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Materialien zur Vertiefungsvorlesung im BGB (Schuldrecht)

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Prof. Dr. Sigurd Littbarski<br />

Europa-Universität Viadrina<br />

Frankfurt (Oder)<br />

<strong>Materialien</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vertiefungsvorlesung</strong> <strong>im</strong> <strong>BGB</strong><br />

(<strong>Schuldrecht</strong>)<br />

WS 2011/2012<br />

Stand: Oktober 2011


1<br />

Inhaltsübersicht<br />

über die Vorlesungsmaterialien<br />

<strong>zur</strong> <strong>Vertiefungsvorlesung</strong> <strong>im</strong> <strong>BGB</strong> (<strong>Schuldrecht</strong>)<br />

Vorbemerkungen<br />

1. Teil: Literaturübersicht<br />

2. Teil: Inhaltsübersicht über die Vorlesung<br />

3. Teil: Fälle <strong>zur</strong> Vorlesung<br />

4. Teil: Überblick über das <strong>BGB</strong>-<strong>Schuldrecht</strong><br />

5. Teil: Begriff des Schuldverhältnisses<br />

6. Teil: Überblick über das Haftungsrecht<br />

7. Teil: Störungen <strong>im</strong> Schuldverhältnis


2<br />

Vorbemerkungen<br />

Die Vorlesungsmaterialien geben einen Überblick über die Vorlesung, die in erster Linie für<br />

Studenten des 3. Fachsemesters gedacht ist und diese auf den Besuch der Übung für<br />

Fortgeschrittene <strong>im</strong> <strong>BGB</strong> vorbereiten soll. Dabei werden aus dem Bereich des <strong>Schuldrecht</strong>s<br />

vor allem solche Aspekte angesprochen, die nicht <strong>im</strong> Mittelpunkt der Grundkurse I und II<br />

zum <strong>BGB</strong> standen. Diese Aspekte werden durchweg fallorientiert diskutiert, wozu die<br />

kleineren, anliegenden Fälle beitragen sollen. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung kommen<br />

weitere und umfangreichere Fälle hinzu, die in der Vergangenheit Gegenstand von<br />

Übungsklausuren waren. Zudem werden wiederholt Probleme des <strong>Schuldrecht</strong>s und der<br />

anderen Bücher des <strong>BGB</strong> sowie der mit dem <strong>Schuldrecht</strong> zusammenhängenden Nebengesetze<br />

an Hand von höchstrichterlichen Entscheidungen erörtert.<br />

Von den Teilnehmern der Vorlesung wird die Bereitschaft <strong>zur</strong> aktiven Mitwirkung erwartet.<br />

Dazu gehören nicht nur die Vorbereitung und Nachbereitung der Vorlesung, sondern auch die<br />

– eigentlich selbstverständliche - permanente Heranziehung von aktuellen Textausgaben des<br />

<strong>BGB</strong> und der dazugehörenden Nebengesetze.


3<br />

1. Teil: Literaturübersicht<br />

I. Lehrbücher<br />

Brox/Walker, Allgemeines <strong>Schuldrecht</strong>, 35. Auflage 2011<br />

Brox/Walker, Besonderes <strong>Schuldrecht</strong>, 35. Auflage 20011<br />

Emmerich, <strong>BGB</strong>-<strong>Schuldrecht</strong>, Besonderer Teil, 12. Auflage 2009<br />

Fikentscher, <strong>Schuldrecht</strong>, 10. Auflage 2006<br />

Medicus/Lorenz, <strong>Schuldrecht</strong> I, Allgemeiner Teil, 19. Auflage 2010<br />

Medicus/Lorenz, <strong>Schuldrecht</strong> II, Besonderer Teil, 15. Auflage 2010<br />

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 22. Auflage 2009<br />

Musielak, Grundkurs <strong>BGB</strong>, 11. Auflage 2009<br />

II.<br />

Kommentare<br />

Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Auflage 2011<br />

Jauernig (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Auflage 2009<br />

Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Auflage 2012<br />

Schulze (Schriftleitung), Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 6. Auflage 2009<br />

III.<br />

Fallsammlungen und sonstige Ausbildungsliteratur<br />

Diederichsen/Wagner, Die <strong>BGB</strong>-Klausur, 9. Auflage 1998<br />

Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Auflage 2005<br />

Medicus/Petersen, Grundwissen zum <strong>BGB</strong>, 9. Auflage 2011<br />

Olzen/Wank, Zivilrechtliche Klausurenlehre mit Fallrepetitorium, 6. Auflage 2010<br />

Werner/Saenger, Fälle mit Lösungen für Fortgeschrittene <strong>im</strong> Bürgerlichen Recht, 2.<br />

Aufl. 2004


4<br />

2. Teil: Inhaltsübersicht über die Vorlesung<br />

<strong>Schuldrecht</strong> (Allgemeine Lehren und vertragliche Schuldverhältnisse)<br />

