Global Compact Deutschland 2012
Themen Themen dieser Ausgabe sind u.a.: Nachhaltiges Personalmanagement, Rio+20 Bilanz, Green Business und die Welt im Jahr 2052 sowie Neues aus dem UN Global Compact. Jahrbuch des deutschen Netzwerkes mit Beiträgen u.a. von Ban Ki-moon (Vorwort), Georg Suso Sutter, Georg Kell, Christina Raab und Jorgen Randers sowie 31 deutschen Global Compact- Mitgliedsunternehmen. 136 Seiten, durchgehend farbig, broschiert, FSC-zertifizierter und klimaneutraler Druck, limitierte Auflage. Münster 2013: macondo publishing GmbH ISBN-13: 978-3-9813540-4-1
Themen Themen dieser Ausgabe sind u.a.: Nachhaltiges Personalmanagement, Rio+20 Bilanz, Green Business und die Welt im Jahr 2052 sowie Neues aus dem UN Global Compact.
Jahrbuch des deutschen Netzwerkes mit Beiträgen u.a. von Ban Ki-moon (Vorwort), Georg Suso Sutter, Georg Kell, Christina Raab und Jorgen Randers sowie 31 deutschen Global Compact- Mitgliedsunternehmen. 136 Seiten, durchgehend farbig, broschiert, FSC-zertifizierter und klimaneutraler Druck, limitierte Auflage.
Münster 2013: macondo publishing GmbH
ISBN-13: 978-3-9813540-4-1
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global
Deutschland
compact
2012
Herausgegeben mit freundlicher Unterstüzung durch:
SERVICE MIT SYSTEM
Grußnote
I greatly appreciate the time and energy that all of you have
committed to the Global Compact. UN-business collaboration
is essential for achieving a better future.
We are on a good track already.
Through the Global Compact, some 7,000 companies in 135 countries
are working to change their operations to align with universal
principles.
Platforms and working groups on sustainable energy, climate, water,
women’s empowerment and anti-corruption are thriving.
Ban Ki-moon, UN-Generalsekretär
We have Local Networks on the ground in 101 countries. I have
visited at least a dozen of these and been very inspired by the level
of enthusiasm and action. In April, I launched the network in
Myanmar and felt the true potential of the Compact to contribute
to the historic transition under way in that country.
These are all promising signs.
But as we know, much more needs to be done to increase both the
scale and quality of corporate sustainability practices.
Not enough companies are taking the agenda seriously. We have set
a goal of reaching 20,000 companies by 2020 as part of our efforts
to reach critical mass.
For those companies that are in the Global Compact, we must find
a way to keep them engaged and improving their work. Just onequarter
of our participants consider their work advanced.
It is also unfortunate that we are forced to remove so many companies
each year – especially small companies – that are not meeting the
requirements of the initiative. These are companies that have found
their way to the Global Compact, yet somehow do not keep pace.
We must work harder to keep them on the path of sustainability.
These two goals – growth and quality –
are keys to Global Compact’s future.
Auszug aus der Rede von UN Generalsekretär Ban Ki-moon anlässlich des Global Compact
Board Meetings, Rio de Janeiro, 21 Juni 2012
Inhalt
3
Grußnote
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon
8
14
18
22
Nachhaltiges Personalmanagement
CSR ohne HR ist PR – Der Mensch macht den
Unterschied
Dr. Georg Suso Sutterr
CSR-Tools im Personalbereich
Sonja Scheferling
Diversity Management –
DGCN-Schwerpunktthema 2012
Infografik: Demographischer Wandel in Deutschland
6
Nachhaltiges Personalmanagement
26
30
33
34
37
Global Compact Inside
Der Global Compact wird zur transformativen Initiative
Georg Kell im Gespräch
Fünf Dinge, die wir von Rio+20 lernen können
Tom Biggs
Info: Publikationen
Das Deutsche Global Compact Netzwerk 2012
Dr. Jürgen Janssen
CoP-Tool des Deutschen Global Compact Netzwerkes
Dennis Lohmann
24
Global Compact Inside
40
44
46
48
50
53
Green Business
Green Business im Kontext sich ändernder Lebensstile
Dr. Christina Raab, Isabell Ullrich, Sarah Beckers
Innovationsförderung durch „Green Business“
Dennis Lohmann
Green Economy – Ein neues Wirtschaftswunder?
Prof. Dr. Annette Schavan im Gespräch
Zukünftige Infrastrukturen der Energieversorgung
Prof. Dr. Ortwin Renn, Prof. Dr. Armin Grunwald , Dr. Wolfgang Weimer-Jehle
Green Business Assessment
André Månsson, Philip Thormark
Info: Publikationen
38
Green Business
Die Welt in 2052
130
Stichwort „Die Grenzen des Wachstums“
126
Die Welt im Jahr 2052 –
Neues Szenario des „Club of Rome“
132
Zusammenstellung: Dr. Elmer Lenzen
WBCSD-Vision 2050
Prof. Dr. Jørgen Randers im Gespräch
Dr. Elmer Lenzen
54
58
60
62
64
66
68
70
72
74
76
80
82
84
86
88
Best Practice
Übersicht
Kärcher
Verantwortung übernehmen hat bei Kärcher Tradition
PwC
Unternehmen nutzen Corporate-Citizenship-Potenziale
kaum
ABB
Duales Bildungssystem auf der Überholspur
Bayer
Innovative Lösungen für ein langes und aktives
Erwerbsleben
Bosch
Diversity bei Bosch – ein bedeutender Erfolgsfaktor
GIZ
Innovative Lösungen für nachhaltige Lieferketten
Heraeus
Frühzeitig andere Kulturen und das Unternehmen
kennenlernen
HypoVereinsbank
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“
Miele
Mitarbeiter fördern, Potenziale entdecken
Weidmüller
Alt und Jung verbinden: Die beste Team-Lösung
Audi
Audi future energies – Ökonomie und Ökologie
im Einklang
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte
Ressourceneffizienz als Gemeinschaftsprojekt
Deutsche Post DHL
GoGreen: Das Umweltschutz-Programm von
Deutsche Post DHL
Evonik
Der Baum der Berber
HSE
Der HSE-Konzern als Energie-, Infrastruktur und
Klimadienstleister
90
92
94
96
98
102
104
106
108
110
112
114
116
118
120
122
LAROSÉ
Ressourcenschonung durch Energierückgewinnung
Merck
Treibhausgase reduzieren – Merck aktiv dabei
RWE
Viel Wind auf hoher See
Deutsche Telekom
Zukunft im Praxistest:
Umweltfreundliche Technologien
in der T-City
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken
Verantwortliches Energiemanagement
als Langfriststrategie
BASF
Nachhaltigkeit messbar machen
BMW Group
Nachhaltiges Wirtschaften
als ganzheitlicher Ansatz
CEWE
Klare Haltung: Compliance bei CEWE
Coca-Cola Deutschland
Nachhaltigkeit mit Lebensfreude verbinden
Daimler
Integrität im Dialog: Gemeinsam für eine
integre Unter nehmenskultur
Ernst & Young
Energieeffizienz: Wesentlicher Faktor für
Wettbewerbsfähigkeit
Krones
Nachhaltigkeit im Getränkemaschinenbau
MAN
MAN verbessert CR-Performance signifikant
Mediengruppe macondo
Guidance und Guidelines für nachhaltiges Gründen
Volkswagen
Für mehr Sicherheit im Straßenverkehr –
überall auf der Welt
Lavaris Technologies
Neue Wege in der Wasseraufbereitung
und -analyse
Agenda
6 globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
Nachhaltiges
Personal
management
Eine konsequente Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung bedeutet nicht nur Veränderungen bei Produkten und
Geschäftsmodellen, sondern auch einen bewußten Umgang mit der „Ressource“ Mensch. Unser Schwerpunkthema
„Nachhaltiges Personalmanagement“ zeigt anschaulich die vielen Facetten des Themas, gibt praxisnah Tipps, welche
Maßnahmen Unternehmen einsetzen können, und beleuchtet insbesondere die Aspekte Diversity Management und
Demografischer Wandel.
globalcompact Deutschland 2012
7
Agenda
CSR
ohne HR
ist PR
Der Mensch macht den Unterschied
Die strategische Bedeutung von
Human Resources Management (HR) für
Corporate Social Responsibility (CSR) –
eine wertschöpfende Partnerschaft
Von Dr. Georg Suso Sutter
„Unternehmen, die „Corporate Social Responsibility“ in ihre
Unternehmensstrategie aufgenommen haben und den daran
geknüpften Anspruch glaubhaft leben, sind attraktiver
für hochqualifizierte Mitarbeiter und wettbewerbsfähiger
am Markt.“ Angesichts solcher Befunde ist es nicht weiter
erstaunlich, dass sich zunehmend mehr Unternehmen weit
über gesetzliche Pflichten hinaus für Arbeitsbedingungen,
Gesellschaft und Umwelt einsetzen.
Das Zauberwort heißt CSR – ein nachhaltiges Handlungskonzept
auf freiwilliger Basis, welches im Einklang mit den Unternehmenswerten
gesellschaftliche und ökologische Aspekte
in die Unternehmensstrategie und in das tägliche unternehmerische
Handeln integriert und dabei auf den nachhaltigen
Unternehmenserfolg abzielt.
Ein solches Bekenntnis zu CSR erfordert die aktive Verantwortungsübernahme
für den Kontext der unternehmerischen Tätigkeit
– nach innen und außen – will ein Unternehmen nicht
das wertvollste Gut, nämlich die Glaubwürdigkeit, verlieren
und CSR zu einem reinen Public-Relation-Aktionismus verkommen
lassen. Es sind letztlich das interne Führungsverständnis,
die internen Kommunikationsprinzipien, das Fähigkeits- und
Wissenspotenzial, die Kernwerte des Unternehmens, die Unternehmenskultur,
die die mit CSR einhergehenden Prinzipien
der Nachhaltigkeit, der Verantwortung, der Berechenbarkeit
und der Transparenz sicherstellen.
Damit rückt zwangsläufig der Mensch in den Mittelpunkt der
Betrachtungen. Denn wer sonst soll diese Prinzipien im unternehmerischen
Kontext gestalten? Kein anderer Stakeholder
in- und außerhalb eines Unternehmen würde von den Aktivitäten
des Unternehmens optimal profitieren, würden sich
nicht die Mitarbeiter mit einer hohen inneren Verpflichtung
für die Ziele des Unternehmens einsetzen. Die Mitarbeiter
entscheiden darüber, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit
von CSR-Konzepten zu einer glaubwürdigen Synthese wachsen.
Soll CSR also nicht von vornherein zu einer reinen PR-Aktion
verkommen, so ist es naheliegend, dass dem Funktionsbereich
Human Resources eine entscheidende Rolle zukommt. Er
kann dafür sorgen, dass die Mitarbeiter ihr Engagement auf
CSR ausrichten, oder noch deutlicher: HR ist der Schlüsselpartner
im Unternehmen, der dafür sorgt, dass CSR zu einem
Erfolgsfaktor bei der Erreichung der Unternehmensziele wird.
Für diese Schlüsselrolle gibt es gibt ausreichend „gute“ Gründe:
Weltweite Studien zeigen, dass Unternehmen, die sich
für das Gemeinwesen engagieren und CSR ernsthaft in ihren
Business-Alltag integrieren, Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterzufriedenheit
signifikant erhöhen. Darüber hinaus gelingt es
ihnen besser, engagierte und loyale Mitarbeiter zu rekrutieren.
Solche Befragungsergebnisse können eigentlich nicht weiter
überraschen. Denn letztlich treffen die mit CSR verbundenen
Themen der Nachhaltigkeit in sozialer und ökologischer Hinsicht
auf Kernpunkte im Wertegerüst von immer mehr gerade
jungen Menschen. Die heranwachsende Generation sucht
nach Unternehmen, die es ermöglichen, Sinn zu erfahren;
junge Menschen bevorzugen es, für denjenigen zu arbeiten,
der einen Unterschied macht – und nur eine werteorientierte
Unternehmensführung, getragen von einer CSR-Strategie,
8
globalcompact Deutschland 2012
garantiert diesen Unterschied. Entsprechend bewältigen Mitarbeiter
dann besonders engagiert ihre Aufgaben, wenn sie
sich mit den Werten ihrer Führungskräfte und des Unternehmens
identifizieren können. Von daher ist es naheliegend,
dass die ernsthafte Beschäftigung mit CSR einen erheblichen
positiven Einfluss auf die Kosten der Rekrutierung und der
Mitarbeiterbindung hat. Die HR-Verantwortlichen haben also
den Schlüssel in der Hand, wenn es um die Entwicklung hin
zu einem sozial und ökologisch verantwortlichen Unternehmen
geht, wenn es darum geht, die Menschen für die damit
verbundenen Anliegen zu gewinnen.
Je besser HR-Professionals ihre Hebelwirkung bzgl. CSR verstehen,
desto mehr eröffnet CSR den HR-Verantwortlichen
auch die Chance, den eigenen strategischen Anspruch zu
konkretisieren und sich in der Rolle als Businesspartner zu
bewähren. Sie müssen sich allerdings öffentlich zu dieser
strategischen Rolle bekennen. In dem Maße, in dem CSR zum
handlungsleitenden Konzept im Unternehmen werden soll,
muss sich HR als verantwortliche Instanz für die Veränderung
und Weiterentwicklung der Menschen, der Organisationen,
der Kultur eines Unternehmens behaupten. Es geht also um
viel, wenn CSR auf HR trifft – es geht um die Glaubwürdigkeit
von CSR und um die der der HR-Verantwortlichen selbst.
Nachhaltiges HR-Management –
Monitoring Shared Value
Die Herausforderung besteht für das HR-Management darin,
sich letztlich selbst an den Kriterien von CSR messen lassen
zu müssen. Denn nur ein nachhaltiges Human Ressource-
Management kann einen glaubwürdigen Beitrag im Hinblick
auf die Implementierung von CSR im Unternehmen und letztlich
zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung leisten.
In der Vergangenheit sah sich die Personalarbeit immer wieder
der Kritik ausgesetzt, als reine Administrationsfunktion nur
Kostenfaktor ohne direkten Bezug zur Wertschöpfung des
Unternehmens zu sein. Selbst dort, wo Personalentwicklungsaktivitäten
das Profil einer HR-Funktion bestimmten, standen
ihre Vertreter unter massivem Rechtfertigungsdruck. Nun hat
sich in dieser Hinsicht in vielen Unternehmen schon Gewaltiges
getan. Mit dem Schritt hin zu einer aus der Unternehmensstrategie
abgeleiteten HR-Arbeit konnte aufgezeigt werden, welch
enormer Hebel in einem zukunftsgerichteten HR-Management
modernen Zuschnitts für die Wertschöpfungsprozesse liegt.
Allerdings muss auch ganz nüchtern festgestellt werden, dass
in vielen HR-Funktionen damit eine Entwicklung weg vom
Menschen hin zu „Instrumenten“ einherging. Zum einen
haben sich viele dieser Ansätze wie Potenzialanalyse, Stellenbewertungs-
und Beurteilungssysteme etc. als geeigneter Weg
zur Stützung der eigenen Legitimation erwiesen. Zum anderen
sind solche Instrumente von Führungskräften nur zu gerne
angenommen worden, suggerieren sie doch, dass Führung
„machbar“ sei und man „etwas“ so schwer Kontrollierbares wie
den Menschen im Griff haben könne. Was damit aber geschieht,
ist quasi eine Ent-Fokussierung des Mitarbeiters als Mensch in
seinem persönlichen Erleben der Unternehmenswirklichkeit.
Und das widerspricht dem CSR-Gedanken fundamental.
Nachhaltiges HR-Management im Zeichen von CSR hat dann
auch Konsequenzen für die erforderliche Qualifikation >>
globalcompact Deutschland 2012
9
Agenda
der HR-Verantwortlichen selbst. Es braucht innerhalb der
HR-Community Professionals mit einem unternehmerischen
Anspruch, reife Persönlichkeiten, die ihren Anspruch klar
formulieren und sich deutlich positionieren, wenn unternehmensinterne
Entwicklungen in die falsche Richtung laufen.
Gerade wenn Krisenbewältigung auf der Tagesordnung steht
und diese Krisen dem bisher scheinbar Bewährten keinen
Marktplatz mehr bieten, geht es letztlich um die eigenen
Werte, um die eigene Haltung und Verantwortung gegenüber
den Menschen, die der Führung bedürfen. Das Dilemma ist
nur, dass diese „Haltung“ dann in der Krise nicht so einfach
abruf bar ist.
Bei all dem bleibt zu bedenken: Die Bemühungen zur Unterstützung
der Integration von CSR in die Geschäftsprozesse werden
nur dann erfolgreich sein, wenn sie von einem starken Commitment
der Geschäftsleitung und des obersten Managements
getragen werden. HR kann nicht ohne diesen Schulterschluss
handeln. Es muss der politische Wille vorhanden sein, CSR
über alle Funktionsbereiche hinweg als strategisches Konzept
zu implementieren.
Schlüsselthemen für ein gelingendes Zusammenwirken
von HR und CSR
Inhaltlich berührt CSR fast alle Bereiche der Personalarbeit.
Die im Folgenden ausgewählten Handlungsfelder des HR-
Managements sind Schlüsselthemen mit einem enormen
Gestaltungspotenzial für ein fruchtbares Zusammenwirken
von CSR und HR:
• Weiterentwickeln der Unternehmenskultur –
die HR-Schlüsselinitiative
Eine der wichtigsten Initiativen des HR-Managements in
Bezug auf die Verankerung des CSR-Konzepts in der Unternehmenskultur
ist das Herausarbeiten der Kernwerte des
Unternehmens sowie der darauf auf bauenden Vision und
Mission des Unternehmens. Es geht darum sicherzustellen,
dass diese mit den im CSR-Konzept verankerten Werten,
mit den ethischen Grundprinzipien des Unternehmens
vereinbar sind und dass sich die Mitglieder der Organisation
aktiv damit auseinandersetzen.
• Gewinnen von Mitarbeitern – CSR als großartiges
Rekrutierungs-Tool
Der Wert nachhaltiger Unternehmensführung, eine klare
Wertorientierung verbunden mit einem schlüssigen CSR-
Konzept für die Gewinnung von Mitarbeitern kann nicht
hoch genug eingeschätzt werden. Gerade in Zeiten, in denen
sich der Arbeitsmarkt für qualifizierte Mitarbeiter dreht
(Fachkräftemangel), erweist eine auf Nachhaltigkeit angelegte
Unternehmenskultur eine besondere Anziehungskraft auf
potenzielle Mitarbeiter. Das CSR-Wertegefüge sollte dann
konsequenterweise auch als Maßstab für die Auswahl neuer
Mitarbeiter herangezogen werden.
• Binden von Mitarbeitern – gelebte Employability
Mitarbeiterbindung in enger Anlehnung an die CSR-Strategie
des Unternehmens heißt zunächst, für verantwortete Arbeitsbedingungen
zu sorgen: Sicherstellen der Wahrung
der Rechte der Arbeitnehmer, für eine transparente und
faire Entlohnung sorgen, Rahmenbedingungen für die
Entfaltung der Potenziale und für eine gesunde Leistungsfähigkeit
schaffen usw.
Darüber hinaus geht es darum, die gängigen Instrumente
der Potenzialsteuerung, der Gehaltsfindung, der Arbeitszeitund
Familienpolitik danach zu hinterfragen, inwieweit diese
wirklich von der Gleichrangigkeit der Interessen ausgehen
und inwieweit sie den Menschen im Blick behalten. Gerade
10
globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
Die ernsthafte Beschäftigung mit CSR
hat einen erheblichen positiven Einfluss
auf die Kosten der Rekrutierung und der
Mitarbeiterbindung.
beim Thema „berufliche Entwicklung“ ist ein Umdenken
angemahnt. Will man hier die Mitarbeiter in ihren Interessen
ernst nehmen, dann sollten Karriere und berufliche Förderung
in einem partnerschaftlichen Zusammenwirken zwischen
Beschäftigten und ihren Führungskräften besprochen werden.
Schließlich sind es die Führungskräfte selbst, die das „Wohlbefinden“
der Mitarbeiter und damit deren Engagement und
Bindung an das Unternehmen maßgeblich beeinflussen.
Ihre klare, wertorientierte Haltung, das heißt eine u.a. auf
Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen aufbauende
Beziehungsgestaltung, ist hierfür die Basis.
• Work Life Balance und Burn out / Bore out fokussieren
– eine Schlüsselinvestition
Work Life Balance und Burn out / Bore out-Prophylaxe sind
bei weitem noch nicht so in die betrieblichen Abläufe und
in die Arbeitsbeziehungen integriert, wie es angesichts der
zunehmenden Anforderungen, die an Mitarbeiter gestellt
werden, notwendig wäre.
Es liegt im ureigensten Interesse des Unternehmens, dass
seine Führungskräfte ihren Umgang mit den Mitarbeitern
selbstkritisch reflektieren. Da dies in vielen Unternehmen
nicht selbstverständlich ist, hat HR die Aufgabe, auf einen
sozial verantwortlichen Umgang mit den Mitarbeitern hinzuwirken.
Das beginnt bei der Art und Weise, wie im Alltag
miteinander gesprochen wird, bezieht sich im Weiteren auf
angemessene Rahmenbedingungen, unter denen die Arbeit
zu leisten ist, bindet den Mitarbeiter in der Vielfalt seiner
beruflichen und privaten Rollen in die Überlegungen mit
ein und beachtet dann vor allem, dass weder Unterforderung
noch Überforderung und schon gar nicht Mobbing
zum Alltag gehören.
Es ist die ureigenste Aufgabe, ja Verpflichtung für HR-
Verantwortliche, diese Themen zum Kern ihrer Monitoring-
und Unterstützungsfunktion zu machen. HR muss
sich das Recht erstreiten, immer dann intervenieren zu
dürfen, wenn auch nur die leisesten Anzeichen für Fehlentwicklungen
offensichtlich werden. Ansonsten werden
auf Hochglanzbroschüren präsentierte CSR-Konzepte sehr
schnell kontraproduktiv und die Glaubwürdigkeit des gesamten
CSR-Konzepts steht auf dem Spiel. An der Qualität
der Führungskräfte-Mitarbeiterbeziehung erweist es sich
letztlich, inwieweit HR seiner CSR-Rolle gerecht wird.
• Diversity managen – das Potenzial der Vielfalt nutzen
Die Implementierung einer CSR-Strategie ohne gelebtes
Diversity-Management bliebe unglaubwürdig. Allerdings
muss das Verständnis über die gängigen Dimensionen
der Arbeitsplatz-Diversity-Diskussion hinausgehen. Diskriminierungen
welcher Art auch immer müssen von HR
selbstverständlich mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt
werden. Die Herausforderungen unter CSR-Gesichtspunkten
liegen darüber hinaus darin, die Unterschiedlichkeit der
Menschen und damit die Vielfalt an Ideen, Erfahrungen
und Blickwinkeln auf die Arbeit zu nutzen. Unternehmen
werden sich auch in dieser Fähigkeit unterscheiden und
ggf. dem Risiko unterliegen, wertvolle Mitarbeiter an den
Wettbewerb zu verlieren.
• Glaubwürdig kommunizieren – die Macht der
Transparenz
Transparenz ist eines der Kernmerkmale von CSR, und
gleichzeitig ist CSR selbst eines der sensibelsten Themen
in der öffentlichen Wahrnehmung. Der Unterschied zu
früher ist der, dass Transparenz inzwischen aktiv von allen
Stakeholdern eingefordert wird. Unternehmen sind kaum
noch in der Lage, die Informationshoheit für sich zu beanspruchen.
Von daher sollte ein Unternehmen heutzutage
ein großes Interesse daran haben, dass ein großer Teil der
Belegschaft sich in Bezug auf Kommunikation engagiert.
Diese Bemühungen verpuffen, wenn es an einer glaubwürdigen
Kommunikation durch das oberste Management
fehlt oder wenn Diskrepanzen zwischen „Sonntagsreden“
und dem konkreten Handeln im Alltag offensichtlich werden.
Nach Außen leidet darunter in erheblichem Maße
die Reputation des Unternehmens. Durch die gewaltige
Macht der neuen sozialen Netzwerke können die Folgen
dramatisch sein. Genauso problematisch ist es, wenn sich
die Mitarbeiter (zumindest innerlich) abwenden und sich
ihre Unzufriedenheit letztlich in der Arbeitsleistung und
Qualität widerspiegelt.
Selbstverständlich ließe sich die Aufzählung dieser CSR-
Schlüsselthemen noch erweitern. Zu denken ist z. B. gerade im
Kontext von CSR an einen gelebten Umweltschutz. Letztlich
wird jeder Human Resources-Manager mit dem Anspruch,
nachhaltiges Human Resources-Management zu leben, in
enger Abstimmung mit der Unternehmensleitung sorgfältig
prüfen müssen, welche Schlüsselthemen er als strategisch
relevant vorantreiben will. >>
globalcompact Deutschland 2012
11
Agenda
Bausteine einer HR-CSR-Roadmap
Es ist zu empfehlen, das HR-CSR-Konzept schrittweise
über ein Phasenkonzept anzugehen. Eine
Roadmap ist hilfreich, weil damit die Unternehmensleitung
Klarheit und „Sicherheit“ in Bezug auf
den von HR eingeschlagenen Kurs gewinnt. Genauso
wichtig ist es, dass damit für die Mitarbeiter des
Unternehmens ein höchstmögliches Maß an Transparenz
geschaffen wird. Schließlich wird durch eine
solche Roadmap HR in ihrer Leistungsfähigkeit für
alle Stakeholder greif barer.
Im Folgenden werden
beispielhaft mögliche
Bausteine einer solchen
HR-CSR-Roadmap vorgestellt.
Diese Liste ist
entsprechend der Erfordernisse
des jeweiligen
Unternehmens anzupassen
und zu ergänzen.
Baustein 10
Angemessene
„Compensation
and Benefits”
Baustein 13
Verfassen der
HR-CSR-Politik
Baustein 11
Freiwilliges
gesellschaftliches
Engagement
Baustein 15
„Messen” der
Wirksamkeit
im Dialog
Baustein 14
Kommunikation
gegenüber den
Mitarbeitern
Baustein 12
Mitarbeiter als
CSR-Botschafter
Baustein 6
Nachhaltiges Talent-,
Kompetenz- und
Performance-
Management
Baustein 7
Förderung von
Wohlbefinden und
Work Life Balance
Baustein 8
Gesundheitsschutz
mit Weitblick
Baustein 9
Bereitstellen von
„Lernräumen“
Baustein 1
Systematische
Analyse der
Stakeholder
Baustein 2
Weiterentwicklung
der Unternehmenskultur
Baustein 3
Erstellen eines
„Employee Codes
of Conduct”
Baustein 4
Employer-Branding
und Recruiting neu
ausrichten
Baustein 5
Förderung von
Diversity im
HR-Bereich
Nachhaltiges Human Resources-Management –
eine Investition in den Kern von CSR
Angesichts permanenter Veränderungsnotwendigkeit und
unvermeidbarer Krisen im Wirtschaftsgeschehen entscheidet
sich die Frage nach der Bewältigungs- und Gestaltungskraft,
letztlich nach der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in
einem erheblichen Maß daran, dass Unternehmen begreifen,
Prinzipien der nachhaltigen Unternehmensführung fest in
ihrer Unternehmensführung verankern zu müssen. HR kann
aufgrund seiner Querschnittfunktion und seiner Fokussierung
auf den Menschen dabei eine Schlüsselrolle übernehmen.
Voraussetzung dafür ist wiederum, dass HR sich als Partner
auf Augenhöhe positioniert und sich zu dieser Aufgabe
bekennt. Dieses Bekenntnis umfasst die innere und äußere
Verpflichtung auf Leitprinzipien einer nachhaltigen HR-
Politik, die als machtvolle Stellhebel im Unternehmensalltag
wirken werden:
• Stellhebel 1: in wertschöpfender Partnerschaft mit den Führungskräften
und den Mitarbeitern den Wert des Menschlichen
für den betrieblichen Leistungserstellungsprozess ins
rechte Licht rücken.
• Stellhebel 2: werteorientierte Führung als kulturelle Gestaltungsaufgabe
und als Qualitäts-Maßstab einfordern –
12
globalcompact Deutschland 2012
ezogen in erster Linie auf Selbst-Führung, dann auf die
Führung Anderer und schließlich bezogen auf das Zusammenwirken
in der Organisation.
• Stellhebel 3: eine neue Qualität des Zusammenwirkens
und des Dialogs zwischen den Menschen als Leitprinzip
verankern.
• Stellhebel 4: alle Bemühungen auf das eigentlich wertvolle,
auf die Besonderheit des Menschen, auf die Entfaltung des
Potenzials des Einzelnen in einem Leistungserstellungsprozess
fokussieren.
Letztlich soll HR für Rahmenbedingungen sorgen, damit
den Menschen, den Teams und der Organisation die Frage
nach dem „Wofür“ zum Anliegen und damit einer (immer
vorläufigen) Beantwortung zugeführt wird. Ein solchermaßen
vorgenommener Perspektivenwechsel in der Human-
Resources-Arbeit trägt letztlich zur Resilienz, das heißt zu
einer Stärkung der Bewältigungs- und damit Gestaltungskraft
einer Organisation bei.
Es ist also höchste Zeit, dass Unternehmen die Gestaltungskraft
ihrer HR-Funktion voll ausschöpfen. Das Bekenntnis der
Unternehmensleitung zu HR als strategischem Partner sowie
die Professionalität, mit der HR CSR ins Bewusstsein bringt,
wird letztlich auch zum Maßstab für die Ernsthaftigkeit von
CSR selbst. Die Schlüssel nachhaltigen Wirtschaftens sind
Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Diese
Werte zu erreichen ist schwierig, sie zu „verlieren“ leicht.
Nachhaltiges Human Resources-Management zahlt letztlich
auf diesen Kern von CSR ein.
Über den Autor
Dr. Georg Suso Sutter war bis 2010 beim Versandhaus Primondo tätig und dort u. a.
für das Human Resources Management von über 20.000 Menschen verantwortlich.
Als Consultant und Coach (GSS Consulting – Shared Value) unterstützt er heute
Unternehmer, Führungskräfte und ihre Organisationen bei den Aufgabenstellungen
Transformations-Management und Kulturentwicklung, Werteorientierte Führung,
Human Potential Management sowie Selbst- und Lebensführung.
globalcompact Deutschland 2012
13
Agenda
CSR-Tools
im Personalbereich
Mitarbeiter sind für Unternehmen eine wichtige Ressource. Ihre Leistungen tragen wesentlich
zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Ein nachhaltiges Personalmanagement stärkt die Motivation der
Angestellten. Können sie sich im Unternehmen weiterentwickeln? Wie lassen sich Familie und
Beruf vereinbaren? Sind Minderheiten in die Belegschaft integriert? Es gibt bereits eine Vielzahl
von unternehmerischen Maßnahmen, welche die Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen.
Dieser Überblick zeigt unterschiedliche Instrumente und Praxisbeispiele auf.
Von Sonja Scheferling
14 globalcompact Deutschland 2012 2011
Human Resources
Aus- und Fortbildungen
Unternehmen suchen Auszubildende, Jugendliche einen Ausbildungsplatz.
Bevor Schüler heute ihren Abschluss machen,
haben sie die Möglichkeit, durch Schülerpraktika oder „Girls
and Boys Days“ die Arbeitswelt kennenzulernen.
Um später praxiserprobte Hochschulabsolventen einzustellen,
bieten immer mehr Unternehmen in Kooperation mit
Universitäten duale Studiengänge an. Hier lernen Studenten
nicht nur theoretisch im Hörsaal, sondern arbeiten schon im
Betrieb. Aufgrund des Fachkräftemangels gibt es heute auch
Ausbildungen für Menschen, die über 50 Jahre alt sind und
wieder ins Berufsleben einsteigen.
Durch Fortbildungen stellen Unternehmen nicht nur eine hohe
Qualifikation der Angestellten sicher, sondern erhalten ihre
Arbeitsmarktfähigkeit. Die Formen der Fortbildungen sind in
Dauer und Durchführung sehr unterschiedlich. Sie reichen von
internen Seminaren, in welchen die unternehmenseigenen
Experten andere Angestellte fortbilden, bis hin zu Schulungen
durch externe Bildungsträger. Einige Unternehmen führen
sogenannte Corporate Universities, welche Fortbildungen
gemäß der eigenen Strategie anbieten, wobei die Abschlüsse
meistens nicht staatlich anerkannt sind.
CSR-Tools im Bereich Ausbildung:
• Schülerpraktika / Girls- and Boys Days
• Partnerschaften mit Schulen
• Neue Ausbildungsberufe
• Wettbewerbe / Stipendien
• Duale Studiengänge
• Trainees
• Azubis über 50 Jahre
CSR-Tools im Bereich Fortbildung:
• Ex- und interne Seminare
• Berufsbegleitende Studien
• Corporate Universities
• Aufenthalte in anderen Standorten
Best Practice Ausbildung: BSH – „Junior Firma“
Um eigenverantwortliches und selbständiges Arbeiten während der Ausbildung zu stärken, hat die BSH Bosch und Siemens
Hausgeräte GmbH (BSH) mit der „Junior Firma“ ein eigenes Ausbildungskonzept entwickelt. Nach dem Prinzip „learning
by doing“ sollen unternehmerisches Denken und Handeln sowie soziale Kompetenzen gefördert werden. Es handelt sich
dabei um eine „Dienstleistungsfirma in der Firma“. Die Studenten der Berufsakademie und die kaufmännischen Auszubildenden
führen die „Junior Firma“ in eigener Verantwortung. Zu ihren Aufgaben zählen das Veranstaltungsmanagement,
die Unterstützung von kleineren Projekten sowie die Mitarbeit im „Für uns Shop“, einem internen Verkauf von Hausgeräten
an BSH Mitarbeiter. Damit wickeln die Nachwuchskräfte selbständig reale Geschäftsprozesse ab: von der Vermarktung
und Akquise bis zur Leistungsverrechnung und den Quartals- und Jahresabschlüssen. Durch die praktische Arbeit können
die Studenten und Auszubildenden ihre bereits erworbenen Kenntnisse anwenden und festigen. Organisatorisch der
Ausbildungsabteilung der BSH zugeordnet, betreut ein Ausbilder die Nachwuchskräfte der „Junior Firma“. Grundsätzlich
dürfen in der „Junior Firma“ jedoch nur Aufträge angenommen werden, die den Ausbildungs- und Lernzielen der Nachwuchskräfte
entsprechen.
Best Practice Fortbildung: Volkswagen – Qualifizierung gemäß der
Berufsfamilien
Bedarfsgerechte Qualifizierung für Mitarbeiter umfasst alle Fortbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten der unterschiedlichen
Berufsfamilien bei Volkswagen. Zu einer Berufsfamilie zählen alle Angestellten mit verwandten Berufen, Tätigkeiten
oder Fachkompetenzen. Die Fortbildungen orientieren sich an konkreten Arbeitsprozessen innerhalb der einzelnen Berufsfamilien
und richten sich nach den jeweiligen Anforderungen. Dabei vermitteln die eigenen Fachexperten ihr Wissen durch
Vorträge, Patenprogramme oder Praxisberatungen an die Kollegen. Der Ansatz des gemeinsamen Lernens wurde in den
sogenannten Berufsfamilienakademien verfestigt. So hat beispielsweise der Geschäftsbereich Produktion und Logistik die
Produktionsakademie gegründet. Um effiziente Fortbildungen zu ermöglichen, wird hier zunächst der Qualifizierungsbedarf
der Mitarbeiter basierend auf Kompetenzprofilen ermittelt. Für einen Maschinenführer in der Produktion gelten andere
Ansprüche als für einen Angestellten in der Logistik. Daher sind die erstellten Profile sehr unterschiedlich. Im Anschluss
entwickeln die Mitarbeiter der Akademie die Maßnahmen, die zu den unterschiedlichen Kompetenzprofilen passen. Durch
den Aufbau der Berufsfamilienakademien möchte der Konzern seine internationalen Standorte in das Lernkonzept einbinden.
Neben der Produktionsakademie gibt es bis jetzt zehn weitere Einrichtungen wie etwa die Beschaffungsakademie,
die Komponentenakademie oder die Vertriebsakademie.
globalcompact Deutschland 2012
15
Agenda
Diversity Management
Die Vielfalt menschlicher Gesellschaften findet sich zunehmend
in den Belegschaften der Unternehmen wieder. Kennzeichen
dafür sind ein hoher Frauenanteil – auch in Führungsetagen –
und die unterschiedliche ethnisch-kulturelle Herkunft der
Mitarbeiter. Die Einstellung von älteren Mitarbeitern und
von behinderten Menschen über die gesetzlich festgelegte
Quote von fünf Prozent zählen ebenfalls dazu. Das Diversity
Management nutzt die menschliche Vielfalt, um das Unternehmen
weiterzuentwickeln und sorgt für eine Kultur der
Offenheit gegenüber allen Arbeitnehmern. Möchte sich ein
Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt behaupten, muss es
diese sogenannten „weichen“ Standortfaktoren verwirklichen.
Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten wie etwa die
Einführung von Frauenquoten. Auch können betriebliche
Integrationsbeauftragte eingesetzt werden, die Mitarbeiter
mit Migrationshintergrund unterstützen.
Beispiele für Diversity Management:
• Integrationsbeauftrage
• Frauenquote
• Behindertengerechte Arbeitsplätze
Best Practice Diversity Management: Deutsche Telekom – Frauenquote
Die Deutsche Telekom hat im Jahr 2010 als erstes Dax-30-Unternehmen die Frauenquote eingeführt. Bis 2015 soll
der weibliche Anteil an oberen und mittleren Führungspositionen bei 30 Prozent liegen. Diese Regelung gilt global für
alle Landesgesellschaften. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die gesamte Talentkette mit Zielvorgaben versehen. So
müssen an Entwicklungsprogrammen für Führungskräfte mindestens 30 Prozent Frauen teilnehmen. Sind Managementposten
vakant, müssen ebenfalls mindestens 30 Prozent Frauen in die engere Auswahl kommen. Dementsprechend
gab es 2011 bereits 31 weibliche Aufsichtsräte von Beteiligungen der Deutschen Telekom. Ein Jahr zuvor waren es erst
13 gewesen. Mit Marion Schick, Vorstand Personal, und Claudia Nemat, Vorstand Europa und Technik, wurden bis zum Mai
2012 zwei Frauen in die höchsten Positionen des Konzerns erhoben. Um die Vielfalt im Unternehmen fest zu verankern,
führt die Telekom konzernweite Gender Collaboration Trainings durch. Diese sollen die Führungskräfte im Umgang mit
den zunehmend heterogenen Mitarbeiterteams schulen.
Work Life Balance
Das menschliche Leben besteht nicht nur aus arbeiten. Genauso
wichtig sind die Familie und sportliche Aktivitäten für
das Wohlbefinden. Nachhaltiges Personalmanagement sorgt
dafür, dass die Mitarbeiter ihren Beruf mit dem Privatleben
vereinbaren können. So gibt es für Angestellte mit Kindern
flexible Arbeitszeitmodelle und zahlreiche Betreuungsangebote.
Neben den hauseigenen Kinderkrippen sichern Kooperationsvereinbarungen
mit lokalen Kindergärten bei Bedarf die
Aufsicht. Um den Mitarbeitern in Fragen der Betreuung von
pflegebedürftigen Familienangehörigen zu helfen, richten
Unternehmen sogenannte „Pflegebüros“ ein.
Beispiele für Work Life Balance:
• Betreuungsangebote für Kinder (Kitas und
Kindergärten in Unternehmen, Kooperationen
mit umliegenden Kindergärten)
• Ferienfreizeitprogramme für Kinder
• Pflegebüros, die Tipps zur Betreuung von pflegebedürftigen
Angehörigen geben
• Kooperationen mit Pflegediensten
• Flexible Wochen-Arbeitszeitmodelle
• „Sabbatical“
• „Lebensarbeitszeitkonto“
Best Practice Work Life Balance:
Vodafone – Vielseitige Hilfe für
pflegebedürftige Familienmitglieder
Vodafone Deutschland stellt unterschiedliche Angebote
bereit, um seine Mitarbeiter bei der Versorgung von pflegebedürftigen
Angehörigen zu unterstützen. In Zusammenarbeit
mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bieten zwei Standorte
professionelle und vertrauliche Inhouse-Pflegeberatungen
an. Diese helfen bei der Auswahl von ambulanten
Pflegediensten und der Vermittlung von Haushaltshilfen.
Kommt es zu Konflikten mit den Angehörigen oder fühlen
sich die Mitarbeiter überlastet, können sie sich anonym an
das AWO Krisentelefon wenden. Flexible Arbeitszeitmodelle
ermöglichen den Mitarbeitern, ihre freie Zeit besser
für die Pflege der Familienmitglieder einzuteilen. Bei der
Blockteilzeit arbeiten die Angestellten sechs Monate in
Vollzeit, bevor sie dann ein halbes Jahr zu Hause bleiben.
Nach vorheriger Absprache mit dem Vorgesetzten können
Mitarbeiter im „Flexible Office“ tageweise von zu Hause
aus ihren beruflichen Aufgaben nachgehen. Darüber
hinaus bietet Vodafone den Mitarbeitern an, sie bis zu
sechs Wochen unbezahlt freizustellen.
16
globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
Gesundheitsmanagement
Ergometer in der Betriebskantine, Rückenschule im Konferenzraum
oder Massagen im Sanitätszimmer: Sogenannte
Gesundheitstage im Unternehmen zeigen praktisch, wie
Mitarbeiter fit werden und gesünder leben. Bei körperlichen
Problemen, Stressbewältigung oder Vorsorgeuntersuchungen
können sich Mitarbeiter an betriebsärztliche Dienste wenden.
Das Angebot von Sport- und Präventionskursen bieten einen
guten Ausgleich zum Berufsalltag. Auch können Unternehmen
Kooperationen mit Fitnessstudios schließen und gegen Kurs-
Teilnahmenachweise die Gebühren für die Mitarbeiter übernehmen.
Darüber hinaus passen Unternehmen die Arbeitsplätze
von älteren Mitarbeitern an, damit sie bis ins Rentenalter ihrer
Beschäftigung beschwerdefrei nachgehen können.
Zum Gesundheitsmanagement zählen beispielsweise:
• Gesundheitstage in Unternehmen
• Kooperation mit betriebsärztlichen Diensten,
beispielsweise für Vorsorgeuntersuchungen
• Optimierung der Arbeitsplätze für ältere Mitarbeiter
• Übernahme der Kosten von Präventionskursen
• Wellness-Angebote wie vergünstigte Massagen
Best Practice Gesundheitsmanagement: BMW – „Produktionssystem 2017“
Was es heißt, mit einer älteren Belegschaft in einem Fertigungsbereich zu arbeiten, hat BMW mit seinem Pilotprojekt
„Produktionssystem 2017“ untersucht. Dazu stellte das Werk in Dingolfingen ein Zukunftsszenario an einem Band der
Hinterachsgetriebemontage nach. Dementsprechend wurde ein Altersdurchschnitt der Belegschaft von 47 Jahren für 2017
simuliert. Die Führungskräfte, Meister und Mitarbeiter erarbeiteten dann gemeinsam Optimierungsmöglichkeiten für die
Arbeitsplätze und die Arbeitsorganisation. Gelenkschonende Holzfußböden am Arbeitsplatz, schwenkbare Monitore mit
größerer Schrift, Lupen, ergonomische Sitzmöglichkeiten oder belastungsoptimierte Arbeitsplatz-Rotationen verbesserten
die Arbeitsbedingungen für die älteren Arbeitnehmer. Durch Angebote wie Physiotherapie und Workshops sensibilisierte
der Automobilhersteller parallel seine Belegschaft für das Thema Gesundheit und Alter. Darüber hinaus hat BMW mit der
neuen Achsgetriebemontage im Dingolfinger Werk den ersten großen Bau realisiert, der von Beginn an die Ergebnisse des
Projekts umsetzt. So wurden in der Planungsphase für die neue Produktionsstrecke neben den Anregungen der Mitarbeiter
auch Vorschläge von Ärzten und Therapeuten für optimierte Arbeitsbedingungen berücksichtigt.
Corporate Citizenship
Heute engagieren sich viele Mitarbeiter im Namen ihrer Firma.
Dabei spielt die Unterstützung der lokalen Bevölkerung an
internationalen Produktionsstandorten genauso eine Rolle
wie bürgerschaftliches Engagement am Heimatstandort. So
bauen Mitarbeiter Schulen und sammeln Geld für Unterrichtsmaterialien.
Wiederum andere helfen bei Essensausgaben für
Obdachlose oder verkaufen Sachspenden auf Flohmärkten für
einen guten Zweck.
Auch werden Mitarbeiter über einen fest definierten Zeitraum
entsprechend ihrer Fähigkeiten für Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit
und im Katastrophenmanagement von
den Unternehmen freigestellt. Wichtig ist, dass die Ziele der
Projekte und die Partnerunternehmen zusammenpassen und
durch die Hilfe keine zusätzlichen Abhängigkeiten bei den
Betroffenen entstehen.
Zum Corporate Citizenship rechnet man:
• Soziales Engagement im Umfeld
des Unternehmenssitzes
• Soziales Engagement an internationalen
Produktionsstandorten
Best Practice Corporate Citizenship:
DHL – „Global Volunteer Day“
Wenn Zehntausende von Mitarbeitern aus über 100 Ländern
im selben Zeitraum ehrenamtlich tätig sind, ist
„Global Volunteer Day“ bei der Deutschen Post DHL. Die
Hilfsaktionen finden seit 2011 einmal im Jahr über mehrere
Tage hinweg an den Standorten des Konzerns statt.
Über Art, Umfang und Umsetzung der Initiativen entscheiden
die Mitarbeiter selbst. Allerdings sollten sich
die Projekte an den Schwerpunkthemen des nachhaltigen
Engagements des Unternehmens GoGreen, GoTeach und
GoHelp orientieren.
Der „Global Volunteer Day“ hat seinen Ursprung im Jahr
2008 in der Region Asien-Pazifik. Damals hatten sich rund
15.000 Kollegen zusammengetan, um an einem Tag im
Jahr gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen
zu helfen. Dieses Engagement wuchs immer weiter und
wurde in anderen Ländern bekannt. 2011 gab der Konzern
dann der Aktion mit dem „Global Volunteer Day“ einen
Namen und machte sie so zum weltweiten Projekt.
globalcompact Deutschland 2012
17
Agenda
DGCN-Schwerpunktthema
Diversity
Management
Im Rahmen internationalisierter Wirtschaftsbeziehungen werden Unternehmen verstärkt mit
unterschiedlichen Kulturen und Arbeitsstilen konfrontiert. Der positive Umgang mit dieser Unterschiedlichkeit
und Vielfalt wird als zentraler Aspekt einer erfolgreichen internationalen Unternehmensführung
gesehen. Nicht zuletzt im Lieferkettenmanagement wird die Fähigkeit zur produktiven
Zusammenarbeit mit Menschen verschiedener Kulturen, Arbeits- und Lebensweisen zu einer
zentralen unternehmerischen Herausforderung. Dabei erkennen nicht nur große multinationale
Unternehmen (MNU) sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) immer mehr den
Wert vielfältiger Fähigkeiten und Talente in ihrer Belegschaft und darüber hinaus.
Gleichzeitig steht die Anerkennung von Diversity im engen
Zusammenhang mit der Realisierung von Gleichberechtigung
und Anti-Diskriminierung und ist somit wichtiger Teil der
unternehmerischen Verantwortung für die Menschenrechte,
wie sie in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
formuliert ist.
Um Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen aufzuzeigen
und Herausforderungen für MNU und KMU in diesem Bereich zu
besprechen, bearbeitete das Deutsche Global Compact Netzwerk
(DGCN) 2012 das Schwerpunktthema Diversity. Als Element
eines menschenrechtskonformen, sozial verantwortlichen
unternehmerischen Handelns baut das DGCN-Jahresthema
Diversity auf den bisherigen Diskussionen zum Themenkomplex
„Wirtschaft und Menschenrechte” auf.
Welche Bedeutung hat „Diversity”?
„Diversity” wird im Deutschen zumeist mit „Vielfalt” übersetzt
und bezieht sich auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede unter
den Mitarbeitern einer Organisation. Dabei wird oft zwischen
„Managing Diversity” und „Diversity Management” unterschieden.
Während beim „Managing Diversity” Unterschiedlichkeiten
im Unternehmen festgestellt und Maßnahmen zum Schutz
von Minderheiten ergriffen werden (reaktiv), ist das gezielte
Diversity Management zu einem wichtigen Instrument in
Unternehmen geworden.
Ziel ist hierbei nicht nur die Realisierung von Chancengleichheit
am Arbeitsplatz, sondern auch die Schaffung eines positiven
und produktiven Arbeitsklimas und die konstruktive Nutzung
der vorhandenen personellen Vielfalt im Unternehmen (proaktiv).
Ursprünglich als Personalmanagement-Strategie entwickelt
ist Diversity Management heute im breiteren Kontext globaler
Wirtschaftsbeziehungen ein bedeutendes Element strategischer
und sozial nachhaltiger Unternehmensführung.
Seit seiner Entstehung in den 1970er Jahren in den USA
haben sich Ziel und Ausrichtung des Diversity-Ansatzes verändert.
Während in den 1990er Jahren der Schwerpunkt
noch hauptsächlich auf der Anerkennung von Vielfalt und
Verschiedenheit lag, geht es in der aktuellen Diskussion vermehrt
darum, das „Nebeneinander” von Verschiedenheit in
ein handlungsorientiertes „Miteinander” umzuwandeln. Aus
diesem soll eine Organisationskultur werden, in der Vielfalt
möglich ist, geschätzt und auch genutzt wird. Dazu müssen
Bedingungen geschaffen werden, unter denen Beschäftigte
ihre jeweiligen Talente und Fähigkeiten einbringen können,
ohne sich dabei zu stark an eine vorgegebene Norm anpassen
zu müssen. Das bedeutet z. B., dass flexible Arbeitszeiten ermöglicht
werden, um Beschäftigte mit minderjährigen Kindern
oder pflegebedürftigen Eltern nicht zu benachteiligen. Flexible
Arbeitszeitregelungen können ebenso eingerichtet werden,
um Menschen mit verschiedenem Glaubenshintergrund die
Einhaltung religiöser Feste und Feiertage zu ermöglichen.
18
globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
Die Vielfalt eines Menschen definiert sich über drei Dimensionen
(vgl. Abbildung): Merkmale wie Geschlecht, Alter,
körperliche und geistige Fähigkeiten, ethnische Herkunft,
Religionszugehörigkeit bzw. Weltanschauung und sexuelle
Orientierung gehören zur „inneren Dimension”. Variationen
in Lebens- und Arbeitsstilen sowie unterschiedliche Bildungsund
biographische Hintergründe gehören der äußeren Dimension
an. Schließlich werden durch die „organisationale
Dimension” Zugehörigkeiten innerhalb eines Unternehmens
oder einer Organisation beschrieben.
Die Vorteile von Vielfalt
Diversity Management befasst sich nicht allein mit dem Schutz
und der Gleichberechtigung von Minderheiten und strukturell
benachteiligten Gruppen sondern vor allem mit der Nutzbarmachung
von Vielfalt. Selbstverständlich hilft der Diversity-
Ansatz, rechtliche Bestimmungen zur Anti-Diskriminierung
einzuhalten und damit einen ersten wichtigen Schritt zu deren
Umsetzung zu tun. Diversity Management geht jedoch über
die reine Minimierung rechtlicher Risiken hinaus und stellt
die Vorteile für Unternehmen, Menschen und Gesellschaft
in den Mittelpunkt.
Diversity Management wird im Kontext der meisten OECD-Länder
als Instrument verwendet, mit dessen Hilfe Unternehmen
sich wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends anpassen
und diese produktiv nutzen können. Die in ethnischer und
kultureller Hinsicht vielfältiger werdenden Gesellschaften
verlangen von Unternehmen, dass sie sich den Herausforderungen
und Chancen von Diversity stellen, nicht zuletzt auch,
um neue Marktchancen und die Potentiale von Diversity
zu nutzen. Dies wird durch professionelles Diversity
Management ermöglicht, etwa indem mit Hilfe
umfassender Kenntnisse verschiedener Sprachen
und regional-kultureller Hintergründe
ein breiteres Spektrum an Produkten und
Dienstleistungen zielgruppenspezifisch
entwickelt und angeboten werden kann.
