der Niederlassung.<br />
Zudem folgen dem Medizinstudium<br />
in der Regel zunächst ein paar Jahre<br />
als Assistenzarzt. Dort ergeht es jungen<br />
Ärzten mittlerweile längst nicht mehr so<br />
schlecht wie früher. Noch vor wenigen<br />
Jahren vergällten unbezahlte Überstunden<br />
und herrische Oberärzte dem Nachwuchs<br />
den Spaß an der Arbeit. Die eigene Praxis,<br />
und endlich sein eigener Chef zu sein,<br />
waren umso attraktiver. Heute sieht es für<br />
die so genannte Generation Y in den Kliniken<br />
weitaus besser aus. Sie sucht sich den<br />
Arbeitgeber selber aus und profitiert von<br />
festen Arbeitszeiten sowie attraktiven<br />
Tarifverträgen. Doch nicht allein der gestiegene<br />
Wohlfühlfaktor in den Krankenhäusern<br />
ist der Grund für den Ärztemangel<br />
in den Praxen. Geraten sie nicht durch<br />
Zufall in eine Arztpraxis oder kümmern<br />
sich selbst aktiv darum, verlaufen Studium<br />
und Facharzt-Weiterbildung für die Jungmediziner<br />
komplett am ambulanten Bereich<br />
vorbei. Die Arztpraxis bleibt Blackbox.<br />
Das Karriereziel heißt Krankenhaus.<br />
Die Schieflage zugunsten der Krankenhäuser<br />
verläuft dabei entgegen der Versorgungsrealität.<br />
In den vergangenen Jahren<br />
verlagerte sich das Behandlungsgeschehen<br />
weiter vom stationären in den ambulanten<br />
Bereich. Doch obwohl die Patienten in der<br />
Praxis um die Ecke weitaus kostengünstiger<br />
als in der Klinik versorgt werden können,<br />
behandelt die gültige Weiterbildungsordnung<br />
den ambulanten Sektor stiefmütterlich.<br />
Die Vernachlässigung zeigt Wirkung.<br />
Im vergangenen Jahr waren von den<br />
mehr als 10.000 Ärzten, die nach der Ausbildung<br />
ihre Weiterbildung abschlossen,<br />
laut Kassenärztlicher <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
(KBV) nur noch knapp ein Zehntel Hausärzte.<br />
Nicht anders sieht es bei den ambulanten<br />
fachärztlichen Grundversorgern aus:<br />
„Bei Hausärzten, Augen-, Haut- und Hals-<br />
Nasen-Ohrenärzten geht zunehmend der<br />
Nachwuchs aus und die Weiterbildungsabschlüsse<br />
sinken“, warnt KBV-Vize Regina<br />
Feldmann<br />
„Es ist längst erforderlich, dass neben der<br />
Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />
auch die wohnortnahe fachärztliche Weiterbildung<br />
in der ambulanten Versorgung<br />
ausgebaut wird“, sagt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk<br />
Heinrich. Nur so könne das Dilemma des<br />
fehlenden Nachwuchses abgewendet werden.<br />
„Als junger Arzt habe ich keine Vorstellung,<br />
was mich in der Praxis erwartet.<br />
Hier muss die Ausbildung ansetzen“, so der<br />
in Hamburg niedergelassene Facharzt.<br />
Dabei reiche es nicht aus, einen ambulanten<br />
Teil auch für angehende Fachärzte fest<br />
in der Weiterbildungsordnung zu verankern.<br />
Auch die nötigen Voraussetzungen<br />
müssten ähnlich zum stationären Sektor<br />
geschaffen werden. „Während in den Kliniken<br />
die Weiterbildung cofinanziert wird,<br />
fehlen äquivalente Finanzierungsmodelle<br />
für den ambulanten Bereich“, kritisiert Dr.<br />
Heinrich. Ähnlich äußerte sich der KBV-<br />
Vorsitzende. Um den drohenden Medizinerschwund<br />
in den Praxen auszugleichen,<br />
so Dr. Andreas Köhler, müssten alle jungen<br />
Mediziner nach ihrer Approbation mit der<br />
Niederlassung konfrontiert werden. Nur<br />
durch einen verpflichtenden Praxis-Teil für<br />
29
alle könnten die bis 2020 rund 40.000<br />
scheidenden Haus- und Fachärzte ersetzt<br />
werden.<br />
Die Idee der ambulanten Weiterbildungspflicht<br />
stößt währenddessen auf Kritik.<br />
Sowohl der Medizinische Fakultätentag als<br />
auch die Klinikärzte-Gewerkschaft Marburger<br />
<strong>Bund</strong> (MB) wollen vom ambulanten<br />
Pflichtteil nichts wissen. Rudolf Henke,<br />
CDU-<strong>Bund</strong>estagsabgeordneter und MB-<br />
Vorsitzender, äußerte gegenüber der Stuttgarter<br />
Zeitung, dass eine stärkere Einbindung<br />
der Niedergelassenen in die Weiterbildung<br />
zwar durchaus richtig sei. Nicht<br />
akzeptabel sei jedoch ein Zwang. Es bestehe<br />
das Risiko, dass junge Ärzte in „unwürdige<br />
Arbeitsverhältnisse“ gedrängt werden<br />
könnten. Diese Gefahr sieht man bei den<br />
Vertragsärzten nicht. „Wenn wir den ambulanten<br />
Bereich mit den gleichen Mitteln<br />
wie die Kliniken ausstatten, wird die Weiterbildung<br />
in den Praxen genauso gut wie<br />
in den Krankenhäusern funktionieren“,<br />
versichert Dr. Heinrich.<br />
Nach heftigem Streit:<br />
Ärztetag schließt<br />
Weiterbildungs-Kompromiss<br />
Nach einem offenen Schlagabtausch beim<br />
Deutschen Ärztetag in Hannover haben<br />
sich Vertragsärzte und Kliniker auf einen<br />
Kompromiss zur ambulanten Weiterbildung<br />
geeinigt. Diese soll gefördert werden,<br />
weil viele Krankheitsbilder fast nur noch in<br />
den Praxen behandelt werden, die Ausbildung<br />
bislang aber hauptsächlich in den<br />
Krankenhäusern passiert. Darüber waren<br />
sich die Delegierten einig. Streit entfachte<br />
sich um die Finanzierung und Tarifbindung<br />
und darüber, ob es einen ambulanten<br />
Pflichtteil geben soll. Erst in einem<br />
sechsstündigen Spitzengespräch der Verbände<br />
kam es schließlich zu einer Einigung.<br />
Obwohl die Forderung, die Sektorengrenzen<br />
in der Medizin zu überwinden,<br />
© contrastwerkstatt - Fotolia.com<br />
fester Bestandteil aller gesundheitspolitischen<br />
Reden ist, spaltete sich der diesjährige<br />
Ärztetag im Hannoveraner Kongresszentrum<br />
in zwei zunächst unversöhnlich gegenüberstehende<br />
Blöcke: Krankenhausärzte<br />
Ärztin in Weiterbildung: Wir brauchen voll ausgebildete<br />
Mediziner<br />
hier, Niedergelassene da. Während die<br />
Vertragsärzte das zuvor von der Vertreterversammlung<br />
der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
(KBV) einstimmig angenommene<br />
Elf-Punkte-Papier unterstützten,<br />
rieben sich die Kritiker am von KBV-Chef<br />
Dr. Andreas Köhler höchstpersönlich beworbenen<br />
Konzept. Den Anfang machte<br />
Dr. Andreas Botzlar und sorgte mit einem<br />
kämpferischen Statement für reichlich<br />
Unruhe im Saal. „Nur über meine Leiche“,<br />
so der Vize des Marburger <strong>Bund</strong>es (MB),<br />
werde der KBV-Antrag durchgehen. Botzlar<br />
sah gar den „casus belli“ gegeben. Was für<br />
ein Auftakt. Von nun an hatte der Tagesordnungspunkt<br />
die volle Aufmerksamkeit<br />
aller Delegierten. Die Rednerliste wuchs<br />
dramatisch an. Es ging jetzt um mehr als<br />
die Frage, wo junge Ärzte künftig weitergebildet<br />
werden. Es ging um Macht und<br />
den Einfluss von Körperschaften und Verbänden.<br />
Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, versuchte<br />
in seinem Redebeitrag kurz nach Botzlar,<br />
die Wogen zu glätten: Es solle kein<br />
neuer Flaschenhals in der Arzt-Weiterbildung<br />
geschaffen werden. Weiterbildungsassistenten<br />
in den Praxen sollten wie vollwertige<br />
Ärzte behandelt werden, versicherte<br />
der Verbandschef. Gleichzeitig machte<br />
Heinrich klar, dass die Patienten ein Recht<br />
auf einen vollständig ausgebildeten Arzt<br />
hätten und Pflichten nun mal zu einer<br />
Ausbildung dazugehörten. Dem stimmte<br />
Dr. Norbert Metke, Vorstand der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung Baden- Württembergs,<br />
zu und warnte, dass die Politik<br />
eingreifen werde, wenn die Ärzteschaft die<br />
Weiterbildungsfrage nicht alleine regele.<br />
Die Gegner des KBV-Entwurfs beeindruckte<br />
das wenig. Sie forderten, dass zunächst<br />
die Finanzierung der Assistenten geregelt<br />
werden müsse und erst im Anschluss über<br />
die Weiterbildung in den Praxen gesprochen<br />
werden könne. Obendrein lasse sich<br />
die neue Generation nicht in Pflichten<br />
zwängen. Die Präsidentin der Ärztekammer<br />
Bremen, Dr. Heidrun Gitter, kritisierte: „Der<br />
Nachwuchs wird als Faustpfand für die<br />
Finanzierung missbraucht.“ MB-Chef Rudolf<br />
Henke erklärte, dass Weiterbildungsassistenten<br />
in den Praxen dieselben Bedingungen<br />
wie in den Krankenhäusern vorfinden<br />
müssten und brachte seinen Verband<br />
damit geschickt in Stellung, die Weiterzubildenden<br />
tariflich zu vertreten. Baden-<br />
Württembergs Kammerchef Dr. Ulrich Clever<br />
analysierte, Schwierigkeiten gebe es vor<br />
allem im Sprachverständnis zwischen Kammer-<br />
und KV-System. „In der Sache sind<br />
beide Parteien sehr, sehr nah beieinander“,<br />
stellte auch BÄK-Vizepräsident Dr. Max<br />
Kaplan fest. Vor der großen Bühne des<br />
Ärztetages war unter diesen Voraussetzungen<br />
dennoch nicht mit einer Einigung zu<br />
rechnen. Auf Anregung des BÄK-Präsidenten<br />
Prof. Frank Ulrich Montgomery vereinbarten<br />
die Vertreter der großen Verbände<br />
und Körperschaften eine parallele Verhand-<br />
30 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Für einen leichteren Zugang zum Medizinstudium: KBV-Vize Dipl.-Med. Regina Feldmann<br />
Forderten pragmatische Lösungen für ihre Region: Dr. Carsten Jäger vom Ärztenetz<br />
Südbrandburg und Elsterwerdas Bürgermeister Dieter Herrchen<br />
Mehr Fantasie bei der Lösung der Probleme – Dr. Dirk Heinrich in der Diskussion mit<br />
Senatorin Prüfer-Storcks<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
lungsrunde im kleinen Kreis. Doch auch<br />
hier krachte es gleich zu Beginn heftig. Bei<br />
seinem Erklärungsversuch vor den Delegierten<br />
sprach MB-Chef Henke später von<br />
Missverständnissen, was die Teilnehmer der<br />
Runde angegangen sei. So sei zunächst<br />
verstanden worden, dass nur MB und KBV<br />
miteinander eine Lösung finden sollen. Die<br />
anderen Verbände nicht.<br />
Schließlich einigte man sich auf den erweiterten<br />
Kreis mit den Verbänden. Während<br />
der Ärztetag mit einem zunächst zurückgestellten<br />
Tagesordnungspunkt weitermachte,<br />
arbeitete der kleine Krisengipfel<br />
einen neuen gemeinsamen Antrag zur<br />
Abstimmung der Delegierten aus. Im Kern<br />
wird darin festgehalten, dass die Inhalte,<br />
die nur ambulant stattfinden, in ambulanter<br />
Weiterbildung und die, die nur im<br />
Krankenhaus passieren, stationär vermittelt<br />
werden sollen. Das Wort „Pflichtweiterbildung“<br />
kommt im Text nicht mehr vor.<br />
Zudem soll eine ärztliche Arbeitgeberorganisation<br />
für die Tarifverhandlungen gebildet<br />
werden. Tarifpartner auf Seite der<br />
Arbeitnehmer wird der Marburger <strong>Bund</strong><br />
sein. Hier hatten sich Henke und Co. in<br />
den Verhandlungen durchgesetzt. Am<br />
Ende passierte der Antrag die Delegiertenversammlung<br />
mit großer Mehrheit. Wann<br />
die neue ambulante Weiterbildung starten<br />
kann, ist indes ungewiss. Der Kompromiss<br />
steht unter Finanzierungsvorbehalt.<br />
Die neue Bedarfsplanung und die Frage,<br />
wie Ärzte dazu motiviert werden können,<br />
sich in unterversorgten Regionen niederzulassen,<br />
wurde beim Symposium des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es „Land ohne Ärzte?“ kontrovers<br />
diskutiert. Neben KBV-Vorstand<br />
Dipl.-Med. Regina Feldmann folgten Hamburgs<br />
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks,<br />
der Bürgermeister von Elsterwerda,<br />
Dieter Herrchen, sowie Dr. Carsten<br />
Jäger vom Ärztenetz Südbrandenburg der<br />
Einladung zur gemeinsamen Diskussion.<br />
Mit auf dem Podium saß auch der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />
31
Dirk Heinrich. Die Moderation hatte die<br />
Leiterin des Hauptstadtbüros des Deutschen<br />
Ärzteblattes, Sabine Rieser.<br />
Ärztemangel: Bitte einmal ideologischen<br />
Ballast abwerfen<br />
Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia<br />
Prüfer-Storcks hat neue Rezepte für Gebiete<br />
mit Unterversorgung gefordert. Es müsste<br />
in der Frage MVZ oder Einzelarzt ideologischer<br />
Ballast abgeworfen werden, sagte<br />
die Senatorin am Freitag auf einer Diskussionsveranstaltung<br />
in Berlin. <strong>NAV</strong>-Chef Dr.<br />
Dirk Heinrich widersprach: „MVZ sind<br />
keine kreative Lösung“.<br />
Sowieso sei es viel wichtiger, die Medizinstudenten<br />
schon an der Uni für eine Niederlassung<br />
zu begeistern, sagte der Verbandschef.<br />
Dort aber würden die meisten<br />
fachärztlichen Grundversorgungsfächer<br />
kaum noch verpflichtend auf dem Lehrplan<br />
stehen. Eine Ursache dafür sei die Universitätsmedizin,<br />
die die jungen Ärzte zu stark<br />
Man müsse aus den Umfragen unter Medizinstudenten<br />
und jungen Ärzten lernen,<br />
forderte Prüfer-Storcks auf der vom <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> organisierten Diskussionsveranstaltung.<br />
Schließlich seien neue Versorgungsstrukturen<br />
zu entwickeln, die<br />
junge Mediziner für die kurative Tätigkeit<br />
begeistern können. Der Gegensatz MVZ<br />
und Einzelarzt werde zu sehr hochgespielt.<br />
Für Hamburg sehe sie die Notwendigkeit,<br />
das Planungsgebiet kleinteiliger zu machen.<br />
Wir haben zwar angeblich eine Überversorgung,<br />
erklärte die Senatorin, in Wirklichkeit<br />
aber seien manche sozialen Brennpunkte<br />
bei der haus- und kinderärztlichen<br />
Grundversorgung eindeutige Mangelgebiete.<br />
Auch der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-Chef forderte mehr<br />
Fantasie bei der Bewältigung des regionalen<br />
Ärztemangels. „Wir werden künftig<br />
Flying Doctors brauchen, die auf dem Land<br />
die Versorgung übernehmen“, erklärte er.<br />
MVZ seien dort aber keine Lösung. Vielmehr<br />
würden Ärztenetze die Zukunft der<br />
Gesundheitsversorgung viel besser sichern.<br />
Als Arzt einfach nur ins MVZ zu gehen, um<br />
die Mühen einer Niederlassung zu vermeiden,<br />
sei nicht besonders kreativ, meinte<br />
Heinrich.<br />
© Lopata - <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
in die Weiterbildungsfächer Kardiologie<br />
und Chirurgie zöge.<br />
KBV-Vize Regina Feldmann hält dagegen<br />
schon die strengen Auswahlprozesse für<br />
die Medizinstudenten für falsch. Die Studienplatzvergabe<br />
über die ZVS sei kontraproduktiv<br />
für die kurative Medizin. Man wisse<br />
aus Studien, dass heute 35 Prozent der<br />
Medizinabsolventen nicht als Arzt arbeiten<br />
werden, sondern in die Forschung, Wissenschaft<br />
oder Verwaltung gingen. Wieso<br />
sollte jemand mit einem Abi-Schnitt von<br />
2,6 nicht auch ein guter Hausarzt werden<br />
können – vor allem, wenn er von vornher-<br />
Lösungsansatz MVZ: Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks<br />
32
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
ein diesen Berufswunsch habe, fragte<br />
Feldmann.<br />
Feldmann ging auch auf die neue Bedarfsplanung<br />
ein, die derzeit im G-BA verhandelt<br />
werde „Es wird völlig neue Freiheiten<br />
für die regionalen KVen geben“, sagte sie.<br />
Die neue Bedarfsplanungsrichtlinie werde<br />
lediglich ein Konzept vorgeben, das nun<br />
an die regionalen Gegebenheiten angepasst<br />
werden müsse. „So viel regionale<br />
Gestaltungsmöglichkeit war noch nie“,<br />
betonte sie.<br />
Quelle: Sten Beneke, Ärztenachrichtendienst<br />
Ist die Niederlassung das Richtige?<br />
Verband klärt auf<br />
Nach dem Abschluss des Medizinstudiums,<br />
der Facharzt-Weiterbildung und ein paar<br />
Jahren als Assistenzarzt im Krankenhaus<br />
stellt sich für junge Ärzte die Frage, in die<br />
Niederlassung zu gehen oder weiter angestellt<br />
in der Klinik zu arbeiten. Obwohl die<br />
eigene Praxis mit vielen Vorteilen gegenüber<br />
der Beschäftigung im stationären<br />
Bereich oder anderswo auftrumpfen kann,<br />
ist sie nicht für jedermann geeignet. Dies<br />
nahm der Verband der niedergelassenen<br />
Ärzte Deutschlands zum Anlass, ein neues<br />
Merkblatt mit dem Titel „Ist die Niederlassung<br />
für mich das Richtige?“ aufzulegen.<br />
Es gibt jungen Medizinern einen detaillierten<br />
Leitfaden an die Hand, was bei der<br />
Gründung einer Arztpraxis zu beachten ist.<br />
Das Merkblatt erläutert Schritt für Schritt<br />
die grundlegenden Fragen, die vor der<br />
Niederlassung als Arzt zu klären sind. Wo<br />
soll die neue Praxis sein? Welche Voraussetzungen<br />
muss ich als Arzt erfüllen?<br />
Welche bürokratischen Hürden sind zu<br />
nehmen? Ist die Entscheidung dann für die<br />
eigene Praxis gefallen, sind weitere Punkte<br />
abzuklären. Möchte ich alleine oder in<br />
Kooperation mit anderen praktizieren? Was<br />
muss ich beim Abschluss des Mietvertrages,<br />
was bei der Übernahme als Praxisnachfolger<br />
beachten? Das Merkblatt kann von<br />
Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern unter<br />
www.nav-virchowbund.de/bestellcenter<br />
abgerufen werden.<br />
Rahmenvorgaben verabschiedet<br />
Die Agentur deutscher Arztnetze begrüßte<br />
die Verabschiedung der Rahmenvorgaben<br />
für die Anerkennung von Praxisnetzen<br />
durch die Kassenärztliche <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
und den GKV-Spitzenverband. „Es ist<br />
ein großer Erfolg für Ärztenetze, die nun<br />
erstmals Aussicht auf eine Förderung im<br />
Kollektivvertrag haben“, sagt der Vorstandsvorsitzende<br />
der Netzagentur, Dr. Veit<br />
Wambach anlässlich der Veröffentlichung<br />
der Richtlinie.<br />
Vertreter beider Vertragspartner hatten bei<br />
der KBV Versorgungsmesse 2013 bestätigt,<br />
sich auf einen entsprechenden Kriterienkatalog<br />
geeinigt zu haben. Die Rahmenvorgabe<br />
trat zum 1. Mai 2013 in Kraft. Die<br />
Anerkennung durch die Kassenärztliche<br />
Vereinigung ist demnach Voraussetzung<br />
für die Möglichkeit, eine Förderung zu<br />
erhalten. Die Kriterien umfassen strukturelle<br />
Punkte, wie die Anzahl der Praxen, die<br />
Vertretung verschiedener Fachgruppen und<br />
die Einbindung weiterer Kooperationspartner.<br />
Außerdem werden Qualitätsziele vorgegeben,<br />
so zum Beispiel, dass die Netze<br />
bestimmte Versorgungsziele anstreben und<br />
die Patientenversorgung koordinieren und<br />
effizient gestalten.<br />
Mit der Vereinbarung stünden die Kooperationen<br />
vor einem weiteren wichtigen<br />
Entwicklungsschritt, betont Dr. Wambach:<br />
„Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Jetzt ist<br />
es Aufgabe der KVen, die Netze entsprechend<br />
der Kriterien anzuerkennen und<br />
geeignete Wege zur Förderung zu finden.“<br />
Das Interesse in den Regionen sei dabei<br />
schon jetzt enorm, dies habe eine Umfrage<br />
der Netzagentur unter allen Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen Anfang des Jahres<br />
ergeben. „Kaum eine Ländervertretung<br />
steht den Netzen ablehnend gegenüber.<br />
Viele KVen haben nur auf den Startschuss<br />
der <strong>Bund</strong>esebene gewartet“, sagt der Vorsitzende<br />
der Agentur deutscher Arztnetze.<br />
Die gesetzliche Grundlage der neuen Fördermöglichkeit<br />
liefert Paragraf 87b des<br />
Sozialgesetzbuches V. Die Netzagentur<br />
hatte im Vorfeld daraufhin gewirkt, eine<br />
Anerkennung der Ärztekooperationen ins<br />
Gesetz aufzunehmen. Dr. Wambach: „Der<br />
neue Aufbruch für die Netze ist auch auf<br />
das Engagement der Netzagentur zurückzuführen.<br />
Bei der Ausgestaltung des Kriterienkataloges<br />
haben Netzagentur und KBV<br />
eng zusammengearbeitet.“<br />
Workshop zur Netzförderung: Agentur<br />
zieht Bilanz<br />
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)<br />
in Deutschland, stehen der neuen Netzförderung<br />
nach § 87b des Sozialgesetzbuches<br />
V mehrheitlich positiv gegenüber. Dies ist<br />
das Ergebnis einer Umfrage, die die Agentur<br />
deutscher Arztnetze (AdA) vor ihrem<br />
Workshop „Startschuss oder Fehlstart? Die<br />
Umsetzung der Netze-Förderung in den<br />
Regionen“ durchführte. Bis auf drei KVen<br />
antworteten alle auf zwei kurze, aber<br />
entscheidende Fragen: Die Agentur wollte<br />
wissen, ob und wie die Förderung in den<br />
jeweiligen Bezirken finanziert werden soll<br />
und wer die dafür erforderliche Anerkennung<br />
vornimmt.<br />
Im Versorgungsstrukturgesetz wurde erstmals<br />
Netzen, die gewisse Kriterien erfüllen,<br />
eine Förderung durch die jeweiligen KVen<br />
ermöglicht. Die Voraussetzungen wurden<br />
in den letzten Monaten in enger Abstimmung<br />
mit der Agentur deutscher Arztnetze<br />
fertig gestellt und mit den Krankenkassen<br />
konsentiert. Der zuständige KBV-Referent<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 33
Dr. Bernhard Gibis berichtete auf dem<br />
Workshop, dass die Richtlinie, in der die<br />
Fördervoraussetzungen in drei Stufen<br />
definiert seien, wohl am 1. April 2013 in<br />
Kraft treten werde. „Durch die Richtlinien<br />
wurden Standards für Netze gesetzt“, so<br />
Dr. Gibis. Nun hätten auch die kleineren<br />
Krankenkassen einen Rahmen, um mit<br />
Netzen in Verhandlungen zu treten. In den<br />
Richtlinien werden vorrangig strukturelle<br />
Voraussetzungen definiert. So muss ein<br />
Netz mindestens drei Jahre existieren,<br />
neben Hausärzten mindestens zwei weitere<br />
Fachgruppen einbeziehen und ein professionelles<br />
Management sowie einen ärztlichen<br />
Leiter haben. Für die Rechtsform<br />
setzen die Richtlinien die Gesellschaftsformen<br />
voraus, die auch bei der Gründung<br />
von MVZ gelten. Das Netz selbst sollte<br />
zwischen 20 und 100 Ärzte einbinden und<br />
bei der zuständigen Ärztekammer gemeldet<br />
sein. Zudem müssen die Netze drei<br />
Versorgungsziele implementieren: Patientenzentrierung,<br />
kooperative Berufsausübung<br />
und verbesserte Effizienz. Dies<br />
könnten beispielsweise Fallbesprechungen,<br />
gemeinsame Dokumentationsstandards,<br />
beschleunigte Diagnose- und Therapieprozesse,<br />
eine verbesserte Wirtschaftlichkeit<br />
und Maßnahmen zur Patientensicherheit<br />
sein. Die Kassenärztlichen Vereinigungen,<br />
so das Ergebnis der AdA-Umfrage, werden<br />
die Zertifizierung der Netze, sprich die<br />
Überprüfung der Richtlinien, selbst vornehmen.<br />
Knackpunkt ist jedoch die Ausgestaltung<br />
der Netzförderung in den KVen. Zwar lässt<br />
das Gesetz die Finanzierung innerhalb der<br />
Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung<br />
(MGV) zu, doch keine der befragten KVen<br />
sieht dies als Königsweg. Kein Wunder,<br />
ginge eine solche Finanzierung doch zu<br />
Lasten der anderen KV-Mitglieder. Die<br />
KVen setzen daher bei der Netzförderung<br />
eher auf Zusatzverträge mit den Krankenkassen,<br />
so genannte add-on-Verträge.<br />
Explizit benannt haben diesen Weg die<br />
KVen Bayerns, Brandenburgs, Rheinland-<br />
Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein.<br />
Eine grundsätzliche Bereitschaft zur Förderung<br />
haben darüber hinaus die KVen in<br />
Thüringen und Westfalen-Lippe bekundet.<br />
© S. Knoop, änd<br />
Interessante eigene Wege gehen dabei die<br />
<strong>Bund</strong>esländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein.<br />
Letztere wollen zertifizierte<br />
Netze als „Versorgungsdienstleister“ in die<br />
Bedarfsplanung aufnehmen. Zudem hat<br />
die Vertreterversammlung jüngst beschlossen,<br />
die Förderung von Netzen aus dem<br />
Sicherstellungsfonds zu ermöglichen. Niedersachsen<br />
geht noch einen Schritt weiter:<br />
neben der Gründung einer KV-Netzwerkstatt<br />
will die KV für die 42 niedersächsischen<br />
Netze konkret insgesamt eine Million<br />
aus dem Sicherstellungsfonds bereitstellen.<br />
Dies soll die Netze in die Lage<br />
versetzen, die Anforderungen aus den<br />
Förderungs-Richtlinien zu erfüllen, beispielsweise<br />
durch Moderationshilfen, juristische<br />
Beratung oder Hilfen bei Vertragsverhandlungen.<br />
In vielen KVen ist zwar die Bereitschaft zur<br />
Förderung zu erkennen, konkrete Umsetzungspläne<br />
existieren jedoch kaum. Dafür<br />
wird auch die kurze Zeit verantwortlich<br />
gemacht. Denn seit Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes<br />
am Jahresanfang<br />
Das Maximale, was zu erwarten war: der Vorstndsvorsitzende der Agentur<br />
deutscher Arztnetze, Dr. Veit Wambach.<br />
34
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
2012 und der Umsetzung ist gerade einmal<br />
ein gutes Jahr vergangen. In den Prozessen<br />
des Gesundheitswesens ein überschaubar<br />
kurzer Zeitraum. So sieht es auch der<br />
Vorstandsvorsitzende der AdA, Dr. Veit<br />
Wambach: „In der Kürze der Zeit ist das<br />
Erreichte das Maximale, was zu erwarten<br />
war.“ Die Aufwertung vernetzter Strukturen<br />
in so kurzer Zeit sei „absolut ungewöhnlich“.<br />
Dem stimmte auch KBV-Mann<br />
Gibis zu und modifizierte den Workshop-<br />
Titel auf seine Weise: Die Umsetzung der<br />
Netzförderung sei weder ein Schnellstart,<br />
noch ein Fehlstart, „sondern ein Kaltstart“.<br />
Praxistest: Patienten sind in Ärztenetzen<br />
zufriedener<br />