A. Das <strong>Schuldrecht</strong><br />

I. Überblick über das Recht der Schuldverhältnisse<br />

II. Begründung und Inhalt des Schuldverhältnisses<br />

II. Erlöschen des Schuldverhältnisses<br />

B. Störungen <strong>im</strong> Schuldverhältnis<br />

I. Überblick über die Störungen <strong>im</strong> Schuldverhältnis<br />

II. Verantwortlichkeit des Schuldners<br />

1. Haftung des Schuldners<br />

2. Haftung für fremdes Verschulden<br />

3. Haftung ohne Verschulden<br />

III. Pflichtverletzung<br />

IV. Schuldnerverzug<br />

V. Gläubigerverzug<br />

C. Grundlagen des Schadensersatzrechts<br />

D. Beteiligung Dritter am Schuldverhältnis<br />

I. Vertrag zugunsten Dritter<br />

II. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter<br />

E. Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern<br />

F. Überblick über die vertraglichen Schuldverhältnisse<br />

I. Entstehungsgrund<br />

II. Inhalt der Schuldverhältnisse<br />

III. Art der geschuldeten Leistung<br />

G. Kaufvertrag<br />

H. Mietvertrag<br />

I. Dienstvertrag<br />

J. Werkvertrag


5<br />

Gesetzliche Schuldverhältnisse<br />

A. Überblick über die gesetzlichen Schuldverhältnisse<br />

I. Notwendigkeit und Arten gesetzlicher Schuldverhältnisse<br />

II. Zusammentreffen vertraglicher und gesetzlicher Schuldverhältnisse<br />

III. Recht der unerlaubten Handlungen<br />

1. Überblick<br />

2. Allgemeine Voraussetzungen<br />

3. Einzelne Tatbestände des Rechts der unerlaubten Handlungen <strong>im</strong> engeren Sinne<br />

a) Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit<br />

b) Eigentumsverletzung<br />

c) Verletzung sonstiger Rechte<br />

d) Verletzung von Schutzgesetzen<br />

e) Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung<br />

f) Billigkeitshaftung<br />

g) Haftung für den Verrichtungsgehilfen<br />

4. Einzelne Tatbestände des Rechts der unerlaubten Handlungen <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />

a) Produkthaftung<br />

b) Umwelthaftung<br />

c) Haftung für technische Risiken<br />

5. Staatshaftung<br />

6. Art und Umfang des geschuldeten Ersatzes<br />

a) Allgemeines<br />

b) Probleme des Schadensrechts<br />

IV. Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

1. Begriff und Bedeutung<br />

2. Berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

3. Unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

4. Eigengeschäftsführung<br />

V. Ungerechtfertigte Bereicherung<br />

1. Überblick<br />

2. Einzelheiten <strong>zur</strong> Leistungskondiktion<br />

3. Einzelheiten <strong>zur</strong> Bereicherung in sonstiger Weise<br />

4. Umfang des Bereicherungsanspruchs<br />

B. Verhältnis der gesetzlichen Schuldverhältnisse zu den vertraglichen<br />

Schuldverhältnissen


6<br />

3. Teil: Fälle <strong>zur</strong> Vorlesung<br />

Fall 1<br />

Pkw-Fahrer A übersieht bei seiner Fahrt <strong>zur</strong> Arbeit den vorfahrtberechtigten Mofa-Fahrer B,<br />

verletzt diesen und beschädigt zudem dessen Mofa. Haftung des A?<br />

Fall 2<br />

A hat den Unfall zwar bemerkt, fährt jedoch wegen eines wichtigen Termins weiter und lässt<br />

den bewusstlosen, stark blutenden B auf der Straße liegen. Der zufällig vorbeikommende<br />

Taxifahrer T verbindet B und bringt diesen in das nächste Krankenhaus. Dort stellt sich<br />

heraus, dass T den B nicht sachgemäß verbunden und daher dessen Verletzung noch<br />

verschl<strong>im</strong>mert hat. T muss demgegenüber be<strong>im</strong> Verlassen des Krankenhauses <strong>zur</strong> Kenntnis<br />

nehmen, dass die Hinterbank seines Fahrzeugs durch den blutenden B erheblich verschmutzt<br />

wurde.<br />

Fall 3<br />

Anwalt A will als Weinliebhaber eine neue Sorte ausprobieren und nennt deshalb <strong>zur</strong><br />

Bestellung von fünf Flaschen Wein seiner Sekretärin die Nummer des Weins aus dem Katalog<br />

des Weingutes B. S verschreibt sich jedoch und gibt daher eine andere als die von A gewollte<br />

Nummer an. B liefert den Wein, der die von S agegebene Nummer trägt.<br />

Fall 4<br />

Busfahrer A, der be<strong>im</strong> Reisebusunternehmen B beschäftigt ist, verschuldet auf der Autobahn<br />

einen Unfall, bei dem Fahrgast C erheblich verletzt wird.<br />

Fall 5<br />

A verletzt schuldhaft die schwangere B mit seinem PKW. Nach der Geburt des Kindes C wird<br />

festgestellt, dass dieses einen auf den Unfall <strong>zur</strong>ückzuführenden Hirnschaden hat. Haftung des<br />

A gegenüber C?


7<br />

Fall 6<br />

A verletzt bei einem Verkehrsunfall schuldhaft den Arbeitnehmer B. B wird vom Arzt krank<br />

geschrieben und kehrt erst vier Wochen später an seinen Arbeitsplatz bei C <strong>zur</strong>ück.<br />

Ansprüche gegen A?<br />

Fallabwandlung<br />

Wie wäre es, wenn der von A verletzte B nicht Arbeitnehmer, sondern Beamter ist?<br />

Fall 7<br />

A wird bei einem Verkehrsunfall durch die Fahrlässigkeit des B schwer verletzt und stirbt<br />

schließlich nach wochenlanger, intensiver Behandlung <strong>im</strong> Krankenhaus. Ansprüche der Erben<br />

gegen B?<br />

Fall 8<br />

A ist verheiratet und hat drei minderjährige Kinder. Während die Ehefrau des A den Haushalt<br />

versorgt und sich tagsüber um die Kinder kümmert, ist A als Prokurist bei B beschäftigt. Auf<br />

einer Dienstfahrt wird A bei einem von C verschuldeten Unfall getötet. Ansprüche der<br />

Ehefrau und der Kinder gegen C auf Zahlung von Unterhalt?<br />

Fall 9<br />

Der Ehemann der Klägerin wurde am 15.10.2009 <strong>im</strong> Alter von 64 Jahren durch den PKW des<br />

Beklagten tödlich verletzt.<br />

Mit der Klage verlangt die 50 Jahre alte Klägerin Ersatz für Gesundheitsschäden, die sie<br />

selbst aufgrund der Nachricht vom Tode ihres Ehemannes erlitten haben will. Zur<br />

Begründung weist sie darauf hin, dass sie einen schweren seelischen Schock mit<br />

Wesensänderungen in Form von Depressionen, übermäßiger Erregbarkeit, Schlaflosigkeit,<br />

Weinanfällen und Zittern bei geringster Erregung erlitten habe.<br />

Fall 10<br />

A erleidet bei einem von B verschuldeten Unfall eine Kopfverletzung. Obwohl die<br />

Verletzungen nach medizinischem Urteil inzwischen ausgeheilt sind, glaubt sich A weiterhin<br />

arbeitsunfähig und kämpft um eine zeitlich unbegrenzte Unfallrente.


