RegJo Niedersachsen Ausgabe 2/13
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22 autoforschung regjo niedersachsen regjo niedersachsen autoforschung 23<br />
Bild: NFF-Pressestelle/Christian Bierwagen<br />
Text: Holger Isermann<br />
Wenn es so etwas wie eine Geburtsstunde<br />
der Automobilregion Braunschweig gibt,<br />
dann könnte man sie ins Jahr 1903 datieren.<br />
Der Konstrukteur Heinrich Büssing ist<br />
damals 60 Jahre alt und hat eine unternehmerische<br />
Erfolgsgeschichte mit mehr als 90<br />
angemeldeten Patenten hinter sich. Obwohl<br />
sich auf seinem Konto ein kleines Vermögen<br />
befindet, denkt Büssing nicht an Ruhestand,<br />
sondern gründet zusammen mit seinen<br />
beiden Söhnen die „Heinrich Büssing,<br />
Specialfabrik für Motorlastwagen, Motoromnibusse<br />
und Motoren, Braunschweig,<br />
Elmstraße“. Von einer stillgelegten Wäscherei<br />
aus eroberten seine Busse und LKWs<br />
weite Teile Mitteleuropas und wurden in<br />
die ganze Welt exportiert. Als Büssing im<br />
Sommer 1843 in Nordsteimke beim damals<br />
noch nicht existierenden Wolfsburg zur<br />
Welt kam, ließ sich diese Aufstiegsbiographie<br />
nicht voraussagen. Sein Vater war<br />
Schmied und der junge Heinrich besuchte<br />
die Dorfschule. 1859 legte er als Gesellenstück<br />
ein Hufeisen vor und sollte eigentlich<br />
in die Fußstapfen des Vaters treten. Stattdessen<br />
zog es ihn fort. Auf seiner Wanderung,<br />
die ihn über Brandenburg und Bayern<br />
bis in die Schweiz führte, sah Büssing<br />
fasziniert die Anfänge der Industriealisierung<br />
und muss schnell begriffen haben,<br />
dass in ihr die Zukunft lag. Seine Notizbücher<br />
waren gespickt mit Berechnungen und<br />
Konstruktionszeichnungen, als er wieder in<br />
Nordsteimke ankam und gegen den Willen<br />
seines Vaters Gasthörer am Braunschweiger<br />
Collegium Carolinum, dem Vorgänger<br />
der TU Braunschweig, wurde. Dort studierte<br />
der ehemalige Dorfschüler drei Jahre<br />
lang Maschinenbau und Bautechnik. In der<br />
Folge gründete er mehrere Unternehmen,<br />
die Fahrräder, Maschinen oder Stellwerke<br />
für die Eisenbahn herstellten und wurde<br />
schließlich im hohen Alter zum Autopionier.<br />
Doch Büssing war nicht nur Techniker.<br />
Er gründete auch eine Buslinie von<br />
Wendeburg nach Braunschweig und mit der „Transportgesellschaft<br />
zur Beförderung von Waren und Güter“ die<br />
wahrscheinlich erste Spedition der Welt. Er wurde Ehrendoktor<br />
und Ehrensenator der TU Braunschweig.<br />
Autoentwicklung in der Region Braunschweig hat über<br />
100 Jahre Tradition.<br />
Heute verleiht der Braunschweigische Hochschulbund<br />
jährlich den Heinrich-Büssing-Preis für herausragende<br />
Leistungen von Nachwuchswissenschaftler und<br />
zeichnet damit die Idee eines Miteinanders aus Wissenschaft<br />
und Industrie aus. Denn positiv Verrückte, wie der<br />
Braunschweiger Konstrukteur, stecken an, erzeugen Faszination<br />
und begeistern. Damit geben sie einer Region ein<br />
120 Mio. Euro Gesamtvolumen, teilweise gefördert<br />
durch den Bund und das Land: die Open<br />
Hybrid LabFactory, die nahe des Volkswagen-<br />
Werks in Wolfsburg entstehen soll. 200 Mitarbeiter<br />
sollen hier an Leichtbau-Komponenten<br />
für die Autoindustrie forschen. Beteiligt an dem<br />
NFF-geführten Projekt sind 31 Partner aus<br />
Wissenschaft und Wirtschaft.