In Praxisnetzen ist die Zufriedenheit der<br />
Patienten höher als in der ambulanten<br />
Für die Untersuchung erarbeitete die Stiftung<br />
gemeinsam mit der Technischen<br />
Universität Dresden einen Fragebogen, der<br />
in 53 Nürnberger Netzpraxen ausgelegt<br />
wurde. Neben Fragen zur Behandlungsqualität<br />
hatten die Patienten die Möglichkeit,<br />
die Räumlichkeiten und das Personal<br />
der Praxis einzuschätzen sowie die Wartezeiten<br />
und das Terminmanagement zu<br />
bewerten. Ebenfalls abgefragt wurde die<br />
Weiterempfehlungsbereitschaft des besuchten<br />
Arztes.<br />
Anhand der Fragen zu den Alltagsvorgängen<br />
in der Praxis lässt sich konkret darstellen,<br />
wo für die Patienten die Vorteile in<br />
Ärztenetzen liegen und was die Stärken<br />
und Schwächen eines Netzes sind. So<br />
erhalten Ärzte, Medizinische Fachangestellte<br />
und die Netzverwaltung konkrete<br />
Hinweise, was sie im Detail noch besser<br />
machen können. Wurde beispielsweise auf<br />
Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten<br />
genügend hingewiesen? Waren<br />
die Erklärungen zu Messwerten, wie Blutdruck<br />
oder Blutbild, ausführlich genug?<br />
Konnte das Serviceversprechen kurzer<br />
Wartezeiten eingehalten werden?<br />
Mutter bei Kinderärztin - Patientenzufriedenheit ist in Netzen höher.<br />
Regelversorgung. Dies zeigt eine Erhebung<br />
der Brendan-Schmittmann-Stiftung des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, bei der im Oktober<br />
2012 mehr als 4.500 Patientinnen und<br />
Patienten des Gesundheitsnetzes Qualität<br />
und Effizienz eG (QuE) in Nürnberg befragt<br />
wurden.<br />
© Monkey Business - Fotolia.com<br />
Durch die Darstellung der für die Patienten<br />
direkt erlebbaren Faktoren beim Arztbesuch<br />
bildet der Praxistest der Brendan-<br />
Schmittmann-Stiftung ein hilfreiches Instrument<br />
im Rahmen des praxisindividuellen<br />
Qualitätsmanagements. Sowohl Defizite als<br />
auch Potenziale werden für die Praxis<br />
sichtbar gemacht und können durch gezielte<br />
Maßnahmen behoben beziehungsweise<br />
ausgebaut werden. Somit trägt die<br />
Patientenbefragung dazu bei, dass sich die<br />
einzelnen Netzpraxen bei der wichtigen<br />
Frage der Patientenorientierung ständig<br />
weiterentwickeln.<br />
Die Befragung der QuE-Patienten ergab<br />
insgesamt eine hohe Zufriedenheit mit den<br />
Netzpraxen. 97,5 Prozent aller antwortenden<br />
Patientinnen und Patienten gaben an,<br />
alles in allem zufrieden zu sein. Der Groß-<br />
35
teil davon zeigte sich sogar sehr zufrieden<br />
(79,2 Prozent). Das Befragungsergebnis zur<br />
Bereitschaft, den eigenen Arzt oder die<br />
eigene Ärztin an andere Personen weiterzuempfehlen,<br />
ist ebenfalls hoch. 93,15<br />
Prozent würden ihren Arzt beziehungsweise<br />
ihre Ärztin uneingeschränkt weiterempfehlen.<br />
Gute Ergebnisse erzielte das Netz auch bei<br />
den Wartezeiten. Knapp 85 Prozent der<br />
Befragten gaben an, nicht länger als 30<br />
Minuten warten zu müssen. Damit erfüllen<br />
die QuE-Praxen die Erwartungen ihrer<br />
Patientinnen und Patienten voll und ganz,<br />
denn 77,5 Prozent finden Wartezeiten bis<br />
30 Minuten akzeptabel, weitere 16,4 Prozent<br />
wären auch mit Wartezeiten bis zu 45<br />
Minuten zufrieden. Bei der Frage zum<br />
Terminmanagement stimmten 94 Prozent<br />
der Befragten der Aussage zu, passende<br />
Termine zu bekommen, mehr als 70 Prozent<br />
sogar „voll und ganz“.<br />
Im Vergleich zu den Zufriedenheitswerten<br />
anderer Befragungen wird deutlich, dass<br />
die Patientenzufriedenheit in QuE-Praxen<br />
überdurchschnittlich hoch ist. So liegt die<br />
Zufriedenheit beim Bewertungsportal<br />
„Weisse Liste“ im <strong>Bund</strong>esdurchschnitt<br />
zwischen 80 und 90 Prozent, bei einer<br />
repräsentativen Studie der Techniker Krankenkasse<br />
aus dem Jahr 2010 zwischen 34<br />
und 61 Prozent und bei einer Forsa-Umfrage<br />
im Auftrag der DAK-Gesundheit aus<br />
2012 zwischen 30 und 51 Prozent.<br />
Die Agentur deutscher Ärztenetze<br />
Die Agentur deutscher Arztnetze e.V. vertritt die Interessen der rund 400 Arztnetze<br />
und Gesundheitsverbünde in Deutschland, unterstützt ihre Mitglieder auf dem<br />
Weg der Professionalisierung und tritt als Dienstleister für Vertrags- und Versorgungskonzepte<br />
auf. Die Netzagentur agiert in enger Zusammenarbeit und gemeinsam<br />
mit dem <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, dem Verband der niedergelassenen Ärzte<br />
Deutschlands e.V.<br />
Regionale Integrierte Versorgung ist die Gesundheitsversorgung von morgen. Viele<br />
hoch entwickelte Netze führen das heute bereits vor. Andere Netze stehen an der<br />
Schwelle, mehr Versorgungsverantwortung übernehmen zu können. Ziele der<br />
Agentur deutscher Arztnetze sind die bundesweite Unterstützung und Professionalisierung<br />
von Gesundheitsnetzen durch<br />
• Lobbying und Marketing,<br />
• Know-how-Bündelung und Wissenstransfer sowie<br />
• die Entwicklung von Angeboten für Vorteilsdienstleistungen für Gesundheitsnetze.<br />
Gemeinsames politisches Ziel ist, dass Ärztenetze und Gesundheitsverbünde den<br />
Status von Leistungserbringern im Sozialgesetzbuch erhalten. Professionell strukturierte<br />
und organisierte Ärztenetze müssen im Sinne einer regionalen effizienzorientierten<br />
Versorgung Vertragspartner mit allen Rechten und Pflichten sein können,<br />
insbesondere beim Abschluss von Strukturverträgen oder bei der Gründung ärztlich<br />
geleiteter Medizinischer Versorgungszentren.<br />
Darüber hinaus müssen Netze, die qualitative und organisatorische Voraussetzungen<br />
erfüllen, die Möglichkeit bekommen, einen regionalen Versorgungsauftrag<br />
oder ein eigenes Honorarbudget zu erhalten. Dies sollte über die jeweilige Kassenärztliche<br />
Vereinigung erfolgen und könnte bis hin zu einem Teil-Sicherstellungsauftrag<br />
gehen.<br />
Die Netzagentur im Internet: www.deutsche-aerztenetze.de<br />
Mitglieder der Agentur deutscher Ärztenetze e.V.: Arbeitsgemeinschaft Berliner<br />
Ärztenetze GbR, Ärztenetz „Medizin und Mehr“ (MuM) e. G., Ärztenetz Fürth Stadt<br />
und Landkreis Fürth e.V., Ärztenetz Südbrandenburg Consult GmbH, Gesundheitsnetz<br />
Dreiländereck Südbaden GmbH & Co. KG, Gesundheitsnetz Köln-Süd (GKS)<br />
e.V., Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG – QuE Nürnberg, Gesundheitsorganisation<br />
Ludwigshafen eG (GO-LU), GMZ GmbH (Management im Gesundheitswesen),<br />
Hessenmed – Verbund hessischer Ärztenetze e.V., HNOnet NRW eG, Leipziger<br />
Gesundheitsnetz e.V., <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> e.V., OptiMedis AG, PaedNetz Bayern e.V.,<br />
Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V., Praxisnetz Kiel, Praxisnetz Nürnberg Süd<br />
e.V., Praxisnetz Vorderpfalz (PRAVO), Regensburger Ärztenetz e.V., solimed – Unternehmen<br />
Gesundheit GmbH & Co. KG, Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte<br />
(UGOM) GmbH & Co. KG<br />
36
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Gesundheitspolitik<br />
Milliardenpoker im GKV-System<br />
Die Krankenkassen demonstrieren seit<br />
längerem, wie man aus den enormen<br />
Rücklagen der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) brisanten Zündstoff macht.<br />
Statt die Probleme der Versorgung anzugehen<br />
oder die Beitragszahler zu entlasten,<br />
bunkern die Kassen Mitgliederbeiträge in<br />
Milliardenhöhe. Von den großen Playern<br />
im GKV-System kündigte zuerst die Techniker<br />
Krankenkasse (TK) an, Prämien auszuschütten.<br />
Der Vorstoß sorgt für Aufregung<br />
im Kassenlager und offenbart den<br />
frostigen Konkurrenzkampf von AOK,<br />
Barmer und Co. Gleichzeitig gerät der<br />
<strong>Bund</strong>esgesundheitsminister in die Kritik.<br />
Dank der robusten deutschen Wirtschaft<br />
und hohen Beschäftigungszahlen sprudeln<br />
die Einnahmen der Krankenkassen. Zudem<br />
wirken sich die Sparpakete, die insbesondere<br />
der Pharmaindustrie auferlegt wurden,<br />
positiv auf die Bilanzen aus. Preisstopp<br />
und Zwangsrabatte haben den Ausgabenanstieg<br />
im Arzneimittelbereich gebremst.<br />
Der Zusatzbeitrag, wie ihn noch im vergangenen<br />
Jahr viele Versicherer verlangten,<br />
scheint wie eine blasse Erinnerung aus<br />
längst vergangenen Zeiten. Die GKV<br />
schwimmt im Geld. Die derzeitigen Rücklagen<br />
von Krankenkassen und Gesundheitsfonds<br />
in Höhe von rund 22 Milliarden<br />
Euro, so hat es das Kieler Institut für Weltwirtschaft<br />
errechnet, werden bis Ende 2014<br />
auf stattliche 27,4 Milliarden steigen. Das<br />
entspricht etwa einem Prozent des Bruttoinlandprodukts.<br />
Zwar gibt es gute Gründe für ein ausreichendes<br />
Finanzpolster in der GKV. Mahner<br />
warnen, Deutschland könne sich letztendlich<br />
womöglich nicht mehr gegen den<br />
wirtschaftlichen Abwärtstrend behaupten<br />
und selbst zum Problemfall werden. Die<br />
Überschüsse würden dann gebraucht.<br />
Krankenkassen sind aber keine Sparkassen,<br />
wie Gesundheitsminister Daniel Bahr nicht<br />
müde wird zu wiederholen. So will es auch<br />
das Gesetz. Hat eine Kasse mehr als anderthalb<br />
Monatsausgaben auf dem Konto<br />
über, muss sie das Geld ausgeben. Höhere<br />
Rücklagen sind nicht erlaubt. Auf das<br />
Minister-Mantra, Geld an die Versicherten<br />
zurückzugeben, reagierten die Kassen<br />
bislang durch die Bank zurückhaltend. Das<br />
Gebot lautete, nicht vor den Forderungen<br />
einzuknicken und so einen Dammbruch in<br />
den eigenen Reihen zu verursachen. Das<br />
ging lange gut. Bis zu einer Vorstands-<br />
Pressekonferenz der Techniker Krankenkasse.<br />
Dort kündigte der neue TK-Chef Jens<br />
Baas an, 2013 Prämien an die Mitglieder<br />
ausschütten zu wollen. Aus einigen Betriebskrankenkassen<br />
verlautet Ähnliches.<br />
Der Riss, den die Nummer zwei der GKV in<br />
der Kassenfront verursacht hat, könnte<br />
folgenreich sein. Der unter Marketingaspekten<br />
clevere Schachzug der TK setzt die<br />
übrigen Versicherer unter Handlungsdruck<br />
und sorgt kassenintern für Aufregung.<br />
Zwar könnten etwa 30 der 145 Krankenkassen<br />
Beiträge zurückzahlen, heißt es aus<br />
Regierungskreisen. Diese bieten aber lieber<br />
Zusatzleistungen an, wie Umfragen der<br />
Wirtschaftswoche und des Focus ergaben.<br />
Unter der Konkurrenz von Geldgeschenken<br />
könnte sich das bald ändern. So könnte<br />
die Aktion der Techniker Krankenkasse für<br />
den Minister den ersten Punktsieg in der<br />
Überschuss-Debatte bedeuten.<br />
Bahr hofft auf weitere Kassen, die nachziehen.<br />
Vor dem Hintergrund der <strong>Bund</strong>estagswahl<br />
im kommenden Jahr machen sich<br />
solche Geldgeschenke an die Wähler gut<br />
– zumal, wenn sie aus dem Gesundheitsressort<br />
stammen. Früher musste hier stets<br />
zugebuttert werden. Unmittelbar nach der<br />
Ankündigung der TK wird des Ministers<br />
Erfolg jedoch von einer Parallele überschattet.<br />
So hatte der FDP-Mann das ihm<br />
unterstellte BVA ungefähr zeitgleich angewiesen,<br />
die geplante Reform des Finanzausgleichs<br />
auf Eis zu legen. Die Reform<br />
soll einen lange bekannten Rechenfehler<br />
im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich<br />
(Morbi-RSA) beheben. Aufgrund<br />
38
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Milliardenpoker um Versichertenbeiträge – Versorgung wird zur Nebensache<br />
des Fehlers werden für alte und schwerkranke<br />
Menschen zu wenig Mittel bereitgestellt.<br />
Während Kassen mit vielen Mitgliedern<br />
dieser Patientengruppe auf die<br />
Neuregelung drängen, ist die Techniker<br />
durch den Stopp im Vorteil. Bei ihr sind<br />
überdurchschnittlich junge und gesunde<br />
Menschen krankenversichert.<br />
Die Synchronizität der Ereignisse nährt<br />
Kungelei-Gerüchte und hat eine offene<br />
Auseinandersetzung unter den Kassen<br />
entfacht. Hinter vorgehaltener Hand ist<br />
von einem möglichen Kuhhandel zwischen<br />
Baas und Bahr die Rede: Prämienausschüttung<br />
gegen Reformstopp. Die restlichen<br />
Kassen reagieren verschnupft. Der Frust<br />
über den Reformstau paart sich mit dem<br />
Groll auf die Nestbeschmutzer von der TK.<br />
AOK-Chef Jürgen Graalmann, dessen Mitgliederstruktur<br />
ungünstig für die derzeitige<br />
Berechnungsformel ist, droht mit einem<br />
Klageverfahren vor dem <strong>Bund</strong>essozialgericht.<br />
Mit in der Ärzteschaft wohlbekannter<br />
Kassen-Rhetorik rumpelte Graalmann<br />
außerdem gegen die Konkurrenz: Der<br />
Prämiensegen der TK sei nichts weiter als<br />
eine „Fangprämie für Neukunden“; die TK<br />
mache mit dem zu Unrecht erhaltenen<br />
Geld Kasse.<br />
© pzRomashka - Fotolia.com<br />
So gleicht die Situation einem Pokerspiel,<br />
das gerade erst begonnen hat. Während<br />
die meisten Kassen mit vermeintlichen<br />
Leistungsausweitungen auftrumpfen wollen,<br />
hat die TK bereits den ersten Stich<br />
gemacht. Den hohen Einsatz brachte sie<br />
nicht freiwillig. Das BVA hatte die TK<br />
bereits im Mai dazu aufgefordert, Überschüsse<br />
abzubauen und an die Mitglieder<br />
auszuzahlen. Die Versorgung der Versicherten<br />
gerät im Konkurrenzkampf der Krankenkassen<br />
derweil zur Nebensache. Obwohl<br />
die Forderung, die nutzlose Praxisgebühr<br />
kritisch zu überprüfen, bei Wissenschaftlern,<br />
Verbänden und Teilen der Politik<br />
breite Unterstützung findet, ist ihre Abschaffung<br />
ungewiss. Die Christsozialen<br />
halten mit Hinweis auf schlechtere Zeiten<br />
an der Abgabe fest. Den Kassen kann die<br />
Blockadehaltung nur Recht sein.<br />
Die Abschaffung der Zehn-Euro-Abgabe<br />
wäre ein Nullsummenspiel für alle ohne<br />
individuellen Marketingnutzen. Lieber<br />
geben die Kassen das Geld, das sie den<br />
Patienten über die Praxen abverlangen,<br />
später medienwirksam an sie zurück. Lachender<br />
Dritter im Beitragspoker könnte<br />
schließlich <strong>Bund</strong>esfinanzminister Wolfgang<br />
Schäuble sein. Während die Beitragszahlungen<br />
der Versicherten grundsätzlich<br />
steuerlich absetzbar sind, gilt das für Prämienzahlungen<br />
nicht. Schreibt die Techniker<br />
Krankenkasse jedem ihrer rund sechs<br />
Millionen Mitglieder 100 Euro gut, würden<br />
nicht nur 600 Millionen Euro aus der<br />
Versorgung abgezogen. Bei einem durchschnittlichen<br />
Einkommenssteuersatz von<br />
etwa 15 Prozent dürften sich auch die<br />
Finanzbeamten in Berlin die Hände reiben.<br />
Opposition treibt Bürgerversicherung<br />
voran<br />
Mit Eintritt ins <strong>Bund</strong>estagswahljahr 2013<br />
gewinnt die Debatte über die Finanzierung<br />
des Gesundheitswesens an Fahrt. Geht es<br />
nach den Plänen von SPD und Bündis90/<br />
Die Grünen wird das duale System aus<br />
gesetzlicher und privater Krankenversiche-<br />
39
ung durch eine einheitliche Bürgerversicherung<br />
für Alle ersetzt. Die PKV gerät<br />
damit unter enormen Druck. An Reformen<br />
wird sie nicht vorbeikommen. Vielen Linken<br />
ist sie ein Dorn im Auge, das Symbol<br />
der „Zwei-Klassen-Medizin“ in Deutschland.<br />
Die private Krankenversicherung biete<br />
Gutverdienern und den meisten Selbstständigen<br />
die Möglichkeit, sich der Solidargemeinschaft<br />
zu entziehen. Denn Privatpatienten<br />
versicherten nur ihr eigenes Krankheitsrisiko.<br />
Zum Solidarausgleich tragen sie<br />
nicht bei. Um diese Gerechtigkeitslücke zu<br />
schließen, so die im Großen und Ganzen<br />
gleichlautenden Reformpläne der rotgrünen<br />
Opposition, soll eine Bürgerversicherung<br />
eingeführt werden. Im neuen<br />
vereinheitlichten Versicherungssystem seien<br />
dann alle Patienten gleich – unabhängig<br />
von ihrem Versichertenstatus.<br />
Der Charme einer vermeintlich gerechteren<br />
Gesundheitsversorgung verfängt – sogar<br />
bei den Ärzten und damit denjenigen, die<br />
die Reform am deutlichsten zu spüren<br />
bekommen würden. 51 Prozent der Mediziner<br />
befürworten die Einführung der<br />
Bürgerversicherung, so das Umfrageergebnis<br />
des MLP-Gesundheitsreports. Nur 41<br />
Prozent lehnen das Vorhaben ab. Zwar<br />
fragte das vom Finanzdienstleister MLP für<br />
den Report beauftragte Institut für Demoskopie<br />
Allensbach nicht nur Niedergelassene,<br />
sondern auch Kliniker nach ihrer Meinung.<br />
Dennoch sorgte das Ergebnis für<br />
Verwunderung. Es sei erstaunlich, so Allensbach-Chefin<br />
Renate Köcher. Offenbar<br />
hofften viele Mediziner, ihre Einbußen<br />
durch den Wegfall der Privatliquidation<br />
über mehr Patienten mit privater Zusatzversicherung<br />
wettzumachen. Nur noch<br />
private Zusatzversicherung – das wäre<br />
„Zwei-Klassen-Medizin“ pur. Sollte nicht<br />
genau das durch die Bürgerversicherung<br />
abgeschafft werden? Die rot-grüne Einheitsversicherung<br />
sei eine Mogelpackung,<br />
ein süßes Gift der Opposition, kritisiert der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, die Reformpläne.<br />
„Alle Patienten, die es sich leisten<br />
können, werden private Zusatzversicherungen<br />
abschließen. Je nach Geldbeutel haben<br />
wir dann keine Zwei-Klassen-Medizin<br />
mehr, sondern eine Drei-, oder gar Vier-<br />
Teilung der Gesundheitsversorgung.“ Viele<br />
Praxen könnten darüber hinaus GKV-Patienten<br />
heute nur noch durch die Querfinanzierung<br />
durch die private Krankenversicherung<br />
behandeln. Der Wegfall der GOÄ<br />
als Finanzierungsquelle müsste durch eine<br />
Anhebung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes<br />
um rund 30 Prozent kompensiert<br />
werden, erklärt der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />
„Daran glaubt doch kein Mensch.“<br />
Deutliche Kritik kommt auch vom Präsidenten<br />
der <strong>Bund</strong>esärztekammer. Durch den<br />
Wegfall der PKV, mahnte Prof. Frank Ulrich<br />
Montgomery bei einer Podiumsdiskussion<br />
des Pharmaherstellers UCB im Januar in<br />
Berlin, fehle dem Gesundheitssystem zukünftig<br />
ein wichtiger Innovationsmotor.<br />
Derzeit zwinge der Druck der GOÄ den<br />
Gemeinsamen <strong>Bund</strong>esausschuss zur Einführung<br />
von neuen Methoden in der Gesetzlichen<br />
Krankenversicherung. Diese<br />
Wettbewerbsdynamik fehle im Bürgerversicherungsmodell<br />
völlig, so Montgomery.<br />
Was bleibe sei ein „hohes Symbol von<br />
Gerechtigkeit auf verdammt niedrigem<br />
Niveau.“ „Ein Wettbewerb findet gar nicht<br />
statt“, entgegnete der Obmann der Grünen<br />
im Gesundheitsausschuss, Dr. Harald Terpe.<br />
Die solidarische Bürgerversicherung werde<br />
die Unterfinanzierung des GKV-Systems<br />
ausbalancieren und für eine Verbesserung<br />
der Versorgung sorgen. Dabei könnten<br />
auch private Versicherungen zu Anbietern<br />
der Bürgerversicherung werden. Allerdings<br />
unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen<br />
wie die GKV.<br />
Ähnlich sieht es auch die SPD. Geht es<br />
nach den Sozialdemokraten wird das bestehende<br />
Nebeneinander der Systeme<br />
durch einen einheitlichen Versicherungsrahmen<br />
ersetzt. Der PKV bliebe lediglich<br />
eine Gnadenfrist, denn den Privatversicher-<br />
© Michaela Gruse/ Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern<br />
„Ein Wettbewerb findet nicht statt“ –<br />
Dr. Harald Terpe attackiert die PKV<br />
40
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
ten würde eine goldene Brücke in die GKV<br />
gebaut. „Wir wollen eine Wechselmöglichkeit<br />
für eine begrenzte Zeit unter Mitnahme<br />
der Rückstellungen“, erklärte die Vorsitzende<br />
des <strong>Bund</strong>estags-Gesundheitsausschusses,<br />
Dr. Carola Reimann, die für die<br />
SPD auf dem Podium saß. Für die privaten<br />
Krankenversicherer stehen somit schwere<br />
Zeiten ins Haus. Ganz gleich in welche<br />
Richtung die politischen Lager tendieren,<br />
kann die PKV wohl kaum zur Tagesordnung<br />
übergehen. Steigende Beitragssätze,<br />
überhöhte Maklerprovisionen und eine<br />
veraltete Gebührenordnung bringen die<br />
Assekuranzen zunehmend in Schwierigkeiten.<br />
Noch aber, so Frank Ulrich Montgomery,<br />
scheine der Reformdruck nicht groß<br />
genug zu sein. Die Verhandlungen über<br />
die GOÄ-Reform erklärte der Ärztepräsident<br />
für gescheitert.<br />
Bürgerversicherung gefährdet<br />
zehntausende Praxen<br />
Bei Einführung einer Bürgerversicherung<br />
nach den Plänen der Opposition müssten<br />
niedergelassene Ärzte nahezu aller Fachgruppen<br />
mit massiven Umsatzverlusten im<br />
zweistelligen Prozentbereich rechnen.<br />
Dieses Ergebnis einer Studie des PVS-<br />
Verbandes zur finanziellen Belastung der<br />
Ärzte durch den Wegfall der Privaten Krankenversicherung<br />
(PKV) nahm der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> zum Anlass für Generalkritik.<br />
Angesichts der neuen Zahlen warnt der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich, ein historisch<br />
begründetes und funktionierendes duales<br />
Versicherungssystem ohne Not zu opfern.<br />
Heinrich: „Brechen die PKV-Umsätze weg,<br />
geraten viele Praxen in eine gefährliche<br />
wirtschaftliche Schieflage. Das können sich<br />
weder die Patienten, die eine wohnortnahe<br />
Versorgung erhalten, noch die Ärzte und<br />
Praxismitarbeiter, die um ihre Existenz<br />
bangen, leisten.“<br />
Derzeit finanzierten 11,4 Prozent Privatversicherte<br />
das deutsche Gesundheitssystem<br />
zu 25 Prozent. Ohne diese Privatumsätze<br />
© LUCKAS - Fotolia.com<br />
müssten niedergelassene Ärzte im Schnitt<br />
einen Verlust von etwa 43.400 Euro jährlich<br />
einkalkulieren. Fachärzte wären dabei<br />
am stärksten betroffen, so die Berechnungen<br />
des PVS-Verbandes. Dermatologische,<br />
orthopädische und radiologische Praxen<br />
hätten Umsatzverluste zwischen 30 und 40<br />
Prozent zu verkraften. Geringer sei der<br />
Ausfall bei den Allgemein- und Kinderärzten<br />
sowie den Internisten. Hier wurde ein<br />
Vergütungsverlust zwischen circa 6 und 14<br />
Prozent errechnet.<br />
Vor allem fachärztliche Praxen müssten drastische<br />
Umsatzeinbußen befürchten. Praxisschließungen drohen.<br />
Die absehbaren Umsatzverluste in einer<br />
Bürgerversicherung werden von den niedergelassenen<br />
Ärzten heftig kritisiert: „Die<br />
Studie zeigt es deutlich: Die Bürgerversicherung<br />
ist nicht nur schlecht für die<br />
Patienten, weil sie die Versorgung teurer<br />
macht und Innovationen blockiert. Sie ist<br />
auch eine reale wirtschaftliche Gefahr für<br />
zehntausende Arztpraxen. Ein Umsatzrückgang<br />
zwischen 20 und 40 Prozent ist nur<br />
mit radikalem Personalabbau und weitgehenden<br />
Streichungen nötiger Neuinvestitionen<br />
in Technik und Geräte ausgleichbar.<br />
Beides hätte direkte Auswirkungen auf die<br />
Patientenversorgung. Es drohen längere<br />
Wartezeiten und vermehrte Krankenhauseinweisungen“,<br />
warnt Dr. Dirk Heinrich,<br />
der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des Verbandes der<br />
niedergelassenen Ärzte Deutschlands.<br />
Zwar beteuern die Befürworter der Bürgerversicherung<br />
immer wieder, dass die wegbrechenden<br />
PKV-Honorare in einem vereinheitlichten<br />
Versicherungssystem kompensiert<br />
werden würden. Bei den Ärzten<br />
bleibt man dennoch skeptisch. Dr. Heinrich:<br />
„Dass nach einem Systemwechsel<br />
genügend Geld für die Erhöhung der GKV-<br />
Einnahmen zur Verfügung gestellt wird, ist<br />
ein leeres Versprechen. Letztendlich heißt<br />
Bürgerversicherung nichts anderes als<br />
Enteignung der Privatversicherten, schlechtere<br />
Versorgung für Kassenpatienten, Unterschlagung<br />
der guten ambulanten, insbesondere<br />
fachärztlichen, Versorgung. Das ist<br />
weder gerecht noch fair“, so der Verbandsvorsitzende.<br />
Währenddessen wächst der innerärztliche<br />
Widerstand gegen die Einführung einer<br />
Bürgerversicherung. Bei einer Online-Umfrage<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es über das<br />
Ärztenetzwerk coliquio gaben 81 Prozent<br />
der Befragten an, nichts von den Reformplänen<br />
der Opposition zu halten. 86 Prozent<br />
erwarten Umsatzeinbußen in ihren<br />
Praxen. Bei der Frage, ob Reformen innerhalb<br />
der PKV die Bürgerversicherung verhindern<br />
könnten, zeigten sich 57 Prozent<br />
der Teilnehmer davon überzeugt, dass die<br />
Konvergenz der Systeme aus grundsätzlichen<br />
Erwägungen angestrebt wird und<br />
auch Fortschritte bei den hausgemachten<br />
Problemen in der PKV daran nichts ändern<br />
würden. An der Online-Abstimmung nahmen<br />
über 1.400 Ärzte teil.<br />
Und täglich grüßt …<br />
die Einheits-Gebührenordnung<br />
Man könnte fast die Uhr danach stellen. In<br />
regelmäßigen Abständen fordern Befürworter<br />
der Bürgerversicherung und Krankenkassen-Bosse<br />
die einheitliche Gebührenordnung<br />