8<br />

Fall 11<br />

Der Jurastudent A wird bei einem von B verschuldeten Verkehrsunfall so schwer verletzt,<br />

dass er das Studium aufgeben muss und auf Dauer arbeitsunfähig bleibt. Welche Ansprüche<br />

hat A gegen B?<br />

Fallabwandlung<br />

Macht es einen Unterschied, ob A zum Unfallzeitpunkt bereits alle für das Examen<br />

erforderlichen Scheine mit durchschnittlichen Noten hatte, oder ob er sich bereits <strong>im</strong> 8.<br />

Semester befand, jedoch <strong>im</strong>mer noch nicht die Fortgeschrittenen-Übung erfolgreich absolviert<br />

hatte?<br />

2. Fallabwandlung<br />

A war <strong>im</strong> Jurastudium deshalb bisher so wenig erfolgreich, weil er durch den Verkauf von<br />

Rauschgift lukrative Geschäfte betrieben hat und keine Zeit für das Studium hatte. Kann A<br />

den B wegen seines Verdienstausfalls in Anspruch nehmen?<br />

Fall 12<br />

Bei einem Verkehrsunfall wird die Prostituierte P von R so schwer verletzt, dass sie ihre<br />

bisherige, sehr einträgliche Tätigkeit sechs Monate nicht ausüben kann. Hat P gegen R einen<br />

Anspruch auf Verdienstausfall?<br />

Fall 13<br />

Tiefbauunternehmer T ist mit Ausschachtungsarbeiten beschäftigt und zerreißt dabei aufgrund<br />

von Unachtsamkeit ein <strong>zur</strong> Fabrik des B führendes, <strong>im</strong> Erdreich befindliches Stromkabel. Da<br />

die Fabrik <strong>zur</strong> Fertigung ihrer Produkte auf Strom angewiesen ist, ein Ersatzkabel aber nicht<br />

<strong>zur</strong> Verfügung steht, liegt der Betrieb des B für drei Tage still. Hierdurch entsteht dem B ein<br />

hoher Gewinnausfall. Ist T <strong>zur</strong> Schadensersatzleistung gegenüber B verpflichtet?


9<br />

Fall 14<br />

Im Jahre 1968 fanden <strong>im</strong> Rahmen der allgemeinen Studentenunruhen auch wiederholt<br />

Versammlungen und Demonstrationen statt, die gegen den S-Verlag gerichtet waren. Auf<br />

einer Veranstaltung in der Frankfurter Universität rief der Student A dazu auf, sämtliche<br />

Ausgänge des Frankfurter Druckhauses des S-Verlages zu blockieren, um eine Auslieferung<br />

der B-Zeitung zu verhindern. Nachdem dies auch am 10.4.1968 für 10 Stunden gelungen war,<br />

verlangte der S-Verlag von A Ersatz der ihm durch die Blockade entstandenen Einbußen und<br />

Mehraufwendungen. Zu Recht?<br />

Fall 15<br />

A ist Eigentümer einer an einem Fleet gelegenen Mühle. Durch ein Verschulden des A war<br />

ein Stück der Ufermauer eingestürzt, so dass ein Motorschiff des B, das zum Entladen an der<br />

Mühle lag, das Fleet für eine Woche nicht mehr verlassen konnte. Zwei weitere Schiffe des B,<br />

die die Mühle ebenfalls beliefern wollten, konnten diese wegen der eingestürzten Mauer nicht<br />

mehr erreichen. B verlangt hinsichtlich aller Schiffe den ihm entstandenen Verdienstausfall<br />

von A ersetzt. Mit Recht?<br />

Fall 16<br />

Professor A, der an der Universität X Völker- und Kirchenrecht lehrte, brachte von einem<br />

Forschungsaufenthalt in Korea seinem Freund, dem Pharmakologen B, einige<br />

Ginsengwurzeln mit. B bedankte sich in einem wissenschaftlichen Aufsatz bei A dafür, dass<br />

er wegen dessen liebenswürdiger Unterstützung echte Ginsengwurzeln <strong>zur</strong> Verfügung habe.<br />

Daraufhin wurde A in einem populärwissenschaftlichen Aufsatz neben B als "einer der<br />

bekanntesten Ginsengforscher Europas" bezeichnet. Schließlich nahm C als Vertriebshändler<br />

von Ginsengpräparaten diese Äußerungen zum Anlass, in einem Werbeprospekt darauf<br />

hinzuweisen, dass nach Ansicht des bedeutenden Wissenschaftlers A Ginseng"... aufbauend<br />

bei Drüsen- und Potenzschwächen" wirke.<br />

A fühlt sich hierdurch nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern vor allem auch bei den<br />

Studenten lächerlich gemacht und verlangt deshalb von C eine Entschädigung in Höhe von<br />

€ 10.000,-. Mit Recht?


10<br />

Fall 17<br />

A und B waren Mieter einer Wohnung der C in Frankfurt (Oder). Nach dem Mietvertrag<br />

waren A und B <strong>zur</strong> Ausführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet. Das Mietverhältnis<br />

endete am 28.2.2008. A und B übergaben die Wohnung der C am 1.3.2002. Mit Schreiben<br />

vom 4.3.2008 forderte C A und B <strong>zur</strong> Beseitigung verschiedener in der Wohnung<br />

festgestellter Mängel und <strong>zur</strong> Vornahme von Schönheitsreparaturen auf und setzte A und B<br />

hierzu eine Frist bis zum 15.3.2008. Zugleich kündigte C an, nach Fristablauf eine<br />

Mängelbeseitigung durch A und B abzulehnen und diese stattdessen durch Dritte auf Kosten<br />

von A und B vornehmen zu lassen. A und B kamen der Aufforderung nicht nach.<br />

C beseitigte die von ihr behaupteten Mängel selbst. Sie beziffert ihre Renovierungskosten auf<br />

€ 5.060,-.<br />

Mit ihrer am 10.9.2008 bei Gericht eingegangenen Klage macht sie ihre Forderung gegenüber<br />

A und B geltend. Die Klage ist A und B am 17.9.2008 zugestellt worden.<br />

Wie ist die Rechtslage?<br />

§§ 253, 261 und 271 ZPO lauten:<br />

§ 253. Klageschrift. (1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes<br />

(Klageschrift).<br />

(2) Die Klageschrift muss enthalten:<br />

1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;<br />

2. die best<strong>im</strong>mte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie<br />

einen best<strong>im</strong>mten Antrag.<br />

(3) Die Klageschrift soll ferner die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes enthalten, wenn<br />

hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer<br />

best<strong>im</strong>mten Geldsumme besteht, sowie eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache<br />

durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.<br />

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch<br />

auf die Klageschrift anzuwenden.<br />

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt<br />

werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder<br />

Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften ein<strong>zur</strong>eichen. Einer Beifügung von<br />

Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.


