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Mittwoch, 28. März 2012, 20.15 Uhr<br />

<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>


2 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Eine Komödie über drei starke Frauen um die 50, <strong>de</strong>ren Alter in <strong>de</strong>r Geburtsurkun<strong>de</strong><br />

so gar nicht zu ihrem Lebensgefühl passen will<br />

4 Silke Zertz (Autorin) im Gespräch<br />

5 Die Geschichte<br />

6 Martina Ge<strong>de</strong>ck im Gespräch<br />

8 Johanna Gastdorf im Gespräch<br />

10 Leslie Malton im Gespräch<br />

12 Torben Liebrecht im Gespräch<br />

Besetzung<br />

Anne Kater<br />

Charlotte Merian<br />

Fiona Gutzeit<br />

»Josh« Martin Hofer<br />

Olga Malik<br />

Sabine Brotschnei<strong>de</strong>r<br />

Sophie Kater<br />

Klaus Kater<br />

Martina Ge<strong>de</strong>ck<br />

Johanna Gastdorf<br />

Leslie Malton<br />

Torben Liebrecht<br />

Katrin Bauerfeind<br />

Victoria Trauttmansdorff<br />

Michelle Barthel<br />

Michael Wittenborn<br />

Stab<br />

Regie<br />

Drehbuch<br />

Kamera<br />

Schnitt<br />

Szenenbild<br />

Kostümbild<br />

Ton<br />

Maske<br />

Herstellungsleitung<br />

Produzentin<br />

Redaktion<br />

Matthias Tiefenbacher<br />

Silke Zertz<br />

Klaus Merkel<br />

Dora Vajda<br />

Ruth Barbara Wilbert<br />

Anne Jendritzko<br />

Andreas Wölkl<br />

Markus Scharping, Simone Ra<strong>de</strong>macher<br />

Jan Philipp Lange<br />

Heike Wiehle-Timm, Relevant Film<br />

Nina Klamroth, <strong>WDR</strong> Köln


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 3<br />

Nina Klamroth (<strong>WDR</strong> Redakteurin)<br />

Leichtigkeit und Tiefe<br />

Schon nach <strong>de</strong>r Lektüre <strong>de</strong>s Treatmets war mir klar, dass es<br />

Silke Zertz gelungen ist, einen Film zu schreiben, <strong>de</strong>r schlicht und<br />

ergreifend zwingend ist.<br />

Zwingend <strong>de</strong>shalb, weil ich die Erkenntnis, dass man auch mit<br />

fünfzig das Leben noch nicht vollständig durchschaut haben muss,<br />

und dass trotz eines halben Jahrhun<strong>de</strong>rts an Lebenserfahrung<br />

immer mal wie<strong>de</strong>r Unordnung herrschen darf, sehr tröstlich fin<strong>de</strong>.<br />

Die Protagonistinnen Anne (Martina Ge<strong>de</strong>ck), Fiona (Leslie Malton)<br />

und Charlotte (Johanna Gastdorf) haben sich ihren Platz im<br />

Leben zwar hart erarbeitet, aber sie verfügen im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Moment sehr wohl über <strong>de</strong>n Mut, alles in Frage zu stellen.<br />

Die einfühlsame Regie von Matthias Tiefenbacher und die durchlässige<br />

Kamera von Klaus Merkel belassen <strong>de</strong>n Figuren bei ihrer<br />

Reise sowohl ihre Leichtigkeit, als auch ihre Tiefe.<br />

Heike Wiehle-Timm (Produzentin)<br />

Emotional klug und schonungslos<br />

Eine Geschichte, die überrascht, berührt, <strong>de</strong>ren Entwicklung man<br />

›auf <strong>de</strong>n Leim‹ geht ist für mich als Produzentin selten. All dies<br />

ist Silke Zertz mit ›<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>‹ gelungen. Mich hat dabei<br />

immer die Energie und das Vermögen von Frauen um die Fünfzig<br />

interessiert, die in Krisensituationen auf ihre persönlichen und<br />

sozialen Ressourcen zurück greifen und dies zum Anlass für ihre<br />

Weiterentwicklung nehmen. Sie sind emotional klug, freundschaftlich<br />

vernetzt und schonungslos in ihrer Lebensbilanz. Die Fähigkeit,<br />

sich aus je<strong>de</strong>r beliebigen Lebenslage wie<strong>de</strong>r aufzurichten und dabei<br />

<strong>de</strong>n Humor nicht zu verlieren macht die Kraft <strong>de</strong>r Figuren aus.<br />

Die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r großartigen Autorin Silke Zertz<br />

und <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Redakteurin Nina Klamroth war von Beginn<br />

<strong>de</strong>r Buchentwicklung an ein Vergnügen. Die Freu<strong>de</strong> setzte sich fort,<br />

weil Matthias Tiefenbacher mit <strong>de</strong>n kongenialen Schauspieler-<br />

Innen Martina Ge<strong>de</strong>ck, Johanna Gastorf, Leslie Malton und Torben<br />

Liebrecht einerseits die Tiefe <strong>de</strong>r Geschichte ausgelotet hat, ohne<br />

<strong>de</strong>ren Leichtigkeit zu verlieren. Wer Frauen dieser Generation in all<br />

ihrer Ambivalenz kennenlernen will, sollte sich ›<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>‹<br />

anschauen. Das Vergnügen, diesen Stoff produziert zu haben ist<br />

hoffentlich auch das Vergnügen <strong>de</strong>s Zuschauers.<br />

Matthias Tiefenbacher (Regie)<br />

Persönliches: 1962 in Hei<strong>de</strong>lberg geboren, Studium <strong>de</strong>r Philosophie,<br />

