1 6. Stunde: Lösung Fall 1: Anspruch K gegen V auf Herausgabe ...
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Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
<strong>6.</strong> <strong>Stunde</strong>:<br />
Lösung <strong>Fall</strong> 1:<br />
<strong>Anspruch</strong> K <strong>gegen</strong> V <strong>auf</strong> <strong>Herausgabe</strong> des Erlangten nach § 812 I S.1, Var.1 BGB 1<br />
K könnte <strong>gegen</strong> V einen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Rückzahlung des K<strong>auf</strong>preises aus § 812 I S.1, Var.1 2<br />
haben.<br />
I. <strong>Anspruch</strong> entstanden<br />
Dann müsste zunächst ein solcher <strong>Anspruch</strong> entstanden sein. Dies setzt voraus, dass V<br />
etwas durch Leistung des K ohne Rechtsgrund erlangt hat.<br />
1. Etwas erlangt<br />
V hat Eigentum und Besitz am K<strong>auf</strong>preis erlangt.<br />
2. Durch Leistung<br />
Definition: Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden<br />
Vermögens. Hier (+).<br />
3. Ohne Rechtsgrund<br />
Der Rechtsgrund fehlt, wenn der Vertrag, <strong>auf</strong> den hin geleistet wurde, nicht wirksam<br />
zustande gekommen ist. Fraglich ist also, ob zwischen K und V ein wirksamer<br />
K<strong>auf</strong>vertrag bestand.<br />
a. K<strong>auf</strong>vertrag<br />
Ein K<strong>auf</strong>vertrag nach § 433 kommt durch zwei übereinstimmende, mit Bezug<br />
<strong>auf</strong>einander abgegebene Willenserklärungen, das Angebot und die Annahme,<br />
zustande. Es muss daher zunächst ein Angebot vorliegen.<br />
aa. Angebot durch Ausstellen des Schrankes<br />
V gab durch die Ausstellung zu erkennen, dass er daran interessiert war,<br />
den Schrank zu verk<strong>auf</strong>en. Ein Angebot muss so ausgestaltet sein, dass es<br />
durch bloße Zustimmung angenommen werden kann. Es muss insbesondere<br />
die wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten. Nach § 433 I S.1 sind bei<br />
einem K<strong>auf</strong>vertrag die K<strong>auf</strong>sache, der K<strong>auf</strong>preis sowie die Vertragsparteien<br />
die wesentlichen Vertragsbestandteile. Für A war ohne Nachfrage nicht<br />
erkennbar, zu welchem K<strong>auf</strong>preis V den Schrank verk<strong>auf</strong>en wollte, er konnte<br />
nicht durch bloße Zustimmung den Abschluss eines K<strong>auf</strong>vertrages<br />
herbeiführen. Das Ausstellen des Schrankes war daher kein Angebot.<br />
bb. Angebot des K<br />
Ein Angebot könnte der K abgegeben haben, als er bei V nach dem Preis<br />
fragte. Auch hier müsste das Angebot die wesentlichen Vertragsbestandteile<br />
beinhalten, so dass V allein durch Zustimmung den Vertragsschluss<br />
herbeiführen könnte. K bot dem V nicht an, den Schrank zu einem<br />
bestimmten Preis k<strong>auf</strong>en zu wollen, sondern fragte ihn, welchen Preis er für<br />
den Schrank verlange. K fordert somit den V seinerseits zur Abgabe eines<br />
Angebotes <strong>auf</strong>, gibt selbst aber kein Angebot ab.<br />
cc. Angebot des V<br />
1<br />
1 Alle folgenden Paragraphen ohne Bezeichnung sind solche des BGB.<br />
2 Im <strong>Fall</strong> der Anfechtung ist strittig, ob anstelle von § 812 I S.1 Var.1 besser § 812 I S.2 Var.1 als <strong>Anspruch</strong>sgrundlage<br />
anzuwenden wäre. Die ex‐tunc‐Wirkung gemäß § 142 I spricht eher für § 812 I S.1 Var.1 Der Streit<br />
