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Vorlesung am 21.1.2008

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<strong>Vorlesung</strong> 3<br />

4.5 Textklassifikation<br />

4.6 Textsortenanalyse - Textsorten und Dimensionen ihrer<br />

Beschreibung<br />

4.6.1 Situativität<br />

4.6.2 Funktionalität: Textfunktion, Bereichsfunktion,<br />

Bewirkungsfunktion<br />

4.6.3 Thematizität: Verfahrens- und Strukturierungstypen<br />

4.6.4 Formulierungsadäquatheit<br />

Prof. Dr. Christina Gansel Institut für<br />

Deutsche Philologie<br />

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4.5 Textklassifikation<br />

Dominante erforderlich: einheitliches<br />

Kriterium<br />

Hierarchisches Vorgehen<br />

Handlungsrollen<br />

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Deutsche Philologie<br />

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Dominante: Kommunikationsbereich/soziales System<br />

Soziales System<br />

Interaktionssystem Liebe<br />

Interaktionssystem F<strong>am</strong>ilie<br />

Interaktionssystem Seminar<br />

Organisationssystem Schule<br />

Textsorte<br />

Liebesbrief<br />

Privatbrief, Dankbrief, Küchenzettel<br />

Seminarprotokoll<br />

Stundenplan<br />

Funktional ausdifferenziertes gesellschaftliches Teilsystem<br />

Massenmedien:<br />

Religion :<br />

Politik:<br />

Bericht, Meldung, Kommentar,<br />

Horoskop<br />

Heilige Schrift<br />

Parteiprogr<strong>am</strong>m<br />

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Deutsche Philologie<br />

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Kommunikationsbereich (textlinguistisch<br />

üblicher Begriff)<br />

Der Terminus ›Kommunikationsbereich‹<br />

meint bestimmte gesellschaftliche Bereiche,<br />

für die jeweils spezifische Handlungs- und<br />

Bewertungsnormen konstitutiv sind.<br />

Kommunikationsbereiche stellen situativ<br />

und sozial definierte ›Ensembles‹ von<br />

Textsorten dar.<br />

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Deutsche Philologie<br />

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Genauerer Begriff statt Kommunikationsbereich:<br />

Soziales System<br />

System = Begriff der Systemtheorie, der die Differenz von<br />

Innen (Spezifik des Systems) und Außen (Umwelt eines<br />

Systems) meint.<br />

Soziale Systeme operieren, indem sie kommunizieren<br />

Arten sozialer Systeme: Interaktionssystem,<br />

Organisationssystem, funktional ausdifferenzierte<br />

Teilsysteme einer Gesellschaft<br />

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Hierarchie<br />

Systematische<br />

Kategorie Textsortenlinguistik<br />

Klasse Textklasse: Medientexte<br />

Ordnung Textordnung: Journalistische Texte<br />

a) Kernbereich b) Nicht-Kernbereich<br />

F<strong>am</strong>ilie Textf<strong>am</strong>ilie:<br />

a) Meinungstexte b) Anzeigentexte<br />

Gattung Textsorte:<br />

a) Kommentar b) Heiratsanzeige, Bekanntschaftsanzeige<br />

Art Textsortenvariante:<br />

a) Kurzkommentar b) Agentur-Heiratsanzeige<br />

Systematik<br />

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Deutsche Philologie<br />

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Textklasse<br />

Textklasse meint das Vorkommen einer Menge von<br />

Texten in einem abgegrenzten, durch situativ-funktionale<br />

und soziale Merkmale definierten kommunikativen<br />

Bereich/sozialen System, in dem sich Textsorten<br />

ausdifferenzieren. Textsorten sind nicht nur durch den<br />

Kommunikationsbereich/das soziale System determiniert,<br />

sie konstituieren ihn gleichfalls. (Vgl. Gansel/Jürgens<br />

2007, Kap. 3)<br />

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Textsorten und Handlungsrollen<br />