Rechtswissenschaften sowie Theater und Literaturwissenschaften<br />

an <strong>de</strong>r Freien Universität Berlin. Studium an<br />

<strong>de</strong>r Hochschule <strong>de</strong>r Künste Berlin in <strong>de</strong>n Bereichen Schauspiel<br />

und Visuelle Medien. Regieassistent am Schauspiel Bonn und<br />

<strong>de</strong>n Städtischen Bühnen Frankfurt/Main.<br />

Film/Fernsehen: »Die Schönste aus Bitterfeld« (2003), »Die<br />

Albertis« (2003), »Oh Tannenbaum« (2006), »Ein starkes Team –<br />

Die Schöne am Beckenrand« (2008), »Stille Post« (2008),<br />

»TATORT – Tempelräuber« (2009), »Ein halbe Ewigkeit« (2010),<br />

»Freilaufen<strong>de</strong> Männer« (2010), »TATORT – Herrenabend« (2010),<br />

u.v.m.<br />

Auszeichnungen: WorldFest-Houston Int. Film Festival in <strong>de</strong>r<br />

Kategorie Feature Film für »Stille Post« (2011).<br />

Männer sollten sich an starken Frauen freuen<br />

»Es war ein Vergnügen, das Drehbuch zu lesen. Ich war gerührt<br />

von <strong>de</strong>n Figuren und ihrem Versuch, die Freundschaft aufrecht zu<br />

erhalten. Als Regisseur muss man sich auf die Seite <strong>de</strong>r Figuren<br />

stellen. Man nähert sich ihnen über ihre Nöte, die ihre sympathische,<br />

komödiantische Seite enthüllen. Für mich ist ›<strong>Halbe</strong><br />

<strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>‹nicht in erster Linie ein Frauenfilm als vielmehr ein Film<br />

über Freundschaft. Als Ehemann und Vater dreier Töchter kann<br />

ich sagen: Männer sollten sich an starken Frauen freuen.«<br />

Silke Zertz (Drehbuch)<br />

Persönliches: Jahrgang 1966, lebt in Berlin. Sie studierte Geschichte<br />

in Berlin und Indiana, USA. Anschließend arbeitete sie<br />

als Journalistin und ist seit 1995 als freie Drehbuchautorin tätig.<br />

Film/Fernsehen: »Der Mustervater – Allein unter Kin<strong>de</strong>rn« (2003);<br />

»Miss Texas« (2004); »Die Mandantin« (2004); »Ich bin eine Insel«<br />

(2006); »Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen« (2006);<br />

»Bloch: Schattenkind« (2007); »Woche für Woche« (2008);<br />

»Tod einer Schülerin« (2009); »Der Mann auf <strong>de</strong>m Baum«<br />

(2010/11); »Bloch – Heißkalte Seele« (2011).<br />

Auszeichnungen: Juliane-Bartel-Preis für»Ich bin eine Insel«<br />

(2008); Bayerischer Fernsehpreis für»Wir sind das Volk – Liebe<br />

kennt keine Grenzen« (2009), Deutscher Fernsehpreis »Bestes<br />

Drehbuch« für »Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen«<br />

(2009); Nominierung in <strong>de</strong>r Kategorie bestes TV-Movie beim<br />

Shanghai Television Festival für »Woche für Woche« (2010).<br />

Statement siehe Seite 4


4 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Silke Zertz (Autorin)<br />

Was war <strong>de</strong>r Auslöser für Sie, sich mit Frauen um die Fünfzig<br />

zu beschäftigen?<br />

Die gesellschaftliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Älterwer<strong>de</strong>n<br />

interessiert mich schon seit längerer Zeit. Ich glaube, dies ist<br />

eine <strong>de</strong>r wichtigsten sozialen Fragen überhaupt: In welchem<br />

Verhältnis stehen wir zu <strong>de</strong>n Lebensjahren, die wir bereits gelebt<br />

haben und die wir noch vor uns haben? Wie konstitutiv ist <strong>de</strong>r<br />

Faktor Alter für unsere I<strong>de</strong>ntität, wie wird das Älterwer<strong>de</strong>n gesellschaftlich<br />

<strong>de</strong>finiert und bekämpft? Wie gut o<strong>de</strong>r wie schlecht<br />

gelingt es uns, neue Rollen und Aufgaben im Leben anzunehmen?<br />

In meinem Drehbuch »Reife Leistung« (<strong>WDR</strong>, mit Walter<br />

Sittler) habe ich mich mit einem Mann Anfang Fünfzig beschäftigt,<br />

<strong>de</strong>r durch eine späte Vaterschaft aus <strong>de</strong>r Kurve fliegt. In<br />

»Woche für Woche« (ebenfalls <strong>WDR</strong>) ging es mir um die Nöte<br />

eines Trennungskin<strong>de</strong>s, das in einer vertikal organisierten Familie<br />

aufwächst: Mit fünf Großmüttern aber ohne Geschwister. Und<br />

jetzt, in »<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« interessiert mich die weibliche Seite<br />

<strong>de</strong>r reiferen Jahre mit ihren ganz eigenen Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />

Frau kommt in die Wechseljahre, womit sich oft die Angst vor<br />

<strong>de</strong>m erotischen Abseits verbin<strong>de</strong>t. Diese Angst treibt alle drei<br />

Hauptfiguren in »<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« um, am sichtbarsten aber Fiona.<br />

Sie ist, wenn Sie so wollen, die tragischste Figur, die im Laufe<br />

<strong>de</strong>s Films zu erkennen hat, wie leer eigentlich ihr Leben ist. Und<br />

dass es Zeit ist für einen Kurswechsel, und zwar einen, <strong>de</strong>r ihr<br />

