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01<br />
2014<br />
<strong>Altes</strong> HANDWERK<br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
<strong>Altes</strong><br />
HANDWERK<br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
8,90 [D]<br />
9,20 [EU]<br />
15,20 sFr<br />
KRIEMHILDMÜHLE XANTEN<br />
Müller und Mühlen<br />
Niedersächsische Mühlenstraße<br />
Ganz der Opa<br />
Familientradition lebt weiter<br />
„Jan, treck an!“<br />
Moorkolonisation und Torfabbau<br />
Neue Besen fegen gut<br />
Der Bürstenmachermeister
www.mein-laendle.de<br />
Willkommen<br />
Neu<br />
Aus und für<br />
Baden-Württemberg<br />
Zuhause!<br />
Jetzt im Zeitschriftenhandel<br />
1 / 2014<br />
Januar<br />
Februar<br />
4,80 EUR<br />
2 / 2014<br />
März<br />
April<br />
4,80 EUR<br />
100 %<br />
Baden-Württemberg<br />
6 / 2013<br />
November<br />
Dezember<br />
4,80 EUR<br />
Leben im Denkmal<br />
Schwäbisches Kulinarium<br />
Tanzende<br />
Narren<br />
Der Odenwald<br />
Urwüchsig und geschichtsträchtig<br />
Bürstenbinder<br />
Handarbeit für Sauberkeit<br />
Pelzmärte und Klosa<br />
Weihnachtsbräuche im Schwarzwald<br />
Die Schwäbische Alb<br />
Romantisch und rau<br />
Zum Kuckuck<br />
Uhren zwischen Tradition und Moderne<br />
Theater Lindenhof<br />
Heimattheater mit Weltruhm<br />
Am Hochrhein<br />
Der Schweiz ganz nah<br />
Echo des Schönbuchs<br />
Bernhard Köhler baut Alphörner<br />
Rübengeister<br />
Springerle<br />
Fuchs<br />
Weihnachtsgans<br />
Die schönsten Seiten Baden-Württembergs<br />
Gefiederte Wintergäste<br />
Vitamine im Winter<br />
Hagebutte<br />
Bollenhuttracht<br />
Lichtermuseum<br />
Leckere Fasnetsküchle<br />
KräuterLändle<br />
Spitzwegerich<br />
und<br />
Meerrettich<br />
Palmen und Brezeln<br />
Osterdeko<br />
Die schönsten Seiten Baden-Württembergs<br />
Rosen pflanzen<br />
Frühlingserwachen im Wald<br />
Bräuche in der Karwoche<br />
Brisilleneier<br />
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Die Ursprünglichkeit und Vielfalt des Landlebens in Baden-<br />
Württemberg steht im Fokus der <strong>neu</strong>en Zeitschrift Mein Ländle.<br />
Menschen und Typen, Natur und Garten, Traditionen und<br />
Bräuche, Kulinarisches und Wein, Kräuterwissen, Wander- und<br />
Ausflugs tipps und vieles mehr machen Mein Ländle zu einem<br />
Inspirations- und Impulsgeber für den Alltag der Menschen in<br />
Baden- Württemberg.<br />
Authentizität, Wertigkeit, Nachhaltigkeit und Originalität sind<br />
Werte, die Mein Ländle zu einer liebens- und lesens werten<br />
Zeitschrift machen, die die schönen Seiten baden-württembergischen<br />
Land lebens zeigt. Eine Zeitschrift, die Freude bringt!<br />
3 Ausgaben Mein Ländle zum Preis von 2!<br />
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Lebendiges Land Liebenswerte Leute Lustvolles Leben
<strong>Altes</strong><br />
HANDWERK<br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
nach dem erfolgreichen Start im Herbst 2013 können wir Ihnen hiermit die<br />
zweite Ausgabe „<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong> ... <strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!“ präsentieren. Die zahlreichen<br />
positiven Rückmeldungen und Zuschriften ‒ für die wir uns an dieser<br />
Stelle herzlich bedanken möchten ‒ zeigen, dass wir mit dieser Publikation<br />
auf dem richtigen Weg sind. Eines lässt sich anhand der Leserreaktionen<br />
deutlich ablesen: Traditionelles <strong>Handwerk</strong> wird noch immer flächendeckend<br />
betrieben. Dabei steht Qualität vor Preis alles eine Frage der Wertschätzung.<br />
Denn handwerklich gefertigte Gegenstände halten oft über Generationen<br />
hinweg.<br />
Udo Mannek<br />
Chefredakteur<br />
Schade wäre es jedoch, wenn die handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
irgendwann einmal vollständig verloren und vergessen wären. Deshalb<br />
sollten die guten alten <strong>Handwerk</strong>skünste bewahrt werden, Faszination auf<br />
uns ausüben und Nützliches hervorbringen. Manch kleine Werkstatt oder<br />
familiengeführte Manufaktur hält die alten <strong>Handwerk</strong>e hoch. Doch oft<br />
sind die „alten Meister” die letzten ihres Standes. Zudem wird ihre Existenz<br />
durch EU-Regelungen bedroht, wie die Hammerschmiede von Franz<br />
Mayer. Und wer wird einmal den Betrieb übernehmen? Nicht immer sind<br />
Nachfolger in Sicht. Mit Freude lesen wir in „Ganz der Opa” vom Enkel, der<br />
dem Großvater mit Begeisterung nacheifert.<br />
Aber auch die klassischen <strong>Handwerk</strong>sbetriebe finden oftmals nur schwerlich<br />
<strong>neu</strong>e Auszubildende, welche gerne die vermeintlich angenehmeren Bedingungen<br />
eines Bürojobs vorziehen. Hier lässt sich aber ein kleiner Trend<br />
beobachten: <strong>Handwerk</strong>sbetriebe sind <strong>neu</strong>erdings bestrebt, attraktivere<br />
Ausbildungsplätze für junge Menschen zu schaffen. Es bleibt zu hoffen, dass<br />
diese Bemühungen Früchte tragen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Freude beim Lesen<br />
Ihr<br />
03
<strong>Altes</strong><br />
HANDWERK<br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
INHALT<br />
Forum<br />
Termine<br />
Damals<br />
06 Kreative Workshops<br />
Schönes selber herstellen<br />
08 Termininformationen zu:<br />
· <strong>Handwerk</strong>ermärkten<br />
· Ritterfestspielen<br />
· Trachtenmärkten<br />
69 Der Buchdrucker<br />
Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />
70 Hochdruck<br />
Holzschnitt – Linolschnitt<br />
Titelseite:<br />
Müller Weichold in der Krimhildmühle in <strong>Xanten</strong><br />
Foto: Dennis Mannek<br />
04
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
11 Müller und Mühlen<br />
16 Vom Korn zum Brot<br />
22 Im Reich der bunten Gläser<br />
28 Ganz der Opa<br />
33 Alte <strong>Handwerk</strong>skunst<br />
36 Die Korbmacher<br />
42 Neue Besen fegen gut<br />
48 Traditionelle Käseproduktion<br />
57 Die Miedernäherin<br />
60 Von Böttchern und Fässern<br />
64 Historische<br />
Weinbrennerei Dujardin<br />
74 Bernstein, Gold und Silber<br />
80 Ein Dorf voller<br />
<strong>Handwerk</strong>er<br />
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
30 Der Kupferschmied<br />
und sein Werkstoff<br />
52 „Jan treck an!“<br />
05
Forum<br />
KREATIVE WORKSHOPS<br />
Schönes selber herstellen<br />
Unter dem Motto „Handmade Happinezz“ bietet Sylivia Averdick<br />
verschiedene Workshops an. Der Workshop „Holzarbeiten“<br />
bietet zum Beispiel die Möglichkeit, ein Insektenhotel und<br />
Vogelhaus als Bausatz zu gestalten. Ferner geben die Kurse<br />
„Stempel”, „Papier” und „Seifen” reichlich Gelegenheit, um<br />
schöne Dinge selber anzufertigen.<br />
Vogelhaus<br />
Die Teilnehmer können verschiedene Varianten wählen, ebenso<br />
kann das Häuschen individuell angemalt oder mit Decoupage-Papier<br />
beklebt werden. Hier kennt die Kreativität keine<br />
Grenzen. Die Häuschen müssen dann nur noch zusammengeschraubt<br />
werden.<br />
Insektenhotel<br />
Aus einem Bausatz entsteht ein eigenes Insektenhotel. Insekten<br />
sind wichtig für die Bestäubung der Pflanzen und bekämpfen<br />
zudem Schädlinge. Das Insektenhotel kann in verschiedene<br />
Fächer aufgeteilt und mit den unterschiedlichsten Naturmaterialien<br />
befüllt werden, je nach Wunsch und Bedarf. So<br />
bettet sich der Marienkäfer gerne in Tannenzapfen und frisst<br />
tagsüber die Läuse. Der Laufkäfer frisst nachts die Schnecken<br />
und hält sich gerne in Holzspänen auf, der Schmetterling bekommt<br />
einen exklusiven Eingang. Für die friedliche Mauerbiene<br />
wurden kleine Reagenzgläser eingelassen, in denen sie sich<br />
niederlassen kann. Sie können herausgezogen und die Bienen<br />
beobachtet werden. Es gibt Tonscherben, Stroh und noch<br />
vieles mehr als Baumaterial. Jeder kann sein Hotel den eigenen<br />
Gegebenheiten nach einrichten. Maße: 47 x 37 x 12 cm; das<br />
passt auch in den kleinsten Garten und auf den Balkon.<br />
06
Stempel<br />
Im Kurs „Stempel“ werden bezaubernde Stempel aus verschiedenen<br />
Materialien zum Thema Obst und Gemüse (Erdbeere,<br />
Apfel uvm.) hergestellt. Damit können z.B. selbstgemachte<br />
Konfitüren im Frühjahr mit wunderschönen Motiven verziert<br />
werden. Diverse Vorlagen sind vorhanden. Ebenso werden in<br />
diesem Kurs Geschenkanhänger gestaltet.<br />
Papier<br />
Die Teilnehmer werden in die Welt des Papierschöpfens<br />
eintauchen, so wie es bereits 105 n. Chr. erfunden wurde und<br />
bis heute praktiziert wird. Gezeigt wird auch, wie man Papier<br />
herstellt, presst und trocknet. Ferner beinhaltet der Kurs<br />
das Papiereinfärben und vermittelt Techniken wie Materialien<br />
eingearbeitet und individuelle Briefpapiere selbst hergestellt<br />
werden können.<br />
Seifen<br />
„Von wunderbaren Düften verwöhnen lassen” steht im Seifen-Kurs<br />
ganz oben. Seifen werden gegossen und mit hochwertigen<br />
Ölen, Düften und Farben veredelt. Eine Vielzahl<br />
an Gießformen, Stempeln und Prägeplatten ist vorhanden.<br />
Außerdem werden eine große Badekugel und kleine Gästeseifen<br />
hergestellt. Dazu gibt es eine Seifenschale aus Naturholz<br />
und bei Bedarf eine Geschenkschachtel, damit die liebevoll<br />
hergestellten Seifen auch direkt verschenkt werden können.<br />
Kontakt<br />
Sylvia Averdick<br />
Handmade Happinezz<br />
Kirchstraße 126<br />
47509 Rheurdt<br />
E-Mail: sylvi_av@gmx.de<br />
Homepage: www.kleine-freude.com und<br />
www.kleine-kochfreude.com<br />
Tel: +49(0)157/55989225<br />
Öffnungszeiten:<br />
Eine Woche im Monat; täglich wechselnde Angebote<br />
(siehe Homepage)<br />
Fotos: Sylvia Averdick<br />
07
TERMINE<br />
Stand 01.05.2014 – ohne Gewähr. Es wird empfohlen, sich vor Antritt einer<br />
längeren Anfahrt beim jeweiligen Veranstalter über evtl. Änderungen zu informieren!<br />
MAI<br />
JUNI<br />
AUGUST<br />
24. - 25. Mai<br />
Dampftage im Museum Eslohe<br />
mit Aktionen im Rahmen von<br />
„Tatort Technik“.<br />
Info unter: +49(0)2973/2455<br />
E-Mail: info@museum-eslohe.de<br />
Kontaktadresse: DampfLandLeute -<br />
MUSEUM ESLOHE, Museumsverein<br />
Eslohe e.V., Franz-Josef Keite<br />
In der Schlade 10<br />
59889 Eslohe<br />
Tel. +49(0)2973/6950<br />
Fax: +49(0)2973/9759102<br />
Mail: keite@museum-eslohe.de<br />
Homepage: www.museum-eslohe.de<br />
29. Mai - 01. Juni<br />
GartenLeben Schloss Grünewald<br />
Vielfältige Inspirationen rund um die<br />
Themen Garten, Kunst und Wohnen<br />
mit über 130 Ausstellern auf dem<br />
traumhaften Gelände des Schlosses<br />
Grünewald in Solingen.<br />
Eintritt: 7,- € für alle 4 Tage (mit Wiedereinlassbändchen!)<br />
Anschrift: Schloss Grünewald<br />
Haus Grünewald 1<br />
42653 Solingen<br />
Homepage: www.GartenLeben.net<br />
31. Mai - 01. Juni<br />
Trachten- und <strong>Handwerk</strong>ermarkt des<br />
V.T.E.V Neubeuern e.V.<br />
www.trachtenverein-<strong>neu</strong>beuern.de<br />
Foto: Martina Poll<br />
07. - 09. Juni (Pfingsten)<br />
Flachsmarkt in Krefeld 2014<br />
<strong>Handwerk</strong>er, Ritter & Musikanten rund<br />
um Burg Linn<br />
www.flachsmarkt.de<br />
07. - 09. Juni (Pfingsten)<br />
Ritterfestspiele Pfingsten Burg Satzvey<br />
Höhepunkt des mittelalterlichen<br />
Treibens rund um die Burg sind die<br />
Ritter der Burg Satzvey, die ihre völlig<br />
<strong>neu</strong>e Show präsentieren. Ein großes<br />
Ritterlager und mittelalterliches<br />
Markttreiben machen den Besuch an<br />
den Pfingsttagen auf der Burg zu einem<br />
unvergesslichen Erlebnis für die ganze<br />
Familie: Spielleute, Gaukler, Märchenerzähler<br />
und zahlreiche Händler aus verschiedensten<br />
mittelalterlichen Zünften<br />
machen ihre Aufwartung. Gut siebzig<br />
Händler aus verschiedenen Zünften erwarten<br />
die kleinen und großen Besucher<br />
auf dem großen Burggelände.<br />
Homepage: www.burgsatzvey.de<br />
13. - 15. Juni<br />
GartenLeben Freilichtmuseum<br />
Dorenburg<br />
Vielfältige Inspirationen rund um die<br />
Themen Garten, Kunst und Wohnen mit<br />
über 100 Ausstellern verteilt auf dem<br />
großzügigen, historischen Gelände des<br />
Niederrheinischen Freilichtmuseums.<br />
Neu mit Pflanzenraritätenmarkt!<br />
Eintritt: 7,- € für alle 3 Tage.<br />
Niederrheinisches Freilichtmuseum<br />
Am Freilichtmuseum 1<br />
47929 Grefrath<br />
Homepage: www.GartenLeben.net<br />
13.- 15. Juni<br />
Backesfest in Briedern<br />
Hier wird noch nach altem handwerklichem<br />
Brauch Sauerteigbrot im alten<br />
Steinofen, im „Backes“, gebacken. Zu<br />
frischem Brot gibt es deftige Hausmannskost<br />
und ein Gläschen Moselwein<br />
oder ein frisch gezapftes Bier.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.ferienland-cochem.de<br />
Foto: Mike Göhre<br />
02. - 03. August<br />
Burgfest auf der Reichsburg Cochem<br />
Wenn sich Ritter in glänzenden Rüstungen<br />
duellieren, sich heißes Metall unter<br />
den Schlägen des Schmiedes formt und<br />
sich Gaukler und Musiker gegenseitig in<br />
ihren Darbietungen übertreffen, dann<br />
werden längst vergangene Zeiten wieder<br />
lebendig. Und daher lädt die hoch<br />
über Cochem thronende Reichsburg am<br />
Samstag, 2. August 2014, ab 10.00 Uhr,<br />
und Sonntag, 3. August 2014, ab 11.00<br />
Uhr, zum mittelalterlichen Burgfest.<br />
Homepage: www.reichsburg-cochem.de<br />
30. - 31. August<br />
FineArts Schloss Lembeck<br />
160 Künstler, Kunsthandwerker und Designer<br />
präsentieren hier, an einem der<br />
schönsten barocken Wasserschlösser<br />
Deutschlands, ihre ausschließlich selbst<br />
gefertigten Exponate. Eintritt: 8,- €<br />
Euro, Kinder (6 – 14 Jahre) 2,- € Euro.<br />
Schloss Lembeck<br />
Schloss 1, 46286 Dorsten.<br />
Homepage: www.Schloss-Lembeck.net<br />
08
RESTAURATOR IM HANDWERK E.V.<br />
RESTAURATOR IM HANDWERK E.V.<br />
RESTAURATOR IM HANDWERK E.V.<br />
SEPTEMBER<br />
13. - 14. September<br />
Landwirtschaft am Kiekeberg –<br />
Dampf- und Traktorentreffen<br />
Im September knattert und dampft es<br />
im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Das<br />
große Dampf- und Traktorentreffen<br />
präsentiert außergewöhnliche Dampfmaschinen<br />
und alte Traktoren zwischen<br />
den historischen Gebäuden. Beeindruckende<br />
Vorführungen der Maschinen<br />
versetzen Besucher in Staunen. Ein<br />
Schwerpunkt in diesem Jahr wird das<br />
Thema Holz sein. Zwei Sägewerke, die<br />
mit Dampfmaschinen betrieben werden,<br />
Foto: Dirk Jochmann<br />
eine fahrbare Bandsäge, Holzspalter<br />
und Buschhacker sind an diesem Tag im<br />
Einsatz.<br />
Stiftung Freilichtmuseum<br />
am Kiekeberg, Am Kiekeberg 1,<br />
21224 Rosengarten-Ehestorf.<br />
Homepage: www.kiekeberg-museum.de<br />
27. - 28. September<br />
Dampftage im Museum Eslohe<br />
mit Aktionen im Rahmen von<br />
„Tatort Technik“<br />
Info unter: +49(0)2973/2455<br />
E-Mail: info@museum-eslohe.de.<br />
Kontaktadresse: DampfLandLeute –<br />
MUSEUM ESLOHE, Museumsverein<br />
Eslohe e.V., Franz-Josef Keite,<br />
In der Schlade 10,<br />
59889 Eslohe,<br />
Tel. +49(0)2973/6950;<br />
Fax: +49(0)2973/9759102<br />
Mail: keite@museum-eslohe.de<br />
Homepage: www.museum-eslohe.de<br />
Deutschland<br />
9,– €<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong> • Ausgabe 1/2013 • ISSN 1869-7119<br />
Themenschwerpunkt<br />
WAND<br />
FLIESEN<br />
1 / 2013<br />
Mit Beiträgen von:<br />
Wolfgang Pehnt, Jürgen Biewend, Ulrich Hamburg, Clemens Alexander<br />
Wimmer, Willi Bender, Konrad Schittek, Ulrich Bierstedt, Hans Kuretzky,<br />
Andreas Fritsche, Thomas Rabenau, Eberhard Ludwig u. v. m.<br />
Deutschland<br />
9,– €<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong> • Ausgabe 2/2013 • ISSN 1869-7119<br />
Themenschwerpunkt<br />
2 / 2013<br />
Künstliche Baustoffe<br />
und KUNST-Stoffe im Bauwesen<br />
Mit Beiträgen von:<br />
Johannes Weber, Hartwig Schmidt, Gottfried Hauff, Michael Christian Krempler,<br />
Andreas Kurzweil, Silvia Tauss, Friederike Waentig, Julia Gredel, Dietmar Linke,<br />
Annemarie Rothe, Eberhard Ludwig u. v. m.<br />
Deutschland<br />
9,– €<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong> • Ausgabe 3/2013 • ISSN 1869-7119<br />
Themenschwerpunkt<br />
3 / 2013<br />
METALLRESTAURIERUNG<br />
Mit Beiträgen von:<br />
York Rieffel, Klaus Brandes, Christian Metzeroth, Georg Ignaszewski, Thomas<br />
Dempwolf, Ralf Meyer, Michael van Ooyen, Dirk Meyer, Angelika Braubach,<br />
Eberhard Ludwig, Klaus Struve, Thomas Müller u. v. m.<br />
Deutschland<br />
9,– €<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong> • Ausgabe 4/2013 • ISSN 1869-7119<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong><br />
DIE FACHZEITSCHRIFT FÜR RESTAURIERUNGSPRAXIS<br />
4 / 2013<br />
Deutsche<br />
Themenschwerpunkt<br />
Natursteinvorkommen<br />
Mit Beiträgen von:<br />
Enno Steindlberger, Thomas Kirnbauer, Gerhardt A. Roth, Gerda Schirrmeister,<br />
Tobias Neubert, Christoph Reuther, Céline Dupeux, Uwe Schön, Horst Hesse,<br />
Markus Sandner, Sabine Bengel u. v. m.<br />
Abonnement<br />
Ein Jahres-Abonnement<br />
(4 Ausgaben) kostet<br />
30,00 Euro inkl. 7%<br />
Mwst. und Versand<br />
innerhalb Deutschlands<br />
bzw. 40,00 Euro bei Versand<br />
innerhalb der EU.<br />
Bezugspreis: 9 Euro<br />
ISSN 1869-7119<br />
4 Ausgaben im Jahr mit Fachbeiträgen zu Schwerpunktthemen in der Restaurierung<br />
Weitere Informationen und Onlineausgaben finden Sie unter www.restaurator-im-handwerk.de<br />
Redaktion Restaurator im <strong>Handwerk</strong><br />
Gierkeplatz 9 | 10585 Berlin | Tel.: 030 - 63 96 30 49 | Fax: 030 - 63 96 30 66 | redaktion@restaurator-im-handwerk.eu<br />
Herausgegeben von der Bundesvereinigung Restaurator im <strong>Handwerk</strong> e. V.<br />
09
Erleben Sie “ALTES HANDWERK”<br />
live vor Ort bei einem Besuch im museum<br />
DAS ERFOLGSMUSEUM IN SÜDWESTFALEN<br />
FASZINATION TECHNIK<br />
Alte Technik begeistert! Kleine und Große, Alte und Junge, Technikfans<br />
und Laien.<br />
Tausend Fragen werden wach: Wie und warum funktioniert das?<br />
Wer hat sich das ausgedacht? Wofür braucht man das? Ganz viele<br />
Antworten hierauf gibt es im Technikmuseum Freudenberg!<br />
Hier heißt es, Mechanik begreifen und<br />
mit allen Sinnen erleben: Es surrt und<br />
ächzt, der Schmiedehammer kracht,<br />
es riecht nach heißem Öl und die<br />
Transmissionsriemen klatschen laut<br />
und durchdringend. Denn nicht nur<br />
die Deutschlandweit größte vollfunktionsfähige<br />
Sammlung von 25 alten<br />
Werkzeugmaschinen, angetrieben durch eine geschichtsträchtige<br />
Dampfmaschine und dazugehörige Transmissionen, gibt es zu<br />
erleben, sondern auch historische Fahrzeuge, Webstühle, über 40<br />
Dampfmaschinenmodelle…..<br />
Besuchen Sie uns unter www.technikmuseum-freudenberg.de im<br />
Internet. Hier erfahren Sie unsere Öffnungszeiten, aktuelle Veranstaltungen<br />
und vieles mehr. Wir freuen uns auf Sie!<br />
Technikmuseum Freudenberg<br />
Olper Straße 5 I 57258 Freudenberg I Tel.: 02734-3248<br />
Info@technikmuseum-freudenberg.de<br />
www.technikmuseum-freudenberg.de<br />
Freilichtmuseum Ensemble Gerersdorf<br />
Das größte Freilichtmuseum<br />
des Südburgenlandes - im<br />
Südosten Österreichs - ist seit<br />
vielen Jahren ein kulturhistorischer,<br />
touristischer, künstlerischer<br />
und handwerklicher Fixpunkt<br />
in dieser Region. In der<br />
idyllischen Hügellandschaft<br />
befinden sich über 30 typisch<br />
regionale, hierher übertragene<br />
bäuerliche Gebäude der<br />
letzten drei Jahrhunderte, die teilweise noch mit Stroh gedeckt<br />
sind und eine Fülle bodenständiger Gebrauchsgegenstände und<br />
Gerätschaften beherbergen.<br />
In diesem reizvollen Ambiente<br />
werden alte traditionelle<br />
<strong>Handwerk</strong>stechniken<br />
an Interessierte in Kursen<br />
weitergegeben: Kunstschmieden<br />
und Klingenschmieden,<br />
Möbel-Restaurieren, Keramik,<br />
Glaser-Techniken, Korbflechten,<br />
Fotografie, Filzen und<br />
Handweben. Das Besondere<br />
an diesen Kursen ist die<br />
Arbeit in den historischen Original-Werkstätten des Museums wie<br />
Schmiede, Tischlerhaus oder Glaserei. Alle Details dazu finden Sie<br />
auf unserer Homepage.<br />
Freilichtmuseum Ensemble Gerersdorf<br />
7542 Gerersdorf bei Güssing 83, Südburgenland, Österreich,<br />
Tel. +43 3328 32255, Internet: www.freilichtmuseum-gerersdorf.at<br />
E-Mail: freilichtmuseum.gerersdorf@aon.at<br />
Wir bewahren alte <strong>Handwerk</strong>s-Traditionen<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg.<br />
• Brennerei<br />
• Bäckerei<br />
• Schmiede<br />
• Weberei<br />
• Kaffeerösterei<br />
Ganzjährig geöffnet!<br />
Genuss schmeckt<br />
Unsere Traditionsbrände<br />
sind online erhältlich!<br />
Tel. (0 40) 79 01 76-0<br />
www.kiekeberg-museum.de<br />
direkt an der A7<br />
kostenfreie Parkplätze<br />
10
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Müller und Mühlen<br />
von Klaus-Uwe Hölscher<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und<br />
Mühlenerhaltung veranstaltete am Pfingstmontag<br />
2013 den 20. Deutschen Mühlentag, der bereits seit<br />
1994 ausgerufen wird. In der gesamten Bundesrepublik<br />
laden rund 1000 Wind- und Wassermühlen zu Besichtigungen,<br />
Führungen und verschiedenen Aktivitäten ein. Die<br />
Niedersächsische Mühlenstraße zeigt allein in Ostfriesland<br />
Reisewege zu 94 Mühlen. Das Gebiet umfasst die Städte<br />
Wilhelmshaven und Emden sowie die Landkreise Ammerland,<br />
Aurich, Friesland, Wesermarsch, Wittmund und Leer.<br />
Im Landkreis Leer waren am Mühlentag die Windmühlen<br />
vom Typ Galerieholländer in Bunde, Ditzum, Hahnentange-Rhauderfehn,<br />
Holtland, Idafehn, Jemgum, Mitling-Mark,<br />
Neermoor, Rhaude, Stapelmoor und Südgeorgsfehn-Uplengen<br />
geöffnet.<br />
Die Niedersächsische Mühlenstraße erschließt auf einer 3650<br />
km langen Strecke das nördliche und mittlere Niedersachsen<br />
von der Nordsee bis zum Solling im Weserbergland und von<br />
Ostfriesland bis zur Elbe. Geplant ist, dass zukünftig alle<br />
Gebiete Niedersachsens für Freunde historischer Mühlentechnik<br />
erschlossen sein werden. Nicht was die Bauweise der<br />
Mühlen anbetrifft, sondern nach ihrem derzeitigen Zustand<br />
lassen sich vier Gruppen unterscheiden: Museumsmühlen,<br />
Wohnmühlen, noch gewerbsmäßig betriebene und stillgelegte<br />
Mühlenbetriebe. Wenn man Glück hat, ist dort noch alles<br />
stehen- und liegengeblieben wie am letzten Betriebstag.<br />
„Pelde“ nicht im Duden<br />
Wasser und Windkraft dienen zum Antrieb von Mühlen,<br />
die recht vielseitig einzusetzen sind. Am häufigsten dürften<br />
wohl Getreidemühlen sein, die das Korn zu Mehl, Schrot<br />
oder auch Grütze mahlen. Getreidekörner ohne Hülsen sind<br />
Graupen, die in Peldemühlen anfielen. Das Wort „Pelde“<br />
jedoch sucht man vergeblich im Duden und anderen <strong>neu</strong>zeitlichen<br />
Wörterbüchern, da es offensichtlich nur regional<br />
gebräuchlich ist. Mühlen dienten auch zum Mahlen von<br />
Ölfrüchten und Senfsaaten.<br />
Außer zur Bearbeitung und Herstellung von Lebensmitteln<br />
gab es Sägemühlen (Holzbearbeitung durch Gattersägen),<br />
Schleifmühlen (Bearbeiten von Sandsteinen) und Papiermühlen,<br />
in denen Lumpen zur Papierherstellung zerstampft<br />
wurden. Auch Muschelschalen wurden in Mühlen zu Baukalk<br />
gemahlen. Mühlen arbeiteten auch als Schöpfwerke zur<br />
Entwässerung von tiefer gelegenen Landschaften, besonders<br />
in den Niederlanden. Das Wasser wurde mit Schöpfrädern<br />
oder archimedischen Schrauben (Schneckenräder als Wasserhebewerk)<br />
auf ein höheres Ablaufniveau gehoben.<br />
Überall „müllert“ es<br />
Die Berufsbezeichnung Müller ist als Familienname weit<br />
verbreitet. Zu den bekannten Redewendungen gehört „Lieschen<br />
Müller“. Sie gilt als Inbegriff einer durchschnittlichen<br />
Frau, die keine großen Ansprüche stellt. Statt „Forelle blau“<br />
(also sanft gekocht) gibt es den Fisch auch nach Müllerin Art<br />
(leicht paniert und gebraten). Mühle gibt es als Brettspiel,<br />
bekannt sind auch die Ausdrücke Tret- und Zwickmühle für<br />
durchaus stressige Situationen.<br />
Die Mühle ist im Volksmund fest verankert, dafür hier nur<br />
zwei Beispiele: der Kinderabzählvers „Ich und Du, Müllers<br />
Kuh, Müllers Esel, das bist Du“ und das Volkslied: „Es<br />
klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp, klapp.“<br />
Jemanden durch die Mühle drehen bedeutet, dass man ihm<br />
hart zusetzt. Bekanntlich <strong>erlebt</strong>en Max und Moritz dieses<br />
Schicksal als überharte Strafe für ihre Streiche. Ein mittelhochdeutscher<br />
Dichter beklagt sich darüber, dass seine<br />
Kunstwerke beim Publikum kaum Anerkennung finden:<br />
„Des ist geharpfet in der mül.“ Er kommt sich so vor, als ob<br />
er in einer Mühle Harfe spielt. Er wirft gewissermaßen seine<br />
Perlen vor die Säue.<br />
Mühle in Leer-Logabirum<br />
Einige Windmühlen sollen hier kurz vorgestellt werden.<br />
Die Mühle Logabirum ist die einzige im Stadtgebiet<br />
von Leer-Ostfriesland heute noch erhaltene Windmühle,<br />
während um 1900 noch über ein Dutzend vorhanden<br />
waren. Im Jahre 1895 ließ sich Jan Gerads Eiklenborg<br />
einen zweistöckigen reetgedeckten Galerieholländer mit<br />
Segelgatterflügeln als Getreidemühle und mit Sägegatter<br />
11
Mühle Eiklenborg in Leer-Logabirum als reetgedeckter Galerieholländer<br />