wird selten für das Ergebnis relevant.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
Auf die Aufforderung des K könnte V ein Angebot abgegeben haben, das auch<br />
den von ihm geforderten K<strong>auf</strong>preis enthalten haben könnte. Laut Sachverhalt<br />
erklärte sich V mit dem K<strong>auf</strong>preis von 2.000 € einverstanden, was dar<strong>auf</strong><br />
schließen lässt, dass K diesen Preis vorgeschlagen hat. Es ist somit<br />
anzunehmen, dass V ein Angebot abgab, K aber nicht mit dem geforderten<br />
K<strong>auf</strong>preis einverstanden war und seinerseits einen Preis nannte, den er zu<br />
zahlen bereit wäre.<br />
dd. Erneuter Antrag durch abgeänderter Annahme<br />
Nach § 150 II gilt die Annahme eines Angebotes unter Erweiterungen,<br />
Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung verbunden mit<br />
einem neuen Antrag. K nennt dem V seinerseits einen ihm genehmen Preis.<br />
Damit lehnt er das Angebot des V ab und erklärt selbst einen neuen Antrag,<br />
den der V wiederum annehmen kann.<br />
ee. Annahme<br />
V müsste ein Angebot des K angenommen haben. V erklärte sich mit dem<br />
K<strong>auf</strong>preis vorbehaltlos einverstanden. Hierdurch erfolgte durch ihn die<br />
Annahme.<br />
ff. Ergebnis<br />
Das Angebot des K und die Annahme des V müssten sich inhaltlich decken. K<br />
bot den K<strong>auf</strong> des Schrankes zum Preis von 2.000 € an, V erklärte sich damit<br />
ohne Einschränkung einverstanden. Die beiden Willenserklärungen deckten<br />
sich objektiv, es lag ein Konsens vor. Zwischen K und V kam somit zunächst<br />
ein K<strong>auf</strong>vertrag über den Schrank zum K<strong>auf</strong>preis von 2.000 € zustande.<br />
b. Wirksamkeit<br />
Der Vertrag könnte jedoch wegen Anfechtung gemäß § 142 I von Anfang an<br />
nichtig sein. Dazu müssten die Voraussetzungen der Anfechtung vorliegen.<br />
aa. Zulässigkeit<br />
Der Zulässigkeit steht nichts ent<strong>gegen</strong>.<br />
bb. Anfechtungsgrund<br />
Dazu müsste weiterhin ein Anfechtungsgrund vorliegen.<br />
(1) Inhaltsirrtum § 119 I Var.1<br />
K könnte nach § 119 I Var.1 den K<strong>auf</strong>vertrag anfechten, wenn ihm ein<br />
Inhaltsirrtum unterl<strong>auf</strong>en ist. Dies wäre dann der <strong>Fall</strong>, wenn er nach<br />
außen etwas anderes erklärt hätte, als er subjektiv wollte, weil er die<br />
inhaltliche Bedeutung seiner Erklärung verkannte. K wollte den Schrank<br />
zum Preis von 2.000 € von V k<strong>auf</strong>en. Dies hat er dem V <strong>gegen</strong>über auch<br />
erklärt. Ein Inhaltsirrtum liegt nicht vor, somit auch kein<br />
Anfechtungsrecht nach § 119 I Var.1.<br />
(2) Erklärungsirrtum § 119 I Var.2<br />
K wäre nach § 119 I Var.2 zur Anfechtung berechtigt, wenn er eine von<br />
seinem inneren Willen abweichende Erklärung abgegeben hat, weil er<br />
ungewollte Bedeutungszeichen verwendet hat. Bei mündlichen<br />
Verhandlungen unter Anwesenden käme ein Versprechen in Betracht. K<br />
erklärte ohne sich zu versprechen seinen inneren Willen, ein<br />
Erklärungsirrtum scheidet somit aus. Ein Anfechtungsrecht nach § 119 I<br />
Var.1 ergibt sich daher nicht.<br />
2
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
(3) Eigenschaftsirrtum § 119 II<br />
Nach § 119 II in Verbindung mit § 119 I könnte A seine Willenserklärung<br />
