EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Infodienst „Spotkanie”<br />
Aktuell<br />
Zwanzig Jahre Dachverband der<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
300 Gäste und viel Prominenz<br />
bei der Festveranstaltung in <strong>Berlin</strong>s Mitte<br />
Von Gerd Henghuber<br />
dp<br />
gb<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong> e.V. • Towarzystwo Niemiecko-Polskie w <strong>Berlin</strong>ie St.z.<br />
Zwanzig Jahre Dachverband der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
– dieses Jubiläum lockte nicht nur fast 250<br />
Kongressteilnehmer nach <strong>Berlin</strong> sondern auch eine ganze<br />
Reihe prominenter Gäste zur Eröffnungsveranstaltung am<br />
Abend des 10. November 2006, unter ihnen die DPG-Bundesvorsitzende<br />
Dr. Angelica Schwall-Düren, Prof. Rita Süssmuth,<br />
der neue Botschafter Polens in <strong>Deutsch</strong>land Dr. Marek Prawda,<br />
Außenminister Steinmeier im Gespräch mit dem Ehepaar Brauner<br />
Andrzej Krawczyk, Staatssekretär in der Kanzlei des polnischen<br />
Präsidenten, der ehemalige polnische Außenminister<br />
Prof. Bronis¬aw Geremek, Gerhard Zeiler, Vorstandsvorsitzender<br />
von RTL sowie der deutsche Außenminister<br />
Frank-Walter Steinmeier. Dieser erinnerte in seinem<br />
Festvortrag in der Bertelsmann-Hauptstadtrepräsentanz,<br />
Unter den Linden 1, an das Jahr 1986, das Jahr, als der<br />
Dachverband der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en gegründet<br />
wurde. Polen litt damals noch unter den Kriegsrechtsfolgen.<br />
„Die politische Opposition wurde zum Teil brutal<br />
unterdrückt. (…) Der Sieg der Solidarno∂ç-Bewegung war<br />
1986 noch keineswegs sicher.“ Steinmeier erinnerte auch an<br />
die Solidaritätswelle aus <strong>Deutsch</strong>land, als die Menschen im<br />
Westen Kleider sammelten, Medikamente, Lebensmittel.<br />
Steinmeier: „Freiwillige Helfer, oft Mitglieder der <strong>Deutsch</strong>-<br />
<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en, schafften sie in Lastwagen und<br />
ganzen Spendentransporten über die abgeschottete Grenze<br />
nach Polen. Die Weitsichtigen erkannten schon damals, was<br />
möglich war! Auch der polnische Freiheitsdrang hat wesentlich<br />
dazu beigetragen, dass <strong>Deutsch</strong>land schon 1990 ein wie-<br />
Weihnachten 2006<br />
dervereinigtes Land wurde. Und heute? Heute klingen diese<br />
Schilderungen wie Erzählungen aus versunkenen Zeiten.<br />
Polen ist Mitglied der Europäischen Union, das Land modernisiert<br />
sich im Zeitraffertempo, die Wirtschaft gehört zu den<br />
wichtigsten Boomregionen Europas. (…) Mit einem Satz: In<br />
der europäischen Erfolgsstory von der Einigung unseres<br />
Kontinents gehört die Entwicklung der Beziehungen zwischen<br />
<strong>Deutsch</strong>en und Polen zu den schönsten Kapiteln.“ Steinmeier<br />
Guten Flug!<br />
Mit LOT nach Polen<br />
schon ab 88,- <strong>EUR</strong>*<br />
Weitere Preisangebote für Flüge ab <strong>Berlin</strong>, Düsseldorf,<br />
Frankfurt, Hamburg und München unter www.lot.com,<br />
01 803 000 336 oder in Ihrem Reisebüro.<br />
*Preisbeispiel für Hin- und Rückflug inklusive Steuern und Gebühren<br />
sowie wertvoller Meilen bei Buchung eines elektronischen Tickets<br />
über www.lot.com zzgl. 15 Euro LOT Ticket Service Charge.<br />
Änderungen vorbehalten.
hob den großen Anteil hervor, den die <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en daran hätten, dass die Aussöhnung zwischen<br />
beiden Ländern auch unter schwierigen Bedingungen vorangekommen<br />
sei - und sich nach dem Zusammenbruch des<br />
Kommunismus sehr rasch weiterentwickeln habe können.<br />
Steinmeier verwies darauf, dass der Dialog der Bürger das<br />
Herzstück der deutsch-polnischen Beziehungen sei, wie sich<br />
gerade in schwierigen Abschnitten wie in diesem Jahr wieder<br />
zeige. Er verhehlte nicht, dass ihn einige Äußerungen und<br />
Handlungen der polnischen Regierung in letzter Zeit irritiert<br />
hätten. „Ich habe auch den Eindruck, dass zuletzt in den<br />
deutsch-polnischen Beziehungen manches vom Schwung der<br />
ersten Jahre nach 1990 wieder verloren gegangen ist.“<br />
Dennoch bildeten selbst in Phasen offizieller Sprachschwierigkeiten<br />
die Beziehungen der Menschen untereinander<br />
ein Band, das niemand mehr trennen könne. „Das ist auch<br />
das besondere Verdienst Ihrer Arbeit in den <strong>Deutsch</strong>-<br />
<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en.“ Der deutsche Außenminister<br />
unterstrich, dass er sich die polnischen Nachbarn kraftvoll<br />
und konstruktiv wünsche, um gemeinsam an der Zukunft<br />
unseres Kontinents zu arbeiten. Polen solle den europäischen<br />
Karren mit ziehen! „Der Platz am Ende des Zuges darf nicht<br />
der Platz Polens sein!“ Eine Hoffnung freilich, die schon wenige<br />
Wochen später bei den Verhandlungen um ein Handelsabkommen<br />
mit Russland enttäuscht wurde.<br />
Der frühere polnische Außenminister Prof. Bronis¬aw Geremek<br />
hob in seinem Vortrag hervor, dass die deutsch-polnische<br />
Versöhnung eines der schönsten Ereignisse in seinem<br />
Leben sei. Man dürfe zwar die schlimmen Kapitel der<br />
Geschichte nie vergessen, auch wenn sie Schmerzen bereiteten,<br />
doch Geremek zeigte sich sicher, dass sich das letztendlich<br />
tiefe Gemeinschaftsgefühl der deutsch-polnischen<br />
Interessen nicht ändere. Zum Beleg holte der Historiker weit<br />
in der Geschichte aus und erinnerte an selten erwähnte<br />
Ereignisse wie den Besuch Ottos III. am Grab des Heiligen<br />
Adalbert und an ein Treffen von Mieszko I. und Otto I.<br />
Boles¬aw Chrobry wurde von einem Chronisten als Bruder<br />
und Mitarbeiter des Kaisers bezeichnet.<br />
Geremek verwies auf die hohe Bedeutung von Emotionen im<br />
zwischenstaatlichen Verhältnis; darauf dass Gemeinschaft<br />
nicht nur aus gemeinsamen Interessen bestehen könne, sondern<br />
dass auch Vertrauen dazu gehöre. Gerade nach dem<br />
zweiten Weltkrieg seien die deutsch-polnischen Beziehungen<br />
auf beiden Seiten ideologisch benutzt worden: sie sollten<br />
schlecht sein, um die aufgezwungene Macht zu rechtfertigen.<br />
Erst der Aufruf der polnischen Bischöfe 1965 – „Wir vergeben<br />
und bitten um Vergebung.“ – habe den Anfang gemacht, dieses<br />
Modell der hassvollen Beziehungen zu zerstören und die<br />
Basis für weitere Beziehungen geschaffen. In dieser Hinsicht<br />
sei das Treffen von Mazowiecki und Kohl in Krzy†owa symbolisch<br />
gewesen. Die folgenden Verträge hätten bewiesen, dass<br />
beide Staaten in Frieden miteinander leben wollten: Ohne<br />
Polen hätte es keine Wiedervereinigung <strong>Deutsch</strong>lands gegeben,<br />
und durch die Hilfe <strong>Deutsch</strong>lands sei es Polen gelungen,<br />
in die Strukturen der europäischen Gemeinschaft zurückzukehren.<br />
Polen, so Geremek, brauche eine starke EU wie kein<br />
anderes Land. Gleichzeitig gelte: Damit Europa in der Welt<br />
stark bleibe, müsse es solidarisch sein, auch den<br />
Schwächeren gegenüber. Geremek zeigte sich überzeugt<br />
davon, dass das, was <strong>Deutsch</strong>land und Polen in den letzten<br />
Jahren miteinander zu Wege gebracht hätte, letztendlich<br />
–2–<br />
ganz Europa dienen werde und erinnerte in diesem<br />
Zusammenhang an die Arbeit der Stiftung „Pojednanie“.<br />
Der Kongress befasste sich am nächsten Tag im Hotel am<br />
Spreebogen mit einer Reihe von aktuellen Fragen der<br />
deutsch-polnischen Beziehungen. Den Abschluss bildete eine<br />
Abendveranstaltung mit dem Kabarettisten Steffen Möller,<br />
dem bekanntesten <strong>Deutsch</strong>en in Polen, spielt er doch in der<br />
populären Vorabendserie „M jak Mi¬o∂ç“, als liebenswerter<br />
Pechvogel gegen alle <strong>Deutsch</strong>en-Klischees an. In <strong>Berlin</strong> trat<br />
Möller in bester Harald-Schmidt-Tradition auf: stets auf dem<br />
schmalen Grat des politisch Inkorrekten und trotzdem nie<br />
abstürzen. „Dass man freiwillig nach Polen geht, finden sogar<br />
die Polen seltsam“, sagte Möller, der inzwischen seit mehr als<br />
acht Jahren in Warschau lebt. Möller spielt gern mit den<br />
Erwartungen und Vorurteilen seines Publikums. Leichter als<br />
ein deutscher habe es in Polen nur ein russischer Kabarettist.<br />
Steffen Möller mit weiblichen Fans aus dem „Jungen Kreis“<br />
Zum Beispiel ein Auftritt in Sosnowiec bei Kattowitz: „Ich<br />
weiß gar nicht, wie der Ort früher auf <strong>Deutsch</strong> hieß. Das frage<br />
ich am besten von der Bühne. Dann gibt es sicher einige im<br />
Publikum, die sitzen dann da und denken: Was will der denn<br />
jetzt? Will der uns jetzt die alten deutschen Namen verkaufen,<br />
oder wie? Und für diesen Fall erzähle ich dann einen Witz, den<br />
ich vor kurzem gehört habe, einen alten Schlesienwitz aus<br />
den 50er Jahren – antideutsch - und der geht so: Kommt ein<br />
Zug aus <strong>Berlin</strong>. Der Schaffner ruft: Wroc¬aw, Wroc¬aw früher<br />
Breslau. Nächste Station. Der Schaffner ruft: Gliwice, Gliwice,<br />
früher Gleiwitz. Und am nächsten Halt: Zabrze, Zabrze, früher<br />
Hindenburg. Steigt ein alter Pole aus, geht zum Schaffner und<br />
sagt: „Do widzenia – Auf Wiedersehen – Früher: Heil Hitler.“<br />
In „M jak Mi¬o∂ç“ verliebte sich Möller unglücklich in seine<br />
verheiratete Nachbarin. Als er dann endlich die Frau fürs<br />
Leben gefunden hatte, ließ die ihn vor dem Altar stehen.<br />
Damit war das Eis endgültig gebrochen. Dem glücklosen<br />
<strong>Deutsch</strong>en flogen die Herzen der Fans zu, auf der Straße<br />
klopften ihm Wildfremde auf die Schulter. 2005 wurde Möller<br />
mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der<br />
Bundesrepublik <strong>Deutsch</strong>land ausgezeichnet. Er wurde damit<br />
für seinen Einsatz zur Verständigung der Völker <strong>Deutsch</strong>lands<br />
und Polens geehrt. Bei seinem Auftritt in <strong>Berlin</strong> gelang<br />
ihm diese ein weiteres Mal: <strong>Deutsch</strong>e wie Polen lachten<br />
schallend und nicht mal abwechselnd…
Aufruf<br />
„Wir stehen in der Verantwortung.“<br />
Aufruf der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
Wir sind beunruhigt. Wir sorgen uns um die in den vergangenen<br />
Jahrzehnten erreichte deutsch-polnische Verständigung<br />
und wenden uns an die deutsche und polnische Öffentlichkeit.<br />
Beunruhigt sind wir über die in den letzten Jahren<br />
zunehmenden Versuche, eine zukunftsgerichtete Partnerschaft<br />
zwischen Polen und <strong>Deutsch</strong>land in Frage zu stellen.<br />
Wir stehen in der Verantwortung: Leidvolle Erfahrungen haben<br />
die Geschichte der Nachbarschaft unserer beiden Völker<br />
geprägt. Die Teilungen Polens unter Beteiligung Preußens im<br />
18. Jahrhundert, der unter deutschen Eliten im 19. und 20.<br />
Jahrhundert weit verbreitete Antipolonismus, der verbrecherische<br />
Angriffskrieg von 1939 mit der Ermordung vieler<br />
Millionen Polen, darunter die fast vollständige Vernichtung<br />
des polnischen Judentums während der deutschen<br />
–3–<br />
Okkupation und die verheerenden Zerstörungen des Landes<br />
haben tiefe Wunden bei der polnischen Bevölkerung hinterlassen.<br />
Eine Folge des Weltkriegs waren auch die Flucht, die<br />
Vertreibung und die Zwangsumsiedlung von Millionen Menschen<br />
aus ihrer angestammten Heimat. Das damit verbundene<br />
Leid ist für viele Familien eine bis heute prägende Erfahrung.<br />
Angesichts dieser Geschichte blicken wir voller Dankbarkeit<br />
auf das, was in den letzten Jahren für die deutsch-polnische<br />
Partnerschaft erreicht wurde. Wir waren Zeugen historischer<br />
Gesten der Versöhnung: Angefangen von der Denkschrift der<br />
Evangelischen Kirche in <strong>Deutsch</strong>land und dem Brief der polnischen<br />
Bischöfe, dem Kniefall Willy Brandts in Warschau<br />
über die wechselseitige Friedensbezeugung von Tadeusz<br />
Mazowiecki und Helmut Kohl während der Kreisauer<br />
Versöhnungsmesse, die Rede von Außenminister W¬adys¬aw<br />
Bartoszewski vor dem Bundestag bis hin zur Danziger<br />
Erklärung der Präsidenten Aleksander Kwa∂niewski und<br />
Johannes Rau.<br />
Der Grenz- und Nachbarschaftsvertrag von 1990 und 1991<br />
besiegelt diese an Versöhnung und Verständigung orientierte<br />
Politik. Sie hat Polen und <strong>Deutsch</strong>e einander so nahe gebracht<br />
wie nie in den letzten beiden Jahrhunderten. Auf beiden<br />
Seiten haben viele Persönlichkeiten, gesellschaftliche<br />
