Zeitarbeits-Atlas 2012 - Personalwirtschaft
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temporär Beschäftigten fungieren. Als „Entleiher“<br />
können Personaler in aller Ruhe prüfen, ob sich<br />
Mitarbeiter von der Zeitarbeit für die Übernahme<br />
in ein sozialversicherungspflichtiges Teiloder<br />
Vollzeitbeschäftigungsverhältnis eignen.<br />
Prüfen und binden<br />
Experten zufolge schlägt der Klebeeffekt betriebswirtschaftlich<br />
in beträchtlichem Ausmaß zu<br />
Buche. „Zeitarbeit erhöht nicht nur die Flexibilität<br />
von Betrieben“, sagt Ricarda Bouncken, Professorin<br />
für Strategisches Management und Organisation<br />
an der Universität Bayreuth. Nach Auswertung<br />
zahlreicher Studien kommt sie zu dem<br />
Ergebnis: „Dank Zeitarbeit kann HR die Transaktionskosten<br />
um bis zu 15 Prozent senken.“<br />
Bouncken beziffert den Klebeeffekt auf 20 Prozent,<br />
vom Entleihbetrieb wird also jeder fünfte<br />
Zeitarbeiter fest übernommen.<br />
Diesen Trend, der von Gewerkschaften hartnäckig<br />
bezweifelt wird, hat nun auch die Bundesarbeitsagentur<br />
(BA) bestätigt. Zeitarbeit sei „eine<br />
Beschäftigungsperspektive für Arbeitslose, von<br />
Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger<br />
oder Berufsrückkehrer“, heißt es in<br />
einem Bericht der BA. Zeitarbeit als „Brücke in<br />
den Arbeitsmarkt“: Zwei Drittel der neu begonnenen<br />
<strong>Zeitarbeits</strong>verhältnisse sind laut BA mit<br />
Menschen abgeschlossen worden, die zuvor keine<br />
Beschäftigung ausgeübt hatten. Als Arbeitgeber<br />
treten nach Angaben der Behörde derzeit<br />
etwa 17 400 <strong>Zeitarbeits</strong>firmen in Erscheinung.<br />
So sehr die Dienstleistungen der Zeitarbeit aktuell<br />
bei ihren Kunden angesehen sind und nachgefragt<br />
werden – die Partner vieler Personaler<br />
stecken auch in der Zwickmühle. Das ist die<br />
Schattenseite des Klebeeffekts: Immer mehr <strong>Zeitarbeits</strong>firmen<br />
verlieren Beschäftigte an ihre Kunden,<br />
die mit festen Stellen locken. Jüngsten Angaben<br />
des Interessenverbandes Deutscher <strong>Zeitarbeits</strong>unternehmen<br />
(iGZ) zufolge liegt die Übernahmequote<br />
sogar bei 35 Prozent. Noch brummt<br />
das Geschäft bei den Dienstleistern, doch immer<br />
mehr Mitarbeiter, vor allem gut qualifizierte Kräfte,<br />
werden abgeworben. Bei fallenden Arbeitslosenquoten<br />
trocknet das Reservoir an vermittelbaren<br />
Kräften allmählich aus.<br />
Ist die „Epoche der Zeitarbeit“ damit zu Ende, wie<br />
das „Handelsblatt“ kurz vor Weihnachten orakelte?<br />
In der Tat ist die <strong>Zeitarbeits</strong>branche einem<br />
hohen Anpassungsdruck ausgeliefert. Während<br />
es ihren Kunden längst nicht mehr gelingt, Positionen<br />
mit eigenen Mitteln erfolgreich zu besetzen,<br />
können auch die Dienstleister ihre Vorgaben<br />
angesichts des leergefegten Arbeitskräfteangebots<br />
kaum noch erfüllen. Was nützt ihnen das<br />
positive Image bei ihren Auftraggebern, an die<br />
sie ihre Beschäftigten „verlieren“, wenn sie keinen<br />
Ersatz finden? Zwar steht ihnen eine Ausgleichszahlung<br />
für jeden Zeitarbeiter zu, der binnen<br />
vier Monaten abgeworben wird. Doch oft<br />
wird darauf verzichtet. Wer will es sich schon mit<br />
seinen Kunden verscherzen?<br />
Politik fordert Equal Pay-Regelung<br />
Bliebe es bei diesem Problem allein, die Branche<br />
könnte vielleicht aufatmen. Doch zusätzlich wird<br />
von Gewerkschaften und Politik Druck auf die<br />
<strong>Zeitarbeits</strong>firmen ausgeübt. Die Arbeitnehmervertreter,<br />
denen Zeitarbeit prinzipiell ein Dorn<br />
im Auge ist, weil sie ihrer Beobachtung zufolge<br />
Stammbeschäftigte durch <strong>Zeitarbeits</strong>kräfte ersetzt,<br />
verlangen von Unternehmen, jeden Zeitarbeiter<br />
fest zu übernehmen und so der Dienstleistung<br />
allmählich das Wasser abzugraben. Hinzu kommen<br />
Forderungen über das Lohnniveau der temporär<br />
Beschäftigten. Seit Einführung des Mindestlohns<br />
zu Beginn des Jahres gilt eine Lohnuntergrenze<br />
für Zeitarbeiter in Ost (7,01 Euro) und<br />
West (7,89). Dies wird sich zum 1. November<br />
automatisch auf 7,50 Euro (Ost) und 8,19 (West)<br />
erhöhen.<br />
Doch bei der ersten Verordnung über eine Lohnuntergrenze<br />
in der Arbeitnehmerüberlassung,<br />
die am 21.12.2011 im Bundesanzeiger veröffentlicht<br />
wurde, geht es nicht allein um die Festlegung<br />
des Mindeststundenentgelts. Laut Tobias Neufeld,<br />
Anwalt für Arbeitsrecht und Partner der<br />
Kanzlei Allen & Overy in Düsseldorf, setzt die Vorschrift<br />
auch eine Maximalgrenze für Plus- oder<br />
<strong>Personalwirtschaft</strong> | <strong>Zeitarbeits</strong>-<strong>Atlas</strong> <strong>2012</strong><br />
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