11<br />

§ 261. Rechtshängigkeit. (1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der<br />

Streitsache begründet.<br />

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst <strong>im</strong> Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit<br />

dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht<br />

oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.<br />

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:<br />

1. während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig<br />

anhängig gemacht werden;<br />

2. die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden<br />

Umstände nicht berührt.<br />

§ 271. Zustellung der Klageschrift. (1) Die Klageschrift ist unverzüglich zuzustellen.<br />

(2) Mit der Zustellung ist der Beklagte aufzufordern, einen Rechtsanwalt zu bestellen, wenn<br />

er eine Verteidigung gegen die Klage beabsichtigt.


12<br />

Fall 18<br />

A und B sind als Mitglieder eines Reitstalles befreundet. Deshalb überließ die B der A <strong>im</strong><br />

Oktober 2009 kurzfristig ihr Pferd für eine Reitstunde. Als die A auf das Verlangen des<br />

Reitlehrers hin die Gerte einsetzte, warf das Pferd die A ab, wodurch diese erheblich verletzt<br />

wurde. Die A verlangt von B Schadensersatz in Höhe von € 100.000,-, ein Schmerzensgeld<br />

und die Feststellung einer eventuellen Ersatzpflicht der B für zukünftig eintretende Folgen aus<br />

dem Reitunfall.<br />

Zu Recht?<br />

Fall 19<br />

A hatte <strong>im</strong> Oktober 2009 der B ein Einkaufszentrum vermietet. Nach dem Mietvertrag war<br />

der B eine Untervermietung grundsätzlich nur mit Erlaubnis der A bei gleichzeitiger Zahlung<br />

eines Untermietzuschlages erlaubt. In der Folgezeit vermietete die B das Einkaufszentrum<br />

zulässigerweise an eine ihr gesellschaftsrechtlich zuzuordnende Tochtergesellschaft. Nach<br />

deren Veräußerung an einen Dritten verweigerte die A jedoch die wiederum erforderliche<br />

Erlaubnis zu der Untervermietung und verlangte außerdem die Zahlung eines<br />

Untermietzuschlages in Höhe von € 120 000,- monatlich.<br />

Mit Recht?<br />

Fall 20<br />

Mieter M bringt <strong>im</strong> dem V gehörenden Wohnhaus eine zusätzliche Satellitenschüssel am<br />

Balkon an, um trotz Verkabelung auch türkische Fernsehsender empfangen zu können. Als<br />

Vermieter V die Satellitenschüssel bei einem Spaziergang entdeckt, fordert er M auf, die<br />

Satellitenschüssel abzumontieren, da M bereits 32 Sender <strong>im</strong> Kabel eingespeist vorfinde. M<br />

macht demgegenüber geltend, dass er begeisterter Anhänger des Ringsports sei und deshalb<br />

die zahlreichen Ringsportübertragungen aus der Türkei empfangen wolle.<br />

Kann V von M die Entfernung der Satellitenschüssel verlangen?<br />

Macht es einen Unterschied, wenn M türkischer Staatsangehöriger ist und die <strong>im</strong> Originalton<br />

gesendeten Parlamentsdebatten aus Ankara empfangen will?


13<br />

4. Teil: Überblick über das <strong>BGB</strong>-<strong>Schuldrecht</strong><br />

Allgemeiner Teil<br />

§§ 241 - 432 <strong>BGB</strong><br />

Schadensersatzrecht, §§ 249 ff. <strong>BGB</strong><br />

Recht der Leistungsstörungen<br />

- Pflichtverletzung nach § 280 I <strong>BGB</strong><br />

in Verbindung mit §§ 275 ff. <strong>BGB</strong><br />

Erfüllung, §§ 362 ff. <strong>BGB</strong><br />

Aufrechnung, §§ 387 ff. <strong>BGB</strong><br />

Abtretung, §§ 398 ff. <strong>BGB</strong><br />

Gesamtschuld, §§ 421 ff. <strong>BGB</strong><br />

Besonderer Teil<br />

Vertragliche Schuldverhältnisse<br />

§§ 433 - 853 <strong>BGB</strong> (z. B. Kaufrecht, Mietrecht, Dienstvertragsrecht,<br />

Werkvertragsrecht,<br />

§§ 433 ff. <strong>BGB</strong>; <strong>im</strong> Übrigen Vertragsfreiheit,<br />

§ 311 <strong>BGB</strong>)<br />

Gesetzliche Schuldverhältnisse<br />

Geschäftsführung ungerechtfertigte Unerlaubte Handohne<br />

Auftrag nach Bereicherung nach lungen nach<br />

§§ 677 ff. <strong>BGB</strong> §§ 812 ff. <strong>BGB</strong> §§ 823 ff. <strong>BGB</strong><br />

einschließlich<br />

von Gefährdungshaftungstatbeständen


14<br />

5. Teil: Begriff des Schuldverhältnisses<br />

Der Begriff des Schuldverhältnisses <strong>im</strong> Gesetz wird <strong>im</strong> doppelten Sinne verstanden:<br />

1. Schuldverhältnis <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />

2. Schuldverhältnis <strong>im</strong> engeren Sinne<br />

Unter einem Schuldverhältnis <strong>im</strong> weiteren Sinne versteht man ein Rechtsverhältnis zwischen<br />

mindestens zwei Personen, kraft dessen eine Person von der anderen best<strong>im</strong>mte Leistungen zu<br />

fordern berechtigt ist.<br />

Gemeint ist ein Rechtsverhältnis als ”Organismus”, aus dem sich eine Reihe von<br />

Einzelansprüchen = Forderungen = Schuldverhältnissen <strong>im</strong> engeren Sinne herleiten lässt.<br />