Initiativen und Politiker dazu beigetragen: die Kirchen, katholische<br />
Laien, die Solidarnosc-Bewegung, deutsche Gewerkschafter,<br />
Vertreter des polnischen Exils, die antikommunistische<br />
Opposition in der DDR, Publizisten, Künstler und<br />
Übersetzer, Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten,<br />
Stiftungen, Städtepartnerschaften sowie Vereine, darunter<br />
die <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />
Wir stehen in der Verantwortung: Der Beitritt Polens zur<br />
NATO und zur Europäischen Union bietet die große Chance<br />
für die endgültige Überwindung des deutsch-polnischen<br />
Gegensatzes sowie für eine dauerhaft friedliche Entwicklung<br />
unseres Kontinents. Die deutsch-polnische Aussöhnung und<br />
die europäische Integration sind daher unsere gemeinsame<br />
Zukunft, die nicht durch den Rückgriff auf alte Feindbilder –<br />
eines vermeintlichen innenpolitischen Nutzens wegen – geopfert<br />
werden darf. Wir appellieren daher an alle, denen das<br />
deutsch-polnische Verhältnis am Herzen liegt: Die Politik der<br />
Partnerschaft und Freundschaft, die seit 1989 in Europa so<br />
viel Gutes erreicht hat, muss im Interesse der Zukunft fortgesetzt<br />
werden. Wir, die Unterzeichnenden, werden auch weiterhin<br />
im Geiste des Vertrauens und der Verständigung zwischen<br />
unseren Staaten handeln und unsere gemeinsame<br />
Zukunft im vereinten Europa sehen.<br />
Dr. Angelica Schwall-Düren<br />
Vorsitzende DPG Bundesverband<br />
Prof. Dr. Rita Süssmuth<br />
Kuratoriumsvorsitzende DPG Bundesverband<br />
Prof. Dr. Gesine Schwan<br />
Koordinatorin der Bundesregierung für<br />
die deutsch-polnische Zusammenarbeit<br />
Der Aufruf richtet sich an alle Menschen in Polen und<br />
<strong>Deutsch</strong>land, denen ein gutes deutsch-polnisches Verhältnis<br />
am Herzen liegt, sich für eine Fortsetzung der Politik der<br />
Partnerschaft und Freundschaft zwischen beiden Ländern<br />
einzusetzen und dies mit der Unterstützung der Petition auf<br />
der Internetseite: www.polenunddeutsche.com oder<br />
www.polacyiniemcy.com zu bekunden
DPGB intern<br />
Ingo Schuster neuer Schatzmeister<br />
Jahresmitgliederversammlung der DPG <strong>Berlin</strong><br />
am 16. Oktober 2006<br />
Der Vorsitzende Christian Schröter erläuterte den 36 anwesenden<br />
Mitgliedern auf der Jahresmitgliederversammlung in<br />
der <strong>Polnische</strong> Akademie der Wissenschaften in <strong>Berlin</strong>-Pankow<br />
den Tätigkeitsbericht der <strong>Gesellschaft</strong> aus dem vergangenen<br />
Jahr und in den vergangenen Monaten dieses Jahres.<br />
Anschließend nahm Schatzmeister Dietrich Volkmann zu den<br />
Finanzen Stellung: Die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträge<br />
seien durch zahlreiche Eintritte gestiegen. Porto- und Telefonkosten<br />
hätten sich zwar positiv nach unten entwickelt,<br />
dafür sind die Mietkosten durch den Umzug in die Schillerstraße<br />
etwas angestiegen. Marzena Wasilewska-Tourneux<br />
gab den Bericht der Revisoren und bescheinigte, dass die<br />
Buchführung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und<br />
bei der Überprüfung des Jahresabschlusses keine Mängel<br />
festgestellt wurden. Sie schlug die Entlastung des Vorstandes,<br />
dem bei einigen Enthaltungen zugestimmt wurde.<br />
Bei der Aussprache zu den Berichten nahm die Zentralstelle<br />
der DPG beim DPJW einen großen Raum ein. Der Vorsitzende<br />
Christian Schröter und Beata Rauch als Koordinatorin der<br />
Zentralstelle des DPJW wiesen auf einige Probleme in der<br />
Abwicklung hin. Durch die verspäteten Auszahlungen der<br />
Gelder durch das DPJW an die DPG <strong>Berlin</strong> verzögerten sich<br />
immer wieder die Zahlungen an die Antragssteller, die dann<br />
oft im nächsten Jahr erst angewiesen würden und für<br />
Außenstehende dadurch ein falsches Bild über die Finanzlage<br />
der DPG <strong>Berlin</strong> vermitteln. Hier werde man mit dem DPJW<br />
über eine zügigere Abwicklung verhandeln. Die Gelder, die die<br />
DPG <strong>Berlin</strong> als Verwaltungskostenaufwand vom DPJW erhalte,<br />
reichten bei weitem nicht aus, um die entstehenden<br />
Kosten für die Beschäftigung von Beata Rauch zu decken.<br />
Man war sich in der weiteren Diskussion jedoch darüber<br />
einig, die Zentralstelle der DPGs beim DPJW weiter zu betreiben<br />
und selbst auch für eigene Jugendaustauschprojekte zu<br />
nutzen.<br />
Vor dem Hintergrund des derzeitigen angespannten<br />
Verhältnisses Polen-<strong>Deutsch</strong>land wurde nachgefragt, inwieweit<br />
die DPG <strong>Berlin</strong> hierzu selbst Stellung nehme. Schröter<br />
verwies auf die <strong>Berlin</strong>er Erklärung des Bundesverbands<br />
(siehe Aufruf dazu in diesem Heft), die zum Kongress im<br />
November veröffentlicht werde. Die DPG <strong>Berlin</strong> habe sich<br />
deshalb nicht gesondert zu Wort gemeldet.<br />
Neu im Amt: Ingo Schuster<br />
Nächster Tagesordnungspunkt<br />
war die Neuwahl eines Schatzmeisters<br />
bzw. einer Schatzmeisterin,<br />
die nach dem Rücktritt<br />
von Dietrich Volkmann aus<br />
persönlichen Gründen notwendig<br />
geworden war. Für die Amt<br />
des Schatzmeisters bewarben<br />
sich Eva-Maria Birth und Ingo<br />
Schuster, die sich beide kurz<br />
vorstellten. Nach kurzer Aussprache<br />
wurde Ingo Schuster<br />
zum neuen Schatzmeister<br />
gewählt.<br />
–4–<br />
Zum Abschluss der Versammlung stellte sich Dr. Robert<br />
Traba, Direktor des Zentrums für historische Forschung der<br />
<strong>Polnische</strong>n Akademie der Wissenschaften, vor. Er berichtete<br />
über die geplante Arbeit dieser Einrichtung in <strong>Berlin</strong> und<br />
beantwortete viele Fragen des Publikums.<br />
Hans-Derk Gebhardt<br />
Alle Jahre wieder - das deutsch-polnische<br />
Weihnachtstreffen der DPG <strong>Berlin</strong><br />
Alle Jahre wieder kommen die Mitglieder und Freunde der<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong> zum traditionellen<br />
Weihnachtstreffen zusammen. Nachdem es im letzten Jahr<br />
ausgefallen war, gab es diesem Jahr kaum noch „Platz in der<br />
Herberge“. Rund 100 Gäste hatte sich am 2. Dezember im<br />
Foyer des Museums Europäischer Kulturen eingefunden, um<br />
sich von der Firma eßkultur diesmal das Weihnachtsmenü<br />
auftischen zu lassen. Für die richtige Einstimmung auf die<br />
Advents- und Weihnachtszeit sorgte der deutsch-polnische<br />
Chor „Spotkanie“ unter der Leitung von Jozef Wilkosinki mit<br />
einem kleinen Konzert von Weihnachtslieder aus<br />
<strong>Deutsch</strong>land und Polen und anschließendem gemeinsamen<br />
Singen<br />
Sogar der neue Botschafter Marek Prawda gab sich die Ehre<br />
und war mit seiner Gattin auf der Feier anwesend und fühlte<br />
sich sichtlich wohl. Und auch die anderen Gäste kamen trotz<br />
des vollen Programms zum Gespräch mit den Tischnachbarn<br />
oder freuten sich über das Wiedersehen von Bekannten und<br />
Freunden aus dem Umfeld der <strong>Gesellschaft</strong>. Man verabschiedete<br />
sich untereinander mit dem Versprechen, sich nicht erst<br />
beim nächsten Weihnachtstreffen wie wiederzusehen.<br />
cs<br />
Rückblick<br />
Mehr Kunst als Welt<br />
Unter dieser Überschrift waren bis zum 10. Dezember 2006<br />
Gemälde und Grafiken aus der Sammlung des Muzeum<br />
Nadwislanskie in Kazimierz Dolny im Gutshaus Steglitz ausgestellt.<br />
Es handelte sich um 100 Werke aus der Künstlerkolonie<br />
in Kazimierz Dolny, die in der Zeit zwischen 1900 bis<br />
1939 dort entstanden und überwiegend Motive aus diesem an<br />
der Weichsel gelegenen Städtchen zeigen. Es war das erste<br />
Mal, dass diese Bilder außerhalb Polens gezeigt wurden. Die<br />
Ausstellung stellt das Ergebnis vieler Bemühungen der<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong> dar, um ein Highlight<br />
in die deutsch-polnischen Kulturtage im Bezirk Steglitz-
Interessierte Besucher bei der Finissage am 9. Dezember 2006<br />
Zehlendorf zu setzen, die seit dreizehn Jahren bestehende<br />
Partnerschaft des Bezirks mit Kazimierz Dolny zu stärken und<br />
damit Interesse an polnischer Kunst zu wecken.<br />
Mehr Kunst als Welt – dieses Motto wurde gewählt, um die<br />
Bedeutung der Künstlerkolonie für Kazimierz Dolny zu betonen,<br />
die Bedeutung künstlerischen Schaffens in einer als<br />
poetisch und fast mediterran empfundenen Landschaft.<br />
Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckte man den Reiz<br />
dieser Gegend: „Es kamen hierher sogar viele neugierige<br />
Herrschaften aus dem Ausland, um diese wunderschöne,<br />
zwischen Hügeln anmutig platzierte Stadt zu bewundern“, so<br />
beschrieb Bartiomiej Zienkowski 1820 Kazimierz. Das arme<br />
und wohl auch etwas verwahrloste Städtchen blühte auf,<br />
weil es für zahlreiche Künstler Sommersitz wurde, Touristen<br />
anlockte und auch Kunst-Professoren mit ihren Schülern.<br />
Die Blütezeit der so entstandenen Künstlerkolonie war zwischen<br />
den Weltkriegen, in dieser Zeit entstanden auch die<br />
meisten Bilder der Ausstellung. Kazimierz Dolny wurde und<br />
wird heute noch mit Kunst gleich gesetzt. Wesentlichen<br />
Anteil an dieser Entwicklung hatte Tadeusz Pruszkowski<br />
(1888-1942), er kam regelmäßig mit seinen Studenten der<br />
Warschauer Schule der Schönen Künste zum Malen hierher,<br />
er ist in der Ausstellung mit 4 Porträts und einem Landschaftsbild<br />
vertreten. Er hielt schriftlich fest: „Es fügte sich<br />
so, dass ich nach Kazimierz direkt aus Italien kam (...) Ich<br />
war überrascht, wie doch die Stimmung in Kazimierz der der<br />
italienischen Städte ähnlich ist.“<br />
Heute ist Kazimierz Dolny ein reizvolles Städtchen mit ca.<br />
4000 Einwohnern, es liegt ca. 40 km westlich von Lublin<br />
direkt an der Weichsel. Der große Marktplatz wird von der<br />
imposanten Pfarrkirche aus der Renaissancezeit überragt,<br />
zwei reich verzierte Bürgerhäuser aus der gleichen Zeit sind<br />
am Marktplatz zu bewundern. Vom Reichtum der Stadt in dieser<br />
Zeit künden auch ehemalige Speicher an der Weichsel<br />
und weitere reich verzierte Bauten, in denen sich einige<br />
Museen befinden. Viele dieser Motive sind auf den ausgestellten<br />
Bildern zu finden. Es macht Spaß, durch Kazimierz<br />
Dolny zu bummeln, Galerien zu besuchen, Malern beim<br />
Arbeiten über die Schulter zu schauen oder sich in einem der<br />
zahlreichen kleinen Restaurants zu erfrischen, in liebevoll<br />
gestalteten Räumen oder im blühenden Garten. Über eine<br />
Million Touristen gönnen sich jedes Jahr diese Freude.<br />
Eva-Maria Birth<br />
–5–<br />
Aktuell<br />
Neuer polnischer Botschafter in <strong>Berlin</strong><br />
Dr. Marek Prawda, 50, ist neuer Botschafter Polens in<br />
<strong>Deutsch</strong>land. Er löst Andrzej Byrt ab, der seit Anfang 2003<br />
diesen Posten inne hatte und den diplomatischen Dienst verlassen<br />
musste, da er in jungen Jahren Berichte für den<br />
Geheimdienst geliefert hatte. Prawda arbeitete zuletzt als<br />
Leiter des Ministerbüros im polnischen Außenministerium<br />
unter den Ministern Stefan Meller und Anna Fotyga. Von 1992<br />
bis 1998 war er bereits Gesandter der polnischen Botschaft in<br />
Bonn, danach bis 2000 Abteilungsleiter Westeuropa im<br />
Außenministerium und von 2000 bis 2005 Botschafter<br />
Polens in Schweden. Prawda ist verheiratet und hat zwei<br />
Kinder. 1984 wurde er in Soziologie promoviert und arbeitete<br />
anschließend im wissenschaftlichen Bereich. Er gehört zu<br />
den Schülern des Warschauer Historikers Jerzy Holzer, der<br />
einen wichtigen Beitrag zum deutsch-polnischen Dialog geleistet<br />
hat. Prawda selbst verfasste ebenfalls mehrere Artikel<br />
dazu. Ende der 70er Anfang der 80er Jahre studierte er an<br />
der Universität in Leipzig, weshalb er exzellent deutsch<br />
spricht. Daneben beherrscht er englisch, französisch, schwedisch<br />
und russisch.<br />
Außenminister a.D. Bronis¬aw Geremek und Marek Prawda<br />
In den auswärtigen Dienst trat er Anfang der neunziger Jahre<br />
ein, als dieser noch von kommunistischen Parteikadern<br />
beherrscht wurde. Besonders gefördert wurde er vom polnischen<br />
Außenminister und Friedenspreisträger des deutschen<br />
Buchhandels Wladyslaw Bartoszewski. Die nationalkonservative<br />
Zeitung Nasz Dziennik, die zum Medienkonzern um Radio<br />
Maryja gehört, Prawda vor dessen Ernennung kritisiert. Er<br />
habe sich während seiner ersten Tätigkeit in <strong>Deutsch</strong>land zu<br />