für Ärzte, weil es doch nicht<br />
sein kann, dass für gleiche medizinische<br />
Leistung unterschiedlich bezahlt würde<br />
und weil dies überhaupt der Grund für die<br />
„Zwei-Klassen-Medizin“ in Deutschland<br />
sei. Vergessen wird dabei stets die historische<br />
Entwicklung der Gebührenordnungen<br />
von den Bismarckschen Sozialgesetzen bis<br />
heute und die Zwecke, zu denen insbesondere<br />
die Gebührenordnungen innerhalb der<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />
41
Gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt<br />
und fortgeschrieben wurden.<br />
Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es warnt dabei stets und ständig vor<br />
einer Vereinheitlichung der ärztlichen<br />
Honorarordnung auf das Niveau des Einheitlichen<br />
Bewertungsmaßstabes (EBM).<br />
„Ohne die Einnahmen aus der Privaten<br />
Krankenversicherung wären viele Praxen<br />
nicht überlebensfähig und müssten schließen.<br />
Und zwar nicht nur am Starnberger<br />
See, sondern auch in den bereits heute<br />
schlecht versorgten Regionen Deutschlands“,<br />
so Dr. Dirk Heinrich. Kurz nachdem<br />
der Vorstandsvorsitze des AOK-<strong>Bund</strong>esverbandes,<br />
Jürgen Graalmann, das Sachleistungsprinzip<br />
der GKV als Grundlage für<br />
eine Einheitsgebührenordnung gefordert,<br />
gleichzeitig aber vor Revolutionen im<br />
Gesundheitswesen gewarnt und damit die<br />
Einführung einer Bürgerversicherung gemeint<br />
hatte, konterte Dr. Heinrich: „Das<br />
passt nicht zusammen!“<br />
Nichts mehr einzusparen – Keine weitere Kostendämpfung<br />
durch die Bürgerversicherung<br />
Es sei zwar begrüßenswert, dass sich immer<br />
mehr Kassenvertreter gegen die Reformpläne<br />
der Oppositionsparteien stellten,<br />
so Dr. Heinrich weiter. Die Äußerung des<br />
AOK-Vorstandes offenbare jedoch die<br />
einseitige Interessenpolitik der Krankenkassen:<br />
„Den Kassen geht es bei der Bürgerversicherung<br />
nicht um mehr Gerechtigkeit,<br />
sondern allein um weitere Kostendämpfungen<br />
im ambulanten Bereich.“ Durch die<br />
Budgetierung seien die Praxisärzte bereits<br />
© psdesign1 - Fotolia.com<br />
heute gezwungen, rund ein Fünftel ihrer<br />
Leistungen umsonst zu erbringen, so der<br />
Verbandsvorsitzende. „Hier ist nichts mehr<br />
einzusparen.“<br />
Nicht der EBM, sondern die Gebührenordnung<br />
für Ärzte (GOÄ) sei darüber hinaus<br />
die Referenz für ärztliche Leistungen. Die<br />
seien bei Privatversicherten und Kassenpatienten<br />
eigentlich gleich, nur dass die Ärzte<br />
im Sachleistungsprinzip der GKV weniger<br />
für ihre Leistung bekämen. Falle die GOÄ<br />
als Vorgabe weg, stünde einer Medizin<br />
nach Kassenlage nichts mehr entgegen.<br />
„Wer die Arzthonorare dauerhaft auf das<br />
Sparniveau des EBM eindampfen will,<br />
muss den Patientinnen und Patienten auch<br />
klar sagen, wo gespart werden soll. Eine<br />
Rationierungsdebatte wäre dann unumgänglich.“<br />
Dies wäre eine echte Revolution<br />
im Gesundheitswesen, so Dr. Dirk Heinrich<br />
an die Adresse des AOK-Vorstandes.<br />
Doppelzüngigkeit bei<br />
PKV-Abschaffung<br />
Auch der neue Chef der Techniker Krankenkasse,<br />
Dr. Jens Baas stieß ins selbe<br />
Horn, als er in einem Handelsblatt-Interview<br />
für die Abschaffung der Privaten<br />
Krankenversicherung plädierte. In einem<br />
offenen Brief antwortete ihm der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr.<br />
Dirk Heinrich:<br />
Sehr geehrter Herr Dr. Baas,<br />
mit großem Befremden haben die niedergelassenen<br />
Ärztinnen und Ärzte Ihr Plädoyer<br />
für die Abschaffung der Privaten<br />
Krankenversicherung im Handelsblatt<br />
vom 27.12.2012 zur Kenntnis genommen.<br />
Ihre Äußerung scheint eine neue Ära bei<br />
der Techniker Krankenkasse einzuläuten.<br />
Nicht nur, dass Sie die Rückzahlung von<br />
Versichertengeldern in Ihrer Pressemeldung<br />
vom 14.12.2012 als „Dividende“<br />
bezeichnen, was völlig widersinnig ist,<br />
sondern auch, dass Sie die Abschaffung<br />
der Privaten Krankenversicherung fordern<br />
zeigt, dass Sie mehr am Wohl Ihrer Krankenkasse<br />
interessiert sind, als am Wohl<br />
Ihrer Versicherten und dem Anteil Ihrer<br />
Versicherten, die Patienten sind.<br />
Ohne die Einnahmen aus den privaten<br />
Krankenversicherungen würde es die<br />
heutige Landschaft an Haus- und Fachärzten<br />
in Niederlassung nicht geben. Der<br />
Spitzenverband der GKV und auch Sie<br />
selbst haben sich in der letzten Honorarrunde<br />
nicht für eine ausreichende Steigerung<br />
der Einnahmeseite der niedergelassenen<br />
Ärzte eingesetzt. Jetzt die Abschaffung<br />
der einzigen noch wirklich funktionierenden<br />
und adäquat bezahlenden Versicherungssparte<br />
zu fordern, ist<br />
angesichts der Tatsache, dass Sie selbst<br />
Ihren Versicherten Privatleistungen anbieten<br />
völlig inkongruent.<br />
Es ist zudem empörend, dass Sie das<br />
zusätzliche Hautkrebsscreening, das Sie<br />
Ihren Versicherten ab dem fünfzehnten<br />
Lebensjahr über eine Privatpraxis in<br />
Hamburg anbieten, anstatt über diejenigen<br />
Ärzte, die sowieso schon gesetzlich<br />
krankenversicherte Patienten tagein und<br />
tagaus behandeln. Sie unterstützen damit<br />
rein privat niedergelassene Ärzte und<br />
fordern gleichzeitig die Abschaffung des<br />
Versicherungssystems, das genau diese<br />
Ärzte im Wesentlichen finanziert. Dies<br />
mag verstehen wer will; ein normal denkender<br />
Mensch jedoch nicht.<br />
Es ist genau diese Doppelzüngigkeit, die<br />
den Anschein erweckt, dass Ihre Äußerung<br />
rein dem Wohl der Kasse dient und<br />
nicht dem Wohl der Versicherten und<br />
Patienten. Wir niedergelassenen Ärzte<br />
müssen dies als heuchlerische Äußerung<br />
empfinden. Bislang gehörte die Techniker<br />
Krankenkasse zu den Krankenkassen, die<br />
von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten,<br />
die Kassenpatienten behandeln, als<br />
solide und verlässlich empfohlen wurden.<br />
Diese Haltung muss nun grundlegend<br />
überdacht werden.<br />
42<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Wir erwarten von einer großen Krankenkasse<br />
wie der Techniker Krankenkasse,<br />
dass sie nicht nur sorgsam mit den Versichertengeldern<br />
umgeht, sondern dass sie<br />
sich seriös am Markt verhält. Wir sind<br />
sehr enttäuscht von dem Kurswechsel der<br />
Techniker Krankenkasse.<br />
Sozialversicherungssyteme, wie sie die<br />
Opposition fordert“, erklärt daraufhin der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich.<br />
„Merkwürdige Doppelzüngigkeit:<br />
TK-Chef Dr. Jens Baas<br />
© Techniker Krankenkasse<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Dr. Dirk Heinrich<br />
Widerlegte Wartezeiten<br />
Ein immer wieder gehörtes Argument im<br />
Zusammenhang mit der Forderung einer<br />
Bürgerversicherung: die Abschaffung der<br />
„Zwei-Klassen-Medizin“, festgemacht an<br />
unterschiedlichen Wartezeiten für Terminvergaben<br />
an gesetzlich und privat Versicherte.<br />
Mal starten Wahlkreiskandidaten<br />
eine Telefonaktion, um bei niedergelassenen<br />
Ärzten Termine zu vereinbaren – erst<br />
als GKV-Patient, dann als Privatversicherter.<br />
Und die Differenz der Terminvergaben<br />
befriedigt die Empörungs- und Skandalisierungsabsicht,<br />
ohne nach den wahren<br />
Gründen vor Ort zu suchen und einen<br />
Vergleich zu anderen Ländern zu ziehen.<br />
Hauptsache das Argument wird bestätigt:<br />
„Wir haben eine Zwei-Klassen-Medizin“.<br />
Dabei lohnt der Blick über den Tellerrand:<br />
Denn Patienten in Deutschland müssen im<br />
Vergleich der OECD-Länder am kürzesten<br />
auf einen Termin beim Facharzt oder einen<br />
operativen Eingriff im Krankenhaus warten.<br />
Dies ergibt eine Studie des Wissenschaftlichen<br />
Instituts der Privaten Krankenversicherung<br />
(WIP), die Rationierung<br />
und Versorgungsunterschiede in Gesundheitssystemen<br />
international verglichen hat.<br />
„Damit ist das Hauptargument für eine<br />
rot-grüne Bürgerversicherung klar widerlegt.<br />
Es gibt in Deutschland kein Wartezeitenproblem<br />
aufgrund einer sogenannten<br />
Zwei-Klassen-Medizin durch das duale<br />
System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung.<br />
Im Gegenteil: In fast<br />
allen anderen Ländern mit langen Wartezeiten<br />
existieren öffentliche Steuer- oder<br />
© Alexander Raths - Fotolia.com<br />
83 Prozent der Deutschen warten weniger als einen Monat<br />
auf einen Facharzt-Termin.<br />
Dennoch sei die Versorgung dort nicht<br />
besser, sondern schlechter. Laut der WIP-<br />
Studie gaben bei einer internationalen<br />
Erhebung in den OECD-Ländern 83 Prozent<br />
der deutschen Befragten an, weniger<br />
als einen Monat auf einen Facharzt-Termin<br />
warten zu müssen. 78 Prozent mussten<br />
weniger als einen Monat auf einen operativen<br />
Eingriff im Krankenhaus warten. Bei<br />
beiden Werten liegt Deutschland im Länder-Vergleich<br />
an erster Stelle. Der Anteil<br />
der Patienten, die zwei Monate oder länger<br />
auf einen Facharzt-Termin warten müssen,<br />
liegt hierzulande bei sieben Prozent. Nur<br />
in der Schweiz gibt es weniger überlange<br />
Wartende. Auch die Patienten sehen keinen<br />
Trend zur Zwei-Klassen-Medizin in der<br />
<strong>Bund</strong>esrepublik.<br />
Bei einer repräsentativen Forsa-Umfrage im<br />
Auftrag der IKK Classic bemängeln lediglich<br />
neun Prozent der Befragten eine Bevorzugung<br />
Privatversicherter. Gleichzeitig<br />
gaben 78 Prozent an, dass sie mit der<br />
kurzfristigen Terminvergabe der Ärzte<br />
zufrieden seien. „Das Nebeneinander von<br />
Privaten und Gesetzlichen Krankenkassen<br />
ist der große Vorteil für den Gesundheitsstandort<br />
Deutschland. Dass zeigen die<br />
Zahlen deutlich. Kommt die Bürgerversicherung<br />
nach den Plänen der Opposition,<br />
43
droht die Patientenversorgung Schaden zu<br />
nehmen“, warnt Dr. Heinrich. Das Beispiel<br />
lieferten alle anderen entwickelten Länder<br />
mit staatlichen Einheitssystemen.<br />
Korruptionsdebatte<br />
BGH stärkt ärztliche<br />
Freiberuflichkeit<br />
© Hans-Jörg Nisch - Fotolia.com<br />
Ärzte sind weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen.<br />
So urteilte der <strong>Bund</strong>esgerichtshof.<br />
Berufsrecht und im Sozialrecht verankert.“<br />
Es sei nun Aufgabe der Ärzteschaft, die<br />
Vorgaben der Berufsordnung eigenständig<br />
durchzusetzen, erklärte der Vorsitzende des<br />
Verbandes der niedergelassenen Ärzte<br />
Deutschlands: „Jetzt hat es die ärztliche<br />
Selbstverwaltung maßgeblich in der Hand,<br />
dass die schwarzen Schafe benannt und<br />
anschließend wirkungsvoll bestraft werden.“<br />
Vertragsärzte sind weder Amtsträger noch<br />
Beauftragte der Krankenkassen. Das hat<br />
der <strong>Bund</strong>esgerichtshof (BGH) Ende Juni in<br />
einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil<br />
festgestellt. Während die Ärzteschaft<br />
nahezu durchweg mit Erleichterung<br />
auf die Entscheidung reagierte, war die<br />
veröffentlichte Meinung von einer anderen<br />
Lesart dominiert: Ärzte dürfen Geschenke<br />
von Pharmafirmen annehmen. Ein heikles<br />
Urteil, das die Selbstverwaltung fordert.<br />
Ein Jahr lang hatten sich die Richter des<br />
BGH mit der Klage einer Pharmareferentin<br />
befasst, die ihre Verurteilung wegen Bestechung<br />
durch das Landgericht Hamburg<br />
nicht akzeptieren wollte. Die Frau hatte<br />
Vertragsärzten im Rahmen eines so genannten<br />
Verordnungsmanagements insgesamt<br />
rund 18.000 Euro übergeben. Bedingung<br />
für den Geldfluss: Die Ärzte verschrieben<br />
ihren Patienten ein bestimmtes<br />
Medikament des betreffenden Pharmaunternehmens<br />
und erhielten dafür fünf Prozent<br />
des Herstellerabgabepreises. Dabei<br />
handelt es sich nicht um Bestechlichkeit im<br />
geschäftlichen Verkehr, urteilten die Karlsruher<br />
Strafrichter nun. Der Straftatbestand<br />
wäre nur dann erfüllt gewesen, wären<br />
niedergelassene Vertragsärzte Amtsträger<br />
oder Beauftragte der Krankenkassen, so<br />
der Senat. Dies ist jedoch nicht der Fall.<br />
Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder<br />
Angestellter noch Funktionsträger einer<br />
öffentlichen Behörde, hielten die Richter<br />
fest. Allein die freie Auswahl eines gesetzlich<br />
versicherten Patienten veranlasst seine<br />
Tätigkeit.<br />
Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient,<br />
so die Begründung der BGH-Richter, ist<br />
dabei wesentlich vom persönlichen Vertrauen<br />
und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet,<br />
bei der die Kassen außen vor<br />
zu bleiben haben. Obwohl Vertragsärzte<br />
durchaus in das System öffentlich gelenkter<br />
Daseinsfürsorge eingebunden sind, hat<br />
ihre Tätigkeit nicht den Charakter hoheitlich<br />
gesteuerter Verwaltungsausübung.<br />
Vielmehr agieren Krankenkassen und Vertragsärzte<br />
gleichberechtigt nebeneinander,<br />
weswegen Niedergelassene nicht Beauftragte<br />
der Kassen sein können, heißt es in<br />
dem Urteil. Damit stellte der BGH eindeutig<br />
klar, dass Ärzte in erster Linie dem<br />
Patientenwohl und nicht den Kassen verpflichtet<br />
sind. Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich,<br />
begrüßte die Senatsentscheidung: „Das<br />
BGH-Urteil ist ein eindrucksvolles Plädoyer<br />
für die ärztliche Freiberuflichkeit. Jeder<br />
Gesetzgeber, gleich in welcher Koalition,<br />
der strafrechtliche Verschärfungen im<br />
Patienten-Arzt-Verhältnis vornimmt, rüttelt<br />
an den Grundfesten dieser höchstrichterlich<br />
geschützten Freiberuflichkeit.“<br />
Nagelprobe für die Selbstverwaltung<br />
Dennoch dürfe das Urteil keineswegs als<br />
Freibrief für unlauter handelnde Praxisärzte<br />
verstanden werden. Dr. Heinrich: „Geldgeschenke<br />
für Verordnungsverhalten, Korruption<br />
und Fangprämien sind mit dem<br />
Arztberuf unvereinbar. Die hierfür erforderlichen<br />
rechtlichen Grundlagen sind im<br />
Trotz des positiven Ausgangs des BGH-<br />
Verfahrens besteht nach dem Urteil erhöhter<br />
Erklärungsbedarf. So zeigte sich Dr.<br />
Frank Ulrich Montgomery verärgert angesichts<br />
der einhelligen Interpretation der<br />
Medien, Ärzte dürften sich straflos bestechen<br />
lassen. Der Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
sagte im Interview mit dem<br />
Deutschlandfunk: „Mitnichten darf sich<br />
der Arzt Geschenke von Pharmafirmen<br />
schenken lassen.“ Die rechtlichen Vorschriften<br />
seien hier eindeutig. Sowohl das<br />
ärztliche Berufsrecht, als auch das so genannte<br />
Kassenarztrecht seien bei dieser<br />
Frage eindeutig. Die möglichen Sanktionen<br />
reichten bereits jetzt bis zum Verlust der<br />
Approbation.<br />
Hitzige Debatte kreist nur um Ärzte<br />
Die im Anschluss geführte Debatte um<br />
Korruption im Gesundheitswesen trug teils<br />
kuriose Züge. Alle wollen die Korruption<br />
bekämpfen, aber im Blick blieb nur die<br />
Ärzteschaft. Selbst in der veröffentlichten<br />
Meinung zierten Ärzte die Überschriften,<br />
auch wenn nur über Fehlverhalten von<br />
Physiotherapeuten, Apothekern und auch<br />
Patienten berichtet wurde. Hier ein Beispiel:<br />
Wie weit die Schere zwischen den erhobenen<br />
Korruptions-Vorwürfen gegen die<br />
Ärzteschaft, der öffentlichen Wahrnehmung<br />
und der Realität klafft, machen<br />
Zahlen der DAK deutlich. Hier spricht die<br />
Hamburger Kasse von 1.800 ungeprüften<br />
„Hinweisen“ auf Abrechnungsbetrug im<br />
Jahre 2012, die aber lediglich zu zwölf<br />
44<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Prozent Ärzte betreffen. Alle anderen entfielen<br />
auf Physiotherapie, Pflege und Arzneimittel.<br />
Die darauf erfolgten Rückforderungen<br />
gegen Ärzte beliefen sich auf<br />
130.000 Euro, also 0,05 Promille der Gesamtausgaben<br />
für die ärztliche Behandlung<br />
der DAK. Die dazugehörigen Schlagzeilen<br />
lauten aber, wie hier im Hamburger<br />
Abendblatt „Zahlreiche Ärzte und Apotheker<br />
betrügen bei Abrechnung“.<br />
„Die DAK-Zahlen zeigen den tatsächlich<br />
geringen Umfang des Problems. Obwohl es<br />
sicherlich hier und da schwarze Schafe<br />
gibt, ist Fehlverhalten bei Ärzten äußerst<br />
selten“, konstatiert Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Die Zahlen belegten darüber hinaus, dass<br />
der Ermittlungsaufwand, den die Kassen<br />
betreiben, nicht gerechtfertigt sei. Dr.<br />
Heinrich: „Hier wird mit Kanonen auf<br />
Spatzen geschossen und künstlich Druck<br />
aufgebaut. Das Perfide dabei ist, dass die<br />
Ärzte sich, trotzdem sie sich fast durchweg<br />
nichts zu Schulden kommen lassen, permanent<br />
gegen die unlauteren Vorwürfe<br />
wehren müssen und mit dem Makel der<br />
Korruption zu kämpfen haben.“<br />
Geringer Umfang des Problems - nur 130.000 Euro Rückforderungen<br />
aufgrund Abrechnungsbetruges bei der DAK<br />
© pic-unique - Fotolia.com<br />
Hinsichtlich der Forderungen nach einer<br />
gesetzlichen Regelung gegen Korruption<br />
im Gesundheitswesen fordert Dr. Heinrich<br />
alle Beteiligten dazu auf, die Verhältnismäßigkeit<br />
zu wahren: „Von einem ‚dringenden<br />
Handlungsbedarf‘ zu sprechen, ist<br />
daher vollkommen überzogen. Ein neuer<br />
Anti-Korruptionsparagraf müsste vielmehr,<br />
so er denn tatsächlich kommt, alle Beteiligten<br />
im Gesundheitswesen betreffen, also<br />
auch die Krankenkassen als Institution.“ So<br />
gebe es derzeit nicht ausreichend wirkungsvolle<br />
Kontrollinstrumente gegen den<br />
Machtmissbrauch bei Krankenkassen.<br />
„Wenn, wie im Fall der DAK, zehnköpfige<br />
Ermittlungsteams mit den Beitragsgeldern<br />
der Versicherten finanziert werden und die<br />
Ergebnisse derart dürftig ausfallen, sollte<br />
das die zuständige Aufsichtsbehörde aufhorchen<br />
lassen.“<br />
Die in den letzten Wochen gehäufte Berichterstattung<br />
über angebliche Ärzte-<br />
Korruption sei allein auf die Inszenierung<br />
durch die Krankenkassen zurückzuführen,<br />
kritisiert Dr. Heinrich. Erst in der vergangenen<br />
Woche hatte AOK-Vorstand Jürgen<br />
Graalmann Schwerpunktstaatsanwaltschaften<br />
gegen Korruption bei Ärzten gefordert.<br />
Die Forderung sei populistisch und habe<br />
nur zum Ziel, die Atmosphäre zwischen<br />
Patienten und Ärzten zu vergiften, entgegnete<br />
der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es.<br />
Ärzte unter Generalverdacht<br />
Nachdem der <strong>Bund</strong>esgerichtshof festgestellt<br />
hat, dass sich Ärzte nach geltendem<br />
Recht nicht strafbar machen, wenn sie<br />
Geschenke annehmen, sieht der Gesetzgeber<br />
eine Lücke, die zu schließen sei. Der<br />
Nebeneffekt: Angesichts der losgetretenen<br />
öffentlichen Debatte geraten nahezu alle<br />
Ärzte unter den Generalverdacht der Bestechlichkeit.<br />
Dass es ein Mittel gegen<br />
Korruption bei Ärzten geben muss, ist wohl<br />
die Meinung eines Jeden, für den es zum<br />
verantwortungsvollen Umgang mit Patienten<br />
keine Alternative gibt. Die dann aber<br />
geführte öffentliche Diskussion geht da<br />
einen Schritt zu weit. Denn glaubt man<br />
den Zeitungsberichten, tut sich unter<br />
Deutschlands niedergelassenen Ärzten<br />
nahezu ein Sündenbabel der Bestechlichkeit<br />
auf. Dabei sind die bislang diskutierten<br />
Fälle lediglich Ausnahmen. Dennoch will<br />
die <strong>Bund</strong>esregierung nach derzeitigem<br />
Stand nicht etwa gesetzliche Regelungen<br />
für alle Freien Berufe angehen, sondern<br />
Sondermaßnahmen gegen Ärztinnen und<br />
Ärzte ergreifen.<br />
<strong>Bund</strong>esärztekammer gegen Sondergesetze<br />
So sind zumindest die derzeitigen Signale<br />
zu werten. Denn das <strong>Bund</strong>esjustizministerium<br />
möchte sich nicht auf eine Regelung<br />
für alle Freiberufler einlassen. Im FDPgeführten<br />
Ressort will man offenkundig<br />
nicht noch die letzten Stammwähler der<br />
Liberalen verprellen. Eher geht man davon<br />
aus, dass <strong>Bund</strong>esgesundheitsminister Daniel<br />
Bahr eine Sonderreglung für Ärzte im<br />
Sozialgesetzbuch auf den Weg bringt.<br />
Damit kann sich allerdings die <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
(BÄK) aus gutem Grund nicht<br />
anfreunden. Auf ihrer Hompage verweist<br />
sie auf ein Interview von BÄK-Präsident<br />
Professor Frank Ulrich Montgomery, der<br />
eine „Schärfung der Ermittlungskompetenzen“<br />
der Ärztekammern und eine „Verbesserung<br />
des Strafrahmens“ im Berufsrecht<br />
forderte, um Korruption bei niedergelassenen<br />
Ärzten wirksamer bekämpfen zu können.<br />
Strafrecht oder Sozialrecht?<br />
„Wir lehnen eine gesetzliche Regelung ab,<br />
wenn sie als lex spezialis gegen Ärzte<br />
gemacht wird“, erklärte Montgomery im<br />
„Deutschen Ärzteblatt“. „Wir würden uns<br />
aber nicht gegen einen Paragrafen wehren,<br />
der für alle Freiberufler gilt – also auch für<br />
Architekten, Anwälte oder Journalisten.“<br />
Wenn es ein Gesetz gebe, dass bei allen<br />
Menschen greife, die in freiberuflicher<br />
Tätigkeit wirtschaftliche Interessen verfolgen<br />
und dabei gegen die Interessen ihrer<br />
Mandanten, Kunden oder Patienten verstießen,<br />
werde man das gerne prüfen. Die<br />
BÄK habe dazu bereits konkrete Vorschläge<br />
erarbeitet, die aber mit der Politik noch<br />
abgestimmt werden müssten.<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 45
Schwert des Berufsrechts soll geschärft<br />
werden<br />
Außerdem müsse der Gesetzgeber den<br />
Strafrahmen im Berufsrecht erhöhen, beispielsweise<br />
die Höhe der Geldstrafen. „In<br />
einigen Kammern fallen bei Vergehen nur<br />
wenige tausend bis 10.000 Euro an. Das ist<br />
zu wenig“, erklärte Montgomery. Stattdessen<br />
hält er es für überlegenswert, den<br />
Kammern mehr Kompetenzen auch beim<br />
Entzug der Approbation einzuräumen,<br />
„damit diese zügiger, schneller und auch<br />
spürbarer handeln können“. Gleichzeitig<br />
machte Montgomery Front gegen die<br />
Kassen, die auf den Zug gegen die Ärzte<br />
mit einem eigenen Gesetzesvorschlag<br />
aufgesprungen sind. Ihren Gesetzesvorschlag,<br />
künftig für korrupte Kassenärzte<br />
eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren<br />
vorzusehen, hält der Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
für völlig überzogen. „Das ist<br />
ein typischer Teil der Imagekampagne<br />
gegen die Ärzte, die die Krankenkassen<br />
momentan betreiben.“ Ihnen fehle inzwischen<br />
jedes Gefühl für Dimension und<br />
Proportion, meinte er und fügte hinzu,<br />
dass sich die Kassen damit aus der Rolle<br />
eines verantwortungsvollen Partners im<br />
Gesundheitswesen verabschiedeten.<br />
Ähnlich bewertet dies auch der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>.<br />
Der <strong>Bund</strong>esvorsitzende, Dr.<br />
Dirk Heinrich, sieht in der Frage der Korruption<br />
im Gesundheitswesen einen Anlass<br />
für die Kammern und Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen, „noch stärker ihrer Aufgabe<br />
als Selbstverwaltung eines Freien Berufes<br />
nachzukommen“. „Zu lange haben wir die<br />
wenigen schwarzen Schafe unter der Decke<br />
gehalten“, so Heinrich in einer Erklärung.<br />
„Der Eindruck, den die Öffentlichkeit davon<br />
hat, ist ein Zerrbild vom korrupten<br />
Arzt, der Prämien von Pharmaindustrie<br />
oder Krankenhausträgern für sein Verordnungs-<br />
und Einweisungsverhalten erhält.<br />
Wenn die ärztliche Selbstverwaltung weitere<br />
Instrumente benötigt, diese Missbrauchsfälle<br />
aufzudecken, dann soll sie<br />
© picture alliance/Tobias Hase für Deutsches Ärzteblatt<br />
diese jetzt benennen und fordern. Denn<br />
ein effektiver, vor allem transparenter und<br />
öffentlicher Selbstreinigungsprozess ist<br />
längst überfällig“, stellte der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des Verbandes der niedergelassenen<br />
Ärzte fest.<br />
Keine lex spezialis für Ärzte – Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der <strong>Bund</strong>esärztekammer<br />
Dabei müssten Kammern und Kassenärztliche<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigungen auch sagen,<br />
welche Hilfestellung sie bei Ermittlung und<br />
Überführung von korruptivem Verhalten<br />
benötigen. Heinrich ist davon überzeugt,<br />
dass sich das Thema Korruption bei niedergelassenen<br />
Ärzten auf eine Handvoll Fälle<br />
beschränkt und die absolute Ausnahme<br />
darstellt. „Korruption ist kein wirkliches<br />
Problem innerhalb der Ärzteschaft. Diese<br />
Fälle müssen aber aufgedeckt und sanktioniert<br />
werden, um alle Redlichen und Ehrlichen<br />
zu schützen. Dabei sind die bestehenden<br />
Sanktionsmöglichkeiten ausreichend.<br />
Ein zeitlicher Entzug der Approbation<br />
oder der Zulassung bewirkt einen<br />
