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Die Nominalisierung des Verbs

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<strong>Die</strong> <strong>Nominalisierung</strong> <strong>des</strong> <strong>Verbs</strong><br />

Referent de specialitate Roxana Mihaela DRĂGAN<br />

Grundsätzlich können alle Verben <strong>des</strong> Deutschen nominalisiert, d.h.<br />

in ein Substantiv umgesetzt werden. <strong>Die</strong> <strong>Nominalisierung</strong> <strong>des</strong> <strong>Verbs</strong><br />

erfolgt vorrangig durch die drei Wortbildungsverfahren der expliziten<br />

bzw. impliziten Derivation und der Konversion, die im Folgenden - in<br />

Anlehnung an die Darstellung bei Fleischer/Barz (1992) - einzeln<br />

betrachtet werden sollen.<br />

<strong>Die</strong> explizite Derivation<br />

Explizite Derivate werden durch Suffigierung gebildet. Unter<br />

Suffigierung verstehen wir die Bildung neuer Wörter mit Hilfe der<br />

produktiven heimischen (nativen) Suffixe, der Diminuierung und<br />

Movierung und mit Hilfe der Fremdsuffixe. <strong>Die</strong> heimischen Suffixe, die<br />

an eine Verbbasis treten können, werden hier ausführlicher behandelt.<br />

Das Suffix -e bildet Feminina und Umlaut kommt nur selten vor. <strong>Die</strong><br />

nominalisierten Verben zeigen:<br />

a. den Ort: Bleibe, Kippe, Schwemme<br />

b. den Gegenstand/das Gerät: Binde, Liege, Rinne, Wiege, Spüle<br />

c. den Prozess: Hetze, Pflege, Suche, Ausreise, Nachfrage<br />

Einige Derivate sind stark kompositionsaktiv als Zweitglied:<br />

Buchstaben-, Ideen-, Farben-, Formen-, Harmonie-, Mengenlehre.<br />

Das Suffix -ei ist durch französische Entlehnung beeinflusst und<br />

weitergeführt worden. <strong>Die</strong> Wortbildungskonstruktionen sind durchwegs<br />

Feminina. Derivation mit Hilfe dieses Suffixes bezieht sich auf eine<br />

verbale Basis, die pejorative Prozessbezeichnung kennzeichnet.<br />

Abgesehen von wenigen Fällen gehört -er in diesen Konstruktionen nicht<br />

zum <strong>Verbs</strong>tamm: Brüllerei, Heulerei, Esserei. Neben simplizischer Basis<br />

ist auch komplexe Basis möglich: Aufschneiderei, Nachäfferei,<br />

Augenwischerei, Rechthaberei. Verbale Basis auf - (e)ln zeigt ebenfalls<br />

pejorative Prozessbezeichnung: Blödelei, Liebelei, Heuchelei, Witzelei.<br />

Weniger pejorativ, sondern salopp-scherzhaft ist Rätselei. Als Resultat <strong>des</strong><br />

Prozesses sind die konkreten Sachbezeichnungen (Häckelei, Strickerei,<br />

Schmiererei, Schreiberei) zu sehen. Der Unterschied zwischen Orts- und<br />

Prozessbezeichnung ist durch Umlaut gekennzeichnet: Bäckerei (auf


Bäcker bezogen), Backerei (auf Backen bezogen), Wäscherei –<br />

Wascherei.<br />

Das Suffix -el bildet maskuline Wortbildungskonstruktionen: Deckel.<br />

Hebel, Stachel. Auch Fälle wie Flügel, Griffel, Zügel sind über die<br />

entsprechenden Verbalsubstantive Flug, Griff, Zug semantisch auf ein<br />

Verb zu beziehen. Einige dieser Konstruktionen sind heute isoliert:<br />

Meißel, Löffel, Wirbel.<br />

In den meisten Fällen werden die deverbalen Nomina agentis durch -<br />

er-Bildungen ersetzt: Träger, Kämpfer, Treiber. In Bezug auf die vom<br />

Verb bezeichnete Tätigkeit lassen sich die -er-Deverbate in drei<br />

semantische Untergruppen teilen.<br />

a. “professionell”: Dreher, Lehrer, Schneider<br />

b. “habituell”. Denker, Raucher<br />

c. “okkasionell”: Finder, Gewinner, Verlierer<br />

Der Unterschied zwischen der Konversion <strong>des</strong> Partizip I und der<br />

expliziten Derivation mit dem Suffix -er liegt darin, dass das -er-Derivat<br />

zur Benennung eines Personenbegriffs tendiert, womit auch eine<br />

potenzielle Idiomatisierung verbunden ist: der Denkende - der Denker, der<br />

Kriechende - der Kriecher.<br />

Bei dem Suffix -ler tritt die verbale Basis weitgehend zurück:<br />

Ausweichler, Gewinnler. Eher auf substantivische als auf verbale Basis ist<br />

zu beziehen z.B. Umstürzler. <strong>Die</strong>ses Modell zeigt durchgehend pejorative<br />

