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GJPA Berlin, den 9. 5. 2006<br />
AZ 2230.9<br />
Bearb.: Herr Groß<br />
App.: 3321<br />
Vortrag im ersten Staatsexamen (§ 9 Abs. II JAO)<br />
<strong>Vermerk</strong>:<br />
Nach den Bestimmungen der JAO 2003 wird bei den Prüfung nach neuem Recht<br />
auch im ersten Examen, wie bisher bereits im 2. Examen, die mündliche Prüfung<br />
durch einen Vortrag mit einem anschließendem Vertiefungsgespräch von 5 Minuten<br />
eingeleitet. Die Vorbereitungszeit auf den Vortrag beträgt, ebenfalls wie im zweiten<br />
Staatsexamen, 1 Stunde; die Vortragszeit beträgt 10 Minuten. Es folgt ein<br />
Vertiefungsgespräch von 5 Minuten.<br />
Zum Umgang mit der neuen Prüfungsleistung liegen noch keine Erfahrungen vor.<br />
Bisher haben sich noch keine Kandidaten nach neuem Recht zu den Prüfungen<br />
angemeldet. Die ersten Anmeldungen werden für die Sommerkampagne 2006<br />
erwartet. Die ersten mündlichen Prüfungen nach neuem Recht stehen dann<br />
voraussichtlich in den Monaten Januar bis März 2007 an.<br />
Die Motive zur neuen JAO führen zu der Prüfungsleistung "Vortrag" aus:<br />
"Gegenstand des Vortrags kann sowohl ein Sachthema als auch ein zu begutachtender<br />
Rechtsfall sein. Das Vortragselement in der studienabschließenden Prüfung ist neu. Da die<br />
Studieninhalte gemäß § 5a Abs. 3 Satz 1 DRiG ausdrücklich um die Vermittlung von<br />
Schlüsselqualifikationen wie z.B. Rhetorik, Kommunikationsfähigkeit und Gesprächsführung<br />
ergänzt worden sind, ist es sinnvoll, bereits in der staatlichen Pflichtfachprüfung ein<br />
entsprechendes Element einzuführen. Die Einführung des Vortrags gewährleistet auch, dass<br />
die Studierenden den Schlüsselqualifikationen die gebührende Aufmerksamkeit widmen.<br />
Darüber hinaus ist der Vortrag von hohem praktischem Wert. Es gehört zum Berufsalltag des<br />
Juristen, sich verständig mündlich ausdrücken zu können und sich binnen kurzer Zeit in eine<br />
Rechtsproblematik einzuarbeiten sowie in freier Rede anhand von Stichworten einen<br />
rechtlichen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Von wesentlicher Bedeutung ist das<br />
anschließende Vertiefungsgespräch. Hier hat der Prüfling Gelegenheit, seine Lösung zu<br />
1
verteidigen und in dem Rechtsgebiet des Vortragsthemas zu zeigen, dass er das Recht mit<br />
Verständnis anwenden kann und über die dafür erforderlichen Kenntnisse verfügt."<br />
a) Der Vortrag im zweiten Staatsexamen als Vorbild<br />
Die Leistung "Vortrag" orientiert sich an der vergleichbaren Prüfungsleistung im<br />
zweiten Staatsexamen, wo der Vortrag seit Jahrzehnten zum Standard der<br />
Prüfungen gehört. Der Vortrag war einer speziellen richterlichen Arbeitsanforderung<br />
entnommen, der mündlichen Äußerung des Berichterstatters in der Beratung des<br />
Kollegialorgans. Zu erörtern war ein vorgegebener Fall, die Akte, aus Sicht des<br />
Gerichts. Dem Spruchkörper war eine Entscheidung, meist ein Urteil, vorzuschlagen.<br />
Die entsprechende Prüfung heißt jetzt berufspraktischer Teil. Sie ist in den<br />
Gestaltungsformen freier und kann unterschiedliche Aufgaben, etwa auch den<br />
Vorschlag zu einem Vorgehen aus anwaltlicher Sicht, die Erarbeitung eines<br />
Vorschlags zur Vertragsgestaltung oder ähnliches zum Gegenstand haben.<br />
b) Die technischen Bedingungen<br />
Die technischen Rahmenbedingungen des neuen Prüfungsteils "Vortrag" in der<br />
Pflichtfachprüfung entsprechen den Vorgaben im zweiten Examen. Es gibt einen<br />