Leben stärker än<strong>de</strong>rt als eine weitere Ehe. Aber auch Anne ist tief<br />

gekränkt, weil Klaus sie verlassen hat, auch sie, die sich ihre<br />

Bestätigung jahrelang im Beruf geholt hat, sucht diese jetzt in<br />

<strong>de</strong>n Armen eines attraktiven jungen Mannes.<br />

Spürbar wird ausser<strong>de</strong>m ein gefühlter Zeitdruck. Eine Frau<br />

um die Fünfzig, die ihre Lebensentscheidungen neu treffen muß,<br />

die wie Anne von ihrem Mann verlassen, wie Charlotte plötzlich<br />

krank o<strong>de</strong>r wie Fiona emotional verarmt ist, geht bei Kurswechseln<br />

zielstrebig vor, sie erlaubt sich kein verschwen<strong>de</strong>risches<br />

»Schaun-wir-mal«, wie sie es vielleicht in jüngeren Jahren getan<br />

hätte. Dieser Aspekt gilt natürlich am meisten für Charlotte,<br />

die ihre Krebserkrankung als Chance begreift, neu anzufangen<br />

und die diese Verän<strong>de</strong>rung mit großer Klarheit und Entschie<strong>de</strong>nheit<br />

in Angriff nimmt.<br />

Ferner erleben wir beim Betrachten <strong>de</strong>r Generation »Fünfzig«<br />

eine große Diskrepanz zwischen tatsächlichem und gefühltem<br />

Alter. Noch nie war die mittlere Generation – männlich wie weiblich<br />

– so fit, so jugendlich, so gesund und – so schön. Die Grenzen<br />

zwischen <strong>de</strong>n Generationen verwischen, Mo<strong>de</strong>n und Trends<br />

wer<strong>de</strong>n geteilt, Rollenzuweisungen um<strong>de</strong>finiert, Liebesleben und<br />

Ich-Entwurf genauso in Frage gestellt wie in jüngeren Jahren.<br />

Mit fünfzig wird Frau Kanzlerin o<strong>de</strong>r auch noch einmal Mutter,<br />

sie nimmt sich einen zwanzig Jahre jüngeren Mann o<strong>de</strong>r beginnt<br />

eine erste Karriere. Je<strong>de</strong>r kann sich je<strong>de</strong>rzeit neu erfin<strong>de</strong>n, bis ins<br />

hohe Alter. Diese Entwicklung fin<strong>de</strong> ich hochspannend und ich<br />

wollte sie in das Drehbuch einfließen lassen.<br />

Welche <strong>de</strong>r drei Figuren steht Ihnen am nächsten?<br />

Anne ist hinter ihrem Beruf verschwun<strong>de</strong>n: Sie hat in <strong>de</strong>n vielen<br />

Jahren ihrer Karriere ein wenig an Sozialkompetenz eingebüßt.<br />

Nicht einmal ihre Tochter ist ihr noch wirklich nahe. Sie bezahlt<br />

also einen hohen Preis für das Leben, das sie gewählt hat, und<br />

die Erfahrung mit Josh wird ihr dafür die Augen öffnen. Charlotte<br />

ist hinter ihrer Familie verschwun<strong>de</strong>n: Sie hat sich jahrelang in<br />

<strong>de</strong>n Dienst dreier for<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Söhne gestellt, ihre Partnerschaft<br />

dabei aus <strong>de</strong>n Augen verloren und noch mehr sich selbst, immer<br />

wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n ihre persönlichen Träume, Sehnsüchte und Ambitionen<br />

hintangestellt, und es braucht <strong>de</strong>n Weckruf <strong>de</strong>r Diagnose,<br />

um – schnell und radikal – ihr Leben zu än<strong>de</strong>rn. Fiona hingegen<br />

ist hinter ihrem Spiegelbild verschwun<strong>de</strong>n. Sie hat die Projektion<br />

von sich geliebt und nicht sich selbst, und ihr Weg ist es, über die<br />

narzisstische Phantasie hinaus ins echte Leben zu gelangen. Alle<br />

drei Charaktere stehen mir nahe, aber nicht autobiographisch,<br />

nicht im Sinne von etwas selbst Erlebtem. Son<strong>de</strong>rn von etwas<br />

Gefühltem. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r schreibt, dies ist meine feste Überzeugung,<br />

braucht eine persönliche Nähe zu <strong>de</strong>n Figuren, eine emotionale<br />

Projektionsfläche in sich selbst. Nur dann entsteht Bindung, in<br />

<strong>de</strong>r Fiktion wie im wirklichen Leben.


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 5<br />

Mit Anfang 50 haben die drei Freundinnen Anne,<br />

Fiona und Charlotte bereits einige Stürme hinter<br />

sich, <strong>de</strong>nnoch: Wie bei so vielen Frauen ihrer Generation<br />

passt die Zahl auf <strong>de</strong>r Geburtsurkun<strong>de</strong> scheinbar gar nicht<br />

zu ihrem Lebensgefühl. Statt sich in ruhiges Fahrwasser zu<br />

begeben, stehen alle drei plötzlich vor <strong>de</strong>r Frage, ob ihre bisherigen<br />

Lebensentwürfe noch tragfähig sind.<br />

Anne Kater (Martina Ge<strong>de</strong>ck) hat im Grun<strong>de</strong> alles: Eine glänzen<strong>de</strong><br />

Karriere als lan<strong>de</strong>sweit gefragte Handchirurgin, Sportwagen<br />

und schickes Haus. Doch die Ehe mit <strong>de</strong>m Lehrer Klaus,<br />

<strong>de</strong>r ihr bei Kin<strong>de</strong>rn und Haushalt jahrelang <strong>de</strong>n Rücken frei gehalten<br />

hat, scheint am En<strong>de</strong>. Unerwartet hat er sie verlassen und<br />

die 17-jährige Tochter Sophie (Michelle Barthel) samt Meerschweinchen<br />

Pinocchio direkt mitgenommen. Was ist schief<br />

gelaufen? Anne ist wie vor <strong>de</strong>n Kopf geschlagen, reagiert verletzt<br />

und in ihrer Eitelkeit gekränkt. Zum anstehen<strong>de</strong>n Chirurgen-<br />

Kongress bucht sie über eine Agentur <strong>de</strong>n männlichen Begleiter<br />

»Josh« (Torben Liebrecht), <strong>de</strong>r gegen Aufpreis durchaus auch<br />

Mehrleistungen erbringt. Was als rein professionelle Beziehung<br />

gedacht ist, um Annes Noch-Ehemann eine Lektion zu erteilen,<br />

wirft Anne emotional aus <strong>de</strong>r Bahn und wird zur verhängnisvollen<br />

