Forschungsbericht zum Verstehen von Sachtexten in der Grundschule
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werden (z.B. Adams, Bell & Perfetti,1995; Voss & Silfies,1996). Bei <strong>Sachtexten</strong> bezieht sich<br />
das Vorwissen neben dem allgeme<strong>in</strong>en Weltwissen auch auf das spezifische Fachwissen.<br />
Fehlende Textkohärenz wird durch wissensbasierte Inferenzen kompensiert (Br<strong>in</strong>ker 2001:44;<br />
Grütz, 1995: 66, 110).<br />
Als Rezeptionsverfahren des 2. Durchgangs erachten wir das Verfahren Reden über den<br />
Text als das für das Leseverstehen aussichtsreichste. Wir gehen da<strong>von</strong> aus, dass durch die<br />
Kommunikation mit an<strong>der</strong>en Rezipient/<strong>in</strong>nen Text<strong>in</strong>halte <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> gehoben werden.<br />
Das Problem schlechter Leser ist, dass ihnen Lesefehler nicht e<strong>in</strong>mal auffallen<br />
(Christmann/Groeben 1999) Durch im Gespräch (Unterrichts- o<strong>der</strong> Zwiegespräch) auftretende<br />
Unstimmigkeiten o<strong>der</strong> Unsicherheiten können Schüler/<strong>in</strong>nen auf nicht o<strong>der</strong> falsch gelesene<br />
Inhalte aufmerksam werden und Textstellen noch e<strong>in</strong>mal gezielt lesen. Das geme<strong>in</strong>same<br />
Erarbeiten <strong>von</strong> Wortbedeutung spielt bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mutter-K<strong>in</strong>d-Interaktion beim<br />
Spracherwerb e<strong>in</strong>e Rolle. Die Generierung <strong>von</strong> Textverstehen und auf höherem Niveau <strong>der</strong><br />
Erwerb <strong>von</strong> Lesekompetenz geschieht auch <strong>in</strong> Interaktion mit dem „kompetenten An<strong>der</strong>en“<br />
(vgl. Baumert et al. 2001:71).<br />
2) Erwartete Ergebnisse bezüglich des Geschlechts<br />
Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden <strong>in</strong> Schulleistungen haben ergeben, dass<br />
Mädchen im verbalen Bereich den Jungen überlegen s<strong>in</strong>d (Stanat & Kunter 2001: 249). In <strong>der</strong><br />
PISA-Studie wurde <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n gar e<strong>in</strong>e signifikante Überlegenheit <strong>der</strong> Mädchen<br />
festgestellt; die Testwerte liegen zwischen e<strong>in</strong>er drittel und e<strong>in</strong>er halben Kompetenzstufe über<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jungen (ebda: 251ff), <strong>in</strong> Deutschland ist es knapp e<strong>in</strong>e halbe Kompetenzstufe (ebda).<br />
Aufgrund dieser Ergebnisse gehen wir <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em besseren Abschneiden <strong>der</strong> Mädchen im<br />
Lesetest im Vergleich zu den Jungen aus.<br />
E<strong>in</strong>e gewisse Unwägbarkeit bei <strong>der</strong> Prognose liegt allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Textsorte: Die<br />
Überlegenheit <strong>der</strong> Mädchen zeigte sich vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Read<strong>in</strong>g Literacy Studie <strong>der</strong> IEA mit<br />
e<strong>in</strong>em hohen Anteil narrativer Texte (Elley 1994). In unserer Studie haben wir es mit e<strong>in</strong>em<br />
Sachtext zu tun, dem allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e gewisse Nähe zu narrativen Texten anhaftet: Dieser Text<br />
mit dem Thema „Wie e<strong>in</strong>e Zeitung entsteht“ ist e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Text, dem themengemäß<br />
e<strong>in</strong> Script (Stationen <strong>der</strong> Zeitungsproduktion) zugrunde liegt. Damit enthält <strong>der</strong> Text narrative<br />
Elemente. In <strong>der</strong> PISA-Studie wurde e<strong>in</strong>e generelle Überlegenheit <strong>der</strong> Mädchen bei<br />
kont<strong>in</strong>uierlichen Texten belegt; bei nicht-kont<strong>in</strong>uierlichen Texten h<strong>in</strong>gegen war <strong>der</strong><br />
Leistungsvorsprung <strong>der</strong> Mädchen nicht mehr so groß (Stanat & Kunter: 255). Dieses Ergebnis<br />
lässt uns die Überlegenheit <strong>der</strong> Mädchen auch bei dem kont<strong>in</strong>uierlichen Sachtext unserer<br />
Studie vermuten.<br />
Differenzierung nach Methoden: Da den Mädchen bessere kommunikative Fähigkeiten im<br />
Mündlichen als den Jungen zugeschrieben werden, liegt die Vermutung nahe, dass im 1.<br />
Rezeptionsdurchgang das Verfahren des Antizipierens (Reden über das Thema des Textes)<br />
und im 2. Rezeptionsdurchgang das Verfahren des Redens über den (Inhalt des) Text(es) zu<br />
besseren Ergebnissen im Lesetest führen als die an<strong>der</strong>en Verfahren. Diese Vermutung lässt<br />
sich auch durch e<strong>in</strong> Ergebnis <strong>der</strong> PISA-Studie stützen: Die Mädchen waren zwar beim<br />
Ermitteln <strong>von</strong> Informationen aus dem Text überlegen, beson<strong>der</strong>s gut schnitten sie aber bei<br />
dem Teilbereich „Reflektieren und Bewerten“ ab. Um diese Kompetenzstufe zu erreichen, ist<br />
es notwendig, Text<strong>in</strong>halte mit dem eigenen Vorwissen zu verknüpfen und eigene Erfahrungen<br />
e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Jungen fällt dies offensichtlich schwerer (vgl. Stanat & Kunter: 255, 266).<br />
Genau diese Fähigkeiten werden <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Methode des Antizipierens und <strong>in</strong><br />
gewissem Maße auch bei <strong>der</strong> des Reden über den Text verlangt.<br />
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