Beispiel System „Literatur“<br />

1. Handlungsrolle: Produktion<br />

Textsorten: Lesung, Interview, Essay, Private Homepage des Autors/der<br />

Autorin<br />

2. Handlungsrolle: Distribution<br />

Textsorten: Pressemitteilung, Klappentext, Vertrag, Vorvertrag<br />

3. Handlungsrolle: Rezeption/Verarbeitung<br />

Textsorten: Professionelle Rezension, wissenschaftliche Rezension,<br />

Rezension von Normallesern z.B. in <strong>am</strong>azon.de, wissenschaftlicher<br />

Artikel, Fan-Homepage<br />

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Erste Definition Textsorten<br />

Textsorten stehen in einem engen Zus<strong>am</strong>menhang zu sozialen<br />

Systemen, in denen sie spezifische Leistungen übernehmen. Textsorten<br />

konstituieren soziale Systeme und differenzieren sich unter den<br />

strukturellen Bedingungen des Systems aus, sie bilden innerhalb des<br />

Systems konventionalisierte, institutionalisierte Anschlusskommunikationen<br />

und sie sichern die strukturelle Kopplung zu anderen<br />

sozialen oder psychischen Systemen. Als Resultate kommunikativer<br />

und sozialer Handlungen sind Textsorten an bestimmte soziale<br />

Handlungsrollen gebunden. Textsorten lassen sich von einer<br />

Dominante – dem sozialen System/Kommunikationsbereich – her<br />

hierarchisch klassifizieren. (Gansel/Jürgens 2 2007: 80)<br />

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4.6 Textsorten und Dimensionen ihrer<br />

Zweite Definition:<br />

Beschreibung<br />

Textsorten konstituieren sich durch ein prototypisches<br />

Aufeinander-Bezogen-Sein kontextueller und struktureller<br />

Merkmale. Sie bilden den Rahmen für prototypische, auf<br />

Konventionen der Sprachteilhaber beruhende sprachliche<br />

Muster mit charakteristischen funktionalen, medialsituativen<br />

und thematischen Merkmalen sowie einer diesen<br />

Merkmalen entsprechenden formalen Struktur.<br />

(Gansel/Jürgens 2 2007: 92)<br />

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4.6.1 Situativität – kontextuelle Merkmale<br />

‣ Soziales System (!)<br />

‣ Handlungen und Handlungsrollen im System,<br />

soziale Beziehungen<br />

‣ Medialität<br />

‣ Leistung der Textsorte (!)<br />

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4.6.2 Funktionalität: Textfunktion,<br />

Bereichsfunktion, Bewirkungsfunktion<br />

Textlinguistik diskutiert den „Funktionsbegriff“ als externes und/oder<br />

internes Merkmal von Texten, deshalb sollen Funktionen differenziert<br />

werden:<br />

‣ Textfunktion: Ziel-Mittel-Relation, Indikatoren im Text<br />

Z. B. Imperative – Appell, performative Verben (taufen) - Deklaration<br />

‣ Bereichsfunktion: systemerhaltende Funktion und Leistung für andere<br />

Systeme<br />

Z. B. System der Massenmedien: Informationsfunktion, Kontrollfunktion,<br />

Unterhaltung realisiert durch Berichte, „weiche“ Nachrichten<br />

‣ Bewirkungsfunktion: rezipientenorientiert, durchaus konventionalisiert<br />

Z. B. Pressehoroskope – Information, Ratschlag, Kontakt (Katja<br />

Furthmann 2006: 185); Ratgebungstexte – Entlastung<br />

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4.6.3 Thematizität: inhaltliche und äußere<br />