Beispiele für Schuldverhältnisse <strong>im</strong> weiteren Sinne sind etwa ”Kauf” oder ”Miete”, ”<strong>BGB</strong>-<br />

Gesellschaft”.<br />

Als Schuldverhältnis <strong>im</strong> engeren Sinne versteht man das Recht auf eine Leistung, § 241 I 1<br />

<strong>BGB</strong>, also den einzelnen Anspruch bzw. die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner.<br />

Dabei kann dies sowohl durch positives Tun als auch durch ein Unterlassen geschehen, § 241<br />

I 2 <strong>BGB</strong>.<br />

Beispiele: Zahlung des Kaufpreises oder der Miete; Unterlassen eines Konkurrenzgeschäfts.<br />

Jedes Schuldverhältnis <strong>im</strong> weiteren Sinne enthält mindestens eine Forderung des Gläubigers,<br />

der auf Seiten des Schuldners dessen Leistungspflicht entspricht.<br />

Welche Leistungen der Schuldner zu erbringen hat, ergibt sich aus dem Rechtsgeschäft (z. B.<br />

Kaufvertrag) oder aus dem Gesetz (z. B. § 823 I <strong>BGB</strong>).<br />

Bezüglich der Leistungspflicht ist zwischen der pr<strong>im</strong>ären und der sekundären Leistungspflicht<br />

zu unterscheiden.<br />

Die pr<strong>im</strong>äre Leistungspflicht ist gleichzusetzen mit der Erfüllungspflicht.<br />

Beispiel: Anspruch auf Lieferung des Fernsehapparates nach § 433 I <strong>BGB</strong>.<br />

Die sekundäre Leistungspflicht tritt neben oder an die Stelle der pr<strong>im</strong>ären Leistungspflicht.<br />

Beispiele: Sekundäre Pflicht auf Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 280 I und II, 286 <strong>BGB</strong>.<br />

Nachträgliche Zerstörung des Fernsehapparates durch ein Verschulden; Anspruch auf<br />

Schadensersatz nach §§ 280 I und III, 283, 275 I <strong>BGB</strong>.


15<br />

Entstehung durch Rechtsgeschäft<br />

Nach § 311 I <strong>BGB</strong> ist <strong>zur</strong> Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie<br />

<strong>zur</strong> Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses regelmäßig ein Vertrag zwischen den<br />

Beteiligten erforderlich. Ausnahmsweise genügt aber ein einseitiges Rechtsgeschäft.<br />

Die vertragliche Begründung des Schuldverhältnisses setzt einander entsprechende<br />

Willenserklärungen (Angebot und Annahme nach §§ 145 ff. <strong>BGB</strong>) voraus.<br />

Dabei kann man nach den Verpflichtungen, die sich aus einem Vertrag ergeben, wie folgt<br />

unterscheiden:<br />

Gegenseitige Verträge<br />

Gegenseitige Verträge, die vorliegen, wenn der eine Vertragsteil eine Leistung gerade deshalb<br />

verspricht, weil auch der andere sich zu einer Leistung verpflichtet (sog. synallagmatische<br />

Austauschverträge, bei denen die <strong>im</strong> Austauschverhältnis stehenden Leistungspflichten als<br />

Hauptleistungspflichten bezeichnet werden).<br />

Beispiele<br />

Kauf, Tausch, Miete, Dienst- und Werkvertrag.<br />

Unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge<br />

Unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge liegen vor, wenn nur für einen Vertragsteil<br />

Leistungspflichten entstehen, unter Umständen sich aber auch eine Verpflichtung des anderen<br />

Vertragsteils ergeben kann (sog. zufällig zweiseitige Verträge).<br />

Beispiele<br />

Be<strong>im</strong> Auftrag nach § 662 <strong>BGB</strong> ist grundsätzlich nur der Beauftragte verpflichtet. Im<br />

Einzelfall trifft aber auch den Auftraggeber eine Verpflichtung (z. B. zum<br />

Aufwendungsersatz nach § 670 <strong>BGB</strong>, der aber kein Entgelt für die Leistung des Beauftragten<br />

ist).<br />

Ein Vertrag über eine unentgeltliche Verwahrung enthält nur eine Pflicht des Verwahrers,<br />

§§ 688, 690 <strong>BGB</strong>. Hat dieser aber Aufwendungen gemacht, muss der Hinterleger sie<br />

ersetzen, § 693 <strong>BGB</strong>.<br />

Gegenstand des Leihvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers <strong>zur</strong> unentgeltlichen<br />

Gebrauchsüberlassung, § 598 <strong>BGB</strong>. Die Pflichten des Entleihers können sich aus §§ 601 ff.<br />

<strong>BGB</strong> ergeben.<br />

Einseitig verpflichtende Verträge<br />

Einseitig verpflichtende Verträge liegen vor, wenn <strong>im</strong>mer nur eine Vertragspartei <strong>zur</strong><br />

Leistung verpflichtet ist.<br />

Beispiele<br />

Schenkungsversprechen nach den §§ 516 ff. <strong>BGB</strong>; Bürgschaft nach den §§ 765 ff. <strong>BGB</strong>.


16<br />

Entstehung durch einseitiges Rechtsgeschäft<br />

Ausnahmsweise kann ein Schuldverhältnis auch durch ein einseitiges Rechtsgeschäft<br />

begründet werden.<br />

Beispiel<br />

Auslobung, § 657 <strong>BGB</strong> (z. B. "Kanarienvogel entflogen! Derjenige, der den Kanarienvogel<br />

wiederbringt, bekommt € 1.000").<br />

Ein Vermächtnis nach § 1939 <strong>BGB</strong> ist die in einer Verfügung von Todes wegen enthaltene<br />

Zuwendung eines Vermögensvorteils, die keine Erbeinsetzung ist.<br />

Beispiel<br />

Testament mit dem Wortlaut: "A ist mein Erbe; B soll meine juristische Bibliothek erhalten".<br />

Der Erhalt der juristischen Bibliothek stellt sich rechtlich als Vermächtnis gemäß §§ 1939,<br />

2174 <strong>BGB</strong> dar.<br />

Für den Vermächtnisnehmer wird "das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung<br />

des vermachten Gegenstandes zu fordern", § 2174 <strong>BGB</strong>. Im Beispielsfall also hat B nach dem<br />