erbauen. Sein Sohn Johann Gerhard stellte den Mühlenbetrieb<br />
1935/36 auf Motorkraft um. Den Zweiten Weltkrieg<br />
überstand die Mühle Logabirum fast unversehrt, nur das<br />
Windrosenbrett wurde beschädigt. 1968 wurde der Enkel des<br />
Erstbesitzers Eigentümer.<br />
Mit der Gründung des Mühlenvereins 1995 begannen<br />
umfangreiche Restaurierungsarbeiten: Eine <strong>neu</strong>e Galerie<br />
wurde angebaut und die Gattersäge wieder auf Windbetrieb<br />
umgestellt. Somit ist die Mühle in allen Funktionen<br />
wieder betriebsfähig. Am Mühlentag fand ein Fest statt und<br />
es wurde im mühleneigenen Holzbackofen Brot gebacken.<br />
Außer den vielen Gästen war auch ein Storchenpaar dabei,<br />
das auf einem hohen Gittermast neben der Mühle Logabirum<br />
ein Nest bezogen hatte und sich durch die Veranstaltung<br />
keinesfalls stören ließ. Besonders für Radwanderer ist<br />
die Mühle Eiklenborg in Leer-Logabirum ein beliebtes Ziel<br />
mit Übernachtungsmöglichkeit.<br />
Peldemühle in Jemgum<br />
Von Leer bis zur Gemeinde Jemgum im Rheiderland sind<br />
es nur ca. 8 Kilometer. Man kann die Ems über die Jan-<br />
Berghaus-Brücke überqueren oder auf der Autobahn den<br />
Emstunnel benutzen. Schon bevor man den Ort erreicht,<br />
hebt sich die Peldemühle mit ihrer Kappe, der Windrose<br />
Die Peldemühle in Jemgum (LK Leer) konnte<br />
2006 ihr 250-jähriges Jubiläum feiern<br />
12
und den Flügeln deutlich vom Horizont ab. Die Jemgumer<br />
Peldemühle wurde bereits 1756 erbaut und konnte somit im<br />
Jahre 2006 ihr 250-jähriges Bestehen feiern. Schon vorher<br />
gab es eine Windmühle in Jemgum, die der Müller Gerd<br />
Kreling 1740 gekauft hatte, die aber offensichtlich zu niedrig<br />
gebaut war. Deshalb wandte sich Kreling an die Kriegs- und<br />
Domänenkammer in Aurich mit der Bitte, die Mühle höher<br />
zu errichten, da es ihm wegen der in Jemgum aufgebauten<br />
höheren Häuser an dem erforderlichen Mühlenwind fehle.<br />
Dieses Gesuch wurde genehmigt, und somit konnte Kreling<br />
1756 den <strong>neu</strong>en Galerieholländer bauen.<br />
In den zwei Jahrhunderten bis 1955 gab es mehrere Besitzerwechsel,<br />
dann kaufte Knut Hetzke die Mühle von der Familie<br />
Athen. Es folgten umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten,<br />
die durch Blitzschlag bzw. Alterung<br />
notwendig wurden. Ebenso wie in Leer-Logabirum wurde<br />
auch in Jemgum ein Mühlenverein gegründet. Im Motorschuppen<br />
war vor dem 2. Weltkrieg ein Gasmotor installiert<br />
worden, mit dem Geräte in der Mühle betrieben wurden.<br />
1997 wurde hier ein Mühlencafé eingerichtet, in dem den<br />
Besuchern ostfriesischer Tee und Kuchen angeboten werden.<br />
Die Mühle, die auch das Gemeindewappen von Jemgum<br />
ziert, dient auch als Standesamt für Hochzeiten.<br />
Roggenmühle als Wohnhaus<br />
Mahlgang mit Mühlstein in der Peldemühle in Jemgum<br />
Wie aufwändig der Erhalt der Mühle ist, zeigt folgende Tatsache:<br />
Obwohl erst im Jahre 2004 die Tragbalken der Kappe<br />
und die Flügel komplett er<strong>neu</strong>ert wurden, riss im Juni 2011<br />
eine heftige Windhose einen Flügel ab, der auf dem Grundstück<br />
nebenan landete, dort aber keinen weiteren Schaden<br />
anrichtete. Außer der Peldemühle von 1756, die von der<br />
Familie Hetzke und dem Mühlenverein betreut wird, gibt es<br />
in Jemgum noch die Roggenmühle. Sie wurde im April 1945<br />
in Brand geschossen, so dass nur der Unterbau bestehen blieb,<br />
in dem eine Motormühle und später nur noch ein Lager untergebracht<br />
war. Der vollständige Abbruch der Roggenmühle<br />
wurde jedoch verhindert, da der Schulrektor Cornelius das<br />
Gemäuer kaufte und es 1972 zu einem Wohnhaus ausbaute.<br />
Obwohl Galerie, Kappe und Flügel fehlen, kann man an<br />
dem achteckigen Unterbau doch noch den Grundriss bzw.<br />
Umfang der Roggenmühle erkennen.<br />
Da das Rheiderland zwischen Dollart und Emsmündung im<br />
Verhältnis zum Meeresspiegel recht tief liegt, sind nicht nur<br />
der Bau von Deichen, sondern die Entwässerung des Landes<br />
von existentieller Wichtigkeit. Nach holländischem Vorbild<br />
setzte man Windmühlen als Wasserschöpfmühlen ein. So<br />
leistet noch heute an einem der tiefsten Punkte Deutschlands<br />
(2,72 Meter unter NN) die Wasserschöpfmühle Wynhamster<br />
Kolk diese Arbeit. Ihre Förderschnecken schaffen bis zu 175<br />
Liter in der Sekunde. Im Normalbetrieb bei Windstärke 3 ‒<br />
4 beträgt die Leistung 70 ‒ 80 Liter. Bei Windstille erfolgt<br />
der Antrieb durch zwei Elektromotoren. Von der Wasserschöpfmühle<br />
Wynhamsterkolk sind es nur ca. 25 Kilometer<br />
bis zum Museum „Stoomgemaal-Winschoten“ in Holland.<br />
Dort treibt eine 175-PS-starke Dampfmaschine an einigen<br />
Wochenenden im Sommer die Förderschnecken an.<br />
Ditzum: Mühlenachtkant per Landungsboot<br />
Ein weiterer Galerieholländer vergleichbar mit der<br />
Peldemühle in Jemgum ist in Ditzum zu besichtigen. Dieser<br />
Ort im Rheiderland gewinnt seinen besonderen Reiz durch<br />
seinen Emshafen, von dem aus eine Kutterflotte auf Krabbenund<br />
Plattfischfang geht. Die Ditzumer Getreide-Windmühle<br />
geht auf das Jahr 1769 zurück und <strong>erlebt</strong>e durch Brände<br />
mehrere Umbauten. Bis zum Tode des letzten Müllers Nikolaus<br />
Steen im Jahre 1986 wurde sie zum Getreidemahlen<br />
betrieben. Der 1988 gegründete Mühlenverein Ditzum setzte<br />
sich engagiert für den Erhalt der Mühle ein. Besonders spektakulär<br />
war eine Aktion im Jahre 1992: Ein Landungsboot der<br />
Bundesmarine transportierte einen alten Mühlenachtkant aus<br />
Schleswig-Holstein über die Nordsee und emsabwärts nach<br />
Ditzum. Dort wurde der Achtkant repariert, mit Schiefer<br />
gedeckt und mit einer <strong>neu</strong>en Galerie auf den Mühlenstumpf<br />
aufgesetzt. Auch das Müllerhaus wurde nach historischem<br />
Vorbild wieder aufgebaut. Im Erdgeschoss der Ditzumer<br />
Mühle hat der Arbeitskreis der Landfrauen eine Stöberstube<br />
eingerichtet, der darüberliegende Mehlboden dient als<br />
Teestube und lädt zum Verweilen ein.<br />
Es gibt wohl kaum einen Ort in Deutschland, der gemessen<br />
an seiner Einwohnerzahl so viele Wind- und Wassermühlen<br />
aufzuweisen hat. Gemeint ist das staatlich anerkannte Moorheilbad<br />
Bad Düben im Muldentalkreis nördlich von Leipzig.<br />
Beim Rundgang durch den ca. 8000 Einwohner zählenden<br />
13
Wasserschöpfmühle in Wynhamsterkolk im Rheiderland (1804)<br />
Kurort kann man 5 Mühlen besichtigen. Der besondere Reiz<br />
liegt darin, dass sie sich in ihrer Bauart voneinander unterscheiden,<br />
so dass man in Bad Düben eine besondere Vielfalt<br />
erleben kann.<br />
Einzigartige Schiffmühle<br />
Architektonisch einzigartig und daher besonders selten ist<br />
die Bergschiffmühle am Fuße von Bad Düben im ehemaligen<br />
Wallgraben. Die Mühle ruht, eigentlich müsste sie schwimmen,<br />
auf zwei Pontons, woher ihr Name rührt. Ihr Ursprung<br />
geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Durch Hochwasser und<br />
Brände wurde sie oft in Mitleidenschaft gezogen und musste<br />
immer wieder repariert bzw. er<strong>neu</strong>ert werden. Bevor sie in<br />
den Burggraben umgesetzt wurde, befand sich die Schiffmühle<br />
an der Mulde. Seit dem 10. Deutschen Mühlentag im Jahre<br />
2003 ist sie wieder in den Originalzustand von 1905 versetzt.<br />
Im Schraubenkanal wird das Wasser per<br />
Schneckenrad gefördert<br />
Unmittelbar am Kurpark von Bad Düben liegt die Obermühle.<br />
Diese erstmals 1434 urkundlich genannte Wassermühle<br />
besitzt heute nur noch ein Wasserrad. Ursprünglich trieben<br />
fünf Wasserräder die Mahlgänge, Ölmühle, Walkmühle und<br />
Schneidgang mit Holzsäge an. Ende der 1940er Jahre wurde<br />
die Obermühle stillgelegt. Heute ist der Verein Museumsdorf<br />
Dübener Heide e.V. Mühlenbetreiber. Zum Areal gehören<br />
Garten und Feldscheune, ein historischer Backofen liefert<br />
köstliches Brot.<br />
Die einzige heute noch gewerblich betriebene Wassermühle<br />
in Bad Düben ist die Stadtmühle „Schüßler“, benannt nach<br />
der Inhaberfamilie. Hauptsächlich liefert die Mühle Roggenmehl<br />
für Bäckereien und Schrot für Futterzwecke.<br />
„Innenleben“ der Getreide-Windmühle in Ditzum<br />
14
Bockwindmühle in Bad Düben vom Verein Museumsdorf<br />
Dübener Heide <strong>neu</strong> errichtet<br />
Windmühle Ditzum: Achtkant per Landungsboot transportiert<br />
Zwei Bockwindmühlen in Bad Düben<br />
Zum Bad Dübener Mühlenensemble gehören auch zwei<br />
Bockwindmühlen. Im Unterschied zum Galerieholländer, bei<br />
dem die Windrose nur die Kappe der Mühle mit den Flügeln<br />
in den Wind dreht, bewegt sich bei der Bockwindmühle das<br />
gesamte Mühlengebäude. Deshalb sind Bockwindmühlen<br />
wesentlich leichter konstruiert, statt achtkantigem Mauerwerk<br />
baute man Holzkörper mit quadratischem Grundriss.<br />
Bei Bedarf konnte man Bockwindmühlen sogar versetzen.<br />
Die Dübener Mühle wurde 1840 bei Leipzig erbaut. Auf<br />
Initiative des Vereins Museumsdorf Dübener Heide wurde<br />
sie in Bad Düben <strong>neu</strong> errichtet, wobei fast 70 Prozent ihrer<br />
historischen Bausubstanz wieder verwendet werden konnten.<br />
Im Bad Dübener Ortsteil Tiefensee befindet sich die zweite<br />
Bockwindmühle, die ebenfalls hier einen <strong>neu</strong>en Standort<br />
erhalten hat. Die ursprünglich im Raum Delitzsch 1847<br />
errichtete Mühle wurde aber schon um 1900 umgesetzt.<br />
Bis 1926 wurde mit Windkraft gemahlen, dann wurde ein<br />
Dieselmotor und ab 1940 noch ein Elektromotor eingesetzt.<br />
Im Jahre 1953 erfolgte die Stilllegung. Die Bockwindmühle<br />
befindet sich in 4. Generation in der Familie Sommerfeld<br />
und fungiert als Schaumühle.<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Bergschiffmühle in Bad Düben am Fuße der Burg an Land gesetzt<br />
Kontakt<br />
Mühle Leer-Logabirum:<br />
Jan und Anita Eiklenborg<br />
Logabirumer Str. 55<br />
26789 Leer<br />
Tel.: +49(0)491/239955<br />
Fax: +49(0)491/72878<br />
E-Mail: muehle@eiklenborg.de<br />
Peldemühle Jemgum:<br />
Adele und Knut Hetzke<br />
Kreuzstraße 2<br />
26844 Jemgum<br />
Tel.: +49(0)4958/336<br />
(Mühlenverein Jemgum)<br />
Ostfriesland Tourismus GmbH<br />
26789 Leer<br />
Tel.: +49(0)491/91969660<br />
E-Mail: urlaub@ostfriesland.de<br />
Homepage: www.ostfriesland.de<br />
Wasserschöpfmühle Wynhamster Kolk:<br />
26831 Bunde-Dollart<br />
G. Däuber<br />
Tel.: +49(0)4959/312<br />
E-Mail: an@gdaeuber.de<br />
Homepage: www.gemeinde-bunde.de<br />
Windmühle Ditzum: Mühlenstraße 10<br />
26844 Ditzum<br />
Johann Duin<br />
Tel.: +49(0)4992/91 2930<br />
E-Mail: johann.duin@ewetel.net<br />
Homepage: www.muehleditzum.de<br />
Touristinformation Bad Düben:<br />
Paradeplatz 19<br />
04849 Bad Düben<br />
Tel.: +49(0)34243/52886<br />
Fax: +49(0)34243/52886<br />
E-Mail: stadt.bad.dueben@t-online.de<br />
Homepage: www.bad-dueben.de<br />
15
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
„Vom Korn zum Brot“<br />
Die <strong>Kriemhildmühle</strong> in <strong>Xanten</strong><br />
von Udo Mannek<br />
Es regnet. Wohliger Geruch aus der Backstube durchströmt<br />
die Mühle. Gepaart mit dem Kaffeeduft aus<br />
dem ebenerdigen kleinen aber feinen Verkaufsraum<br />
für Brot, Obst, Gemüse und Weine wird der Appetit auf ein<br />
zweites Frühstück angeregt. Wir werden freundlich begrüßt.<br />
Die Segel sind gesetzt und die Holzräder ins Getriebe gelegt.<br />
Müller Rolf Peter Weichold führt uns durch die einzige<br />
Mühle des Niederrheins, die heute noch täglich betrieben<br />
wird. Zuerst klettern wir über schmale steile Treppen<br />
hinauf. In der ersten Etage mit Tisch und Stühlen legen wir<br />
zwischen Weinregalen unsere Ausrüstung ab. Dann geht<br />
es weiter hoch auf den Mehlboden. Hier rutscht das frisch<br />
gemahlene Vollkornmehl von den Mühlsteinen kommend<br />
über das Mehlrohr in die Mehltonne. Vom Mehlboden<br />
führen zwei Türen nach draußen auf die Galerie. Eine Etage<br />
darüber befindet sich der Steinboden mit Mahlgang, also<br />
den Mühlsteinen, sowie Stirn- und Stockrad. Von hier aus<br />
läuft das Getreide aus dem Trichter in die Mühlsteine. Wir<br />
steigen weiter nach oben und gelangen auf den Hebeboden<br />
mit dem windbetriebenen Antrieb für den Sackaufzug. In<br />
einem Schrank wird Werkzeug verwahrt. Über eine schmale<br />
Leiter erreichen wir den Kappenboden. Hier muss man<br />
besonders auf seinen Kopf achten. Ein kurzes Stück müssen<br />
wir sogar auf allen Vieren kriechend überwinden. Über uns<br />
ist nur noch das drehbar gelagerte Dach, die Mühlenkappe<br />
mit der Flügelwelle und das Oberkammrad, welches mit<br />
seinem Zahnrad in das vertikal liegende Königsrad greift<br />
und die Königswelle antreibt. Mir ist es fast zu eng hier oben.<br />
Unser Fotograf klettert dem Müller bis zum Fenster vorne<br />
am Flügelrad hinterher. Schnell merken wir auch, dass unsere<br />
schwarze Kleidung und Ausrüstung von der Farbgebung her<br />
nicht die ideale Wahl des Tages ist. Hier oben beginnt dann<br />
auch die Führung durch die Mühle.<br />
16
Ausgeklügelte Mühlentechnik<br />
Das Dach der Mühle ist in der sogenannten „boat-shaped“-<br />
Form erbaut. Und es erinnert in der Tat an einen auf dem<br />
Kopf liegenden Schiffsrumpf. Die Mühlenkappe ist drehbar<br />
und auf schienengeführten Eisenrollen gelagert. So kann der<br />
Müller von der Galerie aus die Mühle mittels Krühwerk in<br />
den Wind drehen. Früher war die Mühlenkappe der <strong>Kriemhildmühle</strong><br />
mit Holzlagern ausgestattet. Bis hier nach oben<br />
muss der Müller mindestens einmal täglich zur Sichtkontrolle:<br />
er muss schauen, ob Nägel oder Holzkeile auf dem<br />
Boden liegen, welche irgendwo herausgefallen sein könnten.<br />
Heute ist alles in bester Ordnung, und dem weiteren Betrieb<br />
der Mühle steht nichts im Wege.<br />
Der Raum wird durch die großen Holzzahnräder des<br />
Oberkammrades und des Königrades sowie der gewaltigen<br />
Flügelwelle dominiert, welche die gewaltigen Kräfte, die hier<br />
herrschen, erahnen lassen. Die ca. 400 Jahre alte Flügelwelle<br />
aus Eiche wurde damals aus einem ganz speziellen Baum<br />
hergestellt. Der Förster wusste damals ganz genau, welcher<br />
Baum sich für welche Anwendung eignet. Die Bremse,<br />
welche die Mühle im Zaum hält, besteht heute aus einem<br />
Stahlband, welches mechanisch über das Oberkammrad<br />
gelegt wird. Früher bestand die Bremse aus geformten<br />
Holzblöcken. Die Zähne der Zahnräder sind aus Buche<br />
angefertigt. Sie werden mit Bienenwachs geschmiert. Die<br />
Zähne zeigen nach über 20 Jahren Einsatz kaum Spuren der<br />
Abnutzung. Ersatzzähne, die der Mühlenbauer vor 20 Jahren<br />
hinterließ, sind dagegen allesamt vom Holzwurm zerfressen<br />
worden. Von 1990 bis 1992 fand eine Vollrestaurierung der<br />
Mühle statt. Zu 80 % wurde damals das Dach er<strong>neu</strong>ert.<br />
17
DIE KRIEMHILDMÜHLE IN XANTEN<br />
Ursprünglich Ende des 14. Jahrhunderts erbaut, war die <strong>Kriemhildmühle</strong><br />
als Wach- und Wehrturm als Bestandteil der <strong>Xanten</strong>er Stadtbefestigung<br />
konzipiert. Im bis zum Jahre 1648 dauernden Dreißigjährigen Krieg wurde der<br />
Turm stark beschädigt. Bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 nutzte<br />
man den Turm als Wohnraum für Nachtwächter der Stadt; deshalb auch die<br />
Bezeichnung „Nachtwächterturm“. In den folgenden Jahren wurde der Turm<br />
verkauft und zu großen Teilen abgerissen. Im Jahre 1778 erwarb der Kaufmann<br />
Gerhard Schleß den Turm. Dieser ließ die Wände des Turms er<strong>neu</strong>ern und<br />
ein Gartenhaus im Turm einrichten. 1804 erfolgte der Umbau durch<br />
Heinrich Schleß zu einer 19,3 m hohen windbetriebenen Ölmühle. Kurz<br />
darauf verkaufte Schleß die Mühle an einen Müller. Die <strong>Kriemhildmühle</strong><br />
wurde damit zu einer Getreidemühle und gelangte später in den Besitz der<br />
Stadt <strong>Xanten</strong>. Nachdem bereits große Teile der Stadtbefestigung abgerissen<br />
worden waren, lehnte 1843 der <strong>Xanten</strong>er Stadtrat den Abriss der Mühle<br />
und des nahe gelegenen Klever Tors ab. In den 1930er Jahren erfolgten nicht<br />
umgesetzte Überlegungen, Strom mit der Mühle zu erzeugen. Seit 1992 wird<br />
in der Mühle wieder Korn zu Mehl verarbeitet und Brot gebacken. Während der<br />
Öffnungszeiten kann die Mühle besichtigt werden. Die malerische <strong>Xanten</strong>er Mühle<br />
war zu allen Zeiten ein beliebtes Motiv, was zahlreiche Schwarz/Weiß- und Farbpostkarten<br />
im Foto-Album des Müllers beweisen. Den Namen verdankt die Mühle<br />
der Kriemhild aus der Nibelungensage. Es existiert in <strong>Xanten</strong> eine weitere Mühle<br />
(Biermann-Mühle), die ursprünglich den Namen „Siegfried von <strong>Xanten</strong>“ trug. Diese<br />
ist heute aber nicht mehr in Betrieb.<br />
Die <strong>Kriemhildmühle</strong> ist mit einem aufwändigen Blitzableitersystem<br />
abgesichert. Statistisch gesehen sei jede Windmühle<br />
einmal im Leben abgebrannt, erklärt uns Müller Weichold.<br />
An der Decke entdecken wir einen Rauchmelder. Dass dies<br />
eine hilfreiche Einrichtung ist, bezweifelt der Müller. Er<br />
glaubt, dass - falls dieser im Brandfall einmal anspricht ‒ es<br />
eh zu spät sei.<br />
Die segelbespannten Flügel sind mit einem drehzahlabhängigen<br />
verstellbaren Fockprofil ausgerüstet. Die gegenüberliegenden<br />
Flügel müssen immer gleichartig mit Segel bespannt<br />
sein. Damit läuft die Mühle ruhiger und gleichmäßiger.<br />
Die Einstellung der Segelfläche muss der Müller<br />
händisch im Stillstand vornehmen. Selbst bei stärkstem<br />
Sturm läuft die Mühle konstruktionsbedingt maximal 20<br />
Umdrehungen in der Minute. Dieser Umstand hat aerodynamische<br />
Gründe. Ein Teil des Windes kommt hinter die<br />
Flügel und verhindert das Schnellerwerden. Selbst bei einem<br />
Orkan wird weiter Korn zu Mehl verarbeitet.<br />
Der obere Mühlstein wiegt 2 Tonnen. Dieses Gewicht ist<br />
auch erforderlich, um ein gutes Mahlergebnis zu erreichen.<br />
Etwa 2 bis 3 kg Körner liegen ständig zwischen den Mühlsteinen.<br />
Reibung erzeugt Wärme, auch die Mahlsteine und<br />
das Mehl werden durch den Mahlvorgang erwärmt. Der Abstand<br />
zwischen den Mühlsteinen kann nach Bedarf verstellt<br />
werden. Wenn der Mahldruck zu groß wird und gleichzeitig<br />
zu wenig Wind weht, kann dies die Mühle unter Umständen<br />
sogar zum Stillstand bringen.<br />
Im Grunde ist die Mühle mit der errechneten Leistung von<br />
15.000 Watt zu klein für eine rein kommerzielle Nutzung.<br />
Jährlich werden hier mit Windkraft jedoch satte 50 bis 60<br />
Tonnen Korn gemahlen. In der Mühlenbäckerei werden im<br />
gleichen Zeitraum 90 Tonnen Mehl verarbeitet. Etwas Zukauf<br />
von den Kollegen ist notwendig.<br />
Bäckermeister und Windmüller Weichold<br />
Müller Weichold bezeichnet sich selbst eher als Technik- und<br />
weniger als Naturfreak. Das kann man in seiner Mühle auch<br />
überall erleben. Er kennt seine Mühle in- und auswendig. Er<br />
hört auf jedes Laufgeräusch, achtet auf Klopfen, Scharren,<br />
Rattern und Quietschen. Ein Schnapsgläschen voll Schmiermittel<br />
an den vorderen und hinteren stählernen Achslagern<br />
der Flügelwelle lässt die Mühle direkt merklich schneller<br />
drehen.<br />
Der Betrieb einer Windmühle ist auch mit Gefahren verbunden,<br />
die der Müller kennt und mit denen er verantwortungsbewusst<br />
umgeht. Sicherheit geht eben vor. Vieles an seiner<br />
Mühle hat Müller Weichold selbst ertüftelt, verbessert und<br />
erfunden. So auch die von ihm so genannten Schwinghebel.<br />
Diese Erfindung ermöglicht es ihm, alle relevanten Funktionen<br />
von den unterschiedlichsten Standorten in der Mühle<br />
mit Seilen bedienen zu können. So auch die „Idiotensperre“,<br />
die verhindern soll, dass ein allzu vorwitziger Besucher die<br />
Mühlenbremse betätigt. Unseren Fotografen, ein ausgebildeter<br />
Automatisierungselektroniker, hat besonders eine<br />
vollkommen mechanisch funktionierende Alarmierung<br />
19
eeindruckt: Wenn sich kein Korn mehr im Trichter zum<br />
Mahlen befindet, bimmelt wie von Geisterhand eine Glocke.<br />
Auch eine Tüftelei vom Windmüller. Gerne verwendet<br />
Weichold alte Mühlenbauteile in seiner Mühle. So dienen die<br />
alten Holzlagerrollen der Mühlenkappe als Gewichte an den<br />
Seilsystemen.<br />
Schon als Kind war Weichold viele Jahre in Holland in Urlaub.<br />
Dabei hat er viele Mühlen gesehen und auch besichtigt,<br />
aber ihre tatsächliche Nützlichkeit nicht wahrgenommen..<br />
Nach dem Abitur war ein Studium geplant. Nach dem Zivildienst<br />
ist Müller Weichold „auf andere Gedanken gekommen“,<br />
wie er selber sagt. Es war die Zeit, als weißes Mehl als<br />
Gift galt und eine Getreidemühle in jedem ernährungsbewußten<br />
Haushalt vorhanden sein „musste“. Inspiriert durch<br />
einen Freund sowie durch Jean Pütz, der davon aber nichts<br />
weiß, kam Weichhold auf den Pfad der gesunden Lebensmittel.<br />
Nach einer Bäckerlehre gründete er eine Ökobäckerei und<br />
kam dann zur Mühle nach <strong>Xanten</strong>. 3 Jahre lang hat er in den<br />
Niederlanden das Müllerhandwerk gelernt.<br />
Windmüller Weichold verfügt über sehr gute Wetterkenntnisse<br />
und nutzt moderne Wetter-Apps zur genauen Vorhersage.<br />
Früher waren die Kenntnisse auch von Bedeutung,<br />
jedoch konnte der Müller nur auf ein Barometer zurückgreifen.<br />
Wenn der Luftdruck bei drohendem Sturm fiel, musste<br />
mit einer Uhr die Zeit gestoppt werden, um zu kontrollieren,<br />
wie schnell der Luftdruck fiel. Daraus konnte er dann<br />
Rückschlüsse ziehen, wann genau der Sturm aufziehen würde.<br />
So konnten auch die Müller vergangener Zeiten zuverlässig<br />
auf den sich berändernden Wind und die Windverhältnisse<br />
reagieren.<br />
20
In einer Sturmfront kann sich der Wind plötzlich um 180<br />
Grad drehen. Die Mühle droht dann rückwärts zu laufen. Der<br />
Müller darf diesen Moment nicht verpassen und muss in den<br />
wenigen Sekunden, in denen die Flügel sich überlegen rückwärts<br />
zu laufen, die Mühle mit Sperrzähnen sperren. Würde<br />
der Müller die Sperre bei drehender Mühle einlegen, würde es<br />
dreimal „knack” machen und die Sperrzahne lägen als Brennholz<br />
am Boden. Eine rückwärts laufende Mühle kann mit der<br />
vorhandenen Mühlenbremse nicht mehr angehalten werden,<br />
da die Bremse mechanisch nur für die Arbeitsdrehrichtung<br />
ausgelegt ist. Außerdem ist die komplette Mühlenmechanik<br />
auf Druckkräfte ausgelegt. Dies ist nur bei regulärer Drehrichtung<br />
gewährleistet. Eine rückwärts laufende Mühle könnte<br />
die Mühle zerstören. Müller Weichhold hat dies alles fest im<br />
Griff. Auch bei Sturm dreht er die Mühle in den Wind und<br />
lässt sie weiterdrehen.<br />
Mitmach- und Erlebnismühle<br />
Im Mühlenladen wird eine große Auswahl an Getränken<br />
und Leckereien angeboten. Diese können oben auf der Galerie,<br />
in der ersten Etage der Mühle und auf der Terrasse in der<br />
autofreien Grünanlage verzehrt werden. Für Kindergärten,<br />
Schulklassen, Betriebsausflüge und auch für Kindergeburtstage<br />
bietet der Mühlenverein <strong>Xanten</strong> ein spannendes Programm.<br />
Von einfachen Führungen über einen Kurs mit Segelsetzen,<br />
mit Wind in den Ohren, Körnern in den Schuhen,<br />
Mehl in der Nase, Fett an den Händen, Teig auf der Hose und<br />
warmem, echt selbstgebackenem Brot in der Tasche ist alles<br />
möglich!<br />
Heutzutage besinnen sich viele Menschen wieder auf alte<br />
Techniken, und gerade der Wind ist eine besonders sympathische<br />
Energiequelle. In <strong>Xanten</strong> lassen Kriemhilds Knechte altes<br />
<strong>Handwerk</strong> wieder lebendig und zu einem besonderen Erlebnis<br />
werden: Mahlen und Backen in einer Hand!<br />
In der Backstube wird jeden Abend ein kräftiger Sauerteig<br />
angesetzt. Am nächsten Morgen riecht dieser reif und alkoholisch,<br />
genau richtig für ein reines Sauerteigbrot. Und das<br />
ohne irgendwelche Backmittel und ohne Zusatz von Hefe.<br />
Seit Eröffnung der Mühle wird mit dem gleichen Ansatz<br />
gearbeitet. Lange Haltbarkeit ist darum auch eine Besonderheit<br />
des reinen Sauerteigbrotes. Auch weicheres und helleres<br />
Brot wird in den Backöfen der Mühle hergestellt. Die Hefebrote<br />
und Brötchen werden aus einer Mischung von 1/3 feinem<br />
Dinkel- und 2/3 feinem Weizen-Vollkornmehl gebacken.<br />
Mit etwas Honig und etwas unraffiniertem Sonnenblumenöl<br />
im Teig schmecken diese ausgezeichnet.<br />
Fotos: Dennis Mannek<br />
BÄRWINDMÜHLE<br />
Besonders am Niederrhein sind gleich mehrere Bärwindmühlen bis heute<br />
erhalten geblieben. Als Bärwindmühle oder auch Wehrwindmühle wird<br />
eine Turmwindmühle bezeichnet, deren Turm als Wehrturm in eine Stadtoder<br />
Festungsmauer integriert ist. Die Wände einer solchen Wehrmühle<br />
waren entsprechend dickwandig ausgelegt, um auch Angriffen<br />
mit schweren Geschossen standhalten zu können. Vermutlich aufgrund<br />
der massiven Form des Turmes, die entfernt an die gedrungene Statur<br />
eines Bären erinnert, leitet sich der Name ab. Seltener werden auch<br />
freistehende und massiv gemauerte Turmwindmühlen als Bärwindmühle<br />