wenig um die Belange der dort lebenden Polen gekümmert<br />
und sei außerdem politisch der Freiheitsunion verbunden<br />
gewesen, die für ihre Vorliebe für die Beziehungen zu<br />
<strong>Deutsch</strong>land und weniger für die Vertretung polnischer<br />
Interessen bekannt gewesen sei. Als Sekretär der Botschaft<br />
habe er zudem unterstützt, dass von polnischen Einrichtungen<br />
in <strong>Deutsch</strong>land das Thema des Verhältnisses von<br />
Polen und Juden stark in den Mittelpunkt gestellt worden sei.<br />
Der polnische Staatspräsident ließ sich dennoch nicht von<br />
seiner Entscheidung für Prawda abhalten, auf den einige<br />
schwierige Themen im deutsch-polnischen Verhältnis warten<br />
dürften.<br />
gh<br />
Im nächsten Heft lesen Sie ein Interview mit Dr. Marek Prawda
Kleine Fortschritte<br />
Besuch des polnischen Premierministers<br />
Jaros¬aw Kaczyµski in <strong>Berlin</strong><br />
Anfang November trafen sich in <strong>Berlin</strong> der polnische<br />
Premierminister Jaros¬aw Kaczyµski und Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel, um verschiedene Fragen der gegenseitigen<br />
Beziehungen zu erörtern. Der Antrittsbesuch Kaczyµskis in<br />
<strong>Berlin</strong> galt als schwierig in einer Zeit, da es um das deutsch-<br />
polnische Verhältnis alles andere als gut bestellt ist. Das<br />
deutsch-russisches Pipeline-Projekt durch die Ostsee sorgt<br />
ebenso für Ärger wie Entschädigungsforderungen von<br />
Vertriebenen. Auf der anderen Seite sehen viele Polen in einer<br />
<strong>Berlin</strong>er Ausstellung zum Thema „Vertreibung in Europa“ eine<br />
Relativierung deutscher Verbrechen unter Nazi-Herrschaft.<br />
Hinzu kommen Unstimmigkeiten im deutsch-polnischen<br />
Jugendwerk oder der Vorwurf Warschaus, <strong>Berlin</strong> wolle<br />
zusammen mit Paris die EU dominieren. Mit Kaczyµski selbst<br />
tritt noch eine persönliche Komponente hinzu: der 57-jährige<br />
Jurist, Zwillingsbruder des Staatspräsidenten Lech, steht im<br />
Ruf, nicht unbedingt ein Freund der <strong>Deutsch</strong>en zu sein.<br />
Dennoch erreichten Merkel und Kaczyµski kleine Fortschritte.<br />
Auf der Pressekonferenz wurden die Probleme des<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n Jugendwerk als behoben bezeichnet.<br />
Dem DPJW waren vom polnischen Erziehungsministerium<br />
ausstehende hohe Beträge lang nicht überwiesen worden.<br />
Dadurch gerieten viele bereits geplante Projekte in Gefahr.<br />
Durch dieses Austauschprogramm haben sich bereits mehr<br />
als 1,5 Millionen junge <strong>Deutsch</strong>e und junge Polen kennen<br />
gelernt.<br />
Vor allem bei den beiden Kernproblemen kamen sich die beiden<br />
kaum näher. Kaczyµski beharrte bei dem eineinhalbstündigen<br />
Treffen auf der Forderung, die Eigentumsansprüche der<br />
Vertriebenen gegenüber Polen müssten per Vertrag zwischen<br />
<strong>Deutsch</strong>land und Polen aufgehoben werden. Die Bundeskanzlerin<br />
machte ein weiteres Mal deutlich, dass die deutsche<br />
–6–<br />
Regierung die Forderungen der Preußischen Treuhand<br />
ablehnt und diese in keiner Weise unterstützt. Merkel beharrte<br />
jedoch auch darauf, keine weiteren Abkommen zu einem<br />
Entschädigungsverzicht anzustreben, da dieses Thema<br />
bereits in früheren Jahren einvernehmlich in Abkommen<br />
behandelt wurde. Hintergrund ist die Befürchtung auf deutscher<br />
Seite, die Vertriebenen könnten bei einem solchen<br />
Staatsvertrag gegen die Regierung auf Entschädigung klagen.<br />
Demgegenüber sah Jaros¬aw Kaczyµski das Thema als noch<br />
nicht abgeschlossen an und meldete weiteren Gesprächsbedarf<br />
an.<br />
Ähnlich stehen sich Warschau und <strong>Berlin</strong> auch weiterhin bei<br />
der Ostsee-Pipeline gegenüber. Kaczyµski bekräftigte die<br />
Ablehnung des Projekts, das auch bereits seine<br />
Vorgängerregierung verärgert hatte. Die Kanzlerin entwarf als<br />
Lösungsmodell, die Vision eines einheitlichen europäischen<br />
Energiemarktes, der auch die Strom- und Gasversorgung<br />
Polens sichere. Nach Worten Merkels wird sich nun eine<br />
deutsch-polnische Arbeitsgruppe um „die technische Dinge“<br />
dieses einheitlichen Energiemarktes kümmern. Ergebnisse<br />
könnten schon beim EU-Rat im kommenden März präsentiert<br />
werden. Kaczyµski verlangte erneut, dass „Energiepolitik<br />
nicht als politisches Druckmittel gegenüber Polen angewandt<br />
werden dürfe“. Allerdings bezeichnete er die offenen<br />
Energiefragen als „lösbare technische Probleme“ und betonte,<br />
wie sehr ihm daran gelegen sei, auch gute persönliche<br />
Beziehungen aufzubauen. Daran anschließend betonte<br />
Angela Merkel, auf beiden Seiten wollten neue Personen in<br />
den Regierungsämtern eine gute Beziehung zueinander entwickeln.<br />
Obwohl der polnische Premierminister auch in<br />
Zukunft Meinungsunterschiede hinsichtlich der Ostseepipeline<br />
ausmacht, sieht er dadurch die offene Gesprächsatmosphäre<br />
nicht gestört. Seine stärker an polnischen<br />
Interessen orientierte Politik sei auf keinen Fall gegen<br />
<strong>Deutsch</strong>land gerichtet, sondern bewege sich im üblichen<br />
Rahmen der Europäischen Union. Die sehr entspannt wirkende<br />
Kanzlerin versicherte dem zurückhaltend auftretenden<br />
Staatsgast hier noch einmal, „dass kein Mitgliedsstaat der EU<br />
durch ein Projekt eines anderen Mitgliedsstaats geschädigt<br />
werden soll.“<br />
gh<br />
Zitat<br />
„Noch nicht für voll genommen“<br />
Der frühere polnische Präsident Aleksander Kwa∂niewski<br />
sagte am 8. November 2006 im <strong>Berlin</strong>er Tagesspiegel zum<br />
deutsch-polnischen Verhältnis:<br />
„Historisch gesehen sind die Beziehungen hervorragend. Wir<br />
sind Nato-Verbündete, EU-Partner, <strong>Deutsch</strong>land ist Polens<br />
größter Handelspartner, immer mehr Polen lernen <strong>Deutsch</strong>.<br />
Darüber muss man reden, nicht über das Vertriebenenzentrum.<br />
Zu den deutschen Fehlern gehört die Art, wie die<br />
deutsch-russische Pipeline zustande kam, ohne Einbeziehung<br />
Polens. Generell hat man den Eindruck: Die Beziehungen<br />
zu Polen sind für <strong>Deutsch</strong>land mehr Pflicht als Wunsch.<br />
Wir werden noch nicht für voll genommen.“
Aktuell<br />
Grenzüberschreitende Verbraucherberatung<br />
Schon lange haben die <strong>Berlin</strong>er und Brandenburger Polen als<br />
Einkaufsland für sich entdeckt. Bei vielen Produkten und<br />
Dienstleistungen lohnt sich der Gang oder die Fahrt über die<br />
Oder. Doch nicht nur die viel beschriebenen Benzin-, Friseurund<br />
Zigarettentouristen kommen aus <strong>Deutsch</strong>land – die<br />
Nachfrage nach hochwertigen Waren und Dienstleistungen<br />
steigt stetig. In Polen werden Möbel bestellt, Zäune und<br />
andere Handwerkerleistungen in Auftrag gegeben oder ein<br />
Arzt aufgesucht. „Seit dem Beitritt Polens zur EU stieg die<br />
Zahl der Fragen zum polnischen Verbraucherrecht noch einmal<br />
spürbar“ sagt Alexander Bredereck, geschäftsführender<br />
Vorstand der Brandenburger Verbraucherzentrale.<br />
Seit dem 19. Oktober 2006 gibt es nun das „Verbraucher-<br />
InformationsZentrum“ in der Frankfurter Karl-Marx-Str. 8, in<br />
dem sich jeder über die Regelungen des polnischen Marktes<br />
und das polnische Verbraucherrecht informieren kann.<br />
Brandenburgs Verbraucherschutzminister Dr. Dietmar<br />
Woidke (Foto) eröffnete im Beisein vieler Gäste aus <strong>Deutsch</strong>land<br />
und Polen die Beratungsstelle. Für Verbraucherzentralen-Chef<br />
Bredereck ist das Beratungsangebot in<br />
Frankfurt aber nur der erste Schritt. Der nächste wird im<br />
Frühjahr 2007 folgen, wenn deutsche und polnische Gäste<br />
sich zu einem zweitägigen Verbraucherschutz-Symposium<br />
treffen werden. Brederecks Ziel ist es, den beim Nachbarn<br />
noch verstreut wirkenden Sachverstand in Sachen Verbraucherschutz<br />
zu bündeln und langfristig ein polnisches<br />
Pendant zu den deutschen Verbraucherschutzorganisationen<br />
zu etablieren. Nur dann wird auch langfristig die Fortführung<br />
des Frankfurter Projektes möglich sein, das zur Zeit aus<br />
INTERREG III A – Mitteln der Europäischen Union finanziert<br />
wird. Obwohl deutlich war, dass die Nachfrage nach Beratung<br />
ständig stieg, gelang es erst vor zwei Jahren mit Hilfe einer<br />
Marktanalyse, die Notwendigkeit und Nachhaltigkeit eines<br />
grenzüberschreitenden Projektes nachzuweisen. Unterstützt<br />
wurden die Macher von Brandenburger Landespolitikern,<br />
dem Verbraucherschutzministerium des Landes sowie der<br />
Euroregion Pro Europa Viadrina.<br />
Viele Verbraucher erliegen noch immer dem Irrtum, im EU-<br />
Land Polen hätten sie die gleichen Rechte wie in <strong>Deutsch</strong>land.<br />
„Unser Rat soll in die Lage versetzen, die Chancen, die<br />
die Grenzregion bietet, bewusst für sich zu nutzen“, so<br />
Alexander Bredereck von der Brandenburger Verbraucher-<br />
–7–<br />
zentrale. Ein interessantes Angebot für <strong>Berlin</strong>er und<br />
Brandenburger, gerade wenn sie privat oder beruflich häufig<br />
in Polen sind.<br />
VerbraucherInformationsZentrum in Frankfurt/Oder<br />
Terminvereinbarungen unter 01805/00 40 49<br />
(12 Ct/min. aus dem deutschen Festnetz)<br />
Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr<br />
Thema<br />
Andreas Schluricke<br />
Vertreibung bleibt ein strittiges Thema<br />
Von Frank Bürger<br />
Mit der Eröffnung der Ausstellung „Erzwungene Wege“ über<br />
Vertreibungen in Europa ist die politische Debatte über das<br />
geplante „Zentrum gegen Vertreibung“ neu entbrannt. Am 18.<br />
September lud die Autorin und Initiatorin des <strong>Berlin</strong>er<br />
Holocaust-Denkmals, Lea Rosh, die CDU-Bundestagsabgeordnete<br />
Erika Steinbach, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen,<br />
und den SPD-Bundestagsabgeordneten Markus<br />
Meckel, den Vorsitzenden der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe,<br />
in das Hotel Alexander Plaza zum Streitgespräch.<br />
Lea Rosh (2. v. r.) moderierte das Streitgespräch. Erika Steinbach<br />
(l.) und Markus Meckel (r.) lieferten sich im Hotel Plaza emotionsgeladene<br />
Wortgefechte. In der Mitte der Leipziger Historiker<br />
Professor Stefan Troebst.<br />
Mitte August bis Ende Oktober dokumentierte die vom Bund<br />
der Vertriebenen (BdV) gegründete Stiftung Zentrum gegen<br />
Vertreibung im <strong>Berlin</strong>er Kronprinzenpalais anhand von 280<br />
Objekten aus 14 Nationen, Texten und Videostationen auf<br />
600 Quadratmetern Vertreibungsschicksale im 20.<br />
Jahrhundert. Gezeigt wurde unter anderem der Völkermord<br />
an den Armeniern (1915/16), der „Bevölkerungsaustausch“<br />
von Griechen und Türken in Folge der Lausanner Verträge<br />
(1922/23), die Vertreibung der Juden in Europa ab 1933, die<br />
Vertreibung <strong>Deutsch</strong>er am Ende des Zweiten Weltkrieges und<br />
die Vertreibungen im ehemaligen Jugoslawien in den 90er<br />
Jahren. Der Holocaust selbst blieb außen vor.<br />
In Unionsreihen wurde die Schau als ausgewogen gewürdigt<br />
und zum Anlass genommen, für das seit Jahren umstrittene<br />
Dokumentationszentrum zu werben. Nach Ansicht der
Initiatoren stellt die Schau einen wichtigen Schritt in<br />
Richtung des geplanten Zentrums gegen Vertreibung dar.<br />
Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach argumentiert, der<br />
europäische Blickwinkel der Schau sei wichtig, um „sich dieser<br />
Thematik zu nähern“. Der Vorsitzende der CDU/CSU-<br />
Bundestagsarbeitsgruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und<br />
Aussiedler, Jochen-Konrad Fromme, wertete die Ausstellung<br />
als „hervorragende Visitenkarte“ für ein Zentrum gegen<br />
Vertreibung. Die ausgewogene Schau strafe alle Kritiker<br />
Lügen, die seit Jahren versuchten, die Stiftung Zentrum<br />
gegen Vertreibung in die „nationale Ecke“ zu drängen.<br />
Aber von Anfang an hagelte es Kritik, vor allem gegen die<br />
Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach.<br />
Vor allem in Polen und Tschechien wird befürchtet, dass<br />
<strong>Deutsch</strong>land bei der Aufarbeitung der Vertreibungen die<br />
eigene Schuld relativieren wolle. Der ehemalige Ministerpräsident<br />
und damaliger Stadtpräsident Warschaus,<br />
Kazimierz Marcinkiewicz, sagte sogar eine geplante Reise<br />
nach <strong>Berlin</strong> ab. Heftige Vorwürfe kamen auch von Polens Ex-<br />
