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CHRISTOPHORUS | 358<br />
TYP 804<br />
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PORSCHE FOTOLINK<br />
Anleitung Seite 12<br />
Der letzte<br />
Silberpfeil<br />
1962 gewann der amerikanische Werkspilot<br />
Dan Gurney im <strong>Porsche</strong> Formel 1 den Grand Prix von<br />
Frankreich in Rouen. Der Typ 804 verkörpert<br />
auch 50 Jahre danach noch perfekt den Aufbruch in<br />
eine neue, moderne Formel 1.<br />
Text Bernd Ostmann Fotografie Achim Hartmann<br />
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Auf den Spuren der<br />
Geschichte: der<br />
<strong>Porsche</strong> Formel 1 auf<br />
dem modernen<br />
Red Bull Ring im österreichischen<br />
Zeltweg,<br />
wo der Pilot den<br />
Silberpfeil-Look bis<br />
in den Sturzhelm<br />
und die Haarspitzen<br />
pfl egt<br />
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Auf der Geraden<br />
zwischen Remus- und<br />
Schlossgold-Kurve:<br />
Der 804-Motor<br />
legt über 6000 Touren<br />
mächtig zu. Aber<br />
er beschleunigt ja<br />
auch nur 452 Kilogramm<br />
plus Fahrer<br />
und Sprit<br />
Foto: Wilfried Geerts<br />
Goodwood Revival 2012: der dreifache Formel-1-<br />
Weltmeister Jackie Stewart im Cockpit<br />
des <strong>Porsche</strong> 804 als Hommage an Dan Gurney<br />
S<br />
ind Sie schon einmal auf einem Pulverfass gesessen?<br />
Dan Gurney muss sich 1962 so gefühlt<br />
haben. Er kämpfte auf der Nordschleife<br />
des Nürburgrings mit dem <strong>Porsche</strong>-Formel-1-Rennwagen<br />
gegen Graham Hill und<br />
John Surtees um den Sieg. Blöd nur: Die Batterie im<br />
Fußraum hatte sich gelöst. Mit dem linken Fuß versuchte<br />
er verzweifelt, sie zu fi xieren. In seinem Hinterkopf<br />
lauerte die Angst: Was passiert, wenn es einen<br />
Kurzschluss und Funken gibt? Das könnte fatale Folgen<br />
haben. Denn der Chauffeur im <strong>Porsche</strong> 804 sitzt quasi<br />
mitten im Tank. 75 Liter Super sind im Haupttank links<br />
und rechts und im Rücken. Die restlichen 75 Liter<br />
schwappen in den Tanks im Bug – rund um die Fahrerbeine<br />
drapiert. Der nervenstarke Gurney wurde Dritter<br />
und bezeichnete den Grand Prix von Deutschland als<br />
sein bestes Rennen im 804. Dabei hatte er in dem<br />
Formel-1- Renner bereits den Grand Prix von Frankreich<br />
und eine Woche später das nicht zur Weltmeisterschaft<br />
zählende Formel-Rennen auf der Solitude bei<br />
Stuttgart gewonnen.<br />
50 Jahre sind seit damals vergangen. Der <strong>Porsche</strong> 804<br />
steht wieder vor den Boxen – nicht am Nürburgring,<br />
nicht in Rouen, sondern am frisch renovierten Red Bull<br />
Ring in Österreich. Heute braucht man für die Fahrt in<br />
einem Formel-1-Boliden ein Dutzend Helferlein. Mir<br />
genügt einer: <strong>Porsche</strong>-Legende Klaus Bischof, Leiter<br />
der neuen Abteilung Historischer Motorsport. Er hat<br />
den Achtzylinder warmlaufen lassen. Der Boxer-Motor<br />
im <strong>Porsche</strong> ist ein Winzling, hat gerade mal 1,5 Liter<br />
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Hubraum. Dafür ist er stimmgewaltig, brüllt wie ein<br />
ganz Großer. Die acht Zylinder werden luftgekühlt. Ein<br />
Lüfterrad schaufelt pro Minute 84 000 Liter Luft an die<br />
Zylinder. Das kostet 7 kW (9 PS) an Leistung, spart aber<br />
Kühlmittel und Kühler.<br />
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Weil der Amerikaner Gurney ein Formel-1-Riese war,<br />
gab es im <strong>Porsche</strong> schon etwas Komfort. Zumindest ist<br />
das Lenkrad abnehmbar, was das Einfädeln in den Einbaum<br />
erheblich erleichtert. Apropos Einstieg: Am Überrollbügel<br />
sollte man sich besser nicht festhalten, der wackelt<br />
wie eine Attrappe. Und seine Wirkung sollte man<br />