Konnotation.<br />

Das Suffix -ling bildet Maskulina und auf verbale Basis bezogen<br />

zeigt es eine Person, auf die sich die im Verb ausgedrückte Tätigkeit<br />

erstreckt: Lehrling vs. Lehrer, Prüfling vs. Prüfer, Pflegling vs. Pfleger. In<br />

diesen Fällen sind die Derivate antonymisch zu betrachten. Andere -ling-<br />

Derivate sind Sachbezeichnungen: Setzling, Steckling. Es gibt auch -ling-<br />

Derivate, die synonymisch zum substantivierten Partizip I sind:<br />

Ankömmling - der Ankommende.<br />

Das Suffix -nis bildet feminine oder neutrale Abstrakta. Als<br />

Infinitivstamm ist am häufigsten präfigierte verbale Basis: Bedürf-,<br />

Begräb-, Ergeb-, Erlaubnis. Daneben gibt es auch simplizische Basis:<br />

Hinder-, Wagnis. Das Partizip II erscheint auch als Basis, vor allem von<br />

starken Verben (Gefängnis), aber auch von schwachen (Gedächtnis,<br />

Vermächtnis).


<strong>Die</strong> Produktivität der Derivate mit -s ist nach einzelnen<br />

Dialektgebieten unterschiedlich. Ein Teil dieser Wortbildungskonstruktionen<br />

ist deutlich umgangssprachlich markiert. Bei den<br />

deverbalen Maskulina gibt es zwei produktive Modelle: Klecks, Taps<br />

neben den Verben klecken, klecksen und tappen, tapsen sind entweder als<br />

Konversionsprodukte oder als expilizite Derivate zu erklären.<br />

Das Suffix -schaft bildet Feminina und auf die verbale Nominalform<br />

als Basis bezogen, zeigt es Resultatsbezeichnung mit Entwicklung zu<br />

konkreter Sachbezeichnung: Errungenschaft, Gefangenschaft,<br />

Bekanntschaft.<br />

Das Suffix -sel hat sich aus -sal entwickelt, ist stärker produktiv als<br />

dieses und bildet vor allem Neutra (Häcksel), Maskulina (Stöpsel) sind<br />

selten.<br />

-ung-Derivate haben ausgeprägteren Prozesscharakter. Das Suffix -<br />

ung kann auch auf eine verbale Wortgruppe bezogen werden:<br />

Farbgebung, Grundsteinlegung. <strong>Die</strong> meisten -ung-Derivate sind jedoch<br />

auf intransitives Präfixverb oder ein verbales Kompositum zu beziehen. In<br />

vielen Fällen ist das Derivat von einem verbalen Simplex nicht geläufig:<br />

Anhörung vs. Hörung, Besprechung vs. Sprechung, Ausraubung vs.<br />

Raubung. Keine Ableitung auf -ung bilden die modalen Hilfsverben sowie<br />

verbale Komposita aus zwei <strong>Verbs</strong>tämmen: sitzenbleiben. Das Suffix -ung<br />

ist neben -er das produktivste substantivbildende Suffix der deutschen<br />

Gegenwartssprache. <strong>Die</strong> -ung-Derivation dient als eine semantisch offene<br />

und wenig festgelegte Bildungsweise. Das ung-Suffix erscheint nicht nur<br />

bei transitiven Verben (Bindung, Glättung), bei intransitiven (Atmung,<br />

Gleichung), sondern auch bei reflexiven Verben (Wallung, Gabelung). Als<br />

verbale Basis dient auch das präfigierte Verb: Ablösung, Einführung,<br />

Überraschung. Bildungen mit doppelten Präfixen sind wenig zahlreich:<br />

Anerkennung, Verabredung.<br />

<strong>Die</strong> Konversion<br />

<strong>Die</strong> Konversion ist die Transposition von Wörtern, Wortgruppen bzw.<br />

Sätzen in eine andere Wortart ohne Stammvokalveränderung oder<br />

Affigierung. Als Konversion werden auch die <strong>des</strong>ubstantivischen (filmen)<br />

und deadjektivischen (faulen) Verben ohne Affigierung klassifiziert. Das<br />

infinitivische -en ist nicht als Wortbildungsmorphem aufgefasst, da es wie<br />

die Flexionsmorpheme innerhalb <strong>des</strong> verbalen Flexionsparadigmas<br />

verändert wird.


