journal Psychotherapeuten - Psychotherapeutenkammer NRW
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Baden-Württemberg<br />
tigsten Forschungsergebnisse zum Thema<br />
Abstinenzverletzungen vor. Ein bedeutsamer<br />
Befund liegt in der Rate betroffener<br />
Patienten, die Becker-Fischer zwischen 10<br />
und 20% angab, nicht eingerechnet eine<br />
mehr oder weniger hohe Dunkelziffer. Private,<br />
v. a. sexuelle Beziehungen zwischen<br />
Therapeut und Patient hätten dabei eine<br />
besonders negative Wirkung auf den Patienten.<br />
So habe sich laut einer Studie der<br />
psychische Gesamtzustand nach einer<br />
sexuellen Abstinenzverletzung im Vergleich<br />
zu Therapiebeginn bei ca. 70% verschlechtert.<br />
Besonders Aufsehen erregend<br />
war das Ergebnis einer Studie, wonach bei<br />
betroffenen Patienten ein ähnlich hoher<br />
psychotraumatischer Belastungsgrad wie<br />
bei Folteropfern gemessen wurde (Vergleich<br />
der Selbsteinschätzung der Patienten<br />
mit der von Folteropfern).<br />
mit dem Patienten dazu zähle. Seitens der<br />
LPK wurde hierbei betont, dass man sich<br />
bisher zu sehr am juristischen Begriff der<br />
sexuellen Handlung orientiere.<br />
Dietrich Munz ging im zweiten Vortrag auf<br />
die Abstinenz als ethische Grundhaltung<br />
in der Psychotherapie ein. So bedürfe die<br />
psychotherapeutische Behandlung eines<br />
Kodex, der Glaubwürdigkeit, Schutz und<br />
Verlässlichkeit für den Rahmen der Behandlung<br />
biete. Die Auseinandersetzung<br />
mit der Ethik sollte jedoch nicht zu schnell<br />
durch eine Moral mit Verboten und Geboten<br />
ersetzt werden, sondern es müsse ein<br />
Diskurs über die Ethik aufgegriffen werden,<br />
um hieraus gegebenenfalls spezifische, für<br />
die psychotherapeutische Situation erforderliche<br />
Handlungskodizes zu entwickeln und<br />
eine vertiefte Auseinandersetzung mit den<br />
in Psychotherapien entstehenden ethischen<br />
und moralischen Konflikten zu ermöglichen.<br />
griff, in dem der Therapeut versucht, eigene<br />
Bedürfnisse nach Anerkennung,<br />
Beachtung und Bewunderung zu erhalten<br />
oder die Ausnutzung der Schuldgefühle<br />
von Patienten sein. Abstinenz sei einerseits<br />
eine moralische Forderung an den<br />
<strong>Psychotherapeuten</strong>, andererseits führten<br />
jedoch die offene Auseinandersetzung<br />
mit den Grenzen der Psychotherapie und<br />
den eigenen Behandlungen zu einer Verinnerlichung<br />
und somit zu ethischer Verantwortung.<br />
Dies gelte vor allem auch für die<br />
psychotherapeutische Ausbildung, in der<br />
die Auseinandersetzung mit der ethischen<br />
Verantwortung des <strong>Psychotherapeuten</strong> sowohl<br />
unter philosophischen als auch unter<br />
handlungspraktischen Gesichtspunkten<br />
ausreichend Zeit haben sollte.<br />
Baden-<br />
Württemberg<br />
Blick ins Plenum<br />
Im Anschluss an den Vortrag von Frau<br />
Becker-Fischer gab es eine Vielzahl von<br />
Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum,<br />
so zum Beispiel, ob es sich bei<br />
einer Abstinenzverletzung erst um ein<br />
Delikt handelt, wenn sie zur Anzeige gebracht<br />
wird. Hier wurde klargestellt, dass<br />
es sich nach der Berufsordnung (BO) der<br />
Kammer(n) immer um einen Verstoß handelt,<br />
egal, ob die Abstinenzverletzung angezeigt<br />
wird oder nicht. Die BO der LPK<br />
Baden-Württemberg erlaubt unter dem<br />
Vorbehalt, dass keine Behandlungsbedürftigkeit<br />
oder Abhängigkeit beim Patienten<br />
mehr besteht, einen intimeren Kontakt<br />
zwischen Therapeut und Patient, wenn<br />
das Therapieende mehr als ein Jahr zurückliegt.<br />
Kritisch angemerkt hierzu wurde<br />
aus dem Publikum, dass diese Zeitspanne<br />
zu eng gesetzt sei und z. B. mindestens<br />
auf drei Jahre ausgedehnt werden sollte.<br />
Es kam auch die Frage nach der Definition<br />
des Begriffes Abstinenzverletzung auf, z. B.<br />
ob schon ein gemeinsames Abendessen<br />
Sexuelle Grenzüberschreitungen von<br />
<strong>Psychotherapeuten</strong> können, wie Munz<br />
ausführte, verheerende Folgen für die Beziehungs-<br />
und Vertrauensfähigkeit der betroffenen<br />
Patienten haben. Folgen könnten<br />
darüber hinaus auch in einer jahrelangen<br />
Arbeitsunfähigkeit, in einer Hörigkeit bis<br />
hin zu psychotischer Dekompensation<br />
und Suizid liegen – selbst wenn es nur zu<br />
kurzzeitigen sexuellen Beziehungen von<br />
wenigen Tagen komme. Dabei könnten<br />
sich die Täter solcher Verletzungen nicht<br />
auf Fälle ohne schädliche Konsequenzen<br />
für die Patienten berufen. Nicht nur die<br />
tatsächlich eintretenden, sondern das bewusste<br />
in Kauf nehmen solcher bekannter<br />
Folgen zu Gunsten persönlicher Bedürfnisbefriedigung<br />
bestimmten solches Handeln<br />
als zutiefst unethisch.<br />
Dr. Dietrich Munz<br />
Arten von Grenzverletzungen können<br />
auch z. B. therapeutischer Voyeurismus,<br />
Komplizenschaft, ein narzisstischer Über-<br />
Kristiane Göpel<br />
Anschließend stellte Kristiane Göpel, Mitglied<br />
im Vorstand der LPK Baden-Württemberg,<br />
eine Reihe von Beschwerdefällen<br />
vor, welche die häufigsten Arten von<br />
Grenzverletzungen abdeckten.<br />
Als letzter Programmpunkt der Tagung<br />
fand eine Podiumsdiskussion unter Moderation<br />
von Bruno Waldvogel, den Kammeranwälten<br />
Manfred Seeburger und Michael<br />
Mächtel, der Justiziarin der LPK, Rechtanwältin<br />
Dagmar Löffler und den drei Referenten<br />
statt, in der vor allem das Publikum<br />
die Möglichkeit hatte, seine Fragen an das<br />
Podium zu richten.<br />
Ein thematischer Schwerpunkt lag dabei<br />
auf der bzgl. Strafen für Abstinenzverletzungen<br />
oftmals großen Diskrepanz zwischen<br />
einem harten Strafrecht und einem<br />
von vielen als zu milde eingeschätzten<br />
Berufsrecht. Diskutiert wurde dabei u. a.<br />
die Forderung, zusätzlich zur Strafe im<br />
Strafverfahren im Rahmen des Berufsrechts<br />
weitere Maßnahmen zur Wahrung<br />
des Ansehens des Berufsstandes und zur<br />
<strong>Psychotherapeuten</strong><strong>journal</strong> 3/2010<br />
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