anfechten, wenn er im Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften<br />
der Person oder der Sache war und bei Kenntnis der Sachlage und bei<br />
verständiger Würdigung des <strong>Fall</strong>es diese nicht abgegeben haben würde.<br />
(a) Sache<br />
Sache im Sinne des § 119 II ist jedes Objekt, das Gegenstand des<br />
Rechtsverkehrs sein kann. Der Sachenbegriff des § 119 II ist weiter<br />
gefasst als der des § 90, wonach Sachen nur körperliche Gegenstände<br />
sind. Der von A gek<strong>auf</strong>te Schrank ist ein körperlicher Gegenstand und<br />
damit sogar eine Sache im Sinne des § 90. Sachen im Sinne des § 90<br />
können Gegenstand des Rechtsverkehrs sein, der Schrank ist damit<br />
auch Sache nach § 119 II.<br />
(b) Eigenschaft<br />
Eigenschaften sind alle tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse<br />
der Sache, die vermöge ihrer Dauer Einfluss <strong>auf</strong> die Wertschätzung<br />
des Gegenstandes ausüben. Bei Möbeln ist ein wertbildender Faktor,<br />
ob das Möbelstück nur dem Alltagsgebrauch dienen soll oder ob es<br />
als kulturelle Antiquität anzusehen ist. K glaubte, der Schrank<br />
stamme aus der Barockzeit und sei wegen seines Alters von 200 bis<br />
300 Jahren eine Antiquität. Er irrte über die Antiquitätseigenschaft<br />
des Schrankes, also einen wertbildenden Faktor. Dieser Irrtum war<br />
folglich ein Irrtum über eine Eigenschaft.<br />
(c) Verkehrswesentlichkeit<br />
Die Eigenschaft muss auch verkehrswesentlich sein.<br />
Verkehrswesentlich ist eine Eigenschaft mindestens dann, wenn sie<br />
nach der Verkehrsanschauung für das konkrete Rechtsgeschäft<br />
erheblich ist. Möbelstücken, die als Antiquität anzusehen sind, wird<br />
grundsätzlich im Rechtsverkehr ein höherer Wert beigemessen als<br />
gewöhnlichen Alltagsmöbeln. Die Antiquitätseigenschaft ist somit<br />
verkehrswesentlich.<br />
(d) Kausalität<br />
Die Abgabe der Willenserklärung muss mit dem Irrtum auch kausal<br />
zusammenhängen. Subjektiv erheblich ist der Irrtum dann, wenn der<br />
Erklärende die Erklärung ohne Irrtum nicht oder nicht in dieser Weise<br />
abgegeben haben würde. K war in dem Glauben, mit dem Schrank<br />
eine Antiquität zu k<strong>auf</strong>en. Hätte er gewusst, dass es sich um ein erst<br />
kürzlich hergestelltes Möbelstück handelt, hätte er vom K<strong>auf</strong><br />
Abstand genommen oder aber zumindest einen deutlich geringeren<br />
K<strong>auf</strong>preis ausgehandelt. Der Irrtum war also subjektiv erheblich.<br />
Objektive Erheblichkeit liegt dann vor, wenn die Berufung <strong>auf</strong> den<br />
Irrtum frei von Willkür, Eigensinn und törichten Anschauungen ist. K<br />
wurde von S die falsche Information gegeben, der Schrank sei „echt<br />
barock“. Er konnte <strong>auf</strong> die Richtigkeit dieser Aussage aber vertrauen,<br />
somit hätte er einen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für<br />
3
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
eine Anfechtung. Damit war die Irrtum auch objektiv erheblich.<br />
Insgesamt war der Irrtum kausal für die Willenserklärung.<br />
(e) Ergebnis<br />
Dem A steht an sich ein Anfechtungsrecht wegen eines<br />
Eigenschaftsirrtums nach § 119 II zu.<br />
(f) Ausnahme: Konkurrenzen zu §§ 434 ff.<br />
Problem: Konkurrenz mit Sachmängelhaftung/ K<strong>auf</strong>gewährleistung?<br />
