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Seite 36 Christophorus 342 Christophorus 342 Seite 37 Text Michl Koch Fotografie und Illustration Porsche, Büro Linientreu Beschleunigung und Fahrdynamik des neuen 911 Turbo sind schlicht atemberaubend, das liegt in der Natur des neuen Porsche. Wer den Motor genauer anschaut,entdeckt filigrane Technik, die zudem Meilensteine beim sparsamen Verbrauch setzt. Die Frage, wie zeitgemäß ein Triebwerk mit 500PS und bis zu 700 Newtonmetern sein kann, findet folglich eine einfache Antwort: Mehr denn je! Technik Die Lust an der (Voll-)Last
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Seite 36<br />
Christophorus 342<br />
Christophorus 342<br />
Seite 37<br />
Text<br />
Michl Koch<br />
Fotografie und Illustration<br />
<strong>Porsche</strong>, Büro Linientreu<br />
Beschleunigung und Fahrdynamik des neuen<br />
911 Turbo sind schlicht atemberaubend,<br />
das liegt in der Natur des neuen <strong>Porsche</strong>.<br />
Wer den Motor genauer anschaut,entdeckt<br />
filigrane Technik, die zudem Meilensteine<br />
beim sparsamen Verbrauch setzt. Die Frage,<br />
wie zeitgemäß ein Triebwerk mit 500PS<br />
und bis zu 700 Newtonmetern sein kann,<br />
findet folglich eine einfache Antwort:<br />
Mehr denn je!<br />
Technik<br />
Die Lust an der<br />
(Voll-)Last
Seite 38<br />
Christophorus 342<br />
Christophorus 342<br />
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01<br />
Beeindruckende Daten des Motors<br />
im neuen 911 Turbo (Coupé mit PDK) –<br />
Leistung: 500PS (368 kW) bei 6000 ⁄ min<br />
Höchstgeschwindigkeit: <strong>312</strong> km ⁄ h<br />
Beschleunigung: 0–100 km ⁄ h in 3,6s<br />
(3,4s mit Sport-Chrono-Paket)<br />
Verbrauch: 11,4 l ⁄ 100 km<br />
Der 500PS starke Boxer-Motor faucht in thermodynamischer Ekstase,<br />
die Reifen jaulen radierend um Gnade, das PSM-System ringt um Fassung<br />
an beiden Antriebsachsen.Mit spektakulärem Schub schießt das weiße<br />
911Turbo Cabriolet von einer Biegung der Rennstrecke zur nächsten.<br />
Die urgewaltige Beschleunigung des neuen Turbo-Motors ist einem<br />
Rennwagen ebenbürtig, die Werksangabe für die Beschleunigung von<br />
0 auf 100 km/h mit raketenhaften 3,8 Sekunden wird glaubwürdig<br />
inszeniert. Der Kommentar des Experten am Steuer irritiert in diesem<br />
Zusammenhang etwas: „Genau genommen ist das unser neuester Spar-<br />
Motor“, sagt Dr. Heinz-Jakob Neußer, Chef der <strong>Porsche</strong>-Triebwerksentwicklung.<br />
02<br />
Benzindirekteinspritzung<br />
mit 140bar Einspritzdruck<br />
Turbo-Aufladung durch zwei Lader mit variabler<br />
Turbinengeometrie in gespiegelter Anordnung<br />
04<br />
Neußer steuert dabei zügig auf die nächste Biegung zu. Der Motor im<br />
Heck faucht unter vollem Ladedruck von 0,8 bar, und soviel steht<br />
schon fest: Die anderen Spar-Motoren der Neuzeit klingen weitaus<br />
weniger emotional als der „9A1-TOP-Motor“, wie man das 500 PS<br />
starke Aggregat im Weissacher Entwicklungszentrum für den internen<br />
Sprachgebrauch getauft hat. Und wer unter dem Sternzeichen „TOP“<br />
geboren wurde, hat buchstäblich die Erwartung in die Wiege gelegt<br />
bekommen, alles andere hinter sich zu lassen.<br />
Der technische Trick, einen guten Motor per Turbolader gefühlvoll mit<br />
Boost zu versehen, ist bei <strong>Porsche</strong> ja bereits 35Jahre alt. Doch der moderne<br />
Turbo des Jahrgangs 2009 mit seinen zwei verstellbaren Ladern fährt<br />
sich wie ein großer Sauger, so präzise reagiert er auf jeden noch so kleinen<br />
Tupfer am Pedal.<br />