kurzen Text, eine Vorbereitungszeit von einer Stunde und dann die Aufforderung an<br />
den Kandidaten, sich vor der Prüfungskommission mündlich zu äußern. Die<br />
Kandidaten erhalten den Vortragstext gestaffelt in einem Abstand von etwa 20<br />
Minuten. Nach der Vorbereitungszeit betreten sie der Reihe nach den Prüfungssaal<br />
und halten ihren Vortrag vor der Kommission. Die Vortragszeit beträgt 10 Minuten.<br />
Für das Zeitmanagement während des Vortrags ist der Kandidat verantwortlich. Wird<br />
die Gesamtzeit überschritten, so muss die oder der Vorsitzende den Vortrag<br />
abbrechen. Im Anschluss an den Vortrag ist ein kurzes Vertiefungsgespräch von<br />
längstens 5 Minuten Dauer vorgesehen, das der Fachprüfer führt. Die Fragen des<br />
Vertiefungsgespräch werden sich meist im Umfeld des Vortrags bewegen.<br />
Das Rechtsgebiet des Vortrags wählt der Kandidat, den Vortrag bestimmt das<br />
Prüfungsamt. Trifft der Prüfling seine Wahl nicht rechtzeitig (§ 4 Abs. II JAO),<br />
bestimmt das Prüfungsamt auch das Rechtsgebiet (§ Abs. II JAO).<br />
2
c) Vortrag als Schlüsselqualifikation<br />
Ähnelt damit die nunmehr im Ersten Staatsexamen geforderte Prüfungsleistung von<br />
ihrem äußeren Ablauf her dem aus dem zweiten Examen Bekannten, so greift die<br />
inhaltliche Anforderung teilweise darüber hinaus.<br />
Wesentlich ist die Aufforderung an den Studenten, sich mit einem durch die<br />
Vortragsaufgabe vorgegebenen Teilbereich des Rechts inhaltlich auseinander<br />
zusetzen und das gedankliche Ergebnis verständlich und ansprechend in weitgehend<br />
freier Rede sprachlich darzustellen. Der Vortrag richtet sich an ein interessiertes<br />
Fachpublikum. Indes kann nur von dem Fachprüfer eine Kenntnis aller Details der<br />
abzuhandelnden Problematik erwartet werden. Die anderen Zuhörer sind durch den<br />
Vortrag zu informieren.<br />
Der Vortrag fordert damit einige der Schlüsselqualifikationen der<br />
Juristenausbildungsreform des Jahres 2003 (etwa Rhetorik, Kommunikationsfähigkeit<br />
und Gesprächsführung). Die Prüfungsleistung "Vortrag" bildet dieses Reformelement<br />
in den staatlichen Pflichtfachprüfung ab.<br />
d) Die Gestaltung des Vortrags<br />
Es sind unterschiedliche Einkleidungen für die Vortragsaufgabe denkbar. Die<br />
nachstehende Darstellung enthält Beispiele mit typischen Lösungsansätzen. Die<br />
Einzelheiten für die konkret zu bearbeitende Aufgabe im Examen werden sich jeweils<br />
aus dem der Aufgabe beigefügten Bearbeitungshinweis ergeben, der auch eine<br />
bestimmte Gesprächssituation, etwa den Vortrag vor einem Spruchkörper, den<br />
Vortrag zur Unterrichtung eines das Mandat bearbeitenden Rechtsanwaltes oder<br />
Ähnliches vorgeben kann.<br />
3
1. Der einfache Klausurfall<br />
Dies ist die klassische Aufgabenstellung. Der Kandidat erhält einen kurzen<br />
Sachverhalt und hat die rechtliche Lösung darzustellen. Hier bietet es sich an, mit<br />
einer kurzen Einführung in den Fall zu beginnen und, um es den Zuhörern zu<br />
erleichtern, dem Vortrag zu folgen, die im Folgenden begründete Lösung vorab<br />
kurz zu skizzieren. Eine vollständige Darstellung des Sachverhaltes, wie sie im<br />
zweiten Staatsexamen als zusätzliche Leistung gefordert wird, ist nicht<br />
erforderlich. Ähnlich, wenn auch in der Form etwas abweichend, wäre die<br />
anwaltliche Beratungsaufgabe, bei der eine bestimmte Problemlösung erstrebt<br />
und der Mandant beraten werden soll, wie er das gewünschte Ergebnis erreichen<br />