bezeichnet. Nach den vielen Kriegen vor 1800, als Stadtbefestigungen<br />
eigentlich nicht mehr notwendig waren, gab es eine Welle von Konvertierungen.<br />
Wehrtürme wurden verstärkt zu Windmühlen umgebaut.<br />
Die Doppelverwendung einer Bärwindmühle erlaubte eine sinnvolle Ausnutzung<br />
des aufwändigen Bauwerkes. In Friedenszeiten übernahm der<br />
nun eigentlich nutzlose Wehrturm die Aufgabe einer Mühle. Im Verteidigungsfall<br />
diente der Mühlenturm dann als erhöhte Aussichtsplattform<br />
und bot eine bessere Schussposition. Während einer Belagerung war<br />
die Nutzung der Mühle in der Regel nicht möglich. Die außenliegenden<br />
Teile wie Flügel und Krühwerk, aber auch der Müller selbst wären<br />
ungeschützt dem Beschuss der Belagerer ausgeliefert gewesen. Bei<br />
einer Belagerung wich man auf Hand- oder Göpelmühlen aus, um so die<br />
Nahrungsversorgung der belagerten Stadt oder Festung zu erhalten.<br />
Kontakt<br />
Öffnungs- und Besichtigungszeiten:<br />
Montags ab 14 Uhr, dienstags bis freitags<br />
8.30 - 18.30 Uhr, samstags 8.30-18 Uhr,<br />
sonntags je nach Witterung von 11-17 Uhr.<br />
Informationen sind erhältlich unter:<br />
muehlexanten@web.de<br />
Tel: +49(0)2801/6556<br />
Fax: +49(0)2801/90187<br />
Home: www.kriemhild-muehle.de<br />
www.facebook.com/kriemhildmuehle<br />
Adresse: Nordwall 5<br />
46509 <strong>Xanten</strong><br />
Inhaber: Rolf Peter Weichold<br />
21
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Im Reich der bunten<br />
Gläser<br />
Graue Mehrfamilienhäuser, Gewerbebetriebe, Supermärkte:<br />
eine kilometerlange, unauffällige Verbindungsstraße<br />
zwischen Mülheim und Duisburg, wie es<br />
sie im Ruhrgebiet wohl zu hunderten gibt. Fast verpasst man<br />
die Kreuzung, hinter der direkt die Einfahrt liegt zu einem<br />
hofartigen Gebäude, das mit seinen rötlichen Ziegelmauern,<br />
grünen Fensterläden und dem Kopfsteinpflaster sofort aus<br />
dem Rahmen fällt. So wie der Mann um die 50, der die Tür<br />
öffnet und freundlich hereinbittet: Mit seinen halblangen<br />
braunen Haaren und der derben Schürze wirkt er ein bisschen<br />
wie aus einer früheren Zeit. Spätestens jedoch, wenn der<br />
Besucher eintritt, fühlt er sich in eine andere Welt versetzt.<br />
Farbig, bunt leuchtet es überall; selbst bei grauem Wintervon<br />
Susanne Erbach<br />
himmel strahlt das Licht in warmen Farben durch die Fenster<br />
auf die Werkbank und auf all die Schätze aus Glas, die hier,<br />
fertiggestellt in <strong>neu</strong>er Pracht, auf wohl ebenso besondere<br />
Käufer warten.<br />
Uwe Peichert ist Kunstverglaser, wohl einer der letzten im<br />
Ruhrgebiet. Seine Werkstatt und Galerie in Mülheim betreibt<br />
er seit 1989. Er restauriert alte Glasfenster und fertigt<br />
<strong>neu</strong>e an, ganz individuell nach Kundenwunsch. Außer Glas<br />
benötigt er dazu hauptsächlich Blei, Lötzinn, Glasschneider,<br />
verschiedene Zangen und Bleimesser sowie Papier und Bleistift<br />
für die Entwürfe. Die Arbeitsweise hat sich über<br />
Jahrhunderte kaum verändert: „Nur der Lötkolben ist elek-<br />
22
trisch, ansonsten ist das digitale Zeitalter weitgehend an<br />
mir vorbeigegangen“, schmunzelt er. „Ich verwende dieselben<br />
Werkzeuge wie meine Kollegen vor 100 Jahren. Kunstverglasung<br />
ist ein typisch altes <strong>Handwerk</strong>, was nicht in<br />
irgendeiner Weise maschinell ersetzt werden kann. Weder<br />
im Zuschnitt noch im Verbleien, das ist ein zeitaufwändiger<br />
manueller Vorgang, bis so ein Stück fertig ist.“<br />
<strong>Handwerk</strong> und Handel<br />
Gerade entfernt er alte Blei- und Lackreste vom Rand<br />
eines Jugendstilfensters, das in grünen und roten Blütenund<br />
Blätterornamenten über die Werkbank rankt. Unbeschädigte<br />
Glasstücke reinigt Uwe Peichert mit Stahlwolle,<br />
kaputte werden ersetzt; der beschädigte Fensterbereich<br />
schließlich <strong>neu</strong> verbleit und verlötet. In vielen Fällen kann<br />
er dabei original alte Glasfragmente verwenden, die in<br />
Farbton und Muster genau passen. Denn schon seit Beginn<br />
seiner Berufstätigkeit vor 25 Jahren hat er kontinuierlich<br />
alte Originalfenster und Teilstücke gesammelt,<br />
sogar ganze Glaslager von alten Kollegen aufgekauft: „Was<br />
Sie hier sehen, ist nur ein kleiner Teil meines Bestandes“,<br />
verrät er. „Hier im Keller unter der Ausstellung lagern<br />
noch hunderte von Kisten und Regalen, voll mit alten Ornamentgläsern.“<br />
So kommt eine schier unendliche Vielfalt<br />
zusammen: mundgeblasenes, gewalztes und gegossenes<br />
Glas, Musselinglas, das an Spitzendeckchen erinnert,<br />
geriffeltes Glas, Rauchglas, Eisblumenglas, das durch die<br />
Behandlung mit heißem Knochenleim beim Erkalten<br />
seine sprichwörtliche fein geästelte Struktur erhielt - all<br />
dies in allen denkbaren Farbschattierungen.<br />
Heißer Knochenleim gibt dem Eisblumenglas seine Struktur<br />
Auch etliche wunderbare Einzelstücke hat er gesammelt,<br />
Jugendstil- und Art-Deco-Fenster mit mystisch verschlungenen<br />
Fischen, weißen Kakadus, Fasanen, floralen<br />
Motiven, Wappen und vielem mehr. Ein besonders<br />
eindrucksvolles großes Fenster prangt direkt gegenüber<br />
dem Eingang ‒ eine Hafenszene mit Dampfschiff und<br />
Holzfässern. „Das habe ich schon ganz lange, es stammt<br />
aus Norddeutschland, aus der Zeit um 1900.“ Ob er sich<br />
je davon trennt, ist noch fraglich. „Vielleicht kauft es irgendwann<br />
mal jemand aus dem Gastronomie-Bereich, das<br />
könnte ja passen. Ich lebe ja nicht vom Behalten.“<br />
Der Handel mit alten originalen Stücken war neben<br />
dem <strong>Handwerk</strong>lichen immer sein zweiter Bereich ‒ ein<br />
Konzept, mit dem er ganz gut gefahren ist. Die meisten<br />
alten Gläser findet Peichert in Belgien, Nordfrankreich<br />
und den Niederlanden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in<br />
Süd- und Ostdeutschland, auch was die verbleibenden<br />
<strong>Handwerk</strong>sbetriebe betrifft. „Wahrscheinlich wurde<br />
hier im Ruhrgebiet immer eher malocht, da standen<br />
solche schöngeistigen Dinge nicht so im Vordergrund“,<br />
vermutet er. „Ansonsten bestand vor allem ein Unterschied<br />
zwischen Stadt und Land ‒ Kunstverglasungen<br />
fanden früher fast nur in der städtischen Architektur<br />
Unerschöpflich: Für jedes Fensterfragment findet der<br />
Kunstverglaser passendes Ersatzglas<br />
23
Verwendung. Der zeitliche Schwerpunkt war ganz klar die<br />
Jugendstil-Epoche von 1890 bis 1915, da wurde am meisten<br />
angefertigt. Und zwar in erster Linie nicht im sakralen<br />
Bereich, sondern in Fenstern und Türen von bürgerlichen<br />
Wohnhäusern! Das war Teil der Architektur um 1900, nichts<br />
Ungewöhnliches damals, sondern es war ganz normal, dass in<br />
der urbanen Architektur Kunstverglasung Verwendung fand.“<br />
Ganz anders sieht es bekanntlich heute aus. Moderne<br />
Wohnhaus-Architektur ist sachlich, nüchtern, fast vollkommen<br />
schmucklos ‒ und es gibt keine regionalen Unterschiede<br />
mehr. Auch ob ein Neubaugebiet im städtischen oder<br />
ländlichen Umfeld errichtet wird, spielt kaum noch eine<br />
Rolle: Weiße Einheitshäuser mit Alubalkonen prägen das<br />
Bild von Flensburg bis Füssen. So ist Uwe Peichert auch ein<br />
Hüter des Individuellen und des regional Unverwechselbaren.<br />
Er selbst hatte schon immer ein Faible für alte Dinge: „Mir<br />
war wichtig, nach dem Abitur eine handwerkliche Lehre zu<br />
machen, aber vor allem wollte ich immer restaurieren. Es<br />
hätten auch alte Autos sein können oder Bilder. Die Liebe<br />
zu den alten Sachen, das war immer meine Neigung.“ Als er<br />
dann entdeckte, wie selten und speziell der Beruf des Kunstverglasers<br />
wurde, stand seine Berufswahl schnell fest: „Das<br />
hat mich fasziniert!“<br />
Kleine Glasmalereien kann Peichert im eigenen Ofen brennen<br />
Typische Kunden gibt es nicht<br />
Auch seine Kunden sind erwartungsgemäß Individualisten:<br />
Jeder Auftrag ist anders. „Die Kunden treten mit mir in Kontakt,<br />
wenn sie eine Tür- oder Fensterverglasung wünschen,<br />
und dann ist es meine Aufgabe, herauszufinden, was genau<br />
ihnen vorschwebt ‒ denn in erster Linie muss es ja ihnen<br />
gefallen! Der Findungsprozess bis zum konkreten Entwurf ist<br />
meistens das Schwierigste.“, erzählt er. „Manche Leute haben<br />
schon klare Vorstellungen oder eine Grundidee, etwa „ein<br />
Fenster mit floraler Gestaltung und meine Frau liebt Rosen“<br />
oder „wir haben 3 Kinder und möchten die Zahl 3 gerne im<br />
Fenster symbolisch dargestellt haben“. Andere haben überhaupt<br />
keine Idee, dann suchen wir gemeinsam nach einer<br />
Richtung. Wichtig ist mir auch, zu den Kunden nach Hause<br />
zu fahren, um zu sehen, wie sie eingerichtet sind, wie das<br />
Haus aussieht, die Umgebung, wo sich die Tür/das Fenster<br />
befindet, ob es verspielt sein soll, oder abstrakt. Das sind<br />
grundlegende Ansätze, um die Gestaltungs-Grundidee zu<br />
finden. Wenn aber der Entwurf fertig 1 zu 1 auf dem Tisch<br />
liegt und den Leuten gefällt, ist das Fenster schon halb fertig.<br />
Der Rest ist Routine!“<br />
Bei Restaurierungen kann er dann aus seinem opulenten<br />
Fundus schöpfen, für Neuanfertigungen bestellt er farbiges<br />
Glas in der Glashütte Waldsassen ‒ der letzten Hütte von<br />
ehemals vielen. Manche Stücke färbt er auch selbst ein.<br />
Nach der Bemalung muss das Glas in einem speziellen Ofen<br />
gebrannt werden, um die Farbe zu fixieren. Der Temperaturbereich<br />
liegt zwischen 600 °C und 650 °C, kurz vor dem<br />
Schmelzpunkt des Glases. „Die Glasfarben-Hersteller liefern<br />
eine genaue Temperaturempfehlung mit“, erklärt Peichert,<br />
„das muss man exakt beachten, da sind Unterschiede von ca.<br />
15 °C schon entscheidend, sonst verbrennt die Farbe, oder<br />
man erhält einen anderen Farbton. Trotzdem muss man oft<br />
mehrere Probebrennungen machen, um das exakt gewünschte<br />
Ergebnis zu erhalten.“ Mit seinem Ofen kann er nur kleine<br />
Teile selbst brennen. Für größere Objekte wendet er sich an<br />
einen alten Kollegen, der auf Glasmalerei spezialisiert ist und<br />
Uwe Peichert entfernt alte Bleikanten<br />
24
Ein modernes Glasbild des holländischen Künstlers<br />
Theo van der Horst<br />
Verschlungene Fische aus den 20er Jahren:<br />
kunstvoll geätzt und gemalt<br />
25
Norddeutsche Hafenszene um 1900 – fast schon ein<br />
Wahrzeichen der Werkstatt<br />
Auch heraldische Motive waren früher beliebt<br />
einen großen Ofen besitzt. Je nach Auftrag ‒ vom kleinen,<br />
feinen Türeinsatz bis zum kompletten Kirchenfenster ‒ kann<br />
im Prinzip alles dabei sein.<br />
„Insofern ‒ typische Kunden gibt es zwar nicht, aber mein<br />
typischer Kunde ist jedenfalls nicht jung! Und das wird in<br />
den nächsten Jahren wohl auch das Hauptproblem sein, dass<br />
keine jüngeren Kunden nachwachsen. Das wird die Sache<br />
noch schwieriger machen, es wird wohl noch spezieller<br />
werden, als es immer schon war.“<br />
Fataler Tiffany-Trend<br />
Die goldenen Zeiten für sein <strong>Handwerk</strong> sind jedenfalls<br />
vorbei. „Wahrscheinlich bin ich circa 10 Jahre zu spät zur<br />
Welt gekommen“, meint Peichert. Als er 1989 seine Firma<br />
gründete, ging der Antiquitäten-Boom, den die wohlhabende<br />
Nachkriegs-Generation prägte, allmählich zu Ende. „In den<br />
70er und 80er Jahren wurden unglaublich viele Antiquitäten<br />
verkauft, Barock, Biedermeier; es war Trend, sich mit dekorativen,<br />
alten Sachen einzurichten.“ Dazu gehörten auch alte<br />
Kunstverglasungen. Auch in den 1990ern konnte Peichert<br />
noch von der Begeisterung für farbige Glasornamente zehren.<br />
Doch dann setzte ein Trend ein, der für seinen Berufsstand<br />
fatal war: „Tiffany! Die Leute konnten nicht genug von<br />
bunten Gläsern bekommen, doch meine Bleiverglasungen<br />
wurden mit den Tiffany-Fenstern in einen Topf geworfen.<br />
,Der macht Tiffany’ hieß es immer. Dabei ist das eine ganz<br />
andere Herstellungstechnik, eine Folientechnik ohne Bleifassungen,<br />
viel einfacher in der Herstellung ‒ nicht umsonst<br />
haben viele Leute das als Hobby betrieben. Man kann<br />
Tiffany-Fenster auch nicht als vollwertige Außenfenster verwenden,<br />
sie sind nicht wasserfest. Es eignet sich eher so für<br />
kleinere Fensterbilder oder Lämpchen.“ Dann kamen auch<br />
noch die Window-Colours auf, mit denen so ziemlich alle<br />
Familien mit Kindern ihre Fenster „zierten“. „Eine gruselige<br />
Geschichte!“, erinnert sich Uwe Peichert, „die irgendwann<br />
dazu führte, dass die Leute nichts Buntes in den Fenstern<br />
mehr sehen konnten. Sie waren es leid. Das war natürlich für<br />
meine Arbeit überhaupt nicht zuträglich.“<br />
So konnte er von Glück sagen, dass er zu dieser Zeit schon<br />
einen guten Bekanntheitsgrad erreicht hatte, etwa durch<br />
jahrelange Messearbeit und oder die Teilnahme an <strong>Handwerk</strong>ermärkten.<br />
Da solche Maßnahmen aber aufwändig<br />
und teuer sind, führt er sie nicht so häufig wie früher weiter:<br />
„Viele der Kunstmessen gibt es gar nicht mehr. Zudem muss<br />
man gut 10.000,- € an den Messeveranstalter entrichten. Und<br />
so hochpreisig sind meine Sachen nicht, dass sich das auf<br />
Dauer lohnen würde.“ Und die Märkte? „Da habe ich schon<br />
an vielen Orten ausgestellt, oft habe ich solche Antiquitätenveranstaltungen<br />
auch gemeinsam mit anderen Kunsthändlern<br />
(Silber, Uhren, Schmuck, etc.) organisiert. Man mietet<br />
gemeinsam Räumlichkeiten, jeder Händler schreibt seine<br />
Kunden an und so hat man einen Synergieeffekt. Allerdings<br />
ist das für mich ein wahnsinniger Aufwand, ich muss die<br />
großen und zerbrechlichen Glasobjekte hier abdekorieren,<br />
dort aufbauen und präsentieren. Sie werden auch nicht besser<br />
durch den Transport. Da haben es die anderen schon leichter.“<br />
Eine gute Werbemaßnahme ist dagegen sein Kunstfens-<br />
26
ter in Essen-Kettwig, einem idyllischen Fachwerkstädtchen<br />
an der Ruhr, wo viele Touristen vorbeikommen. Dort stehen<br />
seine Exponate dauerhaft, Interessenten können Info-Flyer<br />
mitnehmen. Er überlegt, solche Fenster auch noch in anderen<br />
Altstadt-Ortschaften einzurichten, die Ausflugsziele sind:<br />
„Wo die Leute Zeit und Muße haben, sind sie auch offener<br />
für solche Ideen.“<br />
Jenseits von Kneipen und Kirchen<br />
Allerdings ist ihm klar, dass Kunstverglasung auch künftig<br />
keine Massen mobilisiert. „Die allermeisten Leute haben<br />
einfach überhaupt keine Beziehung dazu. Es ist ein Nischenmarkt,<br />
und das wird es auch immer bleiben. Meistens verbinden<br />
die Leute mit Bleiverglasung Kneipen- und Kirchenfenster,<br />
danach kommt erst mal lange nichts. Dann fällt manchen<br />
ein, dass es so was in der Zeit des Jugendstils wohl mal gab.<br />
Dass es da aber viele sehr kunstvolle Arbeiten an Bürgerhäusern<br />
gab, ist weithin unbekannt.“<br />
Doch damit kann er gut leben, denn gelegentlich kommen<br />
durchaus interessante Auftraggeber auf ihn zu. „Letztes Jahr<br />
habe ich zum Beispiel in der Mülheimer Petrikirche sechs<br />
große Fenster komplett ausgebaut und verbleit, die waren 12<br />
m hoch. Damit war ich mehrere Monate beschäftigt, das war<br />
schon ein besonderer Auftrag. Das war toll, dabei auch so in<br />
die Stadtgeschichte einzutauchen!“ Auch für den Mülheimer<br />
Prominenten Helge Schneider war er schon tätig. „Man kennt<br />
sich halt. Für ihn habe ich einen originellen Türglaseinsatz mit<br />
einem blauen Fischkopf erstellt. Aber mein größter Erfolg<br />
bisher war, eine große Glasmalerei, eine Darstellung der Heiligen<br />
Elisabeth, zu restaurieren und an die Stiftung Wartburg<br />
zu verkaufen. Nun ist sie da auf der Burg eingebaut, für immer<br />
und ewig ‒ darauf kann man schon stolz sein, wenn einem so<br />
etwas gelingt!“ Demnächst verkauft er ein Fenster nach Bukarest<br />
an ein Hotel, ein anderes 3-teiliges Art-Deco-Fenster<br />
geht nach Mexiko. „Ich muss es überseetauglich verpacken<br />
und nach Heidelberg liefern, dann wird es im Container<br />
verschickt.“<br />
Und so macht sich der kreative Kunstverglaser keine ernsthaften<br />
Sorgen um die Zukunft. Sein Durchhaltevermögen hat<br />
sich bewährt, sein Konzept steht: „Vielleicht kann ich auch<br />
überleben, weil ich allein arbeite und keine Personalkosten<br />
habe, im Kleinen geht das gut.“ Nur für größere Montagen<br />
greift er auf Kollegen zurück, die bei schweren Fenstern mit<br />
anpacken. Die Werkstatt gehört dem Schreiner nebenan, aber<br />
Uwe Peichert hat sie vollständig ausgebaut, viel investiert und<br />
kommt deshalb noch immer in den Genuss der preiswerten<br />
Miete wie zu Beginn. „Ich habe vor, mein Arbeitsleben hier<br />
auch zu Ende zu bringen.“<br />
Auch an immer <strong>neu</strong>en Ideen mangelt es nicht: „Historisierende<br />
Fenster werden nach wie vor von gut situierten Menschen<br />
bevorzugt, die sich gerne mit klassischen Antiquitäten<br />
umgeben. Aber im Bereich der Neuanfertigungen sehe ich die<br />
Herausforderung, den Wünschen nach moderneren Entwürfen<br />
entgegenzukommen. Ich versuche herauszufinden, was<br />
jüngeren Leuten vielleicht gefallen könnte.“ Das können<br />
etwa geometrische, klarere Formen sein, die Peichert auch in<br />
isolierverglaste Fenster einbauen kann, so dass die heutigen<br />
Anforderungen an Wärmeisolierung und Sicherheit nicht<br />
zurückstehen müssen. Oder das moderne, „freche“ Fenster mit<br />
einem leicht erotisch anmutenden Motiv, das er vom Sohn<br />
des 2003 verstorbenen holländischen Künstlers Theo van der<br />
Horst erworben hat. „Es hing noch dort im Wohnzimmer in<br />
einem Erker,“ schwärmt der passionierte Sammler, „vielleicht<br />
behalte ich es selbst ‒ aber wenn es jemand haben will, werde<br />
ich es auch verkaufen!“<br />
Fotos: Stephan Otto<br />
Kontakt<br />
Uwe Peichert<br />
Ruhrorter Straße 6<br />
45478 Mülheim an der Ruhr<br />
Tel.: +49(0)208/55212<br />
E-Mail: info@glasgalerie-peichert.de<br />
Homepage: www.glasgalerie-peichert.de<br />
27
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Der kleine Schmied als 6-jaehriger<br />
Ganz der Opa<br />
Eine alte Familientradition und wie sie weit<strong>erlebt</strong><br />
von Martina Poll<br />
Seit er selbst nicht mehr in die Schmiede geht, gibt der<br />
86-jährige Schmied Georg Poll aus Neubeuern sein<br />
Wissen an seinen 13-jährigen Enkel, der auch Georg<br />
heißt, weiter. Auch Enkel Jonas hat das <strong>Handwerk</strong> vom<br />
Großvater gelernt und kommt oft in die Schmiede. So kann<br />
eine Jahrhunderte alte Familientradition aufrechterhalten<br />
werden ‒ das Schmiedehandwerk.<br />
Den Klang des Ambosses kennt Georg von klein auf. Er ist<br />
im Schmiedehaus teilweise aufgewachsen, und es hat ihn<br />
immer interessiert, was der Opa da unten macht. Seit seinem<br />
7. Lebensjahr geht er beim Opa in die Lehre. Das Feuer in<br />
der Esse auflodern lassen, Eisen zum Glühen bringen und<br />
im alten Holzscheffel abkühlen. Wie schön das jedes Mal<br />
zischt. Mittlerweile ist er 13 Jahre alt, und das Eisen nur heiß<br />
machen und ins kalte Wasser halten genügt ihm schon lange<br />
nicht mehr. Georg Poll, der bis vor einem Jahr noch täglich in<br />
der Schmiede stand, freut sich, dass sich sein jüngster Enkel,<br />
der nach ihm benannt ist, für die Familientradition interessiert.<br />
Schließlich war sein Vater Schmied, seine Onkel, sein<br />
Großvater, seine Großonkel, auch sein Bruder und dessen<br />
Sohn. Wie weit die Familientradition zurückreicht, kann<br />
niemand genau sagen, aber die Schmiede am Marktplatz<br />
konnte bereits ihr 400-jähriges Bestehen feiern. Der alte<br />
„Schmied-Schorsch“, wie ihn die Neubeurer nennen, hat<br />
auch in der Familie gelernt, bei seinem Onkel in Flintsbach,<br />
er hat schon mit 25 die Meisterprüfung absolviert und die<br />
Hufbeschlagschule in München. Als die Rösser in der Landwirtschaft<br />
immer weniger wurden, hat er sich zunehmend<br />
für das Kunstschmiedehandwerk interessiert und im Laufe<br />
der Jahrzehnte unzählige Kunstwerke gefertigt: Lampen<br />
und Lüster, Kerzenleuchter und Laternen, Fenstergitter,<br />
Tore und Geländer, Grabkreuze ‒ auch sein eigenes. Alles<br />
in Handarbeit, alles einzigartig. Sein ganzes Leben hat er in<br />
der Schmiede verbracht und er hat seine Arbeit jeden Tag<br />
gerne getan. Und genauso gerne geht er jetzt mit Georg in<br />
die Schmiede, zeigt ihm die verschiedenen Techniken, gibt<br />
Materialkunde und Schweißunterricht. Und freut sich, dass<br />
sein Enkel offenbar Geschick für dieses <strong>Handwerk</strong> hat, das<br />
seine Familie seit Generationen ernährt. Der liebt den Klang<br />
des Ambosses schon heute und haut drauf, dass das Fundament<br />
wackelt. Aber das haben diese Wände über 400 Jahre<br />
ausgehalten, sie werden es auch weitere hundert oder mehr.<br />
28
<strong>Handwerk</strong> Lebendiges im Museum <strong>Handwerk</strong><br />
Der Kupferschmied und<br />
sein Werkstoff<br />
von Richard Planitz<br />
Der Beruf des Kupferschmieds ist wesentlich älter als<br />
der des Schmieds. Letzterer ging ausschließlich mit<br />
Eisenwerkstoffen um und wurde in der letzten Ausgabe<br />
von „<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong> – <strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>“ ausführlich vorgestellt.<br />
Der Kupferschmied hingegen befasst sich mit einem<br />
ganz anderen Werkstoff, eben mit Kupfer, lat. cuprum, welches<br />
bereits in der Steinzeit gefunden wurde. Wann und wo<br />
genau ist bis heute zwar nicht exakt belegt, jedoch sind aus<br />
Zentralasien, Indien, China und Japan Fundstücke bekannt,<br />
die die Verarbeitung von Kupfer in dieser Zeit nachweisen.<br />
Kupfer besitzt ganz andere Eigenschaften als Eisen und<br />
Stahl. Es rostet nicht, bildet jedoch an seiner Oberfläche<br />
eine Patina, die nicht in das Innnere des Werkstoffs eindringt.<br />
Kupfer lässt sich biegen, hämmern und mit anderen<br />
Werkstoffen in flüssigem Zustand verbinden, also legieren.<br />
In Verbindung mit mit Zink wurde das bis heute bekannte<br />
Messing erzeugt. Kirchenglocken bestehen aus einer Legierung<br />
aus Kupfer und Zinn, Glockenbronze genannt. Auch<br />
Kanonen wurden aus diesem Werkstoff hergestellt und im<br />
Maschinenbau werden bis heute Lagerschalen aus Rotguss<br />
mit hohem Kupferanteil gefertigt.<br />
Kupfer lässt sich spanlos durch Hämmern umformen. Dabei<br />
nimmt es zwar an Härte zu, aber nach einer Wärmebehandlung<br />
im Holzkohlenfeuer der Esse und nachfolgender<br />
Abkühlung in kaltem Wasser wird der Wekrstoff wieder so<br />
weich, dass er durch Schmieden oder Treiben mit dem<br />
Hammer des Kupferschmieds weiterberbeitet werden kann.<br />
Diese Technologie setzte sich weltweit durch und so kam<br />
es im frühen Mittelalter im europäischen Raum dazu, dass<br />
sich sog. Kupferhämmer bildeten, das waren Betriebe, die das<br />
Kupfer durch wasserkraftbetriebene Hämmer zu Blechen<br />
umformten und so dem Kupferschmied seinen Rohstoff zur<br />
Weiterbearbeitung lieferten. Bedachungen von Kirchtürmen<br />
und Schlössern aus Kupferblech halten mehrere Jahrhunderte,<br />
Dachrinnen und Fallrohre sind über Jahrzehnte nahezu<br />
wartungsfrei. Kupferdraht eignet sich aufgrund seiner hohen<br />
Leitfähigkeit dazu, elektrischen Strom nahezu verlustfrei über<br />
große Entfernungen zu übertragen.<br />
Den Beweis hierfür erbrachte 1891 anlässlich der Weltausstellung<br />
in Fraunkfurt Oskar von Miller. In Lauffen am<br />
Neckar erzeugter Strom wurde durch eine von ihm konstruierte<br />
175 km lange Leitung und in solcher Menge nach<br />
Frankfurt transportiert, dass die Beleuchtung der Ausstellung<br />
mit Glühbirnen bewerkstelligt werden konnte.<br />
Dies war der weltweite Startschuss zur Fernübertragung von<br />
elektrischem Strom durch Kupferleitungen. Ohne den Werkstoff<br />
Kupfer wäre der heute weltweit erreichte Wohlstand<br />
nicht denkbar. So möchte ich auf eine Einrichtung überleiten,<br />
die im Jahr 1873 durch den Kupferschmiedmeister Christian<br />
Heinkel in Kirchheim-Teck gegründet wurde. Dabei handelt<br />
es sich um eine Kupferschmied-Werkstätte, die über viele<br />
Jahrzehnte Erzeugnisse aus Kupfer weit über die Grenzen des<br />
damaligen Oberamts Kirchheim unter Teck geliefert hat.<br />
30
Kupferschmiede und Apparatebau Friedrich Götz<br />
Vormals Christian Heinkel<br />
von Richard Planitz<br />
Am Haus Dettingerstraße 17 in Kirchheim-Teck ist bis<br />
heute eine Inschrift angebracht, welche von vorbeieilenden<br />
Passanten kaum wahrgenommen wird. Auch<br />
die im Schaufenster ausgestellten Waren verursachen keinen<br />
Menschenauflauf. Jedoch befindet sich im Hinterhof seit<br />
1887 ein Werkstattgebäude, mit einer Kupferschmiede die bis<br />
heute erhalten ist. Ein in das Mauerwerk eingelassenes Schild<br />
weist dem interessierten Besucher kurz und bündig den Weg.<br />
Die Türschnalle ist auch nicht mehr ganz taufrisch, aber jetzt<br />
betreten wir die Werkstatt und machen eine Reise in die Vergangenheit.<br />
Da sind aus Kupferblech hergestellte Backformen<br />
zu sehen, und sofort wird ein Blasebalg sichtbar, welcher<br />
einst von Hand betätigt werden musste. Danach kommt eine<br />
Esse samt Amboss ins Blickfeld, sodass man sich in einer<br />