auch nicht unbedingt erproben. Das dünne Röhrchen<br />
kann allenfalls als Nackenstütze durchgehen.<br />
Man steigt auf den Sitz, stützt sich außen an der Karosse<br />
mit den Armen ab und fädelt die Beine vorsichtig in<br />
Richtung Pedalerie. Das linke Bein stößt an die Batterie.<br />
Zwischen den Beinen verläuft ein Seil – der Kupplungszug.<br />
Aber ansonsten hat alles seinen gewohnten<br />
Platz: links das Kupplungspedal, in der Mitte die Bremse,<br />
rechts das Gaspedal. Rechts oben auf dem Cockpit<br />
sitzt der Zündschalter. Links die Zugschalter für die<br />
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Nach der <strong>Porsche</strong>-Karriere konzentrierte sich Dan<br />
Gurney als Teamchef, Konstrukteur und Rennfahrer<br />
auf seinen eigenen Rennstall All American Racers<br />
Benzinpumpen. Die sind wichtig, denn im Rennverlauf<br />
wird der Sprit so clever aus den Tanks abgepumpt, dass<br />
die Gewichtsverteilung von 46 Prozent vorn und 54 Prozent<br />
hinten möglichst konstant gehalten wird. Links<br />
am Rohrrahmen sitzen der Hauptstromschalter und ein<br />
Starthebel. Einen Mechaniker mit Startergenerator<br />
braucht man deshalb nicht, denn sobald man an dem<br />
Hebel kräftig zieht, rumoren die acht Zylinder im Rü-<br />
Der 804-Monoposto<br />
war eine eindrucksvolle<br />
Kombination aus<br />
luftgekühltem<br />
Achtzylinder-Boxer<br />
und Gitterrohrrahmen,<br />
dessen<br />
Potenzial bereits in<br />
seiner ersten Saison<br />
für einen Grand-<br />
Prix-Sieg sorgte<br />
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Klaus Bischof,<br />
Leiter Historischer<br />
Motorsport bei <strong>Porsche</strong>,<br />
gibt Fahrer Ostmann<br />
noch ein paar Tipps<br />
Das Lüfterrad<br />
sorgt für die Kühlung<br />
der acht Zylinder –<br />
mit 84 000 Liter Luft<br />
pro Minute<br />
sich mit seinen schmalen Reifen mehr wie ein Tourenwagen<br />
als ein Formel-1-Renner: Er untersteuert, er übersteuert,<br />
aber leicht kontrollierbar. Dass man in einem<br />
rollenden Benzinfass sitzt, hat man längst vergessen. So<br />
muss das bei den Grand-Prix-Helden von einst gewesen<br />
sein. Der Fahrspaß überwog, die Angst wurde ausgeblendet.<br />
Übrigens: Die Karriere des 804 dauerte nur einen<br />
heißen Sommer lang. Noch vor Ende der Saison 1962<br />
entschied Firmenchef Ferry <strong>Porsche</strong>: „Wir steigen aus.“<br />
Man wollte sich mehr um den „seriennahen“ Rennsport<br />
kümmern. Die englischen Teams hatten 1962 die Formel<br />
1 dominiert, B.R.M. gewann die Weltmeisterschaft.<br />
Und Lotus hatte mit dem Aluminium-Monocoque-<br />
Chassis nicht nur die Rohrrahmen-Konstruktionen abgelöst,<br />
sondern auch die Formel 1 revolutioniert.<br />
Der 804 rollte ins Museum, aber Teile des Projekts überlebten<br />
den Formel-1-Ausstieg. Beispielsweise die Scheibenbremsen<br />
– natürlich weiterentwickelt. Oder der<br />
Achtzylinder-Boxer, zu Beginn das Sorgenkind der<br />
<strong>Porsche</strong>-Crew, weil er nicht genug Leistung entwickelte<br />
und dann doch noch zu großer Form auflief. Mit 1,5 Liter<br />
Hubraum reichte es für etwas mehr als 140 kW<br />
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(190 PS). Mit einem halben Liter mehr ging die Leistung<br />
bis auf 199 kW (270 PS) hoch. Der Motor gewann<br />
im <strong>Porsche</strong>-Sportwagen 907 das 24-Stunden-Rennen<br />
von Daytona, siegte bei der Bergeuropameisterschaft im<br />
910 und gewann im 908 im Jahr 1968 sogar noch die<br />
Targa Florio auf Sizilien.<br />
Für Dan Gurney war der 8. Juli 1962 das Sprungbrett<br />
für eine großartige Karriere mit weiteren Siegen im<br />
Eagle-F1-Eigenbau, für Brabham, in Le Mans, der nordamerikanischen<br />
Indy-Car-Serie und bei NASCAR-<br />
Rennen. <strong>Porsche</strong> bewies, dass man auch mit den Monoposto-Spezialisten<br />