Status
Die ethnisch und kulturelle Vielfalt
ist durchaus kein alleiniges Merkmal
westlicher Industriegesellschaften –
im Gegenteil: So zählt beispielsweise
Indien zu den kulturell, sprachlich
und ethnisch vielfältigsten
Ländern der Erde. Darüber hinaus
finden Migrationsströme nicht nur
von Süden nach Norden, sondern in
Auftreten
Gewerkschaftszugehörigkeit
ebenfalls großem Ausmaß auch zwischen Ländern des Südens
statt. Die Öffnung für Vielfalt kann daher auch Unternehmen
in Schwellen- und Entwicklungsländern helfen, die Qualität
und Marktgängigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen
zu erhöhen. Durch die Stärkung benachteiligter Gruppen
können Unternehmen so auch zu einer positiven gesamtgesellschaftlichen
Entwicklung beitragen.
Neben diverser kultureller Hintergründe und Sprachkenntnisse
der Mitarbeiter können Unternehmen auch deren Wissen über
spezielle Bedürfnisse und Interessen bestimmter Personengruppen
nutzen (z. B. Eltern von Kindern mit Behinderungen). Die
Erfahrungen und Sichtweisen dieser Personen als Potenzial
wahrzunehmen, erweitert die Möglichkeiten, unterschiedliche
Denkweisen und Problemlösungsansätze nutzbar zu machen
und damit Kreativität, Produktivität und Innovation zu fördern.
Organisationen mit einer vielfältigen Belegschaft verfügen
daher potenziell auch über eine größere Vielfalt an Ideen und
können sich damit unter Umständen schneller und flexibler
auf dynamische Markt- und Kundenanforderungen einstellen.
Die Beschäftigung von und Investition in strukturell benachteiligte
Personengruppen hat somit einen direkten Einfluss
auf die eigene Unternehmensleistung. Sie erbringt gleichzeitig
einen gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen
Nutzen, indem diese Personen zu kaufkräftigen Kunden
und Kundinnen werden. Unternehmen, die die Vielfalt in
der Belegschaft fördern, können damit zuvor benachteiligte
Personengruppen unter den Beschäftigen auch zu eigenen
Kunden machen. >>
Familienstand
Religion
und Weltanschauung
Ethnische
Zugehörigkeit
Berufserfahrung
Organisationale
Dimension
Funktion / Einstufung
Äußere Dimension
Geografische Lage
Innere Dimension
Alter
Persönlichkeit
Physische
Fähigkeiten
Ausbildung
Arbeitsinhalte
/ -feld
Einkommen
Geschlecht
Sexuelle
Orientierung
Religion
Management-
Elternschaft
Gewohnheiten
Freizeitverhalten
Abteilung
Einheit
Gruppe
Arbeitsort
Dauer der
Zugehörigkeit
Dimensionen von Diversity
Quelle: Charta der Vielfalt, www.charta-der-vielfalt.de
globalcompact Deutschland 2012
19
Agenda
Schließlich erhöht Offenheit für verschiedene (Arbeits-)Kulturen
und Talente Unternehmen die Attraktivität für junge
Fach- und Führungskräfte. Durch aktives Talentmanagement
und die Wertschätzung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
kann zudem die Bindung an das Unternehmen erhöht werden.
Umsetzung von Diversity Management
Um alle Möglichkeiten einer vielfältigen Belegschaft ausschöpfen
zu können, muss die Vielfalt oder dessen Mangel zuerst
erkannt werden. Daher steht am Anfang der Entwicklung
und Umsetzung eines individuellen Diversity-Ansatzes eine
Bestandsaufnahme. Wie bei allen grundlegenden und strategischen
Entscheidungen und Prozessen im Unternehmen sind
auch hier Initiative und Unterstützung der Geschäftsleitung
unabdinglich. Gleichzeitig baut das Konzept auf eine Bewusstseinsänderung
auch bei den Beschäftigten. Das Diversity
Management ist daher als langfristig angelegte Strategie zu
betrachten und sollte transparent gestaltet werden, um die
Unterstützung der Belegschaft zu gewinnen. Um sicher zu
gehen, dass das angestrebte Ziel bzw. die Zielgruppe erreicht
wird, sollte in bestimmten Abständen ein Monitoring bzw.
eine Evaluierung auf der Grundlage anerkannter Indikatoren
stattfinden. Diese Aufgaben sind natürlich mit gewissen Kosten,
Zeit und Personalaufwand verbunden. Dies kann sich insbesondere
für kleine Unternehmen, die über keine gesonderte
CSR- oder Personalabteilung verfügen, als Hürde heraus stellen.
Andererseits erlaubt die geringere Mitarbeiterzahl in KMU es
unter Umständen eher, individuelle Talente zu fördern und
Räume für Kreativität zu schaffen.
Diversity und nachhaltiges Lieferkettenmanagement
Da das Konzept des Diversity Managements zuerst in Industrieländern
entwickelt und umgesetzt wurde, ist es dort deutlich
weiter verbreitet als in Entwicklungs- oder Schwellenländern.
Als ein zentrales Instrument für sozial-nachhaltiges Wirtschaften
ist es aber gerade auch im Zusammenhang mit internationalen
Lieferketten relevant. Nach den UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte tragen Unternehmen eine
Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte und eine
Vorteile von Diversity Management
• Effiziente Umsetzung von Anti-Diskriminierungsgesetzen
(falls eine entsprechende Gesetzgebung
vorhanden ist)
• Zeitnahe Anpassung und Nutzung wirtschaftlicher
und gesellschaftlicherTrends
• Erschließen neuer Märkte und Marktsegmente
• Je nach Umfeld: Sicherung der gesellschaftlichen
Licence-to-operate und evtl. positiver Beitrag
zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung durch
Stärkung benachteiligter Gruppen
• (redundant mit oben) Steigerung der Attraktivität
für innovative Mitarbeiter aus verschiedenen
Personengruppen
• Geringere Personalfluktuation durch offene
Organisationskultur
20
globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
entsprechende Sorgfaltspflicht sowohl im eigenen unmittelbaren
Verantwortungs- und Kontrollbereich als auch in ihren
Geschäftsbeziehungen. Ein wichtiges Element ist dabei der
Einsatz für Gleichberechtigung, Anti-Diskriminierung und ein
grundsätzlicher Respekt für Vielfalt. So kommt der positive
Umgang mit Vielfalt nicht nur dem Unternehmen und seinen
Beschäftigten selbst, sondern auch ihrem Umfeld und der
Gesellschaft im Allgemeinen zugute. Unternehmen können
an Standorten in Entwicklungs- und Schwellenländern von
vielfältigen Belegschaften und einer vielfältigen Kundenbasis
profitieren und gleichzeitig für die Überwindung sozialer
Ungleichheiten eintreten.
Häufig besteht hier ein Spielraum zur Unterstützung unterrepräsentierter
oder benachteiligter Gruppen, seien es
Frauen, ältere Beschäftigte, Menschen mit körperlichen
Einschränkungen, ethnische oder religiöse Minderheiten
etc. Das Bewusstsein für solche Herausforderungen in Zulieferbetrieben
sowie aktive Maßnahmen zur Förderung
von Vielfalt in diesen Betrieben minimieren Risiken und
kann die Reputation gegenüber externen Anspruchsgruppen
beispielsweise aus der lokalen Zivilgesellschaft verbessern.
Wie auch bei der Förderung anderer Nachhaltigkeitsaspekte
in Lieferketten ist es sinnvoll, bei der Einführung und Umsetzung
von Diversity Management einen kooperativen Ansatz
unter Einbindung der Zulieferer zu verfolgen. Neben der
gezielten Förderung von Zulieferfirmen, die von bestimmten
Minderheitengruppen oder Frauen geführt werden, können
Unternehmen mit ihren Subunternehmen bzw. ausländischen
Niederlassungen gemeinsam Projekte zur Umsetzung eines
Diversity-Ansatzes entwickeln. Dabei gibt es keine auf alle
Länder und Situationen übertragbare Vorlage, wie genau die
Vielfalt in einem Unternehmen gewährleistet und entsprechend
genutzt werden kann. Konkrete Maßnahmen sollten
sich daher an den gesellschaftlichen, sozio-ökonomischen und
kulturellen Gegebenheiten des jeweiligen Landes und den
speziellen Bedürfnissen der Belegschaften orientieren. Das
können beispielsweise besondere Herausforderungen im Gesundheitsbereich
oder mit bestimmten religiösen Bräuchen sein.
Die jeweilige Bedeutung von unter Diversity gefassten Merkmalen
und Gruppenzugehörigkeiten kann sich zwischen
Ländern und Regionen stark unterscheiden. In Indien spielen
beispielsweise neben dem Geschlecht und der Religion auch
der Geburtsort bzw. die regional-ethnische und sprachliche
Herkunft und für Hindus die Kastenzugehörigkeit eine
besondere Rolle und müssen entsprechend berücksichtigt
werden. In Deutschland kann es sinnvoll sein, Parkplätze
für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung zu stellen,
während dort, wo die MitarbeiterInnen mehrheitlich nicht
mit dem Auto zur Arbeit kommen, andere Schwerpunkte
sinnvoll erscheinen. Trotz dieser Besonderheiten lassen sich
einige idealtypische Schritte zur Umsetzung von Diversity
Management identifizieren.
Diversity als Jahresthema 2012 im DGCN
Im Rahmen der Arbeit am Jahresthema „Wirtschaft und Menschenrechte
– Diversity” in 2012 wurden die in dem Hintergrundpapier
identifizierten Ansätze und Herausforderungen
diskutiert, Good-Practice-Beispiele vorgestellt und gemeinsames
Lernen angestoßen. Beim Arbeitstreffen zu Beginn des
Jahres lag der Fokus auf dem Business Case für Diversity, auf
Ansätzen für Diversity Management in MNU und KMU und
den Women Empowerment Principles des UN Global Compact.
Im Herbst standen Diversity und Gleichbehandlung mit Blick
auf unternehmerische Wertschöpfungsketten im Mittelpunkt.
Ein Schwerpunkt wurde auf unternehmensübergreifende
Kooperationsinitiativen gelegt, da sich von diesen die größte
Breitenwirkung erwarten lässt. Auf Basis der Veranstaltungen
im Netzwerk wird das Thema weiter inhaltlich auf bereitet.
Darüber hinaus werden neue Entwicklungen aus dem allgemeinen
Themenfeld Menschenrechte aufgegriffen. Von
besonderer Bedeutung sind dabei die UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte („Ruggie Framework”) und
ihre Umsetzung in der Unternehmenspraxis. Weitere Veranstaltungen,
Informationen und Publikationen zum Thema
werden laufend auf der Webseite des DGCN veröffentlicht.
Quelle:
Hintergrundpapier des Deutschen Global Compact Netzwerkes
globalcompact Deutschland 2012
21
Agenda
Ist-Zustand
Fachkräftemangel:
Sozialversicherungspflichtige
Beschäftigte:
Geburtenrate:
120.000
aus MINT
25 %
> 50 Jahre
1,4
Kinder pro Familie
Entwicklung der Bevölkerung bis 2050
Bevölkerung:
Anteil der Über-60-Jährigen:
Erwerbstätige:
25 %
37 %
81
Millionen
70
Millionen
2010 2050
2006 2050
42 30
42
Millionen
2011
30
Millionen
2050
Wie bleiben Regionen und Unternehmen zukunftsfähig?
• Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern
a. Gesicherte Kinderbetreuung
b. Flexible Arbeitszeitmodelle etc.
c. Ganztagsschulen
• Städte attraktiver für Familien gestalten
• Beschäftigung von Frauen fördern
• In Bildung und technischen Fortschritt investieren
• Anpassen der Unternehmen an ältere
Belegschaften
• Förderung von qualifizierter Einwanderung
• Verbesserte Integration von Menschen
mit Migrationshintergrund
• Stärkung der Zivilgesellschaft
22
globalcompact Deutschland 2012
Human Resources
Schwache Zukunftsaussichten
Lübeck (Schleswig-Holstein)
Oberspreewald-Lausitz (Brandenburg)
Mecklenburg-Strelitz (Mecklenburg-Vorpommern)
Altenburger Land (Thüringen)
Prignitz (Brandenburg)
Görlitz (Sachsen)
Stendal (Sachsen-Anhalt)
Osterode am Harz (Niedersachsen)
Herne (Nordrhein-Westfalen)
Wismar (Mecklenburg-Vorpommern)
Elbe-Elster (Brandenburg)
Uckermark (Brandenburg)
Bremerhaven (Bremen)
Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen)
Kyffhäuserkreis (Thüringen)
Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt)
Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anahlt)
Demmin (Mecklenburg-Vorpommern)
Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen)
Uecker-Randow (Mecklenburg-Vorpommern)
Köln
Rostock
Hamburg
Bremen
Hannover Berlin
Dresden
Starke Zukunftsaussichten
Landkreis München (Bayern)
Eichstätt (Bayern)
Landkreis Landshut (Bayern)
Bad Tölz-Wolfratshausen (Bayern)
Kelheim (Bayern)
Freising (Bayern)
Bodenseekreis (Baden-Württemberg)
Erding (Bayern)
Potsdam (Brandenburg)
Stadt Ansbach (Bayern)
Biberach (Baden-Württemberg)
Landkreis Erlangen-Höchstadt (Bayern)
Jena (Thüringen)
Dingolfing-Landau (Bayern)
Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim (Bayern)
Neuburg-Schrobenhausen (Bayern)
Ludwigsburg (Baden-Württemberg)
Kitzingen (Bayern)
Ebersberg (Bayern)
Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern)
Frankfurt
Stuttgart
München
Demografischer
Wandel
in Deutschland
globalcompact Deutschland 2012
23
Agenda
Rio+20:
Bilanz und Perspektiven
24 globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
globalcompact Deutschland 2012
25
Agenda
Interview
„Der
Global Compact
wird zur transformativen
Initiative “
Umwelt- und Sozialfragen haben aktuell auf der weltpolitischen Bühne einen schweren Stand. Das hat der
UN-Gipfel in Rio überdeutlich gezeigt. Doch das ändert nichts daran, dass die Probleme drängender werden und
Antworten gefunden werden müssen. Der Global Compact als weltweit wichtigste Initiative für unternehmerische
Verantwortung kann hier eine Führungsrolle übernehmen. Doch in welchem Maß kann Wirtschaft da einspringen,
wo Politik versagt? Und reicht die Kraft des Global Compact, wirklich marktverändernde Impulse zu geben?
Wir sprachen darüber mit UN Global Compact Executive Director Georg Kell.
Wir verzeichnen aktuell den höchsten CO 2
-Ausstoß in der Menschheitsgeschichte.
In immer mehr Ländern wächst die Kluft zwischen arm
und reich rasant. Und auch der Artenschwund schreitet ungebremst
voran. Die Lage der Menschenrechte stagniert bestenfalls. Ich könnte
die Liste beliebig fortsetzen. Wieso kommt die Menschheit beim Thema
Nachhaltige Entwicklung keinen Schritt weiter?
Georg Kell: Das ist die Frage aller Fragen! Ich habe dazu
eine philosophische und eine praxisnahe Antwort: Meine
philosophische Antwort lautet, dass wir Menschen zwar vorgeben,
rational zu sein, aber in Wirklichkeit ist der Mensch
schlechthin phlegmatisch. Wir sind nur bedingt fähig, die
Zukunft in unser Handeln einzubeziehen. Außerdem neigen
wir leider auch dazu, in Zwängen zu denken und zu leben.
Diese sind zumeist alle kurzfristiger Natur: Politiker wollen
wiedergewählt werden, CEOs wollen einen guten Jahresabschluss
präsentieren.
Der ganze Zeithorizont, wie ihn uns die Wirtschaft vordiktiert,
ist sehr kurzfristig. Und auch die meisten Belohnungssysteme
sind so ausgerichtet, dass langfristiges Handeln eigentlich gar
nicht richtig eingebunden wird. Nicolas Stern hat zum Beispiel
schon vor einigen Jahren in seiner bekannten Klima-Review
darauf hingewiesen, dass die Finanz- und Evaluierungskonzepte
inadäquat sind, weil sie die Umwelt nach wie vor als
ein externer Faktor behandeln.
Wirtschaftlich, praxisnah gesehen ist der Hauptgrund, dass
CO 2
-effizientes Verhalten weiterhin nicht ausreichend sowohl
von Verbraucherseite als auch durch politische Auflagen belohnt
wird. Ein symptomatischer Indikator ist, dass weltweit
mehr Subventionen in fossile Energieträger als in erneuerbare
Energien investiert werden.
Als Ingenieur muss ich feststellen, dass wir nach wie vor in
einer Industrialisierungsphase sind, die von alten Mechanismen
und statischen Modellen dominiert wird. Wir haben es noch
nicht geschafft, uns technologisch in eine Zukunft zu bewegen,
in der ganz klar die Kosten und Folgen von zukünftigen
Schäden schon internalisiert sind.
Die Schwerfälligkeit von Politik und Gesellschaften zeigt sich immer
wieder auf internationaler Bühne. Beispiel der Rio+20 Gipfel im
Sommer 2012. Der Rio+20 Gipfel wird von fast allen als Misserfolg
bewertet. Wie können internationale Konferenz künftig besser funktionieren?
26
globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
Kell: Diese kritische Meinung zu Rio teile ich nicht. Das Ergebnis
einer Konferenz wie Rio+20 muss im Zusammenhang
damit gesehen werden, wie wir derzeitig geopolitisch dastehen.
Es ist kein Geheimnis, dass Multilaterismus im Eisschrank
liegt. Das ist sehr enttäuschend. Wir wissen auch die Gründe
dafür: Die Welt fragmentiert angesichts eines fundamentalen
Transformationsprozesses. Wirtschaftliches Wachstum
verlagert sich beispielsweise von den traditionellen Zentren
des Nordens in die neuen Zentren im Süden und Osten. Vor
nicht allzu langer Zeit war der Blaue Salon in Genf der Ort,
an dem die Abschlüsse für multilaterale Geschäfte gemacht
wurden. Das ist so nicht mehr möglich. Die Welt ist heute viel
komplizierter. Wir stehen einer komplett neuen Generation
von Markakteuren gegenüber, von denen viele aus den BRIC-
Staaten kommen, und von denen jeder seine Unabhängigkeit
entschlossen verteidigt. Sie fühlen sich als Nachzügler und
fordern für sich das Recht ein, auf jede erdenkliche Art und
Weise so schnell wie möglich reich zu werden. Das ist eine
ganz andere Einstellung, als sie die Gründer der Vereinten
Nationen teilten.
Wir beobachten, dass ganz eng national definierte Interessen
die politische Agenda dominieren. Die Fähigkeit und der
Wille von Regierungen zu gemeinsamem Handeln angesichts
drängender Themen ist auf einem sehr niedrigen Niveau. Der
Wille zur politischen Zusammenarbeit nimmt sogar stetig ab,
obwohl zugleich die wirtschaftliche Verflechtung, etwa bei
Technologien, bei Warenflüssen und auch auf den Finanzmärkten
täglich zunimmt.
Vor diesem Hintergrund muss man die Rio-Konferenz sehen. Aus
meiner Sicht ist es daher bewundernswert, dass wir dennoch
ein Rio-Abschlussdokument erreicht haben. Es war nämlich
bis zuletzt durchaus im Bereich des Möglichen, dass dies die
erste UN-Konferenz hätte werden können, die ohne jegliches
Abschlussdokument endet. Die Vorbereitungskonferenzen zu Rio
waren extrem frustrierend. Selbst auf dem Gipfel sah es lange
so aus, dass es zu keinem Konsens kommt. Dank des Gastgebers
Brasilien und vor allem Präsidentin Dilma Rousseff ist es überhaupt
zu einem halbwegs vernünftigen Abschlussdokument
gekommen. Es beinhaltet ein paar wichtige Punkte wie etwa
die Anerkennung der Bedeutung von Green Economy und
Corporate Sustainability, wie sie der Global Compact versteht.
Wenn man das mit dem Multilaterialismus alter Tage vergleicht,
bei dem für alle Beteiligten etwas Greif bares und Gutes >>
globalcompact Deutschland 2012
27
Agenda
heraussprang, ist das natürlich enttäuschend. Aber angesichts
der Welt, wie sie sich heute darstellt, ist das, was am Ende in
Rio passierte, so etwas wie ein kleines Wunder.
Das Corporate Sustainability Forum (CSF) im Vorfeld zum Rio+20
Staatengipfel galt als eines der wenigen positiven Signale aus Rio. Der
Global Compact war dort Mitveranstalter. Was haben Sie besser gemacht?
Welche Erfahrungen sind in die Politik übertragbar?
Was kann man besser machen? Nicht so gut hat die Schnittstelle
zwischen Wirtschaft und Politik funktioniert. Da gibt es noch
viel zu verbessern. So wurden die meisten Aktionen, die im
Corporate Sustainability Forum gelauncht wurden, von den
Politikern, wenn überhaupt, nur am Rande wahrgenommen.
Beim nächsten Mal werden wir uns daher viel stärker damit
beschäftigen, wie wir die privaten Lösungen und Initiativen
besser mit den politischen Frameworks verknüpfen können.
Welche Signale und Impulse sehen Sie für einen möglichen Rio+20
Prozess?
Kell: Veränderungen müssen von unten kommen. Das CSF
war ziemlich groß, aber global betrachtet sind wir nach wie
vor eine Minderheit. Der Global Compact ist trotz seiner vielen
tausend Teilnehmer weiterhin eine Randbewegung. Wir
sind noch nicht mainstream und haben auch noch nicht den
Kipppunkt dahin erreicht. Für den Global Compact ist deshalb
jetzt das Wichtigste, eine kritische Masse zu erreichen. Das
geht nur Land für Land.
Die EU-Kommission plant für die nahe Zukunft strengere CSR-Regeln
für Unternehmen, sogenannte Selbst- und Koregulierungsprozesse. Der
Global Compact als freiwillige Selbstverpflichtung (Soft Law) ist hier
ganz zentral eingeplant. Ist das für Sie in Ordnung, wenn die Firmen
künftig per EU-Dekret in den Compact gedrängt werden? Sind das
die Art von Participants, die Sie wollen?
Kell: Ich sage den europäischen Kollegen immer wieder: Bitte
vergesst nicht, dass Europa bei vielen Themen wie Klimaschutz,
Effizienz und sozialem Verhalten sehr fortgeschritten ist.
Europa ist hier weltweit Vorreiter. Jetzt kommt es darauf an,
sich so zu verhalten, dass die anderen dem folgen können.
Europa muss Beispiele und Anreizsysteme schaffen, sodass
Niederlassungen und Zulieferketten etwa dem Vorbild folgen
können und wollen.
Kell: Rio+20 war die erste Konferenz in der Geschichte der
Vereinten Nationen, bei der die Wirtschaft eine eigene Parallelkonferenz
mit über 120 Veranstaltungen abhielt. Viele von den
Aktivitäten dort waren keine, die den Lauf der Weltgeschichte
verändern werden, könnte man jetzt kritisch sagen. Das stimmt,
aber viele Initiativen wurden so katalysiert und verstärkt, dass
sie jetzt in die Breite getragen werden können. Solche Aktionen
und das breite Engagement des privaten Sektors haben in Rio
gezeigt, dass es innerhalb der Wirtschaftscommunity eine
Gruppe gibt, die bereit ist, deutlich über das hinauszugehen,
was Politiker derzeit vorgeben.
Was waren die Haupthürden im Vorfeld? Was kann man in Zukunft
besser machen?
Kell: Es hat uns ein Jahr Arbeit mit dem ganzen Team gekostet.
Wir hatten in der Tat im Vorfeld das Problem, dass viele
Unternehmen uns gefragt haben, warum sie nach Rio gehen
sollen, wenn die eigenen Regierungschefs mit aller Wahrscheinlichkeit
nicht kommen oder wenig beschlossen wird?
Darauf haben wir damals argumentiert: Umso wichtiger ist es,
dass die Wirtschaft kommt und zeigt, was möglich ist. Diese
Taktik hat sich ausgezahlt.
Der Global Compact versteht sich als rein freiwillige Initiative.
Ich freue mich, wenn der Global Compact eine nützliche Rolle
spielen kann, um Verantwortung in Europa voranzutreiben. Wir
können aber kein Ersatz für fehlende staatliche Regulierung
in einzelnen Ländern sein. Vielmehr sollten regulatorische
und freiwillige Verpflichtungen stets zusammen existieren. Es
geht nicht darum, sie gegeneinander auszuspielen, sondern
clevere Brücken zu bauen.
Manche Bürger und NGOs wehren sich gegen die Idee von wachsender
unternehmerischer Verantwortung. Wenn Unternehmen nämlich im
Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten gesellschaftspolitische Herausforderungen
mitgestalten, dann bedeutet das zugleich, dass sie Einfluss
nehmen, dass sie an der gesellschaftlichen Governance teilhaben. Dieser
Ansatz bietet aber auch viel Brisanz, denn Unternehmen sind per se
nicht demokratisch gewählt!
Kell: Diese Bedenken nehme ich sehr erst. Die Human Rights
Guiding Principles haben Klarheit geschaffen und uns daran
erinnert, dass der Staat die Hauptverantwortung im Bereich
Menschenrechte trägt. Das war schon immer so, ist aber
deutlich reartikuliert worden. Ich habe übrigens gerade mit
Gordon Brown darüber gesprochen. Er baut eine neue Business-
28
globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
Plattform zum Thema Bildung auf. Das ist durchaus diskussionswürdig,
da Ausbildung, vor allem elementare Schulbildung,
allgemein als staatliche Aufgabe gilt. Im Sinne von Fairness
und Chancengleichheit sollte es auch weiterhin ein öffentlicher
Auftrag bleiben. Gordon Brown stimmt darin überein.
Sein Argument ist, dass Wirtschaft auf die Regierungen Druck
ausüben kann, die zurückfallen.
Es gibt eine Reihe Staaten in der Welt, wo im Bildungssektor
wenig passiert, weil die Regierung schwach ist, weil Armut
herrscht oder weil der ganze Bereich unzureichend entwickelt
ist. In solchen Situationen ist jede Hilfe notwendig. Es
geht also nicht darum, dass das Anliegen privatisiert wird,
sondern mit privaten Geldern die Fähigkeit des öffentlichen
Dienstes verbessert wird. In der Praxis passiert das leider sehr
unorchestriert, so dass es hier sowohl positive wie negative
Entwicklungen gibt.
Was sind die nächsten Meilensteine des Global Compact?
Kell: Dank Rio+20 und auch Dank des Wachstums unserer
inzwischen über 100 Netzwerke sind wir sehr ambitioniert
geworden. Wir glauben, dass es jetzt möglich ist, den Global
Compact zu einer transformativen Initiative zu entwickeln.
Wir glauben, dass es möglich ist, weitreichende und mächtige
Plattformen aufzubauen, die die Gesellschaft verändern können.
Wir werden dazu viel mehr in unsere Initiativen wie Caring-
4Climate oder CEO Water Mandate investieren. Das Thema
Anti-Korruption wollen wir um den Faktor zehn ausweiten.
Um das zu schaffen, müssen zwei Ziele erreicht werden: Erstens
müssen wir dazu eine kritische Masse erreichen, und
unser selbstgestecktes Wachstumsziel, von 7.000 Unternehmen
auf 20.000 zu wachsen, hat weiterhin Top-Priorität. Das ist
übrigens gar nicht so einfach, weil wir jetzt auch sehr strikte
Delisting-Regeln für inaktive Telnehmer haben. Die Hälfte der
Unternehmen, die dem Compact beitreten, verlassen ihn im
Schnitt auch wieder nach ein bis zwei Jahren. Die Situation
ist besonders kritisch in Märkten, in denen kein Strukturen
für Offenlegung und Reporting existieren.
Zweitens: Wir betreiben derzeit acht globale Themenplattformen
und unterstützen über 100 Netzwerke. Die Frage ist
jetzt, wie daraus Veränderungen angestoßen werden können.
Impulse hierzu müssen global als auch lokal kommen. Unseren
kommenden Leaders Summit im September 2013 in
New York wollen wir dazu nutzen. Er soll das Signal setzen,
dass wir bereit sind, eine die Gesellschaft transformierende
Bewegung zu werden.
Lieber Georg, herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Elmer Lenzen
Was steht im Rio-Dokument?
Green Economy:
In der rund 50 Seiten umfassenden Abschlusserklärung bekennen
sich die Teilnehmerstaaten zum Konzept der „Green
Economy“, das ein ressourcenschonendes Wirtschaften zum
Ziel hat. Bis 2015 sollen hierzu Nachhaltigkeitsziele ausgearbeitet
werden. Konkrete Indikatoren für Wohlstand, die über
das Bruttoinlandsprodukt hinausgehen, fehlen allerdings
nach Ansicht des WWF.
UN Institutionen:
Die UNEP wird nicht zur UN-Agentur, aber erste Schritte, die
in diese Richtung führen können, wurden beschlossen. Die
Aufwertung der Kommission für nachhaltige Entwicklung
(CSD) zum einflussreicheren globalen Nachhaltigkeitsrat ist
gescheitert, sie wurde nur zu einem „Forum“ aufgewertet.
Millenniumsziele:
Darüber hinaus enthält das Rio-Papier Vorschläge für
den Kampf gegen Armut, Klimaerwärmung und Wüstenbildung.
So ist etwa geplant, die 2015 auslaufenden UN-
Millenniumsziele fortzuschreiben, vermutlich dann als
Sustainable Development Goals (SDGs).
Entwicklungsfinanzierung:
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff versprach, dass
man sich weiter für finanzielle Hilfen bei der nachhaltigen
Transformation der Entwicklungsländer einsetzen werde.
30 Milliarden Dollar hatten diese von den Industriestaaten
gefordert, was aufgrund der Finanzkrise abgelehnt wurde.
Energie:
Zum angestrebten „Energiezugang für alle“ wird nur der
Start einer Initiative bestätigt. Es fehlt eine Jahreszahl,
wann das Ziel erreicht werden soll. Nicht einmal der Ausbau
Erneuerbarer Energien wird thematisiert. Was „Sustainable
Modern Energies“ sind, wird der individuellen Definition
überlassen.
Wasser:
Im Vergleich zu Johannesburg-Vereinbarungen sind einige
deutliche Formulierungen zur Wechselbeziehung mit
Ökosystemen und deren Rolle für Wasserverfügbarkeit
sowie neue Verpflichtungen zum Wassermanagement enthalten.
Es wird anerkannt, dass Wasser einen Kernbereich
der nachhaltigen Entwicklung darstellt. Der Versuch, das
Prinzip der gemeinsamen Verantwortung von grenzübergreifenden
Wasserökosystemen aufzuweichen, konnte
abgewehrt werden.
Meere:
In letzter Minute wurde eine bereits im vorigen Text enthaltene
Vereinbarung zur Umsetzung des UN-Seerechtsübereinkommens
gestrichen, die den Schutz der Hohen See
ermöglichen sollte – bis dahin eines der wenigen wirklich
guten und wichtigen Zwischenergebnisse.
Quelle: UmweltDialog.de
globalcompact Deutschland 2012
29
Agenda
Fünf Dinge,
die wir von Rio+20
lernen können
Von Tom Bigg
Viele haben den Rio+20-Gipfel rundherum als Katastrophe
und das Schlussdokument 283 als „Absätze voller Flausen“
gebrandmarkt. Manche wiederum leiten im völligen Kontrast
dazu daraus Gründe für Optimismus und Perspektiven ab.
Die Ergebnisse der Rio+20-Konferenz geben derzeit kaum
Anlass zu viel Optimismus, aber vielleicht wird der Wert des
Gipfels in längerfristigen Veränderungen von Einstellungen
und Verständnis der Akteure liegen. Letztendlich sind nämlich
alle globalen Gipfeltreffen im unmittelbaren Nachgang
zunächst einmal abgeschrieben worden. Ich denke dabei an
fünf Dinge, die wir aus dem Rio-Prozess lernen können und die
längerfristige Einschätzungen beeinflussen und den Rahmen
für Schlüsselthemen der kommenden Jahre setzen könnten:
1. Nachhaltige Entwicklung hat noch einen langen Weg
vor sich, um Top-Priorität von Politik und Macht zu
werden.
Eines der markantesten Bilder des Gipfelwochenendes von
Rio war Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie sie ein weiteres
Tor der deutschen Nationalmannschaft gegen Griechenland
feierte. Sie hatte keine terminlichen Probleme, um ihre Nationalmannschaft
zu sehen, aber es war Frau Merkel nicht
möglich, einen Abstecher vom G20-Treffen in Mexiko nach
Rio zu unternehmen!
Wenn überhaupt, dann stellte der Gipfel einen Rückschritt in
den jahrzehntelangen Bemühungen dar, die mit der Brundtland-Kommission
in den späten 1980er Jahren begannen, um
Themen wie Eigenkapital, Selbstversorgung und internationale
Zusammenarbeit in den Mittelpunkt der globalen und nationalen
Politik zu stellen. Viele Regierungen sind immer noch
durch die Umwelt- oder Entwicklungshilfe-Minister vertreten,
während ihre Kollegen aus den Bereichen Finanzen, Planung
und Wirtschaft nur vereinzelt anwesend sind. Im Gegensatz
dazu waren die Vorstandsvorsitzenden von Konzernen wie
Unilever, Puma und den größten brasilianischen Unternehmen
durchaus in Rio gegenwärtig; einige warnten sogar dickköpfig,
dass, wenn die Regierungen nicht bald Schritte zur Lösung
der globalen Probleme ergreifen, sie dies selbst in die Hand
nehmen würden.
Zwanzig Jahre nach dem ursprünglichen Erdgipfel ist die
Kern-Anklage der Nachhaltigkeits-Spezialisten und CSR-Organisationen,
dass unsere Politiker immer noch nicht die
grundsätzliche Bedeutung von nachhaltiger Entwicklung
verstehen, und dass es weiterhin viel einfacher für sie ist, das
Thema zu einer Fußnote der Politik zu verbannen.
2. Regierungen des Südens sind durchsetzungsfähig
und haben eine klare Agenda – auch wenn für einige
Länder das derzeit nur bedeutet, „Nein“ zu sagen.
Dreißig Monate zuvor, beim Kopenhagen-Gipfel, gab es für
die europäischen Regierungen ein brutales Erwachen, als
sie sich während der Klimaverhandlungen plötzlich an den
Rand gedrängt fanden – durch eine Absprache zwischen
den USA, China und Indien. Diese Machtverschiebung war
in Rio+20 diesmal weniger auffällig – vielleicht auch, weil
angenommen wurde, dass weniger auf dem Spiel steht. Aber
der wachsende Einfluss der sogenannten G77-Länder war dennoch
ein markantes Merkmal der Konferenz. Die Regierungen
von Kolumbien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und
Guatemala waren eng an der Ausarbeitung der Sustainable
Development Goals (SDG) beteiligt, afrikanische Staaten zeigten
starkes Interesse am Konzept der „Green Economy“, um
möglicherweise ihre zukünftigen Entwicklungspfade daran
auszurichten, und China wiederum konzentrierte sich auf
die möglichen Auswirkungen, die ein größerer Fokus auf die
Umwelt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen haben könnte.
Viele lateinamerikanische Länder haben sich wiederum
lautstark gegen etwas aufgelehnt, das sie als die „Reduktion
von Natur als Wirtschaftsgut“ bezeichnen. Das geschehe aus
ihrer Sicht durch Policy-Tools wie Zahlungen für Ökosystem-
Dienstleistungen oder andere Bewertungssysteme, die einen
monetären Wert von ökologischen Ressourcen aufzeigen. Die
30
globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
misstrauisch und verwirrt waren dank der Tagesordnung,
welche die UN-Generalversammlung festgelegt hatte. Dies
wurde besonders deutlich bei den eher schlecht definierten
Elementen einer „Green Economy“, die ein positives, neues
Forschungsgebiet hätten werden können, aber die nie zufriedenstellend
erklärt oder in einen Kontext gestellt wurden.
Aber das wesentlich grundlegendere Problem liegt im UN
Konsens-Prozess an sich. Virgilio Viana von der brasilianischen
„Organisation Fundação Amazonas Sustentável“ (FAS) hat sich
treffend so ausgedrückt: Wenn die UN Verhandlungsführer
entscheiden müssten, ob alle Kaffee oder Bier bekommen sollten,
dann würden sie auch dabei nie zu einer Einigung kommen.
Man kann sich also vorstellen, wie viel schwerer es sein muss,
eine Reihe von starken, gemeinsamen Vereinbarungen entlang
einer breiten Themenagenda für den Gipfel zu treffen –
diese müssten dann auch noch tief verwurzelte Interessen,
Verdächtigungen und ideologische Unterschiede unter einen
Hut bekommen. Dieser Prozess wird zusätzlich auch noch
durch einen Mangel an Glaubwürdigkeit behindert: Die an
den Gipfelvorbereitungen beteiligten Regierungen entfernten
jegliche Assessmentverfahren zur Begutachtung ihrer Fortschritte
bei der Umsetzung früherer globaler Verpflichtungen.
Trotz all dieser bestehenden Mängel konnten sich die Regierungen
zunächst nicht einmal auf das endgültige Schlussdokument
einigen. Noch einen Tag vor dem Eintreffen der Staats- und
Regierungschefs standen erst 28 Prozent des Abschlusstextes.
Die Brasilianer durchschlugen den gordischen Knoten, indem
sie eine „Friss oder stirb“-Erklärung veröffentlichten, die
keinerlei feste Zusagen enthielt und die folglich von allen
angenommen werden konnte. Das war enorm attraktiv, weil
es doch einen Kollaps im Kopenhagen-Stil vermied und es
den politischen Führern erlaubte, mit leichter Hand über den
erfolgreichen Abschluss zu reden.
G77-Staaten schließlich haben kollektiv die EU-Bemühungen
um konkrete Ziele und Zeitpläne im Vertragstext abgelehnt.
Vielleicht ist das Positivste, was man daraus ableiten kann,
dass Länder mit mittlerem Einkommen, die außerhalb des
G20-Zusammenschlusses sind, weiter wachsen und einen
zunehmenden Bedarf an einem effektiven und stabilen multilateralen
System haben, welches Regeln aufstellt, die sie
benötigen. Im Gegensatz zu den ganz großen Staaten können
sie diese Stabilität nämlich nicht durch ihren eigenen Einfluss
allein sicherstellen. Dies scheint hinter Kolumbiens Vorschlag
zu stehen, klare Ziele und Verpflichtungen einzuführen, und es
gibt in der Zukunft Potential, diese positive Kritik auszubauen.
3. Der UN Multilateralismus-Prozess funktioniert nicht –
zumindest nicht für globale Verhandlungen über
nachhaltige Entwicklung.
Der Rio+20-Moloch ist das Ergebnis eines Zwei Jahre dauernden
Vorbereitunsprozesses, der vom Tag 1 an zum Scheitern
verurteilt war. Es hilft dabei keineswegs, dass viele Staaten
Aber diese Rio+20-Vereinbarung ist von geringem Wert für
die Zukunft – sie ist erschreckend dünn bei Verpflichtungen
oder vereinbarten Maßnahmen; sie gibt nicht einmal den hart
erkämpften Konsens zwischen einzelnen Regierungen wieder
und hat es versäumt, bessere Ansätze zur Regierungsführung
zu etablieren, um globalen Herausforderungen zu begegnen.
Auf der Haben-Seite sollte stehen, dass dies die Totenglocken
für überbordende UN-Prozesse einläutet, auch wenn derzeit
noch wenig klar ist, wie etwas Positiveres aussehen kann, um
diesen Platz einzunehmen.
4. Wir brauchen einen Erkläransatz für systemische
Veränderung; „Naturkapital“ und Green Economy-
Ansätze könnten den Rahmen bilden.
Es ist enorm frustrierend, dass Rio+20 die nachhaltige Entwicklung
nicht als das beste Mittel für die Welt zur Bewältigung
wirtschaftlicher Volatilität, sozialer Unruhen und Ungleichheit
und gegen die Gefahren durch Übernutzung der Umwelt und
damit einhergehend dem Erreichen einiger systemischer Kipppunkte
präsentieren konnte. Dieses globale Ereignis, welches
nur einmal je Generation stattfindet, ist damit gescheitert,
eine Resonanz gegenüber dem Kreis derjenigen, die direkt
beteiligt oder interessiert sind, zu erzeugen. >>
globalcompact Deutschland 2012
31
Agenda
Gegensätzliche Verhandlungspositionen, etwa zu Fragen,
wer CO 2
einsparen muss und wer wie viel bezahlen soll,
lähmten die Verhandlungen bei der Rio+20-Konferenz.
„Wir können nicht auf alle wichtigen Indikatoren hinweisen,
die auftauchen, aber unterhalb der globalen Meta-Ebene der
Analyse gibt es außergewöhnliche Innovation und Praxis“,
sagte der Leiter des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner.
„Wir erfinden eine Million mal die verschiedensten Lösungen,
aber wenn wir nicht die Strukturen und Systeme schaffen,
um Wandel zu fördern, bleibt das, was getan werden könnte,
in Labors und Testgeländen.“
Solche Initiativen müssen eingreifen und den Mainstream
herausfordern. Die entstehende Allianz für „Naturkapital“ ist
so ein Ansatz, der den wirtschaftlichen Begriff des Kapitals
auf die natürlichen Ökosysteme ausdehnt, und er hat das
Potenzial, eine Veränderungsdynamik auszulösen.
Die transformativen Auswirkungen des Ansatzes einer Green
Economy wurden im Detail auf der Fair Ideas Konferenz des
IIED im Vorfeld zu Rio+20 diskutiert. Eine der wichtigsten
Schlussfolgerungen der Konferenz war, dass ein Ansatz zu
grünem Wirtschaften das Potenzial hätte, durch eine bessere
Nutzung der natürlichen Ressourcen Menschen aus der Armut
zu befreien. Das wäre auch kein Wettbewerbshemmnis oder
eine Bremse für die Entwicklung, wie viele befürchten. Doch
die Bedenken, die Viele in Rio zum Ausdruck brachten, sind
fundiert, und ein Green Business-Ansatz, der nicht vor allem
auf Armutsbekämpfung, Gerechtigkeit und ökologische Stabilität
im Interessen der ärmsten Länder und Menschen setzt,
wäre ein schwerer Rückschlag.
5. Durch Sustainable Development Goals Verbesserungen
nachvollziehbar machen und die Rechenschaftspflicht
verbessern.
Die Sustainable Development Goals könnten einen Kurs zu
einer gerechteren und nachhaltigeren Welt setzen. Um dies
zu tun, müssten sie die Probleme mit dem aktuellen, eben
nicht nachhaltigen Wirtschaftsmodell lokalisieren, welches
der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon treffend als ökologischen
„globalen Selbstmord-Pakt“ bezeichnete, und sie müssten
Verbesserungen und Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen
des Regierens nachvollziehbar machen. Das ist eine große
Herausforderung. Es bedeutet, mächtige Anspruchsgruppen
und Interessen herauszufordern und langfristiges Wohlergehen
über kurzfristige Vorteile zu stellen.
Wie man von dieser idealistischen Vision zu Zielvereinbarungen
kommen kann, ist derzeit bei weitem nicht klar. Sinnvolle
Ziele werden nicht in Verhandlungen zwischen Regierungen
auftauchen – und sie werden am meisten erst einmal denen
nützen, die große Veränderungen befürworten statt denen, die
in politischen Zwängen und Kompromissen gefangen sind. Die
Beziehung zwischen den SDGs und einem Post-Millennium
Development Goals-Rahmen für die internationale Entwicklungshilfe
ist ein weiteres, offenes Problem.
Viele Hindernisse liegen noch auf unserem Weg, aber wenn
aktuelles Denken gefordert wird und neue, messbare Umweltziele
auf den Weg gebracht werden, dann könnte der Rio+20
Gipfel doch noch ein wichtiges Erbe hinterlassen.
Quelle:
Publiziert unter csr-manager.org. Dieser Blog wurde ursprünglich auf der
IIED Website veröffentlicht und untersteht der Creative Commons Lizenz.
Übersetzung: Dr. Elmer Lenzen
32
globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
Rio+20 Corporate Sustainability Forum –
Summary Report
Im Vorfeld des UN-Klimagipfels hat der Global Compact als
Co-Veranstalter das „ Rio+20 Corporate Sustainability Forum“
durchgeführt. Im jetzt vorgestellten Konferenzbericht werden
die wichtigsten Ergebnisse und Forderungen aufgezeigt.
Unternehmen waren bei dieser Teilkonferenz wesentlich problembewusster
und lösungsorientierter als die Staatschefs.
CSR könne eine vitale Rolle zur Problemlösung spielen, so die
Autoren des Reports. Dabei müsse die langfristige Wertschöpfung
im finanziellen, sozialen, ökologischen und ethischen
Bereich geschärft werden. Der Global Compact will hierzu
in Zukunft gezielt auf kollaborative, internationale Initiativen
setzen und sich dort einbringen, um entsprechende qualitative
wie quantitative Reichweiten zu erzeugen. Der Report zeigt
hier entsprechende Akteure und Plattformen auf.
Innovation and Collaboration
for the Future We Want
15-18 June 2012
OvervIeW and OutCOmes
Summary report
Download: http://www.unglobalcompact.org/docs/news_
events/2012_CSF/Rio_CSF_Overview_Outcomes.pdf
Global Compact International Yearbook 2012
Global Compact
International Yearbook
Global Compact Implementation Survey 2011
2012
Mit weit über 7.500 Unternehmen ist der Global Compact in
jüngster Zeit rasant angewachsen. Doch wie ist die Einstellung
der Unternehmen zur Initiative? Wie hoch ist der Umsetzungsgrad
der Zehn Prinzipien? Wie sehen die Unterschiede
zwischen langjährigen Teilnehmern und Neumitgliedern aus?
Spannende Antworten auf diese und weitere Aspekte gibt die
empirische Studie „Global Compact Implementation Survey
2011“. Demnach beschäftigen sich 70 Prozent der teilnehmenden
CEOs mit Nachhaltigkeitsfragen und 44 Prozent der
Firmen haben eine entsprechende Strategie. Die Zahl der
CoPs stieg um 46 Prozent auf 4.150 im Jahr. 38 Prozent der
Unternehmen sind dabei der Meinung, dass der Global Compact
ihnen beim Ausbau der eigenen CSR-Strategie hilft. Vor
allem Langzeitmitglieder zeigen auch in schwierigen Themenfeldern
wie Lobbyarbeit und Menschenrechte eine deutlich
überdurchschnittliche Performance.
Schwerpunktthemen der Ausgabe sind der Rio+20 Summit,
Strategic Philantrophy und CSR in Lateinamerika sowie ein
ausführliches Dossier zum komplexen Themenfeld Corporate
Foresight. Dabei greift das Jahrbuch aktuelle Trends
und Themen aus dem CSR-Bereich auf: Es beleuchtet hierzu
einerseits die wichtigsten Inhalte und Argumente und zeigt
andererseits ganz praktisch Umsetzungsmöglichkeiten im
Unternehmen auf. Das zeigt spiegelt etwa im Kapitel „Strategic
Philantrophy“: Ausgangspunkt ist für viele Unternehmen
das klassische Spenden. Das lässt sich strukturieren, ausbauen
und in einen komplexeren CSR-Anspruch integrieren.
Das Jahrbuch enthält darüber hinaus Beiträge u. a. von Georg
Kell (UNGC), Kyle Peterson (FSG), Jerome Glenn (Millennium
Project) sowie Achim Steiner (UNEP). Außerdem veranschaulichen
Best Practice Beispiele von 42 Unternehmen aus verschiedensten
Teilen der Welt die Integration der zehn Prinzipien
des Global Compact in das jeweilige Unternehmensumfeld.
Download: http://csr-manager.org/en-wAssets/docs/
Yearbooks/GCYB_2012_final_screen.pdf
ANNUAL REVIEW OF BUSINESS
POLICIES & ACTIONS TO
ADVANCE SUSTAINABILITY
2011 Global Compact Implementation Survey
Download: http://www.unglobalcompact.org/docs/news_
events/8.1/2011_Global_Compact_Implementation_Survey.pdf
globalcompact Deutschland 2012 33
Agenda
Das Deutsche
Global Compact
Netzwerk
2012
Von Dr. Jürgen Janssen
Der nationale und internationale Rahmen für nachhaltige
Entwicklung und CSR hat sich auch in 2012 rasant weiter
entwickelt. Die CSR-Strategie der Bundesregierung befindet
sich in der Umsetzungsphase, die EU-Kommission hat einen
kontrovers diskutieren Vorschlag für eine CSR-Strategie der EU
vorgelegt, die neue Fassung der OECD-Leitsätze für Multinationale
Unternehmen gewinnt langsam an Bedeutung und die
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie
neue Regelungen zur Korruptionsbekämpfung in verschiedenen
Ländern heben die Diskussion um Unternehmensverantwortung
auf eine neue Ebene.
Vor diesem Hintergrund haben die Rio+20-Konferenz sowie
das Corporate Sustainability Forum in ihrem Umfeld viele
Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
zusammengebracht. Trotz einer Reihe dort veröffentlichter
Selbstverpflichtungen („commitments“) vor allem von Unternehmen
und Netzwerken sowie der Ansprache der zentralen
globalen Herausforderungen hat sich in Rio aber auch wieder
gezeigt, dass die Vereinbarung ambitionierter und messbarer
Nachhaltigkeitsziele international derzeit nicht konsensfähig
ist. In diesem Umfeld kommt dem Global Compact als weltweiter,
wirtschaftsgetriebener Multi-Stakeholderinitiative der
UN eine zentrale Rolle zu. Die zehn Prinzipien des Global
Compact fordern alle Teilnehmer unabhängig vom jeweiligen
regulatorischen Rahmen auf, ihre Unternehmensführung auf
Nachhaltigkeit und Verantwortungsübernahme auszurichten
und damit zumindest mittelbar zu einer nachhaltigen Entwicklung
weltweit beizutragen.
Die im Deutschen Global Compact Netzwerk (DGCN) zusammengeschlossenen
rund 300 deutschen Teilnehmer des Global
Compact übersetzen diese Anforderung seit nunmehr zehn
Jahren in konkrete Arbeitsprogramme und Formate. In 2012
war einer der Höhepunkte des Arbeitsprogramms die Konferenz
„The Green Economy 2012 – Business Contribution to
Securing Sustainability“ in Arnheim, die das niederländische
Global Compact Netzwerk zusammen mit dem DGCN veranstaltet
hat. Über 200 Teilnehmer aus den Niederlanden und
Deutschland diskutierten im Vorlauf zur Rio+20-Konferenz und
dem Corporate Sustainability Forum die Einflussmöglichkeiten
von Unternehmen auf die soziale, Umwelt- und finanzielle
Dimension der Nachhaltigkeit. Neben den Netzwerkveranstaltungen
und dem Ausbau des Coaching-Angebots wurden in
2012 eine Reihe von Initiativen und Instrumenten aufgegriffen
und in die Breite getragen. An dieser Stelle sollen nur einige
hervorgehoben werden:
• Bereits 2010 veröffentlicht, gewinnen die Women Empowerment
Principles, die gemeinsam von UN Women und Global
Compact entwickelt wurden, in Deutschland nur langsam
Bekanntheit. Zusammen mit UN Women Deutschland und
BPW Germany e. V. hat das DGCN die deutsche Fassung der
Prinzipien im Rahmen eines öffentlichen Fachgesprächs mit
ca. 100 Teilnehmern vorgestellt und wird deren Verbreitung
weiterhin aktiv vorantreiben.
• Zusammen mit UNICEF und Save the Children hat das
DGCN die Children’s Rights and Business Principles über-
34
globalcompact Deutschland 2012
Gemeinsame Konferenz des deutschen und
niederländischen Global Compact Netzwerks in der
Eusebius-Kirche in Arnheim im Frühjahr 2012
setzt. Die deutsche Fassung mit dem Titel „Kinderrechte
und unternehmerisches Handeln“ wird Anfang 2013 mit
Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung veröffentlicht.
• Viele Unternehmen stehen bei der Umsetzung des 10. Prinzips
des Global Compact vor besonderen Herausforderungen.
Mit der Übersetzung des Schulungsinstruments
RESIST und der Entwicklung eines Coachings zum Thema
Korruptionsbekämpfung und Compliance erhalten Global
Compact Unternehmen in Deutschland zukünftig weitere
Unterstützung in diesem Bereich.
• Das Interesse der Global Compact Teilnehmer am Thema
Nachhaltigkeit in der Lieferkette ist weiterhin sehr groß. Das
DGCN hat daher den Global Compact Leitfaden „Nachhaltigkeit
in der Lieferkette“ übersetzt, das Online-Tool „Kompass
Nachhaltigkeit“ überarbeitet und ein darauf auf bauendes
Unternehmenscoaching organisiert.