Der Weg hierhin war gar nicht so einfach. Dem Ziel, den Lader am<br />
Benzinmotor für ein besonders geschmeidiges Ansprechen ebenso elegant<br />
nach der geforderten Last zu verstellen wie dies beim Diesel heute bewährte<br />
Routine ist, war beim Benzin-Turbo bisher eine metallurgische<br />
Grenze gesetzt: Bis zu 900 Grad Celsius halten die Stahlteile der Lader-<br />
Verstellung dem Diesel-Betrieb gut stand. Mehr als 1000 Grad Celsius –<br />
beim Benziner durch das heißere Abgas unumgänglich – waren bisher<br />
nicht machbar. Neußer:„Erst der Anruf bei Krupp in Essen brachte uns<br />
den Kontakt zum Spezialisten, der mit der heute verwendeten Nickel-<br />
Basis-Superlegierung weiterhelfen konnte.“<br />
Mit diesem Werkstoff aus dem Umfeld der Raketen-Treibsätze in der<br />
Raumfahrt ließen sich die beiden Lader des neuen <strong>Porsche</strong>-Turbo von der<br />
brüllenden Urgewalt der 500Volllast-PS bis hinab zum lammfrommen<br />
Leerlauf bei 680 Umdrehungen/Minute in bisher ungekannter Geschmeidigkeit<br />
einregeln. „Und was heute bei <strong>Porsche</strong> funktioniert,<br />
können wir morgen für jeden Kleinwagen nutzbar machen“, so Neußer.<br />
<strong>Porsche</strong> in Weissach als Auftrags-Denkfabrik für die weltweit agierenden<br />
Autohersteller bietet hierfür exakt die passende Drehscheibe.<br />
03<br />
Neue Closed-Deck-<br />
Konstruktion für das<br />
Kurbelgehäuse mit<br />
integrierten Hauptlagern<br />
Dabei stellt der verstellbare Turbolader nur ein Teil eines ganzen Verbundes<br />
technischer Systeme dar, die das Turbo-Aggregat zum Spar-<br />
Meister machen.In knapper Tabellenform sind dies:<br />
– die Turbo-Aufladung durch zwei Lader in gespiegelter Anordnung<br />
– die Direkteinspritzung (140bar Einspritzdruck)<br />
– das auf Kühleffekt optimierte Expansionssaugrohr<br />
– die spezielle Saugrohr-Gestaltung für gründlichen Tumble-Effekt<br />
der Saugluft im Brennraum<br />
– die doppelte Ladeluftkühlung<br />
– der neuartige Doppel-Katalysator pro Zylinderbank<br />
– die neue Closed-Deck-Konstruktion für das Kurbelgehäuse<br />
– das einteilige Kurbelgehäuse mit integrierten Hauptlagern<br />
– das im Kokillenguss in übereutektischer Legierung AlSi17<br />
ausgeführte einteilige Kurbelgehäuse mit integrierten Hauptlagern<br />
– die Injektoren im Sechsloch-Design mit 140bar Einspritzdruck<br />
– die Register-Ölpumpe mit lastgesteuertem Kennfeld. A
Seite 40<br />
Christophorus 342<br />
Dr. Heinz-Jakob Neußer,<br />
Chef der <strong>Porsche</strong>-Triebwerksentwicklung<br />
„Die Abstimmung vieler<br />
Details macht das große<br />
Ganze aus“<br />
„Die Abstimmung vieler Details macht das große Ganze aus“, so<br />
Neußer, „uns war eine saubere, regelrecht quirlige Abstimmung<br />
im Teillastbereich auf kleine Gaspedal-Bewegungen wesentlich<br />
wichtiger als plus/minus 150Newtonmeter oder 50 bis 80 PS.“<br />
Dabei ist die Direkteinspritzung der Schlüssel zum Leistungsplus<br />
ohne Zuschlag beim Verbrauch. Neußer:„Sie bringt natürlich am<br />
meisten. Der Kühleffekt, den die Sechslochinjektoren bei 140bar<br />
Einspritzdruck – beim Carrera sind es 120bar – bewirken, wenn<br />
der Spritnebel im Zylinder injiziert wird, steht für beinahe lässige<br />
thermische Bedingungen auch unter voller Last.“ Die Direkteinspritzung<br />
kühlt die Zylinderfüllung so gründlich, dass die Verdichtung<br />
erhöht werden konnte und der Motor selbst bei Vollgas<br />
nicht zum Klingeln neigt.<br />
Weniger ist mehr – auch in Sachen Gewicht. Der neue Turbo ist<br />