Bei deverbaler Konversion stehen mehrere Formen als Basis zur<br />

Verfügung: der <strong>Verbs</strong>tamm, der Infinitiv, eine Personalform, das Partizip I<br />

und das Partizip II:<br />

a. <strong>Verbs</strong>tamm: ruf- Substantiv. der Ruf<br />

b. Infinitiv: schreiben Substantiv: das Schreiben<br />

c. Personalform: ist, soll Substantiv: das Ist, das Soll<br />

d. Partizip I: reisend Substantiv: der/die Reisende<br />

e. Partizip II: angestellt Substantiv: der/die Angestellte<br />

Bei der Konversion <strong>des</strong> <strong>Verbs</strong>tammes werden Substantive mit<br />

maskulinem Genus (fallen - der Fall) gebildet. Es gibt verschiedene<br />

Verbkategorien, die der Konversion unterliegen:<br />

a. simplizische starke Verben: Fang, Halt, Rat, Schrei, Stoß<br />

b. simplizische schwache Verben: Blick, Knall, Schwatz<br />

c. starke Präfixverben: Befehl, Ertrag, Verfall, Zerfall, Antrag,<br />

Beitrag, Vortrag<br />

d. schwache Präfixverben: Besuch, Erfolg, Verbrauch, Verhör<br />

<strong>Die</strong>se Konversion ist auch von verbalen Komposita möglich, z.B. von<br />

den Komposita mit zurück-: Rückblick, Rückfall, Rücklauf.<br />

<strong>Die</strong> Infinitivkonversion, das einfachste Mittel, je<strong>des</strong> Verb zu<br />

substantivieren, ist weniger ein Mittel der Bereicherung <strong>des</strong> Wortschatzes als<br />

vielmehr ein syntaktisch relevantes <strong>Nominalisierung</strong>sverfahren. <strong>Die</strong><br />

Konversionsprodukte sind in der Regel Neutra, aber es gibt auch<br />

Ausnahmen: der Husten, der Schnupfen. <strong>Die</strong> Produkte der Konversion<br />

erscheinen in verschiedenen Strukturtypen:<br />

a. Infinitiv eines Simplex: Essen<br />

b. Infinitiv eines Präfixverbs: Vermögen, Ausbrechen<br />

c. Infinitiv eines Suffixverbs: Diskutieren, Murmeln<br />

d. Infinitiv eines Kompositums: Sitzenbleiben<br />

Bei den durativen intransitiven Verben (kriechen, warten) ist die<br />

Infinitivkonversion die einzige Möglichkeit der Bildung eines<br />

Verbalsubstantivs. Im Bereich der Infinitivkonversion dominiert die<br />

Prozessbezeichnung (Nomen actionis) mit Merkmalen der Transitivität<br />

und Zeitlichkeit (beim Lesen <strong>des</strong> Buches), doch es ist auch<br />

Ergebnisbezeichnung (Erstaunen, Treffen) und konkrete Sachbezeichnung<br />

(das zerrissene Schreiben) möglich.<br />

<strong>Die</strong> implizite Derivation


Als implizite Derivation werden Prozesse deverbaler Derivation von<br />

Substantiven und deverbaler Derivation von Verben zusammengefasst, die<br />

wie die Konversion ohne Verwendung von Affixen erfolgen. <strong>Die</strong>se<br />

Wortbildungsart ist jedoch mit einem Wechsel <strong>des</strong> Stammvokals<br />

verbunden: werfen - der Wurf, fliegen - der Flug, entziehen - der Entzug.<br />

<strong>Die</strong> Möglichkeiten der <strong>Nominalisierung</strong> folgen Regularitäten aber<br />

diese können von Verb zu Verb sehr unterschiedlich sein. Das erweist sich<br />

für den Lerner <strong>des</strong> Deutschen als Fremdsprache nicht selten sehr<br />

schwierig.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Duden, Deutsches Universal Wörterbuch A-Z, Mannheim, Wien,<br />

Zürich Dudenverlag, 1989.<br />

2. Duden, Grammatik der Deutschen Gegenwartssprache, Duden Band<br />

4, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich Dudenverlag, 1999.<br />

3. Fleischer, Wolfgang, Barz, Irmhild, Wortbildung der Deutschen<br />

Gegenwartssprache, Tübingen, Max Neymeyer Verlag, 1992.<br />

4. Berlin und München Langenscheidts Grosswörterbuch, –Deutsch als<br />

Fremdsprache. Langenscheidt Verlag, 1993.

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