kann.<br />
2. Der einfache Klausurfall mit thematischer Zusatzfrage<br />
Dies sind Aufgaben, bei denen die Darstellung eines bestimmten Sachverhaltes,<br />
etwa die Beschädigung einer Sache des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer<br />
oder die Androhung der Folter durch einen Polizeibeamten mit der Aufforderung<br />
verknüpft wird, die Rechtsentwicklung oder die Rechtslage zu erläutern und die<br />
unterschiedlichen zu diesem Rechtsproblem vertretenen Lösungsansätze<br />
darzustellen.<br />
Hier wird es sich regelmäßig anbieten, zunächst allgemein in die rechtliche<br />
Problematik einzuführen und sodann die Auswirkung der dargestellten Theorien<br />
an dem konkreten Beispiel darzustellen; anderes kann sich aus dem<br />
Bearbeitervermerk ergeben.<br />
4
3. Der thematische Vortrag<br />
Der thematische Vortrag löst sich vom Fall. In seinem Mittelpunkt steht die<br />
Anforderung, ein bezeichnetes Rechtsproblem in seinen Bezügen darzustellen.<br />
Ausgangspunkt kann auch ein Zeitungsartikel, eine Pressemitteilung o.ä. mit der<br />
Bitte sein, die wesentlichen angesprochenen Rechtsprobleme zu skizzieren und<br />
die Rechtsentwicklung und die unterschiedlichen zu dem Problem vertretenen<br />
Rechtsmeinungen zu erläutern und hierzu wertend Stellung zu nehmen.<br />
e) Die Fallbeispiele aus Nordrhein-Westfalen<br />
In NRW ist nach neuem Recht ebenfalls ein Vortrag in der staatlichen<br />
Pflichtfachprüfung vorgesehen. Die Vorbereitungszeit beträgt wie in Berlin und<br />
Brandenburg jeweils eine Stunde, die Vortragszeit beträgt in NRW maximal 12<br />
Minuten (§ 10 Abs. III JAG NRW). Die Anforderungen sind damit in etwa<br />
vergleichbar.<br />
NRW hat zur Vorbereitung für die Universitäten die beigefügten Aufgabenbeispiele<br />
erarbeitet. Beigefügt sind 10 Aufgaben aus dem Zivilrecht, 5 Aufgaben aus dem<br />
Strafrecht und 8 Aufgaben aus dem öffentlichen Recht. Die Beispiele decken die<br />
oben dargestellten Formern ab (etwa Fallgestaltung Nr 1: ZR 2, ZR 4, ZR 7; STR 2,<br />
STR 3, ÖR 2, ÖR 3; etwa Fallgestaltung Nr. 2: ZR 3 ZR 6, ZR 10; STR 1, ÖR 4, ÖR<br />
8 und zur Fallgestaltung Nr. 3 etwa die Beispiele ZR 1, ZR 8, ZR 9; STR 5; ÖR I, ÖR<br />
5).<br />
Die Beispiele können als Muster für die hier zu erstellenden Vorträge dienen. NRW<br />
hat sich auf Rückfrage damit einverstanden erklärt, dass wir diese Vorträge zu<br />
Ausbildungszwecken an die hiesigen Universitäten übersenden.<br />
5
f) Weiteres Vorgehen<br />
Die Verteilung der Erstellung der Aufgaben sollte in der demnächst ohnehin<br />
anstehenden Neuordnung der Geschäftsverteilung im Bereich des GJPA nach dem<br />
Wegfall der Doppelbelastung im 2. Staatsexamen mit 3 Rechten erörtert werden. Im<br />
Übrigen sollten die Dekane der Universitäten über die hier bestehenden Planung zur<br />
Gestaltung des Vortrags informiert und die in NRW entwickelten Vortragsbeispiele zu<br />
Übungszwecken übersandt werden.<br />
2.)<br />
Herrn Präsidenten m.d.B. um Billigung<br />
3.)<br />
Je eine Abschrift dieser V. mit der beigefügten Datei mit den Vorträgen an alle<br />
juristischen Mitarbeiter<br />
m.d.B.<br />
um kritische Äußerungen per Mail an mich zu den in diesem <strong>Vermerk</strong> dargestellten<br />
Überlegungen bis zum 2.6.06 2006<br />
4.) Frau Pellot m.d.B. eine neue Akte mit obigem AZ und dem Titel "Vortrag im<br />
ersten Staatsexamen" anzulegen.<br />
5.)<br />
WV mir am 6.6.<br />
Groß<br />
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