• Das DGCN unterstützt seine Teilnehmer im Bereich Berichterstattung
durch die Bereitstellung von deutschsprachigen
Informationsmaterialien sowie im Rahmen von Webinaren
zur „Communication on Progress (CoP)“.
Um dem weitergehenden Bedarf der Netzwerkteilnehmer
gerecht zu werden, entwickelt die Geschäftsstelle aktuell
ein softwarebasiertes Berichtstool, das auf Seite 37 dieses
Jahrbuchs ausführlich vorgestellt wird.
Seit 2008 bildet das Thema Wirtschaft und Menschenrechte
einen wichtigen Schwerpunkt der Netzwerkarbeit. Die Geschäftsstelle
bietet den DGCN-Teilnehmern mittlerweile ein
umfassendes, aufeinander auf bauendes Angebot an Informations-,
Lern- und Dialogformaten an, das sowohl für Einsteiger
als auch für fortgeschrittene Unternehmen wertvolle
Unterstützung aufzeigt.
DGCN-Arbeitsprogramm
„Wirtschaft und Menschenrechte“
Arbeitstreffen
• Lern- und Dialogforum
• Workshops und Fachgespräche
zu wechselnden
Themen im Multi-Stakeholder-
Format
• „Organizational Capacy
Assessment Instrument“
• Eigene Kapazitäten online
analysieren und mit der Umsetzung
einer MR-Strategie
beginnen
OCAI-Tool
Coaching
• Erkennen und Bewerten von
Menschenrechtsrisiken
• Praktische Umsetzung unternehmerischer
Verantwortung
im Managementsystem
• Coaching Alumni Gruppe
• Regelmäßiger Austausch über
eigene Projekte, Erfolge und
neue Herausforderungen
• Strukturiertes Lernen
Lerngruppe
globalcompact Deutschland 2012
35
Agenda
human rights policy“ ins Deutsche – „Menschenrechtsstrategien
entwickeln“ – steht Unternehmen ein Ratgeber für die
Umsetzung der zweiten Säule der UN Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte zur Verfügung. Auch die vertiefte
Partnerschaft mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte
(DIMR) zeigt erste Früchte: Das Handbuch „Menschenrechte
achten“ gibt einen kurzen und prägnanten Überblick über
die Vielfalt der Thematik und beschreibt dann anhand von
Fallbeispielen, wie Unternehmen die verschiedenen Menschenrechte
positiv, aber auch negativ beeinflussen können.
Über die Förderung der Umsetzung der UN Leitprinzipien
für Wirtschaft und Menschenrechte hinaus wurden die menschenrechtlichen
Aspekte von Diversity und Inklusion näher
beleuchtet. Hierzu fanden zwei Workshops im Rahmen der
Arbeitstreffen statt, bei denen die Themen zunächst allgemein
auf bereitet und dann in ihrer Relevanz für die Lieferkette
betrachtet wurden. Eine ausführliche Beschreibung findet
sich im entsprechenden Hintergrundpapier.
Besonders im Bereich Tools und Ressourcen hat das DGCN
sein Angebot ausgedehnt. Mit dem Launch der neuen DGCN-
Homepage konnte das im Rahmen der Lerngruppe mit einem
externen Partner entwickelte OCAI (Organisational Capacity
Assessment Instrument) als frei zugängliches Online-Tool
in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht werden.
Es wurde mittlerweile von einer Reihe von Unternehmen
als Einstiegsinstrument verwendet und wird von mehreren
Organisationen empfohlen. Eine Übersetzung in weitere
Sprachen ist geplant.
Darüber hinaus schaffen zwei aktuelle Publikationen einen
besseren Zugang zum Thema Menschenrechte: Mit der Übersetzung
der Global Compact Publikation „How to develop a
Über den Autor:
Dr. Jürgen Janssen ist Mitarbeiter in der Geschäftsstelle des DGCN und Kontaktperson
des UN Global Compact in Deutschland.
Ausblick 2013
Während 2012 von den Vorbereitungen des Corporate Sustainability
Forums unmittelbar vor dem Rio+20 Gipfel, dem Ausbau
bei den Umsetzungstools und Coachings sowie vom starken
Wachstum des Netzwerks geprägt war, wird im DGCN 2013 u. a.
die Einführung des CoP-Tools, der Ausbau des Angebots rund
um das 10. Prinzip sowie die weitere Vertiefung der Arbeit an
den Themen Menschenrechte und Arbeitsnormen im Fokus
stehen. Dabei sollen die in 2012 begonnen Kooperationen mit
anderen Global Compact Netzwerken weiter ausgebaut werden.
Auf der internationalen Ebene bereitet der UN Global Compact
den Leaders Summit im Herbst vor, zu dem nach 2010 wieder
wichtige Führungspersönlichkeiten in New York erwartet werden.
Für die unmittelbare Arbeit in unserer Multi-Stakeholder-
Initiative wird aber vor allem die geplante Neuausrichtung
des Verhältnisses und der Zusammenarbeit zwischen dem
UN Global Compact, seiner Arbeitsgruppen und Initiativen
einerseits und den mittlerweile über 100 lokalen Netzwerken
mit ihren sehr unterschiedlichen Charakteristika andererseits
von großer Bedeutung sein.
In diesem Umfeld werden die Unternehmen, zivilgesellschaftlichen
Organisationen und politischen Institutionen im DGCN
auch in 2013 an der Umsetzung ihrer ambitionierten Nachhaltigkeitsziele
arbeiten. Mit Blick auf die vielfach sehr langsamen
oder gar blockierten internationalen politischen Prozesse wollen
die Teilnehmer des DGCN zeigen, dass zukunftsgerichtete,
nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung
sowohl zu einer gerechteren Globalisierung und zum Schutz
unserer natürlichen Lebensgrundlagen beitragen als auch
den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen
sicherstellen kann.
Stets aktuelle Informationen zur Netzwerkarbeit sowie Instrumente und
Ressourcen finden Sie unter www.globalcompact.de
36
globalcompact Deutschland 2012
Inside UNGC
CoP-Tool
des Deutschen
Global Compact
Netzwerkes
Für die meisten im DAX gelisteten Unternehmen ist CSR-Reporting heute selbstverständlich. Für die Teilnehmer
des UN Global Compact gehört der Fortschrittsbericht (Communication on Progress - COP) zu den Pflichten
innerhalb der Initiative. Um auch kleinen und mittelständischen Unternehmen eine einheitliche und den Anforderungen
entsprechende Berichterstattung zu gewährleisten, bietet das Deutsche Global Compact Netzwerk jetzt
eine spezielle Software an.
Von Dennis Lohmann
Die Bedeutung von Reporting ist auch deshalb wichtig, weil
die Richtlinien des Global Compact von weltweit operierenden
Firmen fordern, ihr Nachhaltigkeitsmanagement
auf Zulieferbetriebe auszudehnen. Ein professionelles CSR-
Reporting wird für viele kleinere und mittlere Unternehmen
daher zukünftig von entscheidender Bedeutung sein. Dabei
geht es nicht darum, in allen Bereichen von vornherein gute
Ergebnisse vorweisen zu können, sondern Transparenz nach
internationalen Standards herzustellen.
Zehn Prinzipien & vier Felder von Nachhaltigkeit
Ausgehend von den zehn Prinzipien des Global Compact
unterteilt die neue Software die Nachhaltigkeitsberichterstattung
daher auch logisch in die vier Bereiche: Menschenrechte,
Arbeitsnormen, Umweltschutz sowie Korruptionsbekämpfung.
Vorab werden jedoch erst einmal die Basisdaten erhoben,
die in einer Matrix auf Excell-Basis eingebunden werden. Zu
diesen gehören unter anderem Kennzahlen wie Jahresumsatz,
Berichtszeitraum oder Branche des Unternehmens, aber auch
Fragen zur Implementierung von CSR in Managementstrukturen.
In einer weitgehend funktional gestalteten Maske werden
die Nutzer anschließend durch die vier Kernbereiche geführt.
Grundlegend unterscheidet das System dabei zwischen Indikatoren
und Nachhaltigkeitsfragen:
• Zu den Indikatoren werden dabei etwa Fakten wie die
Gesamtwasserentnahme, der Anteil der Mitarbeiter, die
spezielle Schulungen zu den einzelnen Bereichen erhalten
haben, oder der Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft
beziehungsweise in Führungspositionen gezählt. Die
Möglichkeit, bei bestimmten Punkten keine Angaben zu
machen, steigert an dieser Stelle zwar die Kompatibilität
der Software mit verschiedenen Unternehmen, allerdings
sollten die Macher deutlich vermerken, welche Fragen in
jedem Fall beantwortet werden müssen.
• Ein zweiter Komplex behandelt anschließend Fragen zur
Nachhaltigkeit. Diese decken Teilbereiche der CSR-Strategie
eines Unternehmens ab, die sich nicht oder nur schwer in
eindeutigen Zahlen ausdrücken lassen. Hier geht es vor allem
um Zielsetzungen, Mechanismen zur Umsetzung oder auch
die Zuordnung eines Themas innerhalb der Managementstruktur.
Hier sind die CSR-Verantwortlichen gefragt, die
Strategie inhaltlich knapp und präzise auszuformulieren.
Fazit
Insgesamt bietet die Software eine übersichtliche Struktur und
eine ansprechende Schlussdokumentation. Für Einsteiger beim
Thema CSR-Reporting wären kurze Erläuterungen – wie sie z. B.
GRI anbietet – sehr hilfreich. Die Stärken liegen erkennbar
darin, per Knopfdruck ein Reporting generieren zu können.
Das Tool wird im Januar 2013 veröffentlicht und gegen eine
Schutzgebühr zunächst nur Global Compact Unternehmen
zur Verfügung gestellt. Informationen:globalcompact@giz.de
globalcompact Deutschland 2012
37
Agenda
Green
Business
38
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
globalcompact Deutschland 2012
39
Agenda
Green Business
im Kontext sich ändernder
Lebensstile
Es ist ein Symbol, das aus der Nachhaltigkeits- und Umweltbewegung nicht wegzudenken ist:
das Bild unseres blauen Planeten. Es möchte dem Betrachter unzähliger Logos, Präsentationen
und Buchdeckel ins Bewusstsein rufen, dass wir nur diese eine Erde haben und dass ihre Ressourcen
endlich sind. One-Planet-Living ist ein Ansatz, der verdeutlicht, dass vor allem nordamerikanische
und europäische Lebensstile dieser Tatsache nicht gerecht werden. Wäre der durchschnittliche
europäische Lebensstil auf der ganzen Welt verbreitet, benötigten wir langfristig die
Ressourcen von drei Erden; dem nordamerikanischen Lebensstil entsprächen fünf Planeten.
40
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Von Dr. Christina Raab, Isabell Ullrich und Sarah Beckers
Sinkende Rohstoff bestände und dementsprechend steigende
Preise verlangen ein Umdenken weg von punktuellen Betrachtungen
hin zu langfristigen Herangehensweisen. Produktion
und Konsum sind eng verwoben mit alltäglichen Verhaltensmustern
und Gewohnheiten der Menschen. Dabei geht es um
Bereiche des alltäglichen Lebens wie Fortbewegung, Wohnen,
Ernährung oder Gesundheit. Nicht nur das Konsumverhalten
sondern ganze Lebensstile müssen sich wandeln, um dem
One-Living-Ansatz gerecht zu werden. Viele Individuen und
Unternehmen haben dies verstanden und für sich und ihre
Gesellschaft neue Wege, Initiativen und Geschäftsmodelle
gefunden, die nachhaltigere Lebensstile ermöglichen. Dies
geht einher mit einem Wertewandel zum Beispiel von der
Wegwerfgesellschaft hin zu nachhaltigerem Konsum und
vom Besitz eigener Güter hin zu gemeinschaftlicher Nutzung.
Neben der Politik und der Zivilgesellschaft nimmt die Wirtschaft
eine Schlüsselrolle bei diesem Prozess ein. Es geht
nicht mehr nur darum, möglichst fair gehandelte und ökologisch
produzierte Waren zu verkaufen, sondern auch darum,
Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die
nachhaltigere Lebensstile ermöglichen und im besten Fall eine
„Green Economy“ vorantreiben. Dies stellt nicht nur eine Notwendigkeit
dar, sondern birgt eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Neue Lebensstile schaffen neue Märkte, die genutzt werden
können, um in einer Welt immer schnellerer Veränderung
wettbewerbsfähig zu bleiben.
Um jedoch langfristig einen Trend und eine Wandlung hin
zu nachhaltigeren Lebensstilen zu schaffen, bedarf es einer
Reihe aufeinander aufbauender Maßnahmen, die zunehmend
zukunftsorientiert und innovativ angelegt sind. Im operativen
Bereich lässt sich zunächst mit vorhandenen Produkten und
Gütern arbeiten, indem man sich entlang der Wertschöpfungskette
für mehr Effizienz und eine sozial- und umweltverträgliche
Produktion einsetzt. Bereits hier ist es wichtig, über den
eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und Zulieferer und andere
Akteure der Wertschöpfungskette mit einzubeziehen. So kann
beispielweise ein Einzelhandelsunternehmen sich nicht nur
für geschlossene Kühltheken in den Filialen entscheiden, um
selbst Energie zu sparen, sondern ressourcenschonende Praktiken
in die vorgelagerten Wertschöpfungskettenschritte, wie
Produktion und Rohstoffanbau, tragen oder zur Voraussetzung
für Belieferungen machen. Denn umfassendes nachhaltiges
Wirtschaften und innovative Nachhaltigkeitslösungen lassen
sich zunehmend nur mehr in Kooperation erzielen. Dies wird
auch durch eine vom Collaborating Centre on Sustainable
Consumption and Production (CSCP) im Jahre 2011 durchgeführte
Studie untermauert, welche sich mit Nachhaltigkeit in
der deutschen Konsumgüterindustrie befasst. Dabei wurden
35 Stakeholder aus Gesellschaft und Politik, sowie aus der
Konsumgüterwirtschaft selbst befragt. Neben Klimaschutz und
nachhaltiger Ressourcen- und Landnutzung wurden Aspekte
wie Produkttransparenz, faire Handelspartnerschaften und
Kooperationen und die Förderung nachhaltiger Konsummuster
als die fünf Schlüsselthemen identifiziert.
Dies belegt, dass die Wertschöpfungskette der Produktion nur
ein Teil des Ganzen ist. Auch in der anderen Richtung des
Lebenszyklus des Produkts verbirgt sich großes Potenzial. Die
Umwelteinflüsse der eigentlichen Nutzung des Produkts durch
den Konsumenten werden oftmals noch vernachlässigt. Selbst
ein umweltschonendes Waschmittel, das bei sehr niedrigen
Wassertemperaturen vollkommene Sauberkeit garantiert, kann
in seinem Nachhaltigkeitsprofil weit nach unten rutschen, wenn
es aus Gewohnheit des Nutzers doch bei 60 Grad eingesetzt
wird. Ein nachhaltiges Produkt funktioniert hier nur, wenn
nicht nur das Kaufverhalten, sondern vor allem die alltäglichen
Lebensumstände und damit das Verbraucherverhalten in die
Überlegungen der Produktentwicklung und -kommunikation
mit einbezogen werden.
In einer vom CSCP in 2012 durchgeführten Studie über verbrauchergerechte
Kommunikation durch Unternehmen wurde
der Wandel zu einem nachhaltigen Verbraucherverhalten als
überdurchschnittlich relevant bewertet. In der Befragung von
40 führenden, multinationalen Unternehmen insbesondere aus
dem Bereich Handel (Lebensmittel und Textil) und Markenhersteller
des produzierenden Gewerbes (Textil, Möbel, Dienstleistungen)
wurde deutlich, dass das Verbraucherverhalten >>
globalcompact Deutschland 2012
41
Agenda
in der Zukunft als ein Kommunikationsziel von Unternehmen
noch an Bedeutung gewinnen wird. Dies wäre zu begrüßen,
da dies zum einen das Potenzial birgt, die Kommunikation
noch näher an den Gewohnheiten der Verbraucher zu orientieren
anstatt den Fokus nur auf Produktionsbedingungen zu
richten. Zum anderen besteht mit diesem neuen Fokus die
Möglichkeit, Konsum- und Lebensstile nachhaltiger zu gestalten.
Demnach kommt dem Einbeziehen von Verbrauchern
in Unternehmensentscheidungen und einer zielgerichteten
Verbraucherbildung wesentliche Bedeutung zu.
Solche Informations- und Bildungsangebote findet man in
den letzten Jahren immer häufiger bei Stromanbietern. Von
Privatisierung und Marktöffnung getrieben gehen sie vermehrt
auf Kunden ein, indem sie ihre Strategie auf effiziente Nutzung
umstellen. Least Cost Planning ist dabei das Grundprinzip, das
die Kosten aller Beteiligten minimieren soll, und somit nicht
nur für die direkt beteiligten Konsumenten und Produzenten
einen Vorteil schafft, sondern auch die Energieressourcen
zukünftiger Generationen schont. Für Maßnahmen, die sich
auf die Nutzung des Produkts beziehen, bedarf es jedenfalls
eines ganzheitlichen Verständnisses von Nachhaltigkeit und
eines erweiterten Dialogs mit Konsumentenvertretern.
Der nächste logische Schritt entlang des Produktlebenszyklus
ist die Verwertung. Hier hat sich der Anglizismus „Up-cycling“
für innovative, nachhaltige Ideen eingebürgert. Es geht also
nicht mehr um das reine Recycling, bei dem ein Produkt oder
eine Verpackung wiederverwendet wird, sondern explizit um
die Aufwertung des Materials bzw. Abfalls in neue, nützliche
Produkte. Immer mehr Up-cycling-Produkte erscheinen im
Konsumgüterbereich, angeführt von Pionieren wie Patagonia
und Royal Robbins, doch auch Nobelmarken wie Hermes
nutzen inzwischen das Up-cycling Prinzip für die Schaffung
neuer Produkte aus ihren Birkin Bags. Nachhaltigkeit ist chic
geworden. Auch das britische Unternehmen Worn Again
macht sich dieses Potential zunutze. Es setzt solche Aufwertungsprojekte
vor allem innerhalb von Unternehmen um. Aus
Sitzschonern und Regenmänteln des Zugbetreibers Eurostar
fertigte Worn Again maßgeschneiderte Taschen für die Zugbegleiter.
So werden einerseits Materialkosten, andererseits
teure Abfallgebühren eingespart. Diese Trends entstehen und
verbreiten sich hauptsächlich über das Internet und Online-
Marketing- und Vertriebskanäle.
Zudem haben ausgehend vom Konzept des Tauschens, Teilens
und Leihens vor allem Online-Plattformen jüngst großen Zuspruch
erhalten. Hier entwickeln sich oft aus dem Non-Profit-
Bereich heraus lukrative Modelle. So können die Nachfolger
von Couchsurfing.org, Betreiber von Wohnraum-Tauschbörsen
wie AirBnB.com oder 9flats.com, Gewinne verzeichnen, indem
sie an Buchungen in Form einer Marge beteiligt werden.
Dieses Beispiel ist außerdem beschreibend für den Übergang
vom Produkt hin zur nachhaltig angelegten Dienstleistung. So
hat beispielsweise der Waschmaschinen-Hersteller Electrolux
in schwedischen Kommunen das Konzept eines Wasch-Centers
entwickelt. In Kooperation mit Serviceanbietern und Hausverwaltungen
vor Ort stellt die Firma Ausstattung und Service
für die Wasch-Center zur Verfügung. Anwohner müssen für
die Nutzung eine monatliche Gebühr entrichten, sich aber
nicht um die Maschinen kümmern. Für Reparaturen und
Ersatz sorgen lokale Dienstleister. Electrolux begleitet den
Prozess von der Entwurfsphase an, übernimmt die Installation
und Ausbildung und berät zu Umweltfragen, Marktanalysen,
Mietverträgen und der Finanzplanung. Zusätzlich stellt das
Unternehmen den Ausstattern, Mieterverbünden und Wohnungsbaugesellschaften
Erfahrungswerte bei der Implementierung
gemeinsamer Richtlinien für die Einrichtung und
Nutzung eines Wasch-Centers zur Verfügung.
Die Idee des Telecomputing geht noch einen Schritt weiter
zur Quelle des nachhaltigen Tausch-Trends. Online Netzwerke
und Social Media sind eine der bedeutendsten Treiber dieser
Entwicklung. Rachel Botsman und Roo Rogers stellen 2010
in „What’s mine is yours“ fest, dass 78 Prozent der Befragten
einer Studie angaben, Online-Interaktionen habe ihre Offenheit
für das Tauschen und Teilen mit Fremden gesteigert.
Durch die Social Media Revolution sind Vertrauensbarrieren
gefallen und dadurch eine Fülle von neuen Möglichkeiten
geschaffen worden.
Telecomputing-Anbieter nutzen diese Möglichkeit und den
Bedarf, der sich aus dem rasanten Fortschritt der Computertechnologie
ergibt. Sie bieten Rechenleistung und Speicherplatz
von externen Servern an und machen damit auch den
Schritt vom Produkt zur Dienstleistung. Der Nutzer zahlt
nicht mehr für eine Produkt – Software, eine Festplatte oder
einen Prozessor – sondern für die Nutzung dieser Produkte.
Der Produktlebenszyklus wird verlängert, die Rechenleistung
auf dem zentralen Servers geteilt und damit effizienter
genutzt. In der Zukunft könnte das so aussehen, dass man
sein Smartphone im Büro an die Steckdose anschließt und
während des Ladevorgangs wird die Rechenleistung des Geräts
dem unternehmensinternen Netzwerk zur Verfügung gestellt.
Die Herausforderung endlicher Ressourcen bei einem wach-
42
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Etappen auf dem Weg zum Wertewandel
Zukunft
Sozialer Wandel
Pioniere des
Wertewandels
Verwertung
Gebrauch
Neue
nachhaltigere
Produkte
und Service-
Innovationen
Integrative,
serviceorientierte
Geschäftsmodelle
Neue
Lebensstile
Distribution
Up-cycling
und innovativer
After-Sales
Service
Neue Produkte,
Services,
Geschäftsmodelle
Produktion
Verbesserte
Produkt-
Performance im
Lebenszyklus
Rohstoffe
Produktion
existierender
Produkte
nachhaltiger
gestalten
Vorhandene
Produkte und
Services
Operativ
strategisch wirkungsorientiert
Quelle: CSCP
Gegenwart
senden Bedürfnis nach Wohlstand und die damit einhergehenden
Veränderungen von Lebensstilen kann also nicht nur als
Hürde, sondern auch als Chance begriffen werden. Dahinter
steht die Notwendigkeit nach Produkten, Dienstleistungen
und Geschäftsmodellen, die One-Planet Living ermöglichen
und zunehmend etablieren. Um dies zu erreichen sind neben
ganzheitlichen, systemischen Betrachtungsweisen auch
Innovation und Kooperation unabdingbar. Gerade auf Innovationsprozesse
angewandt, kann der Gedanke des Teilens und
Tauschens völlig neue Produktentwicklungen frei setzen und
neuartige Geschäftsmodelle zu Tage bringen. Die Einbeziehung
von verschiedenartigen Akteuren und das gezielte Vereinen
von unterschiedlichen Sichtweisen bildet den strategischen
Überbau einer Entwicklung hin zu neuen Lebensstilen und
einer nachhaltigeren Gesellschaft. Diesen Anspruch sollte
auch Green Business im Kontext sich ändernder Lebensstile
für sich geltend machen.
Über die Autoren:
Dr. Christina Raab, Isabell Ullrich und Sarah Beckers arbeiten am Collaborating
Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP).
globalcompact Deutschland 2012
43
Agenda
InnovationsFörderung
durch
Green Business
Wie kann Wachstum funktionieren ohne zur Belastung des Klimas oder der knapper werdenden
Ressourcen zu führen? Eine Antwort hierauf ist das Konzept von „Green Business“, mit dessen
Hilfe dieser Widerspruch aufgelöst werden soll: Nachhaltige Entwicklung bei einer gleichzeitigen
Begrenzung von Wachstum. Wichtige Impulse erwarten sich Experten vor allem für die Bereiche
Informationstechnologie, Mobilität and Gebäude.
Von Dennis Lohmann
Green I T
Der Begriff „Green I T“ beschreibt Angebote, die darauf abzielen,
die Produktion und den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien
(I K T) umwelt- und ressourcenschonend
zu gestalten. Politiker in Deutschland und Europa messen
„Green I T“ mittlerweile eine entscheidende Bedeutung bei der
Erreichung von Klimaschutzzielen und dem Umbau zu einer
nachhaltigen Wirtschaft bei. Zahlen des Wissenschaftlichen
Dienstes des Deutschen Bundestages belegen, dass alleine 2007
der weltweit durch den Betrieb von I T-Geräten und -Anlagen
verursachte Stromverbrauch für mehr als zwei Millionen
Tonnen CO 2
verantwortlich ist – in Deutschland liegt der
Anteil des I T-bedingten Stromverbrauchs bei über zehn Prozent.
Gerade im Bereich der Rechenzentren gibt es große Potenziale,
den Energieverbrauch zu reduzieren. Grundlage sind an dieser
Stelle ganzheitliche Analysen, die alle wichtigen Elemente
wie Server, Umluftkühler, Raumvolumen und Deckenhöhe
einbeziehen. So kann der Energieverbrauch zum Beispiel
durch eine moderate Steigerung der Raumtemperatur gesenkt
werden, gleichzeitig drehen sich die Lüfter der Server aber
schneller, was wiederum zu steigendem Stromverbrauch führt.
Eingesetzt werden darüber hinaus schon heute Systeme, bei
denen die entstehende Wärme für Heizanlagen genutzt oder
Außenluft als Kühlung eingesetzt wird.
Gleichzeitig bieten die IK T Lösungen, um das Energiemanagement
von Unternehmen und Privathaushalten zu optimieren.
Unter den Stichworten Smart Buildings, Smart
Logistics, Smart Grid und Smart Motors verstehen Experten
die unterschiedlichen Möglichkeiten, durch den gezielten
Einsatz von IK T-basierten Lösungen den Energiebedarf zu
senken. Unternehmen, die sich auf diese Bereiche spezialisiert
haben, verweisen dabei auf die Potenziale, die zum Beispiel
in intelligenten Licht- und Energiesteuerungssystemen, der
Dematerialisierung von Geschäftsprozessen (Virtual Conferencing,
E-Media, E-Dokument, E-Paper) oder einer verbesserten
Logistikplanung liegen.
Gerade dem Bereich Energieverwaltung (Smart Grid) werden
hohe Wachstumspotenziale bescheinigt. Die durch die Energiewende
beförderte dezentrale Produktion und Verteilung
von Strom kann nur mit intelligenten Steuerungssystemen
funktionieren. Eines der größten Probleme ist dabei, zu allen
Zeiten eine ausreichende Menge an Strom vorzuhalten. I T-
Lösungen, die Strom für Waschmaschine, das Elektroauto oder
ausgesuchte Produktionsanlagen nur dann abrufen, wenn er
gerade im Überfluss vorhanden und damit auch günstig ist,
versprechen Abhilfe für Anbieter und Verbraucher.
44
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Green Mobility
Mobilität bestimmt unser Leben und ist eine Grundvoraussetzung
für das globalisierte Wirtschaftssystem. Die wachsende
Weltbevölkerung und steigender Wohlstand in Schwellen- und
Entwicklungsländern werden die Mobilität jedoch grundlegend
verändern. Die Studie „Verkehr 2050“ des Frauenhofer Instituts
aus dem Jahr 2011 spricht in diesem Zusammenhang von
einer „Entschleunigung“ des Lebens. Demnach habe in den
heute entwickelten Ländern der Besitz eines eigenen PKW als
Statussymbol durch steigende Energiekosten und eine weiter
zunehmende Verstädterung des Lebens ausgedient.
Der in der Studie prognostizierte Ölpreis von bis zu 250 US $
pro Barrel läutet zusätzlich das Ende herkömmlicher Verbrennungsmotoren
ein. Durch City-Limits versucht die Politik
zudem bereits heute, den Zeitvorteil des Autos gegenüber Bus,
Bahn oder Fahrrad zu reduzieren. Langfristig soll das zu einem
Bedeutungszuwachs von Car- und Bike-Sharing-Modellen
führen, die durch flexible Nutzungs- und Bezahlmodelle
ihre Attraktivität gegenüber heutigen Ansätzen erheblich
steigern können.
Für die Automobilhersteller bedeutet dies eine erhebliche
Umstellung ihres Business Case. „Die werden sich ein zweites
Standbein schaffen müssen“, glaubt Dr. Wolfgang Schade,
Leiter des Geschäftsfeldes Verkehrssysteme beim Fraunhofer-
Institut für System- und Innovationsforschung, und verweist
Green Building
Der schon heute zu beobachtende Trend der Verstädterung
gesellschaftlichen Lebens wird sich auch in Zukunft fortsetzen.
Viele Staaten, die heute noch als Entwicklungsländer
bezeichnet werden, wandeln sich zunehmend von einer Agrar-
zu einer Güter- und Dienstleistungsgesellschaft. Die Folge
sind wachsende Städte und eine Fokussierung des Lebens auf
urbane Ballungszentren. In deren Umfeld kommt es dadurch
zu einer zunehmenden Verknappung von Ressourcen. Einige
Schätzungen gehen daher davon aus, dass die Investitionen
für städtische Infrastruktur sich im Jahr 2030 weltweit auf bis
zu 40 Billionen US $ belaufen werden. Die urbanen Ballungszentren
müssen so angelegt werden, dass Müllaufkommen
jedweder Art minimiert werden, die natürliche Biodiversität
erhalten werden kann und die Grundbedürfnisse der Bewohner
möglichst energie- und ressourcenschonend gedeckt
werden können.
Auch vor dem Hintergrund der Energiewende und der damit
verbundenen Ziele bei der Senkung von CO 2
-Emissionen
wird daher immer wieder auf den Gebäudebestand in Europa
verwiesen. Aus gutem Grund: Mehr als 40 Prozent des Energieverbrauchs
und 35 Prozent der Treibhausgas-Emissionen
entstehen momentan durch den Strom- und Heizungsverbrauch
in Gebäuden. Ein verantwortungsvolles Management, inklusive
einer energetischen Sanierung von Altbeständen und der Förderung
von energieschonenden Neubauten, ist Teil der Lösung.
auf Smarts erfolgreiches Konzept Car2go oder BMWs neue Submarke
BMW i, die ein komplettes Mobilitätskonzept inklusive
Car-Sharing etablieren soll. Auch die Forscher des Instituts für
Zukunftsforschung und Wissensmanagement (I F K) gehen davon
aus, dass sich Anbieter in Zukunft den neuen Gegebenheiten
anpassen müssen. In ihrem „Barometer zur Mobilität der Zukunft“
sprechen sie in diesem Zusammenhang von „Mobilitätsclustern“:
diese bieten Verbrauchern ein Höchstmaß an
Informationen und vernetzen die unterschiedlichen Anbieter
und Angebote und regeln Zahlungs- und Buchungsoptionen.
Möglichkeiten gibt es viele: Von einer neuen Dämmung über
die Installation von Solarfassaden bis hin zum Einsatz innovativer
Wärmerückgewinnungssysteme werden viele Lösungen
schon heute in der Gebäudetechnik angewandt. Gerade für
Unternehmen sind langfristige Einsparpotenziale wichtige
Handlungstreiber bei der Modernisierung ihrer Gebäude, berichtet
die Studie „Green Buildings“ der HypoVereinsbank aus
dem Jahr 2011. Gleichzeitig fällt auf, dass für Privathaushalte
neue Vorgaben seitens der Politik und steigende Heizkosten
ein Umdenken zunehmend attraktiver machen.
globalcompact Deutschland 2012
45
Agenda
Interview
Green Economy –
Ein neues Wirtschaftswunder ?
Green Economy war im Juni 2012 zentrales Thema des Umweltgipfels
Rio+20. Doch was kommt danach? Green Economy ist
vor allem eins: eine Chance für wirtschaftliche Entwicklung, Armutsbekämpfung
und Umweltschutz weltweit, aber besonders
auch für Deutschland. Bundesforschungsministerin Annette
Schavan und Bundesumweltminister Peter Altmaier wollen
mit einer gemeinsamen Initiative den Umbau der Wirtschaft
zu einer nachhaltigen „Green Economy“ beschleunigen. Im
Interview stellte sich Forschungsministerin Annette Schavan
Fragen zu Nachhaltigkeit und Green Business.
Die Staatengemeinschaft tut sich oft schwer, das hat die Folgekonferenz
Rio+20 wieder gezeigt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Annette Schavan: Sie sind immerhin Schritte in die richtige
Richtung. Nehmen Sie das in Rio verhandelte Konzept einer
umweltgerechten und Ressourcen schonenden „Grünen Ökonomie“.
Das ist eine neue Form des Wirtschaftens. Wichtig
ist: Wir müssen Wirtschaft, Umwelt und Soziales durch eine
Kultur der Nachhaltigkeit in Einklang bringen – so wie es
eben in Leutkirch schon geschieht. Ökonomie und Ökologie
gehören zusammen. Nur so kann es gelingen, globale Probleme
wie Hunger, Bevölkerungsexplosion, Klimawandel
und Artensterben zu besiegen. Wir brauchen eine gerechte
Wirtschaftsordnung, die es allen Menschen ermöglicht, an
Entwicklung, Bildung und Wohlstand teilzuhaben. Nachhaltiges
Handeln und Wohlstand sind zwei Seiten einer
Medaille – siehe Leutkirch.
In Rio ging es vor allem um Politik. Welche Rolle spielt da überhaupt
noch Wissenschaft und Forschung?
Schavan: Wissenschaft und Forschung wurden in Rio ernster
genommen denn je. Die Forschung ist klar in der Mitte
der Gesellschaft angekommen. Sie gibt uns wissensbasierte
Handlungsalternativen an die Hand, mit deren Hilfe wir
die großen Probleme unserer Zeit angehen können. Im
Abschlussdokument der Rio+20-Konferenz wird nicht nur
das Ziel genannt, bis 2015 international anerkannte Nachhaltigkeitsziele
für die Staatengemeinschaft zu vereinbaren.
Es wird auch ausdrücklich der wichtige Beitrag der Wissenschaftsgemeinschaft
hierzu betont. Das FONA-Programm des
Bundesforschungsministeriums wird zur Entwicklung dieser
Nachhaltigkeitsziele übrigens wichtige wissenschaftliche
Grundlagen liefern.
Impulse kommen in Deutschland nicht zuletzt von der Energiewende.
Der Chef des Word Ressources Institute in Washington soll sie sogar
für das größte Nachhaltigkeitsexperiment aller Zeiten halten. Klingt
das nicht übertrieben?
Schavan: Mit der Energiewende ist Deutschland international
ein Vorreiter, zumal als große Industrienation. Das hat man
uns in Rio deutlich zu verstehen gegeben. Bis 2050 sollen rund
80 Prozent des deutschen Energiebedarfs durch erneuerbare
Ressourcen gedeckt werden, das ist sehr anspruchsvoll. Eine
„grüne Wirtschaft“, wie sie in Rio diskutiert wurde, kann nur
entstehen, wenn Gesellschaft und Industrie ständig neue
Innovationen schaffen. Wir in Deutschland bekommen das
gut hin und profitieren davon – bei uns kommen viele
Innovationen früher auf den Markt als anderswo. Auf dem
Ausstellungsgelände in Rio haben sich darum deutsche Unternehmen
präsentiert, darunter Energiedienstleister und
Automobilunternehmen. Vorgestellt wurden auch neue
Antriebssysteme, die vielen Aspekte der Elektromobilität oder
neue Werkstoffe, die auch vom Bundesforschungsministerium
gefördert werden. In der Umweltbranche ist die Produktion
ja besonders forschungs- und wissensintensiv.
46
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Wie geht es weiter voran?
Schavan: Es gibt in Deutschland eine lange Tradition, Forschung
und Entwicklung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen.
Daran knüpfen wir an, nehmen Sie nur die nationale Nachhaltigkeitsstrategie.
Mit dem Wissenschaftsjahr „Zukunftsprojekt
Erde“ wollen wir mit den Bürgern nun ein Jahr darüber
diskutieren, wie wir künftig leben und wirtschaften wollen.
Sicher ist: Um die Lebenschancen künftiger Generationen zu
bewahren, müssen wir unser Leben an vielen Punkten neu
ausrichten. Forschung und Entwicklung sind auf diesem Weg
der Schlüssel.
Wir danken für das Gespräch!
Quelle:
Das vollständige Interview erschien bei UmweltDialog.de
Gemeinsame Initiative von BMBF und BMU
Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Bundesumweltminister
Peter Altmaier wollen mit einer gemeinsamen
Initiative den Umbau der Wirtschaft zu einer nachhaltigen
„Green Economy“ beschleunigen. Schavan und Altmaier hatten
dazu rund 450 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik,
Verbänden und Gesellschaft zu einer zweitägigen Konferenz
nach Berlin eingeladen, um unter anderen über die Frage zu
diskutieren, wie mit marktwirtschaftlichen Instrumenten
nachhaltige Produktion, Preisbildung und Konsumverhalten
erreicht werden können. Die Konferenz in Berlin soll der erste
Schritt auf dem Weg zu einem neuen Forschungsprogramm
Green Economy sein. Ziel der „Grünen Ökonomie“ ist es, die
Art des Wirtschaftens in Zukunft ressourceneffizienter, umweltverträglicher
und sozial inklusiver zu machen.
„Wir brauchen eine neue Qualität von Wachstum, in der Wirtschaftsentwicklung
und Ressourcenverbrauch voneinander
entkoppelt sind“, sagte Bildungsministerin Schavan in ihrer
Eröffnungsrede. „Die besten Ideen, Wege und Produkte nützen
nichts, wenn Gesellschafts- und Demokratieverträglichkeit
fehlen. Das neue Wirtschaftswunder zielt auf qualitatives
Wachstum, auf nicht weniger als die Erhaltung der Lebensgrundlagen.
Dafür brauchen wir einen breiten Konsens in
Wirtschaft und Gesellschaft.“
Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, ergänzte in seinem Vortrag: „Mir geht es
darum, den alten und falschen Gegensatz von Umwelt und
Industrie zu überwinden! Wir müssen uns Gedanken darüber
machen, wie das, was wir in Deutschland entwickeln, auf der
ganzen Welt angewandt werden kann. Wir haben gute Voraussetzungen
dafür, dass wir eine neue Auf bruchstimmung
schaffen.“
globalcompact Deutschland 2012
47
Agenda
Zukünftige
Infrastrukturen
der Energieversorgung
die Helmholtz-Allianz „ENERGY-TRANS“
Von Prof. Dr. Ortwin Renn, Prof. Dr. Armin Grunwald und Dr. Wolfgang Weimer-Jehle
Die von der Politik beschlossene Energiewende in Deutschland,
also der beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie, der
rasche Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger und
die deutliche Steigerung der Energieeffizienz, stellt nicht nur
erhebliche technische Anforderungen. Das Zusammenspiel
aus Energiebereitstellung, -verteilung und -nutzung bildet
ein sozio-technisches System und seine Transformation ist
daher auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Ihre Bewältigung
wird über das Gelingen der Energiewende in erheblichem
Ausmaß mitbestimmen. Teil dieser gesellschaftlichen
Herausforderung sind die notwendigen Veränderungen im
Verbraucherverhalten, die Gewinnung von Akzeptanz für die
technisch notwendigen Infrastrukturen wie Speicherkraftwerke
Die Helmholtz-Allianz im Überblick
Helmholtz Allianz „Energy-Trans“
Sprecher: Prof. Dr. Armin Grunwald (KIT),
Prof. Dr. Ortwin Renn (Universität Stuttgart)
Teilnehmende Institutionen: Karlsruher Institut für Technologie
(KIT), Forschungszentrum Jülich, Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung (UFZ), Deutsches Zentrum für Luftund
Raumfahrt (DLR), Universität Stuttgart, Universität
Magdeburg, Freie Universität Berlin, Zentrum für Europäische
Wirtschaftsforschung, Mannheim
Budget: 16,5 Mio. €, Laufzeit: 2011-2016
Homepage: http://www.energy-trans.de
und Hochspannungstrassen, die Entwicklung von Anreizsystemen
für die erforderlichen Innovationen, der Umgang mit
möglicherweise neu auftretenden Risikoformen, eine partizipative
Gestaltung der Planungs- und Genehmigungsverfahren
sowie die Entwicklung von attraktiven Betreibermodellen für
dezentrale Energieanlagen.
Mögliche Wege, diesen Herausforderungen zu begegnen, werden
von der 2011 gegründeten Helmholtz-Allianz „Energy-Trans“
erforscht. In Helmholtz-Allianzen kooperieren Helmholtz-
Zentren mit universitären und anderen Forschungseinrichtungen
zur Bearbeitung strategischer Forschungsaufgaben
mit besonders breit gefächerten Kompetenzerfordernissen.
In Energy-Trans bearbeiten vier Helmholtz-Zentren, drei Universitäten
und ein außeruniversitäres Forschungszentrum ein
abgestimmtes Forschungsprogramm mit dem Ziel, die Transformation
des deutschen Energiesystems in seinem europäischen
und internationalen Kontext vor allem aus der Perspektive
der gesellschaftlichen Bedarfs- und Nutzerseite zu betrachten,
für die voraussehbar auftretenden Probleme Lösungswege zu
entwickeln und den Transformationsprozess damit effizient
und sozialverträglich gestaltbar zu machen. Im Mittelpunkt
stehen die vielfältigen Schnittstellen zwischen technischen
und sozialen Faktoren, die den Transformationsprozess hin
zu neuen Energieinfrastrukturen beeinflussen.
Das Forschungsprogramm, an dem etwa 50 Sozial- und Politikwissenschaftler,
Psychologen und Philosophen, Wirtschafts- und
Rechtswissenschaftler, Ingenieure und Systemanalytiker in 17
Projekten und zwei Querschnittsprogrammen tätig sind, ist in
fünf Forschungsfelder gegliedert. Sie spiegeln die inhaltliche
Breite, aber auch die starken Interdependenzen zwischen den
Projektforschungen der Allianz wider.
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globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Im Forschungsfeld „Technisch-Soziale Entwicklungen“ werden
für die Energiewende wichtige technische Optionen hinsichtlich
ihrer potentiellen Wirkungen und ihre Einbettung in
sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und in den europäischen
Kontext untersucht. Anhand von Beispielregionen
werden außerdem die regionalen Aspekte der Energiewende
beleuchtet. Die von ihr ausgelösten tiefgreifenden Strukturänderungen
werden technische, aber auch vielschichtige
soziale und organisationale Innovationen erfordern. Das
Forschungsfeld „Innovationsprozesse und die Transformation
des Energiesystems“ erforscht daher den Innovationsprozess
selbst in seinen Mechanismen und Voraussetzungen, wobei
auf verschiedene Problemstellungen und Konzepte aus der
Innovationsforschung Bezug genommen wird. Vergegenwärtigt
man sich die Präzendenzlosigkeit der angestrebten
Transformation und die Komplexität des Energiesystems als
sozio-technisches System, so wird deutlich, dass mit den nötigen
neuen technischen Konstellationen, aber auch mit den neuen
Organisationsformen und Akteurskonstellationen zahlreiche
unerwünschte Wechselwirkungen und Effekte einhergehen
können. Darunter sind beispielsweise systemische Risiken, die
die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems oder seiner Teilsysteme
betreffen können. Hier liegt der Forschungsschwerpunkt
des Forschungsfelds „Risiko und Regulierungen“.
Die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Doppelrolle als Nutzer
des Energiesystems einerseits und als Betroffene seiner Nebenwirkungen
spielen in den Forschungsfeldern „Nutzerverhalten
und Nachfragesteuerung“ und „Planung und Partizipation“
eine zentrale Rolle. Das Forschungsfeld „Nutzerverhalten
und Nachfragesteuerung“ untersucht das Nachfrageverhalten
von privaten und gewerblichen Nutzern. Im Kontext der
Energiewende kommt dem Nutzerverhalten große Bedeutung
zu, weil auf der Nutzerseite Lastverschiebungs- und Energieeffizienzpotenziale
realisiert werden sollen, um die Stabilität
des Gesamtsystems zu stützen und den Bedarf an neuen
Übertragungsnetzen zu verringern. Weiter sind die Bürger im
Kontext der Energiewende durch den Ausbau von Infrastrukturen
wie Hochspannungsleitungen, Windkraftanlagen oder
Speichern betroffen, woraus Konfliktpotentiale und Proteste
erwachsen können. Neue Verfahren und innovative Ansätze
sind hier erforderlich um diesen Konflikten vorzubeugen
oder zu deren konstruktiver Lösung beizutragen. Diesen
Fragen wird im Forschungsfeld „Planung und Partizipation“
nachgegangen.
Die Forschungsfelder bieten den inhaltlichen und organisatorischen
Rahmen für Projekte mit enger verwandten Forschungsgegenständen.
Eine interdisziplinäre und gleichzeitig
integrative Forschung zur Energiewende verlangt aber auch
nach einer engen Vernetzung zwischen den Forschungsfeldern.
Diese Vernetzung wird in der Allianz über die Querschnittsprogramme
„Nachhaltigkeitsmonitoring“ und „Foresight
Integration“ gestärkt. Darin werden die Implikationen der
durch die Energiewende hervorgerufenen technischen, wirtschaftlichen
und sozialen Veränderungen reflektiert und
für ein inhaltlich und methodisch abgestimmtes Vorgehen
innerhalb der Allianz beim Entwurf und bei der Anwendung
von Zukunftsbildern Sorge getragen.
Dieses interdisziplinäre Forschungsprogramm einerseits inhaltlich
kohärent zu organisieren und andererseits auf die
Bedürfnisse von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit nach
handlungsrelevanter Orientierung zu fokussieren wird die
zentrale Herausforderung der nächsten Jahre für die Teilnehmer
und die Koordinatoren der Allianz sein.
globalcompact Deutschland 2012
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Agenda
Green Business Assessment
Umwelt- und
Unternehmens-
Die Verbindung zwischen
performance
Die Einstellung gegenüber dem Umweltmanagement hat sich im Verlauf der Jahre verändert.
War sie lange Zeit eine reaktive Haltung, die sich auf Unfälle und Umweltverschmutzung
fokussierte, so wandelte sie sich bis heute zu einer proaktiven Sichtweise. Diese sieht die
ökologische Leistung als wesentlichen Erfolgsfaktor von Unternehmen an. Eine bessere
Umwelt-Performance vermag die Wettbewerbsvorteile von Unternehmen auf unterschiedliche
Weisen zu steigern. So reduzieren weniger Abfall und effizientere Produktionswege nicht nur
die Umweltbelastung, sondern senken gleichzeitig die Kosten für ein Unternehmen.
Von André Månsson und Philip Thormark
Manager müssen Wechselwirkungen beim Formulieren und
Evaluieren ihrer Geschäftsstrategie berücksichtigen. Die existierenden
Methoden zur Bewertung von Umweltmanagement
und Geschäftsstrategien evaluieren aber nur jeweils einen
Punkt. Deshalb sind sie oft nicht hilfreich, um Strategien mit
besagtem Synergie-Effekt zu entwickeln. Um beides gleichzeitig
zu berücksichtigen, benötigt man ein Modell, welches das Wissen
der beiden Felder integriert. Das hier vorgestellte Konzept
richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen.
Eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen und die Faktoren,
welche die Umwelt-Performance beeinflussen, verhindern
eine Priorisierung der beiden Felder. Früher wurde
Umweltmanagement als rein interne Angelegenheit betrachtet.
Das Ziel war es, ökologische Belastungen beispielsweise
durch Herstellungsprozesse zu vermeiden oder zu reduzieren.
Gestiegene Erwartungen von Konsumenten und anderen
Stakeholdern haben diesen Fokus verändert. Heute spielen
der gesamte Lebenszyklus und die Wertschöpfung durch das
Umweltmanagement eine Rolle. In einigen Fällen überwiegt
dieser „indirekte Effekt“ die Bedeutung von Umweltbelastungen
durch Herstellungsprozesse. Insofern müssen gleichermaßen
die interne und die externe Performance evaluiert werden,
um die Green Business-Performance eines Unternehmens zu
beurteilen.
Ein systematischer Evaluierungs-Ansatz strukturiert die Maßnahmen
auf dem Weg zur Verbesserung der Performance
nach ihrer Bedeutung. Dabei verhindert er, dass bestimmte
Bereiche übersehen werden. Auch ermöglicht er den Vergleich
der Unternehmens-Performance über die Jahre hinweg.
Um die Komplexität einer Evaluation zu vereinfachen, sollten
die Umweltindikatoren zusammen in jeweilige Kategorien der
internen und externen Einbindung unterteilt werden. So sind
die internen Indikatoren wie beispielsweise Energieverbrauch,
Unterstützung des Managements oder Einsatz der Mitarbeiter
von den externen zu trennen. Die Frage, wie nachhaltig
das Produkt-Portfolio nach Verkaufs- und Green Marketing-
Initiativen und Reporting ist, spielt hier eine Rolle. Darüber
hinaus bezieht sich die externe Einbindung auf die gegenseitige
Beeinflussung von Unternehmen und Stakeholdern.
Die Anzahl der Kategorien ist ein Kompromiss zwischen
Transparenz und Genauigkeit einerseits und Vereinfachung
und Mittelbarkeit andererseits. Zwecks Leserfreundlichkeit
werden hier nur fünf Kategorien vorgestellt.
50
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
Emission, Abfall
und Gebrauch
von Ressourcen Interne Prozesse
Logistik &
Beschaffung
Wertschöpfung Externer Dialog
• CO 2
• Industrieabfall
• Energieverbrauch
• Materialien & Wasser
• Umweltmanagementsystem
• HR & Umwelt-
Training
• Richtlinien zur
Corporate
Governance
• Aufwändiges
Bewertungssystem
• Grüne
Einkaufspolitik
• Produkt Portfolio
• Produkt Service
System
• Kundenbetreuung
• Umfang des externen
Reportings
• Green Marketing-
Maßnahmen
• Informationsprogramme
Die Kategorien sollten immer zusammen benutzt werden.
So reduziert sich das Risiko einer Suboptimierung. Außerdem
kann die Beziehung zwischen interner und externer
Performance gemäß der ökologischen Unternehmensstrategie
bewertet werden. Diese muss sich immer an den Geschäftszielen
des Unternehmens ausrichten. Dadurch bleibt sie präzise
und vermittelt den Verbrauchern eine eindeutige Botschaft.
Durch die Einteilung in interne und externe Umweltindikatoren
kann auch bewertet werden, ob die Umwelt-Performance
hauptsächlich eine Frage von gestiegener Effizienz, zum Beispiel
durch reduzierten Abfall, oder von Effektivität ist. Das würde
wiederum eine umfassende Sicht auf die gesellschaftliche
Auswirkung des Unternehmens benötigen.
Darüber hinaus sind Indikatoren nicht nur Werkzeuge zum
Messen. Sie können den Entscheidungsprozess unterstützen,
weil die Manager durch das Aussuchen der passenden Indikatoren
ihre Strategie reflektieren und konkretisieren.
Evaluierungs-Prozess und Methodik
Ein konsistentes Evaluierungs-Modell muss einer eindeutigen
Methodik wie in Abbildung 2 folgen.
Abbildung 1: Beispiel für fünf Kategorien, angeordnet von der
internen zur externen Perspektive der Umwelt-Performance.