Amour Fou.<br />

Charlotte Merian (Johanna Gastdorf) hat sich jahrzehntelang<br />

für ihre Familie aufgerieben. Die drei erwachsenen Söhne<br />

wohnen immer noch zuhause und lassen sich bedienen, Ehemann<br />

Frie<strong>de</strong>r hat Charlotte zusätzlich seine <strong>de</strong>menzkranke<br />

Mutter aufgebür<strong>de</strong>t und alle zusammen fin<strong>de</strong>n es ganz selbstverständlich,<br />

dass nur Charlotte weiß, wo <strong>de</strong>r Staubsauger im<br />

Hause Merian steht. Als sie dann im Bus auch noch als»Oma«<br />

tituliert wird, hat sie endgültig die Nase voll. Charlotte will sich<br />

wie<strong>de</strong>r schön und jung fühlen, viel zu lange hat sie sich aufgeopfert.<br />

Bestärkt von Fiona, macht sie endlich das, was sie immer<br />

schon wollte: Sie geht zum Schönheitschirurgen um sich <strong>de</strong>n<br />

Traum vom perfekten Busen zu erfüllen. Doch es kommt alles<br />

ganz an<strong>de</strong>rs – statt Schönheits-OP wird bei ihr Brustkrebs<br />

diagnostiziert. Mit <strong>de</strong>r Erkrankung vor Augen fin<strong>de</strong>t Charlotte<br />

<strong>de</strong>n Mut aus alten Zwängen auszubrechen. Be<strong>de</strong>utet das, die<br />

Familie und Ehemann Frie<strong>de</strong>r zu verlassen?<br />

Fiona Gutzeit (Leslie Malton), dreimal reich geschie<strong>de</strong>ne<br />

Boutique-Inhaberin, hat ganz an<strong>de</strong>re Probleme. Vor allem ihr<br />

fortschreiten<strong>de</strong>s Alter bereitet <strong>de</strong>r attraktiven Blon<strong>de</strong>n Kopfzerbrechen<br />

und verursacht bei ihrer Gynäkologin Sabine<br />

(Victoria Trauttmansdorff) Kopfschütteln. Mit allen Mitteln<br />

kämpft sie dafür, jung und schön zu bleiben – und endlich <strong>de</strong>n<br />

richtigen Mann zu fin<strong>de</strong>n. Fiona gerät in Panik, dass sie vielleicht<br />

bald nicht mehr begehrt wird und muss sich die Frage stellen,<br />

ob es ihr wirklich ausreicht, nur als Dekostück für einen<br />

Mann wahrgenommen zu wer<strong>de</strong>n. Angesichts von Charlottes<br />

Krankheit begreift Fiona, dass sie ihrem Leben einen eigenen<br />

Sinn geben muss.<br />

Drei Freundinnen vor <strong>de</strong>r wichtigsten Entscheidung ihres<br />

Lebens...


6 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Martina Ge<strong>de</strong>ck<br />

Interview<br />

Was sind für Sie aus schauspielerischer Sicht die interessantesten<br />

Aspekte <strong>de</strong>r Figur Anne Kater?<br />

Beson<strong>de</strong>rs hat mir die Impulsivität dieser Figur gefallen, ihre<br />

Leichtigkeit. Schauspielerisch interessant ist, dass es sehr unterschiedliche<br />

Spielsituationen gibt und damit unterschiedliche<br />

Facetten <strong>de</strong>r Persönlichkeit zum Vorschein kommen können.<br />

Anne hat eigentlich alles: Eine großartige Karriere, ein gutes<br />

Einkommen, Haus und Sportwagen. Tochter und Ehemann bleiben<br />

unterwegs auf <strong>de</strong>r Strecke und verlassen Sie. Denken Sie, das ist<br />

ein typisches Problem von erfolgreichen Frauen in unserer<br />

Gesellschaft?<br />

Im Grun<strong>de</strong> glaube ich nicht, dass dies so ist. In unserem Film haben<br />

wir es ja mit einer fast erwachsenen Tochter zu tun, die ihre eigenen<br />

Wege geht und auch gehen muss. Und <strong>de</strong>r Auszug <strong>de</strong>s Ehemannes<br />

be<strong>de</strong>utet ja nicht zwangsläufig auch das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ehe.


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 7<br />

Martina Ge<strong>de</strong>ck (Anne Kater)<br />

Persönliches: Geboren 1961 in München. Schauspielausbildung von<br />

1982 – 1986 an <strong>de</strong>r Max-Reinhardt-Schule in Berlin. Danach Engagements<br />

am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, <strong>de</strong>m Schauspielhaus<br />

Basel, <strong>de</strong>m Berliner Theater am Kurfürstendamm, <strong>de</strong>m Schauspiel<br />

Frankfurt und <strong>de</strong>n Hamburger Kammerspielen. Start <strong>de</strong>r Filmkarriere<br />

1988 in Dominik Grafs »Die Beute« und »Tiger, Löwe, Panther«. Seit<strong>de</strong>m<br />

zahlreiche Rollen in nationalen und internationalen Film- und<br />

TV-Produktionen. Ge<strong>de</strong>ck ist ehrenamtlich als offizielle Patin <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>r-Hospiz Bethel tätig.<br />

Filme/Fernsehen: »Rossini – o<strong>de</strong>r die mör<strong>de</strong>rische Frage, wer mit wem<br />

schlief« (1997); »Frau Rettich, die Czerni und ich« (1998); »O Palmenbaum«<br />

(2000); »Bella Martha« (2001); »Der Stich <strong>de</strong>s Skorpion« (2003);<br />

»Elementarteilchen« (2005); »Das Leben <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren« (2006); »Der<br />

Baa<strong>de</strong>r Meinhof Komplex« (2008); »Jud Süß – Film ohne Gewissen«<br />

(2010); »Aghet – Ein Völkermord« (2010); »TATORT – Wie einst Lilly«<br />

(2010); u.v.m.<br />

Aktuelles: Bei <strong>de</strong>r Berlinale 2012 feierte Ihr Film »Die Wand« (Buch<br />

und Regie Julian Pölsler) Premiere, außer<strong>de</strong>m dreht sie die internationale<br />

