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Der Vertrag von Lissabon und das Grundgesetz - Dr. Peter Gauweiler

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Murswiek, Gutachten <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> 104<br />

se als durch völkerrechtlichen <strong>Vertrag</strong> abgeändert werden 186 . Und außerhalb des Anwendungsbereichs<br />

<strong>von</strong> Art. 59 Abs. 2 GG ist für die Wahrnehmung der Auswärtigen Gewalt<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich die B<strong>und</strong>esregierung zuständig 187 . Freilich spricht einiges dafür, aus Art. 59<br />

Abs. 2 GG eine parlamentarische Zustimmungsbedürftigkeit auch für solche Rechtsakte<br />

abzuleiten, die nicht völkerrechtliche Verträge sind, aber zur Änderung eines völkerrechtlichen<br />

<strong>Vertrag</strong>es führen. Denn durch solche Rechtsakte wird die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

in derselben Weise geb<strong>und</strong>en wie in dem Fall, in dem der betreffende <strong>Vertrag</strong> durch<br />

einen völkerrechtlichen <strong>Vertrag</strong> geändert wird. Nach der Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

kann die B<strong>und</strong>esregierung aber kraft ihrer Auswärtigen Gewalt an der<br />

Fortentwicklung völkerrechtlicher Verträge ohne parlamentarische Zustimmung mitwirken,<br />

solange diese Fortentwicklung im Rahmen des Integrationsprogramms des betreffenden<br />

<strong>Vertrag</strong>es bleibt. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht unterscheidet insofern zwischen<br />

„Fortentwicklung“ <strong>und</strong> „Änderung“ eines völkerrechtlichen <strong>Vertrag</strong>es. Als „Fortentwicklung“<br />

sieht es alles an, was innerhalb des „Integrationsprogramms“ des <strong>Vertrag</strong>es bleibt,<br />

während eine „Änderung“ eines <strong>Vertrag</strong>es, die nicht als förmliche Änderung durch Änderungsvertrag<br />

vorgenommen wird, erst dann vorliege, wenn <strong>das</strong> Integrationsprogramm<br />

überschritten werde. Nur dieses Überschreiten des Integrationsprogramms gehe über die<br />

Kompetenz der B<strong>und</strong>esregierung hinaus 188 . Nur in diesem Fall muß in Konsequenz dieser<br />

Rechtsprechung die Zustimmung des Parlaments eingeholt werden, freilich nicht im Wege<br />

analoger Anwendung <strong>von</strong> Art. 59 Abs. 2 GG auf die außervertragliche <strong>Vertrag</strong>sänderung,<br />

sondern in der Weise, daß die B<strong>und</strong>esregierung an solchen außervertraglichen <strong>Vertrag</strong>sänderungen<br />

nicht mitwirken darf. Sie muß in solchen Fällen mit den <strong>Vertrag</strong>spartnern eine<br />

förmliche <strong>Vertrag</strong>sänderung vereinbaren <strong>und</strong> dann den Änderungsvertrag dem Parlament<br />

nach Art. 59 Abs. 2 GG vorlegen. Art. 59 Abs. 2 GG entfaltet hiernach eine Sperrwirkung<br />

gegenüber außervertraglichen <strong>Vertrag</strong>sänderungen, die <strong>das</strong> Integrationsprogramm des betreffenden<br />

<strong>Vertrag</strong>es überschreiten, führt jedoch nicht dazu, daß außervertragliche <strong>Vertrag</strong>sänderungen<br />

unter der Voraussetzung verfassungsmäßig sind, daß der B<strong>und</strong>estag ihnen<br />

zustimmt.<br />

Was folgt daraus für die Anwendung <strong>von</strong> Art. 48 Abs. 6 EUV? Man könnte darauf abstellen,<br />

daß es hier um „Änderungen“ des AEUV geht, daß somit Art. 59 Abs. 2 GG zur Anwendung<br />

kommen müßte. Aber „Änderung“ ist nur ein Wort. Man könnte dieses Wort<br />

auch durch „Fortbildung“ ersetzen, zumal die Änderung gemäß Art. 48 Abs. 6 UAbs. 3<br />

EUV nicht zu einer Erweiterung der Zuständigkeiten der Union, also nicht zu einer Übertragung<br />

<strong>von</strong> Hoheitsrechten führen darf. Daher könnte man argumentieren, daß diese<br />

„Fortbildung“ im Rahmen des Integrationsprogramms des EUV <strong>und</strong> des AEUV bleibt <strong>und</strong><br />

durch die Zustimmung zum <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> bereits gedeckt sei. Somit käme Art. 59<br />

Abs. 2 GG nicht zur Anwendung. Argumentiert man aber, daß es hier immerhin um eine<br />

förmliche Inhaltsänderung eines völkerrechtlichen <strong>Vertrag</strong>es geht <strong>und</strong> daß im übrigen <strong>das</strong><br />

186 BVerfGE 90, 286 (361); kritisch dazu die vier Richter, deren Votum die Entscheidung nicht getragen hat<br />

<strong>und</strong> die in ihrem Sondervotum eine entsprechende Anwendung <strong>von</strong> Art. 59 Abs. 2 GG für außervertragliche<br />

<strong>Vertrag</strong>sänderungen postulieren, ebd. S. 376.<br />

187 BVerfGE 90, 286 (287 LS 7.a).<br />

188 BVerfGE 104, 151 (206 f.).

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