Sollten keine internen Experten zur Verfügung stehen, können
externe Evaluierungs-Institute hinzugezogen werden. Der
Bewertungs-Prozess beginnt mit einem Meeting, bei welchem
sich die externen Berater und die Vertreter des Unternehmens
über die Erwartungen austauschen. Außerdem werden hier
der Umfang und die Grenzen des Assessments festgelegt. Eine
Vorab-Studie hilft, das Unternehmen und seine Branche zu
verstehen. Sie basiert auf externen Quellen und beinhaltet
die gesamte Darstellung des Unternehmens: Geschäftsmodell,
Größe, Wettbewerbssituation, kommuniziertes Umweltprofil
und so weiter. Darüber hinaus benötigen die Experten Daten
und Dokumente wie den Umwelt- und Geschäftsbericht, die
Unternehmensleitlinien, die jeweiligen Zertifikate für das
Umweltmanagementsystem, Marketing Material oder Informationen
zu den Anspruchsgruppen. Sind Daten verfügbar,
informiert die Vorab-Studie auch über erste Umwelttätigkeiten
des Unternehmens. >>
Startup
Meeting
Interviews &
Analyse
Präsentieren der
Ergebnisse
Vorab-Studie &
Zusammentragen der Daten
Evaluation &
Bewertung
Abbildung 2
globalcompact Deutschland 2012
51
Agenda
Interview und Analyse
Der nächste Schritt des Evaluierungs-Prozesses umfasst die
Befragung relevanter Mitarbeiter der zu untersuchenden
Abteilungen. Die Fragen ergeben sich aus den zuvor angesprochenen
Kategorien. Auf die interne Perspektive bezogen,
sollten Umweltmanger des Unternehmens befragt werden, weil
diese einen guten Einblick in die Strukturen des betrieblichen
Umweltengagements haben. Fragen zu Schnittstellen zwischen
interner und externer Perspektive stehen in Verbindung mit
den entsprechenden Abteilungen im Unternehmen, wie etwa
dem Einkauf oder der Logistik. Darum sollten sie von den
jeweiligen Abteilungsleitern beantwortet werden. Fragen
zu der strategischen Ausrichtung des Umweltmanagements
richten sich an den Geschäftsführer, an die Kommunikationsund
Marketingleiter oder an die Umweltmanager. Um unterschiedliche
Kenntnisse über das Unternehmen zu ermitteln,
können dieselben Fragen auch Interview-Partnern anderer
Abteilungen gestellt werden.
Evaluierung und Präsentation der Ergebnisse
Für die Evaluierung des Unternehmens wird ein Beratungsgremium
aufgebaut, das die gesammelten Informationen
analysiert. Das Gremium besteht aus Vertretern verschiedener
Bereiche wie dem Management oder der Produktentwicklung
und Experten aus dem Bereich der Nachhaltigkeit. Das Evaluierungs-Modell
stellt einen Bezugsrahmen für das Gremium
bereit, um die Bemühungen des Unternehmens systematisch
zu bewerten und zu kategorisieren. Dabei muss immer die
ganzheitliche Perspektive des Unternehmens berücksichtigt
werden. Die Auswertungen der Dokumente und Interviews
ergeben dann die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken
für das Unternehmen. Eine Analyse über die allgemeinen
Einstellungen zum Unternehmen vergleicht die tatsächliche
mit der angestrebten Unternehmenspolitik. Zum Schluss
müssen die Ergebnisse und dazugehörige Empfehlungen so
präsentiert werden, dass sie für jeden Mitarbeiter verständlich
sind und im gesamten Unternehmen kommuniziert werden
können. Dadurch bekommen gleichermaßen Management
und Angestellte einen Eindruck über die ökologischen Stärken,
Schwächen, Risiken und Chancen des Unternehmens. Diese
beeinflussen künftige Unternehmensentscheidungen und
können die Mitarbeiter zum Wandel motivieren.
Verständlich aufbereitete Ergebnisse
Damit ein Unternehmen auf den neuesten Stand der Umwelt-
Performance kommt, muss die Effektivität vor der Effizienz
gewährleistet werden. Die Resultate der Evaluierung können
auf verschiedene Weisen genutzt werden. Die wichtigsten sind:
• Kontinuierlicher Verbesserungsprozess als Methode
• Formulieren der ökologischen Ziele und der Umweltstrategie
• Interne und externe Kommunikation
Nachhaltigkeit ist ein komplexes Gebiet. Daher ist es schwierig
vorherzusagen, wie bestimmte Maßnahmen ein Unternehmen
beeinflussen. Das vorgestellte Modell bewertet nicht nur die
Anstrengungen, sondern kategorisiert sie bezüglich ihres
Einflusses auf andere Geschäftstätigkeiten. Da das Unternehmen
von der internen zu der externen Perspektive allumfassend
bewertet wurde, können dadurch leichter Maßnahmen
zum Gesamtwohl der Unternehmensentwicklung initiiert
werden. Außerdem wurde so die Basis für die Entwicklung
einer Umweltstrategie geschaffen, die auf das Kerngeschäft
abgestimmt ist. Darüber hinaus können die Ergebnisse der
Evaluierung helfen, relevante Ziele für das Unternehmen zu
bestimmen. Sind die Resultate verständlich aufbereitet, können
sie insbesondere von CSR-Managern benutzt werden, um ihre
Botschaft in alle Unternehmensbereiche zu übermitteln. Den
CSR-Managern fehlen oftmals die Durchsetzungsmöglichkeiten,
um Veränderungen im Unternehmen zu implementieren.
Darum benötigen sie überzeugende Argumente, um die Aufmerksamkeit
von der Unternehmensführung zu bekommen
und Entscheidungen durchzuführen. Durch den umfassenden
Ansatz, der ökonomische Überlegungen in strategische ökologische
Entscheidungen mit einbezieht, können CSR-Manager
Initiativen vorschlagen, die sowohl der Umwelt-Performance
als auch dem Endresultat dienen.
Zielgruppen
Das vorgestellte Modell ist vor allem für wachsende, kleine
und mittelständische Unternehmen gedacht. Erstens tragen
sie wesentlich zur industriellen Umweltverschmutzung bei.
So ergab eine Studie des Network for Business Sustainability
(NBS) über kanadische Klein- und Mittelstands-Unternehmen,
dass diese 80 Prozent der schädlichen Umwelt-Auswirkungen
verursachen, darüber hinaus sind sie auch für über 60 Prozent
der Unternehmensabfälle verantwortlich. Zweitens fehlen
klein- und mittelständischen Unternehmen oftmals Zeit und
personelle Ressourcen für ökologische Belange. Deswegen
kommt dem Umweltmanagement hier eine untergeordnete
Rolle zu. Für schnell wachsende Unternehmen ist es wichtig,
einen strukturierten Ansatz zu haben, um mit ökologischen
Themen umzugehen. Daher ist es notwendig, diese Unternehmen
mit einem Tool zum Bewerten und Managen ihrer
Umwelt-Performance auszustatten. Große Unternehmen haben
Budget für Werbekampagnen, um ihre nachhaltigen Produkte
und Leistungen voranzubringen. Klein- und mittelständische
Unternehmen müssen andere Möglichkeiten finden, um
ihre Anstrengungen zu kommunizieren. Da die Ergebnisse
der Evaluierung verständlich auf bereitet wurden, können
sie auch für die externe Kommunikation benutzt werden.
Über die Autoren:
Philip Thormark ist Berater im Bereich Sustainable Business bei der schwedischen
Firma ÅF AB. André Månsson ist Doktorand an der Lund Universität.
Das Model wurde gemeinsam von ÅF AB und der Universität Lund entwickelt.
Aktuell bietet ÅF AB Kunden das Modell als Assessment Service unter dem Namen
Green Business Screening an.
Gekürzte Übersetzung aus dem Englischen von Sonja Scheferling
52
globalcompact Deutschland 2012
Green Business
United Nations:
Transition to a Green
Economy: Benefits,
Challenges and Risks from
a Sustain able Development
Perspective [Kindle Edition]
Dieser Report entstand im Vorfeld der
Rio+20 Konferenz, bei der bekanntlich
Green Economy eines der zentralen und
beherrschenden Themen bei der Ausgestaltung von Nachhaltiger
Entwicklung und Armutsbekämpfung werden sollte. Diese Studie
basiert auf dem Know-how eines Panels von unabhängigen
Experten, die eine Reihe von politischen Optionen untersucht
haben. Diese schließen makro-ökonomische, technologische,
industrielle und handelspolitische Optionen ein. Sie beleuchten
auch die Rolle der internationalen Gemeinschaft zur Förderung
einer Weiterverbreitung der Green Economy, insbesondere in
Entwicklungsländern. Mithilfe eines strukturalistischen Ansatzes
unterstreichen die Autoren, dass der Übergang zu einer grünen
Wirtschaft nicht weniger als eine technologische Transformation
bedeutet, mit tiefen Auswirkungen auf Produktionsweisen und
Konsummuster.
Format: Kindle Edition, Dateigröße: 404 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 96 Seiten
Verlag: United Nations 2012, ASIN: B007ZFUVMK, EUR 2,68
Jan vom Brocke, Stefan Seidel,
Jan Recker (Herausgeber):
Green Business
Process Management:
Towards the Sustainable
Enterprise
„Green Business Process Management –
Towards the Sustainable Enterprise“ fasst
den derzeitigen Wissensstand zum Thema
zusammen, wie Unternehmensprozesse unter nachhaltigen Gesichtspunkten
gemanaged und verbessert werden können. Wirtschaftsunternehmen
sind zentraler Teil unserer Gesellschaft und
tragen als solche erheblich zur Umweltzerstörung – etwa durch
Ressourcenverbrauch, Ausstoß von Klimagasen oder anfallenden
Müll bei der Produktion – bei. Um diesen negativen Einfluss auf die
Natur zurückzufahren, müssen sie nachhaltige und umweltfreundliche
Unternehmensabläufe einführen. Dieses Buch diskutiert die
dabei aufkommenden Herausforderungen und Fragestellungen,
wenn es darum geht, „grüne“ Unternehmensabläufe zu definieren.
Es stellt Tools und Methoden vor, diese Prozesse anzustoßen, und
berichtet von Fallbeispielen, wo dies erfolgreich umgesetzt wurde.
Gebundene Ausgabe: 263 Seiten, Verlag: Springer, 2012
ISBN-13: 978-3642274879, EUR 106,95
Hans-Christoph Binswanger,
Anja Grothe u. a. (Herausgeber):
Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie
2012 / 2013:
Im Brennpunkt: Green Economy
Das vom Netzwerk Nachhaltige Ökonomie
2010 initiierte „Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie“
untersucht den Einfluss der Ökonomie
auf eine Nachhaltige Entwicklung und ihre
sozial-kulturellen, ökologischen und ökonomischen Dimensionen.
Es setzt sich mit dem Lehrgebäude und den politischen Konsequenzen
der traditionellen Ökonomie auseinander, entwickelt
alternative Ansätze und zeigt Strategieansätze in unterschiedlichen
Handlungsfeldern auf. Damit leistet das Jahrbuch einen
wichtigen Beitrag zur Reformierung unseres Wirtschaftens, hin
zu einer zukunftsfähigen Wirtschafts- und Lebensweise nach
dem Prinzip der starken Nachhaltigkeit. Das Jahrbuch beruht
auf den Kernaussagen des 2009 gegründeten Netzwerkes
Nachhaltige Ökonomie, das heute von über 250 renommierten
Persönlichkeiten und Netzwerkpartnern unterstützt wird. Die
Mitglieder eint die Überzeugung, dass die traditionelle Ökonomie
die globalen Probleme des 21. Jahrhunderts nicht lösen kann.
Broschiert: 496 Seiten, Verlag: Metropolis, 2012
ISBN-13: 978-3895189777, EUR 29,80
Worldwatch Institute in Zusammenarbeit
mit der Heinrich-Böll-Stiftung
und Germanwatch (Herausgeber):
Zur Lage der Welt 2012:
Nachhaltig zu einem WOHLstand
für alle
Rio 2012 und die Architektur
einer weltweiten grünen
Politik
Die Erschöpfung natürlicher Ressourcen, die Armut in den Ländern
des Südens, dazu der desolate Zustand der öffentlichen
Haushalte und der immer härter geführte Kampf um Nahrung,
Wasser und Energie – dies alles sind Probleme, die nur behoben
werden können, wenn das Prinzip der Nachhaltigkeit unser
Handeln bestimmt. Der aktuelle Bericht der Reihe „Zur Lage
der Welt“ skizziert die Grundzüge einer „Grünen Ökonomie“ und
entwickelt Visionen und Ideen für eine nachhaltige Verkehrs- und
Stadtentwicklung, eine zukunftsfähige Energieerzeugung, eine
menschengerechte Unternehmenskultur oder eine Landwirtschaft,
die gesunde Lebensmittel für alle produziert. Die vorliegende
Sammlung neuer Ideen und Maßnahmen führt uns einmal mehr
vor Augen, dass eine zukunftsfähige Welt nicht auf internationalen
Konferenzen geschaffen wird, sondern durch Innovation, Kraft und
Engagement der Zivilgesellschaft und ihrer unzähligen sozialen
Gruppierungen. Eine andere Politik ist machbar. Die Wegskizze
dazu findet sich in diesem Buch.
Broschiert: 286 Seiten, Verlag: Oekom, 2012
ISBN-13: 978-3865812902, EUR 19,95
globalcompact Deutschland 2012 53
Best Practice
Menschenrechte
Umweltschutz
Kärcher
PwC
Audi
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte
Deutsche Post DHL
Arbeitsnormen
ABB
Bayer
Bosch
GIZ
Heraeus
Evonik
HSE
LAROSÉ
Merck
RWE
Deutsche Telekom
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken
HypoVereinsbank
Miele
Weidmüller
Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen und ihre Autoren selbst verantwortlich.
54 globalcompact Deutschland 2012 2011
Best Practice
CSR Management
BASF
BMW Group
CEWE
Coca-Cola Deutschland
Daimler
Ernst & Young
Krones
MAN
Mediengruppe macondo
Volkswagen
Entwicklung & Partnerschaft
Lavaris Technologies
62
80
102
64
104
66
82
106
108
110
84
112
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ABB
Audi
BASF
Bayer
BMW Group
Bosch
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte
CEWE
Coca-Cola Deutschland
Daimler
Deutsche Post DHL
Ernst & Young
Evonik
GIZ
Heraeus
HSE
HypoVereinsbank
Kärcher
Krones
LAROSÉ
Lavaris Technologies
MAN
Mediengruppe macondo
Merck
Miele
PwC
RWE
Deutsche Telekom
Volkswagen
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken
Weidmüller
globalcompact Deutschland 2012 2011
55
Best Practice
MENSCHENRECHTE
ARBEITSNORMEN
Prinzip 1: Unternehmen sollen den Schutz der internationalen
Menschenrechte unterstützen und achten.
Prinzip 2: Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich
nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.
Prinzip 3: Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit
und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen
wahren sowie ferner für
Prinzip 4: die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit,
56 globalcompact Deutschland 2012 2011
Best Practice
Menschenrechte
Kärcher
PwC
Arbeitsnormen
ABB
Bayer
Bosch
GiZ
Heraeus
HypoVereinsbank
Miele
Weidmüller
Prinzip 5: die Abschaffung der Kinderarbeit und
Prinzip 6: die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung
und Beschäftigung eintreten.
globalcompact Deutschland 2012 2011
57
Kärcher
Verantwortung übernehmen
hat bei Kärcher Tradition
Schon 1939 ließ Firmengründer Alfred Kärcher das Abwasser am Unternehmensstandort
Winnenden in einer Kläranlage filtern, bevor es in den nahegelegenen Buchenbach floss.
Damals war das Schlagwort der Nachhaltigkeit nahezu unbekannt. Trotzdem war der Gründer
überzeugt, dass anhaltender wirtschaftlicher Erfolg nur unter Berücksichtigung ökologischer
und vor allem auch sozialer Belange möglich sei. Hinter diesen Prinzipien stand eine moralische
Grundhaltung, die bis heute in der Kultur des Familienunternehmens verankert ist.
Nachhaltigkeit: das ist für Kärcher gesundes
Wachstum, gesellschaftliche
Verantwortung und Umweltschutz –
regional und global. „Unser international
ausgerichtetes Unternehmen hat sich
dank seiner hohen Innovationskraft und
dem Engagement seiner Mitarbeiter zum
weltweiten Markt- und Technologieführer
in der Reinigungstechnik entwickelt.
Das gibt uns gleichzeitig die Chance, uns
über unsere tägliche Arbeit hinaus engagieren
zu können“, so der Vorsitzende
der Geschäftsführung Hartmut Jenner.
Wie breitgefächert das Engagement des
Unternehmens ist, zeigen beispielhaft die
Kooperationen mit dem Global Nature
Fund (GNF) und dem SOS-Kinderdorf e. V.
Pilotprojekt ab Ende 2012 in Südamerika
gebaut. Im Jahr 2013 sind fünf bis sechs
weitere geplant.
„Für jeden verkauften Hochdruckreiniger
unserer eco!ogic-Reihe geht ein
Förderbeitrag für die Auf bereitung von
jeweils 1.000 Litern Wasser an die Initiative“,
erklärt Hartmut Jenner. Und Udo
Gattenlöhner, Geschäftsführer des Global
Nature Fund, ergänzt: „Partnerschaften
mit Firmen wie Kärcher sind uns wichtig,
denn die effiziente Zusammenarbeit von
Unternehmen und Umweltverbänden
kann Lösungen für die gesellschaftlichen
Herausforderungen unserer Zeit bieten.
Daneben sind wir sicher, dass es uns mit
den bereitgestellten Fördermitteln gelingt,
bessere hygienische Bedingungen
sowie eine höhere Lebensqualität der
dort lebenden Menschen und nachfolgender
Generationen zu gewährleisten.“
Kinder sind Zukunft
So existenziell wie Wasser sind für Kinder
Geborgenheit und ein Zuhause. Aber
Wasser ist Leben
Seit 2012 unterstützt Kärcher die Initiative
„Living Lakes“ des Global Nature Fund
(GNF). Das internationale Seennetzwerk
hat den Erhalt der Seen und Feuchtgebiete
der Erde zum Ziel. Weltweit sind
103 Seen auf fünf Kontinenten Teil des
Netzwerks, allein in Deutschland zählen
elf dazu. Beim ersten gemeinsamen Kooperationsprojekt
„Clean Water for the
World“ geht es darum, mit dem Bau
von Pflanzenkläranlagen die Abwässer
dörflicher Gemeinschaften in den
Projektregionen biologisch zu reinigen.
Denn besonders in Entwicklungsländern
beeinträchtigen ungefilterte Abwässer
noch immer wertvolle Wasserressourcen
und die Gesundheit der Menschen. Die
erste grüne Wasserfilteranlage wird als
58 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Menschenrechte
überall auf der Welt gibt es Kinder, die
nicht bei ihren Eltern leben können. Hilfe
bietet SOS-Kinderdorf. „Den Leitspruch
des Vereins – Wir sind Familie! – können
wir als Unternehmen unterschreiben.
Für das enge und vertrauensvolle
Verhältnis sowie den fairen Umgang
zwischen Führung und Belegschaft steht
bei uns der Begriff „Kärcher-Familie“,
sagt Hartmut Jenner.
Seit 2011 ist das Unternehmen Kooperationspartner
des SOS-Kinderdorf e.V.
Kärcher hilft auch ganz praktisch mit
Produkten und Beratung. Als erste Einrichtung
wurde im vergangenen Jahr
das SOS-Kinderdorf Württemberg in
Schorndorf-Oberberken mit passenden
Reinigungsgeräten ausgestattet: vom
Hochdruckreiniger bis hin zur Scheuersaugmaschine.
Hanne Mörtl, die Leiterin
des Kinderdorfes: „Die Geräte können wir
sehr gut im Haushalt und Garten gebrauchen.
Sie entlasten unsere Kinderdorf-
Mütter bei der täglichen Arbeit und natürlich
auch unseren Etat.“ Auch weitere
SOS-Kinderdörfer weltweit berät Kärcher
fachkundig, schult sie und stattet sie bedarfsgerecht
mit Reinigungsgeräten aus.
Derzeit gibt es 518 SOS-Kinderdörfer
in 132 Ländern, die sich hauptsächlich
durch private Spenden finanzieren. Seit
der Gründung des ersten Kinderdorfes
durch den Mediziner Hermann Gmeiner
im Jahr 1949 haben 60.000 Kinder dort
ein Zuhause gefunden.
Ob lokal oder global, im Kleinen wie
im Großen: Kärcher will seiner Verantwortung
umfassend und nachhaltig
gerecht werden. Das gesellschaftliche
Engagement reicht von der Soforthilfe
nach Naturkatastrophen bis hin zur
Unterstützung bedürftiger Menschen.
Seit 1993 beschäftigt das Unternehmen
beispielsweise rund 100 psychisch kranke
Menschen des Samariter-Stifts / Fränkische
Werkstätten.
Ein Kultursponsoring der besonderen
Art betreibt Kärcher ebenfalls seit vielen
Jahren: Weltweit führen Spezialisten Reinigungsarbeiten
an denkmalgeschützten
Gebäuden und Kunstwerken durch. Von
der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in
Berlin über die Christusstatue in Rio de
Janeiro bis hin zu den Präsidentenköpfen
am Mount Rushmore (USA): Über 90
Objekte auf allen Kontinenten hat das
Familienunternehmen bereits fachgerecht
gereinigt.
Familie bedeutet Verantwortung
Der Schlüssel zum Erfolg sind bei Kärcher
die Begeisterung und das Engagement
der Belegschaft. Die Gruppe
beschäftigt mehr als 9.000 Mitarbeiter
in 57 Ländern. Eine große Verantwortung!
Um ihr gerecht zu werden,
setzt Kärcher auf unternehmerische
Beweglichkeit und die Fokussierung auf
den Kunden. Moderne Unternehmens-,
Service- und Dienstleistungsstrukturen
misst der Innovationsführer ebenso
viel Bedeutung zu, wie der gezielten
Weiterentwicklung seiner Produkte.
Rund 85 Prozent aller Maschinen im aktuellen
Kärcher Programm sind jünger
als fünf Jahre. Über 600 Ingenieure und
Techniker arbeiten an Problemlösungen,
um die Produkte noch effizienter und
umweltfreundlicher zu machen. Für
Kärcher ein Garant für gesundes, nachhaltiges
Wachstum über die nächsten
Jahrzehnte hinaus.
Kärcher achtet auch auf eine ressourcenschonende
Fertigung. Obwohl die
Produktionsleistung in den vergangen
vier Jahren um fast 25 Prozent anstieg,
blieben die CO 2
-Emissionen nahezu konstant.
Ein Holzhackschnitzelheizwerk
am Standort Oberes Bühlertal spart rund
340.000 Liter Heizöl beziehungsweise
rund 1.000 Tonnen CO 2
im Jahr. Eine
effiziente Wasserkreislaufführung im
Bereich Qualitäts- und Funktionstests
sorgt dort auch für eine 95-prozentige
Recyclingquote. Mit konsequenter
Wärmerückgewinnung, besserer Gebäudeisolierung
und Geothermie an
allen Neubauten konnte Kärcher den
Gasverbrauch nahezu halbieren.
So bilden wirtschaftlicher Erfolg
und eine nachhaltige Entwicklung bei
Kärcher von jeher eine Einheit. „Wir
wandeln unsere Ergebnisse in Investitionen
um, die wir dem Fortbestand
unseres Unternehmens, der Gesellschaft
und dem Umweltschutz zugutekommen
lassen“, so Hartmut Jenner, Vorsitzender
der Geschäftsführung.
Vielfalt ist Chance
Links: Kooperationsprojekt „Clean Water for
the World“
Rechts: Das SOS-Kinderdorf Württemberg
in Schorndorf-Oberberken
globalcompact Deutschland 2012
59
PWC
Unternehmen nutzen
Corporate-Citizenship-
Potenziale kaum
Der Druck auf die Manager deutscher Unternehmen wächst. Einerseits erwarten die Stakeholder
von ihnen, dass sie das Unternehmen nachhaltig führen und zu sozialen, ökologischen wie finanziellen
Themen zukunftsfähig positionieren. Dazu gehört es auch, das Unternehmen als Teil der
Gesellschaft zu verstehen und einzubringen – also ein aktiver Corporate Citizen zu sein. Andererseits
stellt auch die Rechtsprechung hohe Ansprüche an einen transparenten und nutzengetriebenen
Umgang mit Gesellschaftsmitteln. Wie sieht gutes Corporate Citizenship heute aus?
Von Heinke Richter und Hendrik Fink
Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen
hat in Deutschland eine lange
Tradition. Die über Jahre gelebte Philanthropie
passt aber kaum noch zu den
steigenden Anforderungen der Stakeholder
und orientiert sich nur selten an den
strategischen Zielen des Unternehmens.
Gelingt es den Unternehmen, ihr gesellschaftliches
Engagement in Einklang mit
ihrer Unternehmensstrategie zu bringen
und die eigenen Kernkompetenzen zu
nutzen, zahlen sich Corporate Citizenship-Aktivitäten
auf mehrfache Weise
aus: Die Gesellschaft profitiert durch
gezieltes, wirkungsorientiertes Engagement
und das Unternehmen stützt seine
Unternehmensziele und positioniert
sich gegenüber seinen Stakeholdern.
Die Abstimmung des gesellschaftlichen
Engagements mit den Unternehmenszielen
ist darüber hinaus auch wichtiger
Teil der rechtlichen Verantwortung der
Unternehmen, da das Engagement aus
Gesellschaftsmitteln erfolgt.
96 Prozent der deutschen
Unternehmen betreiben Corporate
Citizenship
Das gesellschaftliche Engagement von
Unternehmen kann sehr vielfältig sein.
Es reicht von einfachen Sach- oder
Geldspenden über den freiwilligen
Einsatz von Mitarbeitern für soziale
Projekte während der Arbeitszeit bis
zur Organisation eigener Sozialprojekte.
Katastrophenhilfe im Ausland kann
ebenso unter Corporate Citizenship
subsummiert werden wie die aktive
Resozialisierung gewalttätig gewordener
Jugendlicher. Heute engagieren
sich bereits 96 Prozent der deutschen
Unternehmen in unterschiedlichster Art
und Weise für die Gesellschaft. Durch
ihr gesellschaftliches Engagement positionieren
sie sich auch gegenüber ihren
Wie kann die Praxis aussehen?
Beispiel 1
Maßnahme: Ein Elektronikunternehmen
stellt Mitarbeiter zur
Durchführung von Universitätsworkshops
frei. Dort tauschen sie
sich zu aktuellen Trends und
Möglichkeiten in der Elektronikbranche
aus.
Wirkung: Die Identifikation der Mitarbeiter
mit ihrem Unternehmen
und damit auch die Mitarbeiterbindung
und -motivation steigen. Dem
Unternehmen eröffnen sich neue
Lösungsideen und Denkanstöße.
Das Interesse der Studierenden
an der Elektronikbranche und am
Unternehmen steigt.
Stakeholdern. Je wirkungsvoller dabei
die gesellschaftliche Herausforderung
bekämpft wird, desto besser kann auch
die Positionierung gegenüber den Stakeholdern
gelingen. Die größtmögliche
Wirkung und Glaubwürdigkeit wird
durch die Ausrichtung der Aktivitäten
an den Unternehmenszielen und die
Nutzung der eigenen Kernkompetenzen
erzielt.
Beispiel 2
Maßnahme: Ein global agierendes
Logistikunternehmen stellt
Kapazitäten für den Transport
von Gütern zur Katastrophenhilfe
bereit.
Wirkung: Die Folgen der Katastrophe
können schneller bewältigt
werden. Die wirtschaftlichen
Aktivitäten in der Region normalisieren
sich schneller.
Das Unternehmensimage,
die Attraktivität als Arbeitgeber
sowie die Bindung der eigenen
Mitarbeiter steigt.
60 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Menschenrechte
Corporate-Citizenship-Aktivitäten sind noch nicht strategisch ausgerichtet:
der befragten Unternehmen
definieren Ziele für ihr
gesellschaftliches
Engagement.
23 %
Etwa
40 %
der deutschen Großunternehmen
verfolgen die gesetzten Ziele
zu Corporate Citizenship stringent.
Mehr als
80 %
der Unternehmen
tätigen Spenden
ohne direkten
Bezug zum
Kerngeschäft.
80 % der Unternehmen
möchten auf diese Weise
mehr Verantwortung für
Nachhaltigkeit übernehmen.
75 % der Unternehmen
sehen diese Spenden
als Chance für die
Verbesserung des Images.
54 % der Unternehmen
möchten so ihre
Arbeitgeberattraktivität
steigern.
Gelingt es, die Corporate Citizenship-
Aktivitäten strategisch an den Unternehmenszielen
und den Anforderungen
der Stakeholder auszurichten, kann eine
hohe Wirkung und Glaubwürdigkeit
erreicht werden. Dazu ist es unerlässlich,
klare Ziele zu definieren und die
Maßnahmen durch ein strukturiertes
Management effektiv, nachhaltig und
an den Kernkompetenzen des Unternehmens
orientiert umzusetzen. Entsteht
dagegen der Eindruck, dass das gesellschaftliche
Engagement z. B. lediglich
persönlichen Beweggründen entspringt
und nicht auf gesellschaftliche Interessen
Beispiel 3
Maßnahme: Durch eine transparente
und auf die Anforderungen der
Stakeholder abgestimmte Berichterstattung
stellt ein Unternehmen
sein gesellschaftliches Engagement
und dessen Relevanz und Wirksamkeit
dar.
Wirkung: Das Unternehmen positioniert
sich aktiv und nachhaltig als
relevantes Mitglied der Gesellschaft
und zeigt, dass es sich seiner Rolle
bewusst ist. In entsprechenden
Ratings und Rankings landet es auf
guten Plätzen und kann so Investoren
genauso wie Mitarbeiter, Kunden und
Bewerber positiv stimmen.
abzielt, droht im schlimmsten Fall nicht
nur ein Reputationsschaden, sondern
auch eine mögliche Straf barkeit wegen
Untreue.
Notwendigkeit der Professionalisierung
ist erkannt
Zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut
TNS Emnid hat PwC
das gesellschaftliche Engagement der
deutschen Wirtschaft unter die Lupe
genommen. In unserem Auftrag wurden
im Herbst 2011 100 der 500 größten
deutschen Unternehmen zu ihrem gesellschaftlichen
Engagement befragt und die
Ergebnisse in unserer Studie „Corporate
Citizenship – Was tun deutsche Großunternehmen?“
ausgewertet.
Zwei Drittel der deutschen Unternehmen
haben die Relevanz des Themas Corporate
Citizenship erkannt und messen
ihm eine hohe Bedeutung bei. Trotzdem
betreibt weniger als die Hälfte der Unternehmen
das eigene gesellschaftliche
Engagement ganzheitlich und schöpft
so die vorhandenen Potenziale voll aus.
Ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer
Professionalisierung des gesellschaftlichen
Engagements ist die Evaluierung
der Maßnahmen. Eine Wirkungsanalyse
ist Voraussetzung für sinnvolle Planung,
Steuerung und Qualitätssicherung der
Projekte. Des Weiteren dient sie der
Legitimation nach innen und außen.
40 Prozent der Unternehmen evaluieren
heute aber ihr gesellschaftliches Engagement
überhaupt nicht. Nur knapp
ein Viertel der Unternehmen stellt die
Wirkung der Maßnahmen regelmäßig
fest. Von diesen schätzen wiederum 2/3
die Qualität als verbesserungswürdig ein.
Werden geeignete Evaluationsverfahren
frühzeitig in der Planung der Projekte
berücksichtigt, lässt sich nicht nur der
Aufwand für die Wirkungsmessung reduzieren,
sondern auch das Ergebnis des
Engagements verbessern.
Unsere Studie zeigt: Viele Jahre haben
sich deutsche Unternehmen vor allem
philanthropisch als Corporate Citizen
engagiert. Und das durchaus erfolgreich.
Die wachsenden Anforderungen der
Stakeholder führen heute dazu, dass
ein ganzheitlicher Ansatz für das gesellschaftliche
Engagement von Unternehmen
unausweichlich ist. Unternehmen
sollten ihre Aktivitäten enger mit ihrem
Kerngeschäft verknüpfen, sie strategisch
steuern und evaluieren und die dahinterliegenden
Entscheidungsprozesse
nachvollziehbar dokumentieren. Nur
so kann es gelingen, die Potenziale von
Corporate Citizenship für die Gesellschaft
und das Unternehmen zu heben sowie
etwaige Haftungsrisiken für die Organe
und Mitarbeiter des Unternehmens zu
minimieren.
globalcompact Deutschland 2012
61
ABB
Duales Bildungssystem
auf der Überholspur
Fachkräftemangel und demographischer Wandel sind Zeiterscheinungen, mit denen sich in
Deutschland fast alle Unternehmen auseinandersetzen müssen. Eine Schlüsselstellung bei
der Gewinnung von Fachkräften nehmen naturgemäß Ausbildung und Studium ein. Bei ABB in
Deutschland befanden sich zum 1. September 2012 bundesweit insgesamt 1.368 junge Menschen
in Ausbildung, davon 633 für etwa 160 Partnerunternehmen im Rahmen der Verbundausbildung.
Mit 6,7 Prozent konnte ABB ihre Ausbildungsquote gegenüber dem Vorjahreswert
weiter steigern. Das unterstreicht den hohen Stellenwert, den sie diesem Thema einräumt.
Von Dr. Wolfgang Böhmer
Bei ABB in Deutschland ist für Ausbildung
und duales Studium die ABB Training Center
GmbH & Co. KG (ATC) zuständig. Sie
versteht sich als Lernunternehmen, das
neue Entwicklungen erkennt, seine Angebote
daraufhin ausrichtet und moderne
Bildungsinhalte und -methoden vermittelt.
Das ATC macht sich stark für die unternehmensinterne
sowie Verbundausbildung
in der Metropolregion Rhein-Neckar und
in der Bundeshauptstadt Berlin.
Ganzheitlicher Bildungsservice
vor allem für KMU
Es unterstützt als Bildungsdienstleiter
im Verbund auch die Wirtschaft vor Ort.
Derzeit bietet es rund 160 vor allem
kleineren und mittleren Unternehmen
(KMU) ganzheitlichen Bildungsservice an.
Das heißt neben der Durchführung sind
auch Beratung, Coaching und Knowhow-Transfer
für eine firmenspezifische
Aus- und Weiterbildung eingeschlossen.
Die Verbundausbildung ermöglicht den
Partnerunternehmen die Einstellung von
Auszubildenden und Studenten entsprechend
ihrem Bedarf und ihren Kompetenzanforderungen
gerade dann, wenn
sie die Kapazitäten dazu aus technischen
oder personellen Gründen nicht haben.
Neben dem Realisieren von Synergien
hilft sie aber auch, Kenntnisse internationaler
Geschäftspraktiken, ausländischer
Märkte und individuelle Fachkenntnisse
übergreifend zu vermitteln.
In der Regel durchlaufen die Auszubildenden
die komplette „Grundausbildung“
sowie verschiedene Fachmodule und
Prüfungsvorbereitungen in den ATC-Einrichtungen.
Die „Fachausbildung“ findet
in den jeweiligen Partnerunternehmen
statt. Verschiedene Betriebsabläufe und
unterschiedliche Einsatzfelder vermitteln
ein breiteres Spektrum. Indem das
Lernen unter wechselnden personellen,
räumlichen und lernorganisatorischen
Rahmenbedingungen stattfindet, werden
zugleich günstige Voraussetzungen
für die Entwicklung fachübergreifender
und sozialer Kompetenzen geschaffen –
vor allem die Fähigkeit, kooperativ in
Arbeitsgruppen zusammenarbeiten.
Die Chance auf einen Arbeitsplatz bzw.
auf eine gut ausgebildete Fachkraft im
Verbund ist höher, die Kosten können
deutlich reduziert werden.
Erfolgsmodell duales Studium
Das Studium an der dualen Hochschule
verfolgt ein ähnliches Konzept wie bei
der dualen Ausbildung. Die Studenten
absolvieren das Studium im Betrieb und
an der Hochschule. Seine Wurzeln hat
das duale Studium in Baden-Württemberg
(DHBW), wo es vor fast 40 Jahren
in 50 Unternehmen begann. Derzeit
beteiligen sich rund 9.000 Unternehmen.
Schon zehn Prozent aller Studienplätze
sind in Baden-Württemberg dual, im
restlichen Deutschland nur zwei Prozent.
Das duale Studium ist die am schnellsten
wachsende Studienform in Deutschland.
Nach Angaben des Bundesinstituts für
Berufsbildung studierten im Jahr 2011
bereits gut 60.000 Studenten dual.
Bei ABB können junge Menschen ein
Studium an der Dualen Hochschule
Baden-Württemberg in Mannheim
aufnehmen. Es handelt sich dabei um
ein theoretisches Studium mit praktischer
Anwendung. In der Regel im Drei-
Monats-Rhythmus wechseln sich die
Studienphasen mit den Praxiseinsätzen
an einem der 39 Standorte von ABB in
Deutschland oder vielleicht sogar bei
einem Auslandsaufenthalt ab.
Insgesamt gewinnt die deutsche Industrie
durch duale Ausbildung und duales Studium
jährlich mehrere Hunderttausend
Fachleute. Und während in einigen europäischen
Ländern wie Spanien eine Jugendarbeitslosigkeit
von rund 50 Prozent
herrscht, liegt die Quote in Deutschland
bei 7,9 Prozent. Außerdem sorgen duale
Ausbildung und duales Studium für
geringe Abbrecherzahlen und eine hohe
Loyalität zum Ausbildungsbetrieb. Deshalb
sollen schon bald auch in Spanien
62 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
Jugendliche nach deutschem Vorbild
ausgebildet werden. Auch sollen junge
Spanier zur Ausbildung nach Deutschland
gelockt werden und hier helfen,
dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Berufliche Bildung bei ABB als
Vorbild für das Ausland
Israel, Großbritannien, Malaysia, Indonesien
und China interessieren sich ebenfalls
für das Ausbildungsmodell. Deshalb
fanden in letzter Zeit häufig Begegnungen
von Verantwortlichen des ATC mit ausländischen
Delegationen statt.
Eine israelische Delegation unter Führung
des Ministers für Industrie, Handel
und Arbeit, Shalom Simhon, besuchte
kürzlich das ATC in Berlin. Ziel war,
das Modell der Verbundausbildung kennenzulernen.
Neben Minister Simhon,
dem Präsidenten des Herstellerverbands
Israels und der Handelsattachée und Direktorin
des Israel Trade Center gehörten
20 weitere Personen der Delegation an.
Äußerst beeindruckt war die israelische
Delegation über das große Netzwerk aus
mehr als 150 Berliner und Brandenburger
Unternehmen, die die Dienstleistungen
des Berliner ATC nutzen. Minister
Simhon war fasziniert davon, wie es ABB
gelungen ist, diese Struktur einerseits
aufzubauen und – noch wichtiger –
auch produktiv zu halten. Dabei interessierten
ihn vor allem die Kosten der
Berufsausbildung und wie das Modell
in Berlin funktioniert.
Und auch die OECD hat im März 2012
das Ausbildungszentrum im Rahmen
einer Jahrestagung mit 30 Fachleuten aus
dem internationalen Bildungsgeschäft
besucht. Thema war auch hier die Rolle
der dualen Ausbildung beim Übergang
von Jugendlichen in ein erfolgreiches
Arbeitsleben.
Auch die EU setzt auf duales Prinzip
Die neuen EU-Zielsetzungen in der beruflichen
Bildung bis 2020, die primär
auf nationale Systemreformen gerichtet
sind, setzen ebenso auf das duale Prinzip,
auf die enge Verzahnung von Schule und
Wirtschaft und die Arbeitsmarktrelevanz
der Ausbildung. Gründe dafür sind nicht
nur die relative Stabilität des dualen
Systems im Zuge der globalen Finanzund
Wirtschaftskrise, sondern auch
das Spitzenranking Deutschlands bei
der Jugendarbeitslosigkeit, beim hohen
Qualifikationsniveau und beim guten
Übergang in den Arbeitsmarkt nach der
Ausbildung. Mehrere EU-Staaten, darunter
Schweden, Ungarn und Rumänien,
haben Reformschritte in Richtung der
dualen Ausbildung eingeleitet.
Oben links: Hemdat Sagi, Handelsattachée
und Direktorin des Israel Trade Center,
Minister Shalom Simhon und Zvi Oren (v. l.),
Präsident des Herstellerverbands Israels,
informieren sich über das ATC.
Oben rechts: Bundeskanzlerin Angela
Merkel zu Besuch im ATC Berlin anlässlich
des Ausbildungsstarts im Jahr 2011
Ausbildungsangebot und Studiengänge bei ABB
Gewerblich-technische Berufe
Anlagenmechaniker/-in, Elektroniker/-in, Fachinformatiker/-in, Feinwerkmechaniker/-in,
Fertigungsmechaniker/-in, Industriemechaniker/-in, Konstruktionsmechaniker/-in,
Maschinen- und Anlagenführer/-in, Mechatroniker/-in,
Mechatroniker/-in für Kältetechnik, Technische/-r Produktdesigner/-in,
Verfahrensmechaniker/-in, Werkzeugmechaniker/-in, Zerspanungsmechaniker/-in
Kaufmännische Berufe
Bürokaufmann/-frau mit Zusatzqualifikationen in Schreibtechnik, EDV und
Englisch, Industriekaufmann/-frau, Fachkraft für Lagerlogistik, Fachlagerist/-in,
Patentanwaltsfachangestellte/-r
Studiengänge
Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Mechatronik Studienrichtung
Allgemeine Mechatronik, Projekt-Engineering, Wirschaftsingenieurwesen,
Wirtschaftsinformatik
globalcompact Deutschland 2012
63
Bayer
Innovative Lösungen
für ein langes und aktives
Erwerbsleben
Der demografische Wandel rückt die Belange älterer Arbeitnehmer stärker in den Blickpunkt
einer lebensphasenorientierten Personalpolitik. Denn in kaum einem anderen Bereich sind
die bevorstehenden Veränderungen für die Unternehmen bereits so klar erkennbar: Ab 2012
wird das gesetzliche Renteneintrittsalter in Deutschland schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Gleichzeitig verlieren bewährte Instrumente wie die Altersteilzeit oder Frühruhestand zunehmend
an Bedeutung, die bislang vielen Beschäftigten einen gleitenden bzw. vorzeitigen Ausstieg
aus dem Erwerbsleben ermöglicht haben. Bayer geht angesichts dieser Entwicklung davon aus,
dass der Altersdurchschnitt der Beschäftigten in Deutschland von derzeit 44 Jahren auf rund
50 Jahre im Jahr 2020 steigen wird. Auch der Anteil der Mitarbeiter, die 60 Jahre und älter
sind, wird bis dahin deutlich zunehmen.
Von Georg Müller
64 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
Belastungsreduzierung im Alter bei Bayer:
Schichtarbeiter Herbert Sonnabend (rechts)
arbeitet künftig weniger, sein junger Kollege
Taner Ceyhan wird dafür fest aus der Ausbildung
übernommen.
Wie können die verlängerte Lebensarbeitszeit
personalpolitisch gestaltet und die
Beschäftigten dabei unterstützt werden,
auch mit über 60 Jahren noch gesund
und leistungsfähig zu sein? Bayer hat
auf diese Schlüsselfrage des Demografie-
Managements gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern
eine innovative
und in dieser Form bislang einzigartige
Antwort formuliert. Auf der Basis des
Branchentarifvertrags „Lebensarbeitszeit
und Demografie“ hat Bayer seit 2010 eine
gleichnamige Gesamtbetriebsvereinbarung
im Unternehmen implementiert,
die in hohem Maße auch die Interessen
älterer Beschäftigter berücksichtigt.
So haben Tarif beschäftigte, die in
voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschicht
tätig sind, ab dem vollendeten
55. Lebensjahr einen Anspruch auf bis
zu 20 schichtfreie Tage im Jahr. Die arbeitsfreien
Tage können in Abstimmung
mit der Betriebsleitung über das gesamte
Kalenderjahr verteilt genommen werden.
Der Lohnausgleich für die arbeitsfreien
Tage erfolgt über ein Langzeitkonto aus
den Mitteln des Demografiefonds, für
den Bayer jährlich rund 4,8 Mio. Euro
bereitstellt. Ziel ist es, das Arbeitspensum
von körperlich besonders beanspruchten
Mitarbeitern in den letzten Jahren der
Berufstätigkeit spürbar zu verringern
und ihnen so einen gleitenden Ausstieg
aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen.
Die Belastungsreduzierung im Alter
verbindet mehrere wichtige Gedanken des
Demografie-Managements miteinander:
Einerseits bleiben ältere Beschäftigte auch
in körperlich fordernden Tätigkeitsbereichen
als wertvolle Mitarbeiter erhalten
und haben dank eines verringerten Arbeitspensums
eine realistische Chance,
tatsächlich bis zum Erreichen des gesetzlichen
Renteneintrittsalters berufstätig
zu bleiben, andererseits entstehen durch
die Arbeitszeitreduzierung zusätzliche
Beschäftigungsmöglichkeiten für junge
Mitarbeiter in diesen Bereichen. Denn
die entstehenden Lücken im Schichtplan
werden durchgängig neu besetzt, häufig
durch ehemalige Auszubildende. Auf
diese Weise werden qualifizierte Fachkräfte
im Unternehmen gehalten und ein
geordneter Übergang von betrieblichem
Erfahrungswissen auf die nachfolgende
Generation sichergestellt.
Weitere Bestandteile der Gesamtbetriebsvereinbarung
„Lebensarbeitszeit und
Demografie“ sind die Belastungsreduktion
für langfristig erkrankte Beschäftigte, die
im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
(BEM) 80 zusätzliche
freie Arbeitsstunden in Anspruch nehmen
können, sowie eine umfangreiche
medizinische Vorsorgeuntersuchung für
insgesamt rund 21.000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in Deutschland. Auch diese
Maßnahmen dienen unmittelbar dem
Ziel, die Gesundheit der Beschäftigten
langfristig zu erhalten und so eine Berufstätigkeit
bis ins Alter zu ermöglichen.
Doch nicht nur in produktionsnahen
Unternehmensbereichen möchte
Bayer das Wissen und die Potenziale
älterer Beschäftigter nutzen und erhalten.
Das Bayer Senior Experts Network, kurz
BaySEN, bietet leitenden Angestellten
seit Ende 2010 die Möglichkeit, auch
über die Pensionierung hinaus für das
Unternehmen tätig zu sein. Die Senior
Experts können sich mit einem Profil in
der BaySEN-Datenbank registrieren lassen
und werden je nach Bedarf und Eignung
als Berater zu einem Projekt hinzugezogen.
Dabei bestehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten:
Gefragt sind sowohl
General Manager als auch spezialisierte
Fachkräfte und erfahrene Team- und
Projektmanager für Einsätze in nahezu
allen Unternehmensbereichen.
Mit der Gesamtbetriebsvereinbarung
„Lebensarbeitszeit und Demografie“, der
in ihr enthaltenen Gesundheitsförderung
und weiteren flankierenden Maßnahmen
hat Bayer schon heute die Voraussetzungen
geschaffen, um der künftig wachsenden
Anzahl älterer Beschäftigter eine
möglichst lange und aktive Teilhabe am
Erwerbsleben zu ermöglichen.
Georg Müller ist Personalchef von Bayer in
Deutschland.
Mitarbeiter-Altersstruktur bei Bayer in Deutschland
älter als 60 Jahre
1,4 %
50 bis 59 Jahre
31,2 %
40 bis 49 Jahre
36,6 %
jünger als 20 Jahre
2,9 %
20 bis 29 Jahre
11,1 %
30 bis 39 Jahre
16,8 %
Die meisten der 35.800 Beschäftigten des Bayer-Konzerns in Deutschland sind heute
über 40 Jahre alt – Tendenz steigend. Weltweit beschäftigt der Bayer-Konzern derzeit
111.800 Mitarbeiter.
globalcompact Deutschland 2012
65
BoscH
Diversity bei Bosch – ein
bedeutender Erfolgsfaktor
Internationalisierung, soziale Vernetzung, Individualisierung, demographischer Wandel … All dies
sind gesellschaftliche Veränderungen, die sich auch in der Arbeitswelt widerspiegeln. Bei Bosch
zählen vielfältige Denkweisen, Erfahrungen, Führungs- und Arbeitsstile seit jeher zum Selbstverständnis.
Mit weltweit über 300.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus vier Generationen
in rund 150 Ländern wird Diversity bei Bosch tagtäglich gelebt. So entwickelt das Technologieunternehmen
vielfältige Produkte und Dienstleistungen und schafft damit „Technik fürs Leben“.
Von Madeleine Förster
Als eines der ersten Unternehmen hat
Bosch im Dezember 2007 die „Charta
der Vielfalt“ unterzeichnet, mit der sich
Unternehmen offiziell verpflichten, Vielfalt
anzuerkennen und wertzuschätzen.
Das hat seinen Grund: Diversity ist ein
Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen
Erfolg von Bosch, weil Vielfalt die Voraussetzung
für innovative Ideen schafft.
Daher denken wir bei Bosch in Kompetenzen
– unabhängig von Aspekten wie
Alter, Geschlecht oder Herkunft. Um die
Vielfalt in Zukunft noch weiter zu stärken
und für den nachhaltigen Erfolg bei Bosch
zu nutzen, hat die Geschäftsführung
2011 die Projektgruppe „Diversity“ ins
Leben gerufen, mit dem Ziel, Diversity
Management strategisch im Unternehmen
zu verankern. Zunächst stehen dabei die
Schwerpunkte Geschlecht, Generationen,
Internationalität und Arbeitskultur im
Fokus. Durch eine Diversity Kommunikationsinitiative
werden Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter an rund 200 Standorten
weltweit eingeladen, Vielfalt bei Bosch
bewusst zu entdecken und die Vorteile
im Alltag zu nutzen. Ziel der mehrstufigen
Kampagne unter dem Motto „Vielfalt
ist unser Vorteil“ ist, das Verständnis
für Vielfalt und den damit verbundenen
(Mehr) Wert zu fördern und durch das
Aufzeigen positiver Beispiele erlebbar
zu machen. Begleitet wird die Kommunikation
von informativen Vorträgen
und umfangreichen Diversity Qualifizierungsangeboten,
bei denen gezielt
einzelne Dimensionen wie „Gender Talk“
oder „Interkulturelle Kompetenz“ im
Mittelpunkt stehen.
Ute Lepple, Kaufmännische Leiterin Produktbereich
Zubehör bei Bosch Power Tools,
Solothurn, Schweiz. Die Diplom-Betriebswirtin
mit einer Leidenschaft für Bergsport und klassisches
Ballett lebt mit ihrem Ehemann seit
10 Jahren in der Schweiz und hat eine dreijährige
Tochter. Sie zeigt berufliche Vielfalt:
Nach ihrem Studium an der Berufsakademie
hat sie bisher in den Bereichen Logistik,
Personal, Revision und Einkauf gearbeitet.
Florian Bankoley, Geschäftsführer der
Mobility Media GmbH in Berlin, Deutschland.
Trainee in Bühl, Stuttgart und Wuxi/China,
einst einziger Betriebswirtschaftler unter Ingenieuren
im schwedischen Kundenteam,
heute einer der jüngsten Geschäftsführer
einer Bosch Tochtergesellschaft. Als Basketball-Trainer
ist er Vorbild für Jugendliche –
und nennt als sein eigenes Vorbild Franz
Fehrenbach: wegen dessen Authentizität.
Jumana Al-Sibai, Verkaufsleiterin im Geschäftsbereich
Gasoline Systems, Schwieberdingen,
Deutschland. Sie ist eine der Top-Frauen im
Bosch Management und bekam im September
2011 ihr zweites Kind. Familie und Karriere zu
verbinden ist für sie natürlich – genauso wie die
Arbeit als eine von wenigen Frauen im technischen
Umfeld. Vielfalt als Chance zu nutzen, lernte
die Halb-Araberin schon zu Beginn ihrer Laufbahn:
im Ausland und bei früheren Arbeitgebern.
66 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
Balance zwischen Berufs- und
Privatleben ist wichtiger Stellhebel
Bosch lebt vom Expertenwissen und
Engagement seiner hochqualifizierten
Mitarbeiter. Deshalb wollen wir die besten
Männer und Frauen jeden Alters und jeder
Herkunft für Bosch gewinnen, binden und
in ihrer Karriere fördern. Diese gewünschte
Vielfalt funktioniert jedoch nur nachhaltig,
wenn die Arbeitskultur stimmt
und die Mitarbeiter authentisch sein
dürfen. Hierzu muss das Unternehmen
eine offene, wertschätzende Unternehmenskultur
bieten und die Bedürfnisse
aller Mitarbeiter ernst nehmen. Verschiedene
Stellhebel wie die Vereinbarkeit von
Berufs- und Privatleben spielen dabei
eine entscheidende Rolle. „Es liegt uns
am Herzen, dass unsere Mitarbeiter Beruf
und Privates gut miteinander verbinden
können. Bei uns müssen sie sich nicht für
oder gegen das Eine oder Andere entscheiden.