herkömmlichen Schmiede wähnt. Dort wurde aber niemals<br />
Eisen geschmiedet, sondern der wesentlich ältere Werkstoff<br />
Kupfer handwerklich umgeformt. Einer der Schwerpunkte<br />
dieser Firma war die Anfertigung von Brennereianlagen,<br />
wobei die sog. Blase und die Leitungen aus Kupfer angefertigt<br />
wurden. Bis heute erhaltene Dankschreiben bestätigen<br />
die hohe Qualität dieser Anlagen. Auch die aufstrebende<br />
Automobilindustrie erteilte Aufträge an die Kirchheimer<br />
Firma, um Kühlwasserrohre und Ansaugrohre aus Kupfer<br />
herzustellen. Bäckereien und Gasthäuser benötigten<br />
Backformen, Kochgeschirre und Bratpfannen aller Art.<br />
Sie wurden innen verzinnt und damit lebensmitteltauglich<br />
gemacht. Die Siedepfannen von Bierbrauereien wurden<br />
aus Kupferblech hergestellt und hielten jahrzehntelang die<br />
Wärmebelastungen problemlos aus.<br />
Nun starten wir einen Rundgang durch die im Jahr 1951<br />
stillgelegte Werkstatt. Sie wurde glücklicherweise erhalten<br />
und zeigt uns, wie mühevoll es war, unter Zuhilfenahme von<br />
Werkzeugmaschinen, die von ledernen Treibriemen über eine<br />
Deckentransmission angetrieben wurden, Teile herzustellen.<br />
Sie wurden im vorderen Teil des Anwesens in einem Laden<br />
zum Verkauf angeboten. Hauptdarsteller der ganzen Anlage<br />
ist aber ein historischer Luftkompressor, der aussieht wie<br />
eine Dampfmaschine. Am Fuß einer gusseisernen Säule sind<br />
2 Zylinder angebracht, in welchen durch einen Kurbeltrieb<br />
zwei Kolben auf- und abbewegt werden. Mit diesem Unikum<br />
wurde einst Druckluft erzeugt, die zusammen mit Stadtgas<br />
zum Hartlöten von Kupferböden verwendet wurde. Ein hier<br />
erstmals veröffentlichtes Gedicht berichtet recht originell<br />
von den Erzeugnissen der Firma Heinkel-Götz und rundet<br />
diesen Artikel gekonnt ab.<br />
Fotos: Richard Planitz und Fritz Rainer Götz<br />
31
GEDICHT ÜBER DIE FIRMA HEINKEL-GÖTZ<br />
Kommt herbei, ihr lieben Leute,<br />
Vieles gibts zu sehen heute<br />
In der Stadt für groß und klein,<br />
Und wer Geld hat, kaufe ein.<br />
Schaut, was man für schöne Sachen<br />
Kann aus Zinn und Kupfer machen.<br />
Gut und billig kauft ihr stets<br />
In dem Laden Heinkel-Götz<br />
Ja, es lohnt sich hinzugehen,<br />
um die Sachen anzusehen<br />
Jeder suche sich was aus<br />
Für die Küche oder s’Haus.<br />
Kupferkessel, Messingpfannen,<br />
Schöne Schüsseln, Töpfe, Kannen,<br />
Wasserschiffe, fein poliert,<br />
Wie man’ s will, glatt und verziert.<br />
Und noch viele andre Sachen,<br />
Die ganz sicher Freude machen,<br />
Blumenvasen, hübsch und nett;<br />
Wärmeflaschen für das Bett.<br />
Aluminium- und Emaillegeschirre<br />
Ich in grosser Auswahl führe<br />
Und sehr guter Qualität,<br />
Die stets viele Jahre hält.<br />
Außerdem mit Kennerblicken<br />
Mach’in Häusern und Fabriken<br />
Ich, stets pünktlich und reell<br />
Gas- und Wasserleitung schnell.<br />
Siedepfannen für Brauereien,<br />
Dass man gutes Bier kann brauen<br />
Badezimmer fein komplett<br />
Oder einfach und ‒ Klosett<br />
Brennereien mach’ich gerne<br />
Jedem Landwirt nah und ferne;<br />
Und was sonst er braucht zur Zeit ‒<br />
Immer bin ich dienstbereit.<br />
Also kauft ihr lieben Leute,<br />
In der Vorstadt ist’s ne Freude<br />
Gut bedient wird jeder stets<br />
Im Geschäft von Heinkel-Götz!<br />
32
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Alte <strong>Handwerk</strong>skunst<br />
bald von der Welt vergessen<br />
von Laura Zwerger<br />
Franz Mayr (59) ist einer der letzten Kunstschmiede. In seiner<br />
Hammerschmiede wird noch wie vor einigen Jahrhunderten<br />
gearbeitet. Eine Tradition, welche es nicht mehr lange geben<br />
wird: Die moderne Industrie und die europäische Gesetzgebung<br />
rotten diesen Beruf aus.<br />
Bereits als Jugendlicher hat Franz Mayr in der Garage<br />
seiner Eltern Eisen geschmiedet, sich eine kleine<br />
Hammerschmiede gebaut. Heute besitzt er seine<br />
eigene Schmiede, hat Scheune und Stall eines fränkischen<br />
Bauernhauses umgebaut und traditionsgetreu restauriert:<br />
„Alte Häuser haben mich schon immer interessiert, genauso<br />
wie alte <strong>Handwerk</strong>e.“ Moderne Maschinen findet man in<br />
den Räumen keine, stattdessen wird noch das glühende Eisen<br />
aus dem Feuer gezogen und mit dem Hammer beschlagen.<br />
„Mich hat das immer schon fasziniert, nur von Hand, ohne<br />
Maschinen. Dem wollte ich nacheifern.“ Ein Aufwand, der<br />
in der heutigen Zeit kaum mehr betrieben wird, die Industrie<br />
setzt schon lange auf Quantität.<br />
33
Franz Mayr war bis 2005 als Freiberufler im Maschinenbau<br />
tätig, kennt also die realen Marktbedingungen. Seine<br />
Hammerschmiede war mehr ein Nebenverdienst und später<br />
für seine Rentenzeit gedacht. Seit <strong>neu</strong>n Jahren widmet er<br />
sich aber nun ganz dem Kunstschmiedehandwerk, hat die<br />
Schmiede zu seinem Hauptberuf gemacht. Momentan bildet<br />
er zwei Lehrlinge aus, unterrichtet sie auch nach der alten<br />
Schule. Den Umgang mit modernen Maschinen lernen sie<br />
bei ihm nicht, dafür aber, wie ein Stück Eisen immer wieder<br />
erhitzt und beschlagen wird, bis sich einzelne Schichten<br />
aneinanderschmiegen ‒ eins werden. Mit speziellem Werkzeug<br />
können Sterne, Wellen oder Rauten eingearbeitet<br />
werden. Sind die Linien nicht perfekt, wird das Eisen für ein<br />
paar Minuten zurück ins Feuer gelegt, um dann wieder beschlagen<br />
zu werden. Stundenlange Arbeit ‒ und einzigartige<br />
Ergebnisse.<br />
Kunstschmiedewerkstätten wie die von Franz Mayr in<br />
Mittelfranken findet man in Deutschland nur noch äußerst<br />
selten. Man sollte meinen, Kunstinteressierte schätzen solche<br />
Werkstätten, aber Kunden zu finden stellt sich als äußerst<br />
schwer heraus. Zu viele Pseudo-Traditionswerkstätten werben<br />
im Internet mit guter alter <strong>Handwerk</strong>skunst, produzieren<br />
jedoch das meiste maschinell und bieten daher billigere Preise<br />
an. Ein auf traditionelle Weise hergestelltes Messer kann<br />
mehrere hundert Euro kosten, ein Preis, der für viele nicht<br />
ansprechend ist. Um ein weiteres Standbein zu haben, bietet<br />
Franz Mayr daher in seiner Werkstatt Seminare an, bei denen<br />
die Teilnehmer selbst auf alte Art und Weise Messer schmieden<br />
können.<br />
Neben der schweren Marktsituation werden Kunstschmiede<br />
nun auch durch eine europäische Norm stark eingeschränkt:<br />
Werkstätten wie Franz Mayrs Hammerschmiede fallen seit<br />
Januar 2011 unter die DIN EN 1090-Norm. Bei dieser Europäischen<br />
Stahlbaunorm geht es darum, eine Qualitätssicherung<br />
im bauaufsichtlichen Bereich europaweit<br />
einzuführen, welche bis spätestens Juli 2014 in den Betrieben<br />
durchgeführt werden muss. Betroffen davon sind alle Betriebe,<br />
die Bauprodukte aus Stahl oder Aluminium herstellen.<br />
Dazu zählen auch tragende Elemente wie beispielsweise Balkon-<br />
oder Treppengeländer, die für Schmiede eine wichtige<br />
Einnahmequelle sind. Auf europäischer Ebene wurde nach<br />
Artikel 5 bereits empfohlen, Kunstschmieden wie die von<br />
Franz Mayr gesondert zu behandeln, in Deutschland hat sich<br />
jedoch nichts verändert. Demnach gilt es, bis Juli dieses Jahres<br />
der Norm auch in traditionellen <strong>Handwerk</strong>sbetrieben gerecht<br />
zu werden ‒ oder auf einen umsatzstarken Marktteil zu verzichten<br />
und nur noch Gegenstände zu schmieden, die keine<br />
tragenden Elemente sind. Wird der Norm nicht entsprochen<br />
und trotzdem ein solches Teil verkauft, kann eine Strafe bis<br />
zu 50.000 Euro drohen. Da scheint es in Franz Mayrs Fall<br />
naheliegend, dieser europäischen Norm gerecht zu werden,<br />
doch stellt hier die Traditionstreue ein Problem dar: Die<br />
alten Werkzeuge entsprechen keinem modernen Standard,<br />
die Fräsmaschine stammt beispielsweise noch aus dem Jahr<br />
1920 und kann mit heutigen Maschinen nicht gleichgesetzt<br />
werden. Die industriellen Anforderungen kann Franz Mayr<br />
in seiner Kunstschmiede demnach nicht erfüllen, zumindest<br />
nicht ohne seine Ideale und die Historie des <strong>Handwerk</strong>s<br />
aufzugeben.<br />
34
Des Weiteren müssen sich auch Kunstschmiede regelmäßig<br />
Prüfungen unterziehen, durch welche sie<br />
Zertifikate als Qualitäts- und Sicherheitsnachweis<br />
erhalten, ganz egal, seit wie vielen Jahren sie das<br />
<strong>Handwerk</strong> ausüben. Durch die geforderten Zertifizierungen<br />
und weitere mit der Norm verbundene<br />
Neuerungen entstehen jedoch Kosten in tausendfacher<br />
Höhe, welche für kleine Werkstätten kaum<br />
zu tragen sind. Zusätzlich muss viel Zeit investiert<br />
werden ‒ Zeit, die fehlt, um Geld zu verdienen. Hat<br />
ein Betrieb das Zertifikat erhalten und entspricht<br />
den <strong>neu</strong>en Richtlinien, bleibt es dennoch fraglich,<br />
ob die Vorschriften bei kleinen Aufträgen erfüllt<br />
werden. Es entstehen zu hohe Verwaltungskosten,<br />
als dass sich die Arbeit finanziell auszahlen würde.<br />
Man verzichtet also auf den Auftrag oder ignoriert<br />
die Vorschriften und macht sich somit strafbar.<br />
Fotos: Laura Zwerger<br />
In regelmäßigen Zeitabschnitten<br />
sollen die Betriebe überprüft werden,<br />
die Norm DIN EN 1090 ist also keine<br />
einmalige Umstellung, sondern ein<br />
dauerhafter Prozess. Der Prozess soll<br />
eine Qualitätssicherung fördern und<br />
eine Vereinheitlichung innerhalb der<br />
europäischen Länder erreichen, eine<br />
Vereinheitlichung, die der Kultur der<br />
alten <strong>Handwerk</strong>skunst gegenübersteht.<br />
Proteste der Schmiede- und Metallgestalter<br />
haben mit dem Spruch des<br />
Philosophen Elbert Hubbard eine<br />
eindeutige Position bezogen: „Eine<br />
Maschine kann die Arbeit von 50<br />
einfachen Männern erledigen. Doch<br />
keine Maschine kann die Arbeit eines<br />
außergewöhnlichen Mannes machen.“<br />
Solch eine traditionsbewusste Arbeit<br />
wie die von Franz Mayr ist heutzutage<br />
außergewöhnlich, so wie auch seine<br />
Maschinen aus vergangenen Zeiten<br />
‒ beides passt jedoch nicht in das<br />
Konzept der europaweiten Normierung.<br />
Hier treffen zwei Welten<br />
aufeinander, welche nicht zueinander<br />
passen. Ein einzigartiges <strong>Handwerk</strong><br />
einheitlich zu normieren, ist ein Widerspruch<br />
in sich. Tradition hätte hier<br />
keinen Platz mehr.<br />
DampfLandLeute -<br />
MUSEUM ESLOHE<br />
Homertstraße 27, 59889 Eslohe<br />
An der Homertstraße erwarten sie<br />
auf über 2.000 m² historische Dampfu.<br />
Kraftmaschinen, Heimat- und<br />
Volkskunde, altes <strong>Handwerk</strong> und<br />
Landwirtschaft, alte Schmiede. Dazu<br />
Wechselausstellungen, idyllische<br />
Freianlage mit historischen<br />
Gebäuden, Wasserkraftanlagen u.<br />
Spielbereich.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mi.–Sa. von 14–17 Uhr;<br />
So. (1.11.- 31.3.) von 10–13 Uhr<br />
So. (1.4.- 31.10.) von 10–16 Uhr<br />
Personenfahrten mit der Museumseisenbahn<br />
(v. 01.04. bis 31.10. von<br />
15–17 Uhr) . Jeweils am letzten vollen<br />
Wochenende im Mai und September<br />
sind Dampftage „Alles unter Dampf“.<br />
Tel. 02973-2455 oder 800-220. Infos<br />
unter www.museum-eslohe.de<br />
35
36<br />
Lebendiges <strong>Handwerk</strong>
Die Korbmacher<br />
von Helmut Harhaus<br />
Ach ja, waren das noch Zeiten, als man „Hahn im<br />
Korb“ war! Die Redewendung erinnert daran, dass<br />
in dem Korb, in dem die Gefiederten zum Markt gebracht<br />
wurden, meistens nur ein Hahn unter vielen Hühnern<br />
weilte. Gut ging’s dem Mann, der von zahlreichen Mädels<br />
umgeben war!<br />
Nicht so gut ging’s dem, der „einen Korb bekommen hatte“.<br />
Er hatte nämlich auf seinen Heiratsantrag eine Abfuhr einstecken<br />
müssen.<br />
Und mit der Redewendung „husch, husch ins Körbchen“<br />
forcierte man das Zubettbringen der Kinder; angelehnt an<br />
den Korb, in dem Haushund oder Hauskatze schliefen.<br />
Ja, alt ist er, der Korb.<br />
Er gehört seit Menschengedenken zu unserem täglichen<br />
Leben. Und wie das so ist mit Selbstverständlichkeiten, ‒<br />
wirkliche Aufmerksamkeit wird ihnen selten geschenkt ...<br />
Dabei ist ein geflochtener Korb schon ein kleines Kunstwerk<br />
‒ schauen Sie mal genauer hin!<br />
Zuerst überrascht die Vielfalt: Kleine Körbe nehmen die<br />
Strickwolle auf, Zeitungen stapelt man ordentlich in ihnen,<br />
Feuerholz trägt man darin zum Kamin, Glasflaschen werden<br />
bruchsicher in Körben gelagert und transportiert. Die<br />
größten hängen unter Gas- oder Heißluftballonen, in ihnen<br />
finden locker 16 Personen Platz auf ihrer Fahrt zwischen<br />
Himmel und Erde. Auch wenn sie nur als simples Transportmittel<br />
geflochten wurden, ist ihre Ausführung nicht minder<br />
vielfältig. Verschiedenste Weidenruten geben ihnen Farben<br />
zwischen fast Weiß, über unzählige Rot- und Brauntöne bis<br />
zum fast Schwarz. Der Korbflechter kennt viele Methoden<br />
zur Musterbildung. Die Optik wird völlig anders, wenn der<br />
Korb aus gleichen Weidenruten, die exakt der Umfangslänge<br />
entsprechen ‒ als „Schicht“ ‒ oder aus ungleichen, nicht<br />
selektierten Ruten ‒ als „Gang“ ‒ geflochten wurde. Wie<br />
beim textilen Weben, so lassen sich auch hier Strukturen und<br />
Muster durch Flecht-Techniken erzielen.<br />
Wie man es auch anstellt, immer fängt man mit dem Boden<br />
an. Die stabilen Ruten, die Staken, stabilisieren das Konstrukt<br />
und geben ihm die Statik. Sie werden am Bodenrand nach<br />
oben umgeknickt und im festeren Flechtwerk, der „Kimme“,<br />
ausgerichtet und fixiert. Oberhalb wird meistens mit leichterem<br />
Material weiter aufgebaut. Durch er<strong>neu</strong>tes Umknicken<br />
gehen die Staken in den Rand über, der zopfähnlich zusammengefasst<br />
wird. So bekommen Körbe ihre unglaubliche<br />
Tragkraft und Flexibilität bei sehr geringem Eigengewicht.<br />
Das beste Transportsystem ist das, das mit geringstem „Tara“<br />
das „Netto“ aufnimmt und als „Brutto“ sicher zu transportieren<br />
vermag: also der Korb!<br />
Und das ist schon ‒ gesichert ‒ seit 10.000 Jahren so. Seit<br />
sich der moderne Mensch vom Neanderthaler abgrenzte,<br />
nutzte er Körbe. Reste eines in Wulsttechnik gefertigten<br />
Korbes aus der Zeit etwa 10.000 v. Chr. fanden Archäologen<br />
im Nahen Osten. 5000 Jahre zählende Grabbeigaben<br />
in Korbformen fand man 1857 in einer Höhle in Südspanien.<br />
In den neolithischen Pfahlbausiedlungen in Auvernier<br />
am Neuenburgersee fand man Weidenkörbe. Auch die in<br />
Mitteleuropa beheimateten Kelten beherrschten dieses uralte<br />
<strong>Handwerk</strong>.<br />
Der wohl bekannteste Korb, aus Binse geflochten, wird in der<br />
Bibel erwähnt: Der Säugling, der später Mose genannt wurde,<br />
ein Prinz von Ägypten, der auf Befehl Gottes sein Volk aus<br />
der ägyptischen Sklaverei in das kanaanäische Land führte<br />
und die 10 Gebote abholte, er schipperte als Baby in einem<br />
Korb den Nil herunter, um den Häschern zu entgehen. Die<br />
erste „Nil-Kreuzfahrt“ fand also in einem Körbchen statt ...<br />
In Deutschland bildeten sich Zentren der Korbwarenherstellung<br />
in Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden, in der Rhön, in<br />
Bamberg und in Schmalkalden. Sie lieferten besonders feine<br />
Korbwaren. Der Hauptsitz der für den Export arbeitenden<br />
Korbwarenindustrie befand sich im Gebiet des oberen Mains,<br />
bei Coburg, bei Lichtenfels am Main und im Fichtelgebirge.<br />
Im Erzgebirge um Lauter/Schwarzenberg wurden besonders<br />
Spankörbe aus Holz-Spänen hergestellt. In Lichtenfels<br />
gibt es heute noch eine Fachschule für Korbflechterei. Ein<br />
beachtenswertes Fachmuseum mit umfangreicher Sammlung<br />
ist das Korbmacher-Museum in Beverungen Dalhausen. Ein<br />
ganz besonderer, herausragender Markt ist der Korbmarkt im<br />
37
„Zentrum der Flechtwelt“: am 3. Wochenende im September<br />
in Lichtenfels. Und nicht versäumen darf man das Museum<br />
von der Thonet GmbH, dem legendären Sitzmöbelhersteller,<br />
in 35066 Frankenberg.<br />
Vielfach wurden Blinde in der Korbflechterei unterwiesen,<br />
um damit in speziellen Heimstätten ihren Beitrag zum<br />
Lebensunterhalt zu leisten. In vergangenen Zeiten wurde das<br />
Korbmacherhandwerk auch oft im Reisegewerbe ausgeführt;<br />
nur in den Zentren waren die <strong>Handwerk</strong>er sesshaft.<br />
Die moderne Berufsbezeichnung der Korbflechter ist Flechtwerkgestalter(in).<br />
Lange Geschichte, große Tradition ‒ und<br />
dennoch werden die Betriebe und die, die es gelernt haben,<br />
immer weniger. Eine übliche <strong>Handwerk</strong>slehre kann ein<br />
Jugendlicher, der diesen Beruf erlernen möchte, kaum noch<br />
machen. Denn die wenigen Betriebe haben sich so spezialisiert,<br />
dass die Breite der Ausbildung kaum noch in einem<br />
Betrieb geboten werden kann. Denn das Berufsbild umfasst<br />
den Gestellbau, die Feinflechterei, geschlagene Arbeiten,<br />
Korbmacherei, Stuhlflechterei u. v. m. Somit läuft die Ausbildung<br />
eigentlich nur noch über die Fachschule in Lichtenfels<br />
(Oberfranken) in einer dreijährigen Ausbildungszeit. Wer<br />
möchte, kann auch noch den Meistertitel (vor dem Meisterprüfungsausschuss<br />
in Aachen oder Bayreuth) erwerben.<br />
Geschätzt sind in Nordrhein-Westfalen vielleicht noch 10<br />
Betriebe tätig, davon sind sechs Innungsbetriebe ‒ in der<br />
Botanik würde man solches auf die „Rote Liste“ setzen.<br />
Das <strong>Handwerk</strong> präsentiert sich auf vielen Messen, Kunstausstellungen<br />
und <strong>Handwerk</strong>ermärkten. Besonders die hochqualitativen<br />
Arbeiten findet man dort. Das Berufsbild hat sich<br />
bereits geändert: Von der klassischen Korbmacherei avanciert<br />
man heute immer mehr zum Gestalter. Dekorationen, Strukturen<br />
mit Inspiration und Emotion verschönern und werten<br />
den gesamten Bereich Wohnen auf, sind heute wichtiger<br />
als der rein funktionelle Nutzen. Dabei legt man trotzdem<br />
großen Wert auf die klare Abgrenzung zur Billigware, die hält<br />
auch nur von „12 Uhr bis Mittag“, und ist keine Alternative<br />
zu Produkten des <strong>Handwerk</strong>s. Ein guter Einkaufskorb kann<br />
„vererbt“ werden, so groß ist dessen Lebenserwartung!<br />
38
Zu Besuch bei ...<br />
Die ortsansässigen Betriebe zeigen ihre Produkte natürlich<br />
auch gerne im Laden. Wir haben einen solchen in Düsseldorf-Gerresheim<br />
besucht. Düsseldorf ‒ da denkt man an<br />
die „Kö“, an Konsumtempel, an Mode-Label, an Kunst und<br />
Medien, an Glemmer und Glamour zwischen Rhein, Altstadt<br />
und Stadtschloss. Und all die, die Düsseldorf nur so kennen,<br />
haben völlig verpasst, dass man auch traditionelles <strong>Handwerk</strong><br />
ausüben und mit Geschick und Können wunderschöne<br />
Produkte herstellen kann!<br />
Abseits der großen Glitzerwelt gibt es da<br />
nämlich den Innungs-Betrieb der Obermeisterin:<br />
Korb-Binder, geführt von den<br />
Damen Angelika Turrek ( Jahrgang 1948)<br />
und Tochter Julia, die 1978 in den Betrieb<br />
geboren wurde und hier ‒ wie einst<br />
Mose ‒ im Körbchen schlief und zwischen<br />
Weiden und Binsen aufwuchs. Der Großvater<br />
Max Binder hat seinen Gesellenbrief<br />
1926 in Schlesien erworben, 1929 siedelte<br />
man nach Düsseldorf um und 1936 legte er<br />
seine Meisterprüfung ab und machte sich in<br />
Gerresheim selbstständig. Seitdem ist der Betrieb an diesem<br />
Standort ansässig und bekannt.<br />
In einem kleinen Ladengeschäft werden Neuwaren präsentiert:<br />
Körbe in der Größe einer Streichholzschachtel sind die<br />
kleinsten, dann in allen Größen und für alle Zwecke in den<br />
unterschiedlichsten Ausführungen. „Das ist nicht nur mein<br />
Beruf, das ist auch Hobby und meine Leidenschaft“, erklärt<br />
Julia Turrek ihre Werke. „Wenn aus dem eigentlich sehr simplen<br />
Material wie Weide oder Peddigrohr sich solche Objekte<br />
formen, die dann auch in Größe, Form und Ausführung mit<br />
meinen Vorstellungen übereinstimmen, dann kann ich mich<br />
an diesen Teilen schon erfreuen; denn dann konnte eine Idee<br />
realisiert werden!“<br />
Aber auch Kunstobjekte, Plastiken aus Geflecht für den<br />
Garten, Bilder, Schalen, Vasen oder Lampenschirme sind in<br />
dieser Technik entstanden. „Ein besonderes Unikat habe ich<br />
hier“, die Junior-Chefin greift in ein tiefes Regal, „das wird<br />
die Schultüte meines Sohnes zur Einschulung ‒ natürlich aus<br />
Korbgeflecht!“<br />
Hinter dem Ladengeschäft liegt die Werkstatt mit 3 oder<br />
4 Arbeitsplätzen ‒ je nach Auftragsvolumen. Alte, knorrige<br />
Eichendielen bilden den Boden ‒ sie haben schon drei Generationen<br />
überdauert. An den Wänden hängt altes Werkzeug:<br />
Schlageisen, Pfriem, Weidenspalter, Ausputzer und vieles<br />
mehr. Wie schon vor 100 Jahren und davor arbeiten<br />
die <strong>Handwerk</strong>er mit unverändertem Werkzeug ‒ nein, die<br />
Bohrmaschine ist heute elektrisch. In<br />
Körben liegen die verschiedenen Rohmaterialien:<br />
feine und grobe Schienen für das<br />
Stuhlflechten, helle und dunkle braune<br />
Weidenruten, mit und ohne Schale, für<br />
das Korbflechten. Man sieht Binsenschnüre<br />
und dänische Papierschnüre für<br />
die weichen Geflechte. Zwischendurch<br />
immer wieder Kinderspielzeug ‒ denn<br />
der Junior, heute 2 ½ Jahre jung, spielt<br />
hier zwischen Oma, Mama und Mitarbeiterinnen,<br />
die inzwischen auch schon<br />
zur Familie gehören. Auch das ist ein Idyll ‒ und nicht das<br />
schlechteste. Manchem Kind ginge es heute besser, könnte es<br />
so aufwachsen!<br />
Mit flinken Fingern schieben die Flechterinnen den Faden<br />
vor, mit der Stuhlflechtnadel wird er geführt: drunter, drüber,<br />
drunter, drüber ... Reihe neben Reihe fügt sich die Bespannung<br />
aneinander, aus vielen Fäden, die in sechs Durchgängen<br />
gezogen werden, entsteht eine stabile, aber dennoch elastische<br />
Fläche. Das wird ein Stuhlsitz. Von rechts nach links, von<br />
oben nach unten und doppelt diagonal spannen sich dann die<br />
Fäden sechs Mal von Rand zu Rand ‒ rund 80 Meter dieser<br />
Naturfaser werden mit großer Routine eingezogen und in ca.<br />
80 Bohrungen rundherum fixiert.<br />
Denn auf das Stühleflechten hat man sich bei Korb-Binder<br />
schon vor langer Zeit spezialisiert. Es werden natürlich auch<br />
39
Neuanfertigen in enger Zusammenarbeit mit Schreinern,<br />
Innenausstattern und Dekorateuren gemacht. Hochkomplexe<br />
und komplizierte Flechtwerke entstehen so, oft mit Motiven<br />
und Strukturen, die dem Fischgrät eines Parkettbodens<br />
ähnlich sehen. Heizungs- und Türverkleidungen werden<br />
entworfen und realisiert, bei denen sich die Fäden alle im<br />
Zentrum treffen, in der sog. Sonne. Aber auch Reparaturen<br />
werden oft ausgeführt. Da gilt es den Stuhl von Oma zu<br />
restaurieren oder den wertvollen Thonet-Sessel mit <strong>neu</strong>er<br />
Bespannung zu versehen. „Geht nicht, gibt’s nicht“ ‒ so sprechen<br />
<strong>Handwerk</strong>er vom alten Schlag. Und so werden Tag für<br />
Tag alte Schätzchen zu <strong>neu</strong>em Leben erweckt und erstrahlen<br />
wieder in <strong>neu</strong>em Glanz ‒ in drei Generationen kommen die<br />
Stühle dann vielleicht wieder in die Werkstatt, so lange bieten<br />
sie den Popos eine bequeme, elastische, warme und belüftete<br />
Sitzfläche. Toll ‒ welches Teil aus Polyester, Polystyrol, Polyamid<br />
und Ähnlichem kann das ebenfalls bieten??<br />
Auf der anderen Werkstattseite wird umgreifender gearbeitet:<br />
Hier entstehen die oben genannten Körbe ‒ als Neuwaren<br />
oder auch als Reparaturen. Einige Stunden haben die<br />
Weidenruten in einem Wasserbad gezogen. Die Fühlprobe<br />
entscheidet, nun sind sie weich genug. Sie werden gesteckt,<br />
verbunden, verflochten. Und was mit einem unüberschaubaren<br />
strubbeligen Wust begann, formt sich fein geordnet<br />
zum Korb. Gerne werden auch artfremde Materialien mit<br />
eingebaut ‒ Filz zum Beispiel. Das gibt dem Objekt noch<br />
zusätzlich Farbe. Selten werden die Flechtwaren lackiert,<br />
denn das hindert die Naturmaterialien am Atmen, sie werden<br />
schnell spröde und brüchig. Die Farbnuancen erzielt man<br />
durch die Verwendung unterschiedlicher Weidenarten. Die<br />
so hergestellten Objekte sind zum einen funktionstüchtige,<br />
langlebige Gebrauchsgegenstände, zum anderen aber auch<br />
kunsthandwerkliche Exponate und Unikate. Solch ein Korb<br />
ist somit genau das Gegenteil zur banalen „Plastiktüte“ - und<br />
belastet unsere (Um-)Welt in keinster Weise.<br />
DIE GROSSE FAMILIE DER KORBWAREN:<br />
Die Korbflechterei umfasst die verschiedensten Formen von<br />
Körben: Die bekanntesten sind der Einkaufskorb, Förderkorb,<br />
Gärkorb, Geschenkkorb, Kalit, Kiepe, Wäschekorb und der<br />
Wannenkorb. Körbe für grobes Material, Baustoffe, Steine,<br />
Kartoffeln werden auch aus bandartigem, gespaltenem Fichtenholz<br />
als Spankörbe hergestellt. Kokskörbe sind vornehmlich<br />
aus berindetem Fichtenholz und Weidenruten.<br />
Außerdem existieren noch Möbel, Kinderwagen, Leuchter,<br />
Teppichklopfer, Bilderrahmen und zahlreiche Galanteriewaren,<br />
die in der Korbflechttechnik hergestellt werden. Bienenkörbe<br />
werden in Wulsttechnik hergestellt. Ein zum Fischfang<br />