Tode des Erblassers einen Anspruch gegen A als dem durch das Vermächtnis Beschwerten<br />

auf Übereignung der Bibliothek.<br />

Schuldverhältnis und Gefälligkeit<br />

Im Gegensatz zum Schuldverhältnis begründet das Gefälligkeitsverhältnis keine<br />

Verpflichtung, die versprochene Gefälligkeit zu erbringen.<br />

Beispiel:<br />

Lädt A den B zum Fußball-Länderspiel ein und n<strong>im</strong>mt B diese Einladung an, erhält B<br />

dennoch keinen Anspruch auf den Besuch des Länderspiels. A ist nicht rechtlich, sondern nur<br />

gesellschaftlich verpflichtet, sein Versprechen zu halten.<br />

Liegt eine bloße Gefälligkeit vor, besteht kein vertraglicher Anspruch auf Erfüllung und auch<br />

kein vertraglicher Anspruch auf Schadensersatz. Ansprüche aus einem gesetzlichen<br />

Schuldverhältnis, insbesondere aus §§ 823 ff. <strong>BGB</strong> bleiben davon unberührt.<br />

Beachte:<br />

Unentgeltlichkeit ist häufig Indiz für eine bloße Gefälligkeit. Dies ist aber nicht zwingend,<br />

wie die vertraglichen Schuldverhältnisse Leihe, Schenkung, Auftrag und unentgeltliche<br />

Verwahrung zeigen.<br />

Einzelheiten <strong>zur</strong> Abgrenzung zwischen einer Gefälligkeit und einem Schuldverhältnis bei<br />

Littbarski, VersR 2004, 950 – 958.


17<br />

6. Teil: Überblick über das Haftungsrecht<br />

Haftung bedeutet:<br />

1. Das Unterworfensein des Schuldnervermögens unter den Vollstreckungszugriff des<br />

Gläubigers <strong>im</strong> Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 704 ff. ZPO.<br />

2. Eine reine Sachhaftung ohne persönliche Schuld bei dinglichen Verwertungsrechten wie<br />

Pfandrechten und Hypotheken <strong>zur</strong> Sicherung einer Forderung.<br />

3. Haftung als Verpflichtetsein des Schuldners, indem dieser etwas schuldet oder für etwas<br />

einstehen muss.<br />

Der Schuldner muss Ersatzleistungen gegenüber dem Gläubiger erbringen in Form von<br />

a) Schadensersatz mit dem sich nach §§ 249 ff. <strong>BGB</strong> best<strong>im</strong>menden Umfang.<br />

b) Entschädigung = angemessener oder billiger Ausgleich.<br />

Nur die Haftung nach 3. ist Gegenstand der Vorlesung zum <strong>Schuldrecht</strong>.<br />

Haftung aufgrund<br />

Gefährdung<br />

Verschuldens<br />

Gefährdungshaftung<br />

Verschuldenshaftung<br />

z. B.: z. B.:<br />

§ 7 I StVG § 280 I <strong>BGB</strong><br />

§ 833 Satz 1 <strong>BGB</strong> §§ 823 – 839a <strong>BGB</strong><br />

§ 1 ProdHaftG mit Ausnahme des<br />

§§ 1, 32 ff. Gentechnikgesetz § 833 Satz 1 <strong>BGB</strong><br />

§ 1 Umwelthaftungsgesetz<br />

§ 1 Umweltschadensgesetz<br />

§ 11 Wasserhaushaltsgesetz<br />

§ 1 Haftpflichtgesetz<br />

§ 1 Luftverkehrsgesetz


18<br />

Verschuldenshaftung<br />

Ausgangspunkt für die Verschuldenshaftung ist § 276 <strong>BGB</strong>.<br />

Vorsatz = Wissen und Wollen<br />

Verschuldensformen<br />

Fahrlässigkeit<br />

grobe Fahrlässigkeit<br />

einfache Fahrlässigkeit<br />

Eine Legaldefinition der Fahrlässigkeit findet sich in § 276 II <strong>BGB</strong>.<br />

Die grobe Fahrlässigkeit ist gesetzlich nicht definiert: Die Sorgfalt wird bei grober<br />

Fahrlässigkeit in ungewöhnlich starkem Maße verletzt.<br />

Die grobe Fahrlässigkeit wird z. B. angesprochen in §§ 309 Nr. 7, 521, 599 <strong>BGB</strong>.<br />

Beachte:<br />

Im Arbeitsrecht unterscheidet man bei der sog. gefahrgeneigten oder schadensgeneigten<br />

Arbeit drei Formen der Fahrlässigkeit, und zwar die leichte, die mitlere und die grobe<br />

Fahrlässigkeit.<br />

Haftung für fremdes Verschulden<br />

Eine Haftung für fremdes Verschulden, nämlich des gesetzlichen Vertreters und des<br />

Erfüllungsgehilfen, deren sich der Schuldner <strong>zur</strong> Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient,<br />

ist in § 278 <strong>BGB</strong> angesprochen. Die Rechtsstellung des Gläubigers würde bei einer fehlenden<br />

Haftung erheblich geschmälert, da der Gläubiger gegen die Hilfspersonen keinen<br />

vertraglichen Anspruch hat und der deliktische Anspruch häufig nicht durchsetzbar sein wird.<br />

Der Geschäftsherr kann demgegenüber den Vertreter und Erfüllungsgehilfen auswählen und<br />

überwachen.<br />

§ 278 <strong>BGB</strong> kommt nur <strong>im</strong> Rahmen eines schon bestehenden Schuldverhältnisses, und zwar<br />

sowohl eines vertraglichen als auch eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses in Form einer<br />

Pflichtverletzung nach § 280 I <strong>BGB</strong> i. V. m. § 278 <strong>BGB</strong> in Betracht.<br />

Zu den von § 278 <strong>BGB</strong> erfassten Verbindlichkeiten gehören nicht nur Haupt-, sondern auch<br />

Nebenpflichten.<br />

Der Erfüllungsgehilfe braucht nicht <strong>im</strong> Abhängigkeitsverhältnis zum Geschäftsherrn zu<br />

stehen (Haftung des Vermieters für den Installateur in der Wohnung des Mieters).<br />

§ 278 <strong>BGB</strong> setzt ein schuldhaftes Verhalten des Erfüllungsgehilfen voraus. Da der Schuldner<br />

das Verschulden der Hilfsperson "in gleichem Umfang" "wie eigenes Verschulden" zu<br />

vertreten hat, best<strong>im</strong>mt sich der anzuwendende Verschuldensmaßstab nach der Person des<br />

Schuldners. Ist daher z. B. die Haftung vertraglich oder gesetzlich auf Vorsatz oder grobe<br />

Fahrlässigkeit beschränkt, haftet der Schuldner nicht für die einfache Fahrlässigkeit des<br />

Erfüllungsgehilfen.