Eine nach § 434 mangelhafte K<strong>auf</strong>sache führt zu speziellen, in § 437<br />
geregelten Rechtsfolgen. Dazu gehören die Nachlieferung einer<br />
mangelfreien Sache, Rücktritt, Minderung und Schadensersatz. Durch<br />
eine Anfechtung kann der Käufer das Nachlieferungsrecht des<br />
Verkäufers unterl<strong>auf</strong>en (wenn er den Irrtum dazu nutzen will, sich<br />
ganz vom Vertrag zu lösen). Die in § 437 bezeichneten Ansprüche<br />
und Rechte des Käufers verjähren gemäß § 438 I Nr.3 in 2 Jahren.<br />
Dem<strong>gegen</strong>über kann die Anfechtungsfrist (je nach<br />
Kenntniserlangung) gemäß § 121 II bis zu 10 Jahre betragen. Das<br />
Anfechtungsrecht würde folglich § 438 überflüssig machen. Daher<br />
scheidet nach h.M. eine Anfechtung gemäß § 119 II aus, wenn der<br />
Eigenschaftsirrtum zugleich der Sachmangel ist. Sie wird dann durch<br />
das speziellere Sachmängelgewährleistungsrecht verdrängt.<br />
Strittig ist aber der Zeitpunkt: Gilt dies grundsätzlich erst ab<br />
Übergabe der K<strong>auf</strong>sache?<br />
Dies ist hier unerheblich, da K den Schrank schon erhalten hat. Daher<br />
ist nun zu prüfen, ob es sich um einen Sachmangel handelt. Der<br />
Sachverhalt lässt offen, ob sich K und V über das Qualitätsmerkmal<br />
Bauernschrank verständigt haben. Wenn nicht, scheidet ein<br />
Sachmangel nach dem subjektiven Fehlerbegriff gemäß § 434 I S.1<br />
aus. In Betracht kommt aber <strong>auf</strong> jeden <strong>Fall</strong> ein Sachmangel nach §<br />
434 I S.2 Nr.2 i.V.m. S.3, weil S Gehilfe des V ist. Der Sachmangel<br />
„kein Barockschrank“ ist mit dem Eigenschaftsirrtum identisch.<br />
Folglich wird § 119 II verdrängt. K kann nicht gemäß § 119 II<br />
anfechten.<br />
4<br />
(Achtung: dies gehört nicht zum Inhalt des 1. Semesters, muss aber<br />
zur Vollständigkeit angesprochen werden.)<br />
(4) Arglistige Täuschung § 123 I Var.1<br />
Dem K könnte jedoch ein Anfechtungsgrund aus § 123 I Var.1 zustehen.<br />
Hierfür ist erforderlich, dass er zur Abgabe der Willenserklärung durch<br />
arglistige Täuschung bestimmt wurde.<br />
(a) Täuschung<br />
Eine Täuschung ist das Hervorrufen, Verstärken oder<br />
Aufrechterhalten einer Fehlvorstellung über Tatsachen bei einer<br />
anderen Person. S erweckte bei K den Eindruck einer sachkundigen<br />
Person und gab diesem <strong>gegen</strong>über vor, der Schrank stamme aus der<br />
Barockzeit. Die Herstellungszeit eines Gegenstandes ist eine objektiv
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
überprüfbare Tatsache, die Angabe des S war unzutreffend. Somit<br />
erzeugte S beim K eine Fehlvorstellung über eine Tatsache, eine<br />
Täuschung liegt also vor.<br />
(b) Täuschungshandlung<br />
Die Täuschung muss durch eine Handlung, also ein ausdrückliches<br />
oder konkludentes Tun oder ein pflichtwidriges Unterlassen erfolgt<br />
sein. S gab dem K <strong>gegen</strong>über eine falsche Erklärung ab, handelte also<br />
aktiv und ausdrücklich. Damit beging S eine Täuschungshandlung.<br />
(c) Widerrechtlichkeit<br />
Ferner müsste die Täuschungshandlung widerrechtlich gewesen sein.<br />
Es sind keine Gründe ersichtlich, die die falsche Angabe des S<br />
rechtfertigen könnten, die Täuschung war somit widerrechtlich.<br />
(d) Kausalität<br />
Des Weiteren ist erforderlich, dass die Täuschungshandlung zu einem<br />