verwendeter Korb heißt Reuse. Ballonkörbe aus geflochtenem<br />
Korbmaterial können bis zu 16 Personen aufnehmen. Die Armierung<br />
von Wänden in der Fachwerk-/Lehmbauweise besteht<br />
aus geflochtenen Korbmatten, zumeist aus dem gröberen<br />
Material der Kopfweide hergestellt. Ebenfalls werden Hänge<br />
im Landschaftsbau mit solchem Flechtwerk, den Faschinen,<br />
gefestigt.<br />
MATERIALIEN<br />
WEIDE<br />
Das Material der Weide wird erstlinig in der Korbflechterei<br />
verwendet: Die Korb-Weide Salix viminalis, auch bekannt als<br />
Hanf-Weide, ist eine Baumart aus der Gattung der Weiden.<br />
Sie wird kultiviert, weil sich nur dann aus den extrem langen<br />
Ruten gut Flechtwaren wie Körbe herstellen lassen. Daher<br />
wird sie zu den Flechtweiden gezählt. Sie wächst als Baum<br />
oder Strauch mit besonders langen Ruten (Ästen, Zweigen)<br />
und erreicht Wuchshöhen von 3 bis 8, im Extremfall 10<br />
Metern. Die jungen Zweige sind anfangs dicht grau behaart,<br />
später aber kahl.<br />
Die Korb-Weide ist im nördlichen Kontinentaleuropa von den<br />
Pyrenäen bis zum Ural sowie in Nordasien zu finden. Auf den<br />
britischen Inseln und in Skandinavien fehlte sie ursprünglich,<br />
wurde aber in England von Menschen zur Korbherstellung<br />
angepflanzt. Sie steigt bis auf eine Höhe von 800 Metern, ist<br />
jedoch vor allem in den Niederungen anzutreffen. Sie liebt<br />
tiefgründige schwere, basen- und nährstoffreiche, meist<br />
kalkhaltige Böden an wassernahen Standorten. So gedeiht sie<br />
beispielsweise entlang von Flussauen, Bächen und Wassergräben,<br />
die andere Baumarten eher meiden.<br />
Korb-Weiden lassen sich mittels Steckhölzern relativ einfach<br />
vermehren. Sie werden zur Nutzung als Kopfweiden geschnitten<br />
und haben an vielen Stellen als sogenannte Weidenheger<br />
kulturlandschaftsprägenden Charakter. Die Ernte der Ruten<br />
erfolgt im Regelfall in zwei- bis dreijährigen Abständen nach<br />
dem Laubfall im Herbst. Wegen der zunehmenden Kunststoffproduktion<br />
ist die Nutzung der Korbweide in den letzten<br />
Jahrzehnten allerdings stark zurückgegangen, sodass die<br />
Ernte heute in vielen Regionen nicht mehr stattfindet und die<br />
Kopfweiden nur als Landschaftspflegemaßnahme beschnitten<br />
werden. So beziehen die Korbflechter diese Ware heute v.<br />
a. aus Frankreich, Belgien, Spanien oder Polen.<br />
Die Hauptnutzung der Korb-Weide liegt in der Verwendung<br />
der extrem langen Ruten. Die Weidenruten sind stark<br />
biegsam und zugleich fest, wodurch sie ein belastbares<br />
Material darstellen. Die Ruten werden für gröbere Arbeiten<br />
ungeschält und für feinere geschält (entrindet) verwendet.<br />
Dabei werden Körbe aus ungeschälten Ruten vor allem in<br />
der Landwirtschaft als Transportkörbe für Obst, Kartoffeln,<br />
Gemüse oder Gras sowie als Flaschenkörbe in der<br />
Industrie verwendet. Geschälte Weidenkörbe sind als feine<br />
Haushaltskörbe, Einkaufskörbe und Wäschetruhen zu finden,<br />
außerdem werden Möbel, Strandkörbe und früher auch<br />
Kinder- und Puppenwagen aus diesen Ruten hergestellt. Um<br />
besonders feine Flechtgegenstände wie Näh- oder Konfektkörbchen<br />
herzustellen, werden die Ruten zudem in zwei bis<br />
40
Kontakt<br />
Korb-Binder Korbwarenfachgeschäft<br />
Julia Turrek<br />
Am Pesch 25<br />
40625 Düsseldorf-Gerresheim<br />
Tel: +49(0)211/28 95 14<br />
Fax: +49(0)211/28 95 25<br />
E-Mail: korb-binder@arcor.de<br />
Internet: www.korb-binder.de<br />
Fotos: Helmut Harhaus<br />
vier Schienen gespalten und danach zu den „geschlagenen<br />
Arbeiten“ verarbeitet. Mehrjährige Ruten werden zu sogenannten<br />
Bandstöcken verarbeitet, die gespalten als Fassreifen<br />
und Flechtschienen verwendet werden. Der Beruf des<br />
Bandreißers, der diese Arbeiten ausführt, ist heute allerdings<br />
aufgrund der geringen Nachfrage beinahe ausgestorben.<br />
RATTAN – PEDDIGROHR<br />
Ein weiteres Grundmaterial ist das Rattan. Für die Herstellung<br />
von Feingeflechten, Stuhlsitzen usw. werden bearbeitete<br />
Produkte vom Rattan verwendet. Das Rattan ist der relativ<br />
dicke Rohrstamm der Rattanpalme, Gattung Calamus, oder<br />
anderer Palmen der Unterfamilie der Calamoideae. Er wird im<br />
Gestellbau für Stühle, Gartenmöbel etc. direkt verwendet.<br />
Wird das Rattan-Rohr gespalten, entsteht aus dem harten<br />
Äußeren das Peddigrohr und aus dem Inneren die Fasern<br />
für die Feinflechterei. Man sagt auch z. B. „Manila“ dazu —<br />
entsprechend der Herkunft oder auch „spanisches Rohr“,<br />
„Stuhlrohr“ oder „Rotang“. Heute beziehen die <strong>Handwerk</strong>er<br />
das Material vorwiegend aus Indonesien.<br />
Bei der Verwendung können drei verschiedene Bearbeitungsmöglichkeiten<br />
unterschieden werden: Die unzerteilten Stängel<br />
mit ihrer glatten, glänzenden Oberfläche werden zu Spazierstöcken,<br />
Teppichklopfern und Rohrstöcken verarbeitet.<br />
Auch verschiedene Kampfkünste (beispielsweise Kombatan;<br />
Escrima; Arnis; Bō im Kobudo) verwenden Schlagstöcke<br />
aus dem robusten Rattanholz, da Rattan beim Kampf Stock<br />
gegen Stock (im Gegensatz zu normalem Holz) nicht splittert,<br />
sondern nur zerfasert, was die Verletzungsgefahr senkt.<br />
Auch für verschiedene Bögen wird Rattan gerne verwendet.<br />
Darunter Reiterbögen, Langbögen, Recurves usw. Durch ein<br />
Backing kann das Zuggewicht erhöht werden. Die dicken Teile<br />
des Stamms werden für Möbelgestelle verwendet.<br />
Aus den von der Sprossoberfläche geschnittenen etwa fünf<br />
Meter langen Streifen mit ihren glatten Außenseiten wird<br />
robustes Flechtwerk für Möbelstücke, traditionell vor allem<br />
Sitzgeflechte für Stühle, hergestellt. Die Bezeichnung dafür ist<br />
„Stuhlflechtrohr“, breitere Qualitäten werden als Wickelrohr<br />
gehandelt. Das Rohr lässt sich spalten, die erhaltenen Stränge<br />
können dann auf Maß gezogen bzw. gehobelt werden. Das<br />
Rohr wird anschließend aufgerollt und getrocknet.<br />
Wenn Stuhlflechtrohr farbig gebeizt werden soll, muss es<br />
einer speziellen Beizung unterzogen werden, da die<br />
Triebaußenseite wasserabstoßend ist. Stuhlflechtrohr, in der<br />
Handelsklasse Gelbband, ist vorab gebleicht. Es lässt sich<br />
auch noch nach der Verarbeitung beizen. Es gibt mehrere<br />
Handelsklassen, üblich sind heute Rotband, Blauband sowie<br />
Gelbband (beizfähig). Der Name kommt von der Farbe der zur<br />
Bündelung eingesetzten Bänder. Je nach Stärke wird Rattan<br />
als Peddigrohr (bis 5 mm), Stakenpeddig (ab 6 mm, rund)<br />
oder Peddigschienen (ab 5/6 mm, flach, Oberfläche abgerundet)<br />
verkauft. Noch breitere, flach/eckige Varianten werden<br />
als Peddigband bezeichnet. Die Außenhaut wird als<br />
Stuhlflechtrohr (< 4 mm) und Wickelrohr (ab 4 mm) verkauft.<br />
Auch fertige Gewebe aus beiden Materialien sind<br />
handelsüblich.<br />
Vor der Verarbeitung muss man das Material einweichen und<br />
stärkere Triebe über Dampf biegsam machen. Auch später<br />
empfiehlt sich das sporadische Befeuchten mit einem Wasserzerstäuber<br />
oder das Abwischen mit einem feuchten Tuch,<br />
damit die natürliche Biegsamkeit nicht verlorengeht. Allein<br />
nur mit Wasser sollte dies jedoch nicht zu oft geschehen, weil<br />
auf Dauer gesehen das Material verstocken kann und brüchig<br />
wird. Durch die Zugabe von Sattelseife bleibt das Material<br />
länger geschmeidig.<br />
41
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Materiallager Ziegenhaar<br />
42
Neue Besen fegen gut<br />
Dem Bürstenmachermeister zugeschaut<br />
von Helmut Harhaus<br />
Die Liebe war schuld ‒ wie so oft im Leben. Aber es<br />
kam noch ein triftiger Grund hinzu: Fünf Jahre Krieg<br />
und Gefangenschaft, der Verlust der Ostgebiete mit<br />
Zerstörung der Stadt; das veranlasste Leonhard Zagermann<br />
senior, die Mark Brandenburg zu verlassen und nach Solingen,<br />
zum Familiensitz seiner Frau, „auszuwandern“. 1924, als<br />
die Welt noch in Ordnung war, hatte er sich als Pinsel- und<br />
Bürstenmacher dort selbstständig gemacht. Doch die Geschichte<br />
hatte anderes mit ihm vor ...<br />
1935 wurde Sohn Leonhard (junior) geboren. Und wie das in<br />
<strong>Handwerk</strong>sbetrieben üblich war, wuchs er zwischen Bürsten,<br />
Borsten und Pinseln in der Werkstatt auf. Als Schüler half er<br />
bereits zuweilen im elterlichen Betrieb, somit erübrigte sich<br />
die Frage nach einem „Berufseinstieg“. Er ist Bürstenmacher ‒<br />
immer schon gewesen.<br />
Und dann brannte Europa ...<br />
Die Familie siedelte 1949 nach Solingen um, der Geburtsstadt<br />
der Mutter. Der Vater baute den Betrieb <strong>neu</strong> auf, und<br />
es war 1988 ein glücklicher Zufall, der es ermöglichte, im<br />
märchenumwobenen Umfeld von Schloß Burg (Stadtteil<br />
von Solingen), direkt im Schatten der Burg und ehemaligem<br />
Stammsitz der Grafen von Berg, einen Laden zu finden und<br />
hier dem <strong>Handwerk</strong> weiter nachgehen zu können. 1988 übernahm<br />
Leonhard Zagermann (jun.) dann auch den Betrieb von<br />
seinem Vater. So können die Zagermanns in diesem Jahr das<br />
90-jährige Geschäftsjubiläum feiern.<br />
Inzwischen ist dieses <strong>Handwerk</strong> auf vielleicht nur noch 30<br />
Betriebe in Deutschland geschrumpft. Der Schwerpunkt lag<br />
immer in den Gebieten mit umfangreicher Holzverarbeitung:<br />
Schwarzwald, Franken, Bayern, Erzgebirge. Familienbedingt<br />
43
Der Firmengründer Leonhard Zagermann (sen.) wacht über allem<br />
ist der Betrieb auf Schloß Burg somit ein wahres „Nordlicht“<br />
der Branche, dadurch aber auch Anlaufstelle für viele aus<br />
einem riesigen Umfeld. Der große Kundenstamm kommt<br />
von weit her, denn man schätzt die Qualität der Bürsten und<br />
‒ und das wohl vornehmlich ‒ die kompetente Beratung des<br />
Ehepaares. Es kommt nämlich einer Wissenschaft gleich, die<br />
man hier über Haare, Borsten und Pflanzenfasern erfahren<br />
kann. Schauen wir nur kurz über die Auslage mit den diversen<br />
„Nagelbürsten“, die - so denkt man - die simpelsten Reinigungshilfen<br />
sind. Heute kauft man sie für wenige Cent im<br />
Supermarkt; aus Kunststoff, alle gleich und „haltbar von 12<br />
Uhr bis Mittag“. Aber nein, die Reinigungskraft in Verbindung<br />
mit einer oberflächenschonenden Wirkung kann sehr<br />
unterschiedlich sein! Die Größe des Bürstenkörpers hat Einfluss,<br />
noch mehr die Borstenlänge. Es macht aber auch einen<br />
riesigen Unterschied, ob tierische Borsten oder pflanzliche<br />
Fasern eingebunden wurden, ebenso die Dichte ‒ also<br />
wie viele Löcher pro Quadratzentimeter im Bürstenkörper<br />
gebohrt wurden und die Büschel aufnehmen.<br />
Leonhard Zagermann, der Pinsel- und Bürstenmachermeister,<br />
und seine Frau Alrun, die ebenfalls seit 1988 mit im Betrieb<br />
tätig ist, wissen zu jedem Einsatz die richtige Bürste zu empfehlen.<br />
Egal ob es um spezielle Zahnbürsten geht, um Rasierpinsel<br />
aus Dachshaar oder um Flachbürsten zur Reinigung<br />
empfindlichster Oberflächen, Lacke oder den Flachbildschirm<br />
‒ bei Zagermann findet man das richtige Produkt. Es gibt<br />
Spezialbürsten für die Reinigung von Musikinstrumenten,<br />
Massagebürsten, Bücherbürsten, Möbelbürsten. Verschiedene<br />
Besen, Handfeger, Schuhputzbürsten, Gemüseputzbürsten<br />
oder Spinnennetzfeger findet man im über 800 Artikel großen<br />
Angebot.<br />
Ein besonderes Stück: fast hundert Jahre alter, fein<br />
gedrechselter Holzkörper mit einem Besatz aus<br />
weißem und schwarzem Ziegenhaar<br />
Rasierpinsel aus Dachshaar tragen Schaum<br />
besonders gut auf<br />
Und dabei wird die Rohstoffbeschaffung immer schwieriger.<br />
Die Zulieferanten für die Holzkörper sterben aus, für die<br />
Pinselzwingen (Metallhülsen) gibt es nur noch einen einzigen<br />
Hersteller. Selbst die simple Schweineborste gibt es hier<br />
nicht mehr. Die Schweine in Deutschland werden nur noch 4<br />
Monate alt. Wenn sie geschlachtet werden, tragen sie höchstens<br />
„Babyflaum“, aber noch keine verwendbaren Borsten.<br />
Außerdem sind die heutigen Nutzschweine so gezüchtet, dass<br />
sie kaum noch Borsten besitzen ‒ die stören in der Weiterverarbeitung.<br />
Zagermanns müssen den größten Teil der Produkte<br />
weltweit besorgen. Gute Schweineborsten kommen aus China,<br />
Dachshaar aus dem östlichen Russland, Pflanzenfasern aus Indonesien<br />
‒ ein Ladenrundgang kommt einer Weltreise gleich.<br />
„Wichtig ist neben der Elastizität und unterschiedlichen<br />
Härte aber auch der Fettgehalt der Haare“, erklärt der<br />
Fachmann. „Besonders das Ziegenhaar ist ein wunderbares<br />
Naturprodukt für die Bürstenherstellung. Wir machen daraus<br />
besonders gute Staubpinsel und -bürsten. Der natürliche<br />
Fettgehalt bindet nämlich den Staub ganz von selbst. Man<br />
entfernt ihn, ohne mechanischen Druck ausüben zu müssen,<br />
verkratzt also nicht empfindliche Oberflächen. Und ein Mal<br />
44
Ein Handfeger mit Ziegenhaarbesatz entsteht<br />
im Jahr wäscht man die Bürste in lauwarmem Wasser, das<br />
mit Kern- oder Schmierseife angereichert ist, aus ‒ und sie<br />
ist wie <strong>neu</strong>.“ Mit einem wissenden Lächeln drückt er mir die<br />
Waschanleitung in die Hand. Tja, so was hab’ ich im Supermarkt<br />
tatsächlich noch nicht <strong>erlebt</strong>, wenn man mal ‘ne Bürste<br />
brauchte ...<br />
Aber nicht nur die umfangreiche Produktpalette steht zur<br />
Auswahl, man kann dem <strong>Handwerk</strong>er bei der Produktion<br />
auch zuschauen ‒ denn Werkstatt und Laden sind eins. Mit<br />
gekonnter Hand werden die Borsten- oder Haarbüschel<br />
aufgenommen. Jedes gleich ‒ ohne die Haare zu zählen. Mit<br />
einem Messing- oder Edelstahldraht wird das Büschel ‒ Stück<br />
für Stück ‒ in die konischen Löcher eingezogen. Ist eine Reihe<br />
fertig, werden die Haare auf einheitliche Länge geschnitten.<br />
Dann wird die nächste Reihe eingezogen, beschnitten<br />
‒ und so weiter und so fort. Die Metalldrähte werden im<br />
ausgefrästen inneren Hohlraum „vernäht“, dann die Bürste<br />
mit der Abdeckung geschlossen. Solch eine Bürste ist für die<br />
Ewigkeit gemacht.<br />
Dann gibt es da aber auch noch die „Meisterstücke“:<br />
Histörchen aus Elfenbein oder Perlmutt sind echte Schätze.<br />
Kunstvoll gedrechselte Holzkörper, mit bis zu 800 Löchern<br />
versehen, ermöglichen die Herstellung von geschwungenen,<br />
runden Bürsten ‒ kleinen Kunstwerken gleich. Edle Hölzer<br />
wie Ebenholz, Zitronen- oder Pflaumenholz, von Kirsche oder<br />
Palisander wurden früher öfter, heute nur noch selten verarbeitet<br />
‒ es gibt kaum noch Hersteller für solches. Aber im<br />
Lager der Zagermanns liegen noch solche Schätze. Und für<br />
die, die hochwertige <strong>Handwerk</strong>sarbeiten lieben und schätzen,<br />
kann der Meister solches auch noch herstellen.<br />
„Schauen Sie mal“, stolz und mit ein bisschen Ehrfurcht zeigt<br />
er mir einen hauchdünnen, eleganten Bürstenkörper, „das<br />
ist noch ein Holz für eine Bürste mit Stirneinzug. Um die<br />
Dicke des Körpers deutlich zu reduzieren, hat man früher den<br />
ganzen Körper von vorne aus in ganzer Länge gebohrt. Die<br />
Haarbüschel wurden dann alle mit einem Seelendraht von<br />
vorne eingezogen. Das ist heute eine Rarität ‒ den Zeitauf-<br />
45
wand leistet man sich nicht mehr. Früher waren in der Kalkulation<br />
die eingesetzten Produkte preisrelevant und die<br />
Arbeitszeit nebensächlich. Heute liegen die Dinge genau<br />
umgekehrt. Vieles bleibt dadurch auf der Strecke“, ein bisschen<br />
Wehmut klang in den Worten des Meisters mit.<br />
Mir kam diese Herstellungsart ein bisschen vor wie der Bau<br />
eines Buddelschiffes ‒ Bürste mit Stirneinzug, der Weg zur<br />
Zauberei kann nicht mehr weit sein ...<br />
Mit Leib und Seele sind die Zagermanns ihrem Beruf verbunden.<br />
Die Ausführung handwerklicher Arbeit, mit der man sich<br />
identifizieren kann, steht hier an oberster Stelle. Wenn sich<br />
die Kunden über die Produkte freuen, kommt für sie das dem<br />
Applaus des Musikers gleich. Und es hat sich rumgesprochen.<br />
Ob Reparaturen von Silbergarnituren, Tischbürsten im<br />
Biedermeierstil oder technische Bürsten für spezielle Webverfahren;<br />
ob Kopfschmuck für historische Römerhelme oder<br />
Spezialanfertigungen für die Spinnwebenbekämpfung ‒ auch<br />
hier gilt: „geht nicht, gibt’s nicht“. Die Aufträge kommen<br />
inzwischen aus ganz Europa, aus Amerika bis Australien.<br />
Die üblichen Bürsten der Produktion kosten, je nach Größe,<br />
zwischen 10,‒ und 35,‒ Euro. Also ganz humane Preise angesichts<br />
der handwerklichen Einzelanfertigung.<br />
Und bis jetzt haben wir uns nur bei den Bürsten umgeschaut.<br />
Ähnlich umfangreich ist das Angebot an Pinseln. Künstler<br />
können hier von spitz bis breit, von groß bis winzig, von hart<br />
bis hauchzart wählen; bestückt mit Marder, Marderhund,<br />
Dachs-, Eichhörnchen- (Feh-)Haar. Aber davon vielleicht mal<br />
später ...<br />
Fotos: Helmut Harhaus<br />
Kontakt<br />
Pinsel- und Bürstenmacherei<br />
Zagermann<br />
im Kunsthandwerkerhaus<br />
auf Schloß Burg<br />
Schloßplatz 5<br />
42659 Solingen (Burg)<br />
Tel.: +49(0)212/47964<br />
Internet:<br />
www.buersten-zagermann.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag bis Donnerstag, Samstag<br />
und Sonntag sowie an Feiertagen<br />
von 12 bis 18 Uhr<br />
(Mo + Fr geschlossen)<br />
Das Ehepaar Zagermann – Bürsten sind ihr Leben<br />
46
DAS BÜRSTEN 1x1<br />
Für unterschiedliche Anwendungen werden entsprechende Besatzmaterialien<br />
verwendet:<br />
Für<br />
Staubwedel, Gesichtsbürsten<br />
Besen, Tapezierbürsten,<br />
Heizkörperbürsten, Schuhputzbürsten<br />
Möbelbürsten/-pinsel<br />
Rasierpinsel<br />
Künstlerpinsel<br />
Feinmalpinsel und Vergolderpinsel<br />
Haarbürsten, Flaschenbürsten<br />
Kleiderbürsten, Bade- und<br />
Massagebürsten<br />
Nagelbürsten<br />
Schrubber, Gemüsebürsten,<br />
Waschbürsten, Straßenbesen<br />
Bürsten für<br />
gewachste (Eichen-)Möbel<br />
Wildleder-Bürsten<br />
Blattgoldanleger<br />
eignet sich das Besatzmaterial:<br />
Ziegenhaar der Kaschmirziege<br />
Rosshaar (Schweif)<br />
weiches Rosshaar (Mähne)<br />
Dachshaar<br />
Marderhaar, Fehhaar, Rindshaar<br />
Fehhaar (Eichhörnchen)<br />
Schweineborsten<br />
Wurzel, Pflanzenfaser,<br />
Schweineborsten<br />
Pflanzliche Fasern von Arenga,<br />
Bassine, Siam, Kokus und Wurzeln<br />
Kupferdraht, auch in Verbindung<br />
mit Schweineborsten<br />
Messingdraht<br />
auch in Verbindung mit Borsten<br />
Fehhaar<br />
Besonders praktisch und anwenderfreundlich sind Bürsten und Pinsel aus Ziegenhaar.<br />
Das Markenzeichen der Zagermann-Produkte sind die zweifarbigen Besatzausführungen<br />
mit weißen und schwarzen Haaren. Die Bürste darf ja nebenbei auch schön aussehen ...<br />
Einmal im Jahr ist eine Reinigung empfehlenswert. Dazu werden die Bürsten und Feger in<br />
einer handwarmen Lauge aus Kern- oder Schmierseife ausgewaschen. Dabei nicht kneten<br />
oder rubbeln, damit die weichen Haare nicht brechen oder verfilzen. Anschließend in<br />
klarem Wasser nachspülen, das Wasser ausschleudern und die Bürste an der Luft trocknen<br />
lassen. Wichtig ist, dafür Schmierseife zu benutzen, die fettet die Haarstruktur <strong>neu</strong><br />
und verleiht der Bürste wieder die Eigenschaft, Staub zu binden.<br />
Spülbürsten und Wurzelbürsten muss man mit den Borsten nach unten zum Trocknen<br />
lagern, damit keine Staunässe in den Holzkörper eindringt.<br />
Haarbürsten sollten von Zeit zu Zeit mit einem speziellen Kamm-/Bürstenreiniger durchkämmt<br />
werden, um Haare und Hautschuppen zu entfernen.<br />
47
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Traditionelle Käseproduktion<br />
entdeckt und dokumentiert auf der Insel La Gomera<br />
von Jens Johannsen<br />
Versteckt in einer verträumten Landschaft, nicht weit<br />
entfernt von der Ortschaft Hermigua im Nordosten<br />
von Gomera gelegen, trafen wir auf ihrem kleinbäuerlichen<br />
Hof, mit fruchtbaren Steilhangparzellen von insgesamt<br />
einem halben Hektar Größe, Helga und Pasquale.<br />
Auf diesem Hof wird von Helga und Pasquale seit etwa 10<br />
Jahren Ziegenkäse in alter traditioneller Art für den Hausgebrauch<br />
hergestellt, einer Tradition, die erstmals für das<br />
Jahr 1492 dokumentiert ist, als Kolumbus auf seiner Entdeckungsreise<br />
nach Amerika den wohlschmeckenden Käse<br />
aus Gomera als Reiseproviant einschiffte (Ethnographisches<br />
Museumsdukoment La Gomera).<br />
Pasquale kennt die Landwirtschaft von frühester Kindheit.<br />
Er ist Gärtner, Fachmann für Obstbaumveredlungen, er kann<br />
und darf den wertvollen „guarapo” (Palmenhonig) abzapfen,<br />
er baut einen speziellen Knoblauch an, und er besitzt<br />
drei Bergziegen für die Käseherstellung. Helga führt den<br />
Haushalt, stellt den Käse her, konserviert Früchte und ist<br />
Fachfrau für Jazz. Mit ihrem Computer hält sie den Kontakt<br />
zu ihren Kindern und zur Außenwelt.<br />
Wir beobachten Pasquale beim Melken seiner Ziege<br />
(Bild 1) und staunen, wie 2 Liter Milch in gleichmäßigen<br />
Stößen in nur wenigen Minuten aus dem prallen Euter in<br />
die vorbereitete Milchkanne spritzen. Für Pasquale ist das<br />
vorsichtige, abtastende Überprüfen und Reinigen des Euters<br />
eine eingeübte und selbstverständliche Melkvorbereitung.<br />
Pasquale erklärt uns, dass unter optimalen Futter- und Tierhaltungsbedingungen<br />
diese Melkmenge pro Ziege auf 4 Liter<br />
pro Tag ansteigen kann. Die Milchmenge und Käsequalität<br />
wird in hohem Maße durch das gute Weidegras bestimmt.<br />
48
Berglandschaft auf der Insel La Gomera<br />
Arbeitsteilige Käseherstellung hat sich auch auf diesem<br />
Hof bewährt. Helga übernimmt die am Morgen frisch<br />
gemolkenen zwei Liter Rohmilch. Zusammen mit der vom<br />
Vortag im Kühlschrank aufbewahrten Milch, stehen jetzt die<br />
notwendigen 4 Liter Milch bereit, um ihren Hauskäse, diesmal<br />
extra für ihre Gäste, in gewohnter Weise herzustellen.<br />
Die Geräte, besonders der schon seit Generationen benutzte<br />
Käsetisch und das mit einem Filtertuch ausgelegte Sieb,<br />
sind bereits in der kleinen Küche vorbereitet. Die vier Liter<br />
Rohmilch, vorsorglich noch einmal mit einem feinen Metallsieb<br />
gefiltert, werden im ersten Arbeitsschritt kurzzeitig auf<br />
37 bis 38 Grad Celsius erwärmt und dann mit flüssigem<br />
Lab durchmischt. Die Herstellung der Labflüssigkeit aus<br />
Labpulver wird nach genauer Firmenanweisung durchgeführt.<br />
Von der vorbereiteten und im Kühlschrank gelagerten<br />
Verdünnung werden zwei Esslöffel Labflüssigkeit langsam<br />
und unter wechselnder Rührbewegung in die frische Rohmilch<br />
eingerührt. Die Rührzeit beträgt etwa eine Minute.<br />
Die Bildung der dickmilchartigen Käsemilch dauert dann<br />
etwa zwei Stunden. Um bei diesem Vorgang die Wärme zu<br />
erhalten und Staub fernzuhalten, wird die Käsemilch vorsorglich<br />
mit einem Tuch abgedeckt. Nachbarn von Helga<br />
und Pasquale arbeiten bei der Käseherstellung nicht mit dem<br />
synthetisch hergestellten Labpulver, sondern verwenden,<br />
genau wie früher, ihr eigenes Naturlab. Dies herzustellen ist<br />
Bild 1<br />
Bild 2<br />
49
Bild 3 Bild 4<br />
Bild 8<br />
Bild 7<br />
sehr aufwendig und bedarf großer hygienischer Sorgfalt, da<br />
die Bildung des Labs im Magen eines Zickleins erfolgt. Jedes<br />
Säugetier produziert, solange es gesäugt wird, ein spezielles<br />
Labenzym. Um Käselab zu bekommen, befüllt man über 5<br />
bis 6 Tage den Ziegenmagen des frisch geschlachteten “baifo“<br />
(Zicklein) in kleinen Schritten mit etwa 5 bis 6 Löffeln<br />
frischer Muttermilch. Diese Milch verklumpt in kurzer Zeit<br />
unter Einwirkung des Labenzyms des Magens zu einem<br />
relativ festen Klumpen, der in kleine Brocken zerteilt, in<br />
Wasser aufgelöst, in die Rohmilch gemischt wird und dann<br />
die Käsebildung in gleicher Weise einleitet wie beim oben<br />
beschriebenen synthetischen Labpulver.<br />
Hat sich die Käsemilch unter Einwirkung des Labs und<br />
ausreichender Zeit gebildet, wird diese Vorstufe des späteren<br />
Käses mit einem einfachen Küchenmesser in gleich große<br />
Würfel von etwa vier Zentimeter zerteilt. Da die hier<br />
verwendete Topfhöhe gering ist, kann auf eine waagerechte<br />
Zerteilung der Käsemilch verzichtet werden. Das ist nicht<br />
ganz unwichtig, denn je kleiner die Würfelform geschnitten<br />
wird, desto leichter kann die Molke austreten und desto fester<br />
wird der Käse. Helga füllt vorsichtig und langsam die zerteilte<br />
Käsemilch in das vorbereitete Sieb (Bild 2), und bereits jetzt<br />
kann ein beträchtlicher Teil der sich gebildeten Molke abgeseiht<br />
werden. In den noch sehr weichen Frischkäse kann man<br />
Kräuter nach eigenem Gutdünken und eigenem Geschmack<br />
einmischen (Bilder 3 und 4). Beliebt sind fein gehackte<br />
Kresse, Kerbel, Petersilie und auch Knoblauch, alles Kräuter,<br />
wenn möglich aus dem eigenen Garten oder fast wie selbstverständlich<br />
im Tausch vom Nachbarn. Salz, das bevorzugt in<br />
grobkristalliner Form verwendet werden sollte, da es tiefer in<br />
den Käse eindringen kann, und auch etwas Pfeffer erzeugen<br />
dann die endgültige Geschmacksrichtung.<br />
Durch geschicktes Verschließen des Tuches wird der Käse<br />