Wir unterstützen deshalb mit vielen
Maßnahmen, Rahmenbedingungen und
personalpolitischen Instrumenten unsere
Mitarbeiter in ihrer individuellen
Gestaltung hinsichtlich Arbeitszeit und
-ort“, berichtet Geschäftsführer Christoph
Kübel. Eine dieser Rahmenbedingungen
ist z.B. eine gute Kinderbetreuung. Sie
ermöglicht unseren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern, Beruf und Familie erfolgreich
zu vereinbaren. Nachdem der Bedarf
nicht ausreichend über die Kommunen in
Deutschland abgedeckt wird, unterstützen
wir als Arbeitergeber unsere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und bieten
an unseren Standorten eigene Angebote
zu Kinder-, Ferien- und Notfallbetreuung
sowie sonstigen Services bei der Pflege von
Angehörigen an. „Wir sind davon überzeugt,
dass sich die Herausforderungen,
denen wir künftig begegnen werden, nur
so meistern lassen und es nur so möglich
ist, auch in Zukunft die besten Talente
für Bosch zu gewinnen“, verdeutlicht
Kübel. Durch dieses Engagement wurde
Bosch 2012 auch zum familienfreundlichsten
Großunternehmen Deutschlands
gekürt. Die Jury überzeugte zudem, dass
Führungskräfte bei Bosch aktiv an der
Veränderung der Unternehmenskultur
mitwirken und den eigenen Mindset
immer wieder auf den Prüfstand stellen.
Ergebnisse vor Präsenz
Erst die Kinder zur Schule bringen, dann
von Zuhause aus an der Videokonferenz
teilnehmen. Freitags freinehmen, um das
lange erträumte private Buchprojekt zu
verwirklichen. Nachmittage reservieren,
um sich in Führungsseminaren persönlich
fortzubilden. Geht nicht? Doch, geht
wohl. Denn Wandel weg von starren Präsenzzeiten
hin zu mehr Flexibilität ist
bereits im vollen Gange und ebenfalls ein
Katalysator für Vielfalt. Dabei setzt Bosch
vor allem auf das eigene Erleben. Wer
selbst positive Erfahrungen gesammelt hat,
ermutigt auch Mitarbeiter und Kollegen.
Deshalb haben wir die Initiative MORE
(Mindset of ORganisation and Executives)
ins Leben gerufen: über 150 Führungskräfte
haben dabei für 125 Tage verschiedene
Bosch: Familienfreundlichstes
Unternehmen Deutschlands 2012
Familienfreundlichkeit gehört bei Bosch explizit
zur Personalpolitik. Das Bekenntnis zur
Familie ist bei Bosch kein Karrierekiller – im
Gegenteil – es kann die Karriere fördern.
(v. l.): Bundesfamilienministerin Kristina
Schröder, Bosch-Geschäftsführer Christoph
Kübel, Bundeskanzlerin Angela Merkel,
Abteilungsleiterin der Zentralstelle Mitarbeiterentwicklung,
Vielfalt und Chancengleichheit
Heidi Stock
Arbeitszeitmodelle getestet – angefangen
bei einzelnen Tagen im Homeoffice bis
hin zur Teilzeit. Die Resonanz war überwältigend,
weshalb „MORE“ weiter ausgebaut
wird, um weiteren Führungskräften
und Mitarbeitern das flexible Arbeiten
auf Probe zu ermöglichen. „Am Schluss
brauchen wir die richtige Kompetenz
am richtigen Arbeitsplatz“, betont Kübel.
„Durch flexible Angebote sind wir attraktiv
für Mitarbeiter und gewinnen die vielfältigsten
Talente für uns.“ Bosch wird daher
konsequent den erfolgreich eingeschlagenen
Weg weitergehen, denn wir sind
überzeugt: Vielfalt ist unser Vorteil!
Was verstehen wir bei Bosch unter Diversity?
Wir schätzen die Vielfalt von Denkweisen, Erfahrungen, Perspektiven und
Lebensentwürfen und sichern damit unseren langfristigen unternehmerischen
Erfolg. So gewinnen wir im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter, Produkte
und Dienstleistungen, denn „Bosch, Technik fürs Leben“ bedeutet nicht nur
eine, sondern eine Vielfalt von Lösungen. Deshalb ist Diversity Management
ein fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie und in unseren
Unternehmenswerten verankert. Dabei stehen zunächst die Dimensionen
Geschlecht, Generationen, Internationalität und Arbeitskultur im Fokus.
globalcompact Deutschland 2012
67
GIZ
Innovative Lösungen für
nachhaltige Lieferketten
Strickschals und Handschuhe, Halsketten und Ringe, Schlüsselanhänger und Kaffeebecher –
Tausende Artikel der Konsumgüterindustrie verlassen Tag für Tag asiatische Fabriken und
warten kurze Zeit später in europäischen und amerikanischen Regalen auf Käufer. Diese legen
zunehmend Wert auf fair produzierte Ware und auch die Investoren und Aktionäre achten
verstärkt auf Sozialstandards und gute Arbeitsbedingungen vor Ort. Doch die Erfahrung zeigt,
dass viele Zulieferer in Entwicklungs- und Schwellenländern, die für deutsche Unternehmen
produzieren, diese Anforderungen nicht erfüllen. Mit seinem Programm develoPPP.de entwickelt
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
seit Jahren gemeinsam mit deutschen und europäischen Unternehmen tragfähige Lösungen,
um Produktionsbedingungen vor Ort zu verbessern.
Von Lisa Süß
Große Handelsunternehmen versuchen
seit vielen Jahren, menschenunwürdige
Arbeitsbedingungen in ihrer Produktion
auszuschließen. Dabei stehen sie vor
vielen Herausforderungen: Wie stellt
man sicher, dass Zulieferer keine Kinder
beschäftigen? Ihren Arbeiterinnen
und Arbeitern faire Löhne bezahlen?
Überstunden ein gewisses Maß nicht
überschreiten? Sicherheitsrichtlinien
eingehalten werden?
Das Programm develoPPP.de, finanziert
vom BMZ, unterstützt Unternehmen
darin, Antworten auf diese Fragen zu
finden. Umsetzungspartner sind dabei
die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
mbH (DEG), die sequa
gGmbH und die Deutsche Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
GmbH. Die Organisationen arbeiten
seit Jahrzehnten in Entwicklungs- und
Schwellenländern und verfügen über
breite Netzwerke mit Partnern aus Regierungen,
der Wirtschaft, Gemeinden,
Kammern und Nichtregierungsorganisationen
vor Ort. Ihre Erfahrungen, komplexe
Prozesse weltweit zu managen,
und ihre weitreichende Fachexpertise
machen sie zu kompetenten Partnern
für die Wirtschaft.
Runde Tische vernetzten Akteure
Das develoPPP.de-Programm läuft seit
1999. Seither unterstützen GIZ, DEG
und sequa Unternehmen dabei, die
Arbeits- und Sozialstandards in ihren
Zulieferbetrieben zu verbessern. „Vor
15 bis 20 Jahren war der Ansatz vor
allem, Verhaltenskodizes und Audits zu
entwickeln. Um die Jahrtausendwende
herum schlossen sich namhafte Handelsunternehmen
dann erstmals zusammen,
um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Damals haben wir zum Beispiel mit der
Außenhandelsvereinigung des Deutschen
Einzelhandels (AVE) einen einheitlichen
Verhaltenskodex für Textilbetriebe entwickelt“,
erzählt Bernadette Daubenmerkl,
die für die GIZ develoPPP.de-Projekte in
Asien betreut.
In den Folgejahren erkannten viele Handelsunternehmen,
wie wichtig es ist, ihre
Zulieferer mit Trainingsmaßnahmen und
Qualifizierungsangeboten dabei zu unterstützen,
die Standards einzuhalten. In
68 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
wenig nachhaltige Ergebnisse erzielt.“
Tchibo und GIZ setzten daher in ihrer
Partnerschaft zuerst darauf, 18 Trainer
aus den jeweiligen Projektländern auszubilden.
Diese führten dann mit Vertretern
des Topmanagements, des mittleren
Managements, Arbeiterinnen und
Arbeitern, sowie Einkäufern von Tchibo
Workshops und Fabrikbesuche durch,
in denen alle gemeinsam an Lösungen
arbeiteten. Umsetzung und nachhaltige
Veränderungen gelingen, weil alle
relevanten Akteure einbezogen wurden.
Zufriedene Arbeiter und gestiegene
Produktivität
dieser Zeit entstanden mit Unterstützung
von develoPPP.de in elf Ländern sogenannte
Runde Tische. Dort trafen sich
die Vertreter von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen,
staatlichen
Organisationen und Gewerkschaften, um
gemeinsam Lösungen für eine effiziente
und einheitliche Umsetzung sozialer Mindeststandards
zu finden. 2003 gründete
der AVE schließlich die Business Social
Compliance Initiative (BSCI) auf europäischer
Ebene. Bernadette Daubenmerkl
erinnert sich: „Seit der Mitte der 1990er
Jahre waren die Handelsunternehmen
ein gutes Stück weitergekommen. Doch
alleine durch punktuelle Trainings und
Audits konnten einige Grundprobleme
nicht gelöst werden. Die lokalen Produzenten
reagierten auf die Überprüfung
ihrer Arbeitsbedingungen teilweise mit
Bestechung der Auditoren, doppelter
Buchführung und geringer Transparenz.
Aus diesem Grund waren wir auf der
Suche nach neuen Herangehensweisen.“
Im Dialog für Arbeitsrechte
Tchibo und die GIZ nahmen deshalb
2007 mit dem Dialogansatz ein Konzept
auf, das aus den Runden Tischen hervorgegangen
war und entwickelten ihn
weiter. Den daraus entstandenen Ansatz
WE (Worldwide Enhancement of Social
Quality) erprobten Tchibo und die GIZ in
40 Pilotfabriken in Bangladesch, China
und Thailand. WE setzt auf den Austausch
zwischen Managern, Beschäftigten
und deren Vertretern sowie zwischen
Einkäufern und Lieferanten. Nanda Bergstein,
Leiterin Lieferantenbeziehungen
Konsumentenprodukte bei Tchibo, erklärt,
warum die branchenüblichen Audits
alleine nur begrenzt wirksam sind:
„Sozialaudits können einen Überblick
über die Ist-Situation eines Betriebs geben,
sind aber selten Anreiz zur positiven
Veränderung. Dies liegt vor allem daran,
dass Audits und Managementtrainings
nicht an den Hauptursachen der Herausforderungen
in den Fabriken ansetzen.
Das sind die konfliktträchtigen Beziehungen
zwischen Management und Beschäftigten
sowie mangelnde Methodik
und Wissen zur Überwindung derselben.
Stattdessen wurde Druck auf Fabriken
ausgeübt, die als westlich empfundenen
Anforderungen umzusetzen. Dies hat
viele Barrieren aufgebaut und letztlich
Der Blick auf die vergangenen fünf Jahre
ist laut Bergstein überzeugend: „Die erzielten
Ergebnisse sind deutlich nachhaltiger
als mit den bisherigen Instrumenten
und sie beziehen sich sowohl auf Sozialstandards
wie höhere Löhne, weniger
Überstunden und weniger Unfälle als
auch auf Business-Indikatoren. Durch
das Pilotprojekt haben wir gelernt, dass
Menschenrechte und Business Performance
kein Widerspruch sind, sondern
höchst kompatibel. Der positive Business
Case entsteht dann, wenn die Beteiligten
Dialogmethodik anwenden und das
Management echte Partizipation und
Repräsentanz der Arbeiter zulässt. Dies
zeigt sich etwa in besserer Produktqualität
und höherer Produktivität. Fabriken,
die ursprünglich sehr skeptisch waren,
sind in dem Programm geblieben, weil
sie festgestellt haben, dass sich ihre Organisationen
dadurch ganzheitlich entwickeln
und sie Kundenanforderungen
besser erfüllen konnten“.
Für Tchibo Grund genug, das Projekt
auf andere Länder und weitere Fabriken
auszudehnen. „Wir wollen nach und nach
all unsere wichtigen Zulieferer in das
Projekt holen“, bekräftigt Bergstein. Derzeit
haben 175 Fabriken das Programm
abgeschlossen oder sind in der laufenden
Qualifizierung. Ihre Erfahrungen und
Ergebnisse teilen Tchibo und die GIZ
mit anderen Akteuren des Textilsektors
auf www.we-socialquality.com. Dadurch
profitiert die gesamte Branche von dem
positiven Ansatz und kann ihre Arbeitsbedingungen
nachhaltig verbessern.
Weitere Informationen finden Sie auf
www.develoPPP.de
globalcompact Deutschland 2012
69
HERAEUS
Frühzeitig andere Kulturen
und das Unternehmen
kennenlernen
Das Programm „Meet the Family“ ermöglicht Mitarbeiterkindern von Heraeus kulturellen Austausch
und Firmeninformation aus erster Hand.
Von Christoph Ringwald
Spätestens wenn die ersten Überlegungen
zur eigenen Berufswahl angestellt
werden, fragen sich Kinder, in welchem
Umfeld die eigenen Eltern beschäftigt
sind. Was macht das Unternehmen und
wie sind die Menschen, die darin arbeiten?
Umso spannender wird die Frage,
wenn es sich bei dem Arbeitgeber um
ein global tätiges Unternehmen handelt.
Der Hanauer Edelmetall- und Technologiekonzern
Heraeus beschäftigt mehr als
13.300 Mitarbeiter an über 120 Standorten
auf der Welt. Eine gute Basis also, um
die Neugier des Mitarbeiternachwuchses
zu befriedigen und sowohl einen Einblick
in die Vielfalt von Heraeus wie auch
in die Kultur und Lebensweise anderer
Länder zu geben. Was normalerweise
nur über Schüleraustausche erreicht
werden kann, bietet das Unternehmen
selbst an: „Meet the Family“ ist das internationale
Austauschprogramm für
Mitarbeiterkinder. Die Jugendlichen
haben dabeidie Möglichkeit, am Leben
einer Heraeus Familie in einem anderen
Land teilzunehmen und auch einen
der internationalen Heraeus Standorte
kennen zu lernen.
„Meet the Family“ bietet seinen Teilnehmern
die Chance, erste Auslandserfahrungen
zu sammeln und über Länder
und Geschäftsbereichsgrenzen hinweg
Freundschaften zu knüpfen. Das im Jahr
2007 ins Leben gerufene Programm ist
Bestandteil der CSR-Strategie des Unternehmens,
welche auf den Grundwerten
des über 160 Jahre alten Familienunternehmen
basiert: So steht neben der
unternehmerischen Verantwortung
auch die familienorientierte Fürsorge
im Fokus. Für den Erfolg von Heraeus
bildet interkulturelle Kompetenz die
Grundlage in der tagtäglichen grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit. Dr. Frank
Heinricht, Vorsitzender der Geschäftsführung
der Heraeus Holding GmbH,
erläutert die Idee hinter dem Programm:
„Eine zunehmend vernetzte Welt verlangt
gerade von der nächsten Generation, dass
sie offen auf andere Menschen zu- und
sensibel mit kulturellen Besonderheiten
umgeht. Hierzu wollen wir einen
Beitrag leisten und laden die Heraeus
Mitarbeiter weltweit ein, ihren Sohn
oder ihre Tochter von „Meet the Family“
partizipieren zu lassen.“
Umfangreicher Matchingprozess
sichert gegenseitige Anknüpfungspunkte
Jedes Jahr erhalten etwa 30 Kinder von
Heraeus Mitarbeitern zwischen 15 und
18 Jahren die Chance, an „Meet the Family“
teilzunehmen. Für rund zwei Wochen
besuchen sich die Heranwachsenden
gegenseitig in ihren Gastfamilien und
verbringen so insgesamt vier Wochen
gemeinsam. Je nach Vereinbarung zwischen
den Partnerfamilien erfolgt der
Austausch vorzugsweise in den Schulferien.
Dabei sollten Besuch und Gegenbesuch
möglichst im selben Jahr stattfinden.
Der „Meet the Family“-Turnus beginnt
am Jahresanfang: Frühzeitig wird in
70 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
der internen Kommunikation auf die
Bewerbungsfrist bis Mitte Februar hingewiesen.
Der Bewerbungsprozess erfolgt
durch den Heraeus Mitarbeiter schriftlich
anhand standardisierter Fragebögen. Er
liefert möglichst detaillierte Einblicke
zur Motivation der Bewerber und ihrem
familiärem Umfeld. Auf Basis dieser
Bewerbung nimmt das „Meet the Family“-
Team, welches aus drei Personen besteht
und in der Heraeus Konzernkommunikation
angesiedelt ist, das so genannte
„Matching“ vor. Nur bei Eintreffen bestimmter
Grundvoraussetzungen kann
der Austausch ein Erfolg werden. Die
vom Organisationsteam erstellten obligatorischen
Kriterien haben sich dabei in
den vergangenen fünf Jahren bewährt:
So werden nur Paarungen ähnlichen
Alters, gleichen Geschlechts, mit entsprechenden
Fremdsprachenkenntnissen
und überschneidenden Interessen und
Länderwünschen zusammengestellt. Das
Projektteam achtet dabei auf möglichst
interkontinentale Kombinationen,um
einen echten Blick „über den Tellerrand“
zu gewährleisten. So nahmen im Jahr
2012 Teilnehmer aus Belgien, Deutschland,
Frankreich, Niederlande, Polen,
plant das Projektteam die konkrete Buchung
der Reisen für Besuch und Gegenbesuch.
Heraeus kommt dabei für
die gesamten Kosten für die Hin- und
Rückreise sowie die Auslandskrankenund
Unfallversicherung für die Dauer des
Aufenthaltes auf. Daneben unterstützt
das Projektteam bei Aufenthaltsgenehmigungen,
Impfungen, Essensunverträglichkeiten
und anderen Fragen des
Alltags. Vorbereitungsseminare für die
Teilnehmer erleichtern die interkulturelle
Kontaktaufnahme und machen Vorfreude
auf die anstehenden Erfahrungen.
Auch während der Reisen ist das „Meet
werden während des Aufenthalts geteilt,
gemeinsame Unternehmungen in den
Gastfamilien organisiert. Immer wieder
erreichen das Projektteam schon während
des Austauschs begeisterte Berichte
und Bilder, die Ausflüge und Eindrücke
dokumentieren. Diese fließen auch in
einen obligatorischen Reisebericht, den
die Teilnehmer des Programms nach
ihrer Reise verfassen. Dem medialen
Wandel Rechnung tragend, wurden sie
von Heraeus im Jahr 2012 erstmals mit
digitalen Filmkameras ausgestattet. So
lässt sich das Erlebte multimedial verarbeiten
und mit Freunden und Familien in
sozialen Netzwerken teilen. Traditioneller
Programmpunkt des Aufenthalts ist
auch ein Besuch des jeweiligen Heraeus
Standorts, bei dem Gastkind und der
eigene Nachwuchs die Partnereltern an
ihren Arbeitsplatz begleiten. So wird die
Vielfalt der Heraeus Welt mit eigenen
Augen sichtbar.
Durch das „Meet the Family“-Programm
hatten bislang rund 130 Kinder von
Heraeus Mitarbeitern die Möglichkeit,
in ein neues Land zu reisen, andere
Kulturen zu erleben und Fremdsprachen
Schweiz, USA, Brasilien, Südafrika und
China an dem Programm teil.
Unterstützung des Projekteams bei
Vorbereitung und Durchführung
Trotz aller Vorarbeit ist das erste gegenseitige
Kennenlernen der Partnerfamilien
entscheidend für die Durchführung des
Austauschs. Erst nach diesem Schritt
the Family“-Team ansprechbar: Verpasste
Flüge, verloren gegangenes Gepäck und
plötzliche Anfälle schweren Heimwehs
werden routiniert und mit großer Hilfsbereitschaft
behandelt.
In der Zeit des Austauschs lernen die
Teilnehmer das alltägliche Familienleben
in einem anderen Land und Kulturkreis
kennen. Freunde und Hobbys
zu üben. Aus den Paarungen sind viele
Freundschaften entstanden, die auch den
Zeitraum des Austauschs überdauern.
Berichte von Familien, die sich auch
später gegenseitig besuchen, und „Meet
the Family“-Absolventen, die auf eigene
Kosten noch ein zweites und drittes Mal
zu ihren Gastfamilien reisen, unterstreichen
den nachhaltigen Erfolg dieser
familienorientierten Maßnahme.
globalcompact Deutschland 2012
71
HypoVereinsbank
„Es gibt nichts Gutes,
außer man tut es!“
Viele Mitarbeiter der HypoVereinsbank setzen sich in ihrer Freizeit freiwillig für gemeinnützige
Zwecke ein. Für das Gemeinwohl stellen sie großzügig Zeit, Geld und Wissen zur Verfügung.
Ihr Engagement verleiht ihnen Energie, es fördert die Motivation und neue Ideen. Der gemeinschaftliche
Einsatz für die Gesellschaft stärkt darüber hinaus das Zusammengehörigkeitsgefühl
innerhalb der Bank, er festigt die lokalen Geschäftsbeziehungen und das Engagement
an den regionalen Standorten. Freiwilliges Mitarbeiterengagement zu ermöglichen und
mit bankeigenen Aktivitäten zu verknüpfen, ist kennzeichnend für die Corporate-Citizenship-
Strategie der HypoVereinsbank.
Von Stefan Löbbert
Mitarbeiter für Nachhaltigkeit zu motivieren
und ihr Mitwirken zu fördern,
gehört zu den Kernaufgaben unternehmerischen
Nachhaltigkeitsmanagements.
Wird das Nachhaltigkeitsengagement
eines Unternehmens von den Mitarbeitern
nicht getragen, sind die langfristigen
Erfolgsaussichten gering.
Die Mitarbeiterprogramme der HypoVereinsbank
setzen bewusst an der Schnittstelle
zwischen Privatperson und Mitarbeiter
an, mit dem Ziel, größtmögliche
Weitere Informationen unter www.hvb.de/nachhaltigkeit
72 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
Synergien zwischen dem privatem Engagement
der Mitarbeiter, der Nachhaltigkeitsstrategie
der HypoVereinsbank und der
Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation
herzustellen. „Wir für die Region“ heißt das
Motto, das die Programme bündelt und
gleichzeitig die Stoßrichtung vorgibt: Vor
Ort, im konkreten Umfeld der jeweiligen
Mitarbeiter, findet das Engagement statt.
Wir für die Region
Beim Employee Volunteering kooperieren
HypoVereinsbank-Filialen dezentral mit
sozialen Organisationen in ihrer jeweiligen
Region. Die Filialmitarbeiter suchen
sich selbst ein Kooperationsprojekt aus
und engagieren sich gemeinschaftlich
als Team. In Nürnberg beispielsweise
verbindet die HypoVereinsbank seit 2009
ihr regionales Bankgeschäft mit Spenden
und dem ehrenamtlichen Engagement
der Mitarbeiter. In Kooperation mit der
„Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung
Nürnberg e.V.“ setzen sich mittlerweile
über 300 Mitarbeiter für Menschen
mit Behinderung ein. Sie begleiten geistig
oder körperlich eingeschränkte Personen
bei Ausflügen, übernehmen Gartenarbeit
in den Lebenshilfeheimen, geben Tanzkurse
oder unterstützen die Organisation
bei Messeauftritten. Seit 2010 bietet die
Filiale Nürnberg fünf Menschen mit
Handicap einen Arbeitsplatz. Im Tagungsservice
sowie im Mitarbeitercafé
übernehmen sie das Catering. Zusätzlich
zur ehrenamtlichen Unterstützung erhält
die Lebenshilfe Nürnberg regelmäßig
finanzielle Förderung im Rahmen
der Aktion Motiv-ec-Karten, bei der zwei
Euro pro Karte an eine gemeinnützige
Organisation gespendet werden.
Hand in Hand mit unseren
Mitarbeitern
Beim Programm „Ehrensache!“ wird die ehrenamtliche
Arbeit einzelner Mitarbeiter
belohnt, bei zum Beispiel dem Malteser
Hilfsdienst oder dem Deutschen Alpenverein.
Als „Bonus“ gibt es Sonderurlaub von
bis zu zwei Tagen und eine Geldspende
an die betreffende Organisation. An dem
Programm können alle Mitarbeiter, die
sich mindestens 25 Stunden pro Jahr
freiwillig ehrenamtlich engagieren, teilnehmen.
Seit dem Start des Programms
im Jahr 2009 wurden bereits 1.000 Urlaubstage
genehmigt und 282.200 € an
Spendengeldern überwiesen. So begleitet
in München eine Mitarbeiterin seit 17
Jahren einen behinderten Jungen und
seine Familie im „Verein zur Betreuung
und Integration behinderter Kinder und
Jugendlicher“ (BiB e.V.). Seit Beginn des
Programms „Ehrensache!“ hat sie 25 ihrer
Kollegen dazu bewegt, sich ebenfalls für
die Freizeitbetreuung behinderter Kinder
und ihrer Geschwister zu engagieren.
Echte Antworten – konkrete
Maßnahmen
Die jüngste Volunteering-Initiative, das
HVB Jugendmentoring-Programm, ermutigt
Mitarbeiter, sich als Mentoren für sozial
benachteiligte Jugendliche einzusetzen.
Die Jugendlichen erhalten wertvolle Unterstützung
auf dem oft steinigen Weg
ins Berufsleben – die Mitarbeiter wiederum
erfahren, wie befriedigend es ist,
sein Wissen weiterzugeben und konkret
helfen zu können. Nebenbei schulen die
Mitarbeiter auch noch Schlüsselkompetenzen
wie Empathie, Konfliktmanagement
und Motivationstechniken.
Die HypoVereinsbank kooperiert dabei
mit der Joblinge gAG, die die Mentoren
auswählt, schult und begleitet und eine
Vermittlungsquote von 60 bis 70 Prozent
aller teilnehmenden Mentees aufweist.
In München haben nach der Vorstellung
des Programms Anfang 2012 spontan
über 60 Mitarbeiter Interesse bekundet,
von denen knapp 30 schon fest als Mentoren
eingeplant sind. Auch in weiteren
Städten sind Mentoring-Programme im
Auf bau, und es haben sich bereits Interessenten
gemeldet.
Kleine Spenden mit großer Wirkung
Unter dem Motto „Stimmt so!“, können
Mitarbeiter seit Anfang des Jahres bei
der Rest-Cent-Initiative jeden Monat den
Nachkommabetrag ihres Nettogehalts an
soziale Projekte für Kinder und Jugendliche
in Deutschland spenden. Auf diese
Weise kommt am Endes des Jahres eine
beachtliche Summe zusammen, die von
der UniCredit Foundation verdoppelt
wird und an vier gemeinnützige Einrichtungen
geht, die von den Mitarbeitern
ausgewählt wurden. Die Rest-Cent-Initiative
ging als Sieger einer hausinternen
Ideenkampagne hervor und ist somit ein
genuines Mitarbeiterprojekt.
Bereits Tradition hat das Gift Matching-
Programm bei der HypoVereinsbank.
Jeder Mitarbeiter kann dabei die Verdoppelung
privat getätigter Spenden an
gemeinnützige Organisationen beantragen.
Voraussetzung ist die Bildung einer
Gruppe von fünfzehn oder mehr Personen,
die zusammen an eine Organisation
mindestens 1.000 € spenden. Durch die
Pflicht zur gegenseitigen Vernetzung
werden die „Herzensprojekte“ der Mitarbeiter
im Haus bekannt gemacht und
wird eine Plattform für das private Engagement
der Mitarbeiter geschaffen, die
den Ehrenämtlern nicht selten zu neuen
tatkräftigen Unterstützern ihrer Projekte
verhilft, auch über die reinen Spenden
hinaus. Seit dem Start des Programms
2007 sind auf diesem Weg über 740.000 €
an Mitarbeiterspenden zusammengekommen,
die jeweils von der UniCredit
Foundation verdoppelt wurden.
Zahlen und Fakten:
Die Mitarbeiterprogramme
der
HypoVereinsbank
• soziale Kooperationen an
130 Standorten
• 39.000 Stunden ehrenamtlicher
Einsatz der Mitarbeiter
• 305 Tage genehmigter Sonderurlaub
für ehrenamtliches
Engagement
• Mitarbeiterspenden in Höhe
von 220.000 €, die von
der HypoVereinsbank und
der UniCredit Foundation
verdoppelt wurden
• … allein im Jahr 2011
globalcompact Deutschland 2012
73
Miele
Mitarbeiter fördern,
Potenziale entdecken
Es ist ein bekanntes Problem in den Unternehmen: Der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft
nimmt weiter zu. Schon heute verursachen nicht besetzte Stellen nach Berechnungen
des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa acht Milliarden Euro Wertschöpfungsverlust
pro Jahr. Um seine Zukunftsfähigkeit zu sichern, legt das Gütersloher Familienunternehmen
Miele daher besonderes Gewicht auf sorgfältige Auswahl und Qualifizierung seiner Mitarbeiter.
Umfragen unter den knapp 17.000 Beschäftigten des Hausgeräteherstellers und aktuelle Statistiken
belegen außerdem: Miele gilt als verantwortlicher Arbeitgeber mit einer einzigartigen
Unternehmenskultur.
Die mitarbeiterorientierte Kultur im
Unternehmen geht auf die beiden Gründer
Carl Miele und Reinhard Zinkann
zurück, die beispielsweise schon 1909
für ihre Beschäftigten eine Betriebskrankenkasse
einrichteten. Ihre Vorstellungen
von Wertschätzung und sozialer
Teilhabe flossen gleichsam in die DNA
des Unternehmens ein. Diese Grundhaltung
ist heute die ideale Basis, um
sich dem drohenden Fachkräftemangel
zu stellen.
Die langfristige Strategie des Unternehmens
Miele beinhaltet drei zentrale
Punkte:
1. Individuelle Förderung von Fach- und
Führungskräften unter besonderer
Berücksichtigung von Vielfalt und
Chancengleichheit bei Ausbau des
Anteils weiblicher Führungskräfte
2. Förderung des qualifizierten Nachwuchses,
um junge Menschen an Miele
zu binden und deren Potenziale zu
nutzen
3. Interne Weiterbildung mit dem Ziel,
die Motivation und Leistungsfähigkeit
einer älter werdenden Belegschaft zu
sichern
Führungsfrauen und weibliche
Talente
Der Frauenanteil innerhalb der Belegschaft
in Deutschland ist bei Miele mit
etwas über 23 Prozent seit einigen Jahren
konstant. Die Zahl der weiblichen
Führungskräfte hat sich dagegen seit
2008 um 2,2 Punkte auf 8,1 Prozent
gesteigert. Um an dieser Stelle aktuelle
und zukünftige Potenziale noch besser
nutzen zu können, beteiligt sich das
Familienunternehmen unter anderem
seit 2012 bereits zum dritten Mal an der
Initiative Cross Mentoring OWL, die vom
Land Nordrhein-Westfalen und der EU
gefördert wird.
Dieses Projekt richtet sich an Unternehmen
aus der Privatwirtschaft. Grundlage
ist das so genannte Cross Mentoring
mit zwei beteiligten Frauen. Hierbei
kommen Mentoren und Mentees aus
unterschiedlichen Unternehmen zusammen,
was auch kleineren und mittleren
Betrieben die Teilnahme ermöglicht.
In Tandem-Teams treffen sich jeweils
eine junge Frau und eine erfahrene
weibliche Führungskraft ein Jahr lang
einmal pro Monat, um aktuelle Arbeitssituationen
oder Fragen der Karrieregestaltung
gemeinsam zu reflektieren. Die
Zusammenarbeit hilft jungen Talenten,
ihr Netzwerk zu erweitern und ihren
Erwartungshorizont zu schärfen. Weil
hierbei die Mentorin auch ihren eigenen
Karriereweg Revue passieren lässt,
profitieren beide Seiten.
Ein besonderer Anreiz für die teilnehmenden
„Potenzialträgerinnen“ ist die
unkomplizierte Projektstruktur, die am
individuellen Bedarf ausgerichtet ist und
mehr vermitteln soll als formales Wissen
und Methoden. Ein Rahmenprogramm
bietet eine zusätzliche Plattform zum
organisationsübergreifenden Austausch.
Der Abgleich zwischen Erwartungshaltung
und gemachten Erfahrungen
schließt das Programm ab. Miele engagiert
sich seit 2007 in dem Programm und
ist 2012 mit jeweils zwei Mentorinnen
und Mentees beteiligt – 2010 sowie
2011 konnte aufgrund des Wechsels der
NRW-Landesregierung kein Programm
angeboten werden.
Produktivität der Mitarbeiter
langfristig sichern
Auch Personalentwicklung und Weiterbildung
sind zentrale Bestandteile der
Personalpolitik bei Miele. Sie sichern die
74 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
Miele: Verantwortung
beim Mitarbeiter-
Management
• 16.716 Mitarbeiter (davon
10.327 in Deutschland)
• 496 Auszubildende (davon
101 in dualen Studiengängen)
• 23,2 Prozent Frauenanteil in
der deutschen Belegschaft
(Anteil der Frauen in Führungspositionen:
8,1 Prozent)
• Durchschnittsalter der Miele-
Mitarbeiter: 46,1 Jahre
• Weiterbildung pro Mitarbeiter:
8,4 Stunden im Jahr
• Fluktuationsrate in
Deutschland: etwa 1 Prozent
Leistungsfähigkeit des Unternehmens,
fördern Innovationen und unterstützen
die Beschäftigungsfähigkeit einer im
Durchschnitt älter werdenden Belegschaft.
Auf den Säulen interne, externe
und offene Weiterbildung haben die
Gütersloher ein System entwickelt, das
eine große Anzahl an Themengebieten
abdeckt – von konkreten Arbeitsmethoden
über Persönlichkeitsentwicklung
bis hin zum Fahrsicherheitstraining.
Ergänzend bietet Miele den Mitarbeitern
die Möglichkeit der persönlichen
Weiterbildung durch anerkannte berufsbegleitende
Fortbildungen oder Studiengänge.
Auf diesem Weg soll vor allem
das Konzept vom lebenslangen Lernen
unterstützt werden. Das spiegelt sich
auch im hohen Anteil der über 50-jährigen
Arbeitnehmer wider: Dieser stieg
in Deutschland von 23,5 Prozent im
Jahr 2007 auf nunmehr 32 Prozent an.
Zur Sicherstellung des eigenen Anspruchs
führt Miele jedes Jahr Mitarbeitergespräche
durch, bei denen sowohl Führungskräfte
als auch Mitarbeiter ihre Erwartungen
und Wünsche äußern können.
Gemeinsam werden Umsetzungsmöglichkeiten
diskutiert und die gewünschten
Wege abschließend mit der Personalentwicklung
abgestimmt. Im Durchschnitt
verbrachte jeder Miele-Mitarbeiter im
vergangenen Jahr acht bis neun Stunden
bei Weiterbildungsmaßnahmen.
Master@Miele
Um sich potenziellen Neuzugängen als
interessanter Arbeitgeber zu präsentieren,
unterstützt Miele darüber hinaus
verschiedene Studiengänge. Etwa mit
dem „Master@Miele-Programm“: Hier
erhalten interessierte Bachelor-Absolventen
die Chance, parallel zum Master-Studium
das Unternehmen kennenzulernen,
und sich mit neuen Kolleginnen und
Kollegen innerhalb des Unternehmens
zu vernetzen. Studienbegleitend arbeiten
die Masterstudenten aus den Bereichen
Maschinenbau und Elektrotechnik direkt
in den technischen Fachbereichen
oder engagieren sich bei konkreten Projekten.
Die Ausbildungsunterstützung
endet aber nicht mit der Vermittlung
von Praxiswissen. So bekommen alle
teilnehmenden Masterstudenten die
Gelegenheit, sich auch fächerübergreifend
zu qualifizieren. Diese Maßnahmen
beinhalten unter anderen Themen aus
den Bereichen Betriebswirtschaft, Kommunikation
und Arbeitsorganisation.
Für ein aktives Unternehmen bietet dieses
Vorgehen verschiedene Vorteile: Es
kann sich als engagierter Arbeitgeber
präsentieren und erhält motivierte Mitarbeiter,
die sich des Anforderungsprofils
am Arbeitsplatz bewusst sind. Gerade in
Zeiten, in denen der demografische Wandel
die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern
zunehmend zur Herausforderung
macht, können Unternehmen, die sich
bereits im Bildungssektor positionieren,
ihre zukünftigen Angestellten zielgenau
abholen. Miele sieht sich an dieser Stelle
bereits heute auf einem guten Weg und
unterstützt 100 Auszubildende in dualen
Studiengängen.
globalcompact Deutschland 2012
75
WEIDMÜLLER
Alt und Jung verbinden:
Die beste Team-Lösung
Von Dominique Alhäuser
Für das Familienunternehmen Weidmüller ist die Förderung sowohl von Nachwuchs als auch
von erfahrenen Arbeitnehmern gelebte Nachhaltigkeit, die den Folgen des demographischen
Wandels entgegenwirkt.
Laut Schätzungen der UNO leben 2050 auf
der Welt über 9 Milliarden Menschen. Davon
werden 22 Prozent über 60 Jahre alt sein. Dieser
Veränderung unserer Altersstruktur muss
auch im wirtschaftlichen Umfeld Rechnung
getragen werden. Die Arbeitskraft und die
Arbeitslust älterer Mitarbeiter muss erhalten
und die Potenziale der heranwachsenden
Generationen gefördert und voll ausgeschöpft
werden. Das mittelständische Familienunternehmen
Weidmüller engagiert sich deshalb
konsequent und strukturiert mit einer eigenen
Akademie für die Nachwuchskräfte von
morgen und bietet gleichzeitig für ältere
Arbeitnehmer spezielle Work-Life-Balance-
Programme an.
Jung oder alt? Für das Familienunternehmen
Weidmüller keine Frage. „Wir
müssen unsere älteren Arbeitnehmer
dabei unterstützen, gesund und mit
Spaß zu arbeiten, und die jungen dabei,
ihren Weg im Leben zu finden und
ihre Potenziale auszuschöpfen“, erklärt
Vorstandssprecher Dr. Peter Köhler. In
seinen Augen ist es nicht nur ethisch
verwerflich, Kollegen über 50 Jahre zum
alten Eisen zu zählen, sondern angesichts
der demografischen Entwicklung
auch unternehmerisch unklug. Ältere
Kollegen bringen einen umfangreichen
Erfahrungsschatz in den täglichen Arbeitsprozess
ein, der im Zusammenspiel
mit den aktuellen Qualifikationen jüngerer
Mitarbeiter die perfekte Mischung
für ein auf Innovation und Präzision
ausgerichtetes Unternehmen bildet.
Bereits seit 2003 unterhält das Unternehmen
mit Stammsitz in Detmold eine
eigene Akademie. „Unter dem Dach der
Weidmüller Akademie haben wir die
internationalen Aktivitäten zur Qualifizierung,
zum Wissensauf bau im Unternehmen
und zum Wissenstransfer
mit externen Instituten, Universitäten
und Partnern vereint“, erklärt Köhler.
Seit 2011 hat die Akademie auch einen
Ableger in Shanghai und setzt sich dort
beispielsweise dafür ein, dass das Erfolgsmodell
„Duales Studium“ auch in
Asien Fuß fasst. Außerdem kooperiert
die Akademie mit renommierten Hochschulen
in Deutschland, Asien und der
Für Dr. Peter Köhler, Vorstandssprecher, ist
die Förderung der Mitarbeiter ein ausschlaggebender
Erfolgsfaktor.
ganzen Welt, beispielsweise mit dem
Centrum Industrial IT in Deutschland
oder der Shanghai Jiaotong University,
um Forschung zu fördern.
Besonders am Herzen liegt es dem Unternehmen,
nicht erst die Berufsanfänger
zu erreichen, sondern schon früher, bei
fundierter Bildung und der richtigen
Berufswahl, zu unterstützen. Über 3.000
Schüler auf der ganzen Welt schnuppern
bei Weidmüller jedes Jahr die erste „Berufsluft“.
2011 wurde das Unternehmen
für sein Konzept zur Berufsorientierung,
das Schülerinnen und Schüler ab der
siebten Klasse durchgängig begleitet,
mit dem Hermann-Schmidt-Preis ausgezeichnet.
„Wir nutzen die kindliche
Neugierde und Begeisterungsfähigkeit,
um Jugendliche spielerisch an Themen
wie Mathematik, Naturwissenschaften
oder Technik heranzuführen“, erklärt
Personalchef Dr. Jürgen Ober. „Aktuell
gibt es in Deutschland rund 98.000 offene
Stellen für Ingenieure, wie der Verein
Deutscher Ingenieure mitteilt – und in
Zukunft werden hierzulande noch mehr
Ingenieure gebraucht. In Bildung zu
investieren, ist für Weidmüller deshalb
gelebte Nachhaltigkeit“, ergänzt Köhler.
Auch beim Berufseinstieg bemüht sich
Weidmüller darum, mit einem vielfältigen
Angebot den richtigen Weg für jeden
Kandidaten zu bieten. Seit über 60 Jahren
ist Weidmüller Ausbildungsbetrieb
und begleitet weltweit jedes Jahr über
76 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Arbeitsnormen
200 Auszubildende und Nachwuchskräfte
in das Berufsleben. Neben der
klassischen Ausbildung in insgesamt
zehn Berufen im technischen oder kaufmännischen
Bereich bieten duales Studium
oder Trainee-Programm weitere
attraktive Möglichkeiten für den idealen
Einstieg in den Wunschberuf. Im Ausbildungsplan
der 18-monatigen Trainee-
Programme sind Auslandsaufenthalte
mit einer Dauer von drei Monaten in
einer der weltweiten Weidmüller Dependancen
fester Bestandteil. Zudem gibt
es integrierte „Mentorenprogramme“:
Führungskräfte stehen dem Nachwuchs
als direkte Ansprechpartner zur Verfügung
und sind bei der Karriereplanung
behilflich. Der direkte Austausch fördert
auch die Dialogkultur im Unternehmen.
„Für die Arbeitnehmer von heute – egal
ob Einsteiger oder mit Berufserfahrung
– müssen neben dem Lohn die
weichen Faktoren stimmen: Eine motivierende
Unternehmenskultur zählt
ebenso dazu wie eine produktive Arbeitsatmosphäre“,
so Ober. Diese wird
zum einen durch eine wertschätzende
Führungskultur und umgängliche Kollegen,
zum anderen aber auch durch
zusätzliche Anreize wie individuelle
Weiterbildungsmöglichkeiten oder gemeinsame
Sport- und Freizeitaktivitäten
positiv geprägt.
Aktuell wurden gezielt Maßnahmen entwickelt,
um auf die Bedürfnisse älterer
Arbeitnehmer einzugehen. Altersgerechte
Angebote sollen Arbeitsleistung, Arbeitsfähigkeit
und nicht zuletzt die Motivation
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
ab 57+ insbesondere in den letzten Jahren
vor Eintritt in die gesetzliche Rente
erhalten. Beispielsweise können ältere
Mitarbeiter ihre Arbeitszeit reduzieren
und eine Teilzeitvereinbarung eingehen,
mit der sie im regelmäßigen Wechsel
jeweils eine Fünf- und eine Vier-Tage-
Woche arbeiten. Ebenfalls ab dem Alter
von 57 haben Mitarbeiter Anspruch auf
zwei zusätzliche Tage Sonderurlaub.
Mit steigendem Alter wächst auch die
Anzahl der zusätzlichen Urlaubstage –
bis zu 36 Tage Sonderurlaub können
so entstehen. Auch längere Auszeiten
sind möglich: So können Mitarbeiter
drei Monate in einem Teilzeitvertrag
voll arbeiten, um dann drei Monate
freigestellt zu werden.
Für die Gesundheit der älteren Mitarbeiter
werden zusätzliche Maßnahmen
angeboten. Dazu zählen neben einem
allgemeinen Gesundheitscheck beim
Arzt ein jährlicher Seh- und Hörtest
oder auch ein Zuschuss für ein Hörgerät.
Ehe- bzw. Lebenspartner können in die
individuelle Gestaltung von speziellen
Gesundheitsprogrammen mit einbezogen
werden: Beispielsweise über einen
Zuschuss für einen Urlaubsaufenthalt
in einer Kurklinik oder gemeinsame
Kochkurse für gesundes Essen.
Die innovativen Aktivitäten stoßen nicht
nur bei den Mitarbeitern auf begeistertes
Interesse, sie wirken auch extern
dem Eindruck entgegen, Alter wäre ein
Makel, der ausgeglichen werden müsse.
Vielmehr ist das Programm Ausdruck der
besonderen Wertschätzung für ältere
Arbeitnehmer und deren für das Unternehmen
enorm wertvollen Qualifikationen.
Köhler betont: „Der Unterschied
zwischen einem guten und einem sehr
guten Unternehmen sind die Mitarbeiter
– die jungen und die erfahrenen,
zusammen im Team.“
globalcompact Deutschland 2012
77
Best Practice
UMWELTSCHUTZ
Prinzip 7: Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen
einen vorsorgenden Ansatz unterstützen,
Prinzip 9: die Entwicklung und Verbreitung
umweltfreundlicher Technologien fördern.
Prinzip 8: Initiativen ergreifen, um ein größeres Verantwortungsbewusstsein
für die Umwelt zu erzeugen und
78 globalcompact Deutschland 2012 2011
Best Practice
Umweltschutz
Audi
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte
Deutsche Post DHL
Evonik
HSE
LAROSÉ
Merck
RWE
Deutsche Telekom
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken
Korruptionsbekämpfung
Prinzip 10: Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption
eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.
globalcompact Deutschland 2012 2011
79
Audi
Audi future energies –
Ökonomie und Ökologie
im Einklang
Audi strebt in der Automobilindustrie eine führende Rolle beim nachhaltigen Umgang mit allen
Ressourcen an – ein großes Ziel dabei ist ganzheitliche CO 2
-neutrale Mobilität.
Von Dr. Peter F. Tropschuh und Elise Pham
Um dieses Ziel zu erreichen, richtet
Audi den Blick weit über das hinaus,
was als Emission aus der Abgasanlage
herauskommt. Neben der reinen Nutzungsphase
betrachtet das Unternehmen
auch die Fahrzeugherstellung und das
Recycling sowie die Kraftstoffvorkette,
die zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Der Betrieb elektrisch angetriebener
Autos wie der Audi e-tron-Modelle entlastet
nur dann die Umwelt, wenn der
Strom, den sie nutzen, aus regenerativer
Energie kommt.
Aber auch bei anderen Antriebskonzepten
liegt bei der Vorkette der Energieträger
ein wichtiger Schlüssel zu echter
Nachhaltigkeit. Daher bringt sich Audi
als erster Automobilhersteller weltweit
selbst in die Entwicklung und Produktion
erneuerbarer Kraftstoffe ein, die ohne
Biomasse auskommen. Audi hat dabei
das ganze Spektrum der Antriebstechnologie
im Blick – die zukünftigen
Energieträger heißen Audi e-gas, Audi
e-hydrogen, Audi e-power, Audi e-ethanol
und Audi e-diesel.
regenerativer Strom, zum Beispiel aus
Wind- oder Sonnenenergie. Die Anlage
mit ihrer Aufnahmeleistung von rund
6.000 kW wird vor allem dann Windstrom
beziehen, wenn ein Überangebot
vorliegt.
In der Anlage wird der erneuerbare
Strom in einem ersten Schritt mittels
Elektrolyse in Wasserstoff (Audi e-hydrogen)
umgewandelt, den Treibstoff
für künftige Brennstoffzellenautos wie
den Audi Q5 HFC. Derzeit allerdings
existiert die notwendige Wasserstoff-
Versorgungsinfrastruktur noch nicht.
Audi löst dieses Problem durch einen
weiteren innovativen Verfahrensschritt.
Stromnetz
Die Windenergie wird in
das öffentliche Stromnetz
eingespeist.
Durch Kombination des Wasserstoffs
mit CO 2
entsteht in der Methanisierungsanlage,
die der Elektrolyse nachgeschaltet
ist, synthetisches erneuerbares
Erdgas – das Audi e-gas. Es lässt sich
vor Ort in das Erdgasnetz einspeisen
Gasnetz
Das e-gas wird im öffentlichen
Gasnetz gespeichert und kann so
auch Haushalte und Industrie mit
Energie aus erneuerbaren Quellen
versorgen.
Audi e-gas
Der erste Schritt ist das Audi e-gas project,
in dem Audi eine ganze Kette nachhaltiger
Energieträger aufbaut. Derzeit errichtet
das Unternehmen im norddeutschen
Werlte die weltweit erste sogenannte
Power-to-Gas-Anlage im industriellen
Maßstab, die aus CO 2
und erneuerbarem
Strom einspeisefähiges, synthetisches
Erdgas generiert. Zu ihrem Betrieb dient
Windenergie
Ausgangspunkt für
das Audi e-gas project ist
regenerativ erzeugter Strom.
Elektrolyse
Die mit Windstrom betriebene
Elektrolyse-Anlage spaltet Wasser
in Sauerstoff und Wasserstoff.
CO 2
Methanisierung
Der Wasserstoff reagiert in einer
Methanisierungsanlage mit Kohlendioxid.
Ergebnis: e-gas (künstliches Erdgas)
CNG-Tankstelle
Der steigende Anteil an
e-gas fördert klimafreundliche Langstreckenmobilität.
80 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
und dort speichern. Das CO 2
stammt
aus einer bestehenden Biogasanlage, die
aus organischen Abfällen Biomethan
herstellt, gleichzeitig aber auch CO 2
emittiert. Die Audi e-gas-Anlage bindet
das CO 2
in den Treibstoff ein. Somit
ist das Audi e-gas ein klimaneutraler
Treibstoff – bei der Verbrennung im
Motor wird genau die Menge CO 2
frei,
die vorher in der e-gas-Anlage gebunden
wurde. Von 2013 an wird die Anlage
in Werlte voraussichtlich etwa 1.000
Tonnen Methan pro Jahr produzieren
und dabei 2.800 Tonnen CO 2
binden.
Mit dem regenerativ erzeugten Audi
e-gas können 1.500 Audi A3 Sportback
TCNG jeweils 15.000 Kilometer pro Jahr
CO 2
-neutral fahren.
Auch die deutsche Energiewirtschaft
könnte mittelfristig vom Konzept des
Audi e-gas project profitieren, denn es
beantwortet die offene Frage, wie sich
umweltverträglich produzierter Strom
auch über Wochen und Monate speichern
lässt. Dieses einzigartige Potenzial
der Strom-Gas-Kopplung, Wind- oder
auch Solarenergie in großen Mengen
zu speichern, kann dem weiteren Ausbau
der erneuerbaren Energien starke
Impulse verleihen.
Unter dem Oberbegriff Audi e-power
engagiert sich Audi in Initiativen, die sich
mit der Produktion sauberer elektrischer
Energie beschäftigen. Im April 2010 ist
Audi dem internationalen Konsortium
Desertec Industrie Initiative (Dii GmbH)
beigetreten. Dessen langfristiges Ziel besteht
darin, in den Wüsten Nordafrikas
und des Nahen Ostens klimafreundliche
Solarenergie zu erzeugen.
Audi e-ethanol und Audi e-diesel
Das Problem ist altbekannt, aber noch
immer ungelöst: Die Verbrennung herkömmlicher
Kraftstoffe aus Mineralöl
belastet die Atmosphäre durch die Freisetzung
von Kohlendioxid. Ethanol und
Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen
wie Mais und Raps erzielen in der Regel
eine bessere Umweltbilanz. Aber sie
stehen in Konkurrenz zum Anbau von
Nahrungsmitteln – langfristig können
sie in einer Welt, deren Bevölkerung immer
schneller wächst, keine Lösung sein.
Die flüssigen Kraftstoffe für die CO 2
-neutrale
Mobilität der Zukunft erfordern einen
radikal neuen Ansatz – Audi entwickelt
ihn im Rahmen einer Kooperation mit
dem US-amerikanischen Unternehmen
Joule Unlimited. Die 2007 gegründete
Biotechnologiefirma arbeitet daran, synthetische
Kraftstoffe mithilfe spezieller
Mikroorganismen zu produzieren – Audi
e-diesel und Audi e-ethanol.
Erforderlich dafür sind Wasser, CO 2
, Sonnenenergie
und spezielle Mikroorganismen,
Einzeller von wenigen tausendstel
Millimeter Größe. Ebenso wie Pflanzen
betreiben diese Organismen die so genannte
oxygene Photosynthese. Die Experten
von Joule Unlimited haben diesen
Photosyntheseprozess so verändert, dass
die Mikroorganismen aus dem Kohlendioxid
direkt Ethanol oder langkettige
Alkane – wichtige Bestandteile von
Dieselkraftstoff – herstellen. Von den
Organismen ausgestoßen, werden die
Kraftstoffe vom Wasser abgetrennt und
gereinigt. Audi e-ethanol, das heute
schon in einer Pilotanlage hergestellt
wird, hat dieselben chemischen Eigenschaften
wie das bereits am Markt etablierte
Bioethanol – mit dem entscheidenden
Vorteil, dass es ohne Biomasse
produziert wird. Es kann als Beimischung
zu fossilem Benzin oder als Grundlage
für E85-Kraftstoff dienen.