Irrtum beim Getäuschten führte und der Irrtum ursächlich für die<br />
Abgabe der Willenserklärung war. K wusste um seine fehlende<br />
Sachkenntnis und wollte sich Rat bei einer sachkundigen Person<br />
einholen. Diese sachkundige Person erblickte er in S, der K<br />
vorspiegelte, der Schrank sei eine wertvolle Antiquität. Ohne die<br />
Aussage des S hätte K nicht die falsche Vorstellung vom Wert des<br />
Schrankes gehabt. Damit war die Täuschungshandlung kausal für den<br />
Irrtum.<br />
(e) Arglist<br />
Die Täuschung muss auch arglistig gewesen sein. Arglistig handelt der<br />
Täuschende, wenn er von der Unrichtigkeit seiner Angaben weiß und<br />
will, dass der andere durch die Täuschung eine Willenserklärung<br />
abgibt. S hatte mit V abgesprochen, falsche Angaben zu verbreiten,<br />
um dem V Kunden zu verschaffen. Er handelte in der Absicht, diese<br />
zu täuschen, so dass sie <strong>auf</strong>grund falscher Vorstellungen vom Wert<br />
der ausgestellten Gegenstände diese k<strong>auf</strong>en. Damit handelte S<br />
arglistig.<br />
(f) Zwischenergebnis<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass S eine arglistige Täuschung beging.<br />
(g) Ausschluss der Anfechtung<br />
Die Anfechtung des K könnte jedoch nach § 123 II S.1 ausgeschlossen<br />
sein. Hiernach ist, wenn ein Dritter die Täuschung verübt<br />
hat, die Anfechtung nur dann zulässig, wenn der Empfänger der<br />
Willenserklärung von der Täuschung wusste oder von ihr fahrlässig<br />
nicht wusste.<br />
(aa) Dritter<br />
Die Täuschung könnte von einem Dritten begangen worden<br />
sein. Wer Dritter im Sinne des § 123 II S.1 ist, ist gesetzlich<br />
nicht bestimmt, kann aber durch Abgrenzung zu Nicht‐Dritten<br />
bestimmt werden. Die Vertragsparteien selbst können nicht<br />
Dritter sein. Ebenso kann ein Vertreter nicht Dritter sein, da<br />
dessen Willenserklärung nach § 164 I dem Vertretenen<br />
5
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
zugerechnet würde. Auch in besonders enger Beziehung zum<br />
Erklärungsempfänger stehende Personen gelten nicht als<br />
Dritte. S ist weder am Vertrag als Partei beteiligt noch vertritt<br />
er den V. Er steht auch nicht in einer besonderen Beziehung<br />
zum V, sondern wirkt nur als Beteiligter bei dessen Vorhaben<br />
mit. S ist somit Dritter im Sinne des § 123 II S.1.<br />
(bb) Wissen oder fahrlässiges Nichtwissen<br />
V müsste daher von der Täuschung gewusst haben oder<br />
zumindest davon wissen können. Das Vorgehen des S war<br />
zwischen ihm und S abgesprochen. Somit hatte V positive<br />
Kenntnis von der Täuschung.<br />
(h) Ergebnis<br />
Die Anfechtung ist somit nicht nach § 123 II S.1 ausgeschlossen. K<br />
kann seine Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anfechten.<br />
cc. Anfechtungserklärung § 143<br />
In der Rückforderung des K<strong>auf</strong>preises liegt eine konkludente<br />
Anfechtungserklärung. Diese wurde dem V, der Anfechtungsgegner im Sinne<br />
des § 143 II ist, <strong>gegen</strong>über erklärt.<br />
dd. Anfechtungsfrist<br />
Für die Anfechtung wegen Täuschung gilt § 124 I. Der arglistige<br />
Vertragspartner ist weniger schutzbedürftig. K hat die Anfechtung innerhalb<br />
der Jahresfrist erklärt.<br />
c. Ergebnis<br />
Der Vertrag ist unwirksam. Mithin liegt kein Rechtsgrund vor.<br />
4. Ergebnis<br />