gepresst (Bild 6) und vorgetrocknet. Der Käse muss zur<br />
Molkereduzierung weiter gepresst und außerdem in eine<br />
endgültige Form gebracht werden. Mit Hilfe eines zu einem<br />
verstellbaren Zylinder formbaren Edelstahlbleches kann der<br />
Käse zu seiner endgültigen runden Form gepresst werden.<br />
Mit dem Spannseil kann die runde Form stufenlos verkleinert<br />
werden (Bild 7). Zusätzlich wird mit Hilfe eines Steines und<br />
eines geeigneten Drucktellers, hier ist es eine flache Glasschale,<br />
der Druck auf den Käse verstärkt. Dieser Pressvorgang<br />
wird auf dem Käsetisch durchgeführt (Bild 8). Die Molke<br />
kann dabei ungehindert über die Bodenrillen des Käsetisches<br />
austreten und über die Ablaufrinne in einen Topf fließen.<br />
Dass frische Molke ein wunderbares Getränk ist und keineswegs<br />
nur den Tieren verfüttert werden sollte, ist eine weitere<br />
<strong>neu</strong>e Erfahrung für uns. Nach zwei Tagen Presszeit erreicht<br />
der Käse seine gewünschte Konsistenz und damit sein endgültiges<br />
Aussehen und Gewicht (Bild 9), in unserem Fall 550<br />
Gramm. Aus Gründen der Hygiene wird der Käse für diese<br />
Ruhezeit mit einem Tuch abgedeckt und kühl gelagert.<br />
50
Bild 5 Bild 6<br />
Bild 9<br />
Zur Übergabe unseres Käses treffen wir uns noch einmal<br />
zwei Tage später in der Casa Creativa, einem besonders<br />
freundlichen Treffpunkt. Wir erhalten von Helga die letzten<br />
Informationen, wie man z. B. den Käse am besten lagert und<br />
welche gesetzlichen Rahmenbedingungen, die leider eine<br />
Eigenherstellung und einen Verkauf kaum noch zulassen,<br />
bedacht werden müssen. Auch das Räuchern des Käses, am<br />
besten mit dem Holz des Zitronenstrauches oder der Baumheide<br />
zur Geschmacksintensivierung, wird besprochen. Durch<br />
Lagern kann der Käse verschiedene Reifegrade erhalten und<br />
fester werden.<br />
Bild 10<br />
Soll der Käse eine Reise überstehen, wir denken dabei wieder<br />
an die Entdeckungsfahrten des Kolumbus, sollte er täglich<br />
mit einer gesättigten Salzlösung abgepinselt und damit<br />
besonders haltbar gemacht werden. Dass dann noch ein Besuch<br />
im Museum erfolgt, wird nicht verwundern. Auch hier<br />
werden wir fündig. Wir entdecken, wie Käse in alten Zeiten<br />
in Kästen aus Schilfrohr oder Bambus gelagert (Bild 10) und<br />
dass mit einfachen Waagen das Gewicht des Käses bestimmt<br />
wurde. Und am Ende unserer freundlichen und herzlichen<br />
Begegnung in den Bergen La Gomeras versprechen wir Helga<br />
und Pasquale, dass wir in unserer Reportage ausdrücklich<br />
darauf hinweisen, dass das ganze Wissen um die Käseherstellung<br />
allen gehört und in diesem Fall ganz besonders den<br />
Gomerianern.<br />
Fotos: Jens Johannsen<br />
La Gomera, mit Blick vom Nebelwals<br />
51
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
Nach Originalplänen nachgebaut: Torfschiff „Johanna“ in Elisabethfehn<br />
Barfuß oder Holzschuhe: einfaches Leben im Moor<br />
52
„ Jan, treck an!“<br />
Moorkolonisation und Torfabbau<br />
von Klaus-Uwe Hölscher<br />
Mit Moor verbanden unsere Vorfahren meist etwas<br />
Gefährliches, Unheimliches bzw. Gespenstisches.<br />
Diese Gefühlslage beruhte nicht nur auf Phantasievorstellungen,<br />
sondern hatte durchaus einen realistischen<br />
Hintergrund. Moorgebiete waren kaum besiedelte, einsame<br />
Gegenden und ein Betreten war gefährlich, da man im feuchten,<br />
morastigen Boden leicht einsinken konnte.<br />
Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797 ‒ 1848)<br />
hat in ihrem Gedicht „Der Knabe im Moor“ die gespenstische<br />
Atmosphäre eindrucksvoll gestaltet:<br />
„O schaurig ist’s übers Moor zu gehen,<br />
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,<br />
Sich wie Phantome die Dünste drehn<br />
Und die Ranke häkelt am Strauche,<br />
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,<br />
Wenn aus der Spalte es zischt und singt<br />
O schaurig ist’s übers Moor zu gehen,<br />
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!“<br />
Der Knabe <strong>erlebt</strong> im Moor einige Phantasiegestalten, die ihm<br />
schreckliche Ängste einjagen, aber er findet wieder den Weg<br />
zurück nach Hause, da ihm ein Schutzengel beisteht.<br />
Aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit sind auch Moorleichen<br />
bekannt. Durch die konservierende Wirkung von Moor und<br />
Luftabschluss sind menschliche Leichname oft sogar mit<br />
Haut und Haaren erhalten geblieben und geben uns wichtige<br />
Kenntnisse über Körperbau und Bekleidung. Im Unterschied<br />
zu den fruchtbaren Marschböden und der sandigen Geest<br />
war das Leben im Moor reich an Entbehrungen. Erst durch<br />
umfangreiche Kultivierungsarbeiten konnten diese Gebiete<br />
„Jan treck an“: Mühsames Treideln per Menschenkraft<br />
dargestellt am Mittelkanal in Papenburg<br />
für landwirtschaftliche Nutzung erschlossen werden. Nach<br />
mehreren Generationen war dann eine einigermaßen ausreichende<br />
Lebensgrundlage geschaffen. Dies kommt in dem<br />
plattdeutschen Ausspruch besonders treffend zum Ausdruck:<br />
„Dem Ersten sin Dod, dem Tweden sin Not, dem Dritten sin<br />
Brot.“<br />
Moore sind natürliche Bildungs- und Lagerstätten von<br />
Pflanzenresten, die sich unter Luftabschluss zersetzen und an<br />
der Erdoberfläche Torf bilden. Man unterscheidet Flachmoore<br />
(auch Niederungsmoor, Wiesenmoor oder Ried genannt), die<br />
sich bei der Verlandung von Seen, Teichen bzw. Flussläufen<br />
bilden, und Hochmoore. Diese Moore sind auch unter den<br />
Bezeichnungen Moos, Venn und Fehn bekannt. Auf den<br />
nährstoff- und kalkarmen Böden der Hochmoore wachsen vor<br />
allem Wollgräser, Heidekraut und Torfmoose. Letztere bilden<br />
dichte Polsterdecken und saugen das Oberflächenwasser auf.<br />
Die tieferen Schichten sterben ab und gehen in Torf über, die<br />
53
Oberfläche des Moores gewinnt dabei langsam an Höhe. Bei<br />
fortschreitender Alterung entwickelt sich Torf zu Braunkohle.<br />
Moormuseum Moordorf<br />
In Ostfriesland und im Emsland sind einige Museen zu besichtigen,<br />
die die Erinnerung an die Moorkolonisation und die<br />
damit verbundenen Strapazen wachhalten. So bezeichnet sich<br />
das Moormuseum in Moordorf zwischen Aurich und Emden<br />
als „Museum der Armut zum Anfassen und Mitmachen“. Im<br />
Jahre 1979 wurde der Verein Moormuseum Moordorf gegründet.<br />
Auf einem Moorgelände am Rande des Dorfes wurden<br />
kleine Lehmhütten stilgerecht nachgebaut. Dargestellt werden<br />
die Entwicklungsgeschichte sowie das Leben und die Arbeit<br />
der Moorkolonisten. Im Jahre 1744 kam Ostfriesland unter<br />
preußische Herrschaft, und die Kolonie Moordorf wurde<br />
1767 gegründet. Man machte damals das Moor jedoch nicht<br />
wirklich urbar, denn dann hätte man den Torf abgraben müssen.<br />
Stattdessen brannte man die oberste, lockere Moorschicht<br />
ab und gewann durch diese Brandrodung Asche, die einige<br />
Nährstoffe enthielt, die aber bald wieder verbraucht waren.<br />
So herrschte meist große Armut. Die Lage verbesserte sich<br />
erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als Moordorfer in der<br />
Hafenstadt Emden Arbeit fanden.<br />
Webstuhl zur Segelherstellung für die Fehnschiffahrt<br />
Armut und Kinderreichtum<br />
Der frühere ostfriesische Regierungspräsident Jann Berghaus<br />
(1870 ‒ 1954) beschreibt eindrucksvoll in seinen Erinnerungen<br />
die häuslichen Verhältnisse einer Moordorfer Familie in<br />
den 1920er Jahren: „Die Wohnverhältnisse der Moordorfer<br />
waren außerordentlich kümmerlich. Man kann sich kaum<br />
ein Bild von dem Wohnungselend machen … Wir betraten<br />
eine der Moorhütten. In dem Vorderteil war nur ein einziges<br />
größeres „Zimmer“, an der Giebelwand flackerte das<br />
Herdfeuer. Der Zutritt zu diesem Raum führte durch einen<br />
schmalen Gang zwischen zwei Wandbetten (Butzen) hindurch.<br />
Das Hinterhaus war eine kleine Scheune, worin ein<br />
Raum für Torfaufbewahrung und für einen Schaf- und<br />
Schweinestall vorhanden war. Auf meine Frage an die Hausfrau,<br />
wie viel Menschen in dieser Hütte wohnten, antwortete<br />
sie „Vierzehn“! Da wollte einem doch der Verstand still stehn!<br />
Ich sprach plattdeutsch und fragte: „Aber wie schlafen Sie<br />
denn mit vierzehn Menschen in diesem Haus?“ Sie zeigte auf<br />
die eine Butze, die für die Großeltern bestimmt war. In der<br />
andern, sagte sie, nächtigen sechs Kinder. Aber die konnten ja<br />
nicht nebeneinander liegen, und deswegen mussten sie in der<br />
Querlage den nötigen Raum finden.“<br />
Auch die übrigen sechs Personen haben eine Schlafstelle,<br />
wobei die Eltern in der Scheune neben dem Schweinestall<br />
ihr Nachtlager haben und das kleinste Kind zwischen ihnen<br />
schläft. Berghaus stellt abschließend fest: „Nun waren es<br />
vierzehn! Die Kinder waren gesund, meistens außerhalb des<br />
Hauses und auf die freie Natur angewiesen. Bei Sommertag<br />
gingen sie natürlich barfuß. Diejenigen, die diesem Dasein<br />
nicht gewachsen waren, gingen in Seuchen und Epidemien<br />
Fehnmuseum Eiland Westgroßefehn: Torftransport<br />
per Schubkarre<br />
zugrunde.“ (Zitiert nach Andreas Wojak, Moordorf, Dichtungen<br />
und Wahrheiten über ein ungewöhnliches Dorf in<br />
Ostfriesland. Bremen 1992.)<br />
Fehnmuseum Eiland<br />
In Westgroßefehn zwischen Aurich und Leer wurde 1634 mit<br />
dem Torfabbau begonnen. Das dortige Fehnmuseum Eiland<br />
e.V. feierte vom 1. ‒ 8 Mai 2011 sein 20-jähriges Bestehen.<br />
Außer der Vorführung einer alten Gattersäge standen Ausstellungen,<br />
Lichtbilder- und Filmvorträge auf dem Programm.<br />
Zeitzeugen berichteten über „olle Tieden“, als sie als Fehntjer<br />
Schipper im Dienst waren. Als Aktion zum Erhalt der<br />
Befahrbarkeit des Fehntjer Tiefs fand eine Podiumsdiskussion<br />
statt. Das Plattbodenschiff „Mariechen“ und das ehemalige<br />
Torfschiff „Gretje von Großefehn“ bieten während der Sommersaison<br />
Rundfahrten an. Im Fehnmuseum Eiland ist außer<br />
dem Besuch der gemütlichen Teestube eine Sammlung von<br />
Geräten aus der Zeit der Moorkultivierung sehenswert, u. a.<br />
ein Webstuhl zur Segelherstellung für die Fehnschifffahrt.<br />
Moor- und Fehnmuseum Elisabethfehn<br />
Durch die Gemeinde Barßel im Landkreis Cloppenburg<br />
führt der Elisabethfehnkanal. Er ist der längste noch schiffbare<br />
Fehnkanal mit sieben Klappbrücken und vier von Hand<br />
54
etriebenen Schleusen. Eine weitere Besonderheit von Barßel<br />
ist, dass der Ort durch seine Wasserstraßen schleusenlos mit<br />
der Nordsee verbunden ist. Daher sind im Barßeler und Aper<br />
Tief noch Ebbe und Flut spürbar.<br />
Im alten Kanalwärterhaus und in einem den typischen<br />
Fehnhäusern nachempfundenen Neubau ist das Moor- und<br />
Fehnmuseum Elisabethfehn untergebracht. Umfangreiche<br />
Sammlungen dokumentieren die frühere Fehnkultur. So<br />
werden zum Beispiel Handgeräte für den Torfstich gezeigt,<br />
außerdem Klumpen (Holzschuhe) für Menschen und auch<br />
„Pferdetrippen“. Diese befestigte man an den Hufen der Pferde,<br />
damit diese nicht zu tief im Morast einsackten. In einem<br />
Diorama wird der maschinelle Torfabbau gezeigt. Zu den Kuriositäten<br />
gehört eine Torfmoos-Spindelpresse. Damit wurden<br />
aus Torfmoospappe Einlegesohlen gepresst. Dieses durchaus<br />
biologische Naturprodukt wurde von 1883 bis 1990 gefertigt.<br />
Auf dem Freigelände sind zahlreiche historische Torfverarbeitungsmaschinen<br />
ausgestellt. Die Schmalspur-Dampflok<br />
„Katharina“ (Spurweite 600 mm), Baujahr 1911, war zwischen<br />
Oldenburg und Dörpen im Emsland im Einsatz. Aufgrund<br />
ihres hohen Gewichts von 7,5 t wurde sie nicht im Moor, sondern<br />
auf festerem Grund in Torfwerken eingesetzt. Außerdem<br />
kann man eine fahrbare Dampflokomobile besichtigen (Firma<br />
Marshall & Sons, Baujahr 1905). Sie wurde per Pferdezug<br />
oder Trecker an den Einsatzort gebracht und diente zum<br />
Antrieb von Torfpressen. Das Schwungrad der Lokomobile<br />
„Ann“ kann per Münzeinwurf elektrisch in Bewegung gesetzt<br />
werden. In der Wieke des Museums liegt das nach Originalplänen<br />
nachgebaute Torfschiff „Johanna“ neben der Tjalk<br />
„Jantine“.<br />
Von-Velen-Anlage Papenburg<br />
Die Stadt Papenburg im Emsland ist vor allem durch die<br />
Meyer-Werft bekannt, die im Bau von Kreuzfahrtschiffen<br />
eine führende Position innehat. Am Splitting befindet sich die<br />
von-Velen-Anlage, benannt nach dem Stadtgründer Dietrich<br />
von Velen. Im „Papenbörger Hus“, einer kleinen Moorplaggenhütte<br />
kann man das einfache und beengte Leben der<br />
Moorkolonisten nachempfinden. Am Mittelkanal vor dem<br />
von-Velen-Museum wird ein nachgebautes Torfboot auf einer<br />
Slipanlage gezeigt. Das Ensemble „Jan treck an!“ ( Jan zieh an)<br />
zeigt, wie früher ein voll beladener Torfkahn auf den Kanälen<br />
getreidelt, d. h. am Seil per Hand gezogen wurde. Auch per<br />
Pferdezug wurden die Schiffe fortbewegt. Es gab zwar auch<br />
Schiffe auf den Fehnkanälen und an der<br />
Küste mit Besegelung<br />
Moorkate mit Torfballen als kärgliche Behausung<br />
Armselig und düster: Blick durch das „Mauerwerk“ der Torfkate<br />
Segelmacher, die auf ihren Webstühlen Tuche herstellten, aber<br />
bei Flaute kamen mit Segel ausgestattete Boote kaum voran.<br />
DIZ Emslandlager<br />
Das Moor bei Esterwegen im Umfeld von Papenburg spielte<br />
im Nationalsozialismus eine uns heute bedrückende Rolle. In<br />
den fünfzehn Emslandlagern wurden Gefangene zur Kulti-<br />
Messer und Spaten für den Torfstich in Elisabethfehn<br />
55
vierung der emsländischen Moore eingesetzt. Das DIZ (Dokumentations-<br />
und Informationszentrum Emslandlager) hat<br />
nachgewiesen, dass bis Kriegsende ca. 80 000 KZ-Häftlinge<br />
und Strafgefangene sowie weit über 100 000 Kriegsgefangene<br />
in den 15 Emslandlagern inhaftiert waren. Vermutlich bis zu<br />
30 000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene,<br />
kamen in den Lagern ums Leben. Berühmt wurde das Lied<br />
von den Moorsoldaten: „Wir sind die Moorsoldaten und<br />
ziehen mit dem Spaten ins Moor …“ Die Gefangenen sangen<br />
das Lied, das dann aber verboten wurde, weil die Nationalsozialisten<br />
darin einen Akt möglichen Widerstandes vermuteten.<br />
Emsland Moormuseum Groß Hesepe<br />
In der Gemeinde Geeste befindet sich das Emsland Moormuseum<br />
Groß Hesepe. Es bietet außer einer Ausstellungshalle<br />
und einem großen Maschinenpark als Besonderheit eine 30<br />
Hektar große Hochmoorfläche. Durch mehrere Exponate<br />
hält es die Erinnerung an die Zeit der imposanten Dampfpflüge<br />
wach. Bis 1972 arbeiteten hier im Moor die mächtigen<br />
Dampfpflüge der Firma Ottomeyer aus Lügde-Pyrmont.<br />
Außer den Dampflokomobilen mit bis zu 400 PS Leistung<br />
beeindruckt der Moorpflug „Mammut“, der wegen<br />
der Form seiner Pflugscharen, die wie Flügel wirken, auch<br />
„Emsland-Schwalbe“ genannt wird. Dieser 30 t schwere Pflug<br />
wurde mit ca. 6 km/h vom Seil der Dampflokomobile gezogen<br />
und hatte eine Pflugtiefe bis 2 Meter. Das Furchenrad, das den<br />
Pflug in der Spur hält, misst stolze 4 Meter im Durchmesser.<br />
Alles in allem eine Sammlung von technischen Superlativen!<br />
(Vgl. dazu auch: Journal Dampf & Heißluft 4/ 2006 (Neckar-Verlag):<br />
Dampftechnik in Niedersachsen:<br />
Teil 2.)<br />
Torfabbau als Problem<br />
Früher wurde Torf hauptsächlich als Baumaterial für die<br />
Moorkaten benutzt. Auch als Heizmaterial fand es bei den<br />
Kolonisten Verwendung. Die Kessel des ehemaligen Kraftwerkes<br />
in Wiesmoor (Landkreis Aurich) wurden mit Torf<br />
geheizt. Zur Verbesserung der Bodenqualität leistet Düngetorf<br />
im Gartenbau einen wichtigen Beitrag. Doch in jüngster Zeit<br />
melden sich dazu durchaus kritische Stimmen. Ein WDR-<br />
Film über den Abbau riesiger Moorflächen in Lettland für<br />
die deutsche Gartenbauindustrie stimmt nachdenklich. Man<br />
befürchtet die Zerstörung eines über Millionen von Jahren<br />
gewachsenen Ökosystems. Torf gilt als wichtiger Speicher von<br />
Kohlenstoff. Das feuchte Moos bindet den Kohlenstoff. Bei<br />
Entwässerung und Trockenlegung der Moore zersetzt sich<br />
der Torf an der Luft. In Verbindung mit Sauerstoff bildet sich<br />
das klimaschädliche Treibhausgas CO 2<br />
. Vermutlich wird sich<br />
torffreie Blumenerde langfristig durchsetzen. Denkbar ist eine<br />
Mischung von schwarzer Erde (Mutterboden), Kompost und<br />
Rindenmulch.<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Schmalspur-Dampflok „Katharina“, Baujahr 1911, in<br />
Elisabethfehn; früher im Torfwerk im Dienst<br />
Kontakt<br />
Moormuseum Moordorf<br />
Victorburer Moor 7 a<br />
26624 Moordorf/Südbrookmerland<br />
Tel.: +49(0)4942/2734<br />
Fax: +49(0)4942/5346<br />
Internet: www.moormuseum-moordorf.de;<br />
E-Mail: moormuseum-moordorf@ewetel.net<br />
Fehnmuseum Eiland<br />
Leerer Landstraße 59<br />
26629 Großefehn-Westgroßefehn<br />
Tel.: +49(0)4945/1333<br />
oder: +49(0)4945/959611<br />
Internet: www.fehnmuseum-eiland.de<br />
E-Mail: info@fehnmuseum-eiland.de<br />
Moor- und Fehnmuseum Elisabethfehn<br />
Oldenburger Straße 1<br />
26676 Elisabethfehn<br />
Tel.: +49(0)4499/2222<br />
Fax: +49(0)4499/74477<br />
Internet: www.fehnmuseum.de<br />
E-Mail: moor-u.fehnmuseum@t-online.de<br />
Emsland Moormuseum<br />
Geestmoor 6<br />
49744 Geeste-Groß-Hesepe<br />
Tel.: +49(0)5937/709990<br />
Fax: +49(0)5937/7099930<br />
Internet: www.moormuseum.de<br />
E-Mail: kontakt@moormuseum.de<br />
DIZ Emslandlager<br />
Wiek rechts 22<br />
26871 Papenburg<br />
Tel.: +49(0)4961/916306<br />
Fax: +49(0)4961/916308<br />
Internet: www.diz-emslandlager.de<br />
E-Mail: mail@diz-emslandlager.de<br />
Von-Velen-Anlage<br />
Splitting Rechts 56<br />
26871 Papenburg<br />
Tel.: +49(0)4961/73742<br />
Internet: www.von-velen-anlage.de<br />
E-Mail: info@von-velen-anlage.de<br />
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Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Die Miedernäherin<br />
Annamirl Raab<br />
von Martina Poll<br />
Das Miedernähen war lange Zeit vom Aussterben bedroht.<br />
Nur wenige Schneiderinnen beherrschten<br />
dieses alte <strong>Handwerk</strong>, die Anfertigung eines maßgeschneiderten<br />
Mieders war entsprechend teuer. „Zu Beginn<br />
meiner Schneidertätigkeit 1975 herrschte eher die Meinung,<br />
so ein Kleidungsstück verunstalte die weibliche Figur“,<br />
erzählt Annamirl Raab. Doch ihrer Meinung nach steht ein<br />
Mieder sowohl sehr schlanken wie auch etwas molligeren<br />
Frauen und macht einen straffen Oberkörper. Jetzt sind<br />
Mieder wieder in, und viele Mädchen und Frauen lernen<br />
in speziellen Kursen unter Anleitung von professionellen<br />
Schneiderinnen wie Annamirl Raab die Herstellung eines<br />
steifen Mieders nach alten Vorlagen.<br />
Das sogenannte „steife Mieder“ ist die Leidenschaft von<br />
Annamirl Raab. Die Schneiderin aus Schliersee ist geradezu<br />
besessen vom Miedernähen und bringt es jedem bei, der es<br />
lernen will. „Man kann es sich natürlich auch machen lassen,<br />
von mir oder einer anderen Näherin, aber selber machen ist<br />
viel schöner.“ Doch auch mühsam, wie die vielen Teilnehmerinnen,<br />
selten Teilnehmer, ihrer Kurse bestätigen. Annamirl<br />
hat sich in langjähriger Arbeit die optimale Technik selbst<br />
angeeignet, alte Mieder aufgetrennt, analysiert und Schnitte<br />
entworfen. Das fertige Mieder besteht aus insgesamt fünf<br />
Materialschichten: Oberstoff, zwischengelegtes Taschenfutter,<br />
Leinen, saugfähiger Baumwollstoff und Futter. Viel Arbeitszeit<br />
steckt darin, mindestens 30 bis 40 Stunden, je nach<br />
Ausführung. Aber die Mühe lohnt sich, die meisten selbst<br />
geschneiderten Mieder sind wahre Kunstwerke und ein<br />
Kleidungsstück fürs Leben.<br />
Wahrscheinlich ist es dem Rokoko-Mieder nachempfunden<br />
und war im 19. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil von<br />
ländlichen Trachten. Zahlreiche gut erhaltene Stücke aus<br />
dieser Zeit sprechen dafür. Das Mieder wurde aus farbigem<br />
Stoff gesteppt und mit Fischbein versteift, oft war es mit<br />
Gold- und Silberstickereien reich verziert. An der Vorderseite<br />
wurde es mit Bändern oder mit Silberschnüren, an denen<br />
Silbermünzen hängen, geschlossen. Eine wahre Fundgrube<br />
für alte Mieder ist das Trachteninformationszentrum des<br />
Bezirkes Oberbayern in Benediktbeuern. Auch das Trachtenkulturzentrum<br />
des Bayerischen Trachtenverbandes in Holz-<br />
Trachtenschneiderei & Trachtenausstatter<br />
ANNAMIRL RAAB<br />
Trachtenschneidermeisterin<br />
Rathausstr. 12a, 83727 Schliersee<br />
Telefon und Fax 0 80 26/9 27 97 27<br />
www.Trachten-Raab.de<br />
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würde das alles nicht auf Anhieb gelingen. Doch manche<br />
Teilnehmerinnen kommen immer wieder und nähen schon<br />
das vierte oder fünfte Mieder, für sich selbst, die Schwester,<br />
die Tochter oder eine Freundin. Ein solches Mieder kann<br />
man quasi zu jedem Anlass tragen, zum Geburtstag genauso<br />
wie zu einer Hochzeit. Man kann es variieren durch verschiedene<br />
Schürzen, je nach Anlass aus Baumwolle oder Seide,<br />
und man kann schönen Schmuck oder ein passendes Tuch<br />
dazu tragen, ganz wie man will. Und man sollte das Mieder<br />
so oft tragen, wie es geht, es passt sich mit der Zeit dem<br />
Körper an und jede Frau macht darin eine gute Figur!<br />
Fotos: Martina Poll<br />
hausen birgt viele alte Schätze. Doch auch heute tragen es<br />
Mädchen und Frauen in vielen Trachtenvereinen in Bayern.<br />
Die Teilnehmerinnen bei Annamirl Raabs Miedernähkursen<br />
lassen sich jede Menge einfallen, um ihr ganz persönliches<br />
Mieder zu kreieren. Alle Farben und Muster sind erlaubt,<br />
und in Kombination mit dem entsprechenden Rock- und<br />
Schürzenstoff schaffen die Näherinnen unnachahmliche<br />
Unikate.<br />
Kontakt<br />
Annamirl Raab<br />
Rathausstraße 12a<br />
83727 Schliersee<br />
Tel: +49(0)8026/9279729<br />
E-Mail: Annamirl.raab@gmx.de<br />
Am Anfang fertigt Annamirl für jede ihrer Teilnehmerinnen<br />
einen individuellen Schnitt an. Schließlich soll das Mieder<br />
gut passen und trotz seiner Steifheit angenehm zu tragen<br />
sein. Dann müssen die Näherinnen selbst aktiv werden. Auf<br />
Schnittpapier entwerfen sie ihr ganz eigenes Muster, das<br />
später abgesteppt wird und in das dann anstelle von Fischbein<br />
Peddigrohr eingezogen wird. Blumen- und Blätterranken,<br />
geometrische Motive, die Initialen, auch hier sind der<br />
Phantasie keine Grenzen gesetzt. Je komplexer so ein Muster<br />
wird, desto komplizierter sind auch die Weiterverarbeitung<br />
und das spätere Versteifen mit Peddigrohr. Anschließend<br />
muss der Entwurf auf Schneiderleinen übertragen werden,<br />
dann werden die ersten drei Schichten zusammengeheftet<br />
und das Muster abgesteppt. Eine große Herausforderung ist<br />
das Einziehen des Peddigrohres in die abgesteppten Tunnel<br />
für das Muster, damit die für das steife Mieder typische<br />
Oberfläche und Festigkeit entsteht. Die Näherinnen machen<br />
mit einem Pfriem ein Loch in den Oberstoff und schieben<br />
das Peddigrohr hinein. Schön langsam kann man die reliefartige<br />
Struktur des Musters erkennen. Die langen Stäbchen<br />
brechen oft ab und müssen mühsam wieder herausgeholt<br />
werden. Für ganz kleine Musterstrukturen braucht man<br />
manchmal nur Reiskörner. Eine echte Geduldsarbeit. Wenn<br />
das geschafft ist, werden die Miederteile zusammengenäht<br />
und der Trägerin auf den Leib geschneidert. Dann fehlen nur<br />
noch die Einfassung und das Annähen der Silberhaken für<br />
das „Gschnür“, die Verschnürung an der Vorderseite des Mieders.<br />
Ohne die tatkräftige Unterstützung von Annamirl Raab<br />
58
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Von Böttchern und Fässern<br />
Auf den Spuren eines alten <strong>Handwerk</strong>s<br />
Jedes Fass fasst ein Fuder Wein = gut 1.000 Liter<br />
von Klaus-Uwe Hölscher<br />
Ebenso wie zum Beispiel Stellmacher und Wagner üben<br />
Böttcher ein heute selten gewordenes <strong>Handwerk</strong> aus. Je<br />
nach Region in Deutschland heißen sie auch Büttner,<br />
Küfer, Schäffler oder Fassbinder und stellen Holzgefäße und<br />
Fässer her oder reparieren sie. Früher gab es in vielen Orten<br />
Böttcher, denn Gefäße zur Aufbewahrung vor allem von<br />
Lebensmitteln waren sehr gefragt. Nicht nur Winzer oder<br />
Brauereien waren Abnehmer, sondern auch Bauern, Metzger<br />
und Fischer benötigten Fässer und Bottiche für ihre Waren.<br />
Heute hat die maschinelle Herstellung von Behältern aus<br />
Kunststoff und Metall stark zugenommen, aber Winzer lassen<br />
ihre edleren Sorten in Holzfässern (im „Barrique“) reifen.<br />
Auch Grünflächenämter, Schlossverwaltungen und Orangerien<br />
bevorzugen Holzbottiche als Pflanzkübel, die man zum<br />
Beispiel auch bei den Bundesgartenschauen oder in den Parks<br />
namhafter Kurorte antrifft.<br />
Auch im Pflanzenschutz hatten Holzfässer für Spritzmittel-Chemikalien<br />
eine gewisse Bedeutung, ehe sie durch<br />
Metall- oder Kunststoffbehälter verdrängt wurden. So hatte<br />
die Firma Gebrüder Holder, Maschinenfabrik und Hersteller<br />