Außenminister W¬adys¬aw Bartoszewski. Er lehne die<br />
Ausstellung „aus politischen Gründen“ ab. Mit Blick auf die<br />
deutsch-polnischen Beziehungen kritisierte Bartoszewski<br />
die vom Bund der Vertriebenen (BdV) organisierte Schau als<br />
„Aktion, die den Horizont vernebelt“. Er warf BdV-<br />
Präsidentin Erika Steinbach vor, seit Anfang der neunziger<br />
Jahre „antipolnische Politik“ betrieben zu haben. „Die Sache<br />
mit Frau Steinbach wird auf die deutsch-polnischen<br />
Beziehungen belastend wirken“, sagte er. Steinbach sei<br />
„keine harmlose deutsche Frau“, sondern eine einflussreiche<br />
Politikerin.<br />
Gespannter konnte die Stimmung nicht sein, als sich<br />
Steinbach im Plaza-Hotel Mitte September dem Publikum<br />
und ihrem Abgeordnetenkollegen Markus Meckel stellte, um<br />
Werbung für ihre Vorstellungen von einem Zentrum der<br />
Vertreibung zu machen. Der SPD-Bundestagabgeordnete<br />
Markus Meckel vertrat die bereits unter der Regierung<br />
Schröder festgelegte Auffassung der Regierung. Die<br />
Bundesregierung habe sich hier auf die Linie geeinigt, dass<br />
ein solches Zentrum nicht das Ziel sei. „Wir wollen gemeinsam<br />
mit Polen und Tschechen diese Geschichte bearbeiten.<br />
Und wir wollen ein sichtbares Zeichen in <strong>Berlin</strong> schaffen. Ich<br />
selber habe vorgeschlagen, dass die viel beachtete<br />
Ausstellung im Haus der Geschichte zum Thema<br />
Vertreibung, nachdem sie auch in Polen und Tschechien<br />
gezeigt und diskutiert wurde, der Nukleus für eine<br />
Dauerausstellung in <strong>Berlin</strong> sein könnte, die sich mit diesem<br />
Thema befasst“, sagte Meckel und bekam auch viel<br />
Unterstützung aus den Reihen der Besucher. Sein Hauptkritikpunkt<br />
an der umstrittenen Exposition im Kronprinzenpalais:<br />
Der BdV neige dazu, Vertreibungen und den<br />
Genozid-Begriff miteinander zu mischen.<br />
Das sei absoluter Unfug, entgegnete Steinbach. „Wir<br />
machen deutlich, was Vorgeschichten waren und wie es zu<br />
den jeweiligen Vertreibungen gekommen ist“, sagt sie weiter.<br />
Menschenrechtspolitik und die Menschenrechte werteten<br />
jedes einzelne Schicksal gleichermaßen. Unschuldige<br />
Menschen, die pauschal und kollektiv einer Strafe unterworfen<br />
werden - das gebe es im Völkerrecht nicht. Insofern<br />
seien die Vorwürfe Vorwände, wenn man sich nicht mit dem<br />
Thema intensiv beschäftigen möchte. Steinbach hält die<br />
Ausstellung mit dem Gesamtblick auf Europa für ein gewichtiges<br />
Tor, durch das man gehen sollte, um dann die<br />
Vertreibung der <strong>Deutsch</strong>en insgesamt aufzuarbeiten.<br />
–8–<br />
Gesichter der <strong>Gesellschaft</strong><br />
Prof. Dr. Konrad Vanja<br />
Direktor des Museums Europäischer Kulturen<br />
Geburtstag<br />
Am 1. 12. 1947, einem wunderbaren<br />
jährlichen Einstieg in die<br />
Adventszeit.<br />
Beruf<br />
Mein „Traumberuf“ als Museumsdirektor<br />
und Kulturgeschichtler<br />
mit so vielen Möglichkeiten,<br />
etwas für die Öffentlichkeit zu<br />
tun, die Völkerverständigung zu<br />
fördern und die vielfältigen<br />
Traditionen unseres Kontinents<br />
Europa zu entdecken. Dass ich<br />
dies alles in einem Museum<br />
Europäischer Kulturen gemeinsam mit den MitarbeiterInnen<br />
unseres Hauses und den Freunden in den Staatlichen<br />
Museen in <strong>Berlin</strong> und im europäischen Ausland tun kann, ist<br />
ideal.<br />
Familie<br />
Meine „weitere Familie“ ist mir ebenso ein Halt wie Mutter<br />
und Geschwister und meine Freundschaften aus Nah und<br />
Fern.<br />
Freizeit<br />
Beruf und Freizeit sind kaum voneinander zu trennen: beide<br />
gehören zusammen, bereichern und beleben sich sehr glücklich<br />
gegenseitig.<br />
Seit wann in der DPGB?<br />
Vermutlich seit 2001. Es kommt mir vor, als sei ich schon<br />
immer dabei!<br />
Warum?<br />
Wir begannen Polen ganz privat auf den Bahnlinien nach<br />
Krakau, Breslau und Stettin auf Wochenendreisen zu entdecken.<br />
Es war die Neugier auf ein fremdes Land und die<br />
Begeisterung für Kultur und Menschen eines lebendigen<br />
Anrainer: Polen, was liegt näher! Zugleich war es auch die<br />
Zweitentdeckung eines Nachbarn, der wie Frankreich einmal<br />
die schwierigsten Beziehungen zu <strong>Deutsch</strong>land hatte und uns<br />
aber gerade in dieser Begegnung wunderbar bereicherte. Das<br />
gelang mir nach Frankreich auch mit Polen.<br />
Schönstes Erlebnis?<br />
Sicherlich die Verleihung des Kavalierskreuzes des<br />
Verdienstordens der Republik Polen am 2. März 2006 in meinem<br />
Haus, dem Museum Europäischer Kulturen – Staatliche<br />
Museen zu <strong>Berlin</strong>. Viele menschliche Begegnungen gingen<br />
dem voraus, insbesondere mit unserer Wanderausstellung<br />
„Frühling im Herbst/Wiosna jesieniå/Le printemps en automne<br />
– Vom polnischen November zum deutschen Mai“. Das<br />
Europa der Nationen 1830-1832, die wir erstmals im Rathaus<br />
von Breslau 2003 anlässlich des Treffens des „Weimarer<br />
Dreiecks“ eröffnen konnten. In diesem Herbst hatte sie im<br />
„Gerhart-Hauptmann-Haus“ in Agnetendorf ihre 25.<br />
Präsentation. Alle Ausstellungsorte verbinden sich mit neuen<br />
Freundschaften.
Welche größte Schwierigkeit gemeistert?<br />
Schwierigkeiten gab es keine, die nicht gelöst werden konnten.<br />
Da bin und bleibe ich stets Optimist. Übrigens habe ich<br />
das Glück, in <strong>Deutsch</strong>land wie in Polen großartige Partner zu<br />
haben.<br />
Schon mal in ein deutsch-polnisches Fettnäpfchen getreten?<br />
Nein, soweit ist weiß, nicht. Vielleicht liegt es auch ein wenig<br />
an meiner prinzipiellen Zurückhaltung.<br />
Was lieben Sie am meisten an Polen?<br />
Seine Menschen mit ihrer immer wieder neuen Sichten auf die<br />
Geschichte und Kultur ihres Landes. Die Begeisterung für das<br />
„Gemeinsame Kulturerbe“ von Polen und <strong>Deutsch</strong>e. Es war<br />
beeindruckend zu sehen, wie junge Menschen mit Liebe,<br />
Kenntnis und Engagement während eines Sommerkurses der<br />
Universität Breslau von „ihrem“ Land und „ihrer“ Stadt sprachen,<br />
die sie auch mit ihrer „deutschen“ Geschichte wahrnahmen.<br />
Was können <strong>Deutsch</strong>e von Polen lernen?<br />
Den ernsthaften und mutigen Rückgriff auf die Geschichte,<br />
mit der sie die Diskussion um europäische Werte bereichern<br />
können. Der lange Kampf für die Freiheit eines zerteilten<br />
Landes und die Kraft ihrer Solidarität, sich dem Druck nicht<br />
zu beugen, dies nötigt mir höchste Achtung ab. Alles spiegelt<br />
sich im Schicksal von Menschen! Das wird einem gerade in<br />
Polen deutlich.<br />
<strong>Polnische</strong> Spuren in <strong>Berlin</strong><br />
Der Polenprozess von 1847 –<br />
im „Geschichtspark ehemaliges Zellengefängnis<br />
Moabit“ keine Erinnerung wert?<br />
Wenn man aus dem Nordausgang des neuen Hauptbahnhofs<br />
heraustritt, blickt man auf der anderen Straßenseite auf eine<br />
lange, meterhohe Mauer. Was hinter dieser Mauer in den letzten<br />
Jahren geschah, wurde kaum wahrgenommen, wenn<br />
nicht am Tag des Offenen Denkmals im September interessierte<br />
Bürger das Gelände besichtigt hätten. Seit Anfang<br />
November 2006 ist das Geheimnis gelüftet, der „Geschichtspark<br />
ehemaliges Zellengefängnis Moabit“ wurde eingeweiht<br />
und ist jetzt für die Öffentlichkeit zugänglich. Das drei Hektar<br />
große, ehemalige Gefängnisgelände befindet sich an der<br />
Invalidenstraße/Ecke Minna-Cauer-Straße.<br />
In den Berichten zur Eröffnung des Geschichtsparks wurde<br />
ausführlich über die Historie dieses Ortes geschrieben: Vor<br />
fast 160 Jahren (1842-1849) entstand auf dem Gelände der<br />
–9–<br />
ehemaligen Königlichen Pulvermühle das Zellengefängnis<br />
Moabit. Es wurde als erstes Mustergefängnis für Preußen<br />
nach einem Entwurf des Architekten Carl Ferdinand Busse<br />
gebaut. Nach einer von König Friedrich-Wilhelm IV. eingeleiteten<br />
Gefängnisreform sollten die Gefangenen nicht länger in<br />
Gemeinschaftszellen, sondern in Einzelzellen untergebracht<br />
werden. Das Gefängnis war Aufenthaltsort prominenter<br />
Gefangener: Vom Schuster Wilhelm Voigt, als Hauptmann von<br />
Köpenick bekannt, bis zu den Widerstandskämpfern des 20.<br />
Juli 1944 sowie den Schriftstellern Wolfgang Borchert, Alfred<br />
Haushofer und dem späteren Bischof Hans Lilje. Auch<br />
Juliusz Bursche, der evangelische Landesbischof von Polen,<br />
wurde fast 80-jährig aus dem KZ Sachsenhausen hierher verbracht<br />
und ist Anfang Februar 1942 auf ungeklärte Weise<br />
ums Leben gekommen.<br />
Das Zellengefängnis Moabit war in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
das Symbol für politische Unterdrückung, Folter<br />
und Mord geworden, nachdem die Wehrmacht und die<br />
Gestapo mehrere Zellenflügel für ihr verbrecherisches Tun<br />
benutzt hatten. Alfred Haushofer verfasste in der Haft seine<br />
„Moabiter Sonetten“, bevor er in den letzten Kriegstagen mit<br />
anderen Gefangenen in unmittelbarer Nähe zum Gefängnis<br />
erschossen wurde. Kaum zerstört, wurde der Gebäudekomplex<br />
nach dem Krieg von den Alliierten als Haftanstalt<br />
genutzt, ehe er Ende der 50er Jahre abgerissen wurde. Teile<br />
der Gefängnismauer und drei Beamtenwohnhäuser blieben<br />
jedoch stehen. Weitere Bereiche des Gefängnis-Grundstückes<br />
wurden als Kleingärten sowie als Parkplatz genutzt.<br />
Das übrige Gelände diente dem Bezirk Tiergarten bis zu seiner<br />
Umwidmung als Lagerplatz. Nach langen Jahren dieser<br />
provisorischen Nutzung wurde 1990 im Rahmen eines<br />
Bebauungsplanverfahrens die historische Bedeutung des<br />
Geländes und der wenigen erhaltenen Spuren der Gefängnisnutzung<br />
herausgearbeitet und das Gelände für die Planung<br />
eines Geschichtsparks gesichert, bis man 2003 mit den<br />
eigentlichen Gestaltung des Geländes begann.<br />
Was bei der Beschreibung dieses historischen Geländes kaum<br />
erwähnt wird, aber mit zu der Geschichte dieses Ortes gehört,<br />
ist ein Ereignis, das bereits während des Gefängnisbaus im<br />
August 1847 stattfand. Es ging um einen Schauprozess gegen<br />
256 polnische „Separatisten“, unter ihnen auch der 33-jährige<br />
General und Publizist Ludwik Mieros¬awski. Das königliche<br />
Kammergericht war wegen der vielen Angeklagten in die extra<br />
für diesen Zweck umgestaltete Gefängniskirche des neuen<br />
Zellengefängnisses in Moabit umgezogen. Die später als<br />
„Polenprozess“ bekannt gewordene Gerichtsverhandlung<br />
begann am 2. August 1847 in <strong>Berlin</strong> und war der erste öffentliche<br />
politische Prozess der preußischen Geschichte. Den Polen<br />
wurde vorgeworfen, einen Aufstand geplant zu haben, der die<br />
Wiederherstellung des polnischen Staates in den Grenzen von<br />
1772 zum Ziel gehabt habe. Obwohl der Aufstand nicht zum<br />
Ausbruch kam, plädierte der Staatsanwalt nach viermonatiger<br />
Verhandlungsdauer auf Hochverrat. Acht Todesurteile, darunter<br />
gegen Ludwik Mieros¬awski, und 97 Haftstrafen wurden<br />
verhängt. Karol Libelt, polnischer Philosoph und Anführer der<br />
<strong>Polnische</strong>n Liga in <strong>Berlin</strong>, sollte für 20 Jahre hinter Gitter. Die<br />
verkündeten Todes- und Freiheitsstrafen wurden nie vollstreckt<br />
und die ersten Häftlinge des Mustergefängnisses nach<br />
zwei Monaten entlassen.<br />
Den angeklagten Polen schlug aus der Bevölkerung eine<br />
Welle der Sympathie entgegen. Der Kampf um einen unab-
hängigen polnischen Staat deckt sich mit dem Streben deutscher<br />
Demokraten nach einem einheitlichen und demokratischen<br />
<strong>Deutsch</strong>land. Die mit Spannung erwartete Rede Ludwik<br />
Mieros¬awskis am 3. August 1847 vor Gericht war zweifellos<br />
der Höhepunkt des Prozesses. Durch seine Rede, die er mit<br />
viel Pathos hielt, wurde der polnische Freiheitskämpfer sehr<br />
populär. Überliefert ist auch, dass <strong>Berlin</strong>s vornehme<br />
Damenwelt ihn enthusiastisch verehrte. Am 20. März 1848,<br />
nachdem die revolutionäre Welle <strong>Berlin</strong> erreicht hatte, versammelte<br />
sich am Morgen des 20. März eine Menschenmenge<br />
vor dem Schloss und fordert die Freilassung der Polen.<br />
Friedrich Wilhelm IV. gab nach. Im Triumphzug wurden die<br />
befreiten Polen vom Moabiter Gefängnis durch die Straßen<br />
geführt, allen voran Ludwik Mieros¬awski und Karol Libelt.<br />
Überall hörte man die Rufe »Es lebe Polen«, »Es lebe die<br />