auch das Produkt einer strengen Diät: Er wiegt zehn Kilogramm<br />
weniger als das Vorgänger-Triebwerk (219 anstatt 229 kg). Im<br />
einbaufertigen Zustand mit allen Anbauteilen beträgt die Gewichtsersparnis<br />
sogar 20Kilogramm.<br />
Die Umstellungen beim Motorgehäuse waren insgesamt so grundlegend,<br />
dass man im Prinzip von einem neuen Motor sprechen<br />
kann: Das ehemals zweiteilige Gehäuse ist jetzt einteilig in Aluminium-Druckguss<br />
ausgeführt. Jede Hälfte vereint die Kurbelwellenlager<br />
und die Zylinderbohrungen in einem Bauteil. Die<br />
mechanische Robustheit profitiert insgesamt stark von der Umstellung<br />
von Open-Deck- auf Closed-Deck-Bauweise. Das bedeutet<br />
imWesentlichen, dass dieWasserkanäle rund um die Zylinderbohrung<br />
in geschlossener Form eingegossen werden. Dazu kommt<br />
eine hoch spezifische Wärmebehandlung des gesamten Kurbelgehäuses<br />
zur Erhöhung der Grundfestigkeit der Aluminium-<br />
Struktur. Das Kurbelgehäuse wird nach dem Gießen bei bestimmten<br />
Temperaturen im technischen Ofen der Gießerei über eine gewisse<br />
Zeit gelagert.Dabei verfestigt sich dasAluminium-Gefüge.„Die<br />
exakte Rundheit der Zylinder verbessert sich noch einmal so enorm,<br />
dass die Kolbenringe im ausschließlich mechanisch gehonten<br />
Aluminium-Zylinder ideale Arbeitsbedingungen vorfinden und<br />
praktisch das ewige Leben haben“, so Neußer.<br />
Sogar die Ölpumpe wurde auf günstigeres Leistungsgewicht hin<br />
optimiert und gehorcht jetzt einem Kennfeld zur gezielten Optimierung<br />
der Leistungsaufnahme: Das pumpende Zahnrad ist in<br />
seiner Zahnbreite verstellbar ausgeführt und verbraucht niemals<br />
mehr Energie als nötig. Überraschungen bietet auch der Abgastrakt.<br />
Zwei Katalysatoren sind proZylinderbank vorgesehen, und<br />
sie gehören zur modernsten Variante, die sich derzeit aus Keramik<br />
herstellen lässt. 400Zellen weist der Monolith pro Quadrat-Inch<br />
(650mm 2 ) auf.Das heißt, die einzelnen Kanäle sind jeweils feiner<br />
als 1,6 mm 2 , besitzen zudem eine extrem feine Kanalwand, die kaum<br />
dicker ausfällt als ein Blatt Papier. Neußer: „So etwas wie Durchfluss-Widerstand<br />
für die Abgas-Strömung findet kaum noch statt.<br />
Und ganz nebenbei erreichen wir die Abgasnorm EU5 für Europa<br />
sowie LEVII/LEV für die USA.“ Der <strong>Porsche</strong>-Turbo ist übrigens der<br />
einzige Sportwagen in dieser Klasse, dem in denVereinigten Staaten<br />
die ungeliebte Strafsteuer für hohen Verbrauch erspart bleibt.<br />
So zieht der neue <strong>Porsche</strong>-Turbo unter Volllast mit seinen 500 PS<br />
(368 kW) und bis zu 700 Newtonmetern (mit Sport-Chrono-Paket)<br />
in Sachen Fahrleistungen alle Register. Im Teillastbereich arbeitet<br />
er beinahe so knickerig wie ein moderner Diesel. Das belegen die<br />
Werte für den spezifischen Verbrauch, die in Gramm pro Kilowatt<br />
und Stunde gemessen werden. Der Wert gilt als Güteklasse für<br />
die Sparsamkeit. Er erlaubt es, Motoren verschiedener Größe zu<br />
vergleichen. Hochmoderne Dieselmotoren legen die Messlatte bei<br />
einem Wert von rund 200 Gramm pro Kilowattstunde. Benziner<br />
weisen üblicherweise um 50 Prozent höhere Werte auf, 300 Gramm<br />
pro Kilowatt und Stunde stellten lange eine unsichtbare Schallmauer<br />
dar. Der neue <strong>Porsche</strong>-Turbo liegt zumindest für einen Teil<br />
seines Drehzahlbandes bei 250 Gramm pro Kilowattstunde – und<br />
damit dicht an der Traumregion der sparsamen Diesel.<br />
Mit vollem Schub voraus.<br />
B