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Wohnen und Nachba Wohnen und Nachbarschaften in Tübingen ...

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Eberhard Karls Universität Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Geographisches Institut<br />

<strong>Wohnen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nachba</strong>rschaften <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Projektbericht<br />

schaft aufgr<strong>und</strong> geme<strong>in</strong>samer Tätigkeiten, wie Handarbeit oder Feldarbeit, <strong>und</strong> der herrschenden<br />

Subsistenzwirtschaft, unerlässlich. Gegenseitigen Abhängigkeiten führten hier<br />

häufig zu sehr starken <strong>Nachba</strong>rschaftsverhältnissen, welche gegenseitige Erwartungen <strong>und</strong><br />

Sanktionen bei Nichterfüllung be<strong>in</strong>halteten (vgl. Kapitel 2.2.1).<br />

Neben der ländlichen <strong>Nachba</strong>rschaft ist die Def<strong>in</strong>ition der Städtischen, aufgr<strong>und</strong> wesentlich<br />

differenzierterer, gelegentlich auch anonymeren Gesellschaften, sehr viel komplexer. Es entsteht<br />

e<strong>in</strong>e Vielfalt von Rollen, die Menschen gegenüber anderen e<strong>in</strong>nehmen können. <strong>Nachba</strong>rschaftliche<br />

Beziehungen bahnen sich hier häufig auf Basis gleicher oder ähnlicher Interessen<br />

an, weil hierdurch mehr Zeit mit bestimmten Personen verbracht wird, während andere<br />

<strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> treten. Letztere können, „wenn die anderen Mittel der Nothilfe nicht<br />

genügen oder versagen“ ebenfalls äußerst hilfreich se<strong>in</strong> (Hamm 1973: 79). Hat beispielsweise<br />

der Supermarkt bereits geschlossen, können vom <strong>Nachba</strong>rn e<strong>in</strong> fehlendes Ei oder e<strong>in</strong>ige<br />

Gramm Zucker erfragt werden, ohne dass e<strong>in</strong> enges Verhältnis mit diesem besteht. Sie werden<br />

von Hamm als die „Nothelfer“ bezeichnet, da sie <strong>in</strong> Notsituationen aushelfen, oder aber<br />

Sachen aus der Stadt mitbr<strong>in</strong>gen, um die sie gebeten wurden. E<strong>in</strong>e weitere Rolle <strong>in</strong>nerhalb<br />

der <strong>Nachba</strong>rschaften spielt der sogenannte „Sozialisationsagent“, welcher versucht <strong>in</strong>nerhalb<br />

der <strong>Nachba</strong>rschaft für Kohärenz zu sorgen, sodass sich ke<strong>in</strong>er ausgeschlossen fühlt <strong>und</strong><br />

jeder alle Neuigkeiten mitbekommt. Daneben gibt es <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Nachba</strong>rschaft sogenannte<br />

„Kommunikationspartner“, welche für Menschen da s<strong>in</strong>d, die entweder sehr stark an ihre<br />

Wohnung geb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d oder aber diese aus bestimmten Gründen, z.B. Arbeitslosigkeit,<br />

nicht verlassen. Der letzte Typus ist der „Durchsetzer rollenkonformen Verhaltens“. Diese<br />

Ersche<strong>in</strong>ung basiert auf den zuvor erwähnten Erwartungen an <strong>Nachba</strong>rn, welche bei Nichterfüllung<br />

mit den entsprechenden Sanktionen gerügt werden können. Erwartungen lassen sich<br />

hierbei <strong>in</strong> Muss-, Kann- <strong>und</strong> Soll-Erwartungen untergliedern. Die dazugehörigen Sanktionen<br />

s<strong>in</strong>d rechtlich fixiert, formell vere<strong>in</strong>bart oder aber <strong>in</strong>dividuell <strong>in</strong>terpretierbar.<br />

Wozu also werden <strong>Nachba</strong>rschaften gebraucht? Steht die soziale E<strong>in</strong>heit auch heute noch<br />

im Mittelpunkt dieser Beziehungen, oder haben sich andere Praktiken herausgebildet? Kann<br />

man e<strong>in</strong>e <strong>Nachba</strong>rschaft planen, wie z.B. <strong>in</strong> Perry's Neighbourhood Units?<br />

In Tüb<strong>in</strong>gen wird der <strong>Nachba</strong>rschaft e<strong>in</strong> hoher Stellenwert bei Neubauprojekten zugemessen,<br />

unter anderem durch die Förderung von Baugenossenschaften. Neben anderen städtebaulichen<br />

Leitbildern - wie z.B. der Stadt der kurzen Wege <strong>und</strong> dem umweltbewussten Bauen<br />

- soll <strong>Nachba</strong>rschaft die Viertel beleben <strong>und</strong> die Anonymität der Stadt reduzieren. <strong>Nachba</strong>rschaften<br />

sollen hier also zur Erhöhung der Lebensqualität beitragen. Ob dies tatsächlich<br />

gel<strong>in</strong>gt, sollte allerd<strong>in</strong>gs überprüft werden. Hierzu sich Methoden der qualitativen Sozialforschung<br />

geeignet, die auch <strong>in</strong> der vorliegenden Studie zum E<strong>in</strong>satz kamen. Diese Methoden<br />

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