Koproduktion »Die Nonne«.<br />

Auszeichnungen: Im Laufe ihrer Karriere wur<strong>de</strong> Martina Ge<strong>de</strong>ck bislang<br />

zahlreich ausgezeichnet, darunter u.a. <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfilmpreis für<br />

darstellerische Leistungen in »Rossini – o<strong>de</strong>r die mör<strong>de</strong>rische Frage,<br />

wer mit wem schlief« sowie »Das Leben ist eine Baustelle« (1997); Der<br />

Adolf-Grimme-Preis für »Rossini – o<strong>de</strong>r die mör<strong>de</strong>rische Frage, wer<br />

mit wem schlief« sowie »Bella Block – Tod eines Mädchens« (1998);<br />

Deutscher Filmpreis »Beste Hauptdarstellerin« in »Bella Martha« (2002);<br />

Die Gol<strong>de</strong>ne Kamera als »Beste <strong>de</strong>utsche Schauspielerin« (2003);<br />

Deutscher Fernsehpreis als »Beste Schauspielerin« in »Hunger auf<br />

Leben« (2004); Bayerischer Filmpreis »Beste Schauspielerin« für »Meine<br />

schöne Bescherung« (2007). Außer<strong>de</strong>m erhielt Martina Ge<strong>de</strong>ck im Jahr<br />

2011 einen Stern auf <strong>de</strong>m Boulevard <strong>de</strong>r Stars in Berlin.<br />

Anne setzt mit ihrer verrückten Liebe zu Josh ihren Ruf und ihre<br />

Karriere aufs Spiel. Können Sie nachvollziehen, warum vermeintlich<br />

starke Frauen empfänglich für Liebesbekundungen von<br />

zweifelhaften Männern sind?<br />

Ich bezweifle, dass die Mehrheit <strong>de</strong>r erfolgreichen Frauen so ist.<br />

Letztlich ist die Wahl <strong>de</strong>r Beziehung eng verknüpft mit Persönlichkeit<br />

und Intelligenz.<br />

Zusammen mit Ihren Schauspiel-Kolleginnen Leslie Malton und<br />

Johanna Gastdorf spielen Sie drei eng verbun<strong>de</strong>ne Freundinnen,<br />

die zwar völlig unterschiedlich sind, sich aber in <strong>de</strong>r Not fest zur<br />

Seite stehen. Was macht diese Freundschaft aus?<br />

Hier wird ganz <strong>de</strong>utlich, dass trotz <strong>de</strong>r ganz unterschiedlichen<br />

Umstän<strong>de</strong> und Lebensstrukturen die Freundschaft stabil ist. Die<br />

drei mögen sich gern und das hat Bestand, auch wenn o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong><br />

weil sie so verschie<strong>de</strong>n sind.<br />

»<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« ist extrem weiblich geprägt, angefangen von<br />

<strong>de</strong>r Drehbuchautorin über die Produzentin und allen voran<br />

drei starken Protagonistinnen. Ganz ehrlich, hatte es Regisseur<br />

Matthias Tiefenbacher»allein unter Frauen« immer leicht mit<br />

Ihnen?<br />

Die Arbeit mit Matthias Tiefenbacher hat mir sehr gefallen.<br />

Trotz eng gestecktem Zeitplan ist das Spielerische nicht zu kurz<br />

gekommen, es wur<strong>de</strong> probiert und improvisiert und hat viel<br />

Spaß gemacht. Ich habe größtenteils mit männlichen Kollegen<br />

gespielt, Torben Liebrecht (»Josh«) und Michael Wittenborn<br />

(»Klaus Kater«), nicht zu vergessen meine unmittelbaren Arbeitspartner<br />

am Set – Kameramann Klaus Merkel, Maskenbildner<br />

Markus Scharping und Tonmann Andreas Wölki. So betrachtet<br />

war ich eher»allein unter Männern«.


8 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Johanna Gastdorf<br />

Interview<br />

Im Gegensatz zu ihren bei<strong>de</strong>n Freundinnen Anne und Fiona<br />

ist Charlotte eher <strong>de</strong>r unauffällige Frauentyp. Was hat Sie an <strong>de</strong>r<br />

Rolle beson<strong>de</strong>rs interessiert?<br />

Natürlich ihre Geschichte! Die Entwicklung, die sie durchmacht,<br />

ihr Umgang mit <strong>de</strong>r Krankheit, ihr Humor – ach, einfach eine<br />

tolle Rolle!<br />

Die Schreckensvision je<strong>de</strong>r Frau – im Bus sagt plötzlich ein Kind<br />

»Oma« zu Dir. Charlotte passiert genau das. Was löst dieser<br />

Moment in <strong>de</strong>r Figur aus?<br />

Es ist zwar nur ein winziger Auslöser, aber er führt zur Konfrontation<br />

mit allem, was in Charlottes Leben nicht stimmt. Zur<br />

Erkenntnis, dass sie tatsächlich überall zu kurz kommt. Meiner<br />

Mutter ist übrigens genau das passiert, etwas älter als Charlotte<br />

im Film, auch sie war tief getroffen. So ein kleiner Ausspruch<br />

taugt tatsächlich zu einem Schlüsselerlebnis: Als käme das<br />

Altern auf Knopfdruck und gänzlich unerwartet über uns.


