Neue Szene Augsburg 2014-06
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de
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50 Zoom<br />
Was Frauen wollen, wieso wir Verliebtheit oft überschätzen und viele andere<br />
Fragen in Sachen Liebe. Ein Gespräch mit Beziehungscoach Matthias Möller über<br />
Illusion und Wirklichkeit in modernen Beziehungen. Von Marcus Ertle<br />
Herr Möller, eine einfache Frage unter Männern:<br />
Was wollen die Frauen?<br />
Ich glaube, dass es die Frau an sich nicht gibt. Das<br />
ist in unserer Kultur sehr schwierig geworden, früher<br />
gab es feste Traditionen und Rollenbilder, die Frauen<br />
einerseits eingeengt haben, aber andererseits die<br />
Suche nach der eigenen Identität nicht erforderten.<br />
Da kommen wir heute nicht drum herum. Die einen<br />
Frauen wollen einen schönen Mann, die anderen<br />
einen lieben Mann, andere einen intelligenten Mann.<br />
Nicht zu vergessen einen reichen Mann.<br />
Das gibt es auch, aber bei diesem Konzept muss man<br />
generell fragen: Wo ist da die Liebe?<br />
Ja, wo ist sie?<br />
Es gibt schon Menschen, die in einer Beziehung wirtschaftliche<br />
Sicherheit suchen und solche, die bereit<br />
sind, eine Beziehung zu kaufen. Da fällt mir ein Witz<br />
ein: Eine Anhalterin steht am Straßenrand, ein Autofahrer<br />
nimmt sie mit, sie fahren los, flirten, fahren in<br />
einen Wald und kurz bevor es zur Sache geht, sagt<br />
sie ihm: Ich muss dir was sagen, ich bin Prostituierte,<br />
das kostet also was. Sagt er: Kein Problem. Und gibt<br />
ihr hundert Euro. Dann geht es heftig zur Sache, danach<br />
sind beide sehr zufrieden und sie fragt ihn, ob<br />
er sie nach Hause fährt und er sagt: Natürlich, aber<br />
ich muss dir was gestehen, ich bin Taxifahrer.<br />
Ein guter Witz.<br />
Dahinter steht die Tatsache, dass in Beziehungen nie<br />
so ganz klar ist, worüber der Vertrag letztlich geht.<br />
Wir machen uns selbst in der Liebe oft sehr viel vor<br />
und am Ende fühlt sich jeder betrogen. Bei mir saßen<br />
schon ältere Ehepaare, da sagten beide, dass sie sich<br />
ein Leben lang für den anderen aufgeopfert haben.<br />
Da hat offensichtlich jeder viel gegeben, aber keiner<br />
bekommen, was er wollte, weil sie nicht drüber<br />
gesprochen haben.<br />
Wie merkt man denn, dass man sich etwas<br />
vormacht?<br />
Viele Menschen merken es erst, wenn es zur Krise<br />
kommt: Ehebruch, Streit, Frustration. Es gibt aber<br />
auch Ehepaare, die zu viel über ihre Probleme sprechen.<br />
Wenn ich immer über Probleme spreche, bin ich<br />
letztlich problemorientiert. Nach Seminaren gehe ich<br />
manchmal essen und am Nebentisch treffen sich zwei<br />
junge Leute und flirten und man denkt, da ist Energie,<br />
da ist Freude, da könnte sich was entwickeln.<br />
Dann redet er über seine Probleme aus der letzten<br />
Beziehung und sie ebenfalls, da sinkt die Energie, die<br />
Ängste kommen hoch, die beiden gehen getrennt<br />
nach Hause und treffen sich nie wieder.<br />
Wenn man aber nicht über Probleme redet, hat<br />
man doch das Gefühl, etwas Wichtiges totzuschweigen.<br />
Natürlich ist es gut, wenn man über Probleme redet<br />
und dabei vorankommt, aber man kann sich auch tief<br />
in den Sumpf hineinreden. Bei heftigeren Sachen ist<br />
es oft besser, wenn man es mit einem Außenstehenden<br />
bespricht und nicht mit dem Partner. Grundsätzlich<br />
sollte auch bei gemeinsamen Problemen die Zeit<br />
begrenzt werden, in der darüber geredet wird, eine<br />
Stunde ist schon lang, danach sind Gespräche nicht<br />
mehr produktiv.<br />
Gibt es auch Dinge, über die man in einer Beziehung<br />
besser gar nicht spricht?<br />
In der Regel ist Offenheit zwar immer besser, aber<br />
wenn man einmalig fremdgegangen ist und weiß,<br />
dass der Partner das nicht akzeptieren würde,<br />
macht eine Beichte nicht unbedingt Sinn. Ich hatte<br />
schon Paare bei mir, die wollen das Vorleben des<br />
Partners bis ins kleinste Detail kennen. Doch es gibt<br />
Menschen, die wollen darüber nicht reden, teils aus<br />
guten Gründen, weil es schmerzliche Erfahrungen<br />
gibt. Man sollte auch immer wissen, wo der andere<br />
in seiner Seele noch einen Raum haben darf, der nur<br />
ihm gehört.<br />
Ist das Beichten eines Fehltritts nicht oft egoistisch<br />
in dem Sinn, dass man sich erleichtern will,<br />
dass man Vergebung sucht?<br />
Es gibt Situationen, in denen man weiß: Die Vergebung<br />
wird nicht einfach und Verschweigen wäre der<br />