Neben der Entwicklung von Audi
e-ethanol arbeitet die Marke mit den
Vier Ringen gemeinsam mit Joule Unlimited
daran, synthetischen Dieselkraftstoff,
Audi e-diesel, herzustellen. Eine große
Stärke des neuen Kraftstoffs wird seine
Reinheit sein. Er ist schwefel- und aromatenfrei
– im Gegensatz zu Mineralöldiesel,
der ein Gemisch aus verschiedensten
Kohlenwasserstoffverbindungen bildet.
Aufgrund seiner hohen Cetanzahl ist
der Zukunftskraftstoff sehr zündwillig,
seine chemische Beschaffenheit ermöglicht
eine unbegrenzte Zumischung zum
fossilen Diesel. Joule Unlimited und Audi
befinden sich in der Bauphase einer
Demonstrationsanlage im Bundesstaat
New Mexico – in einer unfruchtbaren
Region mit hoher Sonneneinstrahlung.
In transparenten Kunststoffschläuchen
wird ab Ende 2012 zum ersten Mal Audi
e-ethanol produziert, Audi e-diesel folgt
voraussichtlich Ende 2013. Schon die
Demonstrationsanlage macht die entscheidenden
Vorteile gegenüber Bioethanol
deutlich: Der Flächenertrag ist nach
heutigen Prognosen um mindestens den
Faktor 10 höher; zudem lassen sich für
die Energieproduktion Flächen nutzen,
die für die Landwirtschaft ungeeignet
sind, zum Beispiel Wüstenregionen. Die
kommerzielle Produktion der neuen
Kraftstoffe könnte innerhalb der nächsten
fünf Jahre starten.
globalcompact Deutschland 2012
81
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte
Ressourceneffizienz als
Gemeinschaftsprojekt
Umfassender Umweltschutz auf allen Stufen der Wertschöpfungskette gehört für die BSH
Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) zu den Grundlagen ihrer unternehmerischen
Verantwortung. Den Anforderungen des Klimaschutzes begegnet Europas führender Hausgerätehersteller
nicht nur mit der Entwicklung und Produktion supereffizienter Hausgeräte,
sondern auch durch die systematische Senkung des Ressourcenverbrauchs in Produktion
und Verwaltung. Dazu hat der Konzern das Programm „Ressourceneffizienz 2015“ gestartet,
mit dem der Ressourcenverbrauch bis 2015 um 25 Prozent im Vergleich zu 2009 gesenkt
werden soll. Ein weltweites Expertennetzwerk sorgt für den Wissenstransfer zwischen den
BSH-Standorten, sogenannte Resource Officer kümmern sich um die Umsetzung vor Ort.
Brigitte Furth ist Spezialistin für Spritzgusstechnik
am BSH-Standort Giengen
und Mitglied des weltweiten Netzwerks
von internen und externen Experten,
das zur Umsetzung des Programms „Ressourceneffizienz
2015“ gegründet wurde.
Gemeinsam mit ihren Kollegen arbeitet
sie strategisch an der Steigerung der Ressourceneffizienz
bei Spritzgussverfahren.
Dazu haben sie Checklisten mit vielen
kleinen Maßnahmen erstellt, die in der
Summe deutliche Einsparungen bewirken.
„Basis dafür waren Workshops, in
denen wir alle Ideen zusammengetragen
haben, wie wir bei der Herstellung von
Kunststoffteilen im Spritzgussverfahren
den Verbrauch von Energie und Rohstoffen
reduzieren können“, so Furth.
Diese Checklisten und gesammelten
Erfahrungen stehen künftig allen BSH-
Standorten zur Verfügung. Damit der
Wissensaustausch standortübergreifend
funktioniert, wird das Projekt zentral
gesteuert. An den Standorten selbst
sind es die sogenannten Resource Officer,
die für die Erreichung der Reduktionsziele
beim Einsatz von Energie
und Ressourcen verantwortlich sind.
Durch die konzernweit bereitgestellten
Checklisten können sie auf einen großen
Erfahrungsschatz zurückgreifen und
ihre bei der Anwendung gewonnenen
Erkenntnisse anderen Standorten zur
Verfügung stellen.
Fünf Bausteine der Ressourceneffizienz
Welche Maßnahmen konkret an den
einzelnen Standorten umgesetzt werden,
entscheiden die Resource Officer selbst.
Verpflichtend sind jedoch die konzernweiten
Zielvorgaben – also auch die
Senkung des spezifischen Verbrauchs der
nicht-produktbezogenen Ressourcen um
25 Prozent bis 2015. Dazu gehören alle
Energieformen, Wasser und Betriebsstoffe
wie Öle, Fette und Chemikalien sowie
Feststoffe von Papier über Kunststoffe
bis zu Metallen. Zur Umsetzung des Programms
haben die Spezialisten zunächst
die wichtigsten Bausteine definiert und
die Prozesse mit dem höchsten Ressourcenverbrauch
analysiert. Anschließend
entwickelten und erprobten sie für die
größten „Ressourcenfresser“ Konzepte
zur energetischen Optimierung und zur
Reduktion des Verbrauchs. Die daraus
entstandenen Prozessleitfäden kommen
nun an allen BSH-Standorten zum Einsatz.
Ein weiterer wichtiger Baustein beinhaltet
die Erfassung, Aufbereitung und
Überwachung von Energiekennzahlen
sowie die Entwicklung eines Ressourcenmonitorings.
Außerdem gibt es Kennzahlen,
die Einfluss bei Gebäuden und
Gebäudesanierungen auf den zukünftigen
Ressourcenverbrauch haben – denn
auch hier spielt der Umweltschutz eine
wichtige Rolle. So wurde zum Beispiel
der neue Hauptsitz der niederländischen
BSH-Tochtergesellschaft in Amsterdam
nach dem sogenannten Cradle-to-Cradle-
Konzept errichtet. Es verfolgt das Ziel
von geschlossenen technischen oder
biologischen Kreisläufen für Werkstoffe,
Energie, Wasser und Abfall – also
die Wiederverwendung aller genutzten
Materialien.
Einbindung und Motivation der
Mitarbeiter
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das
ehrgeizige Ressourceneffizienzprogramm
sind die Mitarbeiter. Verschiedene Kommunikationsmittel
informieren über
den effizienten Umgang mit Ressourcen
am Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter werden
82 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
BSH Standort Traunreut
aber auch aufgefordert, selbst Ideen zur
Verbesserung der Ressourcenschonung
einzubringen. Im Rahmen eines Best
Practice Awards werden diese systematisch
erfasst und die besten Vorschläge
ausgezeichnet.
Standort Traunreut als Vorreiter
Vorreiter unter den BSH-Standorten in
Sachen Ressourceneffizienz ist die Herdefabrik
im oberbayerischen Traunreut.
Diese hatte sich mit der 2009 eingeführten
„Energie-Effizienz-Initiative Traunreut“
zum Ziel gesetzt, den Energie- und
Ressourcenverbrauch innerhalb von
fünf Jahren um mindestens 25 Prozent
zu senken. Mithilfe von Maßnahmen in
der Anlagen- und Gebäudeoptimierung
sowie der Sensibilisierung und Schulung
der Mitarbeiter konnten seit 2009 bereits
knapp zehn Millionen Kilowattstunden
Strom – das entspricht ungefähr dem
Jahresstromverbrauch einer Gemeinde
mit 2.500 Einwohnern – eingespart
werden. Über 170 Einzelmaßnahmen
wurden bisher umgesetzt. Im Oktober
2012 erhielt die Fabrik den Bayerischen
Energiepreis. Mit dieser Auszeichnung
würdigt das bayerische Wirtschaftsministerium
innovative Lösungen zum verantwortungsvollen
Umgang mit Energie.
Umweltschutz mit Tradition
Umweltschutz ist für Europas führenden
Hausgerätehersteller aber kein Modetrend
sondern hat im Konzern seit
vielen Jahren Tradition. Bereits Anfang
der 1990er Jahre hat die BSH ein konzernweites
Umweltmanagementsystem
implementiert. Der Energie- und Wasserverbrauch
in den Fertigungsprozessen
konnte im Laufe der vergangenen Jahre
sukzessive reduziert werden: Durch
zahlreiche Einzelmaßnahmen in den
Fabriken, insbesondere jedoch durch
die gesteigerte Produktivität, ließ sich
der spezifische Energie- und Wasserverbrauch
2011 weltweit um zehn Prozent
gegenüber dem Vorjahr senken.
Anfang 2012 erhielt das Unternehmen
für sein Engagement im Sinne des Klimaschutzes
die Auszeichnung als „Klimaschutzunternehmen
Deutschland“ von
der Bundesregierung und dem Deutschen
Industrie- und Handelskammertag. Die
BSH habe Energieeffizienzmaßnahmen
von herausragender Innovationskraft
umgesetzt und trage durch ihre Produkte
in besonderer Weise zum Klimaschutz
bei, so die Begründung der Jury.
globalcompact Deutschland 2012
83
Deutsche Post DHL
GoGreen: Das Umweltschutz-Programm
von
Deutsche Post DHL
Als global agierender Logistikdienstleister bewegen wir Güter und Informationen auf der ganzen
Welt und sind dadurch ein bedeutender Motor für die globale Vernetzung. Im Rahmen unseres
Umweltschutzprogramms GoGreen konzentrieren wir uns vor allem darauf, die größte Auswirkung
unserer Geschäftstätigkeit auf die Umwelt, die CO 2
-Emissionen, zu verringern. Wir sind uns
daneben auch der weiteren Umwelteinflüsse unserer geschäftlichen Aktivitäten bewusst und
gehen mit den natürlichen Ressourcen so schonend wie möglich um.
Wir tragen zur Nachhaltigkeit unseres
Geschäfts bei, indem wir mit unserem
Umweltschutzprogramm die Geschäftspraktiken
in unserem Konzern verändern.
So reduzieren wir unsere Abhängigkeit
von fossilen Brennstoffen, verbessern
unsere Umwelteffizienz und reduzieren
unsere Kosten. Wir erschließen uns damit
auch neue Märkte und Geschäftschancen,
helfen unseren Kunden, ihre eigenen
Umweltziele zu erreichen, und sorgen
so dafür, dass Deutsche Post DHL als
umweltbewusstes Unternehmen wahrgenommen
wird.
Als erstes Logistikunternehmen überhaupt
haben wir uns bereits im Jahr 2008
ein messbares CO 2
-Effizienzziel gesetzt:
Bis zum Jahr 2020 wollen wir die CO 2
-Effizienz
unserer eigenen Aktivitäten und
der unserer Transport-Subunternehmer
im Vergleich zum Basisjahr 2007 um
30 Prozent verbessern. Das bedeutet:
Für jeden versandten Brief, jedes verschickte
Paket, jede transportierte Tonne
Fracht und jeden genutzten Quadratmeter
Lagerfläche wollen wir die
CO 2
-Emissionen bis zum Jahr 2020 um
30 Prozent reduzieren. Das Zwischenziel,
eine Effizienzsteigerung von 10 Prozent
für unsere eigenen Emissionen bis
zum Jahr 2012, haben wir frühzeitig in
2010 erreicht. Die folgenden Beispiele
zeigen, wie Deutsche Post DHL die Prinzipien
zum Umweltschutz des UN Global
Compact umsetzt.
Die fünf Handlungsfelder von GoGreen
Um den Umweltschutz im Konzern zu verankern und die negativen Auswirkungen
unseres Geschäfts zu mindern, konzentrieren wir unsere Aktivitäten auf
fünf Handlungsfelder:
• Transparenz schaffen: Wir messen die Umweltauswirkungen mit dem
Schwerpunkt auf CO 2
inklusive der Transporte unserer Subunternehmer
und berichten darüber.
• Effizienz verbessern: Wir setzen alternative Technologien in unserer
Flotte und unseren Gebäuden ein, verwenden alternative Kraftstoffe
und optimieren unserer Netzwerke.
• Mitarbeiter mobilisieren: Jeder Beitrag zählt. Unsere Mitarbeiter werden in
unser Umweltschutzprogramm einbezogen. Sie tragen das Bewusstsein für
den Umweltschutz in den Konzern und fungieren als unsere Botschafter.
• Grüne Lösungen anbieten: Mit den GOGREEN-Produkten und -Dienstleistungen
unterstützen wir unsere Kunden dabei, ihre eigenen Umweltziele zu
erreichen.
• Vorreiterrolle einnehmen: Weltweit setzen wir uns für angemessene Rahmenbedingungen
zur Bepreisung von CO 2
. Und wir engagieren uns für Standards,
nach denen CO 2
gemessen wird. Wir befürworten Investitionsanreize für CO 2
-
effiziente Lösungen und fördern entsprechende Forschungsprojekte. Wir sind
Gründungsmitglied der Initiative aireg e. V., die den Einsatz regenerativer Energien
im Flugverkehr in Deutschland fördert. Und wir haben die europäische
Allianz Green Freight Europe, die den Kraftstoffverbrauch im Straßengüterverkehr
transparenter machen will, vorangetrieben. Darüber hinaus steuern
wir weitere Umwelteinflüsse wie lokale Schadstoffemissionen, Lärm, den Verbrauch
natürlicher Ressourcen, Abfall, Wasser und Biodiversität.
84 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Elektrofahrzeuge in der Zustellung
im Testbetrieb
Wir testen den Einsatz von batteriebetriebenen
Elektrofahrzeugen (E-Fahrzeuge)
vor allem in der Zustellung, auf der
sogenannten letzten Meile. Die Kombination
aus kurzen täglichen Fahrten
und hoher Start-Stopp-Dichte bietet den
idealen Anwendungsfall für den Einsatz
elektrischer Antriebe. Alle E-Fahrzeuge
werden dabei grundsätzlich mit
Strom aus erneuerbaren Energien (grüner
Strom) betrieben.
2011 konzentrierten wir uns vor allem
darauf, Fahrzeuge für die Praxistauglichkeit
zu testen. Dazu wurde die E-Fahrzeug-Testflotte
auf 131 E-Fahrzeuge erweitert,
die vor allem in Deutschland
und USA zum Einsatz kamen.
• Im Raum Berlin wurden 13 E-Fahrzeuge
im Rahmen der Fördermaßnahmen
des Bundes „E-City-Logistik“
und „EmiL“ getestet. Darüber hinaus
wurde gemeinsam mit Volkswagen
in Deutschland das Neufahrzeugkonzept
eT! entwickelt, um die Potenziale
und die Zukunftsfähigkeit von
Hochtechnologien für den Einsatz in
unseren Zustellungen zu testen.
• Der Unternehmensbereich EXPRESS
hat die Zustellung im New Yorker
Stadtteil Manhattan vollständig auf
E-Fahrzeuge umgestellt. Nun werden
die Expresssendungen mit 30 E-Fahrzeugen
zugestellt.
Eine effiziente Flugzeugflotte
Der Unternehmensbereich EXPRESS bietet
seinen Kunden den zuverlässigen
Transport zeitkritischer Dokumente und
Güter von Tür zu Tür. Darum betreiben
wir in diesem Bereich ein eigenes
Luftnetzwerk mit 155 Düsenflugzeugen.
Um unseren Kunden häufigere Verbindungen
und kürzere Laufzeiten zwischen
Europa, Asien und Amerika bieten zu
können, steigern wir die Kapazitäten in
unserem interkontinentalen Netzwerk.
Zusätzlich greifen wir auch auf Ladekapazitäten
von Drittdienstleistern zurück.
Der größte Anteil unserer direkten CO 2
-
Emissionen wird durch die Flugzeuge
unseres eigenen Luftnetzwerks verursacht.
Wir investieren deshalb stetig in
effizientere, neuere Flugzeuge, die zudem
weniger Treibstoff verbrauchen,
geräuschärmer fliegen und weniger
Luftschadstoffe ausstoßen.
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.dp-dhl.de
DHL Elektrofahrzeug in Berlin
Kontakt: Katharina Tomoff
gogreen@deutschepost.de
• Im Ruhrgebiet beteiligten wir uns
mit dem Unternehmensbereich BRIEF
an dem Pilotprojekt der Bundesregierung
„E-Mobilität im Pendlerverkehr“
und testeten in der Briefund
Paketzustellung den Einsatz von
zwölf E-Fahrzeugen.
• Außerdem haben wir ein Konsortium
mittelständischer Automobilzulieferer
und Forschungseinrichtungen
mit der Entwicklung für die Serienherstellung
eines wirtschaftlich optimierten
Neufahrzeugkonzepts für
E-Fahrzeuge in der Brief- und Paketzustellung
beauftragt.
DHL Boeing 767 mit Winglets
globalcompact Deutschland 2012
85
EVONIK
Der Baum der Berber
Brennholz, Viehfutter und ein wertvolles Öl – all das liefert der Arganbaum den Berbern Marokkos.
Doch die Bestände sind deutlich geschrumpft. Hier kann das Bodengranulat STOCKOSORB® von
Evonik helfen, wieder aufzuforsten.
Von Silke Linneweber und Gerald Breyer
Im Südwesten Marokkos wächst der Arganbaum,
eine der ältestens Baumarten
der Erde. Im Miozän (25 bis 5 Millionen
Jahre vor unserer Zeitrechnung) entwickelte
diese Baumart ihre speziellen
Eigenschaften und wurde zu einem
Überlebenskünstler für wüstenähnliche,
trockene Regionen. Mit Wurzeln, die sich
auf der Suche nach Grundwasser bis zu
30 Meter in den Boden bohren, relativ
geringer Höhe und einem Umfang der
Krone von bis zu 13 Metern hat sich
der Baum perfekt an seine Umgebung
angepasst. Tausende von Dornen schützen
den Baum vor Tierfraß, und doch
gibt es Spezialisten, die es gelernt haben,
Blätter und Früchte des Baumes zu essen.
Staubig zieht sich die Straße Kilometer
um Kilometer durch die Landschaft.
Im Sommer lässt die Sonne die Temperaturen
hier im Südwesten Marokkos
regelmäßig auf über 40 Grad steigen.
Zwischen Steinen und Geröll suchen
Ziegen nach Futter. Sie finden nicht
viel, denn Gräser und Büsche wachsen
in dieser Einöde nur spärlich. Und so hat
es das Vieh vor allem auf junge Blätter
und Triebe des Arganbaumes abgesehen.
Dicht an dicht hocken die Tiere in den
Kronen der Bäume, die mehr als 10 Meter
in den Himmel reichen. Manche der
Bäume sollen über 400 Jahre alt sein.
Hitze, nährstoffarme Böden und Wassermangel
machen Argania Spinosa, so der
lateinische Name des Baumes, wenig aus.
Die Pflanze gedeiht selbst dort, wo sonst
nur Wüste wäre. Unter besonders widrigen
Umständen stellt sie das Wachstum
einfach ein und wirft Blätter ab.
So sichert der Baum sein Überleben –
und das der Berber, die er mit wertvollen
Rohstoffen versorgt und die ihn deshalb
auch als „Baum des Lebens“ bezeichnen.
Das harte Holz dient als Gerüst für die
86 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Oben: Die Mandeln der Frucht liefern das
hochwertige Arganöl. Es enthält einen hohen
Anteil ungesättigter Fettsäuren und gilt als
eines der wertvollsten Öle der Welt.
Rechts: Stockosorb® speichert Wasser
und darin gelöste Pflanzennährstoffe. Bei
Trockenheit werden diese wieder an Boden
und Pflanze weitergegeben.
traditionellen Lehmhäuser und wird
als Brennholz für die Öfen der Köhler
genutzt. Triebe und junge Blätter ernähren
die Ziegen, die viele der Einheimischen
halten. Die Kerne der Arganfrucht
schließlich liefern ein hochwertiges Öl,
das unter anderem einen hohen Anteil
ungesättigter Fettsäuren enthält. Die Berber
nutzen es traditionell zum Kochen,
als Medizin – und für die Schönheitspflege.
Mehr noch: Inzwischen haben
Berberfrauen zahlreiche Kooperativen
gegründet, um Arganöl, das als eines
der wertvollsten Öle überhaupt gilt, zu
gewinnen und zu vermarkten. Damit
leistet der Baum einen wichtigen Beitrag
zum Funktionieren der lokalen Ökonomie.
Selbst der Presskuchen, der bei der
Ölgewinnung übrig bleibt, lässt sich ans
Vieh verfüttern. Man sagt, etwa zehn Bäume
können einen Menschen ernähren.
Auch ökologisch ist der Arganbaum
von hoher Bedeutung: Er verträgt hohe
Temperaturen und direkte Sonnenglut,
verhindert Bodenerosion, kommt mit
wenig Wasser aus und gedeiht unter extremen
Klimabedingungen. Arganbäume
wachsen dort, wo sonst nur Wüste wäre.
Ihr Schatten schafft Lebensraum für andere
Pflanzen. Seit Millionen von Jahren
hat der Arganbaum in der kargen Gegend
überlebt, doch in den vergangenen
100 Jahren ist das Verbreitungsgebiet der
Pflanze stark geschrumpft. Die Gründe
dafür sind vielfältig: Rodung, Überweidung
und moderne Landwirtschaft.
Inzwischen laufen die Bemühungen
zur Rettung der Bestände. 1998 erklärte
die Unesco den verbliebenen Wald
zum Biosphärenreservat. Das Problem:
Die Wiederaufforstung gestaltet sich
äußerst schwierig. „Bislang hat sich kein
Ansatz als erfolgreich erwiesen“, sagt
Cherif Harrouni, Professor am Hassan II
Institut der Agrarwissenschaft und Veterinärmedizin
in Agadir. „Vor allem,
weil Argansetzlinge sehr empfindlich
auf Wassermangel reagieren.“
An dieser Stelle kommt STOCKOSORB®
von Evonik ins Spiel. Das Bodengranulat,
ein sogenannter Superabsorber, kann
ein Vielfaches der eigenen Masse an
Wasser aufnehmen und speichern und
dadurch die Wasserspeicherfähigkeit
auch von schlechten Böden verbessern.
Der Clou dabei: Trocknet der Boden aus,
gibt STOCKOSORB® das Wasser wieder
gleichmäßig ab – und vermindert so
den Trockenstress der Pflanzen. Diese
Eigenschaften machen sich Bauern, Lanschaftspfleger
und Waldbesitzer weltweit
zunutze. Sie nutzen das Evonik-Produkt
zum Beispiel im Gemüse- und Zierpflanzenanbau
oder in der Waldwirtschaft.
Mehr als 1.000 junge Arganbäume haben
Harrouni und sein Team im Frühjahr
2010 an vier verschiedenen Standorten in
der Region rund um Agadir angepflanzt.
Zuvor hatten die Wissenschaftler die
Böden mit gewässertem STOCKOSORB®
vermischt. Anschließend wurden die
Setzlinge in zwei Gruppen eingeteilt:
Ein Teil enthielt einmal pro Monat 30
Liter Wasser, der zweite musste auf zusätzliche
Flüssigkeitszufuhr verzichten.
Außerdem wurden für beide Kategorien
Kontrollgruppen ohne STOCKOSORB®
gebildet.
Das Ergebnis: Setzlinge, die in mit
STOCKOSORB® behandelten Böden
wuchsen, haben eine deutlich höhere
Überlebenschance als Bäume in der Kontrollgruppe.
Je nach Region verbesserte
der Einsatz des Evonik-Produktes die
Überlebenschancen der Pflanzen um
40 bis 150 Prozent. Dabei gilt: Junge
Arganbäume behaupten sich am besten,
wenn STOCKOSORB® plus Bewässerung
zum Einsatz kommen.
Dafür wurde Evonik mit dem Nachhaltigkeitspreis
der chemischen Industrie in Europa
in der Kategorie große Unternehmen
ausgezeichnet. „Diese ersten Ergebnisse
sind sehr ermutigend“, findet Harrouni.
Trotzdem steht der Wissenschaftler noch
am Anfang: „Ob die Setzlinge auch langfristig
überleben, zeigt sich erst nach drei,
vier oder auch fünf Jahren.“
Aus Sicht von Evonik hat sich das Experiment
aber schon jetzt ausgezahlt.
„Wiederaufforstungsprojekte mit einheimischen
Pflanzen dürften in den
nächsten Jahren weltweit an Bedeutung
gewinnen. Es ist wichtig, möglichst viel
über potentielle Einsatzmöglichkeiten
von STOCKOSORB® zu wissen“, betont
Dr. Annette zur Mühlen, Evonik-Expertin
für die Anwendung von STOCKOSORB®
in der Landwirtschaft.
Und wer weiß, vielleicht stehen neben
den Jahrhunderte alten Arganbaumriesen
im Südwesten Marokkos bald tatsächlich
kleine, junge Pflanzen. Harrouni und
Evonik jedenfalls forschen weiter. Neue
Versuche, unter anderem zum Beitrag
von STOCKOSORB® im Kampf gegen Bodenerosion,
werden derzeit vorbereitet.
globalcompact Deutschland 2012
87
HSE
Der HSE-Konzern als
Energie-, Infrastrukturund
Klimadienstleister
Eine Gesellschaft entwickelt sich nachhaltig, wenn sie ihre Lebensgrundlage, das heißt die
Funktions- und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ökosysteme, für die nachfolgenden
Generationen erhält. Zudem gehört zu einer nachhaltigen Entwicklung die Durchsetzung der
Menschenrechte. Die HSE sieht ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit als Wegbereiterin und Impulsgeberin
für eine atomstromfreie, versorgungssichere und umweltgerechte Energieerzeugung
sowie für klimaneutrale und energieeffiziente Produkte.
Von Matthias W. Send und Marcel Wolsing
Wenn der globale Temperaturanstieg
nicht gestoppt werden kann, wird die
Republik Kiribati in ungefähr 25 Jahren
das erste Land der Welt sein, das im Meer
verschwindet. Neben den Malediven ist
Kiribati nunmehr das zweite Land der
Erde, dessen Regierung den Umzug der
kompletten Bevölkerung vorbereitet.
Der Anstieg der Meeresspiegel ist nur
eine von vielen tiefgreifenden Auswirkungen
auf die Menschen, für die der
Klimawandel die Ursache ist. Die Einwohner
von Kiribati gehören zu einer
Gruppe von Betroffenen, für die es erst
seit relativ kurzer Zeit ein Wort gibt:
Klimaflüchtlinge. Flucht und Migration
aufgrund von Klimaveränderungen wird
es auch geben wegen Dürre, Stürmen
und Überschwemmungen. Der Klimawandel
verstärkt Wetterextreme und
damit Ernteeinbußen und Krankheiten.
Zum Treibhauseffekt und damit zum
Klimawandel trägt es bei, wenn Treibhausgase
wie Kohlendioxid, Methan oder
Lachgas in die Atmosphäre gelangen.
Die Verbrennung fossiler Energieträger
ist die Hauptursache für die Emissionen
von Kohlendioxid. Ein „Weiter-so-wiebisher“
würde zu einer Verdoppelung
der jährlichen Emissionen bis zum Jahr
2050 führen. Die tolerierbare Marke für
das Jahr 2050 liegt allerdings bei nur 10
bis 15 Prozent der heutigen Emissionen,
wenn wir den Anstieg der Erdtemperatur
und damit die oben beschriebenen
Auswirkungen verhindern wollen.
Wir als HSE-Konzern versorgen Menschen
mit Energie und fühlen uns dafür
verantwortlich, bei der Energieerzeugung,
-verteilung und -nutzung unseren
88 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Beitrag zu leisten, die natürlichen ökologischen
Lebensgrundlagen zu erhalten.
Dazu gehört für uns nicht nur effektiver
Klimaschutz: Wegen der nicht auszuschließenden
Risiken beim Betrieb von
Kernkraftwerken und der Lagerung von
nuklearen Reststoffen bieten wir bereits
seit dem Jahr 2008 keinen Atomstrom
mehr an.
Muss die deutsche Energiewende zum
Vorbild für andere Staaten in Europa
werden? Wir glauben ja. Wir glauben,
dass man gespannt nach Deutschland
blickt und genau beobachtet, ob und
wie eine Energieversorgung möglich
ist, die auf Kernkraftwerke verzichtet,
ambitionierte Klimaziele erreicht und
die Wettbewerbsfähigkeit einer Industrienation
ausbaut. Die Energiewende
und der Übergang in eine Low Carbon
Society werden gelingen, wenn unternehmerisches
Engagement, weitsichtige
Geschäftsmodelle und die Begeisterung
von Menschen zusammenkommen.
Bei unserem Konzernziel „Reduktion
der CO 2
-Emissionen bis zum Jahr 2020
um 40 Prozent“ liegen wir voll im Zielkorridor.
Wir behaupten uns jeden Tag
im Wettbewerb und wir vollziehen einen
tiefgreifenden Transformationsprozess
im Konzern. Das alles sind exakt
die Merkmale, auf die es auch bei der
deutschlandweiten Energiewende ankommt.
In diesem Sinn ist die HSE die
Blaupause der Energiewende.
Der HSE-Konzern versteht sich als Energie-,
Infrastruktur- und Klimadienstleister.
Die Gesellschaften des Konzerns
sind Experten auf ihrem jeweiligen
speziellen Gebiet, aber sie arbeiten alle
gemeinsam an einer ganzheitlichen
Lösung: Sie ermöglichen ihren Kunden
eine effiziente Energieversorgung
und klimaneutrales Wirtschaften. Sie
decken alle Wertschöpfungsstufen ab
und betreiben so ein Geschäftsmodell,
das konsequent nachhaltig ist und die
folgenden drei strategischen Schritte
beinhaltet:
Der erste Schritt besteht in der Vermeidung
von CO 2
-Emissionen. Wir beeinflussen
als Erzeuger und durch den Vertrieb
von Energie den direkten Anteil
erneuerbarer Energien in Deutschland.
Wir bauen unsere eigenen Erzeugungskapazitäten
mit den Schwerpunkten
Windkraft, Photovoltaik, Biogas und
Biomasse intensiv aus und engagieren
uns bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase
der Projekte. Wir vermeiden
CO 2
, weil es bei der regenerativen Energieerzeugung
gar nicht erst entsteht. Als
Blaupause der Energiewende sehen wir
dabei das Ganze: Wir erzeugen nicht
nur regenerative Energien, sondern wir
übernehmen auch die Verantwortung
dafür, umweltfreundliche Regelenergie
anzubieten, die durch den Ausbau der
regenerativen Energien notwendiger
wird. Denn eine Energieversorgung ist
nur dann nachhaltig, wenn sie versorgungssicher
ist.
Der zweite Schritt unserer Strategie heißt
„Verringern“. Wir verringern CO 2
-Emissionen
durch die Steigerung der Energieeffizienz.
Die Energiewende wird nur
funktionieren, wenn die Potenziale der
Energieeffizienz gehoben werden. Wir
verringern den Ausstoß von CO 2
durch
Verhaltensänderungen und durch den
Einsatz energieeffizienter Techniken
und Technologien. Frühzeitige Abstimmungen
und konzertierte Aktionen
sind dabei erfolgsentscheidend. Unsere
Konzerngesellschaften arbeiten im
Energieeffizienzgeschäft Hand in Hand;
als Messstellenbetreiber, als Energieeffizienzberater
und als Experte der Anlagenund
Gebäudetechnik.
Selbst wenn die vorgenannten Schritte
optimal abgearbeitet werden, bleibt ein
Rest an CO 2
-Emissionen, der sich nicht
vermeiden lässt. Wenn wir das ambitionierte
Ziel erreichen wollen, die Erdtemperatur
nicht mehr als zwei Grad ansteigen
zu lassen und damit die Folgen des
Klimawandels erträglich zu halten, dann
müssen wir die restlichen Emissionen
kompensieren. Dazu gehören die CO 2
-
Emissionen, die bei der Förderung, beim
Transport und bei der Verbrennung von
Erdgas entstehen, aber auch alle anderen
Treibhausgase, die beim Wirtschaften
entstehen. Klimaneutrales Wirtschaften
ist die konsequenteste Form, dem Klimawandel
entgegenzutreten. Um die CO 2
-
Emissionen auszugleichen, nutzen wir
das natürliche Speicherpotenzial des
Waldes und entwickeln Waldprojekte.
Durch den Schritt der Kompensation
können wir sogar noch mehr für die
Nachhaltigkeitsperformance unseres
Geschäftsmodells tun, denn durch Waldaufforstung,
Waldschutz und nachhaltige
Waldbewirtschaftung wird Nachhaltigkeit
in allen drei Dimensionen vorangebracht.
Wälder stiften vielfältigen
ökologischen und sozioökonomischen
Nutzen.
HSE – Nachhaltige
Energieversorgung
Die HSE ist einer der führenden
Energie- und Infrastrukturdienstleister
in Deutschland.
Mit rund 2.600 Mitarbeitern
und einem Jahresumsatz von
2,3 Milliarden Euro decken wir
die komplette Wertschöpfungskette
nachhaltiger Energieversorgung
und moderner Daseinsvorsorge
ab. Unsere Tochtergesellschaft
ENTEGA ist einer
der größten Anbieter von Ökostrom
und klimaneutralem
Erdgas in Deutschland
globalcompact Deutschland 2012
89
LAROSÉ
Ressourcenschonung durch
Energierückgewinnung
Dass unternehmerische Verantwortung längst im Mittelstand angekommen ist und auch dort
rekordverdächtige Leistungen in puncto Nachhaltigkeit erbracht werden, zeigt der Textildienstleister
LAROSÉ, der mit der Einführung des weltgrößten Energierückgewinnungs-Systems
innerhalb einer industriellen Wäscherei neue Maßstäbe setzt.
Von Andy Schnackertz
Saubere Wäsche zur richtigen Zeit am
richtigen Ort: So lässt sich das Leistungsangebot
der LAROSÉ-Gruppe in wenigen
Worten beschreiben. Doch es steckt weit
mehr dahinter. Das Leistungsangebot
reicht von der Anschaffung der Textilien
über die sachgemäße Wäsche und Pflege
bis hin zur zuverlässigen Lieferlogistik
(auf Wunsch bis in den eigenen Schrank)
und Bestandsverwaltung – die Kunden
von LAROSÉ entrichten dafür eine fixe
monatliche Leasingpauschale.
SERVICE MIT SYSTEM
Ständige Weiterentwicklung
Auch wenn Corporate Social Responsibility
(CSR) in der LAROSÉ-Gruppe fester
Bestandteil der Unternehmensstrategie
ist und die Übernahme unternehmerischer
Verantwortung bereits gegen
Ende der 90er-Jahre in ihren Leitsätzen
festgeschrieben wurde, ist eine ständige
Intensivierung des Engagements festzustellen.
Mit dem Beitritt der LAROSÉ-
Gruppe zum Global Compact im Jahr
2010 wurden die Bemühungen zum
nachhaltigen Wirtschaften transparent
gemacht und der Austausch im Netzwerk
gesucht, um voneinander lernen zu
können und eine stetige Verbesserung zu
erzielen. Im aktuellen Fortschrittsbericht
werden die getroffenen Maßnahmen
des Berichtszeitraums und die damit
erzielten Ergebnisse beschrieben und
ein Ausblick auf künftige Handlungsfelder
gegeben.
90 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Umweltschutz auch in
Mitarbeiterverantwortung
Für die LAROSÉ-Gruppe als Familienunternehmen
hat der Umweltschutz
einen hohen Stellenwert. Aus Rücksicht
auf Nachkommen wird deshalb
mit Ressourcen und Schadstoffen verantwortungsvoll
umgegangen. Regelmäßige
Investitionen in eine effiziente
Produktionstechnik und eine moderne
Fahrzeugflotte schaffen die Grundvoraussetzung
umweltbewussten Wirtschaftens.
Mitarbeiter der LAROSÉ-Gruppe sind
in ihrem Arbeitsbereich selbst für den
Umweltschutz mitverantwortlich und
verpflichtet, die Gesetze, Vorschriften
und unternehmensinternen Standards
zum Umweltschutz einzuhalten.
Physikalische und chemische
Wechselwirkungen
Im Waschvorgang einer industriellen
Großwäscherei ergibt sich durch den
sogenannten Sinnerschen Kreis ein Spannungsfeld
zwischen Reinigungserfolg,
Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit.
Dabei hängt die Reinigungswirkung
vom Waschverfahren, von der Höhe der
Temperatur, den eingesetzten Chemikalien
und der Dauer der Waschbehandlung
ab. Die Faktoren können sich gegenseitig
kompensieren: Ein niedrigerer Einsatz
von Chemikalien hätte eine höhere Zeitdauer
zur Folge, die notwendig wäre,
um eine identische Waschwirkung zu
erzielen. Da die Absenkung von Waschtemperaturen
nur bis zu einem gewissen
Maß möglich ist und mit einem erhöhen
Chemikalienverbrauch verbunden ist,
trägt die Einsparung von Energie noch
immer in besonderer Weise dazu bei, die
Umwelt zu schonen. Die LAROSÉ-Gruppe
setzt daher auf den Einsatz von Energierückgewinnungsanlagen,
um trotz hoher
Temperaturen in den Verfahren äußerst
umweltbewusst zu waschen.
Nutzung von Abwärme aus
Wasser und Luft
Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme
der Energierückgewinnungsanlage am
Standort Nonnweiler im Jahre 2010 galt
es, mit den gewonnenen Erfahrungen
auch an zwei weiteren, darunter dem
größten Standort Berlin ein Energiesparprojekt
zu realisieren. Gemeinsam
mit den Maschinenherstellern hat die
LAROSÉ-Gruppe ein Beispiel für Best
Practice mit einer neuen Dimension
im verantwortungsvollen Umgang mit
Ressourcen geschaffen.
An dem Energierückgewinnungssystem
sind sieben Waschstraßen, zwei Waschschleudermaschinen,
drei Finisheranlagen
und fünf Mangelstraßen beteiligt:
Das Abwasser der sieben Waschstraßen
und der beiden Waschschleudermaschinen
mit einer Temperatur von
über 50 °C wird zentral gesammelt. Eine
Tauchpumpe fördert das Abwasser durch
einen Rohr-in-Rohr-Wärmetauscher mit
einer Rohrlänge von insgesamt 120 Metern.
Im Gegenstrom wird das gesamte
Frischwasser mit einer Eingangstemperatur
von ca. 15 °C ebenfalls durch den
Rohr-in-Rohr-Wärmetauscher geführt
und heizt sich dabei auf rund 36 °C auf.
Nach der Durchleitung verschwindet
das Abwasser endgültig im Abwasserkanal.
Das aufgeheizte Frischwasser aus
dem Rohr-in-Rohr-Wärmetauscher wird
anschließend in einem Speichertank
gesammelt.
Parallel dazu findet eine Sammlung der
Abluft der fünf Mangelstraßen und der
drei Finisheranlagen statt. Diese Abluft
wird durch insgesamt vier Kondensationswärmetauscher
geleitet – gleichzeitig
wird das vorgewärmte Frischwasser
aus dem Tank im Kreis durch die Kondensationswärmetauscher
gepumpt und
weiter auf 50 °C aufgeheizt. Aus diesem
Frischwassertank erfolgt schließlich die
Bedienung der Waschstraßen und Waschschleudermaschinen.
Messbare Nutzenstiftung
Weil mit der zurückgewonnenen Energie
das Frischwasser vorgewärmt wird, muss
weniger Primärenergie zum Aufheizen
des Waschwassers eingesetzt werden.
Die daraus resultierende Einsparung
von Primärenergie wird auf über 3.500
Megawattstunden jährlich taxiert. Damit
liegt der Energieeinsatz pro Kilogramm
bearbeiteter Wäsche weit unter dem
Branchendurchschnitt.
In Anerkennung dieser besonderen Leistung
wurde der LAROSÉ-Gruppe für ihr
Engagement in der Kategorie Ökologie
der WRP Star 2012 verliehen – die
höchste Auszeichnung in der Branche
für vorbildliche Textilpflegebetriebe.
Die LAROSÉ-Geschäftsführung (vlnr.):
Dominik Schröder, Annette Imhoff,
Dr. Christian Unterberg-Imhoff
Weitere Informationen unter:
http://www.larose.de/verantwortung.aspx
LAROSÉ
Die LAROSÉ GmbH & Co. KG ist
einer der führenden Spezialisten
für textilen Service rund um
Berufs- und Schutzkleidung,
Tisch-, Bett- und Badwäsche sowie
für die textile Vollversorgung im
Gesundheitswesen und gehört
heute zu den größten deutschen
Anbietern für textiles Leasing.
Zusätzlich sind Extras wie
sanitäre Spendersysteme und
entsprechende Verbrauchsartikel
erhältlich.
Neben der Kölner Zentrale
unterhält die LAROSÉ-Gruppe
15 Standorte und Service-Center
im Bundesgebiet, die insgesamt
rund 5.500 Kunden aus Deutschland
und dem benachbarten
Ausland bedienen und im Jahr
2011 eine Produktionsleistung von
34.520 Tonnen Wäsche erzielten.
Das Unternehmen wurde 1977 in
Köln gegründet.
globalcompact Deutschland 2012
91
MERCK
Treibhausgase reduzieren –
Merck aktiv dabei
Die ökologischen Systeme unseres Planeten reagieren sensibel auf die wachsende Weltbevölkerung,
den daraus resultierenden steigenden Konsum und Energieverbrauch sowie den erhöhten
Ausstoß klimaschädigender Substanzen. Schon jetzt zeichnen sich die Folgen der Klimaveränderung
ab. Das Ziel zahlreicher internationaler Konferenzen und Abkommen ist, diese
Entwicklung zu stoppen und wo möglich Anpassungen an den Klimawandel zu finden. Die globalen
Treibhausgas-Emissionen sollen soweit beschränkt werden, dass die globale Erwärmung
auf maximal 2 Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzt wird.
Von Gerd Vollmer
Merck hat erkannt, wie wichtig es ist,
einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz
zu leisten: Mit innovativen Produkten
und durch die Steigerung der Energieeffizienz
in Produktion, Forschung und
Verwaltung reduziert das Unternehmen
seine Treibhausgasemissionen.
20 Prozent weniger Treibhausgase
bis 2020
2009 hat Merck sich das Ziel gesetzt,
die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen
im gesamten Konzern
gemessen am Stand von 2006 um 20
Prozent zu verringern. Wurden 2006
noch 546 Kilotonnen Treibhausgase
ausgestoßen, sollen es 2020 maximal
noch 437 sein. Im letzten Jahr wurde
eine Reduktion um 38 Kilotonnen erreicht,
das sind sieben Prozent weniger
als im Vorjahr. Die Einsparmaßnahmen
werden im Rahmen des Programms
„EDISON – Energy efficiency and climate
protection“ koordiniert. EDISON
bündelt systematisch alle Aktivitäten
der Merck-Gruppe weltweit zu Klimaschutz
und Energieeffizienz. So werden
zum Beispiel Energieaudits an verschiedenen
Standorten durchgeführt und
Energiesparprozesse implementiert. In
den Jahren 2012 und 2013 stellt Merck
jeweils 10 Millionen Euro für Energieeinspar-
und Treibhausgasreduktionsmaßnahmen
zur Verfügung. Mit diesen
EDISON-Maßnahmen, die rund 200
Einzelprojekte umfassen, will Merck
mittelfristig rund 64 Kilotonnen CO 2
jährlich einsparen.
92 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Der Merck-Standort in Goa, Indien, wird
künftig CO 2
-neutral sein.
Trocknungsprozess energieeffizienter, da
weniger Zeit in der Infrarot-Bestrahlung
und somit weniger Energie benötigt wird.
Die Technik hat Merck gewissermaßen
dem Eisbären abgeschaut. Dieser hat ein
weißes Fell, aber darunter eine schwarze
Haut. Das bedeutet, er reflektiert das
sichtbare Licht, absorbiert aber die Wärmestrahlung
des infraroten Lichts.
Ein Beispiel für ein EDISON-Projekt ist
die geplante Nutzung von Biomasse zur
Energiegewinnung am Merck-Standort
Goa in Indien. In der Region werden
Cashew- und Kokosnüsse angebaut. Die
Schalen dieser Früchte fallen nach der
Ernte als Abfall an. Merck wird diese
Schalen aufkaufen und als Biomasse in
einem eigenen Kraftwerk verwerten. Nach
Fertigstellung des Kraftwerks im Jahr
2014 wird der Standort in Goa so jährlich
rund 11 Kilotonnen CO 2
einsparen
und ist dank dieser Energiequelle nicht
nur unabhängig von der öffentlichen
Versorgung, sondern auch CO 2
-neutral.
Das Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-
Kopplung am Standort Gernsheim in
Deutschland, das derzeit errichtet wird,
ist ein weiteres EDISON-Projekt: Dank
der hocheffektiven, gasbetriebenen Kraft-
Wärme-Kopplung wird Strom gewonnen
und der Verlust von ungenutzter Wärmeenergie
fast vollkommen vermieden.
So können jährlich rund 6 Kilotonnen
CO 2
eingespart werden.
Energiemanagement ist ein weiterer
Baustein zu mehr Energieeffizienz und
Klimaschutz. 2012 werden die beiden
Merck-Produktionsstandorte Darmstadt
und Gernsheim, die für rund 40 Prozent
des weltweiten Energieverbrauchs bei
Merck verantwortlich sind, nach der
DIN EN ISO 50001 „Energiemanagementsysteme“
zertifiziert. Zweck der Norm ist
es, Systeme und Prozesse zu etablieren,
die zur Verbesserung von Energieeffizienz,
Energieeinsatz und Energieverbrauch
eines Unternehmens beitragen
und damit auch die Energiekosten und
Treibhausgasemissionen reduzieren.
Um Treibhausgasemissionen zu reduzieren,
werden auch erneuerbare Energien
genutzt. Insgesamt ist der Anteil der
Energie aus erneuerbaren Quellen noch
gering, befindet sich aber im Ausbau.
Immerhin: Am Merck Standort in Billerica
(USA) wurden 2011 rund sieben
Prozent des Strombedarfs aus eigenen
Photovoltaikanlagen gedeckt. Auch die
Standorte Molsheim (Frankreich), Bedford
(USA), Tiburtina (Italien) und Tel
Aviv (Israel) nutzen Photovoltaik zur
Stromerzeugung.
Produkte, die zum Energiesparen
beitragen
Merck ist aber nicht nur daran interessiert,
an den eigenen Standorten möglichst
nachhaltig und umweltfreundlich zu
arbeiten. Das Unternehmen legt auch ein
großes Augenmerk darauf, Produkte zu
entwickeln und zu vertreiben, die es den
Kunden ermöglichen, energieeffizienter
zu sein. Das Pigment Minatec® 230 A-IR
beispielsweise beschleunigt den Trocknungsprozess
von hellen Lacken, wie
man sie auf Kühlschränken und Waschmaschinen
findet. Mit Minatec ist der
Weitere Beispiele: Mit Flüssigkristallen
und einer speziellen Fensterfilmtechnologie
werden energieeffiziente
Fenster entwickelt, mit denen sich der
Energiedurchlassgrad je nach Sonneneinstrahlung
steuern lässt, um so die
Raumtemperatur und Beleuchtung
möglichst energieeffizient gestalten zu
können. Herstellern von kristallinen
Solarzellen bietet Merck druckbare
Strukturierungsmaterialien an, welche
die Leistung der Solarzellen verbessern
und umweltfreundlichere Produktionsprozesse
ermöglichen.
Organische Licht-emittierende Dioden,
kurz: OLEDs, ermöglichen Displays mit
schärferen Kontrasten und brillanteren
Farben. Selbstleuchtende OLEDs benötigen
keine Hintergrundbeleuchtung und
ermöglichen daher sehr dünne Displays,
die außerdem sehr wenig Energie verbrauchen.
Merck bietet ein komplettes
Portfolio von Materialien für OLED-Displays
an.
Die Liste von Merck-Produkten, die zum
Energiesparen beitragen, ist lang und
wächst kontinuierlich weiter.
globalcompact Deutschland 2012
93
RWE
Viel Wind auf hoher See
Der Ausbau der Offshore-Windenergie ist ein wichtiger Baustein für den eingeleiteten Umstieg
auf erneuerbare Energien. Die Stromerzeugung auf hoher See ist dabei allerdings eine große
Herausforderung. Anders als auf dem Land gibt es auf dem Wasser bisher wenig Erfahrung mit
dieser Technologie. Dies gilt natürlich auch für die deutschen Küste, wo die Ausbauziele für die
nächsten Jahre besonders ambitioniert sind.
Von Joachim Löchte
Ambitionierte Ausbauziele für
Wind-Offshore
RWE ist einer der großen Investoren im
Wind-Offshore-Bereich. Das Unternehmen
errichtet derzeit Windkraftwerke in
Europa mit einer installierten Leistung
von rund 1.000 Megawatt. Weitere 6.500
Megawatt sind in Planung. Sie sollen
gemeinsam mit Partnerunternehmen bis
2025 umgesetzt werden. In Deutschland
ist zurzeit der RWE-Windpark Nordsee
Ost in Bau. Mit 48 Windturbinen wird
dieser Park künftig eine Gesamtleistung
von 295 Megawatt bereitstellen. Damit
zählt Nordsee Ost zu den aktuell größten
kommerziellen Windkraftprojekten in
Deutschland.
Vorteile der Technologie:
Höhere Windausbeute und mehr
gesellschaftliche Akzeptanz
Die Vorteile von Wind-Offshore liegen
auf der Hand: Auf dem Wasser bringt
es jede Anlage auf bis zu 4.000 Volllaststunden
an Stromproduktion und
verspricht damit eine höhere Ausbeute
als auf dem Land, wo an guten Standorten
bis zu 2.000 Volllaststunden zu
erwarten sind. Zudem ist die Energie dort
auch kontinuierlicher verfügbar, weil der
Wind gleichmäßiger weht. Ein weiterer
Aspekt ist die gesellschaftliche Akzeptanz.
Auch wenn die Bürger grundsätzlich
den Ausbau der erneuerbaren Energien
befürworten, sind sie mit neuen Anlagen
vor der eigenen Haustür nicht unbedingt
„glücklich“. Bei Wind-Offshore ist die
Skepsis aufgrund von optischen Beeinträchtigungen
zumindest geringer. Die
Anlagen werden in Deutschland weit
vor der Küste errichtet – die meisten
viele Kilometer außerhalb der Sichtweite.
Technische Herausforderungen bei
Konstruktion und Errichtung
Die Vorteile von Wind-Offshore haben
jedoch in anderer Hinsicht ihren Preis.
Auf hoher See herrschen deutlich andere
Arbeitsbedingungen. Wind und Wetter
erfordern aufwendige technische Lösungen.
Das beginnt bei den Fundamenten.
Diese müssen so konstruiert sein, dass
94 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Links: Windstrom vom Meer – in England
schon weit vorangeschritten. Hier der
RWE-Windpark North Hoyle.
Rechts: Nicht immer ist die See so ruhig.
Arbeiten am RWE-Offshore-Windpark
Greater Gabbard, 25 Kilometer vor der
Küste der englischen Grafschaft Suffolk.
sie nicht ausgespült werden. Darüber
hinaus haben sie den Naturkräften zu
widerstehen, die unmittelbar auf sie einwirken.
An diesen Herausforderungen
arbeiten die Windparkentwickler von
RWE mit Hilfe von computergestützten
Modellierungstechniken. Ziel ist die bestmögliche
Anordnung der Windturbinen
innerhalb eines Baufeldes. Dafür gehen
alle Daten der Umgebungsbedingungen
in das Modell ein – von der Bodenbeschaffenheit
über die Wassertiefe und
die Wellenbewegungen bis hin zu den
Windlasten. So soll ein optimales Design
für jede Offshore-Anlage geschaffen
werden. Ebenso anspruchsvoll ist die
Auswahl und Verarbeitung des Materials
der Großkomponenten. Die Oberflächen
müssen auf den hohen Salzgehalt und die
dauerhafte Feuchtigkeit ausgelegt sein,
die auf hoher See vorherrschen.
Auch der Naturschutz ist ein wichtiger
Faktor, wenn es um die Wechselwirkungen
zwischen Natur und Technik geht.
Besonders in der Errichtungsphase stellt
dies die Techniker vor neue Herausforderungen.
In den meisten Fällen werden die
Fundamente für die Anlagen durch Rammung
im Boden befestigt, was zu hohem
Unterwasserschall führt. Meerestiere, und
hier insbesondere Schweinswale, können
dadurch in ihren Hörfunktionen und
beim Navigieren gestört werden. Deshalb
arbeiten die Entwickler an Techniken zur
Schallminderung, wie z. B. dem Blasenschleier,
um die Geräusche zu reduzieren.