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 9<br />

Johanna Gastdorf (Charlotte Merian)<br />

Persönliches: Geboren 1959 in Hamburg. Schauspielstudium an <strong>de</strong>r<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover, ab 1982 Engagement<br />

am Staatstheater Hannover. Anschließend ab 1993 Stationen am<br />

Bayerischen Staatsschauspiel München und von 2000 – 2005 am<br />

Schauspielhaus Bochum. Leinwand<strong>de</strong>büt 1994 in Maris Pfeiffers<br />

Komödie »Heirate mich«.<br />

Filme/Fernsehen: «Das Wun<strong>de</strong>r von Bern« (2003); »Sophie Scholl –<br />

Die letzten Tage« (2005); »Der Untergang <strong>de</strong>r Pamir« (2006); »Die<br />

Wölfe« (2007); »Die Welle (2007); »Ein Mann, Ein Fjord« (2008); »Frau<br />

Böhm sagt nein« (2009); »TATORT – Schweinegeld« (2009); »Es war<br />

einer von uns« (2010); »Männer ticken, Frauen an<strong>de</strong>rs« (2011); »Unsere<br />

Mütter, unsere Väter« (2011).<br />

Auszeichungen: Bayerischer Filmpreis für die beste weibliche Nebenrolle<br />

in »Das Wun<strong>de</strong>r von Bern« (2004); Nominierung Deutscher Filmpreis<br />

für »Das Wun<strong>de</strong>r von Bern« (2004); Adolf-Grimme-Preis für<br />

»Polizeiruf 110 – Kleine Frau« (2006).<br />

Als Charlotte durch <strong>de</strong>n Brustkrebs eine Totaloperation hinter<br />

sich bringt, ist sie es, die ihre verstörten Freundinnen tröstet. Wo<br />

nimmt sie diese Stärke her?<br />

Ich <strong>de</strong>nke, sie übernimmt ganz selbstverständlich die Rolle, die<br />

sie in dieser Dreierkonstellation schon immer innehatte. Eine war<br />

immer die Bo<strong>de</strong>nständige, Vernünftige und letztlich – in <strong>de</strong>r Not –<br />

die Stärkste – und das war sie.<br />

Jahrelang hat Charlotte für Ehemann Frie<strong>de</strong>r, die nunmehr erwachsenen<br />

drei Söhne und ihre <strong>de</strong>menzkranke Schwiegermutter<br />

gesorgt. Statt sich nun in ihrer Krankheit von ihrem Mann<br />

umsorgen zu lassen, wählt sie <strong>de</strong>n Weg raus aus <strong>de</strong>r Familie.<br />

Können Sie diesen Schritt Ihrer Filmfigur nachvollziehen?<br />

Aber Ja! Sie rettet schlicht und einfach ihr Leben. Ich habe –<br />

auch im näheren Umfeld – festgestellt, dass Frauen unerwartet<br />

kompromisslos und entschie<strong>de</strong>n ihre Lebensweise korrigieren.<br />

Angesichts <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s relativiert sich so Vieles. Es gibt einen<br />

schönen indianischen Spruch: »Man sollte bei je<strong>de</strong>r wichtigen<br />

Entscheidung <strong>de</strong>n eigenen Tod zu Rate ziehen. Er ist generell<br />

anwesend, eine Armeslänge links von uns.« Mit <strong>de</strong>r Diagnose<br />

Krebs wird aus so einem Satz schlicht Realität und in <strong>de</strong>r Regel<br />

beginnen wir eben erst dann ihn auch umzusetzen.<br />

Trotz Familientrott und Krebserkrankung, Charlotte scheint mit<br />

einem unverwüstlichen Humor ausgerüstet zu sein. Sind Sie<br />

selbst auch jemand, <strong>de</strong>r in schwierigen Situationen das Lachen<br />

nicht verlernt?<br />

Ich hoffe, dass es so ist. Bisher ist mir ein Schlag von diesem Ausmaß<br />

erspart geblieben. Allerdings haben Matthias Tiefenbacher<br />

und ich die Figur Charlotte schon sehr nah bei mir angesie<strong>de</strong>lt.<br />

Ich bin begeistert von humorvollen Menschen und freue mich<br />

immer sehr, wenn man ihn mir auch zuschreibt.


10 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Leslie Malton<br />

Interview<br />

Ihre Rolle »Fiona Gutzeit« ist <strong>de</strong>r Paradiesvogel unter <strong>de</strong>n drei<br />

Freundinnen. Was macht Ihnen die Rolle so sympathisch?<br />

Wie bei vielen Frauen ist ihr Liebesleben ziemlich chaotisch. Ihr<br />

fehlt die innere Balance. Das weiß sie auch und trotz<strong>de</strong>m kann<br />

sie nicht aus dieser Schleife raus. Sie möchte nicht alleine sein,<br />

hätte so gern <strong>de</strong>n Richtigen an ihrer Seite und versucht, ihn mit<br />

Charme und einer Portion Verzweiflung zu fin<strong>de</strong>n. Aber das<br />

Sympathischste an ihr ist, dass sie immer für ihre Freundinnen<br />

da ist und bereit ist, alles für sie zu tun, damit sie glücklich sind.<br />

Die Freundinnen geben ihr <strong>de</strong>n Halt und die innere Balance und<br />

sie gibt ihnen dasselbe zurück. Sie ist klug und stabil, wenn es<br />

um das Wohl ihrer Freun<strong>de</strong> geht.<br />

Der Zuschauer hat <strong>de</strong>n Eindruck, Fiona rennt stets ihrer Jugend<br />

hinterher, um dann doch festzustellen, dass sie diese nicht zurückbekommen<br />

kann. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?<br />

Für mich persönlich kann ich diese Haltung nicht nachvollziehen.<br />

Als Schauspielerin schon. Permanent wird Frauen suggeriert,<br />

um ihren Kerl zu bekommen, müssen sie die männlichen Sehn-


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 11<br />

Leslie Malton (Fiona Gutzeit)<br />

Persönliches: Geboren 1958 in Washington D.C., USA, Abitur in Wien.<br />

Schauspielausbildung am Emerson College, Boston und Royal Aca<strong>de</strong>my<br />

of Dramatic Art, London. 1985 Engagement am Wiener Burgtheater.<br />

TV-Durchbruch 1990/91 mit »Der Große Bellheim«. Sie arbeitet ehrenamtlich<br />

für »ChildFund« und war zwei Jahre lang stellvertreten<strong>de</strong><br />

Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sektion »Schauspiel« an <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Filmaka<strong>de</strong>mie.<br />

Film/Fernsehen: »Der große Bellheim« (1990/91); »Donna Leon – Venezianisches<br />

Finale« (2002); »TATORT – Veras Waffen« (2004); »Neun<br />

Szenen« (2005); »FC Venus« (2005); »Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vertreibung – O<strong>de</strong>rland«<br />