Die Voraussetzungen des § 812 I S.1 Var.1 liegen vor. Mithin ist der <strong>Anspruch</strong><br />
entstanden. Nach §§ 812 I S.1 Var.1, 818 I ist V zur <strong>Herausgabe</strong> des Erlangten<br />
verpflichtet.<br />
II. <strong>Anspruch</strong> nicht erloschen (+)<br />
III. <strong>Anspruch</strong> durchsetzbar (+)<br />
IV. Ergebnis<br />
K hat <strong>gegen</strong> V einen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Rückzahlung des K<strong>auf</strong>preises aus § 812 I S.1 Var.1.<br />
6<br />
Lösung <strong>Fall</strong> 2:<br />
Es stellt sich die Frage, ob S die dingliche Einigungserklärung anfechten kann. Als<br />
Anfechtungsgrund kommt § 123 I Var.2 in Betracht.<br />
I. Drohung<br />
Drohung ist die Ankündigung eines künftigen Übels, dessen Eintritt der Handlende aus<br />
der Sicht des Adressaten beeinflussen kann. Hier droht G dem S die Erstattung einer<br />
Strafanzeige an. Sie wäre für S ein empfindliches Übel. Damit liegt eine Drohung vor.<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
Weitere Voraussetzung ist, dass die Rechtswidrigkeit der Drohung. Das ist der <strong>Fall</strong>, wenn<br />
die Abgabe der Willenserklärung entweder unter Anwendung rechtswidriger Mittel<br />
erzwungen wurde (a) oder der mit der Willenserklärung verfolgte Zweck verwerflich (b)
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
III.<br />
IV.<br />
oder die Verknüpfung des angewendeten Mittels zur Erreichung des verfolgten Zwecks<br />
anstößig ist (c).<br />
1. Rechtswidriges Mittel<br />
G hat nicht mit einem verbotenen Mittel gedroht. Es steht G vielmehr frei, eine<br />
tatsächlich begangene Steuerhinterziehung zur Anzeige zu bringen. Das angewendete<br />
Mittel ist damit für sich betrachtet nicht rechtswidrig.<br />
2. Verwerflichkeit des von G verfolgten Zwecks<br />
Die von G erstrebte Willenserklärung des S, nämlich die Abgabe einer<br />
Einigungserklärung gerichtet <strong>auf</strong> eine Übereignung des Fords zur Sicherheit, ist für<br />
sich betrachtet weder sittenwidrig noch verboten. Vielmehr hatte G ein berechtigtes<br />
Interesse daran, dass S ihm Sicherheiten für die bestehende K<strong>auf</strong>preisforderung<br />
stellt. Insoweit ist die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit nicht erfüllt<br />
3. Verwerflichkeit der Mittel‐Zweck‐Relation<br />
Auch wenn isoliert betrachtet weder das angewendete Mittel (hier: Drohung mit<br />
Strafanzeige) noch der erstrebte Erfolg (hier: Sicherheitsleistung) das Merkmal der<br />
Rechtswidrigkeit erfüllen, so kann sich diese dennoch aus der Verwerflichkeit der<br />
Mittel‐Zweck‐Relation ergeben. So wird als rechtswidrig angesehen, wenn zwischen<br />
dem eingesetzten Drohmittel und dem erstrebten Erfolg kein innerer Zusammenhang<br />
besteht. Die von S begangene Steuerhinterziehung hat nichts mit seiner K<strong>auf</strong>preisschuld<br />
zu tun. Damit fehlt es an einem inneren Zusammenhang zwischen<br />
angedrohtem Übel und erstrebtem Zweck. Verwerflichkeit ist somit gegeben.<br />
4. Ergebnis<br />
Damit ist die Rechtswidrigkeit der Drohung zu bejahen.<br />
Vorsätzlichkeit der Drohung<br />
G hatte auch den Willen, bei S Furcht zu erregen und dadurch die Abgabe der<br />
Willenserklärung zu beeinflussen. G handelte damit vorsätzlich.<br />
Ergebnis<br />
Dem S steht ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 I Var.2 zu.<br />
7