Für den Schleier werden Druckluftschläuche
rund um die Unterwasserbaustelle
gelegt. Mit Hilfe von Kompressoren wird
Druckluft in die Schläuche am Meeresboden
gepumpt. Es bilden sich Luftblasen,
die eine akustisch dämmende Barriere für
die Schallwellen darstellen. Gemeinsam
mit anderen Unternehmen hat RWE dazu
im Juni den Abschlussbericht des Forschungsprojekts
ESRa vorgelegt. In diesem
Projekt wurden mit einem Feldversuch
in der Ostsee verschiedene Methoden
zum Schallschutz während des Rammens
getestet. Mit allen Methoden ließ sich
der Schall reduzieren. Für verbesserte
Ergebnisse sind jedoch noch weitere Forschungen
notwendig. Die durchgeführten
Messreihen haben dazu eine Datenbasis
von über 650 Datensätzen geliefert.
Logistische Herausforderungen bei
Transport und Wartung
Über die Lösung technischer Fragen hinaus
ist auch die Logistik eine wichtige
Aufgabe. Um die Windkraftanlagen an
ihrem ausgewählten Standort errichten
zu können, müssen sie zunächst vom
Land auf das Wasser gebracht werden.
Dafür hat RWE zwei spezielle Installationsschiffe
für rund 200 Millionen Euro
bauen lassen. Bis zu vier der größten
Offshore-Windturbinen samt Fundamenten
können mit diesen Schiffen
transportiert und dann errichtet werden.
Das Schiff wird am Zielort auf See per
Satellit zentimetergenau fixiert. „Aufgejackt“
auf Füße können die Schiffe so in
Wassertiefen von über 40 Meter sicher
arbeiten. Sie dienen dann als Offshore-
Plattform, von der aus die Windkraftanlagen
aufgebaut werden. Nach der
Inbetriebnahme rückt die Wartung der
Windkraftwerke in den Vordergrund.
Auch bei dieser Aufgabe ist der Aufwand
deutlich höher als bei Onshore-Anlagen.
Vor allem in Deutschland, da hier die
Anlagen in besonders großem Abstand
zur Küste gebaut werden. Innerhalb
eines Tages ist die Wartung von dort per
Schiffsanfahrt nicht zu leisten. Deshalb
nutzt RWE künftig die Hochseeinsel
Helgoland als Stützpunkt für den Betrieb
von Nordsee Ost. Im Südhafen der Insel
wird dafür eine eigenen Service- und
Betriebsstation errichtet.
Erfolge von Wind-Offshore – auch
eine Frage der Zusammenarbeit
Mit der Erschließung und Errichtung von
Offshore-Windparks zeigt RWE auf: Der
Aufbau der Wind-Offshore-Energie ist eine
anspruchsvolle und aufwendige Aufgabe.
Alle Projektpartner müssen bei dieser
Herausforderung mit gleichem Einsatz
eng zusammenarbeiten. Dann wird Wind-
Offshore demnächst auch einen wichtigen
Beitrag für die Energiewende leisten.
globalcompact Deutschland 2012
95
Deutsche Telekom
Zukunft im Praxistest:
Umweltfreundliche
Technologien in der T-City
Innovationen sind der Schlüssel für die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft. Ob intelligente
Stromnetze, vernetzte Verkehrs- und Mobilitätslösungen oder Virtualisierung von Produkten –
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bieten vielfältige Lösungsansätze.
Damit sich eine neue Erfindung allerdings durchsetzen kann, muss sie im Praxistest auf Herz
und Nieren geprüft werden. In der T-City Friedrichshafen, dem größten „Living Lab“ der Welt,
hat die Deutsche Telekom neue umweltfreundliche Technologien fünf Jahre lange getestet.
Von Katja Brösse und Rainer Knirsch
Die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher
Technologien ist für
die Deutsche Telekom nicht nur eine
Verpflichtung im Rahmen des Global
Compact und eine moralische Notwenigkeit,
sondern auch eine wirtschaftliche
Chance. Laut der Studie SMARTer2020 *
können durch die Anwendungen der
Informations- und Kommunikationstechnologien
bis 2020 etwa 9,1 Gigatonnen
CO 2
e eingespart werden. Unter dem Motto
„T-City Friedrichshafen. Wir leben Zukunft“
ist die Stadt Friedrichshafen seit
2007 „Zukunftswerkstatt“ und Partner der
Deutschen Telekom. Am Beispiel einer
mittelgroßen Stadt in Deutschland wurde
im Verlauf des Projektes exemplarisch
die Konzernvision vom „Vernetzten
Leben und Arbeiten“ verwirklicht.
Die Erkenntnisse aus zahlreichen Projekten
werden heute bundesweit unter
anderem in der öffentlichen Verwaltung
sowie von Energieversorgern, Wirtschaftsunternehmen
und Bürgern genutzt.
Vom Test zur Wirklichkeit
Zum Beispiel De-Mail, die erste verbindliche
und sichere elektronische Kommunikation:
Bevor der sichere Mail-Dienst
am 31. August 2012 bundesweit an den
Start ging, wurde De-Mail bereits sechs
Monate in der T-City Friedrichshafen mit
40 Teilnehmern aus Unternehmen und
96 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Verwaltung und über 1.000 Privatkunden
getestet. Der Dienst hilft nicht nur Zeit
und Geld zu sparen. Er schont auch die
Umwelt. Das Öko-Institut aus Freiburg
hat den Product Carbon Footprint für
De-Mail nach der ISO-Norm 14040/14044
erstellt und errechnet, dass sich durch
De-Mail 77 Prozent der CO 2
-Emissionen,
die durch den konventionellen Briefversand
entstehen, einsparen lassen. Auf
das Jahr 2013 bezogen entspricht dies
25.801 Tonnen Kohlendioxid (CO 2
) oder
dem Jahresenergiebedarf von rund 10.500
Vier-Personen-Haushalten. Selbst, wenn
ein Teil der De-Mail-Nutzer die dazugehörigen
Dokumente zur Sicherheit noch
einmal ausdruckt, liegt das Einsparpotenzial
immer noch bei 64 Prozent. Für
das Jahr 2015 geht die Telekom von noch
höheren Kohlendioxid-Einsparungen aus.
Im Bereich Energie hat T-City gemeinsam
mit den Technischen Werken Friedrichshafen
(TWF) und weiteren Partnern die
Voraussetzungen für ein intelligentes
Stromnetz umfassend getestet. Intelligente
Zähler (SmartMeter) und Stromnetze
(SmartGrids) sollen in Zukunft zum
einen den Verbrauchern mehr Transparenz
bieten und damit helfen, ihren
Die erste Testphase 2008 konzentrierte
sich auf SmartMeter. Rund 300 interessierte
Nutzer testeten die Geräte in ihren
Haushalten und gaben Rückmeldung
zur Funktionalität. 2009 folgte die Vernetzung
zweier kompletter Stadtteile in
Friedrichshafen mit 1.600 Haushalten
und damit der erste Schritt in Richtung
eines SmartGrid. Über den Praxistest
konnten die Projektpartner die Basisfunktionalitäten
ebenso überprüfen wie
die Anwendung in unterschiedlichen
Gebäude-/Wohn- und Montagesituationen
oder Abrechnungsmöglichkeiten, die
neue Tarife ermöglichen und Kunden so
zum Stromsparen animieren. Erkenntnisse
aus diesem Projekt finden in der
Weiterentwicklung des komplett vernetzten
Heims Verwendung. Smart-Metering-
Lösungen sind inzwischen bei mehreren
Kunden im Bundesgebiet implementiert.
Laut SMARTer2020 * können alleine im
Energie-Sektor durch den Einsatz von
IKT die Emissionen bis 2020 um rund
2 Gt CO 2
e gesenkt werden.
Auch zur Mobilität der Zukunft sind in
der T-City Modelle erprobt worden, die
inzwischen Kunden in ganz Deutschland
nutzen können: Der Service „Spontane
Mitfahrgelegenheit“ des Darmstädter
Unternehmens flinc vermittelt schnell
Sekunden freie Sitzplätze in Autos auf
seiner angefragten Route. Der Fahrer
gibt an, wie viel Cent er pro Kilometer
haben möchte. Die Smartphone-Applikation
errechnet daraus den Fahrpreis
und ermöglicht dem Mitfahrer neben
einem Preisvergleich der Anbieter das
bargeldlose Begleichen der Rechnung
über ein Ein-Click-Bezahlsystem. Dazu
müssen sich die Nutzer zuvor auf einer
Plattform im Internet registrieren und
für die bargeldlose Bezahlung anmelden.
Erfolge fortführen
Insgesamt wurden in fünf Jahren mehr
als 40 Projekte aus allen Lebensbereichen
umgesetzt. Aufgrund der positiven
Erfahrungen aus dem T-City-Projekt haben
die Stadt Friedrichshafen und die
Deutsche Telekom im Dezember 2011
eine weitere Zusammenarbeit für drei
Jahre vereinbart.
Die Schwerpunkte für die weitere Zusammenarbeit
sind konsequent an großen
gesellschaftlichen Herausforderungen
ausgerichtet. Die Projekte konzentrieren
sich auf die Themenbereiche Energie,
Verkehr und Gesundheit. Dabei knüpfen
die Partner an bisher erzielte Erfolge
an. Im Bereich Energie ist das Ziel, die
Versorgungssicherheit zu verbessern und
Energiekosten zu sparen. Im Bereich
Verkehr soll die Vernetzung unterschiedlicher
Verkehrsmittel weiter vorangetrieben,
der Verkehr entlastet und über
fortschrittliche Mobilitätssysteme direkt
und indirekt die Umwelt geschont werden.
Die Gesundheitsversorgung wollen
die Partner schließlich durch technologische
Entwicklungen noch sicherer und
kostengünstiger machen.
Stromverbrauch gezielter zu steuern und
Energie zu sparen. Zum anderen sind die
Echtzeit-Informationen notwendig, um
das Stromnetz für eine Zukunft fit zu
machen, in der über die Einbindung erneuerbarer
Energien die Stromproduktion
vermehrt dezentral durch eine Vielzahl
unterschiedlicher Produzenten erfolgt.
und mobil Mitfahrgelegenheiten, auch
für kurze Strecken. Fahrer und Mitfahrer
finden über den Service automatisch
zueinander. Die Nutzer benötigen lediglich
ein Smartphone. Die „Spontane
Mitfahrgelegenheit“ verbindet die internetfähige
Navigationssoftware des Fahrers
mit den Smartphones potenzieller
Mitfahrer. Durch eine Echtzeit-Analyse
von Verkehrsbewegungen vermittelt
das System dem Mitfahrer in wenigen
Durch den konkreten Praxistest der Technologien
und das direkte Kundenfeedback
werden zukünftige Produkte und Services
frühzeitig optimiert. Gleichzeitig haben
potenzielle Kooperationspartner und
Kunden die Gelegenheit, sich vor Ort
persönlich von der Lösung zu überzeugen.
Die Deutsche Telekom trägt so direkt
dazu bei, zukunftsweisende, umweltschonende
Technologien zu erforschen,
zu verbessern und zu verbreiten.
* Global eSustainability Initiative (2012):
SMARTer2020 – The Role of ICT in Driving a
Sustainable Future.
globalcompact Deutschland 2012
97
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken
Verantwortliches
Energiemanagement als
Langfriststrategie
Für den international agierenden Schul- und Büromöbelhersteller VS ist eine langfristige
strategische Planung der Energienutzung unter Klimaschutzaspekten ein zentrales
Managementthema.
Von Georg Benz und Dr. Axel Haberer
Die Selbstverpflichtung, ein unternehmensbezogenes
Klimaziel zu definieren
und aktiv zur Energiewende beizutragen,
ist für das Familienunternehmen mit
knapp 1.000 Beschäftigten ein wichtiger
Baustein seiner gesellschaftlichen
Verantwortung gegenüber Kunden,
Beschäftigten und allen weiteren Anspruchsgruppen.
Deswegen ist VS seit
2008 Mitglied beim UN Global Compact.
Seit über 20 Jahren wird das 1898 gegründete
Unternehmen vom geschäftsführenden
Gesellschafter Prof. Dr.
Thomas Müller geleitet, dem Enkel
eines der Firmengründer. Für ihn ist
langfristiges Denken sowie kulturelles,
soziales und – in der Holzverarbeitung
ohnehin längst bekanntes – nachhaltiges
Engagement eine Selbstverständlichkeit.
Die Sicherung und der
Ausbau der Beschäftigung am Standort
stehen deswegen ganz oben auf der
strategischen Prioritätenliste. Dass mit
10 Prozent der Gesamtbeschäftigten
überdurchschnittlich viele Schwerbehinderte
einen Arbeitsplatz finden,
ist ein mittlerweile ausgezeichnetes
Prädikat von VS, einem der größten
Arbeitgeber des Main-Tauber-Kreises.
Der VS-Holzkufenstuhl aus massivem
Buchenholz hat seit seiner Entwicklung
in den Nachkriegsjahren Schulmöbelgeschichte
geschrieben. 1960 wurde mit
dem Thermodyn-Verfahren eine hochfeste
und extrem langlebige Schultischplatte
entwickelt, die durch die Nutzung der
Abfallspäne der eigenen Massivholzproduktion
eine intelligente stoffliche
Kreislaufführung zum Prinzip machte.
Das aktuelle VS-Möbelprogramm, das
im Direktvertrieb verkauft wird, ist auf
die Bedarfe an eine hohe Flexibilität
und Mobilität der Einrichtung abgestimmt,
auf den Wandel in Schulen
zu mehr Ganztagsangeboten, die Integration
neuer Medien im Unterricht,
ergonomischen Komfort sowie auf veränderte
Anforderungen an die moderne
Büroarbeit. Das Produktprogramm ist
entsprechend breit angelegt und extrem
variantenreich. Ein nachhaltiges Energiemanagement
ist durch den hohen
Wertschöpfungsanteil der Produktion
ein Kernthema für Thomas Müller und
aus seiner Sicht von hoher gesellschaftlicher
Bedeutung.
Der Energiebedarf hat sich durch die
positiv dynamische Geschäftsentwicklung
vervielfacht. Grund hierfür sind
kontinuierliche Investitionen in eine
Kapazitätserweiterung der Produktionsanlagen:
Entgegen dem Branchentrend
wurde die eigene hohe Fertigungstiefe
in der Holz- und Stahlrohrverarbeitung
am Standort weiter ausgebaut. VS ist ein
international ausgerichteter Einrichter
von Bildungsstätten sowie Spezialist für
eine anspruchsvolle Büromöblierung
in Industrieunternehmen, Banken und
Versicherungen. Bei Großprojekten sind
neben variantenreichen Serienmöbeln
häufig auch kundenindividuelle Sonderanfertigungen
gewünscht, die schnelle
Reaktionszeiten und hohe Entwicklungskompetenz
erfordern. Hier passt die
Strategie der Eigenfertigung und des
Direktvertriebs zusammen.
Für Thomas Müller ist klar: „Als Mittelständler,
der Möbel für Kunden liefert,
von der kleinen Grundschule bis hin
zu Arbeitsplätzen vieler DAX-Konzerne,
sehen wir uns in der Verantwortung,
aktiv in den Kundendialog zu treten,
um die sozialen, ökologischen und
ökonomischen Auswirkungen unseres
Wirtschaftens transparent zu machen.
Hierfür gibt uns die Initiative Global
Compact einen Rahmen der Planung,
Steuerung und Kommunikation unserer
Nachhaltigkeitsstrategie.“
Ein klar definiertes und im UNGC-
Fortschrittsbericht kommuniziertes
VS-Klimaschutzziel lautet: „VS hat sich
zum Ziel gesetzt, den CO 2
-Verbauch des
Unternehmens im Verhältnis zum Umsatz
um 30 Prozent im Zeitraum von
2008 (Beitrittsjahr zum UNGC) bis zum
Jahr 2015 zu senken.“
98 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Umweltschutz
Durch die enorme Fertigungstiefe benötigt
VS viel Energie aus Strom, Erdgas
und Heizöl. Zum sukzessiven Ausbau
der Nutzung regenerativer Energien
wurden beginnend im Jahr 2001 große
Solaranlagen auf den Werkshallen installiert.
Als ein weiterer Baustein des
Energiemanagements setzt VS auf eine
Kreislaufführung und die thermische
Nutzung der Abfallspäne aus der Spanplattenverarbeitung,
die zur Erzeugung
von Wärme und Dampf für den Eigenbedarf
genutzt werden. Ein weiterer Teil
der Späne wird zum jetzigen Zeitpunkt
an externe Unternehmen abgegeben. Im
Rahmen der Umsetzung einer langfristigen
Energiestrategie soll dieser Teil aber
künftig durch ein abgestimmtes Maßnahmenpaket
direkt genutzt werden.
Energieträgermix
Erdgas & Erdöl 25 %
Erdgas & Erdöl 10 %
Ein 3-stufiger Investitionsplan soll die
Vorraussetzungen schaffen, um das
selbstdefinierte Klimaschutzziel erreichen
zu können: In der ersten Stufe
der Energiestrategie wurden durch Baumassnahmen
neue Lager- bzw. Pufferkapazitäten
für die Späne aus Holzwerkstoffen
geschaffen. Stufe 2 beinhaltet
das momentane Errichten einer Fernwärmeleitung
zwischen zwei räumlich
getrennten Produktionsstandorten. Am
ersten Standort befindet sich bereits eine
Spänefeuerungsanlage, am zweiten eine
Erdgasfeuerungsanlage. Damit können
zusätzliche Späne anstelle von Erdgas
verfeuert werden und die Wärme kann
zwischen den Standorten transportiert
werden. Es wird möglich sein, den Anteil
von Heizöl und Erdgas am Energiebedarf
von einem Viertel auf nur noch 10
Prozent zu reduzieren und den Anteil
regenerativer Energien auf über 50 Prozent
zu steigern. In einer zukünftigen
Stufe 3 soll über die Auskoppelung von
Strom bei der Wärmeerzeugung die Energieausbeute
bei der Energiewandlung
Erdgas & Erdöl 7 %
Seit über 110 Jahren in Familienhänden:
Für den geschäftsführenden Gesellschafter
Prof. Dr. Thomas Müller steht die Verantwortung
für künftige Generationen im Fokus.
weiter optimiert werden. Der Strom- und
Gasbezug aus den öffentlichen Netzen
kann somit zugunsten CO 2
-neutraler
Energieträger reduziert werden.
Nach Fertigstellung der zweiten Investitionsstufe
wird das Unternehmen den
Anteil von Spänen am Energieträgermix
von bisher 40 Prozent auf 55 Prozent
in 2013 und mit Stufe 3 optional auf
60 Prozent in 2015 steigern können.
Gleichzeitig reduziert VS die CO 2
-Emissionen
von heute 7.200 t/a auf 6.300 t/a in
2013 und auf optional 5.700 t/a in 2015.
Mit der Umsetzung dieser investiven
Maßnahmen erachtet es VS als realistisch,
die energiepolitischen Unternehmensziele,
die im Fortschrittsbericht des
Global Compact formuliert wurden und
die politischen Rahmenbedingungen, die
mit der Energiewende in Deutschland
gesetzt worden sind, erfüllen zu können.
Strom 36 % Späne 39 %
2011
Strom 36 % Späne 54 %
2013 *
Strom 33 % Späne 60 %
2015 *
* Plan
Zusammenfassend bedeutet das für VS:
• Vermehrter Einsatz nachwachsender
Rohstoffe als Energieträger.
• Energie wird erzeugt, wo sie benötigt
wird.
• Die installierte Technik reicht deutlich
über den Standard hinaus.
• CO 2
-Emissionen werden gravierend
und dauerhaft gesenkt.
globalcompact Deutschland 2012
99
Best Practice
Darüber hinaus verfolgt der Global Compact
zwei sich ergänzende Ziele:
100 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
BASF
BMW Group
CEWE
Coca-Cola Deutschland
Daimler
Ernst & Young
Krones
MAN
Mediengruppe macondo
Volkswagen
Entwicklung & Partnerschaft
Lavaris Technologies
1) Die zehn Prinzipien sollen zu einer Selbstverständlichkeit
innerhalb von Geschäftstätigkeiten auf der ganzen Welt
werden.
2) Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung darüber
hinausgehender UN-Ziele wie etwa die Millenniums-
Entwicklungsziele (MDGs)
globalcompact Deutschland 2012
101
BASF
Nachhaltigkeit
messbar machen
Von Christine Haupt
Im Jahr 2050 werden rund neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Diese Perspektive
stellt uns vor enorme globale Herausforderungen. Mit innovativen Lösungsansätzen werden
Herausforderungen zu Chancen. Dies gilt insbesondere für die Chemieindustrie: Produkte und
Lösungen der BASF tragen dazu bei, Ressourcen zu schonen, gesunde Ernährung und Nahrungsmittel
zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern. Doch was heißt Nachhaltigkeit eigentlich
auf ein Produkt bezogen und wie lässt sich Produktnachhaltigkeit messen?
Innovative Produktentwicklungen und
strategische Nachhaltigkeitswerkzeuge
sind greifbare Maßnahmen der BASF, die
ihren Unternehmenszweck „We create
chemistry for a sustainable future“ untermauern.
Ob für die Agrarwirtschaft,
Körperpflege, Ernährung & Gesundheit,
Bau- oder Automobilwirtschaft – so unterschiedlich
die Märkte sind, so vielfältig
sind die Nachhaltigkeitsinitiativen der
BASF, um konkrete Marktbedürfnisse zu
erfüllen. Ein Beispiel dafür ist SET, ein
kundenorientierter Nachhaltigkeitsansatz
des BASF Unternehmensbereichs
Nutrition & Health und der BASF Einheit
Sustainability Strategy.
Verbraucher und der Handel suchen zunehmend
nach Produkten, die zu einem
nachhaltigeren Lebensstil beitragen. SET
unterstützt Produzenten, die Nachhaltigkeit
ihrer Produkte zu messen und
zeigt konkrete Verbesserungspotenziale
auf. Dies geschieht entlang der gesamten
Wertschöpfungskette – von der „Wiege
bis zur Bahre“. Jedes Produkt kann über
einen bestimmten Zeitraum hinweg
kontinuierlich nachhaltiger gestaltet
werden – unabhängig davon, ob es
konventionell oder unter einem Bio-
Standard hergestellt wird. SET bringt
Produkte „auf eine Reise“ hin zu mehr
Nachhaltigkeit. Der Nachweis über die
verbesserte Nachhaltigkeit schafft einen
zusätzlichen Wert für den Verbraucher,
den Produzenten und seine Marke.
Jedes Produkt kann nachhaltiger
werden
Ein konkretes Beispiel dafür ist die mit
dem Fleischvermarkter Westfleisch errechnete
CO 2
-Bilanz für Schweinefleisch.
Westfleisch zählt zu einem der führenden
Fleischvermarkter Europas. Soziale
und ökologische Verantwortung werden
hier groß geschrieben. Der Klimaschutz
geht über Energieeffizienz in der Produktion
und Betriebsführung hinaus:
„Westfleisch übernimmt auch die Verantwortung
für die Klimawirkung seiner
Produkte“, erläutert Vorstandssprecher
Dr. Helfried Giesen die Nachhaltigkeitsstrategie.
Hierfür hat Westfleisch die
Experten der BASF zu Rate gezogen. Das
SET-Team der BASF untersuchte unter der
Leitung von Dr. Christoph Günther, wieviele
Treibhausgase entlang der gesamten
Wertschöpfungkette anfallen. Erst wenn
bekannt ist, wo CO 2
-equivalente Emissionen
anfallen, ist es auch möglich, diese
kontinuierlich zu reduzieren und diese
Erfolge im Markt zu kommunizieren. Dr.
Christoph Günther erklärt: „Es gibt viele
Stellschrauben, um Nachhaltigkeit zu
verbessern. Mit unserem ganzheitlichen
Ansatz finden wir Optimierungspotenziale
und helfen unseren Kunden dabei,
diese auszuschöpfen.“
Futtermittel – ein Hebel für mehr
Nachhaltigkeit
Die CO 2
-Bilanz führte zu klaren Ergebnissen:
Obwohl das Verarbeiten von Fleisch
ein energieintensiver Prozess innerhalb
der Fleischproduktion ist, wirkt sich das
Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten
102 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
nur zu einem geringen Anteil auf die
erzeugten Treibhausgase aus. Wesentlich
stärker beeinflusst das Futtermittel die
CO 2
-Bilanz: Über 50 Prozent der CO 2
-
Bilanz von Schweinefleisch basieren
auf diesem Faktor. Darin enthalten sind
die in der Wertschöpfungskette vorgelagerten
CO 2
-relevanten Düngemittel
und Maßnahmen zu Pflanzenschutz
und -zucht.
Interessant ist auch der unterschiedliche
CO 2
-Fußabdruck je Produktart:
Während 1 kg rohes Schweinefleisch
einen CO 2
-Fußabdruck von 3,2 kg hat,
liegt der verpackte Kochschinken bei
3,6 kg und die „Rohwurst“ (z. B. Salami)
aufgrund des energierelevanten Trocknungsprozesses
bei 4 kg. Westfleisch-
Vorstand Dr. Giesen sagt: „Dank SET
haben wir als führendes Unternehmen
der Fleischbranche einen umfassenden
CO 2
-Fußabdruck für unsere Produkte
errechnen können. Damit können
wir uns auf dem Markt differenzieren
und sowohl dem Handel als auch den
Verbrauchererwartungen aktiv entgegenkommen.“
Ökologische, soziale und
ökonomische Effekte
Der CO 2
-Fußabdruck ist ein wichtiges
Element für das Bewerten von Produktnachhaltigkeit.
Darüber hinaus
analysiert SET ökonomische, soziale
und weitere ökologische Effekte, wie
z. B. Energieverbrauch, Wasseremissionen,
Versaurungspotenzial der Böden
und Landnutzung. Dafür setzt SET die
BASF-eigene Ökoeffizienz-Analyse und
Seebalance® ein. Ein weiterer Meilenstein
von SET auf dem Weg zu mehr
Nachhaltigkeit ist die sogenannte „Hot-
Spot-Analyse“. Diese qualitative Analysemethode
untersucht, welche Themen
aus Sicht des Herstellers und aus Sicht
externer Interessengruppen im Sinne der
Nachhaltigkeit messbar machen – für
Hersteller, Handel und Konsumenten
Nachhaltigkeit besonders relevant sind.
Hier stehen unter anderem z. B. Themen
wie der Schutz von Tier und Mensch im
Fokus. Aus dem Ergebnis leiten sich dann
konkrete Maßnahmen ab, mit dem Ziel,
die Produktnachhaltigkeit zielgerichtet
zu optimieren.
Christoph Günther erklärt: „Unsere Kunden
profitieren nicht nur von einer größeren
Ressourceneffizienz. Unser Ansatz
generiert auch einen zusätzlichen Wert,
der positiv auf die Marke des Kunden
ausstrahlt. Denn letztlich möchte der
Verbraucher, dass die ihm verkauften
Lebensmittel nachhaltiger, das heißt mit
Respekt gegenüber den Bedürfnissen von
Mensch und Tier und im Einklang mit
unserer Umwelt, hergestellt werden.“
globalcompact Deutschland 2012
103
BMW Group
Nachhaltiges Wirtschaften
als ganzheitlicher Ansatz
Die BMW Group hat das Ziel, im Jahr 2020 der weltweit führende Anbieter von Premiumautomobilen
und Premiummobilitätsdienstleistungen zu sein. Dabei lautet eine der Grundüberzeugungen
des bayerischen Automobilherstellers: Nachhaltiges Denken und Handeln sind Grundvoraussetzungen
für langfristiges Wachstum und gesteigerte Profitabilität, für die Erschließung
neuer Kundensegmente sowie zukunftsweisender Technologien. In diesem Sinne hat das Unternehmen
im Jahr 2012 Fortschritte in vielen Bereichen erzielt. Auch für das Jahr 2013 hat man
sich viel vorgenommen. Im Mittelpunkt wird dabei das Thema Elektromobilität stehen.
Von Kai Zöbelein
Im September 2012 konnte die BMW
Group innerhalb weniger Tage zwei
große Erfolge verbuchen: Zum achten
Mal in Folge wurde das Unternehmen
nachhaltigster Automobilhersteller im
Dow Jones Sustainability Index. Gleichzeitig
belegte die BMW Group den ersten
Platz unter allen Automobilherstellern
im Carbon Disclosure Project Global
500 Ranking.
Auch wenn das erfolgreiche Abschneiden
in Rankings und Ratings nicht das Ziel
nachhaltigen Wirtschaftens ist – so
unterstreichen die Spitzenplatzierungen
doch auf eindrückliche Weise, dass die
BMW Group bei nachhaltigem Wirtschaften
unverändert sehr gut unterwegs
ist. Entscheidend ist der ganzheitliche
Ansatz: Die BMW Group bezieht Nachhaltigkeit
nicht allein auf das Produkt,
also die Fahrzeuge auf der Straße. Der
Fokus liegt auf der kompletten Wertschöpfungskette
– von der frühesten
Phase der Entwicklung über die Herstellung
an den Produktionsstandorten und
das Produkt bis hin zu durchdachten
Recycling-Konzepten.
So wurde in den vergangenen Jahren
nicht nur der CO 2
-Ausstoß der in Europa
verkauften Fahrzeuge drastisch
gesenkt – bis zum Jahr 2020 soll er
50 Prozent unterhalb der Werte von 1995
liegen. Ebenso hat das Unternehmen
Anbringen des BMW Logos
im Werk Tiexi, China
zwischen 2006 und 2011 den Ressourcenverbrauch
je produziertem Fahrzeug im
Durchschnitt um 32 Prozent reduziert.
Ein Meilenstein in Sachen ressourcenschonender
Produktion war 2012 sicherlich
die Eröffnung des neuen Joint-
Venture-Werks im Stadtteil Tiexi der
chinesischen Stadt Shenyang. Das Werk
Tiexi gehört inzwischen zu den drei
nachhaltigsten Werken im weltweiten
Produktionsnetzwerk. Dort greift das
Unternehmen erfolgreich auf die Erfahrungen
und Innovationen aus den
anderen Werken des weltumspannenden
BMW Group Produktionsnetzwerks zurück:
Der Energieverbrauch des Werks
in Tiexi, wo die Temperaturen zwischen
-35 °C im Winter und sommerlichen
+40 °C schwanken, liegt rekordverdächtig
niedrig. Luftgekühlte Kühltürme und
eine Grundwasserkühlanlage sorgen für
einen Ausgleich der Wärmelast im Sommer.
Wärmeräder, eine Fernwärmeanlage
sowie die Abwärme der Schweißzangen
liefern ressourcenschonend Wärme
im Winter.
Auch wenn die BMW Group schon große
Fortschritte realisieren konnte – für die
kommenden Jahre bleiben unverändert
anspruchsvolle Ziele: Das Unternehmen
will langfristig alle Standorte weltweit
mit Strom aus erneuerbaren Energien
betreiben. Bereits seit mehreren Jahren
nutzt die BMW Group an ihrem amerikanischen
Standort Spartanburg erfolgreich
eine Methangasanlage. Das Prinzip ist
104 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
Präsentation der Modelle BMW i8 Concept (l.) und BMW i3 Concept (r.)
einfach: Aus einer zehn Meilen entfernt
liegenden Mülldeponie gelangt Methan
über Pipelines in das Werk, wo es in
Strom und Prozesswärme umgewandelt
wird. 50 Prozent des gesamten Energiebedarfs
im Werk Spartanburg können auf
diese Weise gedeckt werden. Das Beispiel
Spartanburg zeigt, dass Umweltschutz
ein profitables Geschäft sein kann: Pro
Jahr werden 92.000 Tonnen CO 2
und
7,5 Millionen US-Dollar Energiekosten
eingespart.
Spartanburg ist kein Einzelfall: Die
SGL Automotive Carbon Fibers – ein
Joint Venture der SGL Group und der
BMW Group zur Herstellung von Carbonfasern
– nutzt am Standort Moses
Lake im US-Bundesstaat Washington
zu 100 Prozent Wasserkraft aus nahegelegenen
Anlagen am Columbia River.
Und im Herbst 2012 haben in Leipzig
die Bauarbeiten für eine Windkraftanlage
begonnen, die direkt vor Ort
die Produktion der Elektrofahrzeuge
BMW i3 und BMW i8 versorgen wird.
2013 – das Jahr der Elektromobilität
Aus Sicht der BMW Group wird das Jahr
2013 klar im Zeichen der Elektromobilität
stehen. Das Unternehmen hat sich
sehr viel vorgenommen. Ende 2013 wird
in Leipzig die Produktion des BMW i3
starten. Der BMW i3 ist das erste rein
elektrisch angetriebene Serienmodell
der BMW Group und ermöglicht Fahren
ganz ohne Lärm- und Abgasemissionen.
Der BMW i3 wird eine Reichweite von
rund 150 km haben. Der Innenraum
ist mit einer Vielzahl von nachhaltigen
Materialien ausgestattet, von den Sitzbezügen
bis hin zu den Bodenbelägen.
Da der BMW i3 bewusst als komplett
neues Projekt ausgeplant wurde, konnten
Nachhaltigkeitsaspekte in allen Facetten
bereits von Anfang an vollständig integriert
werden.
Erstmals in einem Serienfahrzeug werden
im BMW i3 ultraleichte carbonfaserverstärkte
Kunststoffe (CFK) zum Einsatz
kommen. CFK ist flexibel und formbar,
ebenso fest wie Stahl aber um mehr als
die Hälfte leichter. Dadurch wird das
Gewicht des BMW i3 im Vergleich zu
einem herkömmlichen Elektroauto um
bis zu 300 Kilogramm gesenkt – und je
geringer das Gewicht eines Elektrofahrzeugs,
umso geringer der Energiebedarf
und umso höher die Reichweite.
Bei der Montage des BMW i3 werden
im Vergleich zum bisherigen Werkedurchschnitt
der BMW Group 50 Prozent
weniger Energie und 70 Prozent weniger
Wasser benötigt.
Auf der Straße wird das Fahrzeug über
seinen gesamten Lebenszyklus bis zu
50 Prozent weniger CO 2
ausstoßen, und
zwar im Vergleich zu einem sehr effizienten
Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Voraussetzung ist, dass der Kunde beim
Aufladen des Fahrzeuges auf Strom aus
erneuerbaren Energien setzt. Auch hier
bietet BMW seinen Kunden eine Lösung.
Im Oktober 2012 haben die BMW Group
und die NATURSTROM AG eine Kooperation
vereinbart. BMW i Kunden werden
die Möglichkeit erhalten, zu ihrem
Fahrzeug auch eines der nachhaltigsten
Produkte auf dem deutschen Strommarkt
zu erwerben: NATURSTROM bietet 100
Prozent erneuerbare Energien mit einem
sehr hohen Windstromanteil, der zum
Großteil in Deutschland erzeugt wird.
Auch das unterstreicht: Die BMW Group
versteht Nachhaltigkeit als ganzheitliche
Herausforderung – und arbeitet an
Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette.
globalcompact Deutschland 2012
105
CEWE
Klare Haltung: Compliance
bei CEWE
Der Foto- und Onlinedruck-Service CEWE ist mit 13 hoch technisierten Produktionsstandorten
und ca. 3.100 Mitarbeitern in 24 europäischen Ländern als Technologie- und Marktführer präsent.
Seit über 50 Jahren ist CEWE Teil der Wirtschaft und genauso lange wird sorgsam abgewogen,
was mit welchen Mitteln zu wessen Wohl geschieht und welche Auswirkungen dies auf
morgen hat.
Von Oliver Thomsen
CEWE übernimmt Verantwortung gegenüber
den Mitarbeitern, der Umwelt,
den Menschen, die an der Herstellung
von CEWE-Produkten beteiligt sind, den
Kunden, den Lieferanten und den Aktionären.
Aus dem Selbstverständnis der
CEWE Gruppe heraus wurde gemeinsam
mit den Mitarbeitern ein Verhaltenskodex
entwickelt. Zusammenfassend hat
er die Einhaltung folgender Grundsätze
zum Ziel:
• Integrität und rechtmäßiges Verhalten
bestimmen das Handeln
• Geschäftsbeziehungen sind stets sachbezogen
und frei von unlauteren Methoden
• Mitarbeiter von CEWE nehmen keine
Geschenke oder andere Zuwendungen
von Geschäftspartnern entgegen
• Geschäftsinformationen oder Betriebsgeheimnisse
sind vertraulich
• Missbrauch der eigenen Position zum
persönlichen Vorteil gegenüber Dritter
wird nicht geduldet
Integrität, Ehrlichkeit und Verantwortung
bestimmen das tägliche Handeln
der rund 3.100 Mitarbeiter. Vorstand und
Aufsichtsrat haben sich den Grundsätzen
einer guten und verantwortungsvollen
Unternehmensführung und -überwachung,
die sich am Deutschen Corporate
Governance Codex der Regierungskommission
orientieren, verpflichtet.
Seit 2008 ist Vorstandsmitglied Andreas
F. L. Heydemann Corporate-Governance-
Beauftragter. Darüber hinaus ist er für
die Pflege und Weiterentwicklung der
106 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
Compliance-Struktur zuständig und sorgt
für deren Verbindlichkeit und Umsetzung
an allen Standorten.
Einberufung eines externen
Ombudsmanns
Illegale Praktiken sind mit den Grundwerten
und Geschäftsgrundsätzen von
CEWE nicht vereinbar. In diesem Zusammenhang
wurde ein externer Ombudsmann
berufen, an den sich Mitarbeiter,
aber auch Geschäftspartner und Dritte
wenden können, wenn sie vertraulich
und auf Wunsch anonym Hinweise auf
Verdachtsfälle von Korruption, Betrug,
Untreue oder andere schwere Unregelmäßigkeiten
geben wollen. Seit Einberufung
des Ombudsmanns hat es zwei
Verdachtsfälle gegeben. Die daraufhin
erfolgten Prüfungen hat keinen Gesetzesoder
Richtlinienverstoß ergeben. Die
beiden Sachverhalte werden proaktiv
zur Mitarbeiterschulung genutzt.
Prüfung von Lieferanten
Ende 2009 ist CEWE dem Code of Conduct
des Bundesverbands Materialwirtschaft,
Einkauf und Logistik e. V. (BME)
beigetreten. Dort, wo es möglich ist,
arbeitet CEWE mit lokalen Lieferanten
zusammen. Für die Produktion und das
benötigte Material bedeutet dies, dass
derzeit zu 55 Prozent in Deutschland, zu
44 Prozent im europäischen Wirtschaftsraum
und nur zu einem Prozent im
außereuropäischen Ausland eingekauft
wird. Bereits 2010 wurden sämtliche
relevante Lieferanten über die Compliance
Richtlinien, die sich CEWE auferlegt
hat, schriftlich informiert. Diese
beinhalten sowohl die CEWE-eigenen
Verhaltensrichtlinien als auch den BME
Code of Conduct. Sie tragen Sorge dafür,
dass die gesetzlichen Bestimmungen
eingehalten werden. Im Vordergrund
stehen die Verhinderung von Korruption
und kartellrechtswidrigen Absprachen
sowie die Bekämpfung von Kinder- und
Zwangsarbeit.
CEWE fordert von seinen Lieferanten
die Einhaltung ethischer Grundsätze,
der Menschenrechte und des Umweltund
Gesundheitsschutzes ein. Sämtliche
Lieferanten erkennen die Richtlinien
an und stellen ihre Umsetzung sicher.
Darüber hinaus ist Compliance im Jahr
2011 sowohl in die allgemeinen als auch
in die Einkaufsrichtlinien für Maschinen
und Anlagen aufgenommen worden
und bildet somit die Basis für alle Einkaufsprozesse.
Prüfung entlang der
Wertschöpfungskette
CEWE sorgt sich nicht nur um die eigenen
Mitarbeiter in den Ländern Europas,
in denen eigene Fotoprodukte vertrieben
werden, sondern darüber hinaus auch
um die Menschen sowie ihre Arbeitsverhältnisse
und Sicherheitsstandards in
den produzierenden Ländern. Besuche
vor Ort gehören ebenso zum Nachhaltigkeitsmanagement
wie die intensive
Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die
in Deutschland ansässig sind, aber im
Ausland produzieren lassen. Angeregt
durch das Engagement von CEWE auf
diesem Gebiet, wurden gemeinsam mit
Zulieferern Ansprüche an die Herstellung
von Produkten formuliert, die in
der Branche wegweisend sind. So werden
soziale Standards definiert, die aktiv zur
Verbesserung in einer weltweiten Wertschöpfungskette
beitragen. Gemeinsam
werden so die Arbeitsbedingungen von
Menschen nachhaltig verbessert.
Mehr Informationen zum Unternehmen auf
www.cewecolor.de
Bei CEWE ist die unternehmerische Verantwortung eng verzahnt mit gesellschaftlichem
Engagement. Seit 2010 ist CEWE Mitglied im Global Compact. Innerhalb des Paktes
wird ein Katalog an Grundwerten anerkannt, unterstützt und in die Praxis umgesetzt.
Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung sind
Themen, für die alle Mitarbeiter in den Betrieben von CEWE sensibilisiert sind.
Bild links: Andreas F. L. Heydemann, Vorstandsmitglied der CEWE COLOR Holding AG
und zuständig für den Bereich Nachhaltigkeit, im Dialog mit Felix Thalmann, Vorstandsmitglied
der Neumüller CEWE COLOR Stiftung und zuständig für den Bereich Ausland
und Expansion.
globalcompact Deutschland 2012
107
Coca-Cola Deutschland
Nachhaltigkeit
mit Lebensfreude
verbinden
Coca-Cola, die laut Interbrand auch 2012 wertvollste Marke
der Welt, ist seit über 80 Jahren in Deutschland aktiv.
Unsere Verbraucher erwarten zunehmend von den Herstellern
ihrer Lieblingsmarken, dass sie ökologisch, sozial und ökonomisch
verantwortlich handeln, um die Lebensgrundlagen der
Gesellschaft heute und in Zukunft zu sichern. 2011 wurde
Coca-Cola Deutschland von der Verbraucher Initiative e. V. als
„Nachhaltiger Hersteller“ in Silber ausgezeichnet.
Von Uwe Kleinert
Die Strategie von Coca-Cola Deutschland
ist dabei nicht auf einzelne nachhaltige
Produkte, sondern auf den gesamten
Herstellungs- und Vertriebsprozess für
alle Produkte ausgerichtet. Dazu wurden
Ziele in sieben Nachhaltigkeits-Feldern
definiert: Das Unternehmen bietet für
eine ausgewogene Ernährung über 70
Produkte in allen Segmenten alkoholfreier
Getränke – vom Erfrischungsgetränk
über Sportgetränke, Eistees, Säfte und
Saft-Schorlen bis hin zu mehreren Wässern.
Dabei gibt es zu allen Erfrischungsgetränken,
zu Eistees und Sportgetränken
jeweils eine zucker- und kalorienfreie
Alternative. Eine transparente Produktinformation
auf dem Etikett gewährleistet,
dass die Verbraucher sich umfassend
informieren können, um die für sie
richtige Kaufwahl zu treffen.
Gleichzeitig hat sich Coca-Cola zu Verantwortung
in Marketing und Verkauf verpflichtet
und lässt dies extern überprüfen:
Wir achten die Rolle der Eltern und
der Schule bei der Erziehung der Kinder
und richten deshalb keine Werbung an
Kinder unter 12 Jahren. Ferner achten wir
Schulen als werbefreie Zonen. Konkret
heißt das, keine Werbung in Medien zu
schalten, die zu mehr als 35 Prozent von
Kindern unter 12 Jahren rezipiert werden,
keine Getränke an Grundschulen zu
verkaufen, in weiterführenden Schulen
Produkte aus mindestens drei Getränkekategorien
anzubieten, darunter eine
kalorienfreie, und Verkaufsautomaten
markenneutral zu gestalten. Daneben
fördert Coca-Cola Deutschland einen
aktiven Lebensstil im Alltag mit „Mission
Olympic – Gesucht: Deutschlands aktivste
Stadt“, einer Initiative für städtisches,
bürgerschaftliches und privates Engagement
für mehr Bewegung.
Coca-Cola hat sich zum Ziel gesetzt, bis
2020 wasserneutral zu produzieren.
Dazu wird mit Hilfe des gemeinsam
mit dem WWF entwickelten Water-
Saver-Programms der Wasserverbrauch
im Produktionsprozess kontinuierlich
gesenkt. Gebrauchtes Prozesswasser wird
so gereinigt in den Wasserkreislauf zurückgegeben,
dass es den natürlichen
Lebensbedingungen von Fischen entspricht.
Schließlich soll bis 2020 das für
die Getränke selbst benötigte Wasser
durch Wasserrückgewinnungsprojekte
(z.B. Regengewinnung, Bau von Brunnen)
ersetzt werden. Bereits heute gibt es
weltweit fast 400 solcher Projekte.
Beim Klimaschutz setzt das Unternehmen
in der Lieferkette vor allem dort an, wo
die größten Einsparungen erreicht werden
können, z. B. der Einsatz von selbst entwickelten
Energiesparmodulen, die den
Energieverbrauch bei bisher rund 85.000
Kühlern um bis zu 30 Prozent senken.
Gemeinsam mit dem WWF wurde das
Energy-Saver-Programm entwickelt, mit
dem Energie in der Produktion gespart
wird, wobei der Strom für die Produktion
seit 2011 ausschließlich aus erneuerbaren
Energiequellen bezogen wird.
Bei Verpackungen wird durch neue Technologien
bei gleichbleibender Qualität
stetig Material eingespart. Coca-Cola hat
die PlantBottle entwickelt und auf den
Markt gebracht – die erste Kunststoff-
108 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
flasche, die zum Teil aus nachwachsenden
Rohstoffen besteht. Langfristiges
Ziel ist es, Kunststoffflaschen ab 2020
nur noch aus PlantBottle-Flaschen
herzustellen und so fossile Rohstoffe
einzusparen. Mit einem Mehrweganteil
von über 60 Prozent liegt Coca-Cola fast
dreimal höher als der Marktdurchschnitt
für alkoholfreie Getränke (22,4 Prozent).
Als Arbeitgeber fördert Coca-Cola vor
allem die Vielfalt der Mitarbeiter und
Frauen in Führungspositionen. Gesellschaftliches
Engagement der Firma und
der Mitarbeiter an den über 60 Standorten
in Deutschland gehört zum Grundverständnis
der Unternehmensverantwortung.
So führt das Unternehmen
jährlich einen Nachhaltigkeitsmonat
durch, bei dem über 500 Mitarbeiter an
40 bis 50 regionalen ökologischen oder
sozialen Projekten helfen.
Coca-Cola Deutschland hat 2012 den
zweiten Nachhaltigkeitsbericht – jetzt
auf dem höchsten Niveau A+ der Global
Reporting Initiative (GRI) – veröffentlicht
und auch die Entsprechungserklärung
zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex
abgegeben. Direkt am POS können
die wichtigsten Punkte mit der Barcoo-
App, die Zugriff auf unabhängige Informationen
zu Produkten über das
Smartphone liefert, abgerufen und der
komplette Bericht angefordert werden.
zu motivieren. Eine gemeinsam mit
der Verbraucher Initiative e. V. durchgeführte
Umfrage ergab zudem, dass
die Menschen schon heute Nachhaltigkeit
stärker mit Lebensfreude als mit
Verzicht verbinden. Damit passt Nachhaltigkeit
auch zu den Kernwerten vieler
Coca-Cola Marken.
Bereits in der Vergangenheit wurde die
Weihnachts-Truck-Tour genutzt, um
soziale Initiativen finanziell und kommunikativ
zu unterstützen (Nordoff-
Robbins-Stiftung, SOS-Kinderdörfer, Ein
Herz für Kinder). Heute stellt Mission
Olympic die Freude an der Bewegung
in den Mittelpunkt; und Coca-Cola nutzt
die Bekanntheit der eigenen Marken verstärkt,
um für gesellschaftlich relevante
Themen zu werben. Mit Coca-Cola light
will das Unternehmen das Bewusstsein
für die Herzgesundheit bei Frauen erhöhen.
Dazu startete im Dezember 2011 die
Initiative „Hör auf dein Herz“ mit der
Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische
Medizin e. V. als Partner. 2012
folgte dann die Fanta Spielplatzinitiative
für sicheres und freies Spielen gemeinsam
mit dem Deutschen Kinderhilfswerk
und dem TÜV Rheinland. Zukünftig
will das Unternehmen solche Aspekte
zunehmend auch in die Kommunikation
weiterer Marken einbauen, die für ein
positives Lebensgefühl stehen.
Der Bericht legte die Basis für eine aktivere
Kommunikation der Nachhaltigkeitsaktivitäten
an Fachleute und Verbraucher.
Verstärkt werden Nachhaltigkeitsbotschaften
auch in die Markenkommunikation
einbezogen. Denn der
Dialog mit den Stakeholdern ergab, dass
die Anspruchsgruppen von Coca-Cola
erwarten, dass das Unternehmen die
Kraft seiner Marken auch nutzt, um auf
gesellschaftliche Herausforderungen
aufmerksam zu machen, zu ihrer Lösung
beizutragen und so die Verbraucher
zu einer nachhaltigeren Lebensweise
Coca-Cola Deutschland
Coca-Cola ist seit 1929 in Deutschland vertreten. Heute arbeiten über 10.000
Mitarbeiter an über 60 Standorten in Deutschland, davon 24 mit Produktion.
Coca-Cola bietet mehr als 70 Produkte in allen Segmenten alkoholfreier
Getränke. Eine „Social Economic Impact“-Studie der Beratungsgesellschaft
Steward Redqueen ergab, dass durch die gesamte Wertschöpfungskette
von Coca-Cola in Deutschland direkt und indirekt eine wirtschaftliche
Gesamtleistung von 6,1 Milliarden Euro erbracht wird, 2,9 Milliarden Euro
Steuern gezahlt und 119.000 Arbeitsplätze gesichert werden.
globalcompact Deutschland 2012
109
Daimler
Integrität im Dialog:
Gemeinsam für eine integre
Unternehmenskultur
Die Daimler AG war eines der ersten Mitglieder des Global Compact und gehört seit 2011 zu
seiner LEAD-Gruppe. Die Grundwerte von Daimler stehen im Einklang mit seinen Prinzipien,
seine Leitlinien sind Maßstab für unser Handeln. Die Richtlinien des Unternehmens, allen voran
die Verhaltensrichtlinie „Richtlinie für integres Verhalten“, richten sich nach ihm aus. Aber nicht
nur formal findet der Global Compact Eingang in die Geschäftstätigkeit. Es ist dem Unternehmen
ein zentrales Anliegen, dass seine Grundsätze von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
mitgetragen und im beruflichen Alltag gelebt werden. Daher hat das Unternehmen auf der
Grundlage dieser Prinzipien Ende 2011 mit der Initiative „Integrität im Dialog“ einen Austausch
über die Bedeutung von Integrität bei Daimler mit seinen Beschäftigten begonnen.
Von Pia Simon
Als Unternehmen haben wir uns den
Grundsätzen des Global Compact verpflichtet.
Die Achtung und Wahrung
von Menschen- und Arbeitnehmerrechten,
den Schutz der Umwelt und den
Kampf gegen Korruption fordern und
fördern wir. Wie aber bringt man diese
Themen 270.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern konzernweit nahe? Dieser
Aufgabe begegnete der Vorstand mit einer
groß angelegten Initiative. Unter Federführung
von Dr. Christine Hohmann-
Dennhardt, im Vorstand für Integrität
und Recht verantwortlich, startete im
November 2011 die Initiative „Integrität
im Dialog“. Ziel der Integritäts-Dialoge
war es, über Länder-, Bereichs- und Hierarchiegrenzen
hinweg ein gemeinsames
Verständnis darüber zu erzielen, was
Integrität für die Beschäftigten konkret
im Alltag bedeutet.
Weltweiter Austausch
In allen Unternehmensbereichen sowie
in allen Märkten fanden Dialogveranstaltungen
statt. Die Beschäftigten diskutierten
mit Mitgliedern des Vorstands,
Führungskräften und externen Experten
über die Bedeutung von Integrität im
Alltag und den Umgang mit schwierigen
Dilemmasituationen. Der Abgleich der eigenen
Einstellung, des „inneren Kompass“
mit dem der Kollegen und Führungskräfte
sowie dem Wertesystem des Unternehmens
stärkte das gemeinsame Verständnis.
Neben den Veranstaltungen bieten
interaktive Angebote im Intranet, so zum
Beispiel ein Integritätsblog, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern die Möglichkeit,
diese Diskussion fortzusetzen
und weitere Meinungen einzubringen.