(2006); »Renn, wenn Du kannst« (2009); »Tante Inge haut ab«<br />

(2010); »Familie Fröhlich – Schlimmer geht immer« (2010).<br />

Auszeichnungen: unter an<strong>de</strong>rem Charlie Chaplin Schuh (1985); Die<br />

Gol<strong>de</strong>ne Kamera (1990); Bayerischer Filmpreis (1993); Publikumspreis<br />

Mannheimer Filmfest für »Neun Szenen« (2006).<br />

suchtsobjekte und I<strong>de</strong>ale erfüllen: Kindfrau, Mädchen, Girlie<br />

und Lolita. Wenn Frau etwas unsicher ist, dann läuft sie diesen<br />

Bil<strong>de</strong>rn hinterher. Was diese Bil<strong>de</strong>r uns aber eigentlich sagen ist,<br />

dass die Männer, die sich solche Frauen wünschen, selber unsicher<br />

sind in Gegenwart einer Frau.<br />

Noch vor nicht allzu langer Zeit war eine Frau mit 50 alt. Heute<br />

haben wir oftmals dann gera<strong>de</strong> erst unsere eigenen Kin<strong>de</strong>r aus<br />

<strong>de</strong>m Gröbsten raus, stehen mitten im Leben und im Job. Warum,<br />

glauben Sie, haben Frauen <strong>de</strong>nnoch häufig so eine große Angst<br />

vor <strong>de</strong>r magischen 50?<br />

Als erstes hat es gewiss mit <strong>de</strong>m Wechsel zu tun. Damit en<strong>de</strong>t<br />

eine ganz wichtige Phase in <strong>de</strong>m Leben einer Frau. Unwie<strong>de</strong>rbringlich.<br />

Und das kann Angst machen. Aber das Bewusstsein<br />

<strong>de</strong>r Frau ist gestiegen und sie weiß, dass sie heute mit 50 noch<br />

nicht »alt« ist. Es hängt ja sowieso immer mit <strong>de</strong>m inneren<br />

Gefühl zusammen. Heute weiß Frau, dass sie mit 50 noch richtig<br />

gut aussehen und unendlich vieles erreichen kann.<br />

In »Sex and the City« sagt Carrie Bradshaw: »Mit 20 bist Du<br />

noch unerfahren, in <strong>de</strong>n Dreißigern lernst Du Deine Lektionen, in<br />

<strong>de</strong>n Vierzigern zahlst Du selbst für Deine Drinks«… wie könnte<br />

man diese Aussage für die Fünfziger fortführen?<br />

In <strong>de</strong>n Fünfzigern lässt Du Dir die Drinks bezahlen und gehst<br />

allein nach Hause, wenn Dir danach ist.<br />

Gab es Situationen während <strong>de</strong>s Drehs, bei <strong>de</strong>nen Sie über sich<br />

selbst herzlich lachen mussten? Wenn ja, welche?<br />

Klar. Weiß ich gar nicht mehr. Das Lachen war ein steter Begleiter.<br />

Fiona, Anne und Charlotte sind beste Freundinnen – wie wichtig<br />

sind Ihnen beste Freundinnen?<br />

Diese Bezeichnung än<strong>de</strong>rt sich mit <strong>de</strong>r Zeit. Früher war die beste<br />

Freundin diejenige, mit <strong>de</strong>r täglich nach <strong>de</strong>r Schule telefoniert<br />

wur<strong>de</strong> und mit <strong>de</strong>r man alles gemeinsam machte. Das ist an<strong>de</strong>rs<br />

gewor<strong>de</strong>n. Die Liebe zu meinen Freundinnen geht viel tiefer als<br />

früher und sie übersteht auch lange Pausen, die berufsbedingt<br />

sind. Meine Freundinnen sind mir wichtig, sehr.


12 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

Torben Liebrecht<br />

Interview<br />

In »<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« spielen Sie einen professionellen männlichen<br />

Begleiter, <strong>de</strong>r gegen Aufpreis auch Mehrleistungen erbringt.<br />

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?<br />

Wie bei je<strong>de</strong>r Figur ging es für mich auch bei Josh, bzw. Martin<br />

zuerst darum, zu begreifen, was für Ängste, Wünsche und Sehnsüchte<br />

er hat. Warum er also in bestimmten Situationen so<br />

reagiert, han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r eben nicht han<strong>de</strong>lt, wie er es im Film tut.<br />

Das Beson<strong>de</strong>re an »<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« war, darüber hinaus Grün<strong>de</strong><br />

zu fin<strong>de</strong>n, warum jemand frem<strong>de</strong>n Menschen gegen Geld (fast)<br />

alles von sich zur Verfügung stellt. Ich glaube, dass so etwas,<br />

wenn überhaupt, nur dann geht, wenn man einen Teil seines Ichs<br />

abspaltet, und selbst dann nur für eine sehr begrenzte Zeit.<br />

Dass aber die Seele daran keinen langfristigen Scha<strong>de</strong>n nimmt,<br />

kann ich mir nicht vorstellen. Letztendlich ist auch dies ein Teil<br />

von Joshs Drama.<br />

Wie weit ist die Figur »Josh« von Ihnen entfernt?<br />

Im Grundsatz muss ich versuchen, all seine Motivationen und<br />

sein Han<strong>de</strong>ln nachzuvollziehen und mich damit zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Ansonsten entsteht eine für <strong>de</strong>n Zuschauer spürbare Distanz, die<br />

<strong>de</strong>r Figur und letztlich auch <strong>de</strong>m Film scha<strong>de</strong>t. Wie ich als Privat-


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 13<br />

Torben Liebrecht (»Josh« Martin Hofer)<br />

Persönliches: Geboren 1977 in Reinbek bei Hamburg. Nach <strong>de</strong>m Abitur<br />

Studium <strong>de</strong>r Film- und Fernsehregie/Masterclass Werbung an <strong>de</strong>r<br />