wirtschaftlichen Schaden, der an die Grenzen<br />
der Existenz führen kann. Einnahmeausfälle<br />
von einem halben Jahresumsatz<br />
wirken besser als jede Haftandrohung“, so<br />
Heinrich. „Die Lösung dieser Aufgabe wird<br />
zur Nagelprobe für die Ärztekammern und<br />
die Kassenärztlichen Vereinigungen. Nur<br />
46
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
ein glaubhafter Selbstreinigungsprozess ist<br />
gelebte Selbstverwaltung“, sagte der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>-Vorsitzende.<br />
Auf eine stärkere Einbeziehung der Selbstverwaltung<br />
zielen auch die derzeit diskutierten<br />
Gesetzesänderungen ab. So sollen<br />
die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig<br />
Fälle von Abrechnungsbetrug oder anderes<br />
Fehlverhalten an Behörden und Ärztekammern<br />
melden, wofür derzeit die rechtliche<br />
Grundlage fehlt. So würden nach Meinung<br />
der Initiatoren aus der Politik nicht nur<br />
berufsrechtliche Verstöße, sondern auch<br />
Qualitätsmängel leichter geahndet werden<br />
können. Allerdings mehren sich bereits die<br />
Stimmen von Verbraucherschützern und<br />
anderen Experten des Gesundheitswesen,<br />
die davor warnen, allein auf die Selbstverwaltung<br />
zu setzen. Dabei können sich<br />
deren Vorstöße, gegen Korruption vorzugehen,<br />
bereits jetzt durchaus sehen lassen.<br />
In den vergangenen Jahren haben die<br />
Ärztekammern in fast 1.000 Fällen Ermittlungsverfahren<br />
gegen Mediziner wegen<br />
Korruptionsverdachts in Gang gesetzt. 163<br />
dieser Fälle endeten mit einer Strafe. Den<br />
Kassen ist das zu wenig. Sie sehen eine<br />
grobe Gesetzeslücke. Auch die von Professor<br />
Frank Ulrich Montgomery geforderten<br />
größeren Ermittlungsrechte für die ärztliche<br />
Selbstverwaltung stießen auf Kritik. In<br />
der „Frankfurter Rundschau“ erklärte Uwe<br />
Dolata vom <strong>Bund</strong> Deutscher Kriminalbeamter,<br />
dass damit das Rechtssystem untergraben<br />
werde. Er forderte die Einführung<br />
von konkreten Straftatbeständen, die<br />
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ermöglichen.<br />
Ähnlich äußerte sich auch<br />
Professor Gerd Glaeske vom Bremer Zentrum<br />
für Sozialpolitik.<br />
Faktum ist, dass Korruption im Gesundheitswesen<br />
– wie in allen anderen Bereichen<br />
des gesellschaftlichen Lebens – wohl<br />
nie ganz ausgeschlossen werden kann. Die<br />
derzeitige Diskussion verschweigt aber die<br />
erheblichen Fortschritte, die von allen<br />
Beteiligten schon erzielt worden sind. So<br />
haben sich zahlreiche pharmazeutische Unternehmungen<br />
bereits eigene Anti-Korruptionsrichtlinien<br />
gegeben, bei deren Zuwiderhandlung<br />
den betreffenden Mitarbeitern<br />
sogar die fristlose Kündigung droht.<br />
Schon seit Jahren ist es Ärzten im Berufsrecht<br />
explizit verboten, Vorteile für Gegenleistungen<br />
anzunehmen. Nicht zuletzt aber<br />
sind die Ärztekammern, die für die Überwachung<br />
des Berufsrechts zuständig sind,<br />
Körperschaften des öffentlichen Rechts, die<br />
allesamt der Rechtsaufsicht durch die jeweiligen<br />
Landesministerien unterstehen.<br />
Sie haben damit den gleichen Status wie<br />
die gesetzlichen Krankenkassen. Die Diskussion<br />
ist nicht zuletzt so aufgeflammt,<br />
weil die Zeit zwischen Weihnachten und<br />
dem Jahresanfang traditionell eher nachrichtenarm<br />
ist. Alle Beteiligten sollten sich<br />
aber davor hüten, sie zu überziehen – ein<br />
Generalverdacht gegen Ärzte darf nicht<br />
geschürt werden. Niemand zweifelt daran,<br />
dass der mit Abstand größte Teil der deutschen<br />
Ärzte unanfällig gegen Korruption<br />
ist und seine Tätigkeit ausschließlich am<br />
Wohl des Patienten ausrichtet. Für sie steht<br />
das Vertrauensverhältnis mit den Patienten<br />
an erster Stelle. Wenn dieses jetzt ausgerechnet<br />
durch eine Diskussion über einzelne<br />
konkrete und viel mehr noch über unterstellte<br />
Bestechungsvorwürfe leidet, wäre<br />
keinem geholfen. Am wenigsten den Patienten<br />
selbst.<br />
Praxisgebühr<br />
Das kurze Leben einer<br />
Ungeliebten<br />
Seit Beginn der Einführung der Praxisgebühr<br />
hat der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> gegen sie<br />
angekämpft. In sage und schreibe 28 Veröffentlichungen<br />
forderte der Verband die<br />
Abschaffung der Kassengebühr, da sie als<br />
reines Zuzahlungsinstrument systemfremd<br />
in der Arztpraxis erhoben wird und dort zu<br />
nicht unerheblichem bürokratischem Aufwand<br />
führt.<br />
Ursprünglich von der rot-grünen Koalition<br />
2004 als Steuerungsinstrument bei Arztbesuchen<br />
eingeführt (Gesetz zur Modernisierung<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
– GMG), stellten sich <strong>Bund</strong>espolitiker von<br />
SPD und Grünen sowie die Länder mit<br />
gleichfarbigen Regierungskoalitionen<br />
schnell an die Spitze der Bewegung, die<br />
dieses wenig geliebte Instrument wieder<br />
abschaffen will.<br />
Die Geschichte der Praxisgebühr ist konfliktbeladen,<br />
die Diskussionen darüber<br />
weitestgehend emotional und damit oft<br />
irrational. Das begann schon mit ihrer<br />
Einführung. Während die damaligen Oppositionsparteien<br />
CDU/CSU und FDP immer<br />
wieder eine stärkere Eigenverantwortung<br />
der Versicherten forderten, war es ausgerechnet<br />
das rot-grüne Regierungsbündnis,<br />
das diesen Schritt mit dem GMG vollzog.<br />
Neben der Entlastung der Krankenkassen<br />
um geplante 2,5 Milliarden Euro hatte die<br />
<strong>Bund</strong>esregierung damals nach eigener<br />
Aussage zwei Ziele. Zum einen sollte die<br />
„Eigenverantwortung der Versicherten für<br />
ihre Gesundheit“ gestärkt werden. Man<br />
wollte verhindern, dass Patienten auch mit<br />
Bagatellerkrankungen gleich den Arzt<br />
aufsuchten. Zum anderen wollte man aber<br />
auch die Selbstüberweisungen reduzieren.<br />
Der für die Kassen oft teure Gang zum<br />
Facharzt sollte nur nach Überweisung<br />
durch den Hausarzt stattfinden. Denn legt<br />
der Patient in der Fachpraxis einen Überweisungsschein<br />
vor, muss er die bereits<br />
beim Allgemeinarzt gezahlten zehn Euro<br />
nicht noch einmal entrichten.<br />
Gegen diese Neuregelung liefen die Ärzte<br />
seinerzeit Sturm. Sie warnten vor der Gefahr,<br />
dass die Gebühr bei sozialschwachen<br />
Patienten dazu führen könne, notwendige<br />
Arztbesuche nur aus Geldmangel zu unterlassen.<br />
Zudem wollten sich Deutschlands<br />
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht<br />
zu Inkasso-Büros für die gesetzliche<br />
Krankversicherung degradieren lassen.<br />
Genutzt hat ihnen das wenig. Bis zum<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 47
© pix4U - Fotolia.com<br />
Schluss ist die Zahlung der zehn Euro zwar<br />
immer noch bei Patienten und Ärzten<br />
unbeliebt, sie hat sich aber inzwischen<br />
weitestgehend eingespielt. Dass sie wieder<br />
in der Diskussion ist, liegt nur zum Teil an<br />
den enormen Überschüssen der Krankenkassen,<br />
die – da ist sich jeder einig – abgebaut<br />
werden müssen. Wesentlich bedeutender<br />
dürfte die Tatsache sein, dass Wahlen<br />
anstehen und zumindest die FDP sich<br />
ernsthaft Gedanken machen muss, ob sie<br />
es wieder schafft, in den Deutschen <strong>Bund</strong>estag<br />
einzuziehen.<br />
Keine nachweisbare Steuerungswirkung – die Praxisgebühr<br />
hatte ein kurzes Leben<br />
Obwohl sie eigentlich stets für die Stärkung<br />
der so genannten Eigenverantwortung<br />
der Patienten eingetreten ist, waren<br />
es daher folgerichtig die Liberalen, die sich<br />
als erste öffentlich für die Abschaffung der<br />
Praxisgebühr aussprachen – und damit<br />
eine der vielen Streitigkeiten im Koalitionslager<br />
auslösten. Die CSU wollte stattdessen<br />
die Krankenkassenbeiträge senken. Den<br />
Bürgern würde man damit auch etwas vom<br />
Überschuss der Krankenkassen zukommen<br />
lassen und die „Eigenverantwortung“<br />
bliebe in diesem Bereich der ambulanten<br />
Versorgung erhalten. Bei der christlichen<br />
größeren Schwesterpartei CDU war man<br />
sich lange uneins, in welche Richtung man<br />
gehen will. Unter dem Strich hätten zwar<br />
beide Wege die gleichen Auswirkungen, die<br />
Abschaffung der Praxisgebühr ließe sich<br />
jedoch ungleich besser als Wahlgeschenk<br />
nutzen. Denn die nicht mehr vorhandene<br />
Pflicht, zu Beginn jedes Quartals einen<br />
roten Zehn-Euro-Schein als Eintrittsgebühr<br />
in die Untersuchungs- und Behandlungsräume<br />
der Praxen zahlen zu müssen, wird<br />
vom Bürger ungleich stärker wahrgenommen<br />
als die Entlastung bei den Beiträgen,<br />
die womöglich angesichts der vielen Positionen<br />
auf der monatlichen Lohnabrechnung<br />
untergeht.<br />
So kam es dann zu dem, was die Koalition<br />
in den Augen vieler Wähler am besten<br />
kann: zu Streit, zu internen Verhandlungen<br />
und zum Feilschen. Schnell wurde die<br />
Praxisgebühr Teil des koalitionsinternen<br />
Milliardenpokers, bei dem neben der Gebühr<br />
noch das Betreuungsgeld und die<br />
Rentenreform auf dem Tisch liegen. Nicht<br />
zu vergessen sind in diesem Zusammenhang<br />
auch die unterschiedlichen Auffassungen<br />
bei der Energiewende. Diese haben<br />
zwar mit der Causa Praxisgeld überhaupt<br />
nichts zu tun, eingesetzt werden sie in<br />
dem Spiel aber dennoch. Damit verlor die<br />
Koalition allerdings das, was ihr im Rennen<br />
um die Wählergunst derzeit am meisten<br />
fehlt: Zeit und die Nase vorne. Denn längst<br />
haben sich SPD und Grüne des Themas<br />
Praxisgebühr angenommen und vermarkten<br />
es bereits medien- und damit öffentlichkeitswirksam.<br />
Im Deutschen <strong>Bund</strong>estag wurden von<br />
beiden Parteien Anträge eingebracht, die<br />
die Abschaffung des selbst gesetzlich<br />
geschaffenen Instruments zum Ziel hatten.<br />
Prof. Karl Lauterbach, Arzt, Gesundheitsökonom,<br />
seinerzeit Berater von <strong>Bund</strong>esgesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt und<br />
heute gesundheitspolitischer Sprecher der<br />
SPD, lässt keine Gelegenheit aus, in Interviews<br />
zu erklären, dass die Praxisgebühr<br />
ihren eigentlichen Sinn, nämlich den der<br />
Steuerung, verfehlt habe. Zwar sei kurz<br />
nach ihrer Einführung die Zahl der Arztbesuche<br />
erst einmal gesunken, sie habe sich<br />
aber bald wieder auf das vorher bestehende<br />
Niveau angeglichen. Heute gingen<br />
sogar mehr Bürger zum Arzt als noch<br />
2004. Damit sei klar, dass diese Form der<br />
Selbstbeteiligung abgeschafft werden<br />
könne. Und obwohl alles danach aussieht,<br />
dass die Koalition schon längst auch davon<br />
überzeugt ist, die Gebühr zu kippen, wurde<br />
sie dennoch weiter im freien Spiel der<br />
Kräfte zwischen FDP, CDU und CSU hin<br />
und her geschoben. Und zwar so lange,<br />
dass man SPD und Grünen erneut Gelegenheit<br />
gab, das Thema für sich zu besetzen.<br />
Trotz der ohnehin erkennbaren Tendenz<br />
und trotz des eigenen Antrags im Parlament<br />
hat das rot-grün regierte Nordrhein-<br />
Westfalen nämlich noch eine <strong>Bund</strong>esratsinitiative<br />
„draufgelegt“. Ministerpräsidentin<br />
Hannelore Kraft will wohl damit zeigen,<br />
dass sie auch auf <strong>Bund</strong>esebene immer die<br />
Interessen der Wahlbürger fest im Blick<br />
hat. Und damit das auch auf die Aufmerksamkeit<br />
der Medien stößt, wurde zusätzlich<br />
zur verfehlten Steuerungswirkung noch ein<br />
weiteres Argument in die Begründung des<br />
NRW-Antrages aufgenommen. Die grüne<br />
Gesundheitsministerin des bevölkerungsreichsten<br />
<strong>Bund</strong>eslandes, Barbara Steffens,<br />
fügte hinzu, dass durch die Praxisgebühr<br />
ausgerechnet Geringverdienende, die ohnehin<br />
schon zu den auch gesundheitlich<br />
benachteiligten Bevölkerungsgruppen<br />
zählen, wegen der Kosten auf notwendige<br />
Arztbesuche verzichten. Daher schade die<br />
Gebühr mehr als sie nutze. Ebenfalls öffentlichkeitswirksam<br />
erklärte die Landesregierung<br />
von Schleswig-Holstein, der neben<br />
den Grünen und der SPD auch der Südschleswigsche<br />
Wählerverband angehört,<br />
ihre Unterstützung für den Antrag aus<br />
Düsseldorf. Was dann folgte, versteht nur<br />
der wirklich, der die politische Luft der<br />
Hauptstadt tief in sich aufgesogen hat. Am<br />
25. Oktober 2012 wurden sowohl die Anträge<br />
der SPD als auch die der Grünen<br />
abgelehnt. Dazu gab es den gewohnten<br />
Schlagabtausch, der allerdings etwas merkwürdig<br />
ausfiel. Politiker aus dem Regierungslager<br />
warfen der Opposition „taktische<br />
Spielchen“ vor und erklärten, dass sie<br />
dem „unmoralischen Angebot“ nicht folgen<br />
würden. Eine Steilvorlage für Karl<br />
Lauterbach, der seinerseits süffisant fest-<br />
48 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
stellte, dass die Annahme der Oppositionsanträge<br />
die Abschaffung der Praxisgebühr<br />
ohne Kuhhandel ermöglicht hätte.<br />
Zufrieden können SPD und Grüne dennoch<br />
mit dem Ergebnis sein. Denn sie haben der<br />
FDP ein Thema, das sie schon seit Monaten<br />
spielt, buchstäblich in letzter Minute<br />
aus der Hand geschlagen. Sie waren es, die<br />
als erste eine konkrete Gesetzesinitiative<br />
eingebracht haben und sie werden es daher<br />
auch natürlich sein, die eine Abschaffung<br />
der Praxisgebühr als ihre Leistung für<br />
sich verbuchen werden. „Die Regierung hat<br />
auf unseren Druck hin gehandelt“, heißt<br />
das in aller Regel in der Berliner Politiker-<br />
Sprache. Das Wahlgeschenk, das die FDP<br />
eigentlich für ihre eigene Imagewerbung<br />
nutzen wollte, fällt so als Verdienst dem<br />
politischen Gegner zu. Oder – wie Michael<br />
Gorbatschow es einmal ausdrückte: „Wer<br />
zu spät kommt, den bestraft das Leben.“<br />
Mehr statt weniger Arztbesuche<br />
Angesichts der Debatte um die Abschaffung<br />
der Praxisgebühr fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, die<br />
Diskrepanz zwischen Aufwand, Kosten und<br />
Nutzen der Zuzahlung kritisch zu überprüfen.<br />
Dr. Dirk Heinrich: „Auch acht Jahre<br />
nach Einführung der Kassengebühr, erlebe<br />
ich beinahe täglich Diskussionen zwischen<br />
meinem Praxispersonal und uneinsichtigen<br />
Patienten.“ Neben der normalen Verwaltung<br />
der Geldeingänge seien darüber hinaus<br />
die Mahnverfahren gegen säumige<br />
Zahler eine besondere Belastung. Dies<br />
müsse bei der Frage um die Zuzahlung<br />
immer mit bedacht werden. „Ich wünsche<br />
mir hier eine ehrliche Bilanz und mehr<br />
Verständnis von Seiten der Politik“, mahnt<br />
Dr. Heinrich.<br />
Neben dem erheblichen bürokratischen<br />
Mehraufwand, den die Gebühr verursache,<br />
verfehle sie alle ihre Ziele. So sei es ein<br />
Irrglauben, dass aufgrund der Zuzahlung<br />
weniger Menschen zum Arzt gingen. Im<br />
Gegenteil: „Etliche Patienten kommen nur,<br />
weil sie sich bei einem früheren Arztbesuch<br />
auf Vorrat zu weiteren Ärzten überweisen<br />
lassen.“ Hier könnten erhebliche finanzielle<br />
Einspareffekte erzielt werden. Andere,<br />
tatsächlich Hilfsbedürftige aus einkommensschwachen<br />
Verhältnissen, halte die<br />
Praxisgebühr dagegen vom Arztbesuch ab,<br />
kritisiert Dr. Heinrich.<br />
Nach Berechnung der Kassenärztlichen<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigung verschlingt der bürokratische<br />
Aufwand durch die Zuzahlung<br />
jährlich insgesamt rund 360 Millionen<br />
Euro. Auf jede Praxis entfallen so im<br />
Schnitt 4.100 Euro. Der zeitliche Mehraufwand<br />
für das Praxispersonal liegt bei circa<br />
120 Stunden im Jahr.<br />
Ärzte subventionieren Praxisgebühr mit<br />
3,24 Mrd. €<br />
Völlig versagt hat die Praxisgebühr bei der<br />
ursprünglichen Zielsetzung, der Steuerung<br />
von Arztbesuchen. Nach wie vor geht der<br />
durchschnittliche Versicherte mehr als 18<br />
Mal im Jahr zum Arzt.<br />
Damit hat sich die Praxisgebühr als ein<br />
alleiniges Finanzierungsmittel für die Krankenkassen<br />
entwickelt. „Die Kassengebühr<br />
ist nur noch ein bürokratischer Kropf,<br />
verfehlt seine beabsichtigte Steuerungswirkung<br />
und sorgt für einen erheblichen<br />
Mehraufwand bei der Verwaltung“, erinnert<br />
Dr. Heinrich. „Angesichts der Überschüsse<br />
bei den Gesetzlichen Krankenkassen<br />
von voraussichtlich 25 Milliarden Euro<br />
Ende 2013, werden die Patienten durch die<br />
Abschaffung der Zehn-Euro-Abgabe langfristig<br />
wirksamer entlastet, als durch Beitragsrückerstattungen“,<br />
so Dr. Heinrich.<br />
Die Entlastung komme aber auch der<br />
Ärzteschaft zugute. In den neun Jahren<br />
des Bestehens der Kassengebühr haben<br />
allein die Praxisärzte den Verwaltungsaufwand<br />
von insgesamt rund 3,24 Milliarden<br />
Euro getragen. Denn der bürokratische<br />
Aufwand durch die Zuzahlung verschlingt<br />
nach Berechnung der Kassenärztlichen<br />
© thongsee / Fotolia<br />
<strong>Bund</strong>esvereinigung jährlich insgesamt rund<br />
360 Millionen Euro.<br />
Beispiel Grippeimpfung: In mehreren <strong>Bund</strong>esländer kann<br />
nicht geimpft werden, weil der Kassen-Impfstoff fehlt.<br />
Impfchaos trifft Risikopatienten<br />
In den <strong>Bund</strong>esländern Bayern, Schleswig-<br />
Holstein und Hamburg stehen nach wie<br />
(Stand 2012) vor der vorgesehene Grippeimpfstoff<br />
für Kassenpatienten nicht oder<br />
wenn, dann nur in nicht ausreichender<br />
Menge zur Verfügung. Insbesondere für<br />
Risikopatienten, wie ältere Menschen und<br />
chronisch kranke Patienten, kann dies<br />
Probleme mit sich bringen. „Die Grippeimpfung<br />
sollte zwischen September und<br />
November verabreicht werden. Dieser Zeitraum<br />
verkürzt sich nun durch die Lieferverzögerungen<br />
um mindestens ein Drittel,<br />
für die meisten sogar noch erheblich stärker,<br />
da im Moment noch gar nicht absehbar<br />
ist, wann genügend Grippeimpfstoff<br />
zur Verfügung steht“, erläutert Heinrich.<br />
„Gerade Ältere und Patienten mit einer<br />
chronischen Erkrankung haben oft nur ein<br />
relativ schmales Impffenster, weil sie im<br />
Herbst aufgrund ihres geschwächten Immunsystems<br />
häufig unter Infekten leiden<br />
und während dieser Zeit nicht geimpft<br />
werden dürfen. Der Beginn der Grippeimpfsaison<br />
Anfang September ist deshalb<br />
sinnvoll und wichtig, um möglichst jedem<br />
Risikopatienten die Chance zu geben, eine<br />
infektfreie Zeit für die Impfung zu erwischen.“<br />
So trifft der Mangel an verfügba-<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 49
en und geeigneten Grippeimpfstoffen vor<br />
allem diejenigen, für die der Impfschutz<br />
besonders wichtig ist. „Wir sind an einem<br />
Punkt angekommen, an dem die Sparpolitik<br />
der Kassen die Gesundheit unserer<br />
Patienten möglicherweise gefährdet“,<br />
warnt Heinrich. „Das können wir nicht<br />
akzeptieren.“<br />
Den Bezug von Grippeimpfstoffen an<br />
Rabattverträge zu koppeln, hat in den drei<br />
von Lieferschwierigkeiten betroffenen <strong>Bund</strong>esländern<br />
zu einer Situation geführt, die<br />
aus medizinischer Sicht nicht hinnehmbar<br />
sei. „Bei der Grippeimpfung handelt es sich<br />
um eine vorbeugende Maßnahme, die in<br />
einem bestimmten Zeitraum verabreicht<br />
werden sollte“, erklärt Heinrich. „Ist dies<br />
nicht möglich oder treten Verzögerungen<br />
auf, geht dies zu Lasten der Patientenversorgung.<br />
Bei Grippeimpfstoffen muss sichergestellt<br />
sein, dass Anfang September<br />
geeignete Impfstoffe zur Verfügung stehen.<br />
Da es bei der komplexen Impfstoffherstellung<br />
aber immer wieder zu Produktionsschwierigkeiten<br />
bei einzelnen Impfstoffen<br />
und damit auch<br />
Lieferverzögerungen – wie im Moment –<br />
kommen kann, war es ein Fehler, sich<br />
durch den Abschluss von Rabattverträgen<br />
von einem Hersteller abhängig zu machen.“<br />
Bis zum Jahr 2011 konnten Ärzte<br />
den Impfstoff über Apotheken bestellen.<br />
Zu Engpässen bei der Versorgung mit<br />
Grippeimpfstoffen war es bis dahin nicht<br />
gekommen.<br />
bei dem gescheiterten Vorhaben von Ulla<br />
Schmidt werden in dem schwarz-gelben<br />
Präventionsgesetz ausdrücklich die Präventionsleistungen<br />
durch Ärzte erwähnt. Die<br />
Veränderungen im ambulanten Bereich<br />
sind dann auch schnell aufgezählt: So soll<br />
die bisherige U-35-Untersuchung in eine<br />
generelle Primärpräventions-Untersuchung<br />
„umgestaltet“ werden. Die Beschränkung<br />
auf Alter und Häufigkeit fällt, am Ende soll<br />
der Arzt eine „Präventionsempfehlung“<br />
geben. Im Bereich der Früherkennungsuntersuchungen<br />
bei Kindern soll ein weiterer<br />
Check im Alter von neun Jahren entstehen,<br />
der insbesondere auf die psychosoziale<br />
Entwicklung des Kindes zielt.<br />
Früherkennung bei Kindern: weitere Untersuchung geplant<br />
© Pavel Losevsky - Fotolia.com<br />
© Alexander Raths - Fotolia.com<br />
Konkrete Impfziele benötigt – Präventionsstrategie der<br />
<strong>Bund</strong>esregierung in der Diskussion<br />
Volkskrankheiten‘, wie chronische Sinusitis<br />
oder Schwerhörigkeit einbezogen werden.<br />
Hierfür ist es notwendig, die entsprechenden,<br />
teils noch fehlenden, Datengrundlagen<br />
zu erheben. Des Weiteren muss die<br />
Präventions-Untersuchung durch eine<br />
abschließende zusammenfassende Bewertung<br />
des kardiovaskulären Gesamtrisikos<br />
durch die Verwendung eines wissenschaftlichen<br />
Risikoscores die Patientinnen und<br />
Patienten in die Lage versetzen, ihr individuelles<br />
Risiko einzuschätzen und für sie<br />
geeignete Lösungsansätze zu finden“, so<br />
der Verband.<br />
Die neue SPD-Mehrheit im <strong>Bund</strong>esrat<br />
jedenfalls hat das Gesetz bis zum Ende der<br />
Legislaturperiode erst einmal aufgehalten.<br />
Sechs Jahre nach dem letzten gesetzgeberischen<br />
Versuch war dies nicht das einzige<br />
Déjàvu. Seinerzeit blockierte der unionsdominierte<br />
<strong>Bund</strong>esrat das Präventionsgesetz<br />
und es kam anschließend zu einem Regierungswechsel<br />
und der Ablösung von Rot-<br />
Grün.<br />
Präventionsgesetz<br />
Wieder ein Anlauf vor<br />
Torschluss<br />
Es sollte das letzte große schwarz-gelbe<br />
Gesundheitsprojekt werden: das Präventionsgesetz.<br />
Ganze sechs Jahre nach dem<br />
letzten Versuch startet wieder eine <strong>Bund</strong>esregierung,<br />
die Prävention in ein Gesetzesvorhaben<br />
zu pressen: Doch anders als<br />
Das war‘s denn auch. Weitere Inhalte des<br />
Gesetzes: Die Summe, die die Kassen für<br />
Prävention zur Verfügung stellen müssen,<br />
steigt schrittweise auf bis zu sechs Euro je<br />
Versicherten, wobei mindestens die Hälfte<br />
davon automatisch an die <strong>Bund</strong>eszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung geht. Gesundheitsprogramme,<br />
die die Krankenkassen<br />
anbieten, müssen zertifiziert und evaluiert<br />
werden. Und die betriebliche Gesundheitsförderung<br />
wird ausgebaut – mit<br />
einer Stärkung der Betriebsärzte. Der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> begrüßte denn auch den<br />
Referentenentwurf für ein Präventionsgesetz<br />
als einen „ersten Schritt in die richtige<br />
Richtung“, fordert aber zugleich eine weitere<br />
Konkretisierung des neuen Gesundheits-Checks<br />
durch niedergelassene Ärzte:<br />
„Es muss insbesondere darauf geachtet<br />
werden, dass so genannte ‚versteckte<br />
Korrektur bei Präventionsstrategie<br />
„Anbietermonopole bei Impfstoffen stehen<br />
den Präventionsbemühungen im Gesundheitswesen<br />
diametral entgegen und müssen<br />
vom Gesetzgeber unterbunden werden“,<br />
fordert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich,<br />
nachdem bekannt geworden war, dass die<br />
Krankenkassen auch weiterhin auf exklusive<br />
Rabattverträge mit einzelnen Herstellern<br />
50 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
setzen. Es sei unverantwortlich, dass bei<br />
den Exklusivverträgen einzig der Aspekt<br />
der Kostendämpfung im Mittelpunkt stehe.<br />
Ein Impfchaos, wie bei der verzögerten<br />
Grippeschutzimpfung in mehreren <strong>Bund</strong>esländern<br />
im vergangenen Herbst dürfe sich<br />
nicht wiederholen, so Dr. Heinrich.<br />
Da die Exklusivverträge zwischen Krankenkassen<br />
und Pharmaherstellern mit dem<br />
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz<br />
(AMNOG) vom Gesetzgeber ermöglicht<br />
worden seien, sei es jetzt auch Aufgabe der<br />
Politik, hier umgehend nachzuregulieren,<br />
fordert Dr. Heinrich. „Beim langwierigen<br />
und komplexen biologischen Produktionsprozess<br />
von Impfstoffen, der mitunter eine<br />
Vorlaufzeit von einem Jahr beträgt, ist es<br />
schon aus technischen Gründen unverantwortlich,<br />