19<br />

Eine Besonderheit ist allerdings darin zu sehen, dass der Schuldner die Haftung für<br />

vorsätzliches Verhalten seiner Hilfspersonen <strong>im</strong> Voraus vertraglich ausschließen kann, § 278<br />

S. 2 <strong>BGB</strong>, was ihm für seine eigene Person durch § 276 III <strong>BGB</strong> versagt ist.<br />

Beachte:<br />

Von der Haftung für fremdes Verschulden ist abzugrenzen die Haftung für den<br />

Verrichtungsgehilfen nach § 831 <strong>BGB</strong>, die eine Haftung des Geschäftsherrn für eigenes<br />

Verschulden in Gestalt des sog. Auswahl- bzw. Überwachungsverschuldens begründet.<br />

Diese Haftung ist ausschließlich <strong>im</strong> deliktischen Bereich, also <strong>im</strong> Recht der unerlaubten<br />

Handlungen denkbar. Es ist daher ein schwerer Fehler, an die Vorschrift des § 831 <strong>BGB</strong> <strong>im</strong><br />

vertraglichen und vorvertraglichen Bereich überhaupt nur zu denken, geschweige denn diese<br />

Vorschrift <strong>im</strong> vertraglichen und vorvertraglichen Bereich anzuwenden.<br />

Im Übrigen ist § 278 <strong>BGB</strong> auch von § 31 <strong>BGB</strong> abzugrenzen. Bei § 31 <strong>BGB</strong> geht es um die<br />

Haftung des Vereins für Organe. Diese Vorschrift wird insbesondere <strong>im</strong> Gesellschaftsrecht<br />

neben ihrer Anwendbarkeit auf juristische Personen wie Aktiengesellschaften und<br />

Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) entsprechend auch auf Gesellschaftsformen<br />

angewendet, die keine juristischen Personen des Privatrechts sind, sondern zu den<br />

Personengesellschaften wie OHG und KG gerechnet werden. Bezüglich der juristischen<br />

Personen des öffentlichen Rechts findet die Vorschrift des § 31 <strong>BGB</strong> über § 89 <strong>BGB</strong><br />

entsprechende Anwendung.


20<br />

7. Teil: Störungen <strong>im</strong> Schuldverhältnis<br />

1. Allgemeines<br />

Im Falle der ordnungsgemäßen Begründung, Durchführung und Beendigung eines<br />

Schuldverhältnisses besteht für keinen der an diesem Beteiligten Veranlassung, irgendwelche<br />

rechtlichen Überlegungen <strong>im</strong> Hinblick auf das Schuldverhältnis überhaupt nur in Erwägung<br />

zu ziehen.<br />

2. Formen der Leistungsstörungen<br />

Soweit sich aber das Schuldverhältnis abweichend von den Vorstellungen eines oder beider<br />

Beteiligten entwickelt, spricht man allgemein von Störungen oder noch genauer von<br />

Leistungsstörungen.<br />

Die Leistungsstörungen lassen sich ihrerseits in<br />

- Leistungsstörungen wegen Pflichtverletzung bzw.<br />

- Leistungsstörungen wegen sonstiger Arten<br />

unterscheiden.<br />

a) Leistungsstörungen wegen Pflichtverletzung<br />

Ausgehend von dem sich aus § 280 I <strong>BGB</strong> ergebenden Begriff der Pflichtverletzung sind die<br />

Leistungsstörungen wegen Pflichtverletzung ihrerseits gemäß § 241 I und II <strong>BGB</strong> in<br />

- Leistungspflichten und<br />

- Schutzpflichten<br />

zu unterteilen.<br />

Bezüglich der Leistungspflichten kommen die Fallgruppen der Nichtleistung, und zwar in<br />

Gestalt der<br />

- anfänglichen Unmöglichkeit bei Vertragsschluss und der nachträglichen Unmöglichkeit bei<br />

späterem Eintritt<br />

sowie der<br />

- Verzögerung der Leistung<br />

in Betracht.<br />

Während <strong>im</strong> Falle der Unmöglichkeit der Leistung diese nicht mehr erbracht werden kann,<br />

geht es bei der Verzögerung der Leistung regelmäßig um die Nachholung der geschuldeten<br />

Leistung.<br />

Dementsprechend ist <strong>im</strong> Falle der Unmöglichkeit der Leistung zu prüfen, ob der Gläubiger<br />

sekundäre Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz, gegenüber dem Schuldner hat.


21<br />

Außerdem stellt sich bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen die Frage nach den Folgen für<br />

den Gegenleistungsanspruch.<br />

Bezüglich der Verzögerung der Leistung steht <strong>im</strong> Vordergrund die Überlegung des<br />

Gläubigers, ob der Schuldner ihm den durch die Verzögerung entstandenen Schaden zu<br />

ersetzen hat. Darüber hinausgehend ist der Gläubiger <strong>im</strong> Einzelfall daran interessiert, sich<br />

wegen der Verzögerung der Leistung vom Vertrag zu lösen.<br />

Ergänzend zu den Fallgruppen der Nichtleistung durch Unmöglichkeit und Verzögerung ist<br />

weiterhin denkbar, dass der Schuldner die Leistung zwar pünktlich, aber nicht wie vertraglich<br />

geschuldet erbringt und daher eine sog. Schlechtleistung oder Schlechterfüllung vorliegt. In<br />

diesen Fällen kommen bei Bestehen von Gewährleistungsvorschriften nach den<br />

- §§ 434 ff. <strong>BGB</strong> be<strong>im</strong> Kaufvertrag,<br />

- §§ 536 ff. <strong>BGB</strong> be<strong>im</strong> Mietvertrag,<br />

- §§ 633 ff. <strong>BGB</strong> be<strong>im</strong> Werkvertrag<br />

eine Reihe von Anspruchsmöglichkeiten in Betracht.<br />

Soweit dagegen wie be<strong>im</strong> Dienstvertrag/Arbeitsvertrag nach den §§ 611 ff. <strong>BGB</strong> keine<br />