Hochschule für Film und Fernsehen München. Arbeitet als Schauspieler,<br />

Regisseur und Drehbuchautor. Fernseh<strong>de</strong>büt als Schauspieler<br />

in »Angeschlagen« von Matti Geschonneck.<br />

Filme/Fernsehen: »Angeschlagen« (1996); »Monsignor Renard« (1999);<br />

»Die Manns – Ein Jahrhun<strong>de</strong>rtroman« (2000); »Jud Süss – Ein Film<br />

als Verbrechen« (2000); »Tattoo« (2001); »Eiskalte Freun<strong>de</strong>« (2002);<br />

»Luther« (2002); »Wahrheit o<strong>de</strong>r Pflicht« (2003); »Beyond the Sea«<br />

(2003); »Rose« (2005); »Die Patin« (2007); »Lulu und Jimmi« (2007);<br />

»Dr. Hope – eine Frau gibt nicht auf« (2008); »Das Wun<strong>de</strong>r von<br />

Merching« (2010); »Kommissar Stolberg – Familienban<strong>de</strong>« (2010);<br />

»Danni Lowinski – Falsche Wahl« (2011).<br />

person <strong>de</strong>m Charakter Josh gegenüberstehe, steht wie<strong>de</strong>rum<br />

auf einem ganz an<strong>de</strong>ren Blatt. Ich kann sicherlich große Teile<br />

seiner Sehnsüchte und seiner Verzweiflung verstehen. Ansonsten<br />

liegen jedoch Lichtjahre zwischen uns.<br />

Auf <strong>de</strong>r einen Seite ist »Josh« ein einfühlsamer Geliebter, auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite erscheint er kaltblütig. Wo sehen Sie <strong>de</strong>n Bruch<br />

im Charakter Ihrer Rolle?<br />

Josh ist zugleich auch ein verzweifelter Mensch, <strong>de</strong>r – wenn<br />

auch auf sehr fragwürdige Weise – versucht, einen endgültigen<br />

Bruch zu Anne zu erzeugen, als er erkennt, dass er sich verliebt<br />

hat, es aber niemals eine gleichberechtigte Beziehung sein kann.<br />

Das Drehbuch hat, was die Psychodynamiken <strong>de</strong>r Figuren angeht,<br />

sehr viel Unterbau und gesteht Ihnen glücklicherweise viel Ambivalenz<br />

zu. Etwas zutiefst Menschliches, das viele Bücher aufgrund<br />

von mangeln<strong>de</strong>m Vertrauen in das Publikum lei<strong>de</strong>r allzu<br />

oft vermissen lassen. Dabei gibt es doch nichts Spannen<strong>de</strong>res als<br />

Filme, die es <strong>de</strong>m Zuschauer erlauben, sich sein ganz eigenes Bild<br />

zu machen. Und »<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« gehört für mich <strong>de</strong>finitiv in<br />

diese wun<strong>de</strong>rbare Kategorie.<br />

Können Sie das Frauenbild, das »Josh« hat, beschreiben?<br />

Genauso wie es <strong>de</strong>n privaten Martin und <strong>de</strong>n professionellen<br />

Josh gibt, glaube ich, dass es da eine ganz klare Unterscheidung<br />

zwischen <strong>de</strong>r Frau als Mensch und <strong>de</strong>r Frau als Kundin gibt. Und<br />

in <strong>de</strong>m Moment, wo bei<strong>de</strong>s sich wie bei Anne vermengt, wird es<br />

hochproblematisch. Josh verliert die Kontrolle über die Situation<br />

und über seine Emotionen, <strong>de</strong>n Bereich also, <strong>de</strong>r nicht käuflich<br />

ist. Umgekehrt muss er sich aber auch immer wie<strong>de</strong>r fragen, ob<br />

es Anne letztendlich gelingen kann, ihn ganz als <strong>de</strong>n Menschen<br />

Martin zu sehen. Ihn also nicht – ob bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst –<br />

wie das Objekt zu behan<strong>de</strong>ln, zu <strong>de</strong>m er sich selbst von Berufs<br />

wegen immer wie<strong>de</strong>r macht, bzw. machen lässt. Die spannen<strong>de</strong><br />

Frage, die <strong>de</strong>r Film hier aufwirft, ist die, ob und was für eine Perspektive<br />

eine solche Verbindung haben kann.<br />

Was, glauben Sie, motiviert erfolgreiche, gestan<strong>de</strong>ne Frauen<br />

einen Mann wie »Josh« zu engagieren?<br />

Diese Frage wer<strong>de</strong>n wohl nur besagte Frauen beantworten<br />

können. Ich bin mir sicher, dass je<strong>de</strong> einzelne ihre ganz eigene<br />

Antwort darauf hat.


14 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>


<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong> | 15<br />

»<strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong>« ist eine Produktion <strong>de</strong>r Relevant Film, Produzentin Heike Wiehle-Timm,<br />

im Auftrag <strong>de</strong>s West<strong>de</strong>utschen Rundfunks Köln.


16 | <strong>Halbe</strong> <strong>Hun<strong>de</strong>rt</strong><br />

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Dieses Presseheft ist unter www.presse.wdr.<strong>de</strong><br />

für Journalisten abrufbar.<br />

Impressum<br />

Herausgegeben vom West<strong>de</strong>utschen Rundfunk Köln<br />

Presse und Information, Appellhofplatz 1, 50667 Köln<br />

Postanschrift 50600 Köln<br />

Redaktion:<br />

Barbara Feiereis<br />

Bildkommunikation: Jürgen Dürrwald<br />

Texte: agentur 67<br />

Fotos:<br />

<strong>WDR</strong>/Thomas Kost<br />

Gestaltung:<br />

<strong>WDR</strong> GMG print<strong>de</strong>sign<br />

Druck:<br />

Kettler Druck<br />

Pressekontakt<br />

Barbara Feiereis<br />

<strong>WDR</strong> Presse und Information<br />

Telefon: (0221) 220 7122<br />

E-Mail: barbara.feiereis@wdr.<strong>de</strong><br />

Presseheft <strong>de</strong>s <strong>WDR</strong>.<br />

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