allein auf einen Hersteller zu<br />
Wohin steuern die Parteien? Zehn Wahlprüfsteine zur<br />
Gesundheitspolitik geben Antwort.<br />
setzen.“ Gehe in den Produktion einer<br />
Charge etwas schief, wie unlängst bei<br />
einem Arzneimittelhersteller geschehen,<br />
könnten Risikopatienten nicht rechtzeitig<br />
immunisiert werden. „In solchen Fällen ist<br />
mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate der<br />
Bevölkerung zu rechnen. Das ist ein Skandal“,<br />
kritisiert der <strong>Bund</strong>esvorsitzende.<br />
© Marco2811 - Fotolia.com<br />
Um das Ziel hoher Immunitätsraten zu<br />
erreichen und damit die Bevölkerung bestmöglich<br />
vor Ansteckungskrankheiten zu<br />
schützen, müssten in die kürzlich vereinbarte<br />
Präventionsstrategie der <strong>Bund</strong>esregierung<br />
verbindliche Zielvorgaben einfließen:<br />
„Ein Vorsorgeplan muss konkrete<br />
Impfziele festlegen und die Rahmenbedingungen<br />
zu ihrer Erreichung ermöglichen.<br />
Das fängt bei den Kassen an, denen die<br />
einseitige Kostensenkungspolitik untersagt<br />
werden muss und hört bei den niedergelassenen<br />
Ärzten auf, die in die Lage versetzt<br />
werden müssen, ihre Patienten rechtzeitig<br />
und umfassend vor Infektionskrankheiten<br />
zu schützen.“<br />
Es war bekannt geworden, dass sowohl<br />
von der BARMER GEK als auch der AOK<br />
Plus für die Grippesaison 2013/14 und<br />
2014/15 Rabattverträge über Impfstoffe in<br />
Sachsen-Anhalt beziehungsweise Sachsen<br />
ausgeschrieben worden waren. Ein ähnliches<br />
Vorgehen hatte zu Beginn der diesjährigen<br />
Grippeperiode zu Lieferengpässen<br />
geführt. Da nach dem Zuschlag für einen<br />
Hersteller andere Lieferanten ihre Produktion<br />
teilweise fast vollständig zurückgefahren<br />
hatten, fehlte es darüber hinaus an<br />
alternativen Seren.<br />
<strong>Bund</strong>estagswahl 2013<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> legt<br />
Wahlprüfsteine vor<br />
Rechtzeitig zum Beginn des Wahlkampfes<br />
hat der Verband der niedergelassenen<br />
Ärzte Deutschlands Wahlprüfsteine für die<br />
politischen Parteien vorgelegt. Die Antworten<br />
auf die zehn Fragen rund um die Zukunft<br />
der ambulanten ärztlichen Versorgung<br />
sollen die Positionen der Parteien zu<br />
den Kernfragen der niedergelassenen Ärzte<br />
verdeutlichen und in der Gegenüberstellung<br />
vergleichbar machen. Neben Fragen<br />
zur ärztlichen Freiberuflichkeit und der<br />
Rollenverteilung innerhalb der Selbstverwaltung<br />
werden die Politiker aufgefordert,<br />
zur künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens<br />
Stellung zu beziehen. Hier die<br />
gestellten Fragen:<br />
Feste Preise<br />
Die niedergelassenen Ärzte haben sich in<br />
einer Befragung aller Vertragsärzte eindrucksvoll<br />
zum Sicherstellungsauftrag<br />
bekannt, dies aber an Bedingungen geknüpft:<br />
So sollen für ärztliche Leistungen<br />
feste und kostendeckende Preise eingeführt<br />
und die vollständige diagnostische<br />
und therapeutische Freiheit wiederhergestellt<br />
werden. Stimmen Sie zu, dass auch<br />
niedergelassene Ärzte für ihre Leistungen<br />
feste Preise erhalten sollten?<br />
Freiberuflichkeit<br />
Durch ein BGH-Urteil wurde die besondere<br />
Rolle der freiberuflich tätigen niedergelassenen<br />
Ärzte bezeichnet als „wesentlich von<br />
persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit<br />
gekennzeichnet“. Dieser Wesenskern<br />
der Freiberuflichkeit wurde in den<br />
letzten Jahren sukzessive von den Krankenkassen<br />
ausgehöhlt, so dass die am<br />
zweithäufigsten genannte Forderung aus<br />
der Ärztebefragung der KBV die nach<br />
„diagnostischer und therapeutischer Freiheit<br />
bei kassenärztlichen Leistungen, die<br />
allein in der Verantwortung der ärztlichen<br />
Selbstverwaltung liegt“, war. Teilen Sie<br />
diese Forderung und wie kann die diagnostische<br />
und therapeutische Freiheit wiederhergestellt<br />
werden?<br />
Duales System der Krankenversicherung<br />
Sind Sie für den Erhalt des dualen Systems<br />
aus Gesetzlichen Krankenkassen und Privaten<br />
Krankenversicherungen? Wenn ja,<br />
welche Reformen benötigen die jeweiligen<br />
Systeme? Sollen die Vergütungssysteme<br />
(EBM und GOÄ) angeglichen werden?<br />
Wenn ja, nach welcher Systematik und<br />
über welchen Zeitraum? Welche Zukunft<br />
hat die ärztliche Referenzgebührenordnung<br />
GOÄ? Wenn nein, wie wollen Sie die Finanzlücken<br />
in der ambulanten Versorgung,<br />
die die Abschaffung der PKV verursacht,<br />
kompensieren (es handelt sich um rund 9,5<br />
Milliarden Euro Privathonorarumsatz in<br />
den Arztpraxen). Die durch den Wegfall der<br />
ambulanten privatärztlichen Honorare<br />
verursachte Lücke erfordert eine Anhebung<br />
der Leistungsbewertungen im EBM um<br />
durchschnittlich 36 Prozent. Wie soll dieser<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />
51
Anstieg finanziert werden, oder wie soll<br />
das ansonsten zu befürchtende Praxissterben<br />
kompensiert werden?<br />
Selbstverwaltung<br />
Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen<br />
stößt in jüngster Vergangenheit immer<br />
öfter an ihre Grenzen – beispielsweise bei<br />
den konfliktiven Honorarauseinandersetzungen<br />
in 2012. Als verantwortlich dafür<br />
wird die Machtkonzentration auf Kassenseite<br />
durch die Begründung des Spitzenverbandes<br />
<strong>Bund</strong> der Gesetzlichen Krankenkassen<br />
gemacht. Welche Veränderungen in<br />
der Organisation der Selbstverwaltung sind<br />
nötig, um sie zukunftsfest und ausgewogen<br />
zu gestalten? Sind Sie für eine Rückkehr<br />
zu kassenartenspezifischen Honorarverhandlungen<br />
auf <strong>Bund</strong>es- und Landesebene<br />
sowie für die Wiedereinführung der<br />
Beitragsautonomie der Krankenkassen?<br />
Wie stehen Sie zu der wiederkehrenden<br />
Forderung, die Sozialwahlen zu reformieren?<br />
Wie können die demokratischen Beteiligungsrechte<br />
von Versicherten und<br />
Patienten gestärkt werden? Werden deren<br />
Interessen durch das derzeitige System der<br />
Sozialwahlen noch vertreten?<br />
Förderung der Vernetzung<br />
Der Gesetzgeber hat über 15 Jahre nach<br />
der Begründung von vernetzter Versorgung<br />
erstmals professionellen Arztnetzen die<br />
Möglichkeit einer Förderung durch die<br />
KVen eingeräumt. Wie bewerten Sie die<br />
Einführung und die ersten Erfahrungen<br />
mit diesem Instrument? Wie stehen Sie zu<br />
einem weiteren Ausbau von vernetzter<br />
Versorgung, beispielsweise durch die Möglichkeit<br />
für Arztnetze, den Leistungserbringerstatus<br />
zu erhalten oder einen Teilsicherstellungsauftrag<br />
von den Kassenärztlichen<br />
Vereinigungen verliehen zu bekommen?<br />
Weiterbildung<br />
In den vergangenen Jahren hat sich das<br />
Behandlungsgeschehen weiter vom stationären<br />
in den ambulanten Bereich verlagert.<br />
Dies hat zur Folge, dass in zahlreichen<br />
Fächern weite Teile von weiterbildungsrelevanten<br />
Inhalten vorwiegend im ambulanten<br />
Bereich vermittelt werden müssen.<br />
Daher ist es längst erforderlich, dass neben<br />
der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />
auch die – insbesondere wohnortnahe<br />
– fachärztliche Weiterbildung in der ambulanten<br />
Versorgung ausgebaut wird. Dies<br />
stellt das ambulante System aber vor neue<br />
Herausforderungen, insbesondere bei der<br />
Finanzierung der Weiterbildung. Während<br />
in den Kliniken die Weiterbildung kofinanziert<br />
wird, fehlen Finanzierungsmodelle für<br />
den ambulanten Bereich. Unterstützen Sie<br />
die Ausweitung der Förderung der Weiterbildung<br />
– insbesondere im fachärztlichen<br />
Bereich? Wie kann diese Weiterbildung<br />
analog zum stationären Bereich finanziert<br />
werden?<br />
Krankenhausfinanzierung<br />
Die Krankenhäuser in Deutschland klagen<br />
über mangelnde Finanzierung. Dabei liegt<br />
eine Hauptursache für diese Finanznot in<br />
der dualen Krankenhausfinanzierung.<br />
Länder, Kreise und Kommunen kommen<br />
ihren Investitionsverpflichtungen nicht<br />
ausreichend nach. Die Krankenhäuser ihrerseits<br />
sehen als Lösungsweg die Öffnung<br />
ihrer Häuser für die ambulante Versorgung.<br />
Hierdurch wird ein durch eine politisch<br />
verursachte Unterfinanzierung verursachter<br />
Verdrängungswettbewerb zulasten niedergelassener<br />
Ärzte initiiert. Dabei zeigen<br />
internationale Vergleiche, dass die ambulante<br />
Versorgung dadurch teurer wird und<br />
sich die Wartezeiten verlängern. Wollen Sie<br />
die Beibehaltung der dualen Finanzierung<br />
und wenn ja, warum? Sind Sie für die<br />
monistische Finanzierung der Krankenhäuser<br />
und wenn ja, wie und in welchem<br />
Zeitraum wollen Sie diese durchsetzen?<br />
Bürokratie<br />
Die überbordende Bürokratie gilt als eines<br />
der größten Hemmnisse für den ärztlichen<br />
Nachwuchs, in die Niederlassung zu wechseln.<br />
Laut Ärztemonitor von KBV und<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> müssen niedergelassene<br />
Ärzte durchschnittlich 7,8 Wochenstunden<br />
allein für Verwaltungsarbeit aufbringen.<br />
Laut einer Bürokratiestudie der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung Westfalen-Lippe<br />
betragen die bundesweiten Bürokratiekosten<br />
für Praxisärzte im Jahr rund 1,6 Milliarden<br />
Euro. Jeder Vertragsarzt hat demnach<br />
rund 600 Informationspflichten.<br />
Entgegen vielfältiger Bekundungen sind<br />
Bürokratiekosten und -aufwand seit Jahren<br />
ansteigend. Mit welchen Maßnahmen<br />
wollen Sie den Bürokratieabbau in den<br />
Arztpraxen angehen?<br />
Eigenbeteiligung der Patienten<br />
Die 2004 eingeführte Praxisgebühr hat<br />
keinerlei Steuerungswirkung entfaltet.<br />
Daher wurde sie zum Jahresbeginn 2013<br />
abgeschafft. Welche Elemente der Patientensteuerung<br />
planen Sie? Welche Rolle<br />
spielt dabei das System der Kostenerstattung<br />
mit sozialverträglichem Eigenanteil?<br />
Welche Formen der Selbstverantwortung<br />
oder Eigenbeteiligung planen Sie?<br />
Weiterentwicklung der<br />
Vergütungssysteme<br />
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung<br />
der Entwicklung im Gesundheitswesen hat<br />
in seinem Sondergutachten 2012 einen<br />
verstärkten Wettbewerb um Qualität statt<br />
um Preise angeregt. Auch der <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> sieht in einem Qualitätswettbewerb<br />
ein besseres Mittel zur Versorgungsoptimierung<br />
und Weiterentwicklung<br />
des Gesundheitswesens als durch den<br />
bisher praktizierten Preiswettbewerb. Hierfür<br />
müssen aber spezielle Anreize gesetzt<br />
werden. Wie stehen Sie zu qualitätsbezogenen<br />
Vergütungssystemen, insbesondere<br />
zu den Modellen „pay for performance“<br />
und „pay for outcome“?<br />
Eine Gesamtübersicht zu den Antworten<br />
der Parteien steht auf der Internetseite des<br />
Verbandes unter www.nav-virchowbund.<br />
de/bundestagswahl.<br />
52 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
Für dich und deine Gesundheit.<br />
AVS 903 11 039a<br />
Die medizinische Erkenntnis ist unsere Leidenschaft. Gemeinsam mit unseren<br />
Partnern in Forschung und Wissenschaft, Ausbildung und Lehre helfen wir<br />
Millionen Menschen weltweit. Der medizinische Fortschritt verpflichtet, denn<br />
das Wichtigste ist die Gesundheit!<br />
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Aus den Landesgruppen<br />
Saarland<br />
Landesstaatssekretärin zu Gast<br />
hätten. Diese betrachteten erstmals in der<br />
Geschichte den Kranken als Ressource und<br />
Gesundheit als Ware. Kritik übte er insbesondere<br />
an den gesetzlichen Krankenkassen,<br />
die in ihrer eigenen Zweckbestimmung<br />
nichts anderes als Verwaltungsbürokratien<br />
seien, sich aber aufgrund ihrer Strategie<br />
zur Gewinnmaximierung immer mehr von<br />
ihrer eigentlichen Zweckbestimmung entfernt<br />
hätten.<br />
war Gast der Landeshauptversammlung der<br />
Landesgruppe Saarland des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es. Dabei referierte sie über die Konzepte<br />
der saarländischen Landesregierung<br />
zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung<br />
und den Stand der durch das<br />
GKV-Versorgungsstrukturgesetz neu geregelten<br />
Bedarfsplanung.<br />
Im saarländischen Landtag sei im Oktober<br />
2012 einstimmig die Einrichtung des für<br />
die dezentrale Bedarfsplanung zuständigen<br />
gemeinsamen Landesgremiums beschlossen<br />
worden. Insofern sei man zuversichtlich,<br />
dass die sektorenübergreifende Bedarfsplanung<br />
als dritte Schiene der Gesundheitsdienstleistungen<br />
im Jahr 2013 etabliert<br />
werden könne. Die Vorgaben des Gemeinsamen<br />
<strong>Bund</strong>esausschuss (G-BA) im Sinne<br />
einer Bedarfsplanungsrichtlinie lägen jedoch<br />
noch nicht vor.<br />
In seinem Vortrag vor den Delegierten wies<br />
der Landesgruppenvorsitzende Dr. Nikolaus<br />
Rauber zuvor daraufhin, dass bei der Ausgestaltung<br />
der ambulanten Versorgung die<br />
Bedarfsorientierung im Vordergrund stehen<br />
müsse. Zudem verwies er darauf, dass die<br />
Ärzte die wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens<br />
seien. Er monierte, dass technischer<br />
Fortschritt, gesellschaftlicher Wandel<br />
und, an erster Stelle, die zunehmende<br />
Ökonomisierung der Medizin die Ärzte als<br />
zentrale Entscheidungsträger verdrängt<br />
und neue Akteure an die Macht gebracht<br />
Die neu ernannte Staatssekretärin im Ministerium<br />
Er blickte zudem auf die Darstellung ärztli-<br />
für Soziales, Gesundheit, Frauen cher Themen in der Öffentlichkeit zurück,<br />
und Familie des Saarlandes, Gaby Schäfer, die sowohl in der regionalen als auch in<br />
Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
der des überregionalen <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es Presse von einer negativen<br />
Grundhaltung gegenüber der Ärzteschaft<br />
geprägt gewesen seien – egal ob es<br />
sich um den Organspendeskandal oder die<br />
Ärzteproteste im Rahmen des Honorarstreites<br />
gehandelt habe. Nur wenige, wie der<br />
ZDF-Moderator Peter Hahne, hätten zu<br />
den Ärzteprotesten differenziert Stellung<br />
genommen. Die meisten Journalisten,<br />
monierte Rauber weiter, würden die Unterschiede<br />
zwischen Umsatz, ärztlichem Honorar<br />
und Nettoeinkommen nicht kennen<br />
oder bewusst durcheinander bringen.<br />
Im Hinblick darauf rief Dr. Rauber dazu<br />
auf, mehr aufzuklären gegen Vorurteile,<br />
wie beispielsweise, dass Ärzte nicht mehr<br />
wüssten, wohin mit ihrem Geld. So liege<br />
das durchschnittliche Nettoeinkommen<br />
eines Kassenarztes laut statistischem <strong>Bund</strong>esamt<br />
im Monat bei 5.500,00 Euro und<br />
eines Hausarztes bei 5.018,00 Euro. Letztere<br />
seien die Leute, die nach langem Studium<br />
und schlecht bezahlter Assistenzzeit<br />
rund um die Uhr da seien, Nacht- und<br />
Notdienste sowie Hausbesuche absolvierten.<br />
Rauber wies insbesondere darauf<br />
hin, dass der Honorarumsatz von niedergelassenen<br />
Ärzten sowie Psychotherapeuten<br />
nicht mit dem Nettoeinkommen gleichzusetzen<br />
sei. Dies betrage laut dem aktuellen<br />
Honorarbericht der KBV für das 1. Halbjahr<br />
2011 durchschnittlich nur 23,5 Prozent des<br />
Umsatzes.<br />
54
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Lebhafte Diskussion - Dr. Nikolaus Rauber<br />
und Staatssekretärin Gaby Schäfer<br />
Gedankenaustausch in gemütlicher Runde,<br />
v.l.: Dr. Thomas Geiß, Dr. Nikolaus Rauber,<br />
Tobias Hans<br />
Foto: privat<br />
Foto: privat<br />
Schließlich rief der Landesgruppenvorsitzende<br />
auf, den Schulterschluss mit den<br />
angestellten Ärzten im Krankenhaus zu<br />
suchen und die berechtigten Ansprüche<br />
der Patienten zu verteidigen, sich für solide<br />
Arbeitsperspektiven einzusetzen, um<br />
damit die Attraktivität des Arztberufs zu<br />
stärken und die landesweite Versorgungsqualität<br />
auch in Zukunft sicher zu stellen.<br />
Dabei sei es von entscheidender Rolle, dass<br />
der Arztberuf ein freier Beruf bleibe, ärztliche<br />
Entscheidungen also unabhängig und<br />
ausnahmslos im Interesse der Patienten<br />
gefällt würden.<br />
In der anschließenden lebhaften Diskussion<br />
gab es einen regen Austausch zwischen<br />
den anwesenden Ärzten und der Staatssekretärin,<br />
die darauf hinwies, dass sich im<br />
Saarland manches leichter zur Zufriedenheit<br />
aller Beteiligten klären lasse als in<br />
größeren Flächenstaaten. Besonders erfreulich<br />
war, dass auch Nichtmitglieder des<br />
Verbandes am öffentlichen Teil der Landeshauptversammlung<br />
teilnahmen.<br />
Gesundheitspolitischer Talk im<br />
Saarland<br />
Der saarländische Landesverband hat eine<br />
neue Diskussionsreihe ins Leben gerufen:<br />
In unregelmäßiger Folge werden Gesundheitspolitiker,<br />
Vertreter der Krankenkassen<br />
und im Gesundheitssystem Verantwortung<br />
tragende Personen zu Diskussionsrunden<br />
eingeladen. Den Anfang machte der gesundheitspolitische<br />
Sprecher der CDU-<br />
Landtagsfraktion im Saarland, Tobias Hans.<br />
Tobias Hans wurde bei der Landtagswahl<br />
am 30. August 2009 im Wahlkreis Neunkirchen<br />
in den saarländischen Landtag<br />
gewählt. Im Zuge der vorgezogenen Neuwahl<br />
am 25. März 2010 konnte er sein<br />
Mandat bestätigen und rückte innerhalb<br />
der CDU-Landtagsfraktion zum parlamentarischen<br />
Geschäftsführer auf. In den Jahren<br />
2006 und 2007 war er wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter der CDU-Landtagsfraktion,<br />
von 2007 bis zu seiner Wahl in den<br />
saarländischen Landtag persönlicher Referent<br />
des saarländischen Gesundheitsministers<br />
Josef Hecken und später von dessen<br />
Nachfolger Gerhard Vigener. Seit der Wahl<br />
in den Landtag ist er gesundheitspolitischer<br />
Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.<br />
Unter der Moderation des Vorsitzenden der<br />
saarländischen Landesgruppe des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Nikolaus Rauber, und<br />
dem Landesvorsitzenden des Hartmannbundes,<br />
Dr. Grundmann, stellte Tobias<br />
Hans vor interessiertem Publikum die<br />
Schwerpunkte der gesundheitspolitischen<br />
Arbeit der saarländischen Landes-CDU dar.<br />
Da der saarländische Gesundheitsminister<br />
von der CDU-Landtagsfraktion gestellt<br />
werde, bestehe eine hohe Übereinstimmung<br />
zwischen dem gesundheitspolitischen<br />
Grundsatzprogramm im Wahljahr<br />
2013 und dem gesundheitspolitischen<br />
Handeln auf Landes- und <strong>Bund</strong>esratsebene.<br />
Der gesundheitspolitische Sprecher bekannte<br />
sich ohne Wenn und Aber zu der<br />
Freiberuflichkeit der Ärzte und zum Erhalt<br />
des dualen Systems der Krankenversicherung.<br />
Hans geht davon aus, dass bei einem<br />
möglichen Rückgang der Vollversorgungsversicherungen<br />
ein großer Wachstumsmarkt<br />
bezüglich privater Zusatzversicherungen<br />
bei einer zunehmenden Leistungsausgrenzung<br />
in der gesetzlichen Basisversorgung<br />
bestehe.<br />
In der Diskussion wurden unterschiedliche<br />
Formen der Eigenbeteiligung der Patienten<br />
nach Abschaffung der im Jahr 2004 eingeführten<br />
Praxisgebühr zum Jahresbeginn<br />
2013 diskutiert. Tobias Hans betonte, dass<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig neue<br />
Elemente der Patientensteuerung erforderlich<br />
seien. Welche letztendlich zum Tragen<br />
kämen, hänge entscheidend von dem<br />
Ausgang der <strong>Bund</strong>estagswahl im Septem-<br />
55
er 2013 und den dann bestehenden<br />
Machtverhältnissen ab.<br />
Bezüglich der Weiterbildung gab es eine<br />
vollkommene Übereinstimmung mit den<br />
anwesenden Ärzten, dass es erforderlich<br />
sei, neben der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin<br />
auch die fachärztliche Weiterbildung<br />
in der ambulanten Versorgung<br />
aufzubauen. Voraussetzung hierfür sei, ein<br />
Modell der Finanzierung zu entwickeln. Er<br />
versicherte, dass die saarländische Landesregierung<br />
an dem Bestand der hiesigen<br />
Universität festhalte. Auch sprach er sich<br />
für die baldige Besetzung des Lehrstuhls<br />
für Allgemeinmedizin an der Universität<br />
des Saarlandes in Homburg aus, um damit<br />
auch im Studium das Fach Allgemeinmedizin<br />
aufzuwerten.<br />
Zum andern wurden Modelle diskutiert,<br />
das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium<br />
zu reformieren. Die saarländische<br />
Situation stelle sich so dar, dass aufgrund<br />
des fehlenden persönlichen Auswahlverfahrens<br />
der hiesigen Universität die Zulassung<br />
ausschließlich über den Numerus Clausus<br />
erfolge. Es komme so dazu, dass saarländische<br />
Abiturienten, die an einer zentralen<br />
Abiturprüfung teilnehmen, gegenüber<br />
Abiturienten mancher anderer <strong>Bund</strong>esländer<br />
in der Zulassung benachteiligt würden,<br />
die dann aber nach Abschluss des Studiums<br />
ihre ärztliche Tätigkeit überwiegend<br />
außerhalb des Saarlandes ausübten. Insofern<br />
sprach er sich für eine Modifizierung<br />
der Zulassungskriterien aus, z. B. neben<br />
dem Notendurchschnitt auch das soziale<br />
Engagement, die Bereitschaft nach dem<br />
Studium im Saarland ärztlich tätig werden<br />
zu wollen, vorausgegangene berufliche<br />
Weiterbildung in einem Beruf des Gesundheitsweisens<br />
sowie die familiäre Sozialisation<br />
in Form von Ausübung sozialer Berufe<br />
im Elternhaus als Entscheidungskriterien<br />
heranzuziehen. Da das Saarland die Lehre<br />
finanziere, habe das Land ein Mitspracherecht<br />
auf die Vergabe der Studienplätze,<br />
das aber bisher seitens des Landes nicht<br />
wahrgenommen worden sei.<br />
Seitens Dr. Rolshoven, einem Mitglied der<br />
saarländischen Ärztekammer, wurde darauf<br />
hingewiesen, dass von der hiesigen Kammer<br />
bereits der medizinischen Fakultät<br />
angeboten worden sei, ein qualifiziertes<br />
Auswahlverfahren für die Studienzulassung<br />
im Bereich der Humanmedizin zu übernehmen.<br />
Mit Sorge wurde die zunehmende Anzahl<br />
der medizinischen Versorgungszentren an<br />
Krankenhäusern diskutiert, insbesondere<br />
dass sie in einem weit geringeren zeitlichen<br />
Umfang in der Patientenversorgung tätig<br />
seien, was zu einem erheblich gesteigerten<br />
Arbeitsaufwand in den Praxen der niedergelassenen<br />
freiberuflich tätigen Kollegen<br />
führe. Die Funktion der MVZ sieht Tobias<br />
Hans in der Übernahme der spezialärztlichen<br />
Versorgung, womit aber längerfristig<br />
Versorgungsdefizite in der Basisversorgung<br />
einhergingen.<br />
Auch seitens der anwesenden Ärzte wurde<br />
die wachsende Anzahl der MVZ an Krankenhäusern<br />
kritisch gesehen, insbesondere<br />
im Hinblick auf die zunehmende Anzahl<br />
von Selbstzuweisungen innerhalb eines<br />
Krankenhauskonzerns und damit einer<br />
Gefährdung der freien Arztwahl der Patienten,<br />
besonders dann, wenn in ländlichen<br />
Regionen durch die Anbindung aller Fachärzte<br />
einer Fachgruppe in einem MVZ am<br />
Krankenhaus keine Wahlmöglichkeiten<br />
mehr beständen.<br />
Nach weit über drei Stunden intensiven<br />
Gedankenaustausches vereinbarten die<br />
Teilnehmer, den gesundheitspolitischen<br />
Austausch fortzuführen.<br />
Zweite Runde mit SPD-Mann<br />
In Fortsetzung der Kamingespräche war<br />
wenige Wochen später Volker Schmidt<br />
Gast. Volker Schmidt ist seit 1999 Mitglied<br />
des saarländischen Landtages und gesundheitspolitischer<br />
Sprecher der SPD-Landtagsfraktion<br />
sowie deren stellvertretender<br />
Vorsitzender seit 2012. Von 2004 bis 2009<br />
war Schmidt Vorsitzender des saarländischen<br />
Landtagsausschusses für Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales.<br />
Der ausgebildete Krankenpfleger und medizinisch-technische<br />
Assistent, überblickt<br />
die gesundheitspolitischen Entwicklungen<br />
seit knapp 40 Jahren und ist mit der saarländischen<br />
Versorgungsstruktur gut vertraut.<br />
Als langjähriger Geschäftsführer und<br />
Inhaber eines Seniorenheims ist er auch<br />
selber Akteur im Gesundheitsmarkt und<br />
kennt die Probleme des Gesundheitswesens<br />
nicht nur als Sozialpolitiker.<br />
Unter der Moderation des Vorsitzenden der<br />
saarländischen Landesgruppe des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Dr. Nikolaus Rauber, und<br />
des Landesvorsitzenden des Hartmannbundes,<br />
Dr. Ralf Grundmann, stellte sich<br />
Volker Schmidt den Fragen der Teilnehmer,<br />
wobei insbesondere angesichts der anstehenden<br />
<strong>Bund</strong>estagswahl im September<br />
2013 die Themen Bürgerversicherung,<br />
Ökonomisierung der Medizin, bürokratische<br />
Überfrachtung der ärztlichen Tätigkeit,<br />