einfachere Weg. Ein bisschen Reue und Buße kann<br />
ganz gut sein, denn ein Seitensprung ist ja oft ein<br />
Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Auch beim<br />
einmaligen Seitensprung gibt es die Frage, was nicht<br />
stimmt und was man durch Hinschauen ändern kann,<br />
so dass man das Glück innerhalb der Beziehung sucht<br />
und nicht außerhalb.<br />
Sind Seitensprünge eher die schlichte Suche<br />
nach Sex oder geht es auch um Anerkennung und<br />
Zuneigung?<br />
Der Seitensprung hat viele Ursachen. Viele Menschen<br />
kennen ihre Bedürfnisse nicht und wann ein<br />
Partner sich mit Zärtlichkeit schwer tut. Wenn die<br />
Sexualität weniger wird, kann es sein, dass man den<br />
körperlichen Zärtlichkeitsaustausch mit dem Partner<br />
vermisst und sich das Fehlende von außen holt. Ich<br />
hatte mal einen Bekannten, der war bisschen einfach<br />
gestrickt, der sagte, er müsse sich die Sexualität von<br />
außen holen, weil seine Frau ihm nicht das gibt, was<br />
er braucht. Da ist dann schon die Frage, ob die Frau<br />
denn nur zur Bedürfnisbefriedigung des Mannes da<br />
ist, oder ob es dem Mann nicht sogar gut täte, wenn<br />
er auch noch auf anderen Kanälen die Beziehung<br />
zu seiner Frau ausbaut, dann klappt es auch in der<br />
Sexualität wieder.<br />
Und wenn Sex in der Beziehung schlicht an Bedeutung<br />
verliert?<br />
Damit eine Beziehung funktioniert, gibt es viele<br />
Aspekte von Liebe, die erfüllt sein müssen. Liebe ist<br />
mehr als Sexualität. Zusammen feiern, gemeinsame<br />
Projekte haben, zärtlich sein. Man erlebt bei homosexuellen<br />
Paaren ja öfter, dass sie offene Beziehungen<br />
haben, aber die Liebe zum Partner bestehen bleibt.<br />
Die sagen dann, dass sie sich ihren Spaß woanders<br />
suchen, aber ihren Partner würden sie nie im Leben<br />
hergeben. So ein offenes Modell ist durchaus möglich,<br />
solange es abgesprochen ist. Einfach zu sagen,<br />
dass man sich, wenn die Leidenschaft eingeschlafen<br />
ist, Sex, Anerkennung und Liebe eben woanders holt,<br />
ist ein sehr dürftiges Modell.<br />
Ist die offene Beziehung denn ein Modell, das<br />
funktioniert?<br />
Ich mache in der praktischen Beobachtung eher die<br />
Erfahrung, dass es ein Ausnahmemodell ist. Das<br />
andere Extrem ist die ganz treue Beziehung mit sehr<br />
rigiden Vorstellungen. Das macht Beziehungen oft<br />
schwer, weil ganz treu ist der Mensch eben nicht,<br />
manchmal ist es Liebe, wenn man einen einmaligen<br />
Ausrutscher verzeiht. Man muss sich auch selbst<br />
fragen, was man für ein Typ ist.<br />
Die Eifersucht spielt eben auch eine Rolle.<br />
Es gibt Menschen, die mit jedem Partner eifersüchtig<br />
wären, dadurch treibt man den Partner in den<br />
Ausrutscher hinein. Wenn ich einem Hund immer die<br />
Speisekammer zeige und ihn dann wieder rauszerre,<br />
wird er sich zumindest vor die Tür setzen. Wer permanent<br />
eifersüchtig ist, hat entweder mit sich selbst<br />
ein Problem, oder einfach den falschen Partner.<br />
Wer verzeiht eher: Männer oder Frauen?<br />
Das ist von der kulturellen Prägung abhängig, von<br />
Natur aus gibt es da keine großen Unterschiede.<br />
Es gibt dieses Bild der Ehepaare, die in einem<br />
Café sitzen und sich anschweigen. Ist das ein<br />
Zeichen einer verödeten Beziehung?<br />
Es gibt Paare, die nicht viel reden, aber glücklich sind,<br />
und es gibt Paare, die viel reden und nicht glücklich<br />
sind, das ist eine Typfrage. Zu einer guten Beziehung<br />
gehört auch, miteinander schweigen zu können.<br />
Ein anderes Bild: Nach der Geburt der Kinder<br />
fühlt sich der Mann von der Frau zurückgesetzt,<br />
weil sie ganz in ihrer Mutterrolle aufgeht.<br />
Das hängt sicher mit dem Rollenbild zusammen,<br />
worin man mehr Energie investiert. Eigentlich ist und<br />
bleibt der Partner in einer Beziehung das wichtigere<br />
Bindeglied, denn mit dem wird man alt, die Kinder<br />
bereitet man aufs Leben vor.<br />
Was wollen Männer eigentlich?<br />
Ich glaube, bei Männern ist der Wunsch nach einem<br />
freien Leben häufiger ausgeprägt als bei Frauen. Ob<br />
man damit wirklich glücklich ist, ist eine ganz andere<br />
Frage. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass<br />
selbst alleinerziehende Männer wesentlich glücklicher<br />
sind als Singles, die ohne diese große Verantwortung<br />
leben. Der Mensch ist ein Beziehungswesen<br />
und darauf angelegt, an seine Nachfolgegeneration