Ferrari, Lotus, B.R.M. und Cooper<br />
mithalten konnte – aber nicht unbedingt wollte. Die<br />
sportliche Zukunft der Marke sollte nach Ansicht der<br />
Familie im Lang streckensport liegen. 55 Gesamtsiege<br />
bei den wichtigsten 24-Stunden-Rennen in Le Mans<br />
(16), Daytona (22), am Nürburgring (11) und in Spa-<br />
Francorchamps (6) beweisen, dass das Erbe des letzten<br />
reinrassigen deutschen Silberpfeils – also Antrieb,<br />
Chassis und Fahrwerk in Deutschland konstruiert und<br />
gebaut – gut verwaltet wird.<br />
Der Autor Bernd Ostmann ist Herausgeber<br />
der Zeitschrift „auto motor und sport“.<br />
cken los. Der erste Gang verlangt etwas Nachdruck.<br />
Drehzahl hoch, Kupplung raus – und los geht’s. Aber<br />
dann, was ist das? Der Achtzylinder stottert. Erste Erfahrung:<br />
Hier ist Drehzahl gefragt. Unter 6000 Touren<br />
geht nichts. Und bei 8200 ist schon wieder Schluss. Früher<br />
ging es im Extremfall auch mal 1000 Umdrehungen<br />
weiter.<br />
Über 6000 Touren aber legt das Motörchen erstaunlich<br />
zu. Kein Wunder, denn er hat ja gerade mal 452 Kilogramm<br />
plus Fahrer und Sprit zu beschleunigen. Der<br />
Rahmen wiegt nur 38 Kilogramm, und die Alu-Karosserie<br />
bringt 25 Kilogramm auf die Waage. Später wurden<br />
beim 804 bereits erste Kunststoff-Karosserieteile<br />
verwendet. Die Gänge sind recht kurz übersetzt. Erster,<br />
zweiter – dann die nächste Überraschung: Das Sechsgang-Getriebe<br />
hat keine Schaltkulisse. „Sei vorsichtig<br />
beim Schalten“, hat Bischof gewarnt. Später erfahre ich,<br />
dass schon Dan Gurney nach dem ersten Rennen nach<br />
einer Schaltkulisse verlangt hatte. Bei Gang drei sollte<br />
man sich etwas Zeit lassen, sicher sein, dass man in der<br />
mittleren Gasse ist. Alles andere hätte Folgen: Trifft<br />
man Gang fünf, dann fällt der Vortrieb in sich zusammen.<br />
Gang eins hätte noch schlimmere Folgen, würde<br />
den Motor killen. Aber nach etwas Üben gelingen die<br />
Schaltwechsel sauber. Dafür droht eine weitere Überraschung.<br />
Die erste Bremskurve geht im ersten Gang. Der<br />
Formel 1 hat als erster <strong>Porsche</strong> Scheibenbremsen. Präzise<br />
formuliert: innen umgreifende Scheibenbremsen.<br />
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Also eine Kombination aus Trommel- und Scheibenbremse.<br />
Eine interessante technische Lösung. Leider<br />
mit leichten Unzulänglichkeiten. Beim ersten Tritt auf<br />
die Bremse erschrickt der Pilot: Das Pedal fällt fast bis<br />
aufs Bodenblech durch. Im Fachjargon nennt man das<br />
ein langes Pedal. Glücklicher weise habe ich mich der<br />
ersten ernsthaften Biegung mit Respekt genähert.<br />
Also blitzschnell am Pedal gepumpt. Dann ist die Verzögerung<br />
da. Testfahrer Herbert Linge erinnert sich:<br />
„Die Bremswirkung war toll – du musstest der Bremse<br />
vor der Kurve aber erst einmal Bescheid geben.“ Der<br />
Grund: Die Radbewegungen vibrieren die Bremsbeläge<br />
von der Scheibe. Das sollte man wissen, schließlich gehören<br />
solche Feinheiten heute nicht mehr zum automobilen<br />
Alltag. Mit diesen kleinen Unpässlichkeiten<br />
mussten die Piloten damals leben, doch man gewöhnt<br />
sich schnell daran – auch auf einem eher bremsenmordenden<br />
Kurs wie dem Red Bull Ring mit seinen kurzen<br />
Geraden und engen Biegungen, die wie die Rindt-<br />
Rechtskurve auch noch bergab gehen.<br />
Trotzdem droht bei der Fahrt im 804 schnell Suchtgefahr.<br />
Man liegt beinahe im Cockpit, mit dem Hintern<br />
radiert der Pilot fast über den Asphalt. Im Blick hat er die<br />
frei stehenden Räder, über die man Kurven und Curbs<br />
präzise anvisieren kann. Der <strong>Porsche</strong>-Einsitzer verhält<br />
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