Attraktivität des Arztberufes, Neukonzeption<br />
der ärztlichen Weiterbildung und<br />
die Sicherstellung der regionalen Versorgung<br />
Interessenschwerpunkte darstellten.<br />
Bezüglich des Fortbestandes des dualen<br />
Systems der Krankenversicherung zeigte<br />
Schmidt Verständnis für die Ängste der<br />
anwesenden Ärzte. Er sah das Problem der<br />
Finanzierungslücke in der ambulanten<br />
Versorgung, die durch die Abschaffung der<br />
privaten Krankenversicherung verursacht<br />
werden würde, ging aber davon aus, dass<br />
durch eine zusätzliche Steuerfinanzierung<br />
der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
Einkommensverluste der niedergelassenen<br />
Ärzte ausgeglichen werden könnten und es<br />
somit zu keinem Praxissterben kommen<br />
werde. Das Geschäftsfeld der privaten<br />
56 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Gesundheitspolitischer Talk in entspannter<br />
Atmosphäre - Volker Schmidt zu Gast bei<br />
saarländischen Ärzten (3. v. l.)<br />
Foto: privat<br />
Versicherungen sah er künftig auf das<br />
Angebot von Zusatzleistungen beschränkt.<br />
Von den anwesenden Ärzten wurde auch<br />
darauf hingewiesen, dass seit Jahren in der<br />
GOÄ keinerlei Inflationsausgleich mehr<br />
erfolgte. Die Teilnehmer sprachen sich für<br />
den Erhalt der PKV aus, nicht nur wegen<br />
der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz,<br />
sondern auch vor dem Hintergrund,<br />
dass über die PKV in den letzten Jahrzehnten<br />
alle Innovationen den Eingang in<br />
die flächendeckende medizinische Versorgung<br />
gefunden hätten.<br />
In Abgrenzung zum Bündnis90/Die Grünen<br />
verwies Volker Schmidt darauf, dass<br />
die SPD auf die Rückstellungen der privatversicherten<br />
Patienten nicht zurückgreifen<br />
wolle, da dies einer Enteignung gleichkäme.<br />
Volker Schmidt wies darauf hin, dass die<br />
Politik sich in keinem Fall aus der Bedarfsplanung<br />
herausnehmen werde, erinnerte<br />
daran, dass gerade im Schnittstellenbereich<br />
der ambulanten und stationären Sektoren<br />
durch die Schaffung eines gemeinsamen<br />
Landesgremiums der landespolitische Einfluss<br />
gestärkt worden sei. Diesen wolle<br />
man auch im Bereich der Krankenhausplanung<br />
nicht an die Kassen abgeben.<br />
Volker Schmidt merkte an, dass im Saarland<br />
nur in einzelnen Disziplinen freie<br />
Arztsitze nicht besetzt werden konnten,<br />
sah aber aufgrund der Altersstruktur der<br />
saarländischen Ärzte das Problem durchaus<br />
als Damoklesschwert der nächsten Jahre.<br />
Seitens der Teilnehmer wurde insbesondere<br />
darauf hingewiesen, dass durch die zunehmende<br />
Spezialisierung in der Medizin dies<br />
noch verstärkt werde.<br />
Insbesondere in der Einbeziehung der<br />
niedergelassenen Praxen in die ärztliche<br />
Ausbildung sah er ein wirksames Instrument<br />
dem drohenden Versorgungsmangel<br />
zu begegnen. Er brachte die Hoffnung<br />
zum Ausdruck, dass bei Aufhebung der<br />
strengen Sektorengrenzen von ambulanter<br />
und stationärer Versorgung, junge Ärzte<br />
die Angst vor der Niederlassung besser<br />
überwinden könnten.<br />
Einigkeit bestand bezüglich der Notwendigkeit<br />
der Novellierung der fachärztlichen<br />
Weiterbildung, auch dass hierfür eine<br />
ausreichende Finanzierung in der niedergelassenen<br />
Praxis sichergestellt sein und der<br />
zusätzliche Aufwand, den ein Praxisinhaber<br />
im Rahmen der Fortbildung betreibe, auch<br />
in der fachärztlichen Praxis honoriert werden<br />
müsse.<br />
Seitens der Teilnehmer wurde darauf hingewiesen,<br />
dass zunehmend medizinische<br />
Leistungen aus dem stationären Bereich,<br />
wie z. B. bei der Dialyse, der Schlafmedizin,<br />
aber auch der Augenheilkunde aus dem<br />
stationären Bereich in den ambulanten<br />
Sektor verlagert worden seien, so dass es<br />
für die angehenden Fachärzte nicht möglich<br />
sei, ausreichende Kompetenzen alleine<br />
in der stationären Weiterbildung zu erwerben.<br />
Diskutiert wurden schließlich Konzepte von<br />
Verbundweiterbildungen im fachärztlichen<br />
Bereich, wie sie bereits im Bereich der<br />
Allgemeinmedizin realisiert worden sind.<br />
Schleswig-Holstein<br />
Impfchaos im hohen Norden<br />
„In diesem Jahr steht die Möglichkeit, als<br />
Schleswig-Holsteiner gegen die Virusgrippe<br />
(Influenza) geimpft zu werden, in den<br />
Sternen“, kritisiert der Vorsitzende der<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.<br />
57
Landesgruppe Schleswig-Holstein des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es, Matthias Seusing im<br />
Spätherbst 2012. Hintergrund sind Lieferschwierigkeiten<br />
des Impfstoffs bei der<br />
Firma Novartis. Das Pharmaunternehmen<br />
hatte in der Kassenausschreibung, die<br />
federführend von der AOK organisiert<br />
worden war, den Zuschlag für den rabattierten<br />
Einkauf bekommen.<br />
Der Engpass zur einsetzenden Grippeperiode<br />
sei fatal und unnötig, ärgert sich der<br />
Landesvorsitzende Seusing. „Zum ersten<br />
Mal haben die Krankenkassen die Bestellung<br />
der Impfstoffe landesweit in eigener<br />
Regie übernommen und schon fällt das<br />
von den Vertragsärzten seit Jahren aufgebaute<br />
und gut funktionierende Impfmanagement<br />
wie ein Kartenhaus zusammen.“<br />
Wann das Serum lieferbar sei, könne auch<br />
nach neuesten Informationen nicht gesagt<br />
werden. Den zuletzt zugesagten Liefertermin<br />
musste der Pharmahersteller erneut<br />
absagen. „Auf absehbare Zeit wird es keinen<br />
Kassen-Impfstoff geben. Wir haben<br />
keinen neuen Liefertermin mitgeteilt bekommen.<br />
Das ist ein Desaster und zeigt<br />
erneut, dass die Krankenkassen nur noch<br />
am wirtschaftlichen Erfolg und nicht mehr<br />
an der Versorgung interessiert sind. Verantwortung<br />
sieht anders aus“, moniert<br />
Seusing.<br />
Grippemittel nicht lieferbar – Fataler Engpass<br />
zur Impfsaison<br />
© Tobilander - Fotolia.com<br />
Mit Einsetzen der kalten Jahreszeit häuften<br />
sich die Nachfragen nach Grippeimpfungen<br />
in den Praxen zusehends. Matthias<br />
Seusing: „Wir wissen nicht, was wir unseren<br />
Patienten sagen sollen. Eigene Impfstoffbestellungen<br />
durch die Ärzte sind mit<br />
Regress bedroht.“ Werbekampagnen der<br />
Kassen, sich jetzt impfen zu lassen, seien<br />
vor diesem Hintergrund absurd.<br />
Das Beispiel zeige darüber hinaus in alarmierender<br />
Weise, welche haarsträubenden<br />
Folgen die missglückten Regulierungsversuche<br />
der Krankenkassen haben können.<br />
„Durch politisches Einsparkalkül der Krankenkassen<br />
wird die Gesundheit der Bevölkerung<br />
aufs Spiel gesetzt. Krankenkassen-<br />
Versicherte werden zu Krankenkassen-<br />
Verunsicherten“, sagt der<br />
Landesvorsitzende Schleswig-Holstein.<br />
Westfalen-Lippe<br />
Neuer Landesvorstand<br />
Bei der Landeshauptversammlung der<br />
Landesgruppe Westfalen-Lippe des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es wählten die Delegierten<br />
Gert Buchner zum neuen Landesvorsitzenden.<br />
Der 59-Jährige ist als praktischer Arzt<br />
in Arnsberg niedergelassen. Stellvertretender<br />
Landesvorsitzender wurde Dr.<br />
Werner von Tils (61), Allgemeinmediziner<br />
aus Rheine.<br />
Das neue Führungsduo beerbt mit dem<br />
Wechsel an die Spitze der Landesgruppe<br />
die beiden langjährigen stellvertretenden<br />
Landesvorsitzenden Dr. Martin Junker und<br />
Dr. Ulrich Oberschelp. Beide hatten nicht<br />
mehr für das Amt kandidiert.<br />
Darüber hinaus wählten die Delegierten<br />
Klaus-Wilhelm van Doornick (64), Orthopäde<br />
aus Werne, Dr. Gernot Scheibl (53),<br />
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologe<br />
aus Paderborn, Dr. Ulrich Oberschelp<br />
(67), Orthopäde aus Werne sowie<br />
Dr. Martin Junker (65), Facharzt für Allgemeinmedizin<br />
aus Olpe, als Beisitzer des<br />
Vorstandes.<br />
In seiner Antrittsrede als neuer Landesvorstand<br />
skizzierte Gert Buchner die Schwerpunkte<br />
seiner zukünftigen berufspolitischen<br />
Arbeit. Dabei machte er deutlich,<br />
dass der jüngste Honorarkompromiss mit<br />
den Krankenkassen bei weitem nicht dazu<br />
ausreiche, die Versorgung langfristig sicherzustellen.<br />
Neben der Ausgliederung der<br />
Leistungen der nichtärztlichen Psychotherapeuten<br />
aus dem Facharztbudget sei die<br />
Konvergenz der Leistungen in Westfalen-<br />
Lippe überfällig. Hier läge die Region<br />
immer noch am unteren Ende der Fahnenstange,<br />
so der neue Landeschef.<br />
Als weitere Ziele nannte Buchner den<br />
Bürokratieabbau in den Praxen und dabei<br />
insbesondere die Abschaffung der Praxisgebühr,<br />
sowie die innerverbandliche Tätigkeit<br />
seiner Landesgruppe. In einer Laudatio<br />
würdigte Dr. Oberschelp die Verdienste des<br />
langjährigen Vorsitzenden und zuletzt<br />
stellvertretenden Landesvorsitzenden Dr.<br />
Junker, der sich in fast 30 Jahren Ehrenamt<br />
große Verdienste in Westfalen-Lippe<br />
wie auch auf <strong>Bund</strong>esebene erworben habe.<br />
Diskreditierung schafft<br />
„Wut-Ärzte“<br />
In einem Leserbrief äußert sich das Mitglied<br />
des Vorstandes der Landesgruppe<br />
Westfalen-Lippe, Dr. Martin Junker, zur<br />
Korruptionsdebatte:<br />
Wieder einmal hangeln sich an wenigen<br />
Bestechungsfällen von Ärzten, die im<br />
vergangenen Jahr längst vom höchsten<br />
deutschen Gericht abgelegt wurden, Krankenkassen-Apparatschiks,<br />
wahlkampfbemühte<br />
Politiker und sensationsgeile Medien<br />
hoch. Einzelfälle, die in erheblich<br />
58 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Pseudo-Empörung von Kassen und Politikern –<br />
Dr. Martin Junker, Landesgruppe Westfalen-Lippe<br />
© <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
geringerem Maße vorliegen als in anderen<br />
Berufsgruppen, werden zur Diskreditierung<br />
eines ganzen Berufsstandes bemüht.<br />
Dabei gilt auch hier der Grundsatz „Wer<br />
im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen<br />
werfen.“ Die fortlaufenden Kritiken und<br />
„Studien“ von Krankenkassen-Spitzenmanagern<br />
sind in der Regel nicht belegbar<br />
und nur unverschämt.<br />
Der <strong>Bund</strong>esrechnungshof-Präsident Prof.<br />
Dr. Dieter Engels will künftig verstärkt<br />
das Finanzgebaren der gesetzlichen Krankenkassen<br />
untersuchen, was er „unglaublich“<br />
nannte: „Wie manche Kassen mit<br />
dem Geld der Versicherten umgehen, habe<br />
ich mir nicht vorstellen können.“ Es gebe<br />
„Deals“ unter den Beteiligten, „da bekommt<br />
ein Prüfer, der sie aufdeckt, graue<br />
Haare.“ (Wirtschaftswoche 30.04.2010)<br />
<strong>Bund</strong>estagspräsident Norbert Lammert<br />
(CDU) forderte empört, das Gesetz, das<br />
korrupte Parlamentarier unter Strafe<br />
stellen soll, müsse endlich kommen, entsprechend<br />
der von Deutschland 2003<br />
unterschriebenen UN-Konvention gegen<br />
Korruption (WELT Online 05.02.12).<br />
Die üblichen Wadenbeißer in der Politik,<br />
die selbst hochdotierte Aufsichtsratsposten<br />
unter anderem bei verschiedenen<br />
Lobby-Institutionen unter der meldepflichtigen<br />
50.000 Euro-Schamgrenze<br />
gewissenlos besetzen, sollten endlich<br />
Abstand nehmen von der Verunglimpfung<br />
eines Berufsstandes, der sich nach Meinung<br />
der Bevölkerung am ehrenhaftesten<br />
und ehrlichsten um das Wohl der Bürgerinnen<br />
und Bürger kümmert. Dabei sollen<br />
die wenigen schwarzen Schafe durchaus<br />
gebrandmarkt und zur Rechenschaft gezogen<br />
werden, aber als Einzelfälle!<br />
Diese Scheinheiligkeit und Pseudo-Empörung<br />
von Krankenkassen- und Politikvertretern<br />
schaffen nur eine neue Form von<br />
„Wut-Ärzten“, die sich innerlich zunehmend<br />
von ihrem hohen Berufsethos und<br />
ihrer Einsatzbereitschaft frustriert verabschieden.<br />
Dies sollten auch die Medien<br />
begreifen, die kritiklos diese Vorwürfe<br />
aufnehmen und vervielfältigen. So motiviert<br />
man keine jungen Menschen, dem<br />
drohenden Ärztemangel abzuhelfen. Es ist<br />
verunglimpfend und beschämend, wie mit<br />
dem ärztlichen Berufsstand derzeit umgegangen<br />
wird. Wir niedergelassenen Ärztinnen<br />
und Ärzte weisen diese beleidigende<br />
Diskussion mit allem Nachdruck<br />
zurück.<br />
Dr. Martin Junker<br />
Hausarzt seit 35 Jahren<br />
Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen<br />
Vereinigung Westfalen-Lippe<br />
59
Die Ehrung<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
URKUNDE<br />
Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.,<br />
verleiht<br />
Herrn Professor Dr. med. Fritz Beske, MPH,<br />
in Würdigung seiner langjährigen Verdienste um das Ansehen der deutschen Ärzteschaft die<br />
Kaspar-Roos-Medaille.<br />
Professor Beske wurde am 12. Dezember 1922 in Wollin, Pommern als Ältestes von drei Kindern des praktischen Arztes Fritz<br />
Beske und seiner Ehefrau Klara geboren. Nach dem Abitur 1940 und Einsatz in der Kriegsmarine begann er 1946 im Alter<br />
von 23 Jahren das Studium der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, das er 1951 mit einer Promotion<br />
über das Bronchialkarzinom abschloss.<br />
Nach dem Studium begann Professor Beske 1952 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Hygiene-Institut der<br />
Universität Kiel. Diese Arbeit unterbrach er 1954, um an der Universität Michigan in Ann Arbor (USA), den Abschluss Master<br />
of Public Health (MPH) zu erwerben. Damit war er wohl einer der ersten Deutschen, der eine solche Qualifikation vorweisen<br />
konnte.<br />
1955 kehrte er an das Kieler Hygiene-Institut zurück. Es folgten Tätigkeiten als Referent in der Gesundheitsabteilung des<br />
Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein, als internationaler Beamter im europäischen Büro der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) in Kopenhagen, als Leiter der Gesundheitsabteilung im Schleswig-Holsteinischen Innenministerium in<br />
Kiel und schließlich 1971 bis 1981 als Staatssekretär im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein unter dem<br />
Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU). Die Medizinische Fakultät der Universität Lübeck ernannte ihn schließlich<br />
1973 zum Honorarprofessor.<br />
Die wissenschaftliche Arbeit von Professor Beske führte ihn 1975 zur Gründung des Instituts für Gesundheits-System-Forschung<br />
Kiel (IGSF), das von 1983 bis 2004 Kooperationszentrum der WHO war. Heute trägt das Institut den Namen Fritz-<br />
Beske-Institut für Gesundheits-System-Forschung.<br />
Getreu seinem Grundsatz „Mehr Sachverstand in die gesundheitspolitische Diskussion“ publizierte Professor Beske allein<br />
über sein Institut 122 Bände mit Studien und Analysen zu nahezu allen Aspekten der Gesetzlichen Krankenversicherung und<br />
deren Wert, Reformnotwendigkeiten und zukünftige Gestaltungsoptionen. Darüber hinaus hat er zahlreiche Bücher, Fachaufsätze<br />
und Gutachten veröffentlicht.<br />
Als anerkannter Wissenschaftler analysiert er mit Kompetenz und Sachverstand die Struktur des Gesundheitssystems. Seine<br />
Gutachten sind dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger und keine abstrakten akademischen Abhandlungen.<br />
Deshalb sind seine Werke stets eine Pflichtlektüre für die politisch Handelnden und alle Akteure des Gesundheitswesens.<br />
Sein Herzensanliegen ist und war die Zukunftsfähigkeit und Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems – auch mit der<br />
tragenden Säule der ambulanten Medizin durch freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzten –, das er im internationalen Vergleich<br />
immer an der Spitze verortet hat.<br />
Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> würdigt sein Engagement und ehrt ihn für seine Verdienste um die niedergelassene Ärzteschaft mit<br />
der Kaspar-Roos-Medaille. Professor Dr. Fritz Beske ist ein Vorbild für die heranwachsende Ärztegeneration.<br />
Berlin, den 16. November 2012<br />
60
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
VORSTAND DER BRENDAN-<br />
SCHMITTMANN-STIFTUNG<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
© S. Pietschmann – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Prof. Harald Mau,<br />
Vorsitzender des Vorstandes der<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
Vorsitzender<br />
Prof. Dr. Harald Mau<br />
Arzt für Kinderchirurgie<br />
c/o <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Chausseestr. 119b<br />
10115 Berlin<br />
Stellv. Vorsitzender<br />
Dr. Erwin Hirschmann<br />
Arzt für Kinderheilkunde<br />
Mainaustr. 38<br />
81243 München<br />
Beisitzer<br />
Ralf Wilhelm Büchner<br />
Arzt für Allgemeinmedizin<br />
Am Bahnhof 14<br />
25924 Klanxbüll<br />
Dr. Brigitte Ernst<br />
Ärztin für Allgemeinmedizin<br />
Lessingstr. 12<br />
93049 Regensburg<br />
Dr. Wolfgang Holz<br />
Praktischer Arzt<br />
Saarstr. 92 A<br />
66265 Heusweiler<br />
Anschrift:<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
Dr. Klaus Gebuhr (bis Oktober 2013)<br />
Chausseestr. 119b<br />
10115 Berlin<br />
Fon (030) 28 8774-121<br />
Fax (030) 28 8774-115<br />
E-Mail: info-berlin@nav-virchowbund.de<br />
61
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
Kuratorium DER BRENDAN-SCHMITTMANN-STIFTUNG<br />
Vorsitzender<br />
Prof. Dr. Dr. Rainer Rix<br />
Arzt für Augenheilkunde<br />
Maxi MVZ<br />
Weissenseestr. 7<br />
90491 Nürnberg<br />
© <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Dr. Klaus Bogner<br />
Mitglieder<br />
Dr. Martin Junker<br />
Prof. Rainer Rix,<br />
Vorsitzender des Kuratoriums der<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
Arzt für Allgemeinmedizin<br />
Arzt für Allgemeinmedizin<br />
Katrin Koepchen<br />
Tochter von Dr. Brendan Schmittmann<br />
Ewald Kraus<br />
Notgemeinschaft Medizingeschädigter e.V.<br />
Dr. Dirk Heinrich<br />
Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,<br />
Arzt für Allgemeinmedizin,<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzender <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Prof. Dr. Michael Häder<br />
Technische Universität Dresden,<br />
Institut für Soziologie<br />
Dr. Peter Nachtweh<br />
Deutscher Arbeitskreis Zahnheilkunde,<br />
Projektleiter Qualitätssicherung<br />
Beate Stadge-Bourguignon<br />
WPV Verlag, Geschäftsführerin<br />
Lutz Kindt<br />
Arzt für Allgemeinmedizin<br />
Dr. Veit Wambach<br />
Arzt für Allgemeinmedizin,<br />
Stellvertretender <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Stand: September 2013<br />
62
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Bericht über die Arbeit der<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
im Jahr 2012<br />
Als Stiftung des Verbandes der niedergelassenen<br />
Ärzte Deutschlands e.V. besteht<br />
der Auftrag der Brendan-Schmittman-<br />
Stiftung nach wie vor im Erheben, Sammeln<br />
und wissenschaftlichen Auswerten<br />
von Informationen und Meinungen zur<br />
Arbeit der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte.<br />
Ihnen sollen valide Daten zur<br />
Verbesserung ihrer Arbeit zur Verfügung<br />
gestellt werden. Diese Daten beziehen sich<br />
einerseits auf das Arzt-Patienten-Verhältnis<br />
(insbesondere im Rahmen der vertragsärztlichen<br />
Tätigkeit), andererseits auf die Interaktion<br />
zwischen der Vertragsärzteschaft<br />
und den standespolitischen Organisationen<br />
bzw. den Gremien der Selbstverwaltung.<br />
Die Ergebnisse anonymer schriftlicher<br />
Befragungen von Patientinnen und Patienten<br />
zu Ihrer Arztpraxis, zum ärztlichen<br />
und Heilhilfspersonal, zu den räumlichen<br />
Gegebenheiten, zur Praxisorganisation etc.<br />
eröffnen dem betroffenen Praxisinhaber<br />
Kenntnisse über Stimmungen und Meinungen<br />
seiner Patienten, die durch andere<br />
Evaluation kaum zu erreichen wären.<br />
Der Vergleich der Befragungsergebnisse<br />
zwischen den teilnehmenden Praxen gestattet<br />
dem Praxisinhaber zudem sich in<br />
einem Ranking innerhalb von Fachgruppen<br />
bzw. im regionalen Rahmen zu positionieren.<br />
1. Qualitätssicherungsprojekt „Praxistest“<br />
Nachdem im Frühjahr 2012 vor allem die<br />
Ergebnisse für die einzelnen Praxen (50<br />
Arzt- und Zahnarztpraxen, ca. 2.300 Patientenfragebogen)<br />
erarbeitet wurden, stand<br />
für das zweite Halbjahr die Durchführung<br />
des Praxistests im Ärztenetz Nürnberg<br />
Nord (105 Ärzte in 65 Praxen) im Mittelpunkt<br />
der Arbeit. Es liegen die Antworten<br />
von ca. 4.500 Patientenfragebogen vor, die<br />
nach den genannten Kriterien aufzubereiten<br />
und zu bewerten sind. Außerdem sind<br />
Vergleiche von Antworten zu Haus- zu<br />
Fachärzten und verschiedenen Krankenkassen<br />
zu erarbeiten. Die Realisierung der<br />
einzelnen Praxisberichte und der angeführten<br />
speziellen Gesamtauswertungen<br />
für das Management des Ärztenetzes<br />
Nürnberg Nord wird in der Mehrzahl wahrscheinlich<br />
erst im ersten Halbjahr des Jahres<br />
2013 erfolgen.<br />
Im Oktober 2012 erfolgte schließlich die<br />
Veröffentlichung der Studie „Vertragsärzte<br />
im Urteil ihrer Patienten – dargestellt an<br />
Hand ausgewählter Ergebnisse des Projektes<br />
Qualitätssicherung in der Arztpraxis<br />
(Praxistest)“. In dieser Studie wurden die<br />
1.576 Antworten der Patienten aus der<br />
abschließenden offenen Frage des Patientenfragebogens<br />
kategorisiert, analysiert<br />
und dargestellt. Dieser Auswertung wurde<br />
besondere Bedeutung beigemessen, da<br />
einer Meinungsäußerung in einem freien<br />
Text eine andere Relevanz als einer programmierten<br />
Abfrage zukommt.<br />
Die im Zeitraum von 1996 bis 2010 von<br />
der Brendan-Schmittmann-Stiftung veröffentlichten<br />
„Burn-out-Studien“ erbrachten<br />
interessante und wertvolle Hinweise über<br />
die Meinung der Vertragsärztinnen und<br />
Vertragsärzte über die Standesorganisationen<br />
bzw. die Gremien der Selbstverwaltung.<br />
Das lebhafte Interesse in der ärztlichen<br />
Öffentlichkeit an den Ergebnissen<br />
veranlasste die Kassenärztliche <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
die Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> und der Brendan-<br />
Schmittmann-Stiftung zu suchen. Resultat<br />
dieser Kooperation ist der „Ärztemonitor",<br />
dessen Konzeption zum Teil aus der Arbeit<br />
der Brendan-Schmittmann-Stiftung erwachsen<br />
ist.<br />
2. Der Ärztemonitor der KBV, des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es und der<br />
Brendan-Schmittmann-Stiftung<br />
Aus dem Datenfundus des Ärztemonitors<br />
der Kassenärztlichen <strong>Bund</strong>esvereinigung<br />
von 2012 hat die Stiftung im Oktober die<br />
Studie „Ausgewählte Aspekte vertragsärztlicher<br />
Tätigkeit – das Verhältnis zur vertragsärztlichen<br />
Arbeit unter dem Gesichtspunkt<br />
des Burn-outs“ veröffentlicht. In<br />
Vorbereitung sind diesbezüglich noch<br />
Studien zur wirtschaftlichen Zufriedenheit<br />
und zur Einstellung zu Ärztenetzen.<br />
Spendenaufruf<br />
Die Stiftung hat sich in den letzten<br />
Jahren verstärkt bemüht, die Problemfelder<br />
der vertragsärztlichen Tätigkeit<br />
zu bearbeiten. Natürlich sind die Möglichkeiten<br />
dazu stark von den vorhandenen<br />
finanziellen Mitteln abhängig.<br />
Die Erträge aus dem Stiftungskapital<br />
reichen nicht aus. Die Stiftung ist<br />
daher zur Finanzierung ihrer Projekte<br />
auf Spenden angewiesen. Insofern<br />
möchten wir jeden Besucher unserer<br />
Internetseite um Spenden auf folgende<br />
Bankverbindung bitten:<br />
Brendan-Schmittmann-<br />
Stiftung,<br />
10115 Berlin<br />
Konto 0001418386<br />
BLZ 30060601<br />
Deutsche Apotheker- und Ärztebank<br />
eG<br />
Für die Ausstellung einer Spendenquittung<br />
geben Sie bitte Ihre Anschrift<br />
bekannt.<br />
Für Ihr Engagement bedanken wir uns<br />
sehr herzlich!<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 63
Was sonst noch wichtig war<br />
Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Ärzte genießen ein hohes Ansehen in der<br />
Bevölkerung. Das beweisen die regelmäßig<br />
veröffentlichten Ranglisten der Berufsgruppen,<br />
bei denen der erste Platz für die Mediziner<br />
reserviert zu sein scheint. Der eigene<br />
Arzt oder die eigene Ärztin zählen zu<br />
den Vertrauenspersonen der Menschen. Sie<br />
heilen Leiden, lindern Schmerzen und<br />
retten im Notfall sogar Leben. Zudem sind<br />
die Menschen kaum in der Lage, sich bei<br />
größeren gesundheitlichen Problemen<br />
selber zu helfen. Ohne das Fachwissen und<br />
die Erfahrung der Mediziner geht es nicht.<br />
Der erste Platz auf der erst jüngst wieder<br />
vom Allensbacher Institut für Demoskopie<br />
vorgestellten Prestigeskala lässt sich also<br />
leicht erklären.<br />
Doch neben dem „Halbgott in Weiß“ existiert<br />
ein weiteres, deutlich negativeres<br />