Freiheit«, »Es lebe <strong>Deutsch</strong>land«.<br />
Als sich die Demonstranten dem Schloss näherten, verneigte<br />
sich Friedrich Wilhelm IV. vor den Polen auf dem Balkon.<br />
Einige Male müssen Mieros¬awski und Libelt Ansprachen halten.<br />
<strong>Polnische</strong> Zeitungen berichteten: „Der bekränzte<br />
Mieros¬awski und Libelt wurden von den <strong>Berlin</strong>ern in die<br />
Kutsche getragen..., es wurden eine polnische und eine deutsche<br />
Fahne gebracht, es wurden Hochrufe erhoben: „Es leben<br />
die Polen! ... seid den <strong>Deutsch</strong>en Brüder, so wie von nun an<br />
die <strong>Deutsch</strong>en Eure Brüder werden.“<br />
Die beiden Architekten Silvia Glaßer und Udo Dagenbach<br />
haben in der Gestaltung des Geschichtsparks versucht, an<br />
den historischen Ort zu erinnern - durch verschiedene bauliche<br />
Segmente und behutsame Eingriffe in die Topographie<br />
des Geländes. Es wäre mehr als gerecht, dort auch einen Platz<br />
für die polnischen Freiheitskämpfer zu finden, um deren<br />
wichtige Rolle als Vorkämpfer für die deutsche Einheit im 19.<br />
Jahrhundert zu würdigen.<br />
Christian Schröter<br />
Genauer ist dieses Ereignis nachzulesen in dem Beitrag von<br />
Daniela Fuchs „Der große Polenprozess von 1847 in <strong>Berlin</strong><br />
und Bettina von Arnims Engagement für den angeklagten<br />
Mieros¬awski und seine Mitstreiter“ im Internationalen<br />
Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-<strong>Gesellschaft</strong>, Bd. 15<br />
–10–<br />
Reisetipp<br />
Erkundungen in der Neumark<br />
Die Neumark – eine Landschaft, die wieder ins Bewusstsein<br />
der Menschen diesseits und jenseits der Oder gerückt wird, -<br />
viele fragen, wo das eigentlich liegt - eine Landschaft, die östlich<br />
der Oder gelegen früher zur Mark Brandenburg gehörte<br />
und heute zu Polen, wird von aufgeschlossenen polnischen<br />
Bewohnern heute nach der deutschen Vergangenheit hinterfragt.<br />
Es gibt hier deutsch-polnische Zusammenarbeit und<br />
Begegnungen, die fruchtbar sind für Verständigung und<br />
nachbarschaftliches Miteinander.<br />
Angeregt von der Ausstellung „Die Neumark – Begegnung mit<br />
einer historischen Landschaft“, die vom 8. September bis zum<br />
19. Oktober im Heimatmuseum Reinickendorf gezeigt wurde,<br />
organisierte die DPG <strong>Berlin</strong> im September eine 2-tägige Fahrt<br />
in die Neumark, um historische Spuren vor Ort zu erkunden<br />
und auch um Bemühungen und Ansätze für deutsch-polnische<br />
Begegnungen und Zusammenarbeit kennen zu lernen.<br />
Sachkundiger Exkursionsleiter war Gerhard Weiduschat.<br />
Die erste Station unserer Erkundungen war Kostrzyµ – das alte<br />
Küstrin, von dem nur wenige Mauerreste die ehemalige Stadt<br />
erahnen lassen. Nach dem Krieg wurden die Trümmer völlig<br />
überwuchert, später legte man einiges frei. Der ehemalige<br />
Marktplatz ist nur noch eine Wiese, eine Tafel in polnisch und<br />
deutsch erläutert und markiert ihn. Man kann durch einige<br />
Straßen laufen, ehemaliges Pflaster ist unter dem Grün spürbar,<br />
nur zentimeterhohe Mauerreste an beiden Seiten, manchmal<br />
eine Stufe. Die Grundmauern von Schloss und Kirche sind<br />
freigelegt. Die Altstadt war von Mauern und Bastionen eingefasst,<br />
auch deren Reste sind zu sehen. Ein geschichtsträchtiger<br />
Ort, der Archäologen noch viel Arbeit bietet.<br />
Wir fuhren weiter nach Dåbroszyn (Tamsel) – auch hier<br />
Geschichte und Geschichten. Friedrich II., als Kronprinz nach<br />
Küstrin verbannt, besuchte hier des öfteren die schöne junge<br />
Gutsherrin. Das Schloss steht noch, man ist dabei, es zu<br />
renovieren. Ein Wochenende zuvor hatte Frau von der<br />
Lancken zum jährlichen Ball – zwischen Farbtöpfen und<br />
gestapelter Wandverkleidung – geladen, sie ist die Witwe des<br />
Enkels des letzten Besitzers (bis 1945) und hat mit dem<br />
Bürgermeister des Ortes einen Verein gegründet, um Tamsel<br />
zu erhalten. Auch in der Kirche ist einiges renoviert worden,<br />
die Gruft mit historischen Särgen kann besichtigt werden –<br />
man lese bei Fontane nach – und in der Kirche sind seitlich<br />
die barocken Figuren der ehemaligen Herrschaft von Tamsel<br />
in strahlendem Weiß auf orange-ziegelfarbigem Grund zu<br />
sehen. Christian Daniel Rauchs „Viktoria“ im Park sollte noch<br />
erwähnt werden, auch darum ranken sich Geschichten.<br />
Wir steuerten dann Chojna (Königsberg/Neumark) an. Woher<br />
der Name kommt, weiß keiner zu sagen, über die Wahl der jetzigen<br />
polnischen Ortsnamen wird oft gerätselt. Teilweise<br />
wurde übersetzt oder der Klang nachempfunden, mancher<br />
Name ist willkürlich gewählt. Man vermutet, dass nach<br />
Kriegsende 1945 Eisenbahner den einen oder anderen Namen<br />
geprägt haben. Alte polnische Namen gab es nicht, die<br />
Neumark war rund 700 Jahre deutsch besiedelt, es gibt<br />
Spuren der Johanniter und der Templer – davon später.
Chojna: Unsere Fahrt war so gelegt, dass wir am letzten<br />
August-Wochenende dort anlässlich des Stadtfestes die<br />
deutschen Initiatoren und Unterstützer des Wiederaufbaus<br />
der backsteingotischen Marienkirche (erbaut ab 1389 von<br />
Heinrich Brunsberg) trafen. Der in Hannover ansässige<br />
Architekt Kumkar, (er ist vor kurzem verstorben) der in<br />
Königsberg/Neumark geboren wurde und bis 1945 dort aufwuchs,<br />
hat einen Förderverein für den Wiederaufbau der<br />
Marienkirche e.V. initiiert und begründet, 6 Institutionen sind<br />
inzwischen Mitglieder des Vereins. Außerdem gibt es jetzt<br />
auch eine Stiftung nach polnischem Recht für den gleichen<br />
Zweck. Es ist bereits viel Arbeit geleistet worden, das Dach<br />
der kriegszerstörten Kirche wurde wieder hergestellt, Pfeiler<br />
hochgezogen und Bögen gemauert, und die Marienkapelle,<br />
der älteste Teil der Kirche, wurde restauriert. Aber es gibt<br />
noch viel zu tun in polnisch-deutscher Zusammenarbeit. Das<br />
schöne gotische Rathaus wurde schon früher von Polen wieder<br />
aufgebaut. Auf den großen Platz zwischen Kirche und<br />
Rathaus kehrt allmählich urbanes Leben zurück. Neugierige<br />
Touristen, vor allem aus <strong>Deutsch</strong>land, täten der kleinen Stadt<br />
gut, so wie es an einem strahlenden Septembersonntag 2003<br />
war, als die Brandenburgischen Sommerkonzerte in mehreren<br />
Bussen Gäste zum Konzert und Stadtrundgang brachten.<br />
Templerkirche in Chwarszczany<br />
Für unser Mittagessen in Chojna war auch gut gesorgt,<br />
danach ging es über Sarbinowo (Zorndorf) und Mieszkowice<br />
(Bärwalde) zu den Spuren der Templer. In Chwarszczany<br />
(Quartschen) steht die von ihnen im 12./13.Jahrhundert<br />
errichtete Backsteinkirche, eine einschiffige Hallenkirche, die<br />
an der Westfront von zwei schlanken, runden Türmen flankiert<br />
wird, sie leuchtete für uns im Abendsonnenschein. Im<br />
Inneren sind Fresken aus dem 13. Jahrhundert zu bewundern,<br />
die erst vor kurzer Zeit freigelegt wurden. Hier finden regelmäßig<br />
Gottesdienste statt, eine alte Frau betreut die Kirche<br />
–11–<br />
und schloss sie uns auch auf. Von der ehemaligen<br />
Klosteranlage steht noch ein jetzt restauriertes<br />
Wirtschaftsgebäude, das kulturellen Zwecken dienen soll.<br />
Quartschen war den Templern von der Herzogin Hedwig (seit<br />
1267 Hl.Hedwig) geschenkt worden. Das Eigentum der<br />
Templer ging nach deren Auflösung 1312 an den<br />
Johanniterorden über. Die Entwicklung der Neumark wurde<br />
wesentlich durch die Johanniter bestimmt.<br />
Weiter ging es nach Witnica (Vietz), zunächst zum<br />
Ausspannen und Übernachten. Am nächsten Vormittag lernten<br />
wir dann im Ort eine erstaunliche Initiative kennen: Der<br />
über achtzigjährige ehemalige Lehrer Zbigniew Czarnuch hat<br />
durch jahrelanges Engagement und Sammeln von Zeugnissen<br />
und Gegenständen aus der deutschen Zeit die Vergangenheit<br />
wach gehalten und viel für die polnisch-deutsche<br />
Verständigung geleistet. Sichtbar ist seine Arbeit in einem<br />
Park der Technik-Geschichte und – das ist das Bemerkenswerte<br />
– in einem Denkmal für alle Vertriebenen, für die<br />
<strong>Deutsch</strong>en, die aus Vietz vertrieben wurden, und für die<br />
Polen, die aus Ostpolen vertrieben und hier angesiedelt wurden.<br />
Die Orte, aus denen sie kamen, und die Orte, in denen die<br />
<strong>Deutsch</strong>en Zuflucht fanden, sind im Pflaster rund um den<br />
Erinnerungsbaum dokumentiert. Seine private Sammlung von<br />
Erinnerungsstücken ist heute in einer restaurierten<br />
Fabrikantenvilla zu sehen, man erfährt hier vieles aus der<br />
Geschichte des Ortes. Seine Bemühungen um eine realistische<br />
Aufarbeitung der Geschichte und um deutsch-polnische<br />
Verständigung brachten Zbigniew Czarnuch in der<br />
Vergangenheit viele Anfeindungen und Verbote ein, heute<br />
kann er seine Arbeit stolz präsentieren.<br />
Gorzów Wielkopolski. (Landsberg/Warthe) ist nicht weit entfernt<br />
von Witnica. Auf den ersten Blick wirkte die Stadt auf<br />
mich grau und wenig einladend, auch von der Aussichtshöhe<br />
betrachtet entstand kein besseres Bild. Erst am Marktplatz<br />
mit seiner neuen Bebauung, die im Stil versucht, an alte<br />
Giebelhäuser zu erinnern, und an der gotischen Marienkirche<br />
wirkt die Stadt einladender. Es sind ja immer nur flüchtige<br />
Eindrücke, wenn man ca. 2 Stunden in einer Stadt verbringt,<br />
aber auch ein Restaurantbesuch gehört zu den Erkundungen.<br />
Wir kehrten im Restaurant „S¬upska“ ein, auf der Speisekarte<br />
standen kaschubische Gerichte – vielleicht kommt der Wirt<br />
aus dem Norden? Kein Vertriebener, aber ein Zugereister?<br />
Wie dem auch sei, das Essen schmeckte. Übrigens: Christa<br />
Wolf ist in Landsberg geboren und aufgewachsen, sie<br />
schreibt darüber in „Kindheitsmuster“.<br />
Zu Kaffee und Kuchen waren wir eingeladen nach Marwice<br />
(Marwitz), ein Dorf in der Nähe. Hier hat Witold Pronobis, ein<br />
Pole, einen ehemaligen Hof gekauft, um ein polnisch-deutsches<br />
Begegnungszentrum einzurichten. Das Wohnhaus an<br />
der Straße lässt ahnen, dass hier ein gut situierter Besitzer<br />
lebte, Haustür und Fenster sind stuckverziert und gut proportioniert,<br />
eine Renovierung ließe es wieder erstrahlen.<br />
Wichtiger als diese Verschönerung war aber erst einmal die<br />
Herrichtung von Schlaf- und Aufenthaltsräumen für<br />
Jugendgruppen und Schulklassen, die auf dem Grundstück<br />
auch Platz für Spiel und Sport haben. Anmeldungen liegen<br />
schon vor, wie Witold Pronobis erzählte, er erzählte auch von<br />
seiner Arbeit, seinen Bemühungen um gegenseitiges
Verständnis von Polen und <strong>Deutsch</strong>en. Viele Polen glauben,<br />
die <strong>Deutsch</strong>en seien nur von 1939 bis 1945 hier in der<br />
Neumark gewesen, er versuche, ein realistisches<br />
Geschichtsbild zu vermitteln und die deutsche Vergangenheit<br />
ins Bewusstsein zu rücken. Auch in Marwice gibt es eine<br />
sehenswerte Feldsteinkirche, damit beendeten wir unsere<br />
Neumarkerkundungen. Für die noch geplante Besichtigung<br />
der Ruine des Johanniterschlosses in Slonsk (Sonnenburg)<br />
fehlte leider die Zeit. Das Schloss war bis 1945 Eigentum des<br />
Johanniterordens und brannte 1976 ab.<br />
Wir haben zwei interessante Tage in der Neumark erlebt, die<br />
sicher einige der Teilnehmer dazu animieren, im nächsten<br />
Sommer die Neumark weiter zu erkunden. Die leicht hügelige<br />
und wasserreiche Landschaft ist äußerst reizvoll, Einkehrund<br />
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es ausreichend. In diesem<br />
Zusammenhang sei Kloster Cedynia (Zehden) erwähnt,<br />
ein restauriertes Klostergebäude, das heute Hotel und<br />
Restaurant ist und seine Gäste stilvoll betreut. Es liegt nur<br />
wenige Kilometer hinter dem Grenzübergang Hohenwutzen.<br />
Cedynia ist für Polen ein geschichtsträchtiger Ort -es gibt ein<br />
monumentales Denkmal - weil hier 972 Markgraf Hodo von<br />
Mieszko I. siegreich zurückgeschlagen wurde. Der Ort des<br />
Gefechts konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Leider<br />
konnten wir im Kloster Cedynia nicht übernachten, es war<br />
ausgebucht.<br />
Hoteltipp<br />
Kloster Zehden<br />
Eva-Maria Birth<br />
An diesem Novemberfreitag war das Kloster nicht ausgebucht<br />
– im Gegenteil: wir waren die einzigen Gäste. Doch bevor wir<br />
die schwere Holztür zur Eingangshalle des Klosterhotels öffneten,<br />
mussten wir an unzähligen Billig-Billig-Superbillig-<br />