Struktur<br />

‣ Verfahrenstypen zur Entfaltung eines Themas<br />

‣ Komplexe Strategiemuster - global: Narration,<br />

Deskription, Explikation, Argumentation<br />

‣ Strukturierungstypen: Abschnitte, Kapitel;<br />

Initialteil, Textkern, Finalteil; inhaltliche und<br />

formale Sequenzierung<br />

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4.6.4 Formulierungsadäquatheit – besondere<br />

sprachliche Mittel/Stil<br />

Prototypische Formulierungen in Textsorten<br />

‣ Z. B.: Konjunktiv I in Nachrichtentexten<br />

‣ Abschluss einer Präsentation/eines Vortrags: Danke für die<br />

Aufmerks<strong>am</strong>keit!<br />

‣ Wetterbericht: Vormittags wolkig bis bedeckt<br />

‣ Wiss. Hausarbeit: Im Folgenden wird sich mit dem<br />

Problem x auseinandergesetzt ...<br />

‣ Kochrezept: Gurken und Zwiebeln in Streifen schneiden ...<br />

‣ Stellenangebot: Wir suchen ...<br />

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Analyse: Textbeispiel 1<br />

Bello im Fadenkreuz (Detlef Granzow)<br />

Für die einen gibt es gar keine K<strong>am</strong>pfhunde, für die anderen ist jeder Vierbeiner über Dackelmaß<br />

eine „blutrünstige Bestie“. Die Innenminister waren sich schon bewusst, dass sie ein emotional<br />

belastetes Terrain betreten würden bei ihrem Versuch, Regelungen zum Schutz der Bürger vor<br />

„großen“ Hunden zu finden. Und deswegen haben sie besser nichts Konkretes entschieden. Kein<br />

Verbot besonders zum K<strong>am</strong>pf gezüchteter Rassen, keine Handelsbeschränkungen bei diesen Tieren.<br />

Nach den lautstarken Wortmeldungen der letzten Tage - die reichlich populistisch klangen - haben<br />

die Hüter der Ordnung den „Schwanz eingezogen“: Es wird auch zukünftig kein einheitliches<br />

Vorgehen gegen K<strong>am</strong>pfhunde geben, allenfalls Richtlinien haben die Ressortchefs mitbekommen.<br />

Dabei ist eine Erkenntnis der Minister-Riege unbestritten richtig: Das Problem läuft <strong>am</strong> oberen Ende<br />

der Leine. Ob es aber gelingen kann, jener Spezies von Mensch, die das Tier als Statussymbol und<br />

Einschüchterungsinstrument benutzt, mit einem Hundeführerschein oder höherer Steuer<br />

beizukommen, darf bezweifelt werden. Dies gelingt ja heute auch nicht bei Haltern anderer Rassen -<br />

die nicht eindeutig den K<strong>am</strong>pfhunden zugeordnet werden. Wer kontrolliert denn, ob ein Tier<br />

artgerecht gehalten wird, genügend Zuwendung von seinem Herrchen erfährt? Zum „scharfen Biss“<br />

können viele Rassen „erzogen“ werden. Leider sieht man es den Tieren nicht an. Natürlich kann man<br />

Unfälle mit Hunden nicht gänzlich ausschließen, aber ein wenig mehr Konsequenz wäre angeraten.<br />

Unter dem Segel der Tierliebe reisen eben auch zahlreiche Vollidioten, die mit ihrem Hund schon<br />

beim Gassi-Gehen überfordert sind.<br />

Da es schwer sein dürfte, in absehbarer Zeit wirks<strong>am</strong>e einheitliche Schutzbestimmungen vorzulegen,<br />

die Unfälle mit Vierbeinern verhindern, bleibt wohl zuallererst Vorsicht der beste Ratgeber. Wer mit<br />

Hunden nicht kann, sollte respektvoll Abstand halten. Schließlich beißt auch der Inbegriff des<br />

kinderlieben treuen Gefährten - Kommissar Rex - gelegentlich mal zu. Im Film zwar nur die Bösen.<br />

Bei Bello in der Nachbarschaft muss das nicht so sein.<br />

Prof. Dr. Christina Gansel Institut für<br />

Deutsche Philologie<br />

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