Gewährleistungsvorschriften <strong>im</strong> Gesetz existieren, sind die Vorschriften der §§ 280 ff. <strong>BGB</strong><br />

heranzuziehen.<br />

Bezüglich der Verletzung von Schutzpflichten durch den Schuldner geht es um die Frage, ob<br />

der Gläubiger Ersatz der aufgrund der Schutzpflichtverletzung entstandenen Schäden<br />

verlangen kann. Dabei betreffen die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche<br />

Schutzpflichtverletzungen an<br />

- sonstigen Rechten,<br />

- Rechtsgütern,<br />

- Interessen<br />

des Gläubigers.<br />

Die Schutzpflichtverletzungen betreffen in erster Linie die zwischen dem Gläubiger und dem<br />

Schuldner bestehenden vertraglichen Beziehungen. Sie kommen aber auch<br />

- <strong>im</strong> vorvertraglichen Bereich nach § 311 II <strong>BGB</strong> und<br />

- <strong>im</strong> Falle des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach § 311 III <strong>BGB</strong><br />

jeweils in Verbindung mit § 241 II <strong>BGB</strong> in Betracht.<br />

b) Leistungsstörungen wegen sonstiger Arten<br />

Soweit es um Leistungsstörungen wegen sonstiger Arten geht, kommen als Fallgruppen<br />

- Gläubigerverzug nach §§ 293 – 304 <strong>BGB</strong> mit den Einschränkungen nach den §§ 323 VI 2.<br />

Alt., 326 II 1 2. Alt. <strong>BGB</strong>,<br />

- Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 <strong>BGB</strong>,<br />

- Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund nach § 314 <strong>BGB</strong>,<br />

- Vertragsstrafe nach §§ 339 ff. <strong>BGB</strong><br />

in Betracht.


22<br />

3. Verantwortlichkeit des Schuldners nach §§ 276, 278 <strong>BGB</strong><br />

Grundsätzlich besteht für den Gläubiger nur dann ein Anspruch gegen den Schuldner, wenn<br />

entweder<br />

- eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung oder<br />

- eine vom Verschulden abhängige Pflichtverletzung nach § 280 I <strong>BGB</strong> i. V. m. den die<br />

Verantwortlichkeit des Schuldners regelnden §§ 276, 278 <strong>BGB</strong> gegeben ist.<br />

Grundsätzlich hat der Schuldner für jede Pflichtverletzung oder jeden Sorgfaltsverstoß gemäß<br />

§§ 276 I, 278 <strong>BGB</strong> einzutreten. Jedoch lässt sich die Haftung durch vertragliche Vereinbarung<br />

in den Grenzen der §§ 276 III, 278 Satz 2 <strong>BGB</strong> ausschließen oder einschränken.<br />

Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit darf nach § 309 Nr. 7 <strong>BGB</strong> für AGB gemäß den §§ 305<br />

– 310 <strong>BGB</strong> in AGB nicht zugunsten des Verwenders der AGB ausgeschlossen werden.<br />

Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn über die Legaldefinition der (einfachen oder leichten)<br />

Fahrlässigkeit nach § 276 II <strong>BGB</strong> hinaus die <strong>im</strong> Verkehr erforderliche Sorgfalt in<br />

ungewöhnlich starkem Maße verletzt wird.<br />

Die Haftung ist auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz vor allem bei Unentgeltlichkeit<br />

beschränkt, wie die §§ 521, 599, 680, 690 und 968 <strong>BGB</strong> zeigen.<br />

Im Hinblick auf die Haftung für die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten (diligentia quam<br />

in suis) nach § 277 <strong>BGB</strong> ist zu beachten, dass keine Haftungsbefreiung für grobe<br />

Fahrlässigkeit (und erst recht nicht für Vorsatz gemäß § 276 I 1 <strong>BGB</strong>) besteht. Hierzu ist auf<br />

die Regelungen der §§ 690, 708, 1359, 1664 I, 2131 <strong>BGB</strong> zu verweisen.<br />

Der besonderen Hervorhebung verdient, dass die diligentia quam in suis nach ständiger<br />

Rechtsprechung nicht für Schädigungen <strong>im</strong> Straßenverkehr gilt (vgl. BGHZ 46, 313, 317 f.<br />

für § 708 <strong>BGB</strong> sowie BGHZ 53, 352, 355 f. und 61, 101, 104 f. für § 1359 <strong>BGB</strong>), da die<br />

Regeln des Straßenverkehrs keinen Spielraum für individuelle Sorgfalt ließen.


23<br />

§ 7 Abs. 1 StVG lautet:<br />

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu best<strong>im</strong>mt ist, von<br />

einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die<br />

Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet,<br />

dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.<br />

§ 7 Abs. 2 StVG lautet:<br />

Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.<br />

…………………..<br />

…………………..<br />

§ 16 StVG lautet:<br />

Unberührt bleiben die bundesrechtlichen Vorschriften, nach welchen der Fahrzeughalter für<br />

den durch das Fahrzeug verursachten Schaden in weiterem Umfang als nach den Vorschriften<br />

dieses Gesetzes haftet oder nach welchen ein anderer für den Schaden verantwortlich ist.<br />

§ 18 Abs. 1 StVG lautet:<br />

In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs oder des Anhängers zum<br />

Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 – 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist<br />

ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.<br />

§ 18 Abs. 2 StVG lautet:<br />

Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende Anwendung.<br />

§ 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) lautet:<br />

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung<br />

verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung <strong>im</strong><br />

Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis <strong>zur</strong> Dauer von<br />

sechs Wochen . . .<br />

§ 6 Abs. 1 EFZG lautet:<br />

Kann der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz<br />

wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeits-unfähigkeit entstanden<br />

ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer<br />

nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende, vom Arbeitgeber zu<br />

tragende Beiträge <strong>zur</strong> Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen <strong>zur</strong><br />

Sozialversicherung und <strong>zur</strong> Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen<br />

Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat…

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