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Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...

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Diesem Hinweis würde wohl kein Konstruktivist widersprechen. Es sollte betont werden, dass<br />

der <strong>Konstruktivismus</strong> die Frage nach der Existenz einer objektiven, äußeren, deutungs- <strong>und</strong><br />

strukturabhängigen Realität meist offen lässt. Dem radikalen <strong>Konstruktivismus</strong> wird oft zu<br />

Unrecht vorgeworfen, dass er die Existenz der Wirklichkeit leugne. 87 „Radikal bezweifelt wird<br />

lediglich deren auch nur scheinbare objektive Erkennbarkeit.“ 88 Der <strong>Konstruktivismus</strong> sagt<br />

nicht mehr <strong>und</strong> nicht weniger als Folgendes: Die objektive Wirklichkeit ist der menschlichen<br />

Kognition nicht zugänglich. Ernst von Glasersfeld betont, dass der radikale <strong>Konstruktivismus</strong><br />

nicht die Wirklichkeit leugnet, sondern nur sagt, dass alle meine Aussagen über diese<br />

Wirklichkeit voll <strong>und</strong> ganz mein Erleben sind. 89 Bestritten wird also lediglich, dass die Welt an<br />

sich erfassbar ist. Rusch geht einen Schritt weiter, wenn er sagt, dass ein positives Wissen über<br />

Realität auch in konstruktivistischer Gesinnung nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann,<br />

sondern dass lediglich ausgeschlossen ist, ein Wissen über die Realität als positives Wissen<br />

über die Realität zu begründen. 90 Aus konstruktivistischer Sicht kann also weder die Existenz<br />

noch die Nicht-Existenz einer objektiven Realität behauptet werden. 91 Deshalb werden<br />

Aussagen über die Realität der Realität bzw. die Erkennbarkeit der Realität als Realität, die <strong>im</strong><br />

ontologischen Paradigma als selbstverständlich vorausgesetzt werden, <strong>im</strong> <strong>Konstruktivismus</strong><br />

gemieden. 92<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang ist ebenfalls, dass die konstruktivistische Erkenntnistheorie<br />

eine Kognitionstheorie ist. D.h. die traditionelle erkenntnistheoretische Frage nach Inhalt <strong>und</strong><br />

Gegenstand von Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewusstsein wird ersetzt durch die Frage nach dem Wie.<br />

Es wird sich auf den Erkenntnisvorgang (<strong>und</strong> dessen Wirkungen <strong>und</strong> Ergebnisse) konzentriert.<br />

Nicht Was-Fragen, sondern Wie-Fragen stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt. Fragen wie Was erkenne ich?<br />

sind dem Konstruktivisten zufolge unergiebig, deshalb ist es angebracht, sich eher der Frage<br />

Wie erkenne ich? zuzuwenden. 93 Vor allem von Glasersfeld unterstreicht <strong>im</strong>mer wieder, dass<br />

der <strong>Konstruktivismus</strong> keine Theorie des Seins, also keine Ontologie ist, sondern eine Theorie<br />

des Wissens, eine Epistemologie. Behauptungsansprüche, die die Dinge an sich betreffen,<br />

werden <strong>im</strong> <strong>Konstruktivismus</strong> nicht gestellt. 94<br />

87 Vgl. MENDL 2005b, 13; KLEIN 2003, 34. Aus diesem Gr<strong>und</strong> geht Klein sogar so weit, den <strong>Konstruktivismus</strong> in<br />

einem gewissen Sinn als Realismus zu sehen. Ähnlich auch MATEJA 1994, 20; ENGLER 2004, 297.<br />

88 MENDL 2005b, 13.<br />

89 Vgl. SCHMIDT 1987a, 35; RUSCH 1999, 15.<br />

90 Vgl. RUSCH 1999, 15.<br />

91 Vgl. LAMPE 1998, 30.<br />

92 Vgl. FRESACHER 2000, 376.<br />

93 Vgl. WALLICH 1999, 52.<br />

94 Vgl. WALLICH 1999, 231.<br />

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