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Jubiläumsausgabe - Universität Passau

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THE POWER OF DREAMS – Analyse der vietnamesischen gesellschaft vom rücksitz eines motorrads<br />

> Poster einer Werbekampgne zur Helmpflicht<br />

30<br />

Springroll<br />

Ausgabe #2 Sommersemester 2009<br />

Öl- und Bezinpreiserhöhungen (sowie<br />

die neue unbeliebte Helmpflicht)<br />

verhalfen 2008 dem Drahtesel bei der<br />

Jugend zu neuer Beliebtheit. Jungen<br />

turnten auf mountain bikes durch die<br />

Straßen während die Mädchen in kichernden<br />

Gruppen auf Rädern mit Elektroantrieb<br />

unterwegs waren. Die besserbetuchte<br />

urbane Jugend setzte noch<br />

einen drauf und investierte in aufwendige<br />

Upgrades: Blinkende Lichterketten<br />

und Christbaumschmuck, Kuscheltiere<br />

und Plastikblumen sowie natürlich eine<br />

leistungsstarke Musikanlage.<br />

Die Motorradindustrie kriselt, die<br />

Medien titeln: „Feather-boa bicycle<br />

bandits invade Vietnam’s city streets” 4<br />

Fahren verbindet! Arbeitsmigration<br />

und soziale Netze<br />

Auch die Migrationsnetzwerke kann<br />

man mittels Honda und Co. analysieren.<br />

Bei einer Ausstellung über katholische<br />

Kultur im Museum für Ethnologie wurde<br />

z.B. festgestellt, dass xe om-Fahrer zu<br />

einem beachtlichen Teil aus der Provinz<br />

Nam Dinh stämmige Katholiken seien.<br />

Dies liegt demnach einerseits daran,<br />

dass die unqualifizierte Migranten in<br />

diesem Berufszweig eine Beschäftigung<br />

finden, die keine größeren Investitionen<br />

oder formalen Anforderungen mit sich<br />

bringt. Andererseits können Bekannte<br />

aus dem Heimatort, die bereits diesen<br />

Beruf ausüben, bei der „Unternehmensgründung“<br />

helfen, mit der Folge<br />

dass man unter den xe om-Fahrern<br />

Hanois Netzwerke von Migranten aus<br />

der gleichen Region ausmachen kann.<br />

Petting auf zwei Rädern:<br />

Gender und Sexualität<br />

Wie sich schon angedeutet hat, ist das<br />

Fahren eines Motorrads Ausgangspunkt<br />

für intensiven sozialen Austausch.<br />

Während in Deutschland Autofahrer<br />

ungeniert in ihrem Wagen in der<br />

Nase bohren oder zu Modern Talking<br />

singen, da sie sich in einem geschützten<br />

Privatraum wähnen, ist man in<br />

Vietnam auf einem Motorrad nie allein.<br />

Zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten<br />

junger Vietnamesen – und nicht nur<br />

in der Großstadt – gehört es, abends<br />

mit Freunden durch die Straßen zu<br />

cruisen, zu flirten und dabei die neuste<br />

Mode vorzuführen. Die Rollen sind<br />

dabei geschlechterspezifisch und nach<br />

eher traditionellem Rollenverständnis<br />

verteilt: Sitzen Mann und Frau auf dem<br />

Rad, fährt der Mann. Der Herr fährt gern<br />

flott und demonstriert seine Leistungsfähigkeit<br />

gern durch ein spontanes<br />

Wettrennen an der Ampel oder einen<br />

kleinen Ein-Rad-Stunt. Madame fährt<br />

gemächlicher (man soll schließlich Zeit<br />

haben, sie ausgiebig zu bewundern)<br />

und beherrscht souverän den Damensattel<br />

(auf dem Rücksitz in engem<br />

Rock beide Beine grazil zu einer Seite<br />

klappend), in dem sie betont gelangweilt<br />

in ihr Handy tippt. Hat man nach<br />

einigem Federn-spreizen dann einen<br />

vielversprechenden Flirt im Blick, kurvt<br />

man nebeneinander wie ein verliebtes

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