Image in der Bevölkerung. Die Frage, wie<br />
viel es den Menschen wert ist, eine wohnortnahe<br />
ambulante Versorgung zur Verfügung<br />
zu haben, wird unter dem Stichwort<br />
Arzthonorare kontrovers diskutiert. Die<br />
Medien führen die Debatte gerne und<br />
meist in einem kritischen, wenn nicht<br />
sogar ärztefeindlichen, Grundton. Die<br />
Nachrichtenlogik fordert negative Schlagzeilen.<br />
Der sehr gut verdienende Radiologe<br />
in einer der privilegierten Gegenden der<br />
Republik, die vielen Selbstzahlerleistungen<br />
beim Augenarzt – solche Beispiele verfangen<br />
bei den Menschen und sorgen für<br />
öffentliche Aufmerksamkeit. Da Zeitungen,<br />
Fernsehsender, Radiostationen und<br />
Newsportale von dieser Aufmerksamkeit<br />
leben, verwundert es nicht, dass die guten<br />
Einkommen der Ärzte immer wieder unter<br />
den Vorzeichen einer Neiddebatte an den<br />
medialen Pranger geraten.<br />
So geschah es im vergangenen Herbst, als<br />
Krankenkassen und Vertragsärzte erbittert<br />
um die künftige Höhe der Vergütung stritten.<br />
Ein Auftragsgutachten der Kassen<br />
beim schweizerischen Prognos-Institut kam<br />
zum Ergebnis, dass der Orientierungspunktwert<br />
nicht erhöht, sondern abgesenkt<br />
werden müsse. Während die KBV rund 3,5<br />
Milliarden Euro mehr für die Ärzte forderte,<br />
verlangten die Kassen eine Honorarkürzung<br />
um etwa 2,2 Milliarden. Dies<br />
geschah am 9. August. „Die Absicht der<br />
Krankenkassen, den Orientierungspunktwert<br />
zu senken und damit die Vergütung<br />
der Praxisärzte um 7 Prozent zu kürzen, ist<br />
ein klarer Gesetzesverstoß“, erklärt der<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es, Dr. Dirk Heinrich. Die Kassen<br />
Dr. Dirk Heinrich, <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
dürften des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
sich nicht wundern, wenn in weni-<br />
© KV-ON<br />
gen Wochen wieder Tausende von Ärzten<br />
auf die Straßen gingen. In Voraussicht<br />
eines unbefriedigenden Verhandlungsergebnisses<br />
und in der Rolle des amtierenden<br />
Sprechers der Allianz deutscher Ärzteverbände<br />
bildete der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
umgehend eine Koordinierungsstelle für<br />
mögliche Protestaktionen der ärztlichen<br />
Verbände und avancierte so zur ersten<br />
Anlaufstelle für die Medien.<br />
„Bringen Sie die politischen Geisterfahrer zur Vernunft!“<br />
– Dr. Heinrich vor der Sondervertreterversammlung der KBV<br />
Die Kassen zeigten sich von der Protestankündigung<br />
der Ärzte zunächst unbeeindruckt.<br />
Bei den folgenden Verhandlungen<br />
konnte keine Einigung erzielt werden.<br />
Gegen das Votum der KBV und mit den<br />
Stimmen des GKV-Spitzenverbandes und<br />
des Ausschussvorsitzenden Prof. Jürgen<br />
Wasem fällte der Erweiterte Bewertungsausschuss<br />
Ende August seine Entscheidung:<br />
Die Gesamtvergütung sollte um 0,9<br />
Prozent angehoben werden. „Wir sollen die<br />
Preisentwicklungen der vergangenen Jahre<br />
aus der eigenen Tasche bezahlen. Das ist<br />
64
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
eine Kriegserklärung", kommentierte Dr.<br />
Heinrich das Resultat und kündigte Proteste<br />
bis hin zu Praxisschließungen an.<br />
Ähnlich konsterniert zeigte sich die KBV-<br />
Führung und rief die Delegierten der KVen<br />
kurzfristig zu einer Sondervertreterversammlung<br />
nach Berlin. Trotz der geringen<br />
Vorlaufzeit und der Terminlegung auf<br />
einen Sonnabend platzte der Versammlungsraum<br />
aus allen Nähten. Die Stimmung<br />
war aufgeladen, die Reden kämpferisch<br />
und oft von Beifall unterbrochen.<br />
KBV-Chef Köhler stellte öffentlich den<br />
Sicherstellungsauftrag in Frage und erntete<br />
tosenden Applaus in der Versammlung.<br />
Zwar hatten sich der GKV-Spitzenverband<br />
und die KBV auf eine Nachverhandlung<br />
am folgenden Montag geeinigt. Allen<br />
Beteiligten schien jedoch klar zu sein, dass<br />
das Treffen zu keinem Ergebnis führen<br />
würde. Die Nachrichtenagenturen zitierten<br />
Dr. Heinrich noch am gleichen Tag mit der<br />
Ankündigung von „Protestmaßnahmen<br />
bisher nicht gekannten Ausmaßes.“ Die<br />
Streikandrohung fand sich am Montag<br />
darauf in nahezu allen Zeitungen des<br />
Landes wieder. Die Zeichen standen nun<br />
auf Sturm.<br />
Improvisierte Streikzentrale beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> –<br />
Klaus Greppmeir im ARD-Interview<br />
Unterdessen liefen in der Geschäftsstelle<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es die Planungen<br />
für die angekündigten Protestmaßnahmen<br />
auf Hochtouren. Die Allianz deutscher<br />
Ärzteverbände wurde um die Fachverbände<br />
zur so genannten Allianz +30 erweitert.<br />
Und während die Verbandsspitzen auf<br />
kurzfristig anberaumten Telefonkonferenzen<br />
die nächsten Schritte vereinbarten,<br />
beantwortete die Pressestelle die zahllosen<br />
© ARD<br />
© ARD<br />
Anfragen der Journalisten. Selten zuvor<br />
standen Verbände und Körperschaften so<br />
eng zusammen. Alte Rivalitäten rückten in<br />
den Hintergrund. Die kompromisslose<br />
Haltung der Krankenkassen schweißte die<br />
Ärzteschaft zusammen. Und es wurde<br />
gehandelt. Ohne jegliche Vorbereitungszeit<br />
brachten die Verbände eine Urabstimmung<br />
unter ihren insgesamt rund 100.000 Mitgliedern<br />
auf den Weg. Die Hauptfrage<br />
dabei lautete, ob die Ärzte ihre Praxis<br />
schließen würden, sollte es nicht zu einer<br />
deutlichen Verbesserung des Verhandlungsergebnisses<br />
kommen. Das hatte es<br />
bislang in der <strong>Bund</strong>esrepublik noch nicht<br />
gegeben. Zudem einigten sich Verbände<br />
und KVen auf erste Protestmaßnahmen zu<br />
Beginn der darauffolgenden Woche.<br />
„Es geht hier nicht um den zweiten Wagen in der Garage“<br />
– Dr. Heinrich zu Gast bei „Hart aber fair“<br />
im ARD-Fernsehen<br />
Unterdessen liefen die Faxgeräte in der<br />
Geschäftsstelle heiß. Auch an die eigenen<br />
Mitglieder war der Abstimmungsbogen<br />
versandt worden und nun gingen die Antworten<br />
ein – zu Hunderten, jeden Tag.<br />
Gleichzeitig mussten die Rücksendungen<br />
sortiert und ausgezählt werden, wofür<br />
kurzfristig Verbandsmitarbeiter abgestellt<br />
und eine Hilfskraft engagiert wurde, denn<br />
die Zeit drängte. Bereits am darauffolgenden<br />
Mittwoch endete die Abstimmungsfrist.<br />
Das Ergebnis sollte einen Tag<br />
später bekanntgegeben werden. Erste<br />
Warnstreiks und Praxisschließungen, erklärte<br />
die Ärzteallianz gegenüber der Presse,<br />
könnten aufgrund des straffen Zeitplans<br />
noch im September beginnen. Alles<br />
blickte gespannt auf die Koordinierungsstelle<br />
in der Berliner Chausseestraße. Man<br />
hielt den Atem an.<br />
© ARD<br />
Mit jedem Tag, den die Ergebnisverkündung<br />
näherrückte, steigerte sich auch das<br />
Interesse der Medien. Ein Kamerateam der<br />
ARD-Tagesschau besuchte die Streikzentrale<br />
beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, das Frühstücksfernsehen<br />
berichtete live aus Hamburger<br />
Arztpraxen, unzählige Interviewanfragen<br />
gingen in der Pressestelle ein, Dr.<br />
Heinrich diskutierte auf Phoenix mit Kassensprecher<br />
Florian Lanz, Radiointerviews<br />
wurden im Fünf-Minuten-Takt gegeben.<br />
Das Thema hatte es auf der Wahrnehmungsskala<br />
der Öffentlichkeit ganz nach<br />
oben geschafft.<br />
Topthema Ärzteproteste – Ausschnitt der ARD-Dauerserie<br />
„Lindenstraße“ vom 16.09.2012<br />
Mit der medialen Aufmerksamkeitswelle<br />
rollten auch die ersten Protestaktionen der<br />
Vertragsärzte an. Nicht die Patienten<br />
sollten das Ziel des Ärztezorns sein, sondern<br />
die Krankenkassen und ihre Bürokratie.<br />
„Ab sofort machen die Ärzte Dienst<br />
nach Vorschrift“, gab Dr. Heinrich als Parole<br />
aus. Kassenanfragen sollten gar nicht<br />
oder mit Standardanschreiben beantwortet,<br />
die dadurch freie Zeit den Patienten gewidmet<br />
werden. Gleichzeitig riefen die<br />
KVen zum Bürokratie-Boykott auf.<br />
Bereits einen Tag später folgte der nächste<br />
Schlag der Ärzteallianz. Unter dem Namen<br />
„Operation Shitstorm“ legten die wütenden<br />
Mediziner mit Tausenden Faxen die Telefonzentralen<br />
verschiedener Krankenkassen<br />
lahm. Die Aktion war im Vorfeld nicht<br />
angekündigt worden und verfehlte so ihre<br />
Wirkung nicht. Laut einem Bericht des<br />
Hamburger Abendblattes musste selbst der<br />
GKV-Spitzenverband vorübergehend eine<br />
neue Faxnummer einrichten. Ähnliches war<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 65
von der Hamburger Zentrale des Ersatzkassenverbandes<br />
vdek zu hören.<br />
Am darauffolgenden Tag endete die Urabstimmungsfrist<br />
und die Ergebnisse der<br />
einzelnen Fachverbände liefen in der Protestzentrale<br />
beim <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> ein.<br />
Dabei bestätigte sich schnell, was in den<br />
vergangenen Tagen bereits zu spüren war:<br />
Die Protestbereitschaft der Ärzteschaft war<br />
hoch. Nach der Revolte gegen die Reformen<br />
der damaligen <strong>Bund</strong>esgesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt im Jahr 2006 lag<br />
ein neuer Ärztestreik der Niedergelassenen<br />
in der Luft. Bis spät am Abend wurden die<br />
Ergebnisse zusammengetragen und für die<br />
Präsentation in der <strong>Bund</strong>espressekonferenz<br />
am nächsten Tag vorbereitet. Aufgrund der<br />
hohen Bedeutung des Themas hatten die<br />
Hauptstadtjournalisten dazu einige Tage<br />
zuvor eingeladen. Eine gemeinsame Pressemeldung<br />
mit der KBV wurde vorbereitet,<br />
die letzten Details abgesprochen. Der große<br />
Tag konnte kommen.<br />
Bis zur offiziellen Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses<br />
am Donnerstagmittag<br />
wollten einige Journalisten trotz strikter<br />
Sperrfrist nicht warten. Nicht nur in der<br />
Pressestelle glühten jetzt die Drähte. Auch<br />
in den anderen Abteilungen des Verbandes<br />
kamen nun Anrufe der Pressevertreter an,<br />
die mit aller Macht und Überredungskunst<br />
das Abstimmungsergebnis vorab wissen<br />
wollten.<br />
Appell an die Krankenkassen – Dr. Köhler und Dr. Heinrich<br />
vor Journalisten der <strong>Bund</strong>espressekonferenz<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Am Mittag war es endlich soweit. Wo sonst<br />
die <strong>Bund</strong>eskanzlerin und ihr Sprecher den<br />
Medien Rede und Antwort stehen nahmen<br />
nun KBV-Chef Dr. Köhler und Verbändesprecher<br />
Dr. Heinrich Platz. „Die einseitig<br />
von den Kassen durchgedrückte minimale<br />
Anhebung um 0,9 Prozent ist eine Kampfansage<br />
an die Praxisärzte. Daher sprechen<br />
sich 75 Prozent der niedergelassen Ärzte<br />
dafür aus, ihre Praxen aus Protest zu<br />
schließen“, verkündete Dr. Heinrich das<br />
Abstimmungsergebnis vor den zahlreichen<br />
Medienvertretern. An der Abstimmung<br />
hatten sich rund 50 Prozent der angeschriebenen<br />
Ärzte beteiligt. Daran zeige<br />
sich das hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft,<br />
betonte Heinrich und KBV-Chef Dr.<br />
Köhler ergänzte an die Adresse der Krankenkassen:<br />
„Wir haben am Wochenende<br />
entscheidende Verhandlungen. Ich appelliere<br />
an die Kassenseite, ihrer Verantwortung<br />
gerecht zu werden.“ Und auch Dr.<br />
Heinrich wandte sich an die Verhandlungspartner:<br />
„Die Krankenkassen haben den<br />
Schlüssel in der Hand, Praxisschließungen<br />
zu verhindern.“<br />
Doch dazu sollte es nicht kommen. Die<br />
Streikandrohung hatte ihre Wirkung bei<br />
den Kassen offenbar nicht verfehlt. Sie<br />
warteten nicht bis zum geplanten Verhandlungstermin<br />
am Wochenende, sondern<br />
unterbreiteten noch am selben Tag<br />
ein neues Angebot. Einzige Bedingung:<br />
Vertagung der Verhandlungen auf Anfang<br />
Oktober und keine Praxisschließungen bis<br />
dahin. Zähneknirschend stimmte die Ärzteallianz<br />
dem überraschenden Waffenstillstand<br />
zwischen KBV und Kassenverband<br />
zu, kündigte jedoch gleichzeitig weitere<br />
Protestmaßnahmen an: „Die Vorbereitung<br />
der Protestaktionen wird im Hintergrund<br />
fortgesetzt. Die niedergelassenen Ärzte<br />
halten sich weiterhin bereit, notfalls ihre<br />
Praxen zu schließen.“ Im Interview mit<br />
dem Ärztenachrichtendienst änd ergänzte<br />
Dr. Heinrich: „Es ist ein großes Entgegenkommen<br />
von Seiten der Ärzteschaft, dass<br />
wir für die Praxisschließungen ein Moratorium<br />
ausgesprochen haben. Die Kassen<br />
müssen jetzt beweisen, dass sie nicht nur<br />
rumtaktieren.“<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Gefragter Interviewpartner in diesen Tagen – Dr. Heinrich<br />
im Gespräch mit Fernsehjournalisten<br />
Trotz der Verhandlungspause hielt sich das<br />
Thema in den Medien. Die Frage, wie hoch<br />
die Honorare der Ärzte sein dürfen, wurde<br />
mittlerweile von einer breiten Öffentlichkeit<br />
diskutiert. Während viele Veröffentlichungen<br />
lediglich an der Oberfläche des<br />
komplexen Themas kratzten und beharrlich<br />
das Zerrbild der gierigen Weißkittel zeichneten,<br />
machten sich andere Formate mehr<br />
Mühe. Hierzu zählte Frank Plasbergs Talkformat<br />
„Hart aber fair“ in der ARD, bei<br />
dem am 8. Oktober 2012 über die Ärzte<br />
und ihre Forderungen debattiert wurde.<br />
Zwar versprach der Titel der Sendung „Mit<br />
der Praxis kommt der Porsche – neue<br />
Wohlstandsgarantie für unsere Ärzte?"<br />
nichts Gutes. Dank der ausgewogenen<br />
Moderation Plasbergs und der gründlichen<br />
Recherche seiner Redaktion im Vorfeld,<br />
gelang es der Sendung, ein differenziertes<br />
Bild von der Einkommenssituation der<br />
Praxen hierzulande zu zeichnen. Dr. Dirk<br />
Heinrich, der für die Ärzteseite an Plasbergs<br />
Tresen stand, argumentierte munter<br />
gegen die mehrheitlich ärztekritische Stimmung<br />
am Tisch und hob sich in weiten<br />
Teilen erfrischend von den oft pauschal<br />
argumentierten Mitdiskutanten ab. Am<br />
Ende war Heinrich der Gewinner des<br />
Abends und die Ärzteschaft um einen<br />
Punktsieg reicher.<br />
Ungeachtet der Verhandlungen zwischen<br />
GKV-Spitzenverband und KBV liefen währenddessen<br />
die Vorbereitungen für eine<br />
besondere Form des Ärzteprotests im Hintergrund<br />
auf Hochtouren: Die Allianz<br />
deutscher Ärzteverbände kündigte für den<br />
66 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
10. Oktober einen bundesweiten Aktionstag<br />
„Praxis ohne Helferinnen“ an. Dabei<br />
sollte gezeigt werden, dass ein Arzt allein<br />
noch keine Praxis ausmacht, sondern von<br />
seinem Verdienst auch die Praxismitarbeiterinnen<br />
bezahlt werden müssen. In vielen<br />
deutschen Großstädten, so der Plan,<br />
sollten dafür Arztpraxen mit reduziertem<br />
Personal arbeiten oder ganz geschlossen<br />
bleiben. Gleichzeitig kündigte die Ärzteallianz<br />
gemeinsame Protestkundgebungen<br />
von Ärzten und Praxispersonal vor den<br />
Geschäftsstellen der Gesetzlichen Krankenkassen<br />
an.<br />
Protestierende Mitarbeiterinnen in Berlin – „Eine Praxis<br />
macht nicht der Arzt allein“<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Ärzte und Mitarbeiterinnen beim Protest vor Kassenzentrale – 560.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel<br />
Und wieder kam es kurz vor der Aktion zu<br />
einer unerwarteten Wendung. Am späten<br />
Vorabend des Aktionstags verkündeten die<br />
Verhandlungspartner überraschend ein<br />
Ergebnis im Honorarstreit. KBV und GKV-<br />
Spitzenverband hatten sich im Erweiterten<br />
Bewertungsausschuss auf ein Eckpunktepapier<br />
geeinigt, das bis zu vier Prozent<br />
mehr Honorar für die Ärzte vorsah. Zudem<br />
sollten fortan alle psychotherapeutischen<br />
Leistungen aus dem Honorarbudget der<br />
Vertragsärzte ausgegliedert werden. Darüber<br />
hinaus vereinbarten die Verhandlungspartner<br />
eine finanzielle Stärkung der<br />
Grundversorgung bei Haus- und Fachärzten.<br />
Dennoch: nicht zuletzt, weil die für<br />
den nächsten Morgen geplanten Maßnahmen<br />
so kurzfristig nicht mehr zu stoppen<br />
waren und nach einer weiteren von vielen<br />
Telefonkonferenzen der Verbandsvertreter<br />
in den letzten Wochen, die bis kurz vor<br />
Mitternacht dauerten, erklärte Dr. Heinrich,<br />
dass der Tag ohne Helferinnen trotzdem<br />
stattfinden solle. „Diese Einigung darf<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass das<br />
grundsätzliche Problem von fehlenden<br />
festen Preisen und unbezahlten Leistungen<br />
der Ärzte und Psychotherapeuten damit<br />
nicht gelöst ist“, begründete der Allianzsprecher<br />
sein Festhalten an den geplanten<br />
Protestmaßnahmen.<br />
So blieben am 10. Oktober trotz der Einigung<br />
im gesamten <strong>Bund</strong>esgebiet Zehntausende<br />
Praxen geschlossen und Tausende<br />
Ärzte und Praxismitarbeiter demonstrierten<br />
vor den Krankenkassen gegen die Honorarpolitik<br />
und die Diffamierungskampagnen<br />
der vergangenen Monate. „Heute haben<br />
wir einen eindrucksvollen Schulterschluss<br />
von Ärzten und Praxispersonal erlebt. Das<br />
sollte ein deutliches Signal an die Krankenkassen<br />
sein, dass Arzthonorare Praxishonorare<br />
sind und im Wesentlichen dazu dienen,<br />
den Betrieb der niedergelassenen<br />
Arztpraxen aufrecht zu erhalten“, erklärte<br />
Dr. Dirk Heinrich. Trotz der unerwarteten<br />
Einigung der Verhandlungspartner am<br />
Abend zuvor, war der Aktionstag vor allem<br />
in den Medien ein Erfolg. Wenn auch mit<br />
Kritik am Protest trotz Einigung wurde<br />
breit von geschlossenen Praxen und den<br />
Demonstrationen vor den Kassenzentralen<br />
berichtet. Auf selbstgemalten Transparenten<br />
forderten die Helferinnen in Zeiten<br />
voller Beitragskassen eine angemessene<br />
Vergütung für die Praxen. Dank der Pressefotografen<br />
vor Ort hatte der Honorarprotest<br />
damit letztendlich auch seine Bilder<br />
bekommen.<br />
Zwar zeigten sich am Ende einige Ärztevertreter<br />
enttäuscht vom hart erstrittenen<br />
Honorarkompromiss. Ohne die Einigkeit<br />
der Ärzteschaft und ihrem entschlossenen<br />
Auftreten in der Öffentlichkeit wäre jedoch<br />
weit weniger zu erreichen gewesen. Allein<br />
die Vorstellung von massenhaft geschlossenen<br />
Arztpraxen und streikenden Praxisteams<br />
in den Großstädten der Republik<br />
hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Der<br />
Honorarprotest der Ärzteschaft, angeführt<br />
vom <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>, war damit letzten<br />
Endes von Erfolg gekrönt.<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 67
Rechtsberatung<br />
Rechtsberatung im Jahr 2013, das sind<br />
circa 3.500 Telefonanrufe von ratsuchenden<br />
Ärzten und Ärztinnen, etwa 740<br />
schriftliche Anfragen von Mitgliedern des<br />
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es. Um sich besser<br />
vorstellen zu können, was hinter diesen<br />
Zahlen steht, hier einige Beispiele der<br />
Rechtsberatung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es:<br />
Frau Dr. P. aus Elsterwerda hat folgendes<br />
Problem:<br />
„Ich habe gehört die Kündigung eines<br />
Arbeitsverhältnisses muss immer schriftlich<br />
erfolgen. Eine Mitarbeiterin hat bei mir nur<br />
mündlich gekündigt und ist auch zwei<br />
Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen.<br />
Ich habe ihr dann selbst fristlos gekündigt<br />
und sie hat jetzt gegen meine Kündigung<br />
Kündigungsschutzklage erhoben.<br />
Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ich kann Sie beruhigen, das hat sie nicht,<br />
so hat auch das Landesarbeitsgericht<br />
Rheinland Pfalz am 08.02.2012 (Az.: 8 Sa<br />
318/11) entschieden. Wer sich als Arbeitnehmer<br />
bei einer fristlosen Kündigung des<br />
Arbeitgebers auf das Fehlen eines wichtigen<br />
Grundes beruft, obwohl er selbst<br />
vorher gekündigt hat, der handelt widersprüchlich.<br />
Er verstößt dadurch gegen den<br />
Grundsatz von Treu und Glauben gemäß<br />
§ 242 BGB. Dies gilt auch dann, wenn der<br />
Arbeitnehmer seine eigene Kündigung nur<br />
mündlich ausgesprochen hat in Form der<br />
sogenannten Eigenkündigung. Hier ist der<br />
Arbeitnehmer nicht befugt, sich auf die für<br />
die Kündigung nach § 623 BGB vorgeschriebene<br />
Schriftform zu berufen. Denn<br />
dann setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten<br />
in Widerspruch.“<br />
Herr Dr. K. aus Wismar fragt Folgendes:<br />
„Einige meiner Methadon-Patienten möchten,<br />
dass ich ihnen Methadon zur eignen<br />
Verfügung für mehrere Tag mit nach Hause<br />
gebe. Darf ich das?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Nein, dass dürfen sie nicht. Sie riskieren<br />
sogar Ihre Approbation zu verlieren. So hat<br />
zumindest das Verwaltungsgericht Köln am<br />
24.04.2012 (Az.: 7 K 7253/10) entschieden<br />
und das Ruhen der Approbation eines<br />
Arztes‚ wegen nicht ordnungsgemäßer<br />
Behandlung von Methadon-Patienten<br />
bestätigt. Denn gemäß § 6 Abs.1 Nr. 1<br />
BÄO kann das Ruhen der Approbation<br />
angeordnet werden, wenn gegen den Arzt<br />
wegen Verdachts einer Straftat, aus der<br />
sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des<br />
ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren<br />
eingeleitet ist. Dies war im entschiedenen<br />
Fall gegeben gewesen. Also<br />
bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen<br />
bei der Take-Home-Vergabe von<br />
Methadon in vollem Umfang.“<br />
Herr Dr. P. aus Duisburg hat folgendes<br />
Problem:<br />
„Ich möchte eine gebrauchte Software-<br />
Lizenz an einen Kollegen verkaufen, da ich<br />
meinen Praxissitz in eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft<br />
verlege und dort<br />
eine andere Software verwendet wird. Ist<br />
das zulässig?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ja, das dürfen Sie, so hat auch der Europäische<br />
Gerichtshof am 03.07.2012 (Az.:<br />
C - 128/11) entschieden. Nach Ansicht der<br />
Richter dürfen gebrauchte Software-<br />
Lizenzen weiterverkauft werden, auch<br />
wenn die Software im Internet erworben<br />
wurde. Mit dem Verkauf der Software seien<br />
die Rechte des Herstellers an der betreffenden<br />
Kopie erschöpft. Allerdings darf der<br />
Erstkäufer die Software nach dem Weiterverkauf<br />
anschließend nicht mehr selbst<br />
benutzen. Unzulässig ist es auch, wenn der<br />
Kunde die Software für den Weiterverkauf<br />
aufspaltet und teilweise weiterverkauft. Der<br />
Erwerber der gebrauchten Lizenz hat auch<br />
das Recht auf die aktuelle Version der<br />
entsprechenden Software, etwa wenn ein<br />
Programm zuvor über das Internet aktualisiert<br />
wurde.“<br />
Herr Dr. H. aus Lippstadt stellt folgende<br />
Frage:<br />
„Ich bin in einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft<br />
tätig. Die Kassenärztliche<br />
Vereinigung stellt jetzt Honorarrückforderungen<br />
aufgrund einer zeitbezogenen<br />
Plausibilitätsprüfung in Höhe von rund<br />
1 Mio. Euro. Wir haben bisher keine<br />
Akteneinsicht erhalten, obgleich wir sie<br />
beantragt haben. Ist ein Antrag auf Anordnung<br />
der aufschiebenden Wirkung unseres<br />
Widerspruches gegen den Rückforderungsbescheid<br />
erfolgsversprechend? “<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ich fürchte nein, denn das Sozialgericht<br />
Marburg hat durch Beschluss vom<br />
25.05.2012 (Az.: S 12 KA 217/12 ER) festgestellt,<br />
dass bei einer Honorarberichtigung<br />
aufgrund zeitbezogener Plausibilitätsprüfung<br />
Tages- und Quartalsprofilzeiten<br />
ein geeignetes Beweismittel zum<br />
Nachweis fehlerhafter Abrechnung darstellen.<br />
Auch die hohe Rückforderungssumme<br />
– von hier 1,5 Mio. Euro – begründet an<br />
sich noch keinen Anordnungsgrund. Ebenso<br />
wenig könne auf die fehlerhafte Anhörung<br />
die Anordnung nicht gestützt werden,<br />
da die verfahrensrechtliche Möglichkeit<br />
der Heilung bestehe.“<br />
Herr Dr. J. aus Hannover stellt folgende<br />
Frage:<br />
„Eine meiner Mitarbeiterin ist schwanger.<br />
Bei dem Einstellungsgespräch für deren<br />
Vertretung fragte ich die neue Mitarbeiterin,<br />
ob sie vielleicht auch schwanger sei.<br />
Dies verneinte diese, hat mir aber jetzt<br />
nach zwei Wochen Beschäftigung mitgeteilt,<br />
dass sie auch schwanger sei. Kann ich<br />
den Arbeitsvertrag jetzt wegen arglistiger<br />
Täuschung anfechten?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Leider nein, so hat es in einem vergleichbaren<br />
Fall das Landesarbeitsgericht Köln<br />
am 11.10.2012 (6 Sa 641/12) entschieden.<br />
Danach braucht auch eine Frau, die befristet<br />
zur Vertretung einer schwangeren<br />
68 Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V.
