Konstruktivismus, Theologie und Wahrheit - Religionslehrer im ...
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4.2 <strong>Theologie</strong>, <strong>Wahrheit</strong> <strong>und</strong> Offenbarung<br />
Die Sehnsucht nach <strong>Wahrheit</strong> <strong>und</strong> das Bemühen um deren Erkenntnis ist zutiefst menschlich.<br />
Gerade <strong>im</strong> religiösen Bereich steht die <strong>Wahrheit</strong>sfrage <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong>: Was ist <strong>Wahrheit</strong>?<br />
Kann ich sie erkennen? Lebe ich in der <strong>Wahrheit</strong>? 145 Aus diesem Gr<strong>und</strong> spielt die<br />
<strong>Wahrheit</strong>sfrage auch in der <strong>Theologie</strong> eine wesentliche Rolle. In diesem Kapitel möchten wir<br />
nun das oben erläuterte konstruktivistische <strong>Wahrheit</strong>sverständnis mit dem<br />
<strong>Wahrheit</strong>sverständnis in der <strong>Theologie</strong> konfrontieren.<br />
In der päpstlichen Enzyklika „Veritatis splendor“ von 1992 heißt es: „Wir können keine<br />
Freiheit <strong>im</strong> Gegensatz zum Lehramt der Kirche als legit<strong>im</strong> zulassen.“ 146 Hier wird H. Koch<br />
zufolge „in allen ethischen Fragen vollständiger <strong>und</strong> nicht mehr hinterfragbarer Besitz der<br />
<strong>Wahrheit</strong> beansprucht“ 147 . Es ist ebenfalls allgemein bekannt, dass Papst Benedikt XVI., vor<br />
allem als Joseph Ratzinger in seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation den<br />
„Relativismus“ <strong>im</strong>mer wieder scharf kritisiert hat. Unter Relativismus versteht er erstens den in<br />
den demokratischen Gesellschaften vorhandenen Pluralismus, der ihm „als die philosophische<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Demokratie [erscheint], die eben darauf beruhe, dass niemand in Anspruch<br />
nehmen dürfe, den richtigen Weg zu kennen“, <strong>und</strong> der bedeute, dass „alle Wege einander<br />
Bruchstücke des Versuchs zum Besseren hin“ zu betrachten seien. 148 Unter Relativismus<br />
versteht er zweitens den politischen Relativismus, der sich auf dem Gebiet der <strong>Theologie</strong> unter<br />
der Form der pluralistischen Religionstheologie äußert. Während Ratzinger eine relativistische<br />
Gr<strong>und</strong>einstellung <strong>im</strong> Bereich des Politischen gutheißt – „Die einzig richtige politische Option<br />
gibt es nicht.“ 149 –, lehnt er die Anwendung der relativistischen Position auf den Bereich der<br />
Religion (<strong>und</strong> der Ethik) entschieden ab, weil der eigene Glaube auf eine Stufe mit<br />
Überzeugungen der Anderen gesetzt wird <strong>und</strong> ihm nicht mehr <strong>Wahrheit</strong> zugestanden wird als<br />
der Position des Anderen <strong>und</strong> dadurch Kirche, Dogma, Sakramente <strong>und</strong> Christus ihre<br />
Unbedingtheit verlieren. 150 „Ein Glaube, den wir selbst festlegen können, ist überhaupt kein<br />
Glaube. Und keine Minderheit hat einen Gr<strong>und</strong>, sich durch eine Mehrheit Glauben<br />
vorschreiben zu lassen. Der Glaube <strong>und</strong> seine Praxis kommen entweder vom Herrn her durch<br />
die Kirche <strong>und</strong> ihre sakramentalen Dienste zu uns, oder es gibt ihn gar nicht.“ 151 Daraus kann<br />
145 Vgl. HROMADKA 1996, 256.<br />
146 Zit. bei KOCH, 207.<br />
147 KOCH, 207.<br />
148 RATZINGER 2004, 95.<br />
149 RATZINGER 2004, 95.<br />
150 Vgl. RATZINGER 2004, 97.<br />
151 RATZINGER 2004, 105.<br />
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