Unter dem Motto „Integrität bewegt –
Vorfahrt für Respekt, Offenheit und Fairness“
brachte ein eigens gestalteter Integrity
Truck den unternehmensweiten
Dialog an 18 Standorte der Daimler AG
in Deutschland. Sein Angebot richtete
sich insbesondere an die Beschäftigten
in der Produktion.
Positive Rückmeldungen
Der gesamte Integritätsdialog ist sehr
positiv aufgenommen worden und die
Möglichkeit, seine Meinung einzubringen,
hat großen Zuspruch erfahren. Die
Ergebnisse aus ausgewählten Dialogveranstaltungen
sind in einem aufwändigen
Prozess gesammelt und ausgewertet worden.
Das Feedback aus den Dialogveran-
Integrity Truck Tour durch die Werke
110 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
staltungen zeigt deutlich und in großer
Übereinstimmung, dass Integrität einen
sehr hohen Stellenwert bei den Beschäftigten
besitzt. Im Umgang miteinander
und der Unternehmenskultur, aber auch
für das Ansehen als Premium-Automobilhersteller
spielt sie eine tragende Rolle.
Integrität im Arbeitsalltag zeigt sich aus
Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in selbstverantwortlichem Handeln
und Verantwortungsübernahme, gegenseitigem
Respekt, Transparenz und Offenheit.
Voraussetzung für Integrität ist
eine Unternehmenskultur, die von einer
vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre
sowie wechselseitiger Wertschätzung
geprägt ist.
Die Rückmeldungen der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sind inzwischen in
unsere überarbeitete Verhaltensrichtlinie
eingeflossen. In dieser Konzernbetriebsvereinbarung
sind die bei Daimler
geltenden grundlegenden Verhaltensgrundsätze
und Leitlinien für das tägliche
Handeln festgeschrieben. Damit wurde
eine gemeinsam getragene, klare und
verbindliche Grundlage für Integrität
im Unternehmen geschaffen.
Eigenverantwortliches Handeln
Nicht nur die Verhaltensrichtlinie ist
überarbeitet worden: Das gesamte interne
Regelwerk ist bei Daimler einer
Prüfung unterzogen worden. Wie stark
ist der Arbeitsalltag durch Regularien bestimmt?
Besteht genügend Freiraum, um
eigenverantwortliche Entscheidungen
zu treffen? Welche Richtlinien können
gestrafft, welche aufgehoben werden?
Regeln sind unverzichtbar. Auch für
das Miteinander im Unternehmen. Sie
sorgen für Orientierung im komplexen
Geschäftsalltag und geben wie Leitplanken
Sicherheit für das Handeln im
Berufsalltag. Zu viele Regeln können
jedoch verunsichern und als Hemmnis
für eigenverantwortliches Handeln
empfunden werden. Deshalb haben wir
unsere Regelwerke verschlankt. Rund
1.800 interne Regeln wurden auf rund
700 reduziert. Damit sind Redundanzen
beseitigt und mehr Überschaubarkeit
geschaffen worden. So können Regeln
ihren Zweck erfüllen! Sie bieten Handlungssicherheit
und stärken Eigenverantwortlichkeit.
Externe Partner
Das Thema Integrität berührt und betrifft
aber Daimler nicht allein. Im September
2012 hat das Unternehmen deshalb mit
namhaften Persönlichkeiten aus Wissenschaft,
Wirtschaft, Politik, Journalistik
und Nicht-Regierungsorganisationen
einen Beirat für Integrität und Unternehmensverantwortung
gegründet. Die
Mitglieder des Beirats verfügen aufgrund
ihres persönlichen Hintergrunds über
fundierte Erfahrung zu Fragen ethischen
Verhaltens und werden den Integritätsprozess
bei Daimler aus externer
Sicht kritisch und konstruktiv begleiten.
Auch seine Geschäftspartner informiert
Daimler über seine wertorientierten
Grundsätze des Handelns. 2012 ist unsere
Broschüre „Anständige Geschäfte –
Unsere gemeinsame Verantwortung“ erschienen,
die anhand der Prinzipien des
Global Compact aufzeigt, welche Erwartungen
das Unternehmen hinsichtlich
ethischen Verhaltens im Geschäftsverkehr
hat. Weltweit haben seither mehr
als 63.000 externe Partner – z. B. alle
Lieferanten, Joint Venture Partner, Händler,
Marketing- und Sponsoring-Partner –
wdie Broschüre erhalten. Zusätzlich
bietet Daimler Schulungen für seine
Geschäftspartner an, in denen Integrität
und Regeleinhaltung ausführlich
behandelt werden.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Die vielfältigen Aktivitäten bei Daimler
zeigen: Integrität nachhaltig in der Unternehmenskultur
zu verankern, erfordert
kontinuierliche und konsequente
Maßnahmen und den stetigen Dialog mit
allen Stakeholdern. Das große Interesse
sowie die positiven Rückmeldungen bestärken
uns darin, diesen Prozess weiterzuführen.
Nur wenn sich alle fortlaufend
an seiner Weiterentwicklung beteiligen
und aus eigener Überzeugung aktiv
teilnehmen, wird es gelingen, integres
Verhalten unter Berücksichtigung der
Prinzipien des Global Compact nachhaltig
in die Realität wirtschaftlichen
Geschehens zu verankern.
globalcompact Deutschland 2012
111
Ernst & Young
Energieeffizienz:
Wesentlicher Faktor für
Wettbewerbsfähigkeit
Von Dipl.-Ing. Andreas von Saldern
Für das produzierende Unternehmen in Zentraleuropa war die bisher erzielte Energieeffizienz
ein wichtiger Schutz vor den günstigen Personalkosten in den sogenannten BRIC-Staaten
(Brasilien, Russland, Indien und China). Je höher die Energiekosten stiegen, desto stärker
halfen energieeffiziente Anlagen, die niedrigeren Personalkosten zu kompensieren. Diese
Position droht nun verloren zu gehen. Aufgrund des starken Wirtschaftswachstums in diesen
Ländern wurde viel Kapital in Neuanlagen (und damit in der Regel in effizientere Anlagen)
investiert. Als Konsequenz verfügen die dortigen Markteilnehmer zunehmend über die effizienteren
Anlagen und niedrigere Personalkosten. Für zentraleuropäische Unternehmen stellt sich
deshalb die Herausforderung, dass sie ihre Energieeffizienz überproportional steigern müssen,
um wettbewerbsfähig zu bleiben.
So sehen einige Unternehmen eine jährliche
Effizienzsteigerung um fünf bis
sechs Prozent als Voraussetzung an, um
langfristig im Wettbewerb bestehen zu
können. Das ist deutlich mehr, als z. B.
in der europäischen Energieeffizienzrichtlinie
gefordert wird.
Wie erhalten Unternehmen in zehn bis
20 Jahren kostengünstige Energie? Der
weltweite Energiebedarf steigt, einige
Länder steigen aus der nuklearen Energiegewinnung
aus und die Versorgungsstrukturen
verschieben sich dramatisch.
Damit sind Preissteigerungen und Versorgungsengpässe
realistische Szenarien
geworden. Die Unternehmen, die
sich strategisch mit Fragen auseinander
gesetzt haben, wie sie langfristig die
kostengünstige Versorgung mit Energie
sicherstellen, erreichten nicht nur,
dass sie ihre Vulnerabilität reduzierten.
Oftmals identifizierten sie dabei auch
für sich neue wachsende Geschäftsfelder.
Carbon Disclosure Project erzeugt
Energie-Transparenz
Ursprünglich war das Carbon Disclosure
Project (CDP) von einem Zusammenschluss
internationaler Investoren
gegründet worden, um in leicht
zugänglicher Form Auskunft über die
Carbon-Exposure von börsennotierten
Unternehmen zu erhalten. Da CO 2
-
Emissionen meist in der Regel eng mit
dem Energieverbrauch verknüpft sind,
hat sich das CDP auch als Informationsplattform
für die Energie-Performance
von Unternehmen herausgebildet.
Zertifizierte Energie-Management-
Systeme werden zunehmend
gefordert
Unternehmen müssen sich in einigen
Ländern der Herausforderung stellen,
dass die Energiekosten im internationalen
Vergleich überproportional hoch sind.
Teilweise werden die Energiekosten zu
mehr als 40 Prozent durch Steuern und
Abgaben bestimmt. Die Optimierung
dieser Abgaben ist deshalb von vitaler
Bedeutung. Deutschland z. B. gewährt
deshalb massive Erleichterungen wie
steuerlichen Spitzenausgleich oder Befreiung
von der Erneuerbare-Energie-
Umlage. Diese Erleichterungen werden
Andreas von Saldern ist Executive Director
von Ernst & Young Climate Change and
Sustainability Services, Deutschland.
112 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
zunehmend an die Existenz von zertifizierten
Energie-Management-Systemen
(EnMS) z. B. gemäß ISO 50001 geknüpft
(vgl. Grafik), die nun aufzubauen oder
anzupassen sind.
Holistischer Ansatz identifiziert
Potenziale
Energiemanagementsysteme sollten sich
nicht nur auf die „Verwaltung“ und Minimierung
des bestehenden Energieverbrauches
konzentrieren. Vielmehr
sollten in einem holistischen Ansatz,
der über die formalen Anforderungen
der Normen hinausgeht, strategische
Aspekte ebenso berücksichtigt werden
wie die Integration in die Produkt- und
Prozessentwicklung bis hin zur Ausnutzung
von steuerlichen Erleichterungen
und Subventionsmöglichkeiten.
Kontinuierliche
Verbesserung
Act
Management-
Review
Interne Auditierung
des EnMS
Energiepolitik
Energieplanung
Einführung und
Umsetzung
Kontrolle
Check
Plan
Do
Ernst & Young
bietet Organisationen
Unterstützung bei der
Implementierung von
Energiemanagementsystemen
oder Zertifizierungen
nach ISO 50001
oder EMAS an.
Überwachung,
Messung und Analyse
Nichtkonformitäten, Korrektur
und Vorbeugungsmaßnahmen
Sind neue Investitionen geplant, sollten
die Energieeinsparungsmaßnahmen
besonders berücksichtigt werden. In
diesem Stadium lassen sie sich deutlich
kostengünstiger realisieren, als wenn sie
nachträglich eingebaut werden. Auch
sollten die langfristigen Anforderungen
zu Energiereduzierungen in die
Planungsprozesse integriert werden.
Wesentlicher Bestandteil eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 ist der
als PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) bekannte kontinuierliche Verbesserungsprozess
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an DIN EN ISO 50001:2011).
So fordert z. B. die EU in einigen Bereichen
eine Reduktion des gesamten
Energieverbrauchs um 20 Prozent –
absolut! Einigermaßen normales Wirtschaftswachstum
vorausgesetzt würde
dies eine Reduktion um 50 bis 70 Prozent
pro Produkt bedeuten. Eine solche Reduzierung
lässt sich in der Regel nicht
mehr durch kontinuierliche Verbesserung
erreichen, sondern erfordert ein
„redesign“ oder „rethink“ von Produkten
und Prozessen. Das kann wiederum neue
Marktchancen eröffnen.
Supply Chain bietet Potenzial
In machen Branchen sind die vorgelagerten
Fertigungsschritte diejenigen, die
einen Großteil des Energieverbrauchs
verursachen. Hier hilft nicht die eigene
Optimierung. Die Energieeffizienz der
Zulieferer zu betrachten kann helfen,
erhebliche Kostenpotentiale zu heben.
Je weniger Energie die Zulieferer verbrauchen,
desto kostengünstiger können
sie anbieten. Die Realisierungsansätze
können dabei von einfachen Schulungen
über gemeinsame Energieanlagen bis
zum Erwerb der Lieferanten reichen.
Dies kann auch dazu beitragen, die Versorgungssicherheit
zu erhöhen.
Renditeanforderungen in produzierenden
Unternehmen in der Regel deutlich
kürzer. Es ist aber ein Kennzeichen von
Infrastrukturmaßnahmen, dass sie sich
oft erst langfristig rechnen. Investiert
ein Unternehmen nur in kurzfristige
Maßnahmen, dann werden auf Dauer
die Standorte unattraktiv und verlieren
im internationalen Wettbewerb.
Eine Möglichkeit, dieses Dilemma zu
lösen, ist, die Aufgaben der Energieversorgung
in Standortbetriebsgesellschaften
auszugliedern, die sich dann
auf die langfristige Standortsicherung
konzentrieren. Eine andere ist, bei Investitionsentscheidungen
zu Energieeinsparung
nicht den heutigen Energiepreis
zugrundezulegen, sondern einen strategisch
erwartet höheren Wert. Analoges
gilt für CO 2
-Einsparungen in Emissionshandelssystemen.
Herausforderung: Renditeanforderung
an Energieeinsparungen
Während Energieversorger gewohnt sind,
in Amortisationszeiträumen zu denken,
die Jahrzehnte überstreichen, sind die
Fazit
Energiekosten sind ein signifikanter
Kostenblock. Nur durch einen holistischen
Ansatz lassen sich die Potenziale
in diesem Bereich optimal nutzen.
globalcompact Deutschland 2012
113
KRONES
Nachhaltigkeit im
Getränkemaschinenbau
enviro heißt das Programm, das bei Krones den schonenden Umgang mit Ressourcen behandelt.
Bis 2015 sollen alle Neumaschinen gemäß den Vorgaben dieses standardisierten und zertifizierten
Managementsystems bewertet werden. Krones bietet weltweit Abfüll- und Verpackungsmaschinen
für die Getränkeindustrie an sowie ein breites Spektrum an Verfahren zur Herstellung
und Aufbereitung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln.
Von Kristina Ebenbeck
Mit der Selbstverpflichtung, energieund
medieneffiziente Maschinen und
Systeme zu produzieren sowie die Umweltverträglichkeit
der Maschinen fortzuentwickeln,
begleitet Krones seine
Kunden. Die weltweit vertretenen großen
Getränkehersteller ebenso wie mittelständische
und regional aufgestellte
Abfüller werden so auf ihrem Weg hin
zu einem nachhaltigen Umgang mit
Ressourcen unterstützt.
Dieser Fokus innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie
von Krones integriert
zunächst Verfahrensweisen in der Forschung
und Entwicklung, sodass Energieund
Medieneffizienz im täglichen Maschinenbetrieb
realisiert werden können.
Am Anfang der Entwicklungsarbeit steht
die Betrachtung des gesamten Produktions-
und Abfüllprozesses von Getränken
und die Analyse der Verbrauchsdaten
der eingesetzten Maschinen. In
Detailprojekten zu einzelnen Maschinen
erarbeiten die Ingenieure Lösungen, um
die Verbräuche und den Medieneinsatz
sowie die erforderlichen Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffe zu minimieren. Am Ende
der Entwicklungsarbeit stehen Anlagen,
mit denen die Abnehmer nachweislich
Energie und andere Medien wie Wasser
und Druckluft einsparen.
Der italienische Mineralbrunnen Tione
hat diesen Ansatz zur Ressourcenschonung
aufgegriffen und eines der ersten
Systeme zur Abfüllung und Verpackung
gemäß den enviro Vorgaben installiert.
„Diese nachhaltig wirkende Technologie
hat uns sehr gefallen“, bestätigt Betriebsleiter
Fabio Fioravanti. „Wir erwarten uns
von enviro einen um rund 30 Prozent
niedrigeren Energieverbrauch im Vergleich
zur bestehenden Anlage. Außerdem
wollen wir die Möglichkeit nutzen,
die Preformgewichte der PET-Behälter zu
senken, beispielsweise bei der 1,5-Liter-
Flasche für karbonisierte Getränke von
32 Gramm auf 28 Gramm. Insgesamt
gehen wir, auch bedingt durch enviro,
von einer Linieneffizienz von über 95
Prozent aus.“ Der Mineralwasserabfüller
aus Orvieto in der Region Umbrien
nutzt einen ErgoBloc L, eine komplette
Maschinenkombination von Krones mit
Streckblasmaschine zur Herstellung von
PET-Flaschen, Etikettiermaschine und
Füllmaschine. Durch die Etikettierung
der Flaschen vor dem Füllen konnte ein
sehr kompaktes Anlagenkonzept verfolgt
werden, durch das lange und damit auch
energieintensive Transportstrecken der
Flaschen zwischen den einzelnen Aggregaten
der Linie entfallen können.
Das Programm enviro in der
Maschinenentwicklung
In mehreren Projektteams werden die
einzelnen Schritte des enviro Prozesses
für die Neukonstruktion von Maschinen
durchlaufen. In der Analyse der
Ist-Situation mit der Frage „Wie steht
die Maschine gegenwärtig im Hinblick
auf Nachhaltigkeitsfragen da?“ werden
folgende Größen geprüft:
- Energieeffizienz mit Verbrauch an
elektrischer Energie, Druckluft, Wärme
bzw. Kälte,
- Medieneffizienz mit dem Bedarf an
Betriebsgasen und Wasser,
- Umweltverträglichkeit mit der Prüfung
der Zusammensetzung der Hilfs- und
Betriebsstoffe und deren Mengenbedarf,
Abfallaufkommen und Emissionen.
114 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
Anschließend werden die Anforderungen
definiert, welche Leistung die Maschine
erbringen soll und in welchem Maß
dies mit der Einsparung von Ressourcen
verknüpft werden kann. Dabei ist eine
klare Rentabilitätsvorgabe einzuhalten
in Bezug auf die Total Cost of Ownership
und den Return on Investment. Diese
Vorgaben kommen im Produktentwicklungsprozess
zum Tragen, sodass bei
der Komponentenbeschaffung und bei
deren Auslegung schon von Anfang an
die Ressourceneffizienz gesetzt ist. Ein
Beispiel aus dem ErgoBloc L : Die innovative
Antriebssteuerung mithilfe von
Servotechnik ermöglicht es, die Einzelmaschinen
bei Anlagenstörungen auszukuppeln
und die Störung zu beseitigen,
während die anderen Maschinenteile
ungehindert leerfahren können. Gerade
die Stopps im Sekundenbereich und das
damit verbundene Wiederanfahren der
Maschinen waren bisher oft mit hohem
Energieeinsatz verbunden.
Extern zertifizierte Abläufe
Nur mit einem nachvollziehbaren Verfahren
kann dieses selbst gesteckte Ziel
von Nachhaltigkeit für die Krones Maschinen
erreicht werden. Daher wurde
schon bei der Einführung des enviro
Programms eine Zertifizierung durch
TÜV SÜD Industrial Services vorgesehen,
durch die alle internen Bewertungsabläufe
einem extern kontrollierten Verfahren
unterzogen werden. Um die Energie- und
Medieneffizienz bewerten zu können,
kommt eine Bewertungsmatrix zum Einsatz,
die durch den TÜV SÜD Industrial
Services geprüft wird. Dabei können
Maschinen beispielsweise enviro Punkte
sammeln, wenn Abwärme für weitere
Prozesse genutzt wird, Motoren und
Pumpen mit hohem Wirkungsgrad und
schadstoffarme Stoffe eingesetzt werden.
Anschließend entscheidet der von
Krones benannte enviro Beauftragte, ob
die Maschine oder das System die enviro
Kriterien ausreichend erfüllt. Dann kann
das enviro Siegel sowie der enviro Pass
vergeben werden, der die technischen
Daten für das System und die Bedarfsprognose
für Energie dokumentiert.
Nur der Praxisbetrieb zählt
Entscheidend ist, ob die Anlage im täglichen
Betrieb tatsächlich das leistet, was
im Produktentwicklungsprozess prognostiziert
wurde. Daher wurde auch das
Messverfahren, das für die Prüfung der
Verbrauchsdaten verwendet wird, durch
eine externe Prüfung zertifiziert. In der
Anlage bei Tione wurden mit TÜV SÜD
Industrial Services alle prognostizierten
enviro Verbrauchswerte und deren
Messung nachvollzogen. Dazu wurden
eine vordefinierte Messprozedur verfolgt
und hochgenaue Messgeräte an definierten
Messpunkten eingesetzt. Unter
festgeschriebenen Betriebsbedingungen
wurden der Produktstrom, die Energiezufuhr
sowie die Verbrauchsdaten für
Druckluft und Kälte bzw. Wärme nachvollzogen.
Zusätzlich wird der Nachweis
der verwendeten Schmierstoffe, Reinigungsmittel
und Desinfektionsmittel auf
deren Umweltverträglichkeit geführt.
Vorreiterrolle im Getränkemaschinenbau
Mit dem klaren Ziel, sich im Maschinenbau
mit nachhaltigen Systemen für
die Zukunft auszurichten, übernimmt
Krones eine Vorreiterrolle im Getränkemaschinenbau.
Die Aufgaben hierzu umfassen
nicht nur gesellschaftspolitische
Themen, sondern auch das intensive
Optimieren von allen Anlagen rund
um die Herstellung und Abfüllung von
Getränken.
globalcompact Deutschland 2012
115
MAN
MAN verbessert
CR-Performance signifikant
Das Wort Rating fällt in diesen Tagen meist im Kontext schlechter Nachrichten. Nicht so bei
MAN: Das Unternehmen erhielt in diesem Jahr ausgesprochen positive Bewertungen für seine
Nachhaltigkeitsperformance durch die Rating-Agenturen Sustainable Asset Management
(SAM) und oekom research AG. SAM nahm MAN nach fünf Jahren wieder in die Dow Jones
Sustainability Indizes (DJSI) auf.
Von Yvonne Benkert
Corporate Responsibility (CR) ist eine mit
Kennzahlen präzis messbare Größe und
die entsprechende Performance eines
Unternehmens ein wichtiges Kriterium
für Investoren, Anleger und Kunden.
Dieser allgemeine Befund trifft für MAN
in besonderer Weise zu. Jochen Schumm,
Personalvorstand von MAN und zuständig
für CR, bekennt sich deshalb ganz
klar zur Verantwortung seines Unternehmens:
„Wir haben die Pflicht, unseren
Stakeholdern transparent darzulegen,
wie wir mit Megatrends wie Klimawandel,
Urbanisierung und demografischer
Entwicklung umgehen. Das ist uns mit
unserer CR- und Klimastrategie und deren
Implementierung gelungen.“
Mit erfolgreichen CR-Maßnahmen
zurück in den Index
Dass MAN ab 2007 nicht mehr im DJSI
geführt wurde, zeigte dem Unternehmen
sehr klar: Nachhaltigkeit ist am
Kapitalmarkt ein zunehmend wichtiges
Thema und ein entscheidender Investmentfaktor.
Die Ratingagenturen und
der Druck des Kapitalmarkts waren also
für MAN maßgebliche Treiber dafür, sich
dem Thema CR zuzuwenden. 2009 der
erste Schritt: MAN schuf die Position des
CR-Managers. Ein Jahr später folgte die
Verabschiedung einer CR-Strategie, 2011
dann ein weiterer Meilenstein mit der
Konzeption der Klimastrategie und ihrer
Umsetzung im Unternehmen.
MAN nutzte die Ranking-Ergebnisse, um
seine neue CR-Strategie zu validieren.
Die Folge: SAM nahm das Unternehmen
wieder in seine Indizes DJSI World und
Europe auf. Dort ist es das einzige deutsche
Unternehmen im Sektor Maschinenbau.
Verpasste MAN im vergangenen
Jahr die Aufnahme um nur einen Punkt
denkbar knapp, so kam der Konzern in
diesem Jahr auf 78 von 100 Punkten und
verbesserte damit seine Nachhaltigkeitsperformance
um 14 Punkte gegenüber
2011. Verglichen mit dem Wert von 2010
ist der nun erreichte Stand sogar eine
Steigerung um 66 Prozent.
Bereits im Juli dieses Jahres zeigte sich
die verbesserte CR-Performance von
MAN im Rating der oekom research AG,
die regelmäßig rund 3.000 Unternehmen
aller wichtigen Indizes bewertet.
Nach einem ersten Screening auf trans-
Die fünf Kerninitiativen zur Umsetzung der MAN-
Klimastrategie
1. Minus 25 % CO 2
-Ausstoß bis 2020 an den MAN-Standorten (Basisjahr:
2008): Reduktion der CO 2
-Emissionen durch Steigerung der Energieeffizienz,
Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Energieerzeugung mittels Kraft-
Wärme-Kopplung sowie umfassendes Energiemanagement.
2. Konsequent effizientes Produktportfolio: Positionierung in den Geschäftsfeldern
Commercial Vehicles und Power Engineering mit nachhaltigen Produkten
und Lösungen.
3. Kundenbeteiligung und -dialog: Austausch mit Kunden über Möglichkeiten
zur Reduktion des globalen CO 2
-Fußabdrucks.
4. CO 2
-Einsparpotentiale entlang des Produktlebenszykluses: Ermittlung
des CO 2
-Austoßes entlang des gesamten Produktlebenszykluses, um konkrete
Einsparpotenziale zu identifizieren.
5. Steuerung der Klimastrategie: Kernzahlen, die regelmäßig erhoben und
berichtet werden, dienen zur Überwachung und Steuerung der Umsetzung
der Klimastrategie.
116 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
Stromlinienförmige Einheit: Der MAN Concept S und der Krone-Trailer AeroLiner.
parente soziale und umweltbezogene
Leistungen wird rund ein Drittel davon
einem Corporate Rating anhand von
durchschnittlich 100 entsprechenden
Kriterien unterzogen. Die Rating-Skala
bei oekom research reicht aufsteigend
von D- bis A+, wobei A+ die Bestbewertung
ist. Etwa die Hälfte der bewerteten
Unternehmen, gegenwärtig sind es 550,
bekommen zusätzlich den Prime-Status
verliehen. MAN hat diesen nicht erst
seit diesem Jahr. Neu ist allerdings die
Verbesserung von C+ auf B-. MAN hat es
damit geschafft, sich von einer durchschnittlichen
(C-Wertung) auf eine gute
Performance (B-Wertung) zu verbessern.
Die Analysten von oekom research hoben
positiv hervor, dass MAN im letzten Jahr
damit begonnen hat, den CO 2
-Ausstoß
entlang des Produktlebenszykluses zu
ermitteln. Diese Berechnungen geschehen
einerseits bezogen auf die reinen
Produktionsprozesse, das heißt von der
Gewinnung der Rohstoffe bis zur Auslieferung
des fertigen Produkts (cradleto-gate).
Andererseits kommt auch die
Nutzungsphase bis zum Recycling zusätzlich
in den Blick (cradle-to-cradle).
Denn für MAN ist klar: Die Effizienz der
Produkte ist nicht nur ein entscheidender
Faktor beim Klimaschutz, sondern auch
für den Wettbewerb. Hier spielt Total
Cost of Ownership (TCO) eine wichtige
Rolle. Denn weniger Treibstoffverbrauch
bedeutet nicht nur weniger CO 2
-Emissionen,
sondern auch geringere Kosten für
den Kunden. Das gilt einerseits für das
Geschäftsfeld Commercial Vehicles: Auf
der diesjährigen IAA stellte MAN einen
aerodynamisch optimierten Sattelzug
der Weltöffentlichkeit vor mit bis zu
25 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch
und CO 2
-Ausstoß. Bei der Lkw-Studie sind
der MAN Concept S und der Trailer passgenau
zu einer stromlinien förmigen Einheit
verbunden. Das Fahrzeug erreicht
dabei einen extrem niedrigen Luftwiderstandswert
auf Pkw-Niveau. Andererseits
spielen TCO-Faktoren auch im Bereich
Power Engineering eine wichtige Rolle:
2012 präsentierte MAN den weltweit
ersten Zweitakt-Großdieselschiffsmotor,
der schon jetzt die ab 2016 geltenden
Tier-III-Emissionsgrenzwerte der International
Maritime Organization erfüllt.
Er liegt damit um 60 Prozent unter den
gegenwärtig vorgeschriebenen Werten.
Potenziale zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsperformance
sieht oekom research
vor allem beim Thema Material- und
Rohstoffverbrauch. Entwicklungsspielraum
erkennen die Analysten zudem
im Blick auf Sozial-, Sicherheits- und
Umweltstandards in der Lieferkette. Diese
sind zwar im Code of Conduct für Lieferanten
und Vertragspartner festgehalten,
jedoch befindet sich ein entsprechendes
Instrument, um zu überprüfen, ob diese
vor Ort auch eingehalten werden, noch
im Anfangsstadium.
Wirkungsvolles Compliance-
Programm bei MAN
Mit der Wiederaufnahme in die DJSI erfolgte
im September 2012 eine weitere
Anerkennung für MAN und seine Performance
im Bereich CR. Die Indizes haben
einen Best-in-Class-Ansatz. Das heißt, sie
repräsentieren von den 2.500 größten
Unternehmen im Dow Jones Global Total
Stock Market Index die besten 10 Prozent
hinsichtlich wirtschaftlicher, sozialer
und umweltbezogener Kriterien. Neben
der erfolgreichen Implementierung der
Klimastrategie wurde das seit Anfang
2010 bestehende MAN-Compliance-Programm
von SAM positiv hervorgehoben.
Denn damit hat das Unternehmen ein
wichtiges Instrument geschaffen, um
Verstöße in den Bereichen Korruption,
Kartell und Datenschutz zu erkennen,
darauf zu reagieren und derartiges für
die Zukunft zu verhindern.
Entwicklungspotenziale sieht SAM vor
allem im Bereich der Ökoeffizienz in den
Herstellungsprozessen. Darüber hinaus
gibt es für SAM Potenziale im Ausbau
des Corporate-Citizenship-Engagements,
etwa über die Verabschiedung eines
aktionsübergreifenden Programms.
Was 2007 schon galt, gilt nach wie vor
auch 2012: „Rating-Ergebnisse sind für
MAN stets ein Motivator für weitere Verbesserungen.
Die Rückmeldungen von
oekom research und SAM zu den Nachhaltigkeitspotenzialen
sind ein wichtiger
Ansporn für uns und unser Ziel, Treiber
für zukunftsfähige Strukturen zu sein“, so
Jochen Schumm. Insgesamt leistet MAN
mit der Verbesserung seiner Nachhaltigkeitsperformance
einen signifikanten
Beitrag zu den Umweltschutzprinzipien
des Global Compact.
globalcompact Deutschland 2012
117
MEDIENGRUPPE MACONDO
Guidance und Guidelines
für nachhaltiges Gründen
Ist es möglich, Nachhaltigkeit bei Neugründungen und jungen Unternehmen messbar und damit
auch erklärbar zu machen? Um diese Frage zu beantworten, entwickelte die Mediengruppe
macondo gemeinsam mit drei Netzwerkpartnern und gefördert durch den Europäischen Sozialfonds
und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Initiative „Sustainable Business
Angels“. Diese berät junge Unternehmer und erarbeitet Guidelines, um die Implementierung von
CSR in die Unternehmens-DNA nachvollziehbar zu machen.
Von Dennis Lohmann
Gerade junge Unternehmen stehen in
den ersten Jahren ihrer Geschäftstätigkeit
besonders unter Druck. Hauptprobleme
sind der fehlende Zugang zu Finanzmitteln,
mangelnde unternehmerische
Erfahrung, ein fehlendes Netzwerk und
bürokratische Hürden. Die Folgen sind
eine relativ hohe Anzahl von Insolvenzen
in den ersten Geschäftsjahren. Der KfW
Gründungsmonitor 2011 berichtet, dass
15 Prozent der Firmen bereits nach einem
Jahr nicht mehr am Markt vertreten
sind – nach drei Jahren steigt die Zahl
der bereits wieder beendeten Gründungsprojekte
auf insgesamt ein Drittel.
An diesem Punkt setzt die Initiative
„Sustainable Business Angels“ an. Denn
Erfahrungen zeigen, dass eine professionelle
Beratung und Unterstützung
durch erfahrene Unternehmerinnen
und Unternehmer die Erfolgsaussichten
von Existenzgründungen deutlich
verbessern kann. Ziel der Initiative
ist daher eine qualifizierte Begleitung
junger Unternehmen, die Vermittlung
von wichtigen Geschäftskontakten und
die Überprüfung des Business Plans auf
ökonomische, ökologische und soziale
Nachhaltigkeit.
Bislang gibt es jedoch kaum verallgemeinerbare
Erfahrungen und Erkenntnisse
aus der Gründungsförderung
118 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
„nachhaltiger Unternehmen“. Hieraus
ergibt sich eine zweite wichtige Aufgabe
der Initiative: Neben der sogenannten
„Guidance“ durch erfahrene Unternehmerinnen
und Unternehmer sollen gemeinsam
mit externen Experten Leitlinien
(„Guidelines“) für einen langfristigen
Unternehmenserfolg und die frühzeitige
Implementierung von CSR in den Wirtschaftsprozess
entwickelt werden. Junge
Unternehmen sind daher aufgerufen,
sich für eine jeweils einjährige Betreuung
durch einen Sustainable Business Angel
zu bewerben. Mit Peter Kowalsky, dem
Gründer von Bionade und heute Teilhaber
der Rhoen Campus eG, und Jürgen
Schmidt, Gründer und Vorsitzender des
Aufsichtsrates der memo AG, beteiligen
sich zwei anerkannte Nachhaltigkeitsexperten
als Sustainable Business Angels
an der Initiative.
Guidance Guidelines
• Betreuung von Jungunternehmen
durch Sustainable Business Angels
• Regelmäßiger Abgleich mit Kernkriterien
• Präsentation des Projekts in der Öffentlichkeit
• Fernziel: Etablierung einer
Sustainable-Business-Angels-Kultur
• Entwicklung von Kernkriterien
zur Bewertung von Jungunternehmen
• Einbeziehung externer Stakeholder
• Fernziel: Präsentation eines Fragenkatalogs
zur Bewertung von Nachhaltigkeit bei
Firmengründungen
Sustainable Business Angels
In einem ersten Projektschritt wurden
zwei junge Unternehmen in einer bundesweiten
Ausschreibung ausgewählt:
die Düsseldorfer „Genusshandwerker“
und der Freiburger Dressingproduzent
„Emils“. Beide Firmen stehen stellvertretend
für eine Generation von Gründern,
die ihren Erfolg nicht mehr ausschließlich
über wirtschaftliche Zahlen
definieren, sondern ihre Verantwortung
gegenüber der Gesellschaft ernst nehmen.
Jürgen Schmidt und Peter Kowalsky
werden die beiden Unternehmen in den
kommenden zwölf Monaten begleiten
und ihr Wissen über den Auf bau einer
nachhaltigen Marke weitergeben.
Kann man Nachhaltigkeit messen?
Kern der Initiative ist darüber hinaus die
Entwicklung von Guidelines für junge
Unternehmen. Ihnen soll die Möglichkeit
gegeben werden, ihre Vorstellung
von einem verantwortungsbewussten
Wirtschaften mit wissenschaftlichen
Erkenntnissen abzugleichen. Gleichzeitig
können Lösungswege vorgestellt werden,
um wichtige Punkte von CSR schon in
den Anfangsjahren einer Unternehmung
aufzuzeigen.
Auftaktveranstaltung der „Sustainable
Business Angels Initiative“ in Frankfurt a. M.
v.l.n.r.: Dr. Elmer Lenzen, Dr. Frank Simon,
Jürgen Schmidt und Peter Kowalsky.
Bei der Entwicklung der Guidelines stellt
sich die Frage, wie man Nachhaltigkeit
bei jungen Unternehmen messen kann.
Zwar gibt es bereits eine Reihe von Indizes
und Assessments – die meisten
basieren aber auf Managementstrukturen,
die ein Unternehmen erst nach
einiger Zeit am Markt aufweisen kann.
Die Herausforderung für die Initiative
„Sustainable Business Angels“ ist daher
die Übertragung und Weiterentwicklung
erfolgreicher Standardlösungen zu einem
innovativen Nachhaltigkeitsansatz für
Jungunternehmen.
Im Dialog Ergebnisse erzielen und
finden
Die Mediengruppe macondo hat gemeinsam
mit dem Institut für Nachhaltigkeitsmanagement
(IfNM) die bisherigen
Ansätze ausgewertet. Auf der Grundlage
der anerkannten Norm ISO 26.000 wurden
Schwachstellen wie die schlechte
Verifizierbarkeit bestimmter Punkte
herausgearbeitet und um den Punkt
finanzielle Nachhaltigkeit ergänzt.
Zur Kontrolle der Ergebnisse – und
um eine möglichst breite gesellschaftliche
Reflexion sicherzustellen – wird
der Fragenkatalog in einem zweiten
Projektschritt mit einer Vielzahl von
Stakeholdern abgestimmt. Hierzu gehören
sowohl Vertreter von Wirtschafts-,
Umwelt- und Sozialverbänden als auch
anerkannte Experten aus Wissenschaft,
Politik und der Finanzbranche.
Um einen praktischen Nutzen für alle
jungen Unternehmen herzustellen, sollen
aber nicht nur Kriterien zur Überprüfung
und Bewertung bestehender
Kennzahlen und Strategien entwickelt
werden, sondern auch der Beratungsgedanke
aufgegriffen werden. Zu allen
Punkten werden daher beispielhafte
Lösungswege aufgezeigt, die helfen, die
eigene Performance zu verbessern. „Wir
wollen nicht den zehnten Fragebogen
zum Thema Nachhaltigkeit entwickeln,
sondern jungen Gründern ganz praktisch
dabei helfen, CSR in die Unternehmensstruktur
zu integrieren. Wer
Nachhaltigkeit ernst nimmt, wird damit
langfristig auch wirtschaftlichen Erfolg
haben“, sagt Dr. Elmer Lenzen, Gründer
der Mediengruppe macondo.
Das Projekt wurde federführend von
der Mediengruppe macondo konzipiert
und entwickelt. Es ist Teil des ESF-Förderprogramm
„CSR – Gesellschaftliche
Verantwortung im Mittelstand“ und wird
vom Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie
vom Bundesministerium für Arbeit
und Soziales (BMAS) gefördert.
Weitere Informationen unter: www.sba-initiative.de
globalcompact Deutschland 2012
119
Volkswagen
Für mehr Sicherheit
im Straßenverkehr –
überall auf der Welt
Volkswagen baut Fahrzeuge von höchster Qualität und Zuverlässigkeit. Das Ergebnis: höchste
Sicherheit für die Kunden. Unsere Verantwortung hört jedoch nicht nach der Auslieferung unserer
Fahrzeuge auf, denn wir helfen auch unseren Kunden mit gezielten Trainings, sich sicher
im Verkehr zu bewegen, egal ob in Mumbai, Peking oder Wolfsburg. Damit reagieren wir auf die
beängstigenden Zahlen internationaler Unfallstatistiken, gerade aus Schwellenländern. Nach
der Devise „Jeder Verkehrstote ist einer zu viel“ engagiert sich der Volkswagen Konzern aktiv
mit unterschiedlichen, auf die Märkte abgestimmten Verkehrsbildungs-Programmen. Natürlich
auch in Deutschland. Die Wolfsburger Autostadt, Erlebniswelt und Kommunikationsplattform
rund um die Mobilität, bietet allen Fünf- bis Elfjährigen einen „LernPark“ und die Möglichkeit,
den „KinderFührerschein“ zu machen. Ihre Eltern können derweil auf einem „Spar- und Sicherheitsparcours“
buchstäblich erfahren, dass eine vorausschauende Fahrweise nicht nur die
Sicherheit steigert, sondern zugleich die Umwelt schont.
Von Julia Glogowski
Ein besonderes Augenmerk liegt auf den
Jüngsten, denn wer kennt nicht das Bild
vom Kind, das dem Ball hinterher, damit
auf die Straße und womöglich vor ein
Auto läuft. Die verschiedenen Marken
des Konzerns bieten in Kooperation mit
Schulen, Vereinen und öffentlichen Stellen
verschiedene Maßnahmen an. Und
das weltweit: Etwa 100.000 Kinder rund
um die Standorte Cordoba und Pacheco
haben bisher mittels des erfolgreichen
Verkehrserziehungsprojekts „Juegoteca
Volkswagen de Seguridad Vial“ von Volkswagen
Argentinien zusammen mit örtlichen
Schulen spielerisch das ABC des
Verhaltens im Straßenverkehr erlernt.
Einige Standorte setzen sich zudem bei
besonders problematischen Schulwegen
für mehr Sicherheit ein und investieren
gleichzeitig in Verkehrsspielplätze
und die Verbesserung von Fußgängerüberwegen.
Doch was nützt bei Kindern das ABC,
wenn die Erwachsenen nicht das Einmal-
120 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
CSR Management
eins beherrschen? Drei von vier Kindern
werden beispielsweise in den USA im
Auto falsch angeschnallt – im Ernstfall
eine tödliche Gefahr. Volkswagen of
America schult daher seine Kunden mit
dem Programm „SitSafe“ im richtigen
Umgang mit Kindersitzen und Sicherheitsgurten.
Verkehrsbildung als Publikumsmagnet –
Das Engagement von Volkswagen im Reich der Mitte
Verkehrssicherheit hört für Volkswagen
nicht beim Pkw auf, auch im Bereich
Nutzfahrzeuge ist der Konzern engagiert.
Hier werden zum Beispiel Verkehrssicherheits-
und Ladesicherungstrainings
angeboten. So richtet Scania in Schweden
den weltweit größten Fahrerwettbewerb
„Young European Truck Driver“ aus und
wird dabei von der Europäischen Kommission
und der International Road
Transport Union (IRU) unterstützt. Die
Teilnehmer lernen nicht nur etwas über
die Verkehrssicherheit, sondern trainieren
auch eine spritsparende, umweltfreundliche
Fahrweise.
Auch jenseits unserer Produktionsstandorte
setzen sich unsere Importeure für
mehr Verkehrssicherheit ein: Beispielhaft
für dieses Engagement ist der türkische
Volkswagenimporteur Dogus - Otomotiv.
Sein vielseitiges Programm „Traffic is
Life“ sensibilisiert türkische Autofahrer
umfassend für das Thema Sicherheit im
Straßenverkehr. Dies beinhaltet eine viel
beachtete Werbekampagne, Ausstellungen,
Konzerte und sogar Rap Festivals.
Auch mit der türkischen Regierung steht
man zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
in engem Kontakt.
Egal ob in der Türkei oder in Argentinien,
mit seinem weltweiten Engagement im
Bereich Verkehrssicherheit möchte der
Volkswagen Konzern einen essentiellen
Beitrag dazu leisten, dass sich Kunden
nicht nur auf die Sicherheitsausstattung
ihres Fahrzeugs verlassen, sondern durch
eigenes Handeln den Verkehr sicherer
machen.
Jedes Jahr 90.000 Verkehrstote und
7,5 Prozent aller weltweit tödlichen
Verkehrsunfälle sind die Schattenseite
des chinesischen Automobilbooms.
Als erfolgreichster Automobilhersteller
in China bekennt sich Volkswagen zu
seiner Verantwortung und belebt einen
wahren Klassiker aus Deutschland
wieder. Die Verkehrserziehungsserie
„Der siebte Sinn“ sensibilisierte einst die
Deutschen für das Thema Sicherheit im
Straßenverkehr. Nun erlebt sie unter
dem Titel „Drive safely, Drive the Volkswagen
Way“ ein überaus erfolgreiches
„Comeback“ in China. 40 Folgen dieser
Serie wurden bisher abgedreht und erfreuen
sich im chinesischen Fernsehen
größter Beliebtheit.
Warum der Sicherheitsgurt so wichtig
ist, was nach einem Unfall zu tun ist
und warum man auf schwächere Verkehrsteilnehmer
Rücksicht nehmen
sollte, sind Fragen, die den Zuschauern
beantwortet werden. Das Besondere
dabei: Die Folgen haben großen Unterhaltungswert
und sind zugleich pädagogisch
äußerst wertvoll. So entstand die
Serie in enger Zusammenarbeit mit Verkehrsexperten
der Universitäten Tongji
und Jilin. Interviews mit Psychologen
und Fallstudien, aber auch bekannte
Fernsehgesichter machen chinesische
Verkehrserziehung anschaulich und
publikumswirksam zugleich. Bereits seit
2008 wird die Sendung über Fernsehstationen
im auto- und bevölkerungsreichen
chinesischen Osten um die Metropolen
Peking, Shanghai, Guangzhou und
Dalian ausgestrahlt.
Aber nicht nur im Fernsehen bietet
Volkswagen Verkehrserziehung. Auch
die Mitarbeiter der Volkswagen Group
China wurden immer wieder zu den
Dreharbeiten der Serie eingeladen, um
sie so für das Thema Verkehrssicherheit
zu sensibilisieren. Zu einem wahren
Fernsehspektakel wurden auch die aufwendigen
TV-Castings, mit denen Kinderdarsteller
aus den Töchtern und Söhnen
der Belegschaft rekrutiert wurden. Über
die Fernsehspots hinaus bemüht sich
Volkswagen stets, seinen chinesischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein
regelmäßiges Schulungsprogramm
zur Verkehrssicherheit zu bieten. Die
Organisation eines „Familientages für
die Verkehrssicherheit von Kindern“ ist
nur ein Beispiel dafür. Darüber hinaus
bieten auch die Volkswagenhändler in
China ihren Kunden praktische Sicherheitstrainings
im Beisein professioneller
Fahrlehrer an. Mit diesem umfassenden
Engagement übernimmt auch hier die
Volkswagen AG gesellschaftliche Verantwortung
und leistet ihren Beitrag für
eine nachhaltige Entwicklung in China,
sagt Dr. Zhang Suixin, Vizepräsident der
Volkswagen Group China.
globalcompact Deutschland 2012
121
Lavaris Technologies
Neue Wege in der Wasseraufbereitung
und -analyse
Am 28. Juli 2010 ist Wasser als Menschenrecht von den Vereinten Nationen in die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte aufgenommen worden. Angaben der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) und UNICEF zufolge haben aktuell immer noch etwa 2,5 Milliarden Menschen auf
der Welt keinen ausreichenden Zugang zu einer sanitären Grundversorgung. Rund ein Drittel
der Weltbevölkerung ist daher akut von Krankheiten bedroht, die aufgrund von fehlenden oder
qualitativ mangelhaften Wasserinfrastruktursystemen entstehen.
Mobile Wasseranalysen in Laborqualität
an jedem Ort der Welt
Von Tina Lück
Insbesondere in Entwicklungs- und
Schwellenländern ist die Lage prekär.
Verunreinigtes Wasser und schlechte
Hygienebedingungen begünstigen Durchfallerkrankungen,
die wiederum zu
Mangel- und Unterernährung und bei
über einer Million Kindern weltweit
sogar bis zum Tod führen. Ein Grund
dafür ist der Müll, der in den betroffenen
Ländern nicht entsorgt wird, sondern
unbehandelt in Gewässern landet. Hinzu
kommen fehlende sanitäre Einrichtungen
und Abfälle aus der Landwirtschaft,
die ungeklärt in den Wasserkreislauf
gelangen. Rohrleitungen, Kläranlagen
und Kanalisationen sind in den Ländern
der Dritten Welt oft nicht vorhanden.
Und wenn doch sind sie meist marode
oder sie halten dem zunehmenden Bevölkerungswachstum
nicht stand.
Trinkwasseraufbereitung mal anders
Mit dem Verfahren der Lavaris Technologies
GmbH kann gebrauchtes oder verschmutztes
Wasser zu einwandfreiem
Trinkwasser auf bereitet werden. Das Unternehmen
nutzt ein patentiertes, pulverförmiges
Feststoffgemisch namens
CarbonAdd®. CarbonAdd® besteht aus Mineralien,
die von Natur aus im Wasser ent-
122 globalcompact Deutschland 2012
Best Practice
Entwicklung & Partnerschaft
halten sind und die natürlichen wasserchemischen
Selbstreinigungsmechanismen
in Gang bringen können. Mit CarbonAdd®
behandeltes Wasser ist nicht mehr korrosiv,
greift also keine metallischen und
zementgebundenen Werkstoffe mehr
an. In der Folge bleiben Wasserleitungen,
Behälter und Pumpen länger intakt und
es versickert weniger Wasser. Alleine dadurch
erhöht sich die Verfügbarkeit und
es können deutlich mehr Menschen mit
Wasser versorgt werden.
In Deutschland werden bereits seit Jahren
einige kommunale Anlagen mit dieser
Technologie betrieben. Auch für die Renaturierung
von Gewässern ist CarbonAdd®
geeignet. CarbonAdd® wirkt entsäuernd
und stabilisiert den pH-Wert im Carbonat-
Puffersystem. Schadmetalle wie Eisen,
Kupfer, Aluminium und Mangan werden
damit entfernt. Das Verfahren produziert
konstant stabiles und gesundes Trinkwasser
und ist dabei umweltfreundlich und
kostengünstig. CarbonAdd® kann für die
Optimierung bestehender Wasseraufbereitungsanlagen,
in mobilen Großcontainer-
Anlagen sowie in der WaterBox, einer von
Lavaris entwickelten, besonders klein
dimensionierten Auf bereitungsanlage
eingesetzt werden. Die WaterBox ist insbesondere
für die dezentrale Wasserversorgung
in Entwicklungsländern und
Katastrophengebieten konzipiert worden.
Mikrobiologische Abwasserreinigung
Die WaterBox ist so klein, dass sie selbst auf
einem Pick-up Platz findet.
Neben verunreinigtem Trinkwasser stellt
auch unbehandeltes Abwasser ein ernsthaftes
Gesundheitsrisiko dar. Methoden
für die Abwasserbehandlung gibt es
viele. Entweder sind sie aber für eine
dezentrale und kostengünstige Wasserauf
bereitung nicht geeignet oder sie
bergen erheblichen Mehraufwand. Bei
der chemischen Abwasserbehandlung
werden häufig Metallsalze wie Eisensulfat
oder Aluminiumchlorid eingesetzt,
um der Nährstoffüberbelastung
Herr zu werden und Phosphate aus dem
Wasser zu fällen. Die gebundenen Nährstoffe
bleiben bei diesem Verfahren im
Schlamm zurück und müssen entsorgt
werden, da sie sonst eine Umweltbelastung
darstellen. Ultrafiltrationsanlagen
hingegen zeichnen sich durch einen
hohen Energieverbrauch aus.
Wie beim Trinkwasser will Lavaris Technologies
auch in der Auf bereitung von
Abwasser neue, möglichst ressourcensparende
Wege gehen und setzt auf die
Kraft der Biologie. Der Schlüssel des
Lavaris-Verfahrens sind autotrophe –
sich selbst erhaltende – Mikroorganismen
in Reinkultur. Die hochaktiven
Bakterienkulturen bauen Stickstoff belastungen
im Abwasser effektiv ab. Die
Abbauleistung liegt etwa 100-mal höher
als bei heterotrophen Mikroorganismen.
Durch die Verwendung dieser konzentrierten
Bakterienkulturen wird sehr viel
weniger Schlamm produziert.
Phosphat nachhaltig eliminieren
Die biologische Stabilisierung des auf bereiteten
Abwassers erfolgt mittels Phosphatfällung.
Lavaris nutzt hierfür das
hochwirksame SeDox®-Verfahren. Die
Restkonzentration an Phosphat kann
dadurch im Ablauf auf 0,0035 mg/l gesenkt
werden. Bei Berührung mit Wasser
zerfällt das in SeDox® enthaltene Mineral
und es bilden sich Calciumcarbonat und
Apatit, der als Düngemittelrohstoff für die
Landwirtschaft weiterverwendet werden
kann. Dieses Verfahren ist vollständig
neutralsalzfrei und erfordert auch keine
Polymere oder sonstigen Hilfsstoffe wie
Eisensulfat oder Aluminiumchlorid, die
das Wasser belasten. Im Vergleich zu anderen
Methoden wird durch den Einsatz
von SeDox® praktisch kein Schlamm
erzeugt, wohl aber Phosphat-Recycling
ermöglicht. Die Phosphatelimination
mittels SeDox® kann sowohl innerhalb
einer Wasserauf bereitungsanlage als
auch direkt am Gewässereinlauf ohne
großen Aufwand erfolgen.
Wasserqualität global transparent
machen
Um Trink- und Abwasser zielgerichtet
wiederauf bereiten zu können, muss
die jeweils vorherrschende Wasserqualität
analysiert werden. Labors und
Forschungsstationen sind an vielen
Orten der Welt allerdings Mangelware,
sodass verlässliche Wasseranalysen und
reproduzierbare Messversuche häufig
schwer zu realisieren sind. Lavaris Technologies
liefert hierfür die Lösung in
Form eines Profi-Photometers der Serie
AQUA-CHECK. Das elektronische Gerät
ermöglicht laborunabhängige Wassertests
und ist auch für Laien leicht zu
bedienen. Nach dem derzeitigen Entwicklungsstand
kann es 18 chemische,
im Wasser gelöste Stoffe präzise nachweisen,
darunter Schwermetalle, pH-Wert,
Chlo