Nebenwirkungen der Strahlentherapie im Becken

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Fortbildung Supportivtherapie men werden Spasmolytika angewandt, bei Obstipation milde Laxanzien (z.B. Lactulose). In frühen Stadien der Proktitis sind Lokalanästhetika (Salbe, Suppositorium) hilfreich, bei massiven Beschwerden und Blutung kommen neben systemischer Schmerztherapie Kortikoide lokal zur Anwendung. Auch bei der chronischen Proktitis ist die Therapie symptomatisch; in schweren Fällen sind chirurgische Maßnahmen indiziert. Bei ausgeprägter Symptomatik (Blutung, Diarrhoe, Inkontinenz, Schmerzen) kann eine Therapie mit hyperbarem Sauerstoff versucht werden, die in über 50% zu einer Besserung führt. Harnblase und Urethra: Akute wie chronische Nebenwirkungen an der Harnblase äußern sich v.a. in einer Reduktion der Speicherkapazität mit der Konsequenz häufigerer Miktionen. Es besteht das Risiko von Sekundärinfektionen, die antibiotisch behandelt werden. Spätfolgen können noch lange nach Tabelle 1: Klassifikation akuter Nebenwirkungen im Beckenbereich (RTOG/EORTC) Schweregrad I II III IV Haut Erythem mäßiges Erythem ausgeprägtes Erythem Ulzerationen trockene Epitheliolysen ” vereinzelte feuchte ” konfluierende feuchte Nekrose ” verringerte Schweiß- Epitheliolysen Epitheliolysen ” Blutung produktion ” Ödem ” starkes Ödem Vaginalschleimhaut geringe Rötung fokale Denudation ” konfluierende tiefe Ulzerationen ” geringe Schmerzen lokale Beläge fibrinöse Beläge Hämorrhagie ” mäßige Schmerzen ” deutliche Schmerzen ” Nekrose Kolon erhöhte Stuhlfrequenz Diarrhoe ” ausgeprägte Diarrhoe Obstruktion und Rektum ” reduzierte Konsistenz häufiger Schleimabgang (parenterale Ernährung Fistel ” Tenesmen erforderlich), Perforation ” deutlicher Blut- und ” Blutung mit Transfusions- Schleimabgang erfordernis ” starke Tenesmen ” extreme Schmerzen Harnblase geringe SH-Atrophie ” generalisierte Tele- ” ausgeprägte, generali- Nekrose ” kleinflächige angiektasie sierte Teleangiektasien, Perforation Teleangiektasie zeitweilig Makrohämaturie oft mit Petechien Fistel ” Mikrohämaturie ” Polyurie häufige Makrohämaturie ” schwere Blasenkontraktur: (> 6x/Tag oder < 1x/h) massive Polyurie (> 1x/h), Kapazität < 100 ccm Dysurie ” schwere hämorrhagische ” Kapazität < 150 ccm Zystitis Tabelle 2: Klassifikation chronischer Nebenwirkungen im Beckenbereich (RTOG/EORTC) Schweregrad I II III IV Haut ” geringe Atrophie ” mäßige Teleangiektasie ” ausgeprägte Atrophie ” Ulzerationen ” Pigmentveränderungen ” flächige Atrophie ” ausgeprägte Tele- ” Nekrose ” vollständiger Haarverlust angiektasie (>50%) Vaginalschleimhaut ” geringe Atrophie ” mäßige Atrophie ” ausgeprägte Atrophie ” Ulzerationen und ” Trockenheit ” deutliche Tele- ” Teleangiektasieen ” Nekrose angiektasien ” deutliche Schmerzen ” reduzierte Sekret- ” Verlust der Sekretproduktion produktion Kolon ” gering reduzierte ” deutlich verminderte ” massiv vermehrte Nekrose und Rektum Stuhlkonsistenz Stuhlkonsistenz wässrige Stühle Perforation geringe Krämpfe Bauchkrämpfe ” operationsbedürftige ” Fistel Stuhl < 5x/Tag Stuhl > 5x/Tag Darmobstruktion ” geringer Schleim- viel Schleimabgang ” Blutung /Blutabgang ” zeitweilig Blutabgang Harnblase ” geringe Schleimhaut- ” mäßig verstärkter ” massiver Harndrang Nekrose atrophie und Tele- Harndrang (> 1x/h) Perforation angiektasien ” Polyurie Dysurie Fistel ” Mikrohämaturie (6x/Tag oder < 1x/h) ” ausgeprägte, generali- ” schwere Blasenkontraktur: ” generalisierte Tele- sierte Teleangiektasien Kapazität < 100 ccm angiektasien Petechien ” schwere hämorrhagische ” zeitweilig Makrohämaturie Hämaturie Zystitis ” stark reduzierte Blasenkapazität (< 150 ccm) 52 Im Focus Onkologie 8/2001