von Kleinschleppern in Metzingen/BW, eine eigene Fertigungshalle<br />
für Spritzfässer aus Holz: „Aus Holzbrettern formten<br />
die Küfer Spritzfässer hauptsächlich für den süddeutschen<br />
Raum. Das Festtreiben der Fassreifen mit der Setze und<br />
dem Hammer wurde immer im gleichen Takt vollzogen …<br />
Holzfässer bildeten eine Alternative (zu Messing und Stahlblech),<br />
jedoch speicherte das Holz die verschiedenen<br />
Spritzchemikalien. Immer wieder waren umfangreiche Säuberungen<br />
notwendig. Das modernste Fass war aus glasfaserverstärktem<br />
Kunststoff “ (Werner Kuhn, Die große Holder-Chronik.<br />
Podszun-Verlag, Brilon 2010).<br />
60
Römisches Weinschiff<br />
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Geschichte des Böttcherhandwerks<br />
mit seiner über 5000-jährigen Tradition.<br />
Standen ursprünglich zur Bearbeitung der verschiedenen Holzarten<br />
nur Werkzeuge aus Stein und Bronze zur Verfügung,<br />
brachten solche aus Eisen ab etwa 1000 v. Chr. eine große<br />
Erleichterung für die Arbeit der Böttcher. Vermutlich war das<br />
Böttchergewerbe in Europa schon vor der Römerzeit verbreitet.<br />
Bekannt ist eine römische Steinmetzarbeit aus der Zeit<br />
um 200 n. Chr. Sie wurde in der römischen Stadt Noviomagus<br />
(= Neumagen-Dhron) gefunden und zeigt ein Schiff mit vier<br />
großen Weinfässern und Besatzung. Das Weinschiff stammt<br />
von einem römischen Grabmal und ist im Rheinischen<br />
Landesmuseum in Trier ausgestellt. Eine Kopie befindet sich<br />
im Fundort Neumagen-Dhron.<br />
Römisches Weinschiff in Neumagen-Dhron an der Mosel<br />
Bevor die einzigartige Wirkung von Eichenholz auf den<br />
gelagerten Wein bekannt war, wurden Fässer aus anderen<br />
Hölzern wie zum Beispiel der Weißtanne gefertigt. Man<br />
verkohlte ihre Innenseiten oder verkleidete sie mit Pech oder<br />
anderen Substanzen, um sie wasserdicht zu machen. Mit<br />
zunehmender Ausdehnung des Handels wuchs die Nachfrage<br />
nach den Erzeugnissen der Böttcher, die sich im Mittelalter<br />
zu Zünften zusammenschlossen und mit den Bierbrauern<br />
und Weinküfern (zuständig für die Kelterung des Weines<br />
und den Ausbau im Keller) in einer Zunft organisiert waren.<br />
Im ursprünglichen Sinn war der Weinküfer als Fassmeister<br />
des Kellers für die Herstellung, Aufstellung und Wartung der<br />
Fässer verantwortlich. Mittlerweile ersetzt der Weintechnologe<br />
den ehemaligen Beruf Weinküfer.<br />
Stillleben außerhalb der Werkstatt: Fassbänder und Holzstapel<br />
Dauben und Fassreifen<br />
Bottiche und Fässer werden aus Dauben gefertigt. Das sind<br />
speziell geformte Holzstücke, die mit hölzernen, meist aber<br />
eisernen Reifen zusammengehalten werden. Ein Spezialwerkzeug<br />
des Böttchers ist der Bandhaken, mit dem die Fassreifen<br />
über die Dauben gezogen werden. Heute werden zum<br />
Teil moderne Maschinen eingesetzt, aber bei Gefäßen ab 600<br />
Liter Fassungsvermögen können nicht mehr alle Arbeitsschritte<br />
maschinell erledigt werden, stellt ein erfahrener<br />
Böttchermeister fest. Auch ovale Behälter werden komplett in<br />
Handarbeit gefertigt. Obwohl bei Winzern und teilweise auch<br />
Brauereien Holzfässer wieder beliebter werden und Wellness-Ausstattungen<br />
und Holzbadewannen Perspektiven für<br />
die Zukunft schaffen, gibt es in Deutschland nur eine geringe<br />
Anzahl von Betrieben, die reines Böttcherhandwerk betreiben.<br />
Laut Bundesinnung sollen es im Jahre 2011 nur sieben<br />
gewesen sein!<br />
Der Ort Gittelde am Harz bei Bad Grund bezeichnet sich<br />
auch heute noch als Böttcherdorf. 1748 wurde dort eine Gilde<br />
der Tischler, Drechsler und Böttcher gegründet. Das Meisterbuch<br />
verzeichnet bis 1822 15 Böttcherbetriebe, und von 1847<br />
sind 27 aufgeführt. Ab 1885 kam die Deutsche Fassfabrik<br />
hinzu, die vorwiegend Fässer für die norddeutsche Fischindustrie<br />
herstellte. In der Gittelder Heimatstube wird eine<br />
umfangreiche Böttcher-Ausstellung gezeigt. In Willensen,<br />
Nachbarort von Gittelde, stellt die 1897 gegründete Firma<br />
Blumenberg Böttcherarbeiten wie Holzbadewannen und<br />
Saunaartikel für den privaten Bedarf her. Hier werden Produkte<br />
aus Massivholz gefertigt, die Bad und Sauna ein natürliches<br />
Design verleihen.<br />
Da dem Verfasser außer Gittelde und Willensen in Niedersachsen<br />
keine Böttcherbetriebe bekannt sind, schien ein<br />
Herbsturlaub an der Mosel erfolgversprechend, um einen<br />
Vertreter dieses heute selten gewordenen <strong>Handwerk</strong>s kennenzulernen.<br />
Es war aber gar nicht so einfach, eine Adresse zu erhalten.<br />
Nach etlichen Recherchen und Telefonaten bei Touristinformationen<br />
und Weinbauverbänden im gesamten Bereich<br />
der Mosel erhielt ich den Hinweis auf die <strong>Handwerk</strong>skammern,<br />
bei denen eventuell noch praktizierende Böttcher<br />
gemeldet sind. In Koblenz ist keiner bekannt, aber die Kammer<br />
in Trier konnte mir doch zwei Adressen mitteilen. So<br />
weit, so gut! Nun sollte wohl auch die gewünschte Kontaktaufnahme<br />
gelingen.<br />
61
Herr Biewer zeigte uns außer seinen kompletten Werkzeugen<br />
und Maschinen auch einige Rollen mit Fassbändern, die<br />
durch Nieten in dem Umfang zusammengehalten werden, der<br />
für die jeweilige Fassgröße benötigt wird. Natürlich lagern<br />
im heimischen Keller auch einige selbstgefertigte Holzfässer.<br />
Darin reift ein leckerer Apfelwein, den die Familie Biewer<br />
aus ihrem eigenen Obst keltert und in Flaschen abfüllt. Wer<br />
könnte dafür ein besserer Fachmann sein als ein Böttcher bzw.<br />
Küfer! Die Kelter, mit der Obst bzw. Weintrauben gepresst<br />
werden, erinnert in ihrer Bauweise auch etwas an ein Holzfass.<br />
Allerdings sind ihre Dauben nicht dicht aneinandergefügt,<br />
sondern dazwischen bleibt Platz, damit der gewonnene Saft<br />
herauslaufen und sich in der Auffangwanne sammeln kann.<br />
Dürkheimer Riesenfass<br />
Böttchermeister Rudolf Biewer in Kasel/Ruwer beim<br />
Festschlagen des oberen Fassreifens<br />
Verschiedene Handhobel gehören zu einer Böttcherei<br />
Über 50 Jahre Böttchermeister<br />
Wir besuchten Rudolf Biewer in Kasel an der Ruwer knapp<br />
zehn Kilometer südöstlich von Trier. Der 75-Jährige legte<br />
bereits 1962, also vor über 50 Jahren, seine Meisterprüfung<br />
im Böttcherhandwerk ab. Auch sein Vater übte bereits diesen<br />
Beruf in Kasel aus. Mittlerweile aber hat diese langjährige<br />
Tradition in der Familie Biewer ein Ende gefunden, da dieses<br />
ehrwürdige <strong>Handwerk</strong> kaum noch praktiziert wird. Allerdings<br />
ist auch heute noch die komplette Böttcherwerkstatt in den<br />
Kellerräumen des Privathauses vorhanden. Dort befinden sich<br />
noch betriebsbereit u. a. eine Bandsäge- und Fräsmaschine<br />
sowie die verschiedensten Messer, Hobel und Zieheisen für<br />
die manuelle Bearbeitung von Eichenholz, das fast ausnahmslos<br />
für die Fassherstellung verwendet wird.<br />
Interessant sind die unterschiedlich geformten eisernen<br />
Models, die für die Formgebung der Fässer wichtig sind. Ist<br />
die letzte Daube eingesetzt, spricht man von der Zarge, dem<br />
Fass ohne Boden. Mit Setz- und Schlegelhammer werden die<br />
Eisenreifen aufgetrieben, die den Dauben Halt verleihen.<br />
Einige weitere Arbeitsschritte, die hier nicht beschrieben<br />
werden sollen, sind nötig, bis ein Fass fertiggestellt ist.<br />
Beim Böttcherhandwerk steht wie bereits ausgeführt die<br />
Fassherstellung im Mittelpunkt. Das größte Fass der Welt befindet<br />
sich in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) und fasst bei<br />
einem Durchmesser von 13,5 Meter 1,7 Millionen Liter, was<br />
einem Volumen von 1.700 m³ entspricht. Dieses Dürkheimer<br />
Riesenfass wurde 1934 von dem Weingutsbesitzer und Küfermeister<br />
Fritz Keller in traditioneller Weise aus Holz gebaut,<br />
wurde jedoch niemals mit Wein gefüllt, sondern beherbergt<br />
ein Restaurant. Um die 178 Fassdauben von je 15 Meter<br />
Länge zu fertigen, wurden im Schwarzwald fast 200 Tannen<br />
gefällt und somit mehr als 200 m³ Holz verarbeitet.<br />
Bis dato hatte das Große Fass im Heidelberger Schloss mit<br />
9 Meter Länge und 7 Meter Durchmesser und ursprünglich<br />
221.726 Liter Fassungsvermögen als größtes Fass gegolten,<br />
wurde aber dann vom Dürkheimer Riesenfass übertroffen.<br />
1751 wurde das Heidelberger Fass unter Kurfürst Karl Theodor<br />
von der Pfalz vollendet. Nach Eintrocknung des Holzes<br />
fasst es „nur“ noch 219.000 Liter. Weil es nie dicht war, wurde<br />
es nur dreimal gefüllt, was jedoch beim Dürkheimer Restaurant-Fass<br />
niemals geschah.<br />
Interessant ist in Heidelberg<br />
die Statue des<br />
Fasswächters Perkeo.<br />
Nach einer Legende<br />
hatte Kurfürst<br />
Karl Philipp einen<br />
nur einen Meter<br />
großen, aber 100<br />
kg schweren Zwerg<br />
aus Südtirol mitgebracht.<br />
Er machte<br />
ihn zum Hofnarren<br />
und fragte ihn, ob er<br />
das Große Fass allein<br />
austrinken könne. Darauf<br />
soll der Zwerg auf italienisch<br />
geantwortet haben: „Perché no?“ (Warum nicht?). Daraus<br />
ist der Name des Fasswächters Perkeo entstanden.<br />
Foto: Großes Fass im Heidelberger Schloss<br />
62
Im Heidelberger Schloss sind noch drei weitere Große Fässer<br />
ausgestellt: das Johann-Casimir-Fass von 1591 (127.000<br />
Liter); das Karl-Ludwig-Fass von 1664 (195.000 Liter) und<br />
das Karl-Philipp-Fass von 1728 (202.000 Liter). Zu den<br />
großen historischen Holzfässern gehört auch das 120.000<br />
Liter fassende Cuvéefass in der Rotkäppchen-Sektkelterei in<br />
Freyburg an der Unstrut in Sachsen-Anhalt. Dieses klassische<br />
DDR-Erzeugnis gehört mittlerweile zu den bekanntesten<br />
Sektmarken auch in den alten Bundesländern. Die Mainzer<br />
Kupferberg-Sektkellerei besitzt ein mit 100.000 Litern befüllbares<br />
Holzfass.<br />
ALTER KÜFERSPRUCH<br />
Ein Küfer, der nicht säuft –<br />
Ein Hobel, der nicht läuft –<br />
Ein Mädchen, das nicht stille hält,<br />
gehöret nicht auf diese Welt.<br />
Bekannte Redewendungen<br />
Natürlich sind Fässer als allgemein bekannte Gebrauchsartikel<br />
auch in Redewendungen vertreten. Ein Fass ohne Boden<br />
bedeutet, dass immer wieder <strong>neu</strong>e Mittel investiert werden<br />
müssen, ohne dass ein Erfolg bzw. Fortschritt sichtbar wird.<br />
Wenn man ein Fass aufmacht, bedeutet das: Man veranstaltet<br />
eine ausgelassene Feier, bei der man keinen Aufwand scheut.<br />
Vordergründig ist damit das Anstechen eines Bierfasses<br />
gemeint. Mit der Redewendung „Das schlägt dem Fass den<br />
Boden aus!“ wird ausgedrückt: „Jetzt ist es genug. Mir reicht’s.<br />
Das ist der Gipfel der Frechheit.“ Diese Redensart bezieht<br />
sich drauf, dass der Fassboden herausspringen kann, wenn der<br />
Böttcher die Reifen zu stark zur Mitte hintreibt. Die Redewendung<br />
„Außer Rand und Band sein“ bedeutet übermütig<br />
und ausgelassen sein, sich nicht mehr unter Kontrolle haben.<br />
Sie bezieht sich auf ein Fass, dessen Dauben aus dem Rand,<br />
das heißt der Umfassung am Fassboden, und aus den eisernen<br />
Fassbändern gekommen sind, so dass das Fass auseinanderfällt.<br />
Wagen für Löschwasser:<br />
Fass auf Rädern und Kufen für Sommer- und Winterbetrieb<br />
Büttenredner und Buttenspritzen<br />
Die im rheinischen Karneval auftretenden Büttenredner benutzten<br />
ursprünglich ein offenes Fass als Kanzel bzw. Podium.<br />
Die Bütte oder Butte ist ein offenes Daubengefäß. Bei den<br />
Papiermachern enthielt sie den Brei, aus dem früher der Papierbogen,<br />
das Büttenpapier, geschöpft wurde. Um Löschwasser<br />
an die Brandstelle zu schaffen, benutzte man früher Fässer,<br />
Bottiche und Wannen aus Holz. So heißen kleinere Handspritzen<br />
auch Butten- bzw. Kübelspritzen. Je nach Zylinderund<br />
Mundstückweite konnte der Löschwasserstrahl 16 bis<br />
18 Meter weit gespritzt werden. Auch wurden Eimerketten<br />
gebildet, um Wasser zur Brandstelle zu transportieren und<br />
den Wasserkasten einer Handdruckspritze zu füllen. Hatten<br />
Holzbottiche, Eimer, Zuber und Wannen zu lange trocken<br />
gestanden, mussten sie gewässert werden, damit das Holz<br />
aufquoll und dicht wurde. So war auch meist eine solche<br />
Dichtprobe erforderlich, bevor das Wäschewaschen beginnen<br />
konnte. Damit stand der tüchtigen Hausfrau ein arbeitsreicher,<br />
oftmals anstrengender Tag bevor.<br />
Historischer Weinkeller in Mayschoss im Ahrtal<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Festwagen beim Einbecker Biertreck im Mai 1969<br />
63
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Historische Weinbrennerei<br />
Dujardin<br />
in Uerdingen am Rhein<br />
von Udo Mannek<br />
Schon sehr oft bin ich an den historischen Gebäuden<br />
der Weinbrennerei in Krefeld-Uerdingen vorbeigefahren<br />
und habe die sogenannte „Runde Ecke“ mit<br />
dem großen Dujardin-Tank auf dem Dach bestaunt. Auch<br />
Filmregisseure haben offenbar Gefallen an dieser Fassade<br />
gefunden, so diente sie für einige Filmproduktionen als<br />
eindrucksvolle Kulisse. Im Februar ergab sich endlich die<br />
Gelegenheit, einmal die historischen Produktionsanlagen der<br />
Brennerei Dujardin zu besuchen. Wir wurden von Matthias<br />
Melcher, Eigentümer der Brennerei und Urenkel der Dujardin-Dynastie,<br />
sowie von Günter Haase, dem Projektleiter<br />
Vermietung, begrüßt und von ihm auch durch die Weinbrennerei<br />
geführt.<br />
Die Weinbrennerei Dujardin ist die größte bestehende<br />
Brennerei Deutschlands. Ihr Eigentümer ist die seit 1743<br />
in Uerdingen am Rhein ansässige Familie Melcher, die sich<br />
bereits in der 9. Generation mit der Branntweinherstellung<br />
beschäftigt. Begründet wurde die Weinbrandproduktion<br />
im Jahre 1810 von Henri Melcher, der die dazu benötigten<br />
Weine aus der Charente in Frankreich vom Chateau des<br />
Merigots der Familie Dujardin bezog. Aus diesem Handel<br />
entwickelte sich eine Geschäftsbeziehung, die zur Gründung<br />
der Firma Dujardin & Co, vormals Gebrüder Melcher,<br />
führte. Selbst als die Familie Dujardin aus dem gemeinsamen<br />
Geschäft ausschied, wurde der Name beibehalten. Dujardin<br />
64
wurde zu der Marke für deutschen Cognac. Mit dem Versailler<br />
Friedensvertrag wurde im Jahre 1919 die Verwendung<br />
der Bezeichnung Cognac für deutsche Produkte verboten.<br />
Aus Cognac wurde „Deutscher Weinbrand“. In den 1920er<br />
Jahren entwickelte sich Dujardin & Co, vormals Gebrüder<br />
Melcher, zum größten Weinbrandhersteller des Deutschen<br />
Reiches. Schon 1930 war der Ausbau der Produktionsstätte<br />
an der Hohenbudberger Straße in Uerdingen abgeschlossen.<br />
Das Unternehmen verfügte über einen Zugang zum Rhein<br />
und hatte einen eigenen Gleisanschluss. Im Zweiten Weltkrieg<br />
wurde bei einem Bombenangriff am 22. August 1943<br />
das Werk vollständig zerstört. Doch konnte glücklicherweise<br />
zuvor wertvolles Destillat in Sicherheit gebracht werden.<br />
Darum waren die Melchers in der Lage, schon am 30.<br />
November 1948 die Weinbrand-Produktion wiederaufzunehmen.<br />
In den 50er Jahren war Dujardin & Co die zweitgrößte<br />
Weinbrennerei Deutschlands. Im Jahr 1952 entstand der<br />
berühmte Werbeslogan „... darauf einen Dujardin!”<br />
Motorschiff Imperial<br />
Mit der M. S. Imperial verfügte Dujardin ab 1954 über ein<br />
eigenes Seeschiff. Alle zwei Wochen wurden rund 400.000<br />
Liter Brennwein aus Frankreich direkt nach Uerdingen geliefert.<br />
Der Rhein verband somit die Brennerei via Rotterdam<br />
mit den Weinhäfen Frankreichs. Infolgedessen wurde das<br />
Lager auf die dreifache Kapazität ausgebaut und die Verladeanlagen<br />
modernisiert. Zu dieser Zeit waren bei Dujardin<br />
über 450 Mitarbeiter in Lohn und Brot.<br />
Doch Ende der siebziger Jahre ging der Weinbrandabsatz zurück.<br />
Dujardin & Co fand in der Firma Racke einen starken<br />
Partner, um am Markt weiterhin erfolgreich bestehen zu können.<br />
Die Verwaltung und Teile der Produktion wurden von<br />
Uerdingen nach Bingen verlegt. Das Werk in Uerdingen starb<br />
65
langsam. Im Jahre 2006 produzierten in Uerdingen noch elf<br />
Mitarbeiter in 12.000 300-Liter-Limousin-Eichenfässern<br />
Weinbrand. Im gleichen Jahr zog sich Racke vollständig<br />
aus dem Spirituosengeschäft zurück. Daraufhin nahm<br />
Familie Melcher die Markenrechte an den Marken „Dujardin<br />
Imperial“, „Melchers Rat“ und „Uerdinger“ wieder zu<br />
sich, und der westfälische Spirituosenhersteller Schwarze &<br />
Schlichte wurde mit dem Vertrieb betraut. Das Gebäude der<br />
Weinbrennerei an der Hohenbudberger Straße ist nach wie<br />
vor im Besitz der Familie Melcher und wird heute unter dem<br />
Namen „Weinbrennerei Dujardin“ vom Urenkel Matthias<br />
Melcher mit <strong>neu</strong>en Inhalten weiterentwickelt. So werden<br />
Räume an Künstler für Werkstätten, Ateliers und Ausstellungen<br />
vermietet, und die Betriebsstätte der Weinbrennerei kann<br />
an Samstagen und Sonntagen besichtigt werden.<br />
Rundgang durch historische Produktionsanlagen<br />
Nach und nach verschrotteten die großen Weinbrennereien<br />
ihre Anlagen. Nicht jedoch die Weinbrennerei Dujardin.<br />
Hier kann heute eine Anlage mit gewaltigen Brennblasen, die<br />
eine Verarbeitung von 100.000 Liter Brennwein pro Woche<br />
ermöglichte, besichtigt werden. Der Weg durch die ehemalige<br />
Produktionsstätte geht vorbei an Laboratorium, Kräuterküche,<br />
Zollstellen, Lager, Werkstatt und Küferei. Bis zu acht<br />
Zöllner waren in den Hauptbetriebsjahren rund um die Uhr<br />
auf dem Werksgelände im Einsatz. Die großen Lagerfässer<br />
mit einem Volumen von 10.000 ‒ 15.000 Litern lassen den<br />
Besucher das Ausmaß industrieller Produktion erahnen.<br />
Am Ende einer jeden Führung wird dem Besucher ein Glas<br />
echter Dujardin Weinbrand gereicht. Somit kann auch der<br />
Gaumen genießen, was der Verstand während des Rundganges<br />
erfahren konnte. Wer noch selber ein Fahrzeug zu lenken<br />
hat, kann im Werksverkauf die eine oder andere Flasche<br />
käuflich erwerben und zu Hause genießen.<br />
Die Küferei<br />
Die Weinbrennerei Dujardin betrieb eine eigene Küferei für<br />
den Fassbau. Alte historische Bilder belegen dies und geben<br />
einen zeitgenössischen Einblick in das Küferhandwerk. Die<br />
Küferei ist heute im Obergeschoss im Fasslager eingerichtet.<br />
Hier ist alles so hergerichtet, dass man meint, die Küfer sind<br />
gerade in der Mittagspause. Es liegen eine Vielzahl von Hobeln,<br />
Sägen und diverse Hämmer auf den Werkbänken. Man<br />
könnte, wenn man das <strong>Handwerk</strong> beherrschen würde, sofort<br />
loslegen. Hier steht auch noch die alte Bandsäge, welche auch<br />
auf den historischen Fotos zu sehen ist. Da die Fässer atmen,<br />
durchzieht ein feiner Brantweingeruch das Lager. Günter<br />
Haase: „Da die Fässer leer sind, wird der Geruch immer<br />
weniger werden“, und er gibt weiter zu bedenken: „Es könnte<br />
auch sein, dass ich mich mit der Zeit daran gewöhnt habe<br />
und die Wahrnehmung nachlässt.“<br />
67
Führungen durch die<br />
historische Weinbrennerei<br />
Rundgang durch die historischen Produktionsanlagen<br />
der größten Weinbrennerei<br />
Deutschlands jeden Samstag und Sonntag<br />
von 10.00 Uhr – 16.00 Uhr, Führungen zu<br />
jeder vollen Stunde, letzte Führung um 15.00<br />
Uhr. Dauer der Führung ca. 45 Minuten.<br />
Auch wochentags Führungen für Gruppen<br />
nach Vereinbarung möglich. Der Rundgang<br />
beinhaltet eine Weinbrandverkostung (2 cl<br />
Dujardin Imperial). Kinder erhalten ein Glas<br />
Saft. Information und Reservierung unter<br />
+49(0)2151/483239<br />
oder während den Öffnungszeiten unter<br />
+49(0)2151/483221<br />
Fasskopf zum 150. Jubiläum<br />
Im Jahre 1960 feierte die Brennerei Dujardin ihr 150-jähriges<br />
Firmenjubiläum. Aus diesem Anlass schenkten die<br />
Vertreter des Hauses eine prunkvolle Verzierung, die auf das<br />
Jubiläumsfass 108 montiert wurde. Die Schnitzerei stammt<br />
vom Bildhauer Jakob Rampp (1906 ‒ 1977) und stellt den römischen<br />
Gott des Weins Bacchus sowie zwei Engel dar. Die<br />
Darstellung der Engel steht für die Vorstellung der Weinbrenner,<br />
dass der Schwund im Fass aufgrund der Verdunstung<br />
des Alkohols der Anteil für die Engel sei. Dazu passend der<br />
Slogan: „Dujardin Imperial ‒ ein himmlisches Getränk“. Der<br />
geschnitzte Fasskopf und das Jubiläumsfass 108 können heute<br />
im Museum bestaunt werden.<br />
Gastronomie und Filmgeschichte<br />
In der ehemaligen Küferei ist heute ein Gastronomiebetrieb<br />
eingerichtet. In einer Museumsecke sind originale Teile aus<br />
der alten Küferwerkstatt ausgestellt. Das Restaurant bietet<br />
Platz für 100 Personen. Gekocht wird ausschließlich mit<br />
frischen Produkten. Das hauseigene Bier, „Melcher‘s Hell“<br />
und „Melcher‘s Dunkel“, wurde vom Chef persönlich kreiert<br />
und gelangt über historische Weinleitungen zur Zapfanlage.<br />
Der Biergarten mitten im denkmalgeschützten Innenhof der<br />
Weinbrennerei ist sicherlich einzigartig am Niederrhein und<br />
bietet Platz für 200 Gäste.<br />
Museums-Shop/<br />
Lagerverkauf<br />
Öffnungszeiten: jeden Samstag und Sonntag<br />
von 10.00 Uhr – 16.00 Uhr, sowie vor<br />
und nach jeder Führung. Information unter<br />
+49(0)2151/483239<br />
oder während den Öffnungszeiten unter<br />
+49(0)2151/483221.<br />
Restaurant „Küferei“ und<br />
Biergarten<br />
Im Innenhof der hist. Weinbrennerei Dujardin,<br />
Dujardinstr. 9, 47829 Krefeld, Information<br />
und Reservierung unter<br />
+49(0)2151/966845<br />
Vermietung von Räumlichkeiten für<br />
Firmenevents und Privatfeiern.<br />
Grundstücksgesellschaft<br />
Hohenbudberger Straße bR<br />
Geschäftsführer Matthias Melcher, Hohenbudberger<br />
Straße 10, 47829 Krefeld<br />
Telefon: +49(0)2151/48320<br />
Telefax: +49(0)2151/483238<br />
Homepage: www.weinbrennerei-dujardin.de,<br />
Museum, Biergarten, Gastronomie, Kultur,<br />
Ateliers, Events, Parties, Loft-Wohnungen,<br />
Büros und Praxen.<br />
Die Außenfassade der alten Küferei, das bereits anfangs<br />
erwähnte „Runde Eck“, hat es als Filmkulisse zu bundesweiter<br />
Bekanntheit gebracht. So wurden hier Szenen für den<br />
Film „Das Wunder von Bern“, „Die Entdeckung der Currywurst”<br />
und „Maria, ihm schmeckt’s nicht!” gedreht.<br />
Fotos: Dennis Mannek, Foto erste Seite: © Steffen Schmitz<br />
Historische Fotos: Dujardin<br />
68
Damals<br />
von Christian Schwarzer<br />
Der berühmte Schuhmachermeister und begnadete Dichter Hans Sachs wurde 1494 in Nürnberg geboren und starb dort auch nach<br />
einem langen erfolgreichen Leben. In seinem Werk „Eygentliche Beschreibung Aller Stände Auf Erden …“, das 1568 gedruckt wurde,<br />
beschreibt er die Berufe vom Höchsten bis zum Niedrigsten, vom Papst bis zum Narren in 114 Blättern. Die Holzschnitte wurden<br />
von dem berühmten Zeichner und Formschneider Jost Amman hergestellt.<br />
Die oft schwer lesbaren Texte wurden sinngemäß übertragen. Unbekannte Worte werden erklärt.<br />
Der<br />
Buchdrucker<br />
Ich bin geschickt mit der Presse<br />
So trage ich den Firnis rasch auf,<br />
Sobald mein Diener den Bengel 1 zieht,<br />
ist ein Bogen Papiers gedruckt.<br />
Dadurch kommt manche Kunst zutag,<br />
Die man leicht bekommen mag.<br />
Vor Zeiten hat man die Bücher geschrieben,<br />
Zu Mainz wurde die Kunst zuerst betrieben.<br />
1<br />
Bengel = Hebel an der Presse, mit dem der Druck erfolgt<br />
69
Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />
Bild 1: Löwenburg<br />
Hochdruck<br />
Holzschnitt – Linolschnitt<br />
Von einer Wanderung und ihren Folgen<br />
von Christian Schwarzer<br />
Opa, was ist Hochdruck?“ So fragt ein Enkel seinen<br />
allwissenden Großvater und erwartet eine perfekte,<br />
leicht verständliche Erklärung. „Hochdruck im<br />
Wetterbericht oder was?“ „Hochdruck auf Papier natürlich.“<br />
‒ Natürlich.<br />
„Beim Hochdruck druckt alles, was hoch ist! Zum Beispiel<br />
beim Druck mit Lettern, wie Gutenberg sie erfunden hat.<br />
Oder bei einem Holzschnitt, wo der Künstler alles weggeschnitten<br />
hat, was auf dem Papier weiß bleiben soll<br />
(Bild 2). Ein Bürostempel, wie er heute noch benutzt wird,<br />
ist auch Hochdruck. Und die Illustrationen in alten Büchern,<br />
auch in technischen, waren Holzschnitte, die in den Druckstock<br />
eingebaut oder nachträglich eingefügt wurden. Jahrhunderte<br />
lang war das die einzige Möglichkeit, illustrierte Bücher<br />
zu drucken außer den Büchern, die mit der Hand verziert<br />
und koloriert wurden.“<br />
Bild 2: Holzschnitt: Schmiede 1447<br />
Sammlung “<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>”, bearbeitet von Ch. Schwarzer<br />
70
Der Opa will gerade zu einem ausführlichen Vortrag über<br />
weitere Druckverfahren ausholen. „Opa, können wir mal was<br />
mit Hochdruck machen? Einen Holzschnitt oder so was?<br />
Und dann drucken?“ Opa weiß, dass er sich jetzt etwas einfallen<br />
lassen muss. Opa weiß alles! Wofür ist er denn sonst so<br />
alt geworden. Opas Pädagogengehirn rattert los: Kind zeigt<br />
Interesse! Das muss man ausnutzen! Weg vom Computer!<br />
Arbeit mit den Händen! Frische Luft! Nützliche Gespräche!<br />
Etwas machen! Am Ende anschauliches und befriedigendes<br />
Ergebnis! Vater und Mutter werden sich freuen! Alle sind<br />