Ständen und -Märkten vorbei – außerdem an einigen eindeutig<br />
rot- und roséfarben beleuchteten Häusern gleich hinter<br />
der Grenze nach Bad Freienwalde. Dann nur noch zweimal<br />
rechts abgebogen und durch eine ziemlich hässlich auf den<br />
Klosterberg geklotzte Siedlung aus den Sechziger Jahren –<br />
schon standen wir im Klosterhof.<br />
Wenn sich die Tür des neu sanierten, früheren Zisterzienserinnenklosters,<br />
das auf eine lange und wechselvolle<br />
Geschichte zurückblickte, bevor es 1945 fast vollständig<br />
abbrannte, erst einmal schließt, vergisst man freilich die<br />
direkte Umgebung, insbesondere wenn man das Zimmer nicht<br />
zum Parkplatz sondern zum Dorf hinaus und hinab hat. Das<br />
Kloster wurde nicht originalgetreu, aber sehr stilvoll mit viel<br />
Holz in der Inneneinrichtung wieder aufgebaut. Das Haus<br />
wirkt angenehm historisch, die Zimmer haben Charme und<br />
Komfort.<br />
–12–<br />
Das Abendessen im Restaurant bestand aus dem Besten, was<br />
polnische Küche zu bieten hat. Besonders zu loben im<br />
Klasztor Cedynia: das ausgesprochen freundliche Personal.<br />
Auch unseren zwei Hunden gegenüber, die einmal entwischten<br />
und wild durchs Restaurant tobten. In <strong>Deutsch</strong>land wären<br />
wir nah an einer Anzeige, in Polen erwiderte man den Ausflug<br />
mit einem freundlichen und tierlieben Lächeln. Richtig<br />
deutsch dagegen die Preise: das Kloster ist mit Übernachtungspreisen<br />
von bis zu 90 Euro fürs Doppelzimmer alles<br />
andere als billig-billig-superbillig. Zumal die Neumark eigentlich<br />
nicht die Riviera ist, doch wen das nicht stört, für den ist<br />
das Kloster zum Übernachten und Essen sehr zu empfehlen.<br />
Wer, nachdem er seine Rechnung bezahlt hat, doch noch<br />
etwas original <strong>Polnische</strong>s sucht, dem sei der 11:30-<br />
Sonntagsgottesdienst in der Pfarrkirche von Cedynia empfohlen:<br />
Polens gängigste Kirchenlieder können vom Dia mitgesungen<br />
werden, und der Pfarrer predigt mit großem schauspielerischen<br />
Talent.<br />
Gerd Henghuber<br />
Reisetipp<br />
Urlaub in Masuren im Sommer – und auch<br />
im Winter!<br />
Nach fast einjähriger Bauzeit und einigen neuen grauen<br />
Haaren haben Fabian Früh und Michael Böhmer Anfang Juni<br />
Ihr neues Feriendorf Aniata in Masuren eröffnet.<br />
Das Feriendorf, in der Nähe von Trygort (Thiergarten) auf<br />
einer wunderschönen Halbinsel im Jezioro Mamry<br />
(Mauersee) im Norden von Masuren liegt, besteht aus 15
Ferienhäusern in skandinavischem Stil. Alle Häuser<br />
erstrecken sich über zwei Etagen mit einem großzügigen und<br />
offen gestalteten Küchen-/Ess- und Wohnbereich im Erdgeschoß<br />
und zwei separaten Schlafzimmern sowie einem Bad<br />
- wahlweise mit Dusche oder Vollbad - im Obergeschoß. Die<br />
Küchen sind komplett eingerichtet - bis hin zur Geschirrspülmaschine<br />
- und in den Wohnzimmern lädt ein Kamin zum<br />
lauschigen Feuer am Abend ein.<br />
Alle Häuser sind sehr hochwertig ausgestattet und alle<br />
Einrichtungsgegenstände wurden mit viel Liebe zum Detail<br />
ausgewählt.<br />
Die Anlage verfügt neben zwei Badestränden, einem Beach-<br />
Volleyball-Platz, einem Restaurant und einer Hafenanlage<br />
auch über eine malerische Natursauna, die vor allem im<br />
Winter zum Entspannen einlädt. Das Programmangebot<br />
schließt neben Fahrrad-Touren und Kanufahrten auf der<br />
Krutynia, Reiten, Angeln und Segeln ein.<br />
Inzwischen liegt die erste Sommersaison hinter den beiden<br />
neuen „Hoteliers“ aus Hamburg und die Wintersaison ist angelaufen.<br />
Im Winter bietet das Feriendorf seinen Gästen Eissegeln,<br />
Eisangeln oder Langlauf-Skifahren über die weiten<br />
Wiesen und durch die Wälder Masurens – wenn’s Schnee gibt.<br />
Anfragen bitte an info@sealand-travel.com oder telefonisch<br />
unter 0048 5000 78579 bzw. 0048 513 103 260 richten.<br />
*** Hotel Rezydencja<br />
ul. Parkowa 6, PL-58-540 Karpacz<br />
Tel.: +48 75/761 80 20<br />
Fax: +48 75/76 19 513<br />
www.hotelrezydencja.pl<br />
e-mail: recepcja@hotelrezydencja.pl<br />
–13–<br />
Kneipentest<br />
Waschgang ins Café<br />
Die Kneipe „Waschmaschinewsky“ lockt mit Radioleuten<br />
und verstört mit einem Beichtstuhl<br />
Der Name des Cafés klingt ein bisschen albern, doch tatsächlich<br />
soll es den Begriff „Waschmaschinewsky“ gegeben<br />
haben: Im Ruhrpott bezeichnete er angeblich Spätaussiedler<br />
aus Polen, die sich vom mühsam Ersparten als Erstes eine<br />
Waschmaschine leisteten. Robert Skuppin erzählt diese<br />
Geschichte, einer der sechs Betreiber des Friedrichshainer<br />
Cafés, wenn er auf den eigenwilligen Namen angesprochen<br />
wird. Dass polnische Namen zwar häufig auf –ski enden, selten<br />
aber –sky, scheint dem polonophilen Wirt aber verborgen<br />
geblieben zu sein.<br />
Vor gut einem Jahr jedenfalls ging der Radio-Eins-Moderator<br />
zusammen mit Kollege Volker Wieprecht mit dem Eckcafé an<br />
der Bänschstraße unter die Gastronomen. Die Idee dazu kam<br />
den Herren durch eine Fernsehreportage über eine polnische<br />
Brauerei in Witnica, einem kleinen Ort knapp 100 Kilometer<br />
von <strong>Berlin</strong> entfernt, in dem seit über 100 Jahren Bier nach<br />
deutschem Originalrezept gebraut wird. Dieser Beitrag machte<br />
Skuppin so neugierig, dass er sich an einem kalten<br />
Januartag kurzerhand in sein Auto setzte, über die Grenze<br />
fuhr und den Gerstensaft für den exklusiven Verkauf lizensierte.<br />
Und weil das gute Bier schließlich irgendwo angeboten<br />
werden muss, lag die Eröffnung einer Kneipe nahe.<br />
„Unser Laden soll ein Beitrag zur deutsch-polnischen<br />
Völkerverständigung sein. Wir finden, dass in <strong>Berlin</strong> da noch<br />
zu wenig getan wird“, sagt Robert Skuppin, dessen Vater aus<br />
dem schlesischen Breslau stammt. Allerdings hat Skuppin<br />
bereits eine Reihe von Polen gegen sich aufgebracht, indem<br />
er einen dunkelbraunen Beichtstuhl aufstellte, den er über<br />
das Internet ersteigerte. Darin können die Gäste künftig um<br />
Exklusiv-Angebot zum Jahresbeginn<br />
Ski, Rodel & Wellness gut<br />
Sich wohlfühlen im Hotel Rezydencja,<br />
dem elegantesten Haus in Karpacz, dem Urlaubsort<br />
am Fuße des Riesengebirges.<br />
Das Hotel Rezydencja wartet auf seine ersten Gäste<br />
im neuen Jahr mit einem Wellness-Angebot<br />
zu einem attraktiven Preis von 290 Euro<br />
Das SPA-Paket für zwei Personen beinhaltet<br />
2 Übernachtungen einschl. Frühstück<br />
2 romantische Abendessen bei einem Glas Wein<br />
Sauna, Solarium und Fitness<br />
Klassische Massage und Tibetanische Klangschall-Massage<br />
sowie Ästhetische Gesichtskosmetik
Vergebung ihrer Sünden bitten – bei Papst Johannes Paul II,<br />
der per Videoeinspielung in Endlosschleife läuft (siehe dazu<br />
den folgenden Kommentar).<br />
Nun, Beichten zählt zweifelsohne zur Kultur unseres<br />
Nachbarlandes, die den Gästen im „Waschmaschinewsky“ mit<br />
Konzerten, Lesungen und Spieleabenden näher gebracht<br />
werden soll. So gibt es beispielsweise donnerstags die Quizreihe<br />
„Genial danebski“, bei der das Publikum in Anlehnung<br />
an die TV-Show „Genial daneben“ polnische Begriffe erraten<br />
soll. Das ist lustig, aber man hofft, dass im „Waschmaschinewsky“<br />
das <strong>Polnische</strong> nicht nur dem Gag dient, um eine<br />
Kneipe möglichst witzig auszustaffieren! Andererseits gibt es<br />
zur Stärkung wirklich gute polnische Spezialitäten wie Bigos<br />
oder Piroggen.<br />
„Waschmaschinewsky“, Bänschstraße 25, Friedrichshain.<br />
Wochentags ab 14 Uhr, am Wochenende ab 10 Uhr, bis jeweils<br />
2 Uhr. Telefon: 4201 98 52<br />
Kommentar<br />
Voll daneben<br />
Beichtstuhl und Papst im „Waschmaschinewsky“<br />
Anfang des Jahres brachte die <strong>Berlin</strong>er Tagespresse Infos<br />
über eine neue Kneipe mit dem ungewöhnlichen Namen<br />
„Waschmaschinewski“, die von den Radio-Eins-Moderatoren,<br />
den Herren Skuppin und Wieprecht eröffnet wurde. Es soll<br />
dort polnisches Bier und polnisches Essen geben. Zum<br />
Inventar gehören ein Beichtstuhl und ein Endlosband mit dem<br />
polnischen Papst. Ich las und dachte, es handle sich um<br />
einen Scherz. Leider nicht: die Kneipe gibt es, den Beichtstuhl<br />
und das Endlosband mit dem – allen Polen und den meisten<br />
gh<br />
Ballare<br />
Ballettschule<br />
– Mira Majkowska –<br />
Brunsbütteler Damm 51-55 • 13581 <strong>Berlin</strong>-Spandau<br />
Ballett für alle Alterstufen<br />
Irish Dance – „Riverdance“ • Stepptanz<br />
Danza Moderna & Latin mooves • Flamenco<br />
Street Dance • Jazz Dance<br />
Tänzerische Früherziehung ab 4. Jahr<br />
Yoga • Gymnastik<br />
–14–<br />
Katholiken heiligen – Johannes Paul II. auch. Es gibt Wörter,<br />
die solche Ideen versuchen zu charakterisieren: skurril, originell,<br />
interessant. Es gibt aber auch andere, die mehr<br />
Emotionen enthalten: skandalös, blöde, aufhetzend. Vielleicht<br />
wollten die Ideengeber aber nur aufklären? Bloß: wie kommen<br />
Laien bzw. Protestanten dazu, in Zeiten der Toleranz aufzuklären?<br />
Und wozu, warum und worüber? Oder wollten sie nur<br />
zeigen, dass Beichten und Beten Erleichterung verschaffen?<br />
Vielleicht sind aber diese tiefgehenden Überlegungen fehl am<br />
Platze und es handelt sich um eine ekklesiogene Neurose der<br />
Herren W. und S.? Sogar wenn – warum muss die nach außen<br />
getragen werden? Fragen über Fragen! Aber wie dem auch sei<br />
- neurotisch oder kerngesund – die Sache ist im Grunde ganz<br />
einfach: gewisse Grenzen darf man nicht überschreiten. Es<br />
wäre wünschenswert, wenn die Kneipenbetreiber dieselben<br />
kennen würden, denn es gibt Bereiche, die man nicht so einfach<br />
entweihen soll und darf. Oder – wie wäre es mit einer<br />
Ergänzung des Beichtstuhles um eine „Protestantenecke“ mit<br />
z.B. einem Zigarettenautomaten. Darüber ein Bild von Martin<br />
Luther mit dem Glimmstängel im Mund und der Unterschrift:<br />
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ oder „Von der Freiheit<br />
eines Rauchermenschen“? Damit wäre das ökumenische<br />
Gleichgewicht hergestellt. Oder nein, doch lieber nicht.<br />
Lassen wir die Kirche im Dorf und die Heiligen, bzw.<br />
Reformatoren in der Kirche. Kneipendunst und Weihrauch<br />
vertragen sich schlecht.<br />
El†bieta Blumenbach<br />
�����������������������<br />
���������������������������������<br />
��������������������������������������������<br />
�������������������������������������<br />
����������������������������������<br />
���������������������������������<br />
����������������������<br />
• Fachsprachen<br />
Polnisch als Fremdsprache<br />
Tel.: ���������������� ������ ����������������<br />
info@ballettschule-ballare.de<br />
Informieren Sie sich unverbindlich. Wir freuen uns auf Ihren Anruf Tel. (030) 332 67 43 oder 404 96 13
Zukunft mit Polnisch<br />
Das Projekt Pro Polska<br />
Die deutsch-polnische Handelsbilanz entwickelt sich prächtig:<br />
Waren im Wert von etwa 20 Milliarden Euro gingen 2005<br />
von <strong>Deutsch</strong>land nach Polen (und umgekehrt) über die<br />
Grenze – mit einer Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr<br />
von über 14%. Schöne Bilanz! Da sollte sich doch jeder, der<br />
sich fürs Geschäft interessiert, auch für den Kunden oder den<br />
Lieferanten beim Nachbarn interessieren,<br />
der das möglich macht.<br />
Leider ist dieses Bedürfnis noch nicht<br />
überall geweckt. „Der Osten ist vielen<br />
<strong>Berlin</strong>ern fremd.“ stellt Gerhard Schnepel<br />
fest, Projektleiter des Ausbildungsganges<br />
ProPolska am Oberstufenzentrum<br />
(OSZ) Bürowirtschaft und<br />
Verwaltung in Lichterfelde und Mitglied<br />
unserer <strong>Gesellschaft</strong>. Schnepel ist davon<br />
überzeugt, dass die weitere positive<br />
Entwicklung der Geschäfte und der allgemeinen<br />
Zusammenarbeit Menschen<br />
erfordert, die sich deutsch/ polnisch<br />
mündlich und auch schriftlich ausdrücken können. Aber es<br />
kann nicht gut sein, wenn immer nur die Polen deutsch lernen.<br />
Das waren die Grundgedanken des Projekts ProPolska,<br />
nämlich eine Berufsausbildung anzubieten, wie sie in<br />
<strong>Deutsch</strong>land für einen qualifizierten Büroberuf erforderlich<br />
ist, gepaart mit Unterricht in Wirtschafts-Polnisch und<br />
schließlich einem mehrmonatigen Praktikum in Polen bei<br />
interessierten Firmen.<br />
Die Anfangsschwierigkeiten waren natürlich enorm. Es mussten<br />