<strong>Jahresbericht</strong><br />
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
2013<br />
Mitarbeiterin eingestellt wird, dem Arbeitgeber<br />
vor Abschluss des Arbeitsvertrages<br />
nicht ihre eigene Schwangerschaft offenbaren.<br />
Dies gilt sogar dann, wenn nur ein<br />
befristeter Arbeitsvertrag begründet werden<br />
soll und die Bewerberin während eines<br />
wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht<br />
arbeiten kann. Offen ließen die Richter<br />
aber, ob in Fällen eines dauerhaften Beschäftigungsverbotes<br />
eine Ausnahme zu<br />
machen wäre.“<br />
Herr Dr. M. aus Mainz hat folgendes<br />
Problem:<br />
„In dem Gebäudekomplex, in dem meine<br />
Praxis liegt, hat mein Vermieter Praxisräumlichkeiten<br />
an einen Fachkollegen<br />
vermietet. In meinem Mietvertrag findet<br />
sich eine Konkurrenzschutzklausel, die dies<br />
untersagt. Was kann ich jetzt tun?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Sie können die Miete mindern, sofern dies<br />
nicht im Mietvertrag ausgeschlossen wurde.<br />
Denn nach dem Urteil des <strong>Bund</strong>esgerichtshofs<br />
(BGH) vom 10.10.2012 (Az.: XII<br />
ZR 117/10) stellt die Verletzung der in<br />
einem Gewerbemietvertrag vereinbarten<br />
Konkurrenzschutzklausel durch den Vermieter<br />
einen Mangel der Mietsache dar, der<br />
zur Mietminderung führen kann. Mit dieser<br />
Entscheidung folgt der BGH der überwiegend<br />
vertretenen Meinung und gewährt<br />
dem Mieter ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung<br />
seines Rechtes gegenüber dem<br />
vertragsbrüchigen Vermieter.“<br />
Herr Dr. K. aus Detmold stellt folgende<br />
Frage:<br />
„Ich bin Mitglied einer fachübergreifenden<br />
Gemeinschaftspraxis. Ich hafte doch nicht<br />
für Fehler eines fachfremden Kollegen,<br />
wenn ich den Patienten gar nicht selbst<br />
behandelt habe?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Leider doch, so hat es der <strong>Bund</strong>esgerichtshof<br />
am 10.05.2012 (Az.: IX ZR<br />
125/10) in einem Fall entschieden, in dem<br />
© Lopata – <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des <strong>NAV</strong>-<br />
<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
in einer Sozietät neben Rechtsanwälten<br />
auch Steuerberater tätig waren. Diese<br />
Entscheidung ist aber auch für fachübergreifende<br />
Gemeinschaftspraxen von Bedeutung.<br />
Kommt ein Behandlungsvertrag mit<br />
der Gemeinschaftspraxis zustande und wird<br />
mit dem Patienten keine Beschränkung der<br />
persönlichen Haftung auf einzelne Mitglieder<br />
der Gemeinschaftspraxis wirksam vereinbart,<br />
haftet im Zweifel jedes Mitglied<br />
der Kooperation persönlich auch für Ansprüche<br />
der Patienten aus ‚fachfremden‘<br />
Behandlungsfehlern.“<br />
Herr Dr. M. aus Freiburg hat folgendes<br />
Problem:<br />
„Im gleichen Stockwerk in der sich meine<br />
Praxis befindet, habe ich Räume an ein<br />
Ehepaar als Wohnung vermietet. Da ich<br />
einen Partner in die Praxis aufnehmen<br />
möchte, werden die jetzigen Praxisräume zu<br />
klein. Kann ich dem Ehepaar auch wegen<br />
beruflichen Eigenbedarfs kündigen?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ja, das können Sie. So hat auch der <strong>Bund</strong>esgerichtshof<br />
am 19.09.2012 (Az.: V ZB<br />
86/12) entschieden. Nach Ansicht der<br />
Richter ist die Kündigung von Wohnraum<br />
nicht nur wegen Eigenbedarf zu Wohnzwecken,<br />
sondern auch bei einem beruflichen<br />
Bedarf an den Räumen möglich.<br />
Nach Ansicht der Richter bestehe in einem<br />
solchen Fall ein berechtigtes Interesse,<br />
sogar wenn die Räumlichkeiten für die<br />
berufliche Tätigkeit eines Familienmitgliedes<br />
benötigt werden. Im Hinblick auf<br />
die verfassungsrechtliche geschützte Berufsfreiheit<br />
ist der Bedarf im Rahmen der<br />
Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB nicht<br />
geringer zu werten als Wohnbedarf, was<br />
umso mehr gilt, als sich die selbstgenutzte<br />
und die nunmehr begehrte Wohnung im<br />
entschiedenen Fall im selben Haus befindet,<br />
wie auch bei Ihnen.“<br />
Herr Dr. C aus Bensheim fragt Folgendes:<br />
„Eine Patientin möchte wieder zum Checkup<br />
35 kommen. Ab welchem Zeitpunkt<br />
kann ich die Untersuchung bei der KV<br />
abrechnen?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„In welchen Abstand bestimmte Untersuchungsleistungen<br />
abgerechnet werden<br />
dürfen, ist für viele Ärzte unklar. Die den<br />
einzelnen Untersuchungsleistungen zugeordneten<br />
Abrechnungsintervalle werden<br />
häufig missverstanden. So steht beim<br />
Check-up 35 für Männer und Frauen ‚alle<br />
zwei Jahre‘. Doch bei zwei Jahren sind hier<br />
keinesfalls 24 Monate gemeint. Diese<br />
Leistung kann vielmehr schon im, zweiten<br />
auf die Untersuchung folgenden Jahr<br />
stattfinden. War z. B. eine Patientin im<br />
Sommer 2011 beim ‚Check-up 35‘, können<br />
Sie den weiteren ‚Check-up 35‘ ab Januar<br />
2013 abrechnen.“<br />
Herr Dr. K. aus Mettmann hat folgendes<br />
Problem:<br />
„Ich soll einer privaten Krankenversicherung<br />
Auskunft über einen Patienten geben.<br />
Eine aktuelle Schweigepflichtentbindung<br />
wurde mir nicht vorgelegt, kann ich die<br />
Auskunft verweigern?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ja, das können Sie, auch wenn der Patient<br />
bei Abschluss der Versicherung eine generelle<br />
Einwilligung zur Erhebung von Daten<br />
unterschrieben hat. Denn der Patient kann<br />
nach § 213 Abs. 3 VVG jederzeit verlangen,<br />
dass eine Erhebung von Daten nur erfolgen<br />
kann, wenn durch ihn jeweils in die einzelne<br />
Erhebung eingewilligt worden ist. Da in der<br />
Praxis der Arzt jedoch nicht nachvollziehen<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 69
kann, ob eine Einwilligung im Einzelfall<br />
vorliegt oder er der Erhebung widersprochen<br />
hat, kann ich nur anraten, auf die<br />
Vorlage einer aktuellen Schweigepflichtentbindungserklärung<br />
zu bestehen. Dies ist zur<br />
rechtlichen Absicherung des Arztes nach<br />
meiner Ansicht unerlässlich.“<br />
Herr Dr. I. aus Saarbrücken stellt folgende<br />
Frage:<br />
„Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass es<br />
mir bei einem Rechtsstreit negativ zu Last<br />
gelegt werden kann, wenn ich die aktuelle<br />
Fachliteratur nicht kenne. Ist dies richtig?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Leider ja, wenn man der Ansicht des<br />
Oberlandesgerichts Koblenz vom<br />
20.06.2012 (Az.: 5 U 1450/11) folgt. In<br />
dem konkreten Fall hatte eine Patientin vor<br />
einer OP darauf hingewiesen, dass sie<br />
überempfindlich auf die üblichen Narkosemittel<br />
reagiere. Nach der OP litt sie mehrere<br />
Tage an starker Übelkeit und verklagte<br />
u. a. aus diesem Grund den Anästhesisten.<br />
Das Gericht verurteilte diesen zur Zahlung<br />
von Schmerzensgeld, da er aus einem 2004<br />
erschienenen Fachartikel hätte wissen<br />
müssen, dass die Nebenwirkungen durch<br />
ein weiteres Medikament abgeschwächt<br />
werden können. Der Arzt muss sich also<br />
regelmäßig weiterbilden und neue Fachliteratur<br />
berücksichtigen. Versäumt er dies<br />
und kommt es zu einem Behandlungsfehler<br />
kann er zur Zahlung von Schmerzensgeld<br />
verurteilt werden.“<br />
Herr Dr. T. aus Baseweiler hat folgendes<br />
Problem:<br />
„Ich möchte einer Mitarbeiterin kündigen,<br />
habe aber die Befürchtung, dass sie<br />
schwerbehindert ist und dass ich für die<br />
Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes<br />
benötige. Darf ich sie nach der<br />
Schwerbehinderung fragen?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Nach der Ansicht des <strong>Bund</strong>esarbeitsgerichts<br />
dürfen Sie das. Die Richter vertraten<br />
am 16.02.2012 (6 AZR 553/10) die Ansicht,<br />
dass die Frage nach der Schwerbehinderung<br />
bzw. einem diesbezüglich gestellten<br />
Antrag in einem bestehenden<br />
Arbeitsverhältnis, jedenfalls nach sechs<br />
Monaten, d. h. gegebenen falls nach Erwerb<br />
des Behindertenschutzes gem. §§ 85<br />
ff. SGB IX, zulässig ist. Dies gelte insbesondere<br />
zur Vorbereitung einer beabsichtigten<br />
Kündigung.<br />
Die Frage nach einer Schwerbehinderung<br />
oder Gleichstellung im Bewerbungsverfahren,<br />
also vor Beginn des Arbeitsverhältnisses<br />
ist dagegen unzulässig. Eine Anfechtung<br />
des Arbeitsvertrages scheidet<br />
daher aus, auch wenn die Bewerberin die<br />
Frage unwahr beantwortet hat.“<br />
Frau Dr. K. aus Gießen fragt Folgendes:<br />
„Ich möchte nach der Geburt meines Kindes<br />
entsprechend der Regelung des § 32<br />
Abs. 2 Ärzte-Zulassungsordnung einen<br />
Assistenten zur Entlastung einstellen.<br />
Bezieht sich die zeitliche Beschränkung<br />
von 36 Monaten auf das Lebensalter<br />
meines Kindes? Dann könnte ich nur einen<br />
Assistenten bis zur Vollendung des<br />
3. Lebensjahres einstellen. Oder ist die<br />
Dauer der Vertretung ausschlaggebend?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Das Landessozialgericht hat am<br />
27.02.2013 (L 11 KA 8/13 B ER) in einem<br />
Eilverfahren entschieden, dass es auf die<br />
Dauer der Vertretung und nicht auf das<br />
Lebensalter des Kindes ankommt. Mit<br />
diesem Beschluss wird die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf deutlich gestärkt.<br />
Nach den gesetzlichen Vorgaben muss der<br />
Zeitraum von 36 Monaten nicht zusammenhängend<br />
genommen werden. Daraus<br />
schlossen die Richter mit subtilem Humor,<br />
dass auf die Dauer der Vertretung abzustellen<br />
sei, da „nicht zusammenhängend<br />
genommenes Lebensalter schwerlich vorstellbar<br />
sei“. Das bedeutet, dass sie bis zum<br />
14. Geburtstag Ihres Kindes einen Entlastungsassistenten<br />
für einen Gesamtzeitraum<br />
von 36 Monaten genehmigt bekommen<br />
müssen.<br />
Herr Dr. T. aus München stellt folgende<br />
Frage:<br />
„Ich habe gehört, dass gegen einen Gynäkologen<br />
ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren<br />
eingeleitet wurde, da er unbefugt<br />
Bilder von Patientinnen während der<br />
Untersuchung gemacht haben soll. Kann<br />
jetzt schon das Ruhen der Approbation<br />
angeordnet werden oder ihm die Zulassung<br />
entzogen werden?“<br />
Andrea Schannath:<br />
„Ja, durchaus, so hat das Verwaltungsgericht<br />
Arnsberg am 06.12.2012 (Az.: 7 L<br />
790/129) in einem vergleichbaren Fall den<br />
Sofortvollzug der Anordnung des Ruhens<br />
der Approbation bestätigt, welche die<br />
Bezirksregierung gegen einen Gynäkologen<br />
aufgrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens<br />
ausgesprochen hatte. Ohne<br />
eine Entscheidung in der Sache zu treffen,<br />
befanden die Richter den Sofortvollzug für<br />
rechtmäßig. Die Interessenabwägung falle<br />
zu Lasten des Arztes aus. Denn die heimlich<br />
gemachten Fotos während der Untersuchung<br />
wertete das Gericht als massiven<br />
Vertrauensbruch unter Ausnützung des<br />
Behandlungsverhältnisses. Nach dem Ermittlungsstand<br />
spreche alles dafür, dass<br />
der Arzt ohne Wissen und Einverständnis<br />
Aufnahmen seiner Patienten gemacht<br />
habe. Gemäß § 6 Abs. 1 der <strong>Bund</strong>esärzteordnung<br />
kann das Ruhen angeordnet<br />
werden, wenn gegen einen Arzt wegen des<br />
Verdachts einer Straftat, aus der sich die<br />
Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur<br />
Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben<br />
kann, ein Strafverfahren eingeleitet wurde.<br />
Eine Klageerhebung sei hierfür nicht erforderlich.<br />
Der Sofortvollzug war daher verhältnismäßig.“<br />
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Ihre personenbezogenen Daten in unserer EDV gespeichert und<br />
verarbeitet werden, soweit dies geschäftsnotwendig und im Rahmen<br />
des BDSG zulässig ist.<br />
72<br />
www.nav-virchowbund.de
Der<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
<strong>Jahresbericht</strong><br />
2013<br />
Mitglieder haben Anspruch auf günstige<br />
Arzt-Versicherungen, zum Beispiel:<br />
• Regressversicherung<br />
• Haftpflichtversicherung<br />
• Praxisausfallversicherung<br />
Mitglieder erhalten eine Analyse und<br />
Beratung zur wirtschaftlichen Situation<br />
der Praxis zu vergünstigten Konditionen:<br />
• Kostenanalyse<br />
• Betriebswirtschaftliche Beratung<br />
• Praxis-Controlling<br />
• Praxisvergleich<br />
Aus unserem Service-Angebot<br />
Verlässt ein Mitarbeiter die Arztpraxis, hat<br />
er Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Dabei<br />
kommt es auf präzise Formulierungen an.<br />
Das Merkblatt „Arbeitszeugnis“ gibt dem<br />
Arzt als Arbeitgeber einen detaillierten<br />
Wegweiser zur Formulierung einer<br />
Mitarbeiter-Einschätzung an die Hand.<br />
Die Broschüre „Wirtschaftlichkeit<br />
in der ärztlichen Praxis“ ist<br />
ein praktisches Hilfsmittel zur<br />
Bewältigung der wirtschaftlichen<br />
Sorgfaltspflicht. Auf über 60<br />
Seiten finden sich Informationen<br />
zu Ablauf und Besonderheiten<br />
der Prüfverfahren.<br />
Obwohl die eigene Praxis mit vielen Vorteilen<br />
gegenüber der Beschäftigung im<br />
stationären Bereich auftrumpfen kann,<br />
ist sie nicht für jedermann geeignet.<br />
Das neue Merkblatt des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<br />
<strong>Bund</strong>es „Ist die Niederlassung für mich<br />
das Richtige?“ gibt jungen Medizinern<br />
einen detaillierten Leitfaden an die<br />
Hand, was bei der Gründung einer<br />
Arztpraxis zu beachten ist.<br />
Durchstöbern Sie das komplette Serviceangebot des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es bequem von Ihrem Computer aus.<br />
Unter www.nav-virchowbund.de/Bestell-Center stehen über 80 Merkblätter, Vertragsmuster und Broschüren<br />
zu allen wichtigen Praxisthemen zum Download oder zur Bestellung bereit.<br />
Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. 73
Die Landesgruppen<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
Hamburg<br />
Dr. Dirk Heinrich<br />
Rennbahnstraße 32 c<br />
22111 Hamburg<br />
Fon: 0 40 / 6 51 78 70<br />
Fax: 0 40 / 65 90 15 51<br />
heinrich@nav-virchowbund.de<br />
Schleswig-Holstein<br />
Matthias Seusing<br />
Rüsterstraße 33<br />
24146 Kiel<br />
Fon: 04 31 / 78 96 90<br />
Fax: 04 31 / 7 85 8216<br />
seusing.matthias@kielnet.net<br />
Niedersachsen/Bremen<br />
Udo Birkenfeld<br />
Über dem Dorfe 11<br />
30989 Gehrden<br />
Fon: 05137/4021<br />
Fax: 05137/939704<br />
birkenfeld-gehrden@t-online.de<br />
Westfalen-Lippe<br />
Gert Buchner<br />
Adenauerstraße 16<br />
59759 Arnsberg<br />
Fon: 02932/31250<br />
Fax: 02932/54987<br />
gert.buchner@gmx.de<br />
Nordrhein<br />
Dr. Helmut Gudat<br />
Auf dem Damm 102-104<br />
47137 Duisburg<br />
Fon: 02 03 / 43 11 40<br />
Fax: 02 03 / 43 38 09<br />
E-Mail:<br />
helmut.gudat@web.de<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Dr. Detlev Steimers<br />
Porta-Nigra-Platz 2<br />
54292 Trier<br />
Fon: 06 51 / 2 53 44<br />
Fax: 06 51 / 9 91 09 36<br />
drsteimershno@aol.com<br />
Sachsen<br />
Dr. Sibylle Berndt<br />
Bünaustraße 11<br />
01159 Dresden<br />
Fon: 03 51 / 4 2153 23<br />
Fax: 03 51 / 4 2755 94<br />
berndt.sibylle@gmx.de<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
N.N.<br />
Berlin/Brandenburg<br />
Prof. Dr. Harald Mau<br />
c/o <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
Chausseestraße 119b<br />
10115 Berlin<br />
Fon: 0 30 / 28 87 74-0<br />
Fax: 0 30 / 28 87 74-15<br />
haraldmau@gmx.de<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Dr. Kerstin Jäger<br />
Große Steinstraße 12<br />
06108 Halle<br />
Fon: 03 45 / 2 08 05 73<br />
Fax: 03 45 / 2 08 05 74<br />
E-Mail:<br />
dr.kerstinjaeger@yahoo.de<br />
Thüringen<br />
Dr. Kerstin Jäger<br />
Große Steinstraße 12<br />
06108 Halle<br />
Fon: 03 45 / 2 08 05 73<br />
Fax: 03 45 / 2 08 05 74<br />
E-Mail:<br />
dr.kerstinjaeger@yahoo.de<br />
Saarland<br />
Dr. Nikolaus Rauber<br />
Rheinstraße 35<br />
66113 Saarbrücken<br />
Fon: 06 81 / 9 71 72 33<br />
Fax: 06 81 / 9 71 72 35<br />
E-Mail:<br />
nav-virchowbund.saarland@t-online.de<br />
Bayern<br />
Dr. Veit Wambach<br />
Flataustraße 25<br />
90411 Nürnberg<br />
Fon: 09 11 / 51 29 28<br />
Fax: 09 11 / 51 10 25<br />
info@drwambach.de<br />
74<br />
74<br />
Hessen<br />
Dr. Hans-Martin Hübner<br />
Kirchenplatz 8<br />
35390 Gießen<br />
Fon: 06 41 / 7 40 83<br />
Fax: 06 41 / 9 71 60 58<br />
E-Mail: dr.hans-martin.<br />
huebner@t-online.de<br />
Baden-Württemberg<br />
Dr. Olaf Boettcher<br />
Schachenbühlstraße 23<br />
79737 Herrischried<br />
Fon: 0 77 64/ 2 32<br />
Fax: 0 77 64/ 61 37<br />
E-Mail: olaf@boettcheronline.de
<strong>Bund</strong>esvorstand<br />
gemäß Wahl vom 13.11.2010<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
Dr. med. Dirk Heinrich<br />
Facharzt für HNO<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin<br />
Rennbahnstraße 32 c<br />
22111 Hamburg<br />
Fon: 0 40/6 51 78 70<br />
Fax: 0 40/65 90 15 51<br />
E-Mail: heinrich@nav-virchowbund.de<br />
Stellv. <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
Stephan Kraft<br />
Oberarzt Kinderchirurgie<br />
c/o Klinikum d. Borromäerinnen<br />
Feldstraße 16<br />
54290 Trier<br />
Fon: 06 51/94 78 27 99<br />
Fax: 06 51/9 47 28 30<br />
E-Mail: kraft@nav-virchowbund.de<br />
Stellv. <strong>Bund</strong>esvorsitzender<br />
Dr. med. Veit Wambach<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin<br />
Flataustraße 25<br />
90411 Nürnberg<br />
Fon: 09 11/51 29 28<br />
Fax: 09 11/51 10 25<br />
E-Mail: info@drwambach.de<br />
Dr. med. Olaf Boettcher<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin<br />
Schachenbühlstraße 23<br />
79737 Herrischried<br />
Fon: 0 77 64/2 32<br />
Fax: 0 77 64/61 37<br />
E-Mail: boettcher@nav-virchowbund.de<br />
Beisitzer<br />
Dr. med. Dr. vet. Rainer Broicher<br />
Facharzt für HNO<br />
Genovevastraße 16-18<br />
51065 Köln<br />
Fon: 02 21/61 12 22<br />
Fax: 02 21/2 97 38 09<br />
E-Mail: dr.broicher@koeln.de<br />
Dr. med. Kerstin Jäger<br />
Fachärztin für Gynäkologie<br />
Gr. Steinstraße 12<br />
06108 Halle<br />
Fon: 03 45/2 08 05 73<br />
Fax: 03 45/2 08 05 74<br />
E-Mail: jaeger@nav-virchowbund.de<br />
Dr. med. Nikolaus Rauber<br />
(ab 12.11.2011)<br />
Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische<br />
Medizin und Schlafmedizin<br />
Rheinstraße 35<br />
66113 Saarbrücken<br />
Fon: 0681/9488687<br />
Fax: 0681/9717235<br />
nav-virchowbund.saarland@t-online.de<br />
Fritz Stagge<br />
Facharzt für Gefäßchirurgie<br />
Dorotheenstraße 3<br />
45130 Essen<br />
Fon: 02 01/7 22 87 45<br />
E-Mail: stagge@nav-virchowbund.de<br />
75
<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />
des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
(genannt sind die wichtigsten Aufgaben)<br />
<strong>Bund</strong>esvorstand<br />
Berufs-, gesundheits- und sozialpolitische<br />
Führung des Verbandes, Vertretung und<br />
Durchsetzung der formulierten Ziele<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Vorbereitung und Formulierung der<br />
Meinungsbildung des Verbandes, Vertretung<br />
in Anhörungen und Sitzun gen anderer<br />
Orga ni sa tionen, Herstellung und Pflege von<br />
Kontakten, Innerverbandliche Organisation<br />
und Verwaltung, Personal- und Rechnungswesen,<br />
Koordination innerhalb der <strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />
Klaus Greppmeir<br />
Geschäftsführer<br />
in der <strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle Berlin<br />
sowie im Bereich weiterer<br />
definierter berufspolitischer<br />
Aufgabenfelder<br />
Dr. Klaus Gebuhr (bis Oktober 2013)<br />
Verwaltung<br />
Rechtsabteilung<br />
Mitglieder-Service<br />
Pressestelle<br />
Büro- und Veranstaltungsorganisation,<br />
Mitgliederabteilung,<br />
Immobilien- und<br />
Vermögensverwaltung,<br />
Finanz- und Personalbuchhaltung,<br />
Zentrale Dienste<br />
Juristische Beratung der<br />
Verbands mitglieder und der<br />
Verbandsführung, Honorarkürzungen,<br />
Regresse inkl.<br />
Regressversicherung,<br />
Vertragsfragen<br />
Telefonische und schriftliche<br />
Beratung<br />
praxisrelevanter Probleme<br />
Fon (030) 288774-0<br />
Fax (030) 288774-115<br />
E-Mail:<br />
info@nav-virchowbund.de<br />
(Öffentlichkeitsarbeit)<br />
Kontaktherstellung und<br />
-pflege zu Presse, Funk und<br />
Fernsehen, Pressemitteilungen,<br />
Pressekonferenzen,<br />
Redaktion der Zeitschrift<br />
„der niedergelassene arzt“,<br />
Auslandsarbeit<br />
Klaus Greppmeir,<br />
Holger Zacharias<br />
RA Andrea Schannath<br />
Kerstin Welz<br />
Klaus Greppmeir<br />
Julia Bathelt<br />
Thomas Hahn<br />
Stand: September 2013<br />
76
<strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong><br />
<br />
(Organisatorischer Aufbau)<br />
Bezirksgruppen<br />
Landesgruppen<br />
Baden-<br />
Württemberg<br />
Bayern Berlin/Brandenburg Hamburg Hessen<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Niedersachsen/<br />
Bremen<br />
Nordrhein Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt<br />
Schleswig-<br />
Holstein<br />
Thüringen<br />
Westfalen-<br />
Lippe<br />
Ressorts<br />
Versorgungsstrukturen,<br />
Integrierte Versorgung, Netze<br />
Europa/Ausland/Zukunft/Umwelt<br />
<strong>Bund</strong>eshauptversammlung<br />
Die <strong>Bund</strong>eshauptversammlung setzt<br />
sich zusammen aus den Delegierten<br />
der Landesgruppen<br />
Fortbildung und Weiterbildung<br />
Prüfwesen und Qualitätssicherung<br />
Telematik und Datenschutz<br />
Prävention und Rehabilitation,<br />
Sucht und Drogen, Pflege<br />
Arzneimittelversorgung,<br />
Heil- und Hilfsmittel<br />
<strong>Bund</strong>esvorstand<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzender, bis zu zwei Stellvertretende<br />
<strong>Bund</strong>esvorsitzende und<br />
mindestens vier Beisitzer<br />
Gesamtvorstand<br />
Setzt sich zusammen aus <strong>Bund</strong>es -<br />
vorstand, Vorsitzenden und einem Stellver<br />
tretenden Vorsitzenden der Landesgruppen<br />
Berufsordnung<br />
Honorar- und Abrechnungsfragen<br />
<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Geschäftsführer<br />
Referate<br />
77
Das Internet wird als Informationsquelle<br />
immer beliebter und läuft den etablierten<br />
Medien den Rang ab. Das merken nicht<br />
nur die Zeitungsverlage, die sich nach und<br />
nach in Richtung Internet bewegen und<br />
ihre Inhalte hinter so genannte Bezahlschranken<br />
stellen und für die Leser entgeltpflichtig<br />
machen. Auch im gesundheitspolitischen<br />
Bereich passiert mittlerweile<br />
viel im Netz. Veranstaltungen werden<br />
live per Video-Stream übertragen, Video-<br />
Beiträge mit Interviews und Reportagen<br />
geben einen audiovisuellen Eindruck vom<br />
Ort des Geschehens, in zahllosen Foren<br />
und Blogs diskutieren Patienten wie Ärzte<br />
miteinander, die sozialen Netzwerke wachsen<br />
unentwegt – und es werden immer<br />
mehr. Kurzum: Das Internet ist längst<br />
keine Randerscheinung mehr, sondern ein<br />
etabliertes und äußerst vielfältiges Medium,<br />
bei dem der direkte Austausch untereinander<br />
und die Vielfalt der Angebote zu<br />
einem geänderten Mediennutzungsverhalten<br />
insgesamt geführt haben.<br />
Der <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong> hat früh auf den<br />
Digitalisierungstrend reagiert. So wurde die<br />
Verbandswebseite den neuen Ansprüchen<br />
angepasst und inhaltlich wie optisch<br />
grundlegend überarbeitet. Seither stehen<br />
den Mitgliedern alle Merkblätter und Musterverträge<br />
bequem zum Download zur<br />
Der Verband im Internet<br />
Verfügung. Über den geschützten Login-<br />
Bereich lassen sich Adress- oder Kontoänderungen<br />
einfach selbst angeben. Außerdem<br />
ergänzen Videos und Fotostrecken<br />
Schlagabtausch bei Twitter: Diskussion mit<br />
GKV-Sprecher<br />
das Angebot für die Besucher. Die Auftritte<br />
bei Facebook und Twitter werden kontinuierlich<br />
gepflegt und regen neben den regulären<br />
Veröffentlichungen des Verbandes<br />
zuweilen zum Disput an. Unterhaltsam<br />
wird es zum Beispiel in der Regel dann,<br />
wenn GKV-Sprecher Florian Lanz per Twitter<br />
aktuelle Themen kommentiert und sich<br />
daraus ein Gespräch mit einem Widersacher<br />
entwickelt. War es früher meist KBV-<br />
Presse chef Dr. Roland Stahl, der Lanz per<br />
140 Zeichen-Kurznachricht Paroli bot,<br />
„unterhielt“ sich im April auch Dr. Heinrich<br />
mit dem Kassenmann auf Twitter. Thema<br />
war der vermeintlich häufige Abrechnungsbetrug<br />
von Ärzten. Die KBV hatte eine<br />
Pressemitteilung des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
an ihre Twitter-Abonnenten (Follower)<br />
weitergeleitet, woraufhin sich Florian Lanz<br />
an KBV und <strong>NAV</strong> wandet und textete:<br />
„Lösungsvorschläge wären besser als zu<br />
versuchen, Probleme klein zu reden!“.<br />
Antwort des Verbandes: „Genau! Wo ist<br />
der Lösungsvorschlag für Machtmissbrauch<br />
bei Krankenkassen?“ Diese so genannten<br />
Tweets haben eine nicht zu verachtende<br />
Reichweite. Rund 2.500 Follower aller drei<br />
Institutionen haben den Schlagabtausch<br />
beobachtet.<br />
Folgen Sie uns:<br />
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Klares Design, viel Funktionen – die Homepage des <strong>NAV</strong>-<strong>Virchow</strong>-<strong>Bund</strong>es<br />
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Was sich im Laufe der Zeit dabei entwickelt hat, ist weit mehr als eine<br />
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