glücklich!<br />
Bild 3<br />
Bild 4<br />
Bild 5<br />
4 Wochen später<br />
Wir sind auf dem Weg zur Löwenburg. Die Burg, besser ihre<br />
Ruine, steht auf einem der sieben Berge des „Siebengebirges“<br />
bei Königswinter am Rhein. Es ist ein langer, steiler Anstieg<br />
auf 455 Meter und wir haben genug Zeit zum Erzählen und<br />
Überlegen. Wir wollen einen Linolschnitt machen von einer<br />
Burgruine anstelle eines Holzschnittes, der unsere Möglichkeiten<br />
übersteigen würde. Für einen Holzschnitt braucht man<br />
ein geeignetes Holz, am besten gut abgelagertes, rissfreies<br />
Lindenholz. Kaminholz geht nicht. Dann braucht man<br />
einen Satz teurer Messer und jede Menge Erfahrung. Beides<br />
haben wir nicht. Für den Linolschnitt braucht man ein Stück<br />
Linoleum und einen Satz Messer, den Philipp von seinem<br />
Taschengeld bezahlen könnte, wenn Opa ihn nicht spendiert.<br />
Er tut es.<br />
Unterwegs kommen wir an einem Restaurant vorbei. Auf<br />
dem Rückweg soll es hier Eis und/oder Kuchen geben. Das<br />
motiviert. Ich erzähle von den Grafen von Sayn, die etwa<br />
im Jahre 1200 diese Burg gebaut haben, weil der Erzbischof<br />
von Köln sich das ganze Land unter den Nagel reißen wollte.<br />
Wie sie dann oft den Besitzer gewechselt hat und eines Tages<br />
nicht mehr bewohnt wurde und verfiel. Wir stellen uns vor,<br />
wie die armen Bauern aus der Umgebung sich gequält haben<br />
beim Bau dieser Burg. Wie sie die schweren Steine die steilen<br />
Wege hinaufgeschleppt haben oder mit ihren Ochsenkarren<br />
Sand und Kalk und Balken hinaufgeschafft haben. Unterwegs<br />
sehen wir uns Felsformationen am Rande des Weges an und<br />
suchen nach markanten, ausdruckstarken Linien. Hier wächst<br />
ein gekrümmter Baum aus einer Spalte im Fels. Wir fahren<br />
mit den Händen die Linien nach und stellen uns vor, wie<br />
man das zeichnen könnte. Endlich stehen wir auf dem Berg<br />
inmitten der Ruine und versuchen uns vorzustellen, wie und<br />
wo die Menschen hier gelebt haben. Mitten in der Ruine<br />
steht ein Baum, ohne ihn wäre die Ruine nur halb so schön<br />
(Bild 1). Wir schauen uns die stehengebliebenen Wände an.<br />
Hier ist noch ein alter Torbogen. Hier könnte mal ein Fenster<br />
gewesen sein. Wo die wohl ihr Klo gehabt haben? Und die<br />
Küche? Ob die auch ein Verließ hatten? Tausend Fragen. Von<br />
der höchsten Stelle haben wir einen wunderbaren Rundblick<br />
über das Siebengebirge. In der Ferne sehen wir die Drachenburg<br />
und den Rhein.<br />
71
Bild 6: Löwenburg 2013 Philipp Zetzsche<br />
Am nächsten Tag<br />
Wir sitzen an unserem Esstisch und sind am Zeichnen. Zum<br />
Schutz der Tischplatte haben wir eine Sperrholzplatte daraufgelegt.<br />
Beim Kunsthandel habe ich ein paar Platten Linoleum<br />
gekauft. Wir entscheiden uns für das Format DIN A5. Größer<br />
werden kann man immer noch. Die Linoleumplatte wird<br />
auf das Papier gelegt und mit dem Bleistift einmal herumgefahren.<br />
In das entstandene Viereck zeichnen wir unseren<br />
Entwurf. Wir diskutieren unsere Entwürfe und verbessern sie.<br />
Nach einigen Versuchen wissen wir, wie wir die Sachen angehen<br />
wollen, und zeichnen unseren Entwurf auf das Linoleum.<br />
Feine Linien gehen beim Linoldruck schlecht, das ist ein<br />
wesentlicher Vorteil des Holzschnittes. Also lassen wir die<br />
Linien unserer Zeichnung nicht stehen, sondern schneiden<br />
sie aus. Der Druck hat dann eine schwarze Fläche mit<br />
weißen Linien. Nachdem wir alles sorgfältig und kräftig<br />
genug aufgezeichnet haben, beginnen wir mit dem Schneiden.<br />
Schnell wissen wir, welches Messer für die jeweilige Aufgabe<br />
am besten geeignet ist und wie wir schneiden müssen (Bild<br />
3). Das lernt man am besten durch „machen“. Man muss auf<br />
seine Finger aufpassen und immer so schneiden, dass man<br />
mit dem abrutschenden Messer in die Luft und nicht in die<br />
Finger gerät. Wenn man eine Rundung schneiden will, dreht<br />
man das Linoleum und schneidet geradeaus weiter. Es ist alles<br />
eine Frage der Übung und es dauert nicht lange, bis wir den<br />
Bogen raushaben.<br />
Nachdem wir beide unseren Linolschnitt fertig haben, wird<br />
der Druck vorbereitet. Das Druckpapier wird angefeuchtet<br />
Bild 7: Löwenburg 2013 Philipp Zetzsche<br />
und zwischen feuchtem Papier bereitgelegt. Auf einer kleinen<br />
Glasscheibe wird etwas Farbe aus der Tube gedrückt und<br />
mit der mitgelieferten kleinen Walze verteilt. Die Walze<br />
soll überall eine etwa gleich starke Farbschicht haben. Dann<br />
rollen wir mit der Farbrolle über unseren Linolschnitt. Hin<br />
und her. Her und hin. Kreuz und quer (Bild 4). Und noch<br />
einmal. Wir achten darauf, dass in den ausgeschnittenen<br />
Linien keine Farbe hängen bleibt. Wenn das doch passiert,<br />
nehmen wir diese mit einem spitzen Hölzchen wieder heraus.<br />
Die ganze Sache erfordert etwas Fingerspitzengefühl, und<br />
wenn es beim ersten Mal nicht so gut klappt, dann bestimmt<br />
beim zweiten oder dritten Mal. Denn das ist ja der Vorteil<br />
des Hochdruckes: Man kann mehrere Bilder von einer Platte<br />
machen und alle sehen gleich aus. Aber nur beinahe. Durch<br />
72
den Farbauftrag, den Vorgang des Druckens<br />
und den langsamen Verschleiß der Platte ist<br />
kein Druck genau so wie der vorige. Jedes Bild<br />
ist ein Original. Deshalb schreibt ein Künstler<br />
auch auf seine Drucke die Gesamtanzahl der<br />
Drucke und die jeweilige Nummer des Druckes.<br />
4/10 heißt also 4. Druck von 10.<br />
Aber wir sind ja noch nicht fertig. Wir müssen<br />
ja noch drucken. Dazu legen wir die Linolplatte<br />
auf eine feste Unterlage und legen das feuchte<br />
Papier vorsichtig darauf. Dann nehme ich die<br />
Kuchenrolle und rolle langsam mit dem größten<br />
Druck, den ich aufbringen kann, über das Papier<br />
(Bild 5). Ein paar Mal hin und her. Dann<br />
klopfe ich mit dem Handballen noch ein paar<br />
Mal auf das Druckpapier, und dann kommt<br />
der große Moment. Philipp fasst vorsichtig das<br />
Papier an zwei Ecken und zieht es mit einer<br />
raschen Bewegung von der Linoleumplatte ab<br />
und legt es auf den Tisch (Bild 6). Wir beide<br />
freuen uns unheimlich, obwohl man einige<br />
Fehler nicht übersehen kann. Aber es ist unser<br />
erstes Bild von unserer Wanderung und wir sind<br />
richtig stolz. Dann kommt das zweite Bild in<br />
der gleichen Reihenfolge der Arbeitsvorgänge<br />
(Bild 8). Nach einer Viertelstunde<br />
liegt es auf dem Tisch und wir fühlen uns schon<br />
wie richtige Profis. Und dann haben wir eine<br />
Idee, wie wir unsere Linolschnitte vielleicht in<br />
„Holzschnitte“ verwandeln könnten. Hier<br />
Bild 8: Löwenburg 2013 Christian Schwarzer<br />
kommt dann am Ende doch noch der Computer zum<br />
Einsatz: Grafikprogramm aufrufen, Bild einscannen, „Bild“<br />
aufrufen, „Negativbild“ aufrufen und schon erscheint auf dem<br />
Monitor ein Pseudo-Holzschnitt. Na ja, nicht so ganz perfekt,<br />
aber doch sehr eindrucksvoll (Bild 7 und 9). Eine schöne<br />
Spielerei. Dann kann man das Bild noch kolorieren, mit dem<br />
Computer oder mit Buntstiften oder mit Aquarellfarben und<br />
… und … und … Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.<br />
Kleiner Nachsatz<br />
Ein kleines Set mit Messern, Farbrolle, Farbe und Linoleum<br />
bekommt man im Kunsthandel oder in Kaufhäusern schon<br />
sehr preiswert. Im Internet findet man viele Hinweise auf den<br />
Holzschnitt und den Linoldruck. Die ganze Sache macht<br />
richtig Spaß!<br />
Bild 9: Löwenburg 2013 Christian Schwarzer<br />
73
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Bernstein, Gold und Silber<br />
Ribnitz-Damgarten ist Bernstein-Hauptstadt<br />
Im schönen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern steht in<br />
Ribnitz-Damgarten, direkt an der B 105, ein futuristisches<br />
Gebäude. Es ist die Ostseeschmuck-GmbH, ein Betrieb, in<br />
dem <strong>Handwerk</strong>er Bernstein zu schönen Dingen verarbeiten.<br />
Auch das Deutsche Bernsteinmuseum hat in dieser kleinen<br />
Stadt am Saaler Bodden, zwischen Stralsund und Rostock<br />
gelegen, seinen Sitz. Deshalb kann man mit Recht von<br />
Ribnitz-Damgarten als Bernstein-„Hauptstadt“ sprechen.<br />
Das Bernsteinmuseum erklärt ausführlich die Entstehung des<br />
Bernsteins, nennt die Vorkommen weltweit, zeigt Schmuck<br />
und einen unbearbeiteten 5-kg-„Brocken“, in Polen auf<br />
einem Feld gefunden. In der Ostseeschmuck-GmbH werden<br />
alte <strong>Handwerk</strong>skünste gepflegt, allerdings ist man, schon aus<br />
Umweltschutzgründen, auch offen gegenüber <strong>neu</strong>er Techvon<br />
Rolf Hoffmann<br />
nologie. 30 Mitarbeiter, darunter die Berufe Goldschmied,<br />
Formschneider, Edelsteinfasser, Polierer, Galvaniker und<br />
Bernsteinschleifer, sorgen mit Können und Kreativität dafür,<br />
dass Ostseeurlauber erleben können, wie ein Schmuckstück<br />
entsteht und wie Bernstein be- und verarbeitet wird.<br />
Ein langjähriger Mitarbeiter „im Bernstein“ ist Helmut<br />
Schaffus. Er bearbeitet Bernstein seit 39 Jahren, viel Erfahrung,<br />
eine gutes Auge und eine ruhige Hand zeichnen<br />
ihn aus. Von ihm kommen die Steine für die „Silberserie“<br />
des Hauses, aber genauso werden spezielle Kundenwünsche<br />
realisiert. Er lernte viel von Horst Froese, Jahrgang 1921,<br />
gebürtiger Ostpreuße, dessen Spezialität Bernsteinfiguren<br />
waren.<br />
Bernstein, gefunden auf Rügen<br />
Weißer Bernstein<br />
Schwarzer Bernstein<br />
Klarer Bernstein mit Einschlüssen<br />
74
Sehr seltener blauer Bernstein<br />
Helmut Schaffus bearbeitet schon 39 Jahre Bernstein<br />
Helmut Schaffus stellte in den 1990er Jahren das Modell<br />
der „Santa Maria“, das Flaggschiff von Christoff Kolumbus,<br />
fertig, geschaffen aus 32 Kilogramm Bernstein. Für maritim<br />
geprägte Bernstein-Freaks und solche, die es werden wollen,<br />
stehen noch weitere Schiffe, inklusive der Segel komplett aus<br />
Bernstein gefertigt, zur Auswahl.<br />
Kinder, aber auch Erwachsene, haben die Möglichkeit, selbst<br />
zum Schmuck-Designer zu werden und sich eine Urlaubserinnerung<br />
aus Bernstein zu gestalten. Im Eingangsbereich<br />
des Hauses befindet sich Deutschlands größter Bernstein-„Baum“.<br />
180 cm hoch, trägt er ca. 29.000 Blätter aus<br />
dem Harz der Urzeit, jedes einzelne Blatt geschliffen und<br />
poliert. Ein Stück fürs Museum ist die über einhundert Jahre<br />
alte Stanze, die früher mit der Kraft von 60 Tonnen Rohlinge<br />
für Schmuck und Schmuckschalen aus Messing, Kupfer und<br />
Silber in die gewünschte Form brachte.<br />
Bernsteinentstehung<br />
Der baltische Bernstein entstand vor etwa 40 Millionen<br />
Jahren. Damals gab es im Bereich der heutigen Ost- und<br />
Nordsee ausgedehnte Wälder, deren Baumarten sehr viel<br />
Harz produzierten. Das Harz erstarrte an Verletzungen der<br />
Rinde, floss von Ästen und Baumstämmen herunter oder<br />
füllte Hohlräume im Holz. Die Harzklumpen blieben<br />
nach dem Absterben der Bäume erhalten, lagerten sich im<br />
Boden ab, wurden durch Flüsse und eiszeitliche Gletscher<br />
transportiert und umgeschichtet. Große Fundstellen in<br />
Schichten aus „Blauer Erde“ befinden sich im Gebiet von<br />
Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Hier lohnt sogar der<br />
industrielle Abbau, über Jahrhunderte hatten und haben dort<br />
Bernsteinschnitzer ihren Lohn und Brot. Das berühmteste<br />
Mücke, 40 Millionen Jahre alt<br />
Zeugnis ihrer Arbeit ist das sagenhafte Bernsteinzimmer,<br />
ein Geschenk des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I.<br />
an den russischen Zaren Peter den Großen. Im 2. Weltkrieg<br />
vernichtet (jedenfalls bis heute verschwunden), wurde das<br />
Bernsteinzimmer originalgetreu ein zweites Mal hergestellt<br />
und kann seit dem Jahr 2003 im Katharinenpalast bei St.<br />
Petersburg wieder bewundert werden.<br />
Bernsteinfarben, Inklusen<br />
Die Farbe des fossilen Harzes reicht von Weiß über Honigfarbton<br />
in allen Varianten, Braun bis Schwarz. Der Stein kann<br />
glasklar durchsichtig sein, selten ist rötlicher Bernstein, ganz<br />
selten kommt sogar die Farbe Blau vor. Rohbernstein hat<br />
außen eine Verwitterungsschicht. Erst durch die Bearbeitung<br />
wird erkennbar, wie die innere Struktur aussieht. So wie heute<br />
blieben auch vor Millionen Jahren Insekten am Harz kleben<br />
oder wurden eingeschlossen. Diese Steine sind dann ganz<br />
besonders interessant und sehr gefragt.<br />
75
<strong>Handwerk</strong><br />
Die Technologien der einzelnen Arbeitsschritte werden uns<br />
in Ribnitz-Damgarten bestens erklärt. Hier einige Beispiele:<br />
Formbau<br />
Polierscheibe<br />
Ein vom Schmuckdesigner angefertigtes Urmodell eines<br />
Schmuckstückes wird in eine Gummiform einvulkanisiert.<br />
Die Form wird lagenweise aufgebaut, an das Urmodell wird<br />
ein Gusskanal angelegt. Nach dem Vulkanisieren erfolgt ein<br />
verzahntes Herausschneiden des Urmodells aus der Form.<br />
Wachsspritzen<br />
Flüssiges Spezialwachs wird in die vorbereitete Form<br />
eingespritzt und so ein Wachsabdruck des Schmuckstückes<br />
hergestellt. Die fertigen Wachsmodelle werden zu einem<br />
Wachsbaum komplettiert.<br />
Einbetten<br />
Die Wachsbäume werden in eine Stahlhülle (Küvette) gesetzt<br />
und anschließend unter Vakuum in Spezialgips (Einbettmasse)<br />
eingebettet. Nach erfolgter Trocknung sind die Küvetten<br />
fertig zum Ausschmelzen.<br />
Gießen<br />
Vor dem Gießen wird das Wachs aus den Küvetten ausgeschmolzen.<br />
Das Gießen verschiedener Edelmetalllegierungen<br />
geschieht im Schleuderguss- oder im Vakuumgussverfahren.<br />
Stanze, außer Dienst<br />
76
Im Schmelztiegel der Gießanlage wird das Edelmetall auf<br />
Gießtemperatur erhitzt.<br />
Gold 333/000 ca. 1020 °C<br />
Gold 585/000 ca. 1150 °C<br />
Silber 935/000 ca. 1050 °C<br />
Die Küvette wird auf der Gießanlage verspannt und das<br />
Edelmetall eingegossen. Nach dem Abkühlen wird die Einbettmasse<br />
entfernt und der Gussbaum ist fertig.<br />
Schmirgeln<br />
Beim Schmirgeln wird mit rotierenden Werkzeugen die<br />
Oberfläche geglättet.<br />
Galvanik<br />
Schiffbauplatz 18. Jahrhundert aus Bernstein,<br />
entstanden etwa 1986<br />
Alle Schmuckstücke durchlaufen diese Abteilung, teilweise<br />
mehrmals, während des Fertigungsprozesses. Die Arbeitsgänge<br />
sind: Entfetten, Reinigen, Versilbern, Passivieren,<br />
Vergolden, Farbvergoldung, Stiftvergoldung, Schwärzen. Die<br />
Spülwässer dieser Anlage werden in <strong>neu</strong>ester Kreislauftechnik<br />
geführt, ohne die Umwelt zu belasten.<br />
Trommelraum<br />
Zur mechanischen Oberflächenbearbeitung kommen<br />
unterschiedliche Schleifkörper, sowie spezielle Zusatzstoffe<br />
in Sechskanttrommeln unterschiedlicher Größe zur Anwendung.<br />
Außerdem werden die Gleitschlifftechnik und das<br />
Vibrationsschleifen angewendet.<br />
Bernsteinschmuck<br />
Goldschmiede<br />
Hier werden gegossene und gestanzte Schmuckstücke<br />
montiert und gelötet. Weitere Einzelschritte sind: feilen,<br />
Schmucksteine fassen und kleben, Ringgrößen herstellen,<br />
fräsen und diamantieren, Oberflächen strukturieren,<br />
Stempeln des Edelmetallgehaltes.<br />
Bernstein bearbeiten, schleifen und polieren<br />
Neben den Bernsteinketten werden Kunstgegenstände aller<br />
Art aus Naturbernstein und die Fassungssteine für den<br />
Schmuck hergestellt. Die einzelnen Schritte sind: Sägen von<br />
Rohmaterial, Drehen von Cabochons, Feilen, Grob- und<br />
Feinschleifen zu Halbfertigprodukten, Bohren, Kleben, Polieren<br />
von Bernstein. Beim manuellen Schleifen und Polieren<br />
werden letzte Rauigkeiten an den Schmuckstücken entfernt.<br />
Cabochons (französisch für „Nagelkopf“) sind runde oder<br />
ovale Schliffformen von Schmucksteinen ohne Facetten mit<br />
flacher Unter- und gewölbter Oberseite, wodurch die innere<br />
Struktur der Steine hervorgehoben wird.<br />
Julius und Markus waren eben selbst als<br />
Bernsteinschleifer tätig<br />
77
Schon die alten Griechen, die Römer und die Wikinger<br />
kannten den Bernstein, handelten damit und verarbeiteten<br />
ihn zu Schmuck für die obere Gesellschaftsschicht, für<br />
Häuptlinge, Fürsten und Könige. Anders als früher sind heute<br />
Bernsteine „pur“ oder in Kombination mit edlen Materialien<br />
für viele Menschen erschwinglich geworden. Das ist gut so,<br />
denn dadurch erhalten hochqualifizierte und begabte Spezialisten<br />
ihr Auskommen. Nicht jeder Urlauber findet einen<br />
Bernstein am Strand. In Ribnitz-Damgarten aber kann jeder<br />
„seinen“ Bernstein finden.<br />
Preise<br />
Die Preise für Gold und Silber sind in der Zeitung zu finden.<br />
Ein kleiner Bernstein-Anhänger für eine Halskette kostet<br />
etwa zwei Euro. Der Preis pro Gramm kann ein bis zwölf<br />
Euro betragen. Ist der Stein größer, in Silber oder Gold<br />
gefasst, sind wir bald bei einhundert Euro oder mehr. Bei<br />
komplizierten Figuren, großen Inklusen und seltenen Farben<br />
und Formen werden die Preise auf der nach oben offenen<br />
Skala bald vierstellig. Bernstein ist in den letzten Jahren<br />
deutlich teurer geworden, er kostet etwa das Zehnfache des<br />
Edelmetalls Silber. Das hängt mit dem begrenzten Angebot<br />
und dem wachsendem Interesse für Bernsteinschmuck in<br />
vielen Ländern zusammen.<br />
Fotos: Rolf Hoffmann<br />
!ACHTUNG!<br />
Bernstein am Strand kann mit<br />
Phosphor aus Kriegswaffen<br />
(Brandbomben) verwechselt<br />
werden! Dieses Material entzündet<br />
sich von selbst in der Hosentasche<br />
und führt dann zu schweren Verletzungen.<br />
Vorsichtiger Umgang<br />
mit Fundstücken und separater<br />
Transport sind deshalb unbedingt<br />
erforderlich.<br />
Kontakt<br />
Ostsee-Schmuck GmbH<br />
An der Mühle 30<br />
18311 Ribnitz-Damgarten<br />
Tel.: 049(0)3821/88580<br />
Fax: +49(0)3821/885811<br />
Mail: info@ostseeschmuck.de<br />
Home: www.ostseeschmuck.de<br />
Rohlinge (Ringe) in der Küvette<br />
Gussbaum, Einbettmasse ist entfernt<br />
78
Erleben Sie “ALTES HANDWERK”<br />
live vor Ort bei einem Besuch im museum<br />
Archäologisches<br />
Freilichtmuseum<br />
Oerlinghausen<br />
Die hatten den Bogen raus!<br />
Prähistorische <strong>Handwerk</strong>e und Häuser<br />
im Freilichtmuseum Oerlinghausen<br />
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<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong> ...<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
Ausgabe 1-2013<br />
Die <strong>neu</strong>e Publikation „<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong> ...<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!“ befasst sich mit traditionellen <strong>Handwerk</strong>sberufen<br />
und -techniken und bringt diese dem Leser auf anschauliche Weise näher. In der<br />
ersten Ausgabe lernen Sie unter anderem das <strong>Handwerk</strong> eines Schmiedemeisters kennen,<br />
werden in das Geheimnis des Geigenbaus eingeweiht und besuchen mit uns die Senfmühle in<br />
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79
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Ein Dorf voller <strong>Handwerk</strong>er<br />
Trachten- und <strong>Handwerk</strong>ermarkt in Neubeuern<br />
von Martina Poll<br />
Zum fünften Mal findet in Neubeuern am Inn auf dem<br />
Marktplatz der große Trachten- und <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />
statt. Hier gibt es alles, was das Trachtlerherz<br />
begehrt, und noch viel mehr. Wenn man durch eines der<br />
beiden Tore den Neubeurer Marktplatz betritt, spürt man<br />
sofort die besondere Atmosphäre dieses Platzes. In der Mitte<br />
ein alter Dorfbrunnen mit dem heiligen Florian, zwei Linden,<br />
die zwar noch recht jung sind, aber bestimmt schon bald<br />
wieder Schatten spenden werden, wie ihre Vorgänger, die aus<br />
Altersgründen gefällt werden mussten. Ein paar Wirtshäuser<br />
mit gemütlichem Biergarten, in dem die Kastanie nicht fehlt,<br />
kleine Geschäfte, ein Bäcker, ein Schmied und ein Ofenbauer,<br />
hier ist die Welt noch in Ordnung. Bunte Häuser mit<br />
Lüftlmalerei, rote Geranien an den Fenstern. Eine schönere<br />
Kulisse für einen <strong>Handwerk</strong>ermarkt als den Marktplatz von<br />
Neubeuern könnte es nicht geben. Das Marktrecht gibt es<br />
hier seit 1393, und beim alljährlichen großen Trachten- und<br />
<strong>Handwerk</strong>ermarkt macht die Inntal-Gemeinde am Fuß<br />
der Alpen diesem alten Recht alle Ehre. Es gibt nichts, was<br />
es hier nicht gibt. Hauptrolle spielt hier ganz eindeutig die<br />
Tracht, sowohl für die Frauen als auch die Männer, Weiberleut<br />
und Mannsbilder, wie man hier sagt. Sabine Karl und ihr<br />
Mann Manfred, die den Markt im Namen des Trachtenvereins<br />
Edelweiß Neubeuern jedes Jahr organisieren, sind<br />
selbst leidenschaftliche Trachtler und haben im Laufe der<br />
letzten Jahre den Trachten- und <strong>Handwerk</strong>ermarkt in Neubeuern<br />
zu einem der Hauptumschlagplätze für alles, was zur<br />
Tracht gehört, gemacht. Und dazu braucht man jede Menge!<br />
Man kann oben beim Hut oder unten bei den Schuhen<br />
anfangen, in Neubeuern findet man alles in bester hand-<br />
80
werklicher Qualität. Und den meisten <strong>Handwerk</strong>ern kann<br />
man über die Schulter schauen, wenn die wunderschönen<br />
Dinge in mühevoller Kleinarbeit entstehen. „In den fünf<br />
Jahren seines Bestehens ist unser Markt weit über die<br />
Grenzen des Landkreises Rosenheim bekannt, sowohl<br />
Händler als auch Käufer kommen gerne“, betont Sabine Karl.<br />
„Außerdem lassen wir uns jedes Jahr ein passendes Rahmenprogramm<br />
einfallen, von der Modenschau bis zur Kinderbelustigung<br />
mit alten Brauchtumsspielen.“ Eines davon ist<br />
das Maßkrugschieben. Auf einer Holzbahn, die mit Seifenlauge<br />
präpariert ist, schiebt man einen gläsernen Maßkrug,<br />
da haben alle ihren Spaß und die Männer wetten um den<br />
besten Schub! Und natürlich spielt die passende Musik auf<br />
der Bühne, wo von den Trachtenvereinen historische Tänze<br />
aufgeführt werden. Und wer selbst Lust zum Tanzen hat,<br />
geht am Samstagabend zum Dorfwirt zum Volkstanz, wo die<br />
„Kirnstoana Tanzlmusi“ spielt! Nur Mut, ein Vortänzer gibt<br />
für jeden Tanz eine genaue Anleitung.<br />
Die richtige Tracht braucht den passenden Hut, da gibt es<br />
gleich mehrere Hutmacher, die verschiedene Exemplare<br />
anpreisen. Und auf den Hut gehört natürlich noch etwas, ein<br />
handgeschnitztes Edelweiß oder ein Enzian, eine Feder oder<br />
sogar ein Gamsbart. Für einen „Weiberhut“ braucht man<br />
natürlich etwas anderes, handgemachte Goldquasten oder<br />
feine Borten. Mehrere Dirndlschneiderinnen preisen ihre<br />
Stoffkollektionen an, zum Teil schon in Päckchen zusammengeschnürt<br />
für „Leiberl“, also Oberteil, Rock und Schürze.<br />
Da sind den Kombinationsmöglichkeiten keine Grenzen<br />
gesetzt, egal ob geblümt, gestreift oder kariert, beim Dirndl<br />
passt praktisch alles zusammen. Doch auch Nichttrachtler<br />
kommen auf ihre Kosten. Es ist eine wunderbare Mischung<br />
aus Tradition und modernen Accessoires, und es gibt wohl<br />
kaum jemand, der hier mit leeren Händen heimgeht. Ein<br />
Drechsler macht hölzerne Schüsseln, es gibt handgemachte<br />
Besen und Bürsten, kunstvolle Gürtelschließen und wunderbare<br />
Tücher und Schals. Junge Instrumentenbauer führen<br />
ihre Instrumente wie die „Steirische Harmonika“ vor. Es gibt<br />
handgemachte Babysachen, gehäkelte Perlenketten und originelle<br />
Handyetuis, modernen und traditionellen Schmuck und<br />
handgemachte Schuhe, die ein Leben lang halten. Auf der<br />
Bühne finden Trachtenvorführungen statt und in einer Tenne<br />
außerhalb des Platzes eine Modenschau. Hier kann man sich<br />
Anregungen für das eigene Dirndl bis hin zum Brautkleid<br />
holen. Und wer genug gesehen und gekauft hat, genießt die<br />
vielen kulinarischen Spezialitäten, die hier angeboten werden<br />
‒ auch handgemacht!<br />
Kontakt<br />
Trachten- und <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />
des V.T.E.V Neubeuern e.V.<br />
31. Mai – 1. Juni 2014<br />
www.trachtenverein-<strong>neu</strong>beuern.de<br />
Fotos: Martina Poll<br />
81
VORSCHAU<br />
„Porzellanmalerei“<br />
Helmut Harhaus<br />
„Die Glocke“ in Bildern<br />
Hans-Joachim Herr und Martin Höcker<br />
<strong>Altes</strong><br />
HANDWERK<br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
„Zeugen der Geschichte“<br />
Fachwerkhäuser<br />
Susanne Erbach<br />
IMPRESSUM<br />
Neckar-Verlag GmbH, Klosterring 1, D-78050<br />
Villingen-Schwenningen, Postfach 1820,<br />
D-78008 Villingen-Schwenningen, Telefon<br />
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Archäologisches Freilichtmuseum 79<br />
Barnim Panorama 79<br />
DampfLandLeute 35<br />
Freilichtmuseum Ensemble<br />
Gerersdorf 10<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg 10<br />
Landlust<br />
U3<br />
Inserentenverzeichnis<br />
Mein Ländle<br />
U2<br />
Restaurator im <strong>Handwerk</strong> 9<br />
Technikmuseum Freudenberg 10<br />
Trachtenschneiderei &<br />
Trachtenausstatter 57<br />
Traktormuseum Bodensee 79<br />
Museums-Hof Lensan 10<br />
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82
Die fabelhafte Welt<br />
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