z.B. Lösungen gefunden werden, wie der in <strong>Deutsch</strong>land<br />
vorgeschriebene Berufsschulbesuch geregelt werden kann,<br />
so lange die jungen Leute zum Praktikum in Polen sind. Denn<br />
den gibt es in Polen so nicht, weil dort das System der dualen<br />
Ausbildung (d.h. im Betrieb und im OSZ) unbekannt ist. Aber<br />
der Auslandsaufenthalt ist sehr wichtig, nicht nur um die<br />
sprachliche Kompetenz zu festigen, sondern auch weil die allgemeinen<br />
kulturellen Kenntnisse vertieft werden sollen.<br />
Probleme über Probleme! Trotzdem konnte im September<br />
2002 der erste ProPolska-Jahrgang mit 12 Azubis im<br />
Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau für Bürokommu-<br />
Sprachenservice <strong>Deutsch</strong>–Polnisch<br />
Sprachkurse, Übersetzungen,<br />
Dolmetschen<br />
www.deutschpolnisch.de<br />
Tel. 030 3913415<br />
info@deutschpolnisch.de<br />
–15–<br />
nikation eingerichtet werden - der zähen Vorarbeiter im OSZ<br />
und der Hilfestellung der <strong>Berlin</strong>er <strong>Gesellschaft</strong> für internationale<br />
Zusammenarbeit (BGZ) sei Dank. Die jungen Leute<br />
absolvierten dann in der ersten Hälfte 2004 ihren<br />
Ausbildungsabschnitt in Polen (Warschau, Breslau, Slubice),<br />
und mussten schließlich neben der allgemeinen<br />
Abschlussprüfung eine gesondert zertifizierte Sprachprüfung<br />
bestehen. Mit einer feierlichen Verabschiedung im Rathaus<br />
Charlottenburg wurde ihre erfolgreiche Lehrzeit beendet.<br />
Anwesend waren nicht nur glückliche Eltern, viele polnische<br />
Gäste, Frau Dr. Hansen und Frau Wittgen von der BGZ, alle<br />
ProPolska-Lehrer und der Schulleiter des OSZ, Herr Köhn,<br />
der für stetigen Rückenwind für´s Projekt gesorgt hatte. Aber<br />
auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das<br />
die Konzeption gefördert hatte, war hochrangig vertreten.<br />
Also rundrum eine Erfolggeschichte? Einerseits interessieren<br />
sich andere inzwischen für dieses <strong>Berlin</strong>er Modell, wie neulich<br />
der Siegerlandkreis in NRW. Aber hier vor Ort müssen<br />
Gerhard Schnepel und seine engagierten Kolleginnen und<br />
Kollegen sehr viel Kraft aufwenden, um mögliche Lehrstellen<br />
bei interessierten Firmen zu ermöglichen und um geeignete<br />
Jugendliche zu finden. Wer diese Arbeit schon länger verfolgt,<br />
der weiß ein Lied von den Mühen zu singen. Deshalb:<br />
Dieses in <strong>Deutsch</strong>land einmalige Projekt braucht weitere<br />
Unterstützung, informieren Sie sich unter www.oszbueroverw.de/propolska.html<br />
oder bei der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Gernot Ribka<br />
Polnischkurse in der DPG <strong>Berlin</strong><br />
„Würden Sie einen Polnischkurs in der DPG <strong>Berlin</strong> veranstalten?“<br />
Diese Frage stellte mir der Vorsitzende der <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
Christian Schröter. Ich habe mich über diesen Vorschlag sehr<br />
gefreut. Schwerpunkt der Aktivitäten der DPG mit ihrem<br />
großen Kreis an Mitgliedern und Freunden ist das Gebiet der<br />
deutsch-polnischen Verständigung. Was liegt näher als der<br />
Versuch, einen Einblick in die Sprache des Landes zu geben?<br />
Das gibt ein besseres Gefühl, wenn man in Polen unterwegs<br />
ist, gibt Einblick in die Denkstrukturen der Nachbarn und den<br />
Besuchern begegnet man auch ganz anders, wenn man<br />
merkt, dass sie sich die Mühe gemacht haben, mindestens<br />
etwas von dieser so anderen Sprache zu erschließen.<br />
Am 10.10.2006 war es so weit. Die erste Polnisch-Gruppe versammelte<br />
sich in der Schillerstrasse. Die Teilnehmer sind verschiedenen<br />
Alters und die meisten fangen wirklich bei null<br />
Vorkenntnissen an. Wir lernen uns kennen und starten die<br />
ersten sprachlichen Versuche. Aussprache, Aussprache und<br />
nochmals Aussprache - das war in den ersten Stunden und ist<br />
immer noch der Schwerpunkt. Wahrhaftig! Leicht ist die polnische<br />
Sprache nicht, bald sind aber schon erste<br />
Entdeckungen da:<br />
„ Oh, das habe ich schon öfters gehört, jetzt weiß ich, was das<br />
bedeutet.“<br />
„Ach! So wird das geschrieben? Jetzt werde ich Verschiedenes<br />
entschlüsseln können.“<br />
Die meisten haben jetzt Lust weiter zu machen. Ein Fortsetzungskurs<br />
ist also geplant. Auch ein neuer Kurs für absolute<br />
Anfänger. Also Mut! Wir laden Sie herzlich ein!<br />
Dorota Krawczyk-Janisch
POLNISCHKURSE AB 2007<br />
Anfänger mit geringen Vorkenntnissen<br />
Dienstags 17:30 – 19:00<br />
Beginn: 16.01.2007<br />
Anfänger ohne Vorkenntnisse<br />
dienstags 15:30-17:00 oder 19:30-21:00 (je nach Nachfrage)<br />
Damit eine Gruppe zustande kommt, benötigen wir mindestens<br />
vier Anmeldungen<br />
Ort: Konferenzraum der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
Bundesverband • Schillerstrasse 59 / 10627 <strong>Berlin</strong><br />
Kontakt: Sprachenservice <strong>Deutsch</strong>-Polnisch<br />
Dorota Krawczyk-Janisch<br />
Tel.: 030 3913415<br />
Fax: 030 39834990<br />
Mail: info@deutschpolnisch.de<br />
Aktuell<br />
Privatbahn darf nach Kostrzyµ fahren<br />
Das an Irritationen zur Zeit wirklich nicht arme Verhältnis<br />
zwischen <strong>Deutsch</strong>land und Polen hat in den letzten Wochen<br />
einen Schauplatz für neuen Streit gefunden. Diesmal geht es<br />
um die Zugverbindung auf der Strecke von <strong>Berlin</strong>-<br />
Lichtenberg in die polnische Grenzstadt Kostrzyn. Zum<br />
Fahrplanwechsel am 12. Dezember dieses Jahres übernahm<br />
die private Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) die bisher von<br />
der <strong>Deutsch</strong>en Bahn betriebene Strecke. Im Stundentakt sollen<br />
nicht nur die Touristen aus der Hauptstadt die Grenzstadt<br />
erreichen, sondern vor allem auch die vielen polnischen<br />
Pendler in Gegenrichtung nach <strong>Berlin</strong> kommen. Kostrzyn ist<br />
ein wichtiger Umsteigebahnhof, in dem unter anderem Züge<br />
aus Gorzow und Zielona Gora ankommen.<br />
Am 21. Juni präsentierte die NEB noch stolz ihre neuen, weißblauen<br />
Züge vom Typ Bombardier Talent, warb bei einer<br />
Sonderfahrt auf der Strecke für den Komfort ihres Angebots<br />
und versprach „deutliche Verbesserungen in Sachen<br />
Fahrgastservice“. Dann aber schalteten die Signale auf Rot.<br />
Streitpunkt war die Frage, ob ein privater Bahnbetreiber den<br />
auf polnischem Staatsgebiet gelegenen Streckenteil nutzen<br />
darf. Hierbei ging es um 2,5 Kilometer und wohl in erster Linie<br />
auch ums Prinzip.<br />
Nach der ersten Auffassung des zuständigen Warschauer<br />
Eisenbahntransportamtes UTK deckten die zum Bahnbetrieb<br />
abgeschlossenen Verträge zwischen den beiden Ländern nur<br />
eine Nutzung durch die PKP sowie die <strong>Deutsch</strong>e Bahn AG ab,<br />
nicht jedoch durch private Betreiber. „Um die Verbindung<br />
nach Kostrzyn weiter betreiben zu können, ist der Abschluss<br />
einer neuen Vereinbarung zwischen beiden Ländern notwendig“,<br />
sagte ein Vertreter des UTK gegenüber der „Gazeta<br />
Lubuska“. Edward Fedko, Vize-Marschall der Wojewodschaft<br />
Lebuser Land, verwies gegenüber der gleichen Zeitung auf<br />
die Schwierigkeiten, die es bereits bei der Genehmigung des<br />
Verkehrs von polnischen Schienenbussen von Zagan nach<br />
Forst gegeben hatte. Hier habe es auch ein Jahr gedauert, bis<br />
–16–<br />
die Genehmigung von deutscher Seite erteilt worden sei.<br />
Heute gibt es je zwei Verbindungen zwischen den beiden<br />
Städten. Auf der Strecke <strong>Berlin</strong>-Kostrzyµ sollen es täglich 17<br />
Züge sein, die in beide Richtungen verkehren.<br />
Je länger die Debatte lief, umso mehr trat die Frage in den<br />
Vordergrund, wo eigentlich die Versäumnisse lagen. War<br />
doch offenbar die Strecke an die NEB vergeben worden, ohne<br />
vorher die rechtlichen Fragen mit der polnischen Seite zu<br />
klären. Ergebnis war die Blockade, ein öffentliches Hin-und-<br />
Her-Schieben der Schuldfrage. Und den Fahrgästen, die aus<br />
<strong>Berlin</strong> kommen, drohte ab dem 12. Dezember das Ende der<br />
Bahnfahrt am alten Neustädter Bahnhof und dann ein kilometerlanger<br />
Fußmarsch, wie auch umgekehrt den polnischen<br />
Bahnnutzern. Und das vor dem Hintergrund von Millioneninvestitionen<br />
in ein modernes Stellwerk, den Bahnhof<br />
Küstrin-Kietz und die Modernisierung zahlreicher Bahnübergänge<br />
und Brückenbauten. „Vielleicht hätten wir uns das<br />
alles sparen können. Wenn dort keine Züge mehr fahren,<br />
dann können die Übergänge offen bleiben“, meinte schon<br />
lakonisch Küstrins Bürgermeister Bernd Korb gegenüber der<br />
„Märkischen Oderzeitung“.<br />
Brandenburgs scheidender Verkehrsminister Szymaµski<br />
schaltete sich in seinen letzten Amtstagen im Potsdamer<br />
Ministerium ein und warb für eine schnelle Lösung im<br />
Interesse der Fahrgäste aus <strong>Deutsch</strong>land und Polen. Auch auf<br />
polnischer Seite wurde Verwaltung und Politik aktiv.<br />
Kostrzyns Bürgermeister, Dr. Andrzej Kunt, wies gegenüber<br />
dem Eisenbahnamt in Warschau, dem Wojewoden und dem<br />
Marschallamt in Gorzow auf die Bedeutung der Verbindung<br />
für die Region hin. Plötzlich gab es wieder Hoffnung auf eine<br />
Einigung: Mitarbeiter des Warschauer Eisenbahntransportamts<br />
UTK begutachteten Ende November in Kostrzyµ einen<br />
Triebwagen der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) und bestätigte,<br />
dass es eine Probefahrt nach Kostrzyµ geben werde.<br />
Inzwischen ist geklärt, dass die direkte Zugverbindung von<br />
<strong>Berlin</strong> nach Kostrzyn bestehen bleibt. Die polnische Bahn-<br />
Aufsichtsbehörde erteilte der Niederbarnimer Eisenbahn<br />
(NEB) am 8. Dezember die Genehmigung, mit ihren Triebwagen<br />
über die Grenze hinweg in die Oderstadt zu fahren. Die<br />
Fahrzeugzulassung ist bis Mitte 2007 befristet - der deutschpolnische<br />
Aufwand hat sich also wieder mal gelohnt.<br />
Kurz gemeldet<br />
<strong>Berlin</strong> bei den Polen sehr beliebt<br />
Andreas Schluricke<br />
Die meisten Zuwanderer kommen aus Europa, allen<br />
voran die Polen<br />
<strong>Berlin</strong> wird für ausländische Bürger zunehmend attraktiv. Von<br />
den 42 592 Ausländern, die 2005 ihren Lebensmittelpunkt<br />
nach <strong>Berlin</strong> verlegten, kamen die Hälfte aus Staaten der<br />
Europäischen Union. Die Zahl der Europäer in <strong>Berlin</strong> ist<br />
gegenüber dem Vorjahr somit um 8 351 oder 2,5 Prozent<br />
gestiegen.<br />
Türkische Staatsangehörige bilden mit 116 665 Personen<br />
(25,2 Prozent) weiterhin den größten Anteil unter allen
Wies¬aw Sm∑tek<br />
Ausländern, ihre Zahl ist jedoch im Vergleich zum Vorjahr um<br />
959 oder 0,8 Prozent weiter zurückgegangen. Den zweiten<br />
Platz nehmen die polnischen Staatsbürger ein, deren Zahl<br />
sich binnen Jahresfrist um 4 367 oder 11,3 Prozent auf 42 889<br />
erhöht hat.<br />
Auch für ausländische Unternehmen ist der Standort <strong>Berlin</strong><br />
interessant. Die Industrie- und Handelskammer <strong>Berlin</strong> (IHK)<br />
zählt unter ihren Mitgliedern allein 28 000 <strong>Berlin</strong>er Firmen,<br />
die einen ausländischen Inhaber oder Geschäftsführer haben.<br />
Davon stammen 6600 aus der Türkei und 2970 aus Polen.<br />
Eingebürgerte Unternehmer nicht eingerechnet.<br />
Die IHK trägt dieser positiven Entwicklung Rechnung und hat<br />
in diesem Jahr mit speziellen Informationsveranstaltungen<br />
für ausländische Klein- und mittelständische Unternehmer<br />
begonnen. Der erste Kurs für Türken fand großen Zuspruch.<br />
Im nächsten Jahr wird die IHK polnische Selbstständige einladen,<br />
die in <strong>Berlin</strong> ihren Geschäften nachgehen.<br />
Denn auch in der Wirtschaft sind die Polen Spitzenreiter<br />
unter den Zuwanderern. Die <strong>Berlin</strong> Partner GmbH unterstützt<br />
dies zusätzlich mit einem polnischsprachigen Portal für die<br />
Hauptstadt. Das Portal www.berlin-polska.pl ist die<br />
Informationsplattform für polnische <strong>Berlin</strong>-Investoren und<br />
zentraler Punkt für die polnische Business-Community. Die<br />
Internet-Seite bietet ausführliche Informationen zu den<br />
Themenschwerpunkten Hauptstadt, Wirtschaft, Wissenschaft,<br />
Tourismus/Kultur, „Junges <strong>Berlin</strong>“.<br />
<strong>Berlin</strong>er Koalition für Kooperation mit osteuropäischen<br />
Nachbarn<br />
Auf fast 100 Seiten haben sich die alten und neuen <strong>Berlin</strong>er<br />