a b Quelle: Piechota,UKM Münster Abb. 2: Strahlenbedingte Gewebeschäden verschiedener Beckenorgane: a) Makroskopisches Präparat einer Blase mit ausgedehnter, schwerer hämorrhagischer Zystitis (Grad IV); b) Konfluierende feuchte Epitheliolysen der Haut im Genital- und Analfaltenbereich während Strahlentherapie (Grad III° RTOG). Quelle: Riesenbeck der Bestrahlung auftreten. Es existieren derzeit weder prophylaktische noch therapeutische Maßnahmen. Experimentelle Ansätze wie die Gabe von Pentosanpolysulfat oder von nicht-steroidalen Antiphlogistika haben bisher keinen Eingang in die Klinik gefunden. Als symptomatische Maßnahme sind Spasmolytika oder andere Tonus-regulierende Medikamente (Anticholinergika) möglich. An der Harnröhre zeigt sich eine typische akute Schleimhautreaktion mit Schmerzen, selten gefolgt von chronischen fibrotischen Veränderungen, die zu Strikturen führen können. Für die Harnröhre liegen wie für die Blase keine Erfahrungen zu prophylaktischen oder therapeutischen Möglichkeiten vor. Vagina: Die Strahlenreaktion entspricht im wesentlichen der anderer Schleimhäute, ist jedoch stark hormonabhängig. Sowohl bei akuter als auch bei chronischer Kolpitis ist die Applikation von Östriol-haltigen Vaginalsuppositorien zu empfehlen. Sie reduzieren Trockenheitsgefühl und Pruritus. Früh nach Abheilen der Akutreaktion, 4–6 Wochen nach Abschluss der Strahlentherapie, sollte durch mechanische Dilatation (Wiederaufnahme von Geschlechtsverkehr, Dilatatoren) eine Prophylaxe der Vaginalstenose aufgenommen werden. Ovarien: An den Ovarien ist die Beeinträchtigung der Hormonproduktion relevant. Bereits ab Bestrahlungsdosen von ca. 1 Gy sind Amenorrhoe und Unfruchtbarkeit möglich. Die radiogene Menopause äußert sich durch Hitzewallungen, Stimmungslabilität, Depressionen, Schlafstörungen, Tachykardie, Dyspareunie, Pruritus vulvae und Osteoporose. Therapeutisch kommt die Hormonsubstitution in Betracht, abgestimmt auf Alter und Gesamtsituation. Andere: Die Testes können bei Beckenbestrahlung fast immer aus dem Bestrahlungsfeld herausgehalten bzw. speziell abgeschirmt werden, die Belastung durch Streustrahlung ist jedoch möglich. Strahlenreaktionen treten bereits ab Dosen von 0,15 Gy auf. Die Schädigung der Stammzellen der Spermatogenese, vor allem der A-Spermatogonien, führt zu einer Oligo- oder Azoospermie ab ca. 7 Wochen nach Bestrahlung. Die Dauer ist dosisabhängig und kann mehrere Jahre betragen, ab einer Dauer >3 Jahre ist eine Erholung nicht mehr wahrscheinlich. Hormonelle Störungen als Strahlenfolge treten nicht auf. Die Strahlenreaktionen von Uterus und Zervix sind nur wenig erforscht; akut findet sich häufig fötider Ausfluss, chronisch Schrumpfung und Vernarbung. Sämtliche im Bestrahlungsfeld liegenden Hohlorgane (Dünndarm, Dickdarm, Rektum, Blase, Urethra Vagina, Uterus) können von Fistelbildungen betroffen sein, die in der Regel der operativen Sanierung in spezialisierten Kliniken und durch Operateure mit besonderer Erfahrung mit Eingriffen in radiogen vorbelasteten Gebieten bedürfen. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die komplexen Strukturen im Beckenbereich zeigen vielfältige Strahleneffekte. Eine intensive Aufklärung der Patienten sowie eine engmaschige Kontrolle und die individuelle symptomatische Therapie sind nötig. Studien zur Etablierung prophylaktischer und therapeutischer Maßnahmen sind wünschenswert. Literatur bei den Verfassern Dr. med. Dorothea Riesenbeck Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie – Radioonkologie –, Westfälische Wilhelms-Universität, Albert-Schweitzer- Str. 33,48129 Münster Tel 02 51 / 8 34 - 78 31 Fax 0251 / 8 34 - 73 55 E-mail: riesenbeck@freenet.de PD Dr. med. vet. Wolfgang Doerr Leiter Strahlenbiologisches Labor, Klinik fuer Strahlentherapie, Fetscherstrasse 74,01307 Dresden Tel 03 51 / 4 58 - 33 90 Fax 03 51 / 4 58 - 43 47 E-mail: doerr@rcs.urz.tu-dresden.de Im Focus Onkologie 8/2001 53
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