Regierungsparteien, SPD und Linkspartei.PDS, in ihrer Koalitionsvereinbarung<br />
auf die Eckdaten ihrer Regierungsarbeit in<br />
den kommenden Jahren verständigt. Die Zusammenarbeit mit<br />
Polen und den anderen osteuropäischen Nachbarstaaten soll<br />
nach dem Willen der Landesregierung fortgesetzt werden. Die<br />
Koalition will sich für Arbeitnehmer aus den acht mittel- und<br />
osteuropäischen Beitrittsstaaten für eine „volle Freizügigkeit<br />
bereits ab 2009“ einsetzen, „wenn die Übergangszeit für die<br />
Absicherung von Beschäftigungsverhältnissen durch verbind-<br />
–17–<br />
liche Mindestlohnregelungen und angepasste Entsenderichtlinien<br />
genutzt wird“, so die Vereinbarung. Gleiches soll<br />
dann für Bulgarien und Rumänien gelten. Die Koalition misst<br />
der Zusammenarbeit innerhalb der Oder-Partnerschaft (vormals<br />
„Oderregion“) besondere Bedeutung bei. Eine Vernetzung<br />
mit den Wirtschaftsräumen der Städte Szczecin,<br />
Zielona Gora, Poznan und Wroclaw sowie den sie umgebenden<br />
Wojewodschaften ist erklärtes Ziel des neuen Senats. Die<br />
Städtepartnerschaften, u.a. mit Warschau, sollen zum Ausbau<br />
der Zusammenarbeit genutzt werden. Dabei sollen neben der<br />
wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch die Stärkung der<br />
Menschen- und Minderheitenrechte im Vordergrund des partnerschaftlichen<br />
Dialogs stehen. as<br />
Korrespondenten berichten<br />
Nähe schafft Vertrauen<br />
Erkenntnisse aus den polnischen Kommunalwahlen<br />
Von Thomas Urban<br />
Die Karten der Zentralen Wahlkommission zeigen: Polen ist<br />
geteilt, in einen orangefarbenen Westen und Norden sowie<br />
einen blauen Osten und Süden. Orange steht dabei für die<br />
Kreise, in denen die liberalkonservative Bürgerplattform (PO)<br />
bei den Kommunalwahlen vorne lag, blau für die Gebiete, in<br />
denen die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“<br />
(PiS), an deren Spitze Premierminister Jaros¬aw<br />
Kaczyµski steht, das Rennen machte. Diese Teilung in zwei<br />
politische Lager ist nicht neu, genauso verhielt es sich bei den<br />
Unterhaus- und den Präsidentenwahlen.<br />
Eine andere Polen-Karte in der Vertretung der Europäischen<br />
Kommission in Warschau weist dieselbe Trennlinie auf: Beim<br />
Referendum über den Beitritt Polens zur Europäischen Union<br />
im Jahr 2004 lag im Norden und Westen die Zustimmung zur<br />
EU etwa zehn Prozent über dem Landesdurchschnitt, im<br />
Osten und Süden entsprechend darunter. Eine dritte Polen-<br />
Karte mit einer nahezu identischen Gebietsaufteilung hängt<br />
im Warschauer Goethe-Institut. Sie zeigt, in welchen<br />
Regionen <strong>Deutsch</strong> die erste Fremdsprache an den Schulen<br />
ist. In Polen können dies die Eltern bestimmen: Im Norden und<br />
Westen hat sich die Mehrheit für <strong>Deutsch</strong> entschieden, im<br />
Osten und Süden für Englisch.<br />
Das Bemerkenswerte an dieser Grenze: Sie deckt sich zum<br />
großen Teil mit der deutschpolnischen Grenze vor dem<br />
Zweiten Weltkrieg. Das legt nahe, dass das Bild, das sich die<br />
Polen von den <strong>Deutsch</strong>en machen, Einfluss auf ihr<br />
Wahlverhalten hat – auch bei Europa-Referendum. Denn in<br />
der vorherigen Kampagne hatte das rechte Lager vor der EU<br />
als einem Staatenbund gewarnt, der vor allem von den<br />
<strong>Deutsch</strong>en dominiert würde. Damit knüpften sie an die<br />
Warnungen vor den <strong>Deutsch</strong>en an, die bis zum Wendejahr<br />
1989 fester Bestandteil der Propaganda des Parteiregimes<br />
war. Doch im Westen und im Norden, den nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg „wiedergewonnenen Gebieten“, wie es offiziell hieß,<br />
verfingen diese Kampagnen immer weniger – und sie beeindrucken<br />
in der Gegenwart nur eine Minderheit. Vielmehr sie-
gen bei Wahlen überall dort, wo einst <strong>Deutsch</strong>e lebten, die<br />
liberalkonservative PO, die auf enge Zusammenarbeit mit der<br />
Bundesrepublik setzt.<br />
Der Grund: Kontakte mit <strong>Deutsch</strong>en, mit Geschäftsleuten,<br />
aber auch den Heimatvertriebenen, die als „Nostalgietouristen“<br />
zurückkommen, sind eine Alltagserfahrung geworden.<br />
Zehntausende Freundschaften zwischen den einstigen<br />
und heutigen Besitzern der Häuser sind entstanden; mehr als<br />
400 polnische Gemeinden und Pfarreien haben in den letzten<br />
Jahren die Vertriebenentreffen organisiert. Diese positive<br />
Grundstimmung lockt auch Investoren an, für die zudem die<br />
gute Infrastruktur und die Nähe zu den Absatzmärkten im<br />
Westen wichtige Argumente sind. <strong>Deutsch</strong>e Firmen sind<br />
somit auch wichtige Arbeitgeber in den einst deutschen<br />
Gebieten geworden. Nur ein geringes Echo finden hier<br />
Warnungen vor den <strong>Deutsch</strong>en, die angeblich Territorialforderungen<br />
erheben. Achtzig Prozent der heutigen<br />
Einwohner der einstigen deutschen Ostgebiete halten derartige<br />
Warnungen Umfragen zufolge für gegenstandslos. In den<br />
alten polnischen Kernlanden dagegen herrscht Furcht vor<br />
Forderungen einer kleinen Gruppe Vertriebener; und je weiter<br />
man nach Osten geht, desto größer wird die Furcht.<br />
Auch im Heimatkundeunterricht lernt man in den beiden<br />
Teilen Polens Verschiedenes: Die Schulkinder im Osten besuchen<br />
beim Ausflug in die Hauptstadt das Museum des<br />
Warschauer Aufstandes, der von den <strong>Deutsch</strong>en brutal niedergeschlagen<br />
wurde – es gab 150000 zivile Tote, von denen<br />
unzählige Grabkreuze in der ganzen Stadt künden. Die<br />
<strong>Deutsch</strong>en waren die Zerstörer, sie haben das ganze Zentrum<br />
in Schutt und Asche gelegt, schreckten auch vor Kirchen,<br />
Palästen, Museen und Bibliotheken nicht zurück.<br />
Weso∏ych Âwiàt Bo˝ego Narodzenia i szcz´Êliwego<br />
Nowego Roku ˝yczy redakcja Infodienst „Spotkanie”<br />
Ein frohes Weihnachtsfest und ein<br />
glückliches Neues Jahr wünscht die<br />
Redaktion des<br />
Infodienstes<br />
„Spotkanie“<br />
–18–<br />
Dies alles ist in dem Museum beängstigend wirklichkeitsnah<br />
dargestellt. Das Museum ließ der damalige Stadt- und heutige<br />
Staatspräsident Lech Kaczynski einrichten, es lag ihm sehr<br />
am Herzen: Seine Eltern haben damals gegen die <strong>Deutsch</strong>en<br />
gekämpft, die Zwillinge sind in den Trümmern von Warschau<br />
groß geworden, was beide tief geprägt hat. „Überwältigungspädagogik“,<br />
befand eine Gruppe deutscher Schulleiter, die<br />
das Museum kürzlich im Rahmen einer Bildungsfahrt besuchten.<br />
Die Bemühungen der <strong>Deutsch</strong>en um Aufarbeitung und<br />
um Wiedergutmachung werden darin nicht thematisiert.<br />
In Schlesien hingegen fahren die Schulkinder zum gotischen<br />
Rathaus von Breslau und bestaunen die Galerie der „großen<br />
Breslauer“, vier Fünftel von ihnen waren <strong>Deutsch</strong>e, darunter<br />
fünf Nobelpreisträger. Die deutsche Vergangenheit der Stadt<br />
ist kein Tabu – im Gegenteil, sie ist allgegenwärtig. So finden<br />
sich in den Schaufenstern der Breslauer Buchläden die<br />
Kriminalromane des Bestsellerautors Marek Krajewski: Sie<br />
spielen in der Zwischenkriegszeit, als 99 Prozent der<br />
Einwohner <strong>Deutsch</strong>e waren. Ebenso ziehen Ausstellungen<br />
über das alte Breslau Zehntausende von Besuchern an. In<br />
den anderen ehemals deutschen Städten ist dies nicht<br />
anders. In Stettin wurde ein deutscher Bürgermeister vom<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts zum „größten Sohn der Stadt“<br />
gewählt. In Danzig gehören die in der Stadt spielenden<br />
Romane von Günter Grass zur Schullektüre. Der Versuch von<br />
PiSPolitikern, das späte Eingeständnis von Grass, der<br />
Waffen-SS angehört zu haben, in Angriffe gegen den<br />
Bürgermeister Piotr Adamowicz (PO) umzumünzen, scheiterte<br />
allerdings. Adamowicz hatte Grass die Ehrenbürgerwürde<br />
verliehen. Nun wurde er bei den Kommunalwahlen eindrucksvoll<br />
mit 61 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.<br />
Der Autor ist Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in<br />
Warschau.<br />
Letzte Meldung<br />
Ab 2007 im Internet: Neue Website der<br />
DPG <strong>Berlin</strong> – www.dpgberlin.de
Brief an die Leser<br />
Liebe Mitglieder und Freunde der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong>!<br />
Vor gut einem Jahr wurde in Polen die politische Zeitenwende<br />
mit dem Marsch in die so genannte IV. Republik durch<br />
die damals ins Amt gelangte nationalkonservative Regierung<br />
eingeläutet. Zu spüren bekamen wir es als Teil der deutschpolnische<br />
Community, die sich seit Jahrzehnten unermüdlich<br />
für eine Verständigung zwischen beiden Ländern einsetzt.<br />
Was in den Jahren zuvor an gegenseitiger Vertrauensarbeit<br />
zwischen Polen und <strong>Deutsch</strong>en geschaffen<br />
wurde, galt plötzlich bei den<br />
Regierenden in Warschau nichts<br />
mehr. Das Bild vom deutschen Nachbarn<br />
orientierte sich fast ausschließlich<br />
an der unsäglichen Erika Steinbach<br />
und ihrem Zentrum gegen Vertreibungen.<br />
Was wiederum Überreaktionen<br />
gegenüber Polen auf deutscher<br />
Seite provozierte.<br />
Die Zeiten scheinen sich langsam wieder<br />
zum Besseren zu wenden. Die derzeitige<br />
Koalition hat bei den Kommunalwahlen erfahren müssen,<br />
dass man auf Dauer nicht gegen das eigene Volk regieren<br />
kann und dafür einen gewaltigen Dämpfer in der<br />
Zustimmung durch die Wähler erhalten. Vor allem die Wahlergebnisse<br />
in den größeren Städten und in der Hauptstadt an<br />
der Weichsel haben den Siegeszug der PiS und die mit ihr<br />
koalierenden nationalistischen und rechtspopulistischen<br />
Splitterparteien aufgehalten. (Siehe Beitrag Seite 17/18)<br />
Mit Hanna Gronkiewicz-Waltz ist jetzt eine kompetente Frau<br />
zur Stadtpräsidentin in Warschau gewählt worden, die sich<br />
auf ihren Antrittsbesuch in der Partnerstadt <strong>Berlin</strong> schon jetzt<br />
freut und sich sicherlich nicht zu Absagen drängen läßt, wie<br />
es bei dem von den Kaczyµski-Brüdern ins Warschauer<br />
Bürgermeisteramt abgeschobenen früheren Premierminister<br />
Marcinkiewicz im Sommer geschah. Auch die „Weimarer<br />
Dreieck“-Gespräche sind wieder in Gang gekommen und leiden<br />
nicht mehr unter Magenverstimmungen einzelner Teilnehmer.<br />
Über zu geringes Interesse können wir uns als <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Gesellschaft</strong> tatsächlich nicht beklagen. Die Veranstaltungen<br />
unserer <strong>Gesellschaft</strong> finden immer größeres Echo in der<br />
Öffentlichkeit. Die hohen Besucherzahlen vor allem in den<br />
letzten Monaten stellen erneut unter Beweis, dass das<br />
Interesse an Land und Leuten unseres Nachbarn im Osten<br />
ungebrochen ist.<br />
Seit dem 1. Dezember 2006 gehen wir vereint ins neue Jahr.<br />
Der Bundesverband und die Redaktion der Zeitschrift<br />
DIALOG sind jetzt auch in die Schillerstrasse nach <strong>Berlin</strong>-<br />
Charlottenburg umgezogen. Gemeinsam haben wir dort einen<br />
Bürotrakt gemietet, um noch besser unsere Zusammenarbeit<br />
planen und koordinieren zu können. Zum Jahresbeginn wird<br />
die DPG <strong>Berlin</strong> dann auch mit einem völlig neuen Auftritt wieder<br />
im Internet vertreten sein, mit aktuellen Informationen,<br />
Newsletter und vielen nützlichen Links. Alles in allem verspricht<br />
das einen guten Start ins neue Jahr, den wir uns alle<br />
wünschen.<br />
Auf diesem Wege darf ich Ihnen frohe Festtage wünschen<br />
und dass Sie ein wenig Zeit zwischen den Jahren finden, um<br />
einmal tief durchzuatmen.<br />
Ihr/Euer Christian Schröter<br />
������������������������������������������ ���������������������<br />
–19–<br />
Impressum<br />
Der Infodienst der <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong><br />
erscheint vierteljährlich gedruckt und elektronisch<br />
Redaktion: Gerd Henghuber (Chefredaktion), Eva Maria Birth, Frank<br />
Bürger, Beatrice Repetzki, Andreas Schluricke, Christian Schröter<br />
(v.i.S.d.P)<br />
Layout und Grafik: Piotr Mordel<br />
Druck: d-pl Agentur<br />
Druckauflage 2000 Expl., Schutzgebühr 1,50 Euro<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>Berlin</strong> e. V.<br />
Schillerstr. 59 • D-10627 <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Tel. 030 713 89 213• Fax 030 713 89 201<br />
E-mail: dpgberlin@t-online.de• www.dpgberlin.de