SPRACHROHR 5/2013
Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.
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10 Beruf & Gesellschaft<br />
Partner, kräftiger als der Verband<br />
Mitgliederversammlung und öffentliche Lesung des brandenburgischen VS<br />
Fachgruppe<br />
Literatur<br />
Der »Glasanbau« der Fouqué-Bibliothek<br />
in Brandenburg an der<br />
Havel war am 25. September gut gefüllt.<br />
Versammelt hatten sich VS-Mitglieder<br />
des Landesverbandes Brandenburg<br />
zu Rückblick, Vorschau und<br />
Diskussion. Den Rückblick leitete die<br />
VS-Vorsitzende Carmen Winter mit<br />
ihrem Bericht über die Verbandsarbeit<br />
ein. Themen wie die Suche nach<br />
Kooperationspartnern, die Mitgliederentwicklung,<br />
die Veränderungen<br />
auf dem Buchmarkt und deren Folgen<br />
spielten auch in den Diskussionen<br />
eine Rolle. Till Sailer berichtete<br />
über eine geplante Anthologie. Die<br />
auf einem Treffen der Landesvorsitzenden<br />
mit dem Bundesvorstand gestellte<br />
Frage, ob der VS auch ohne<br />
ver.di bestehen könnte, sei mit Nein<br />
beantwortet worden. Dies schien<br />
auch die Meinung der Versammelten<br />
zu sein, denn der Gedankenaustausch<br />
galt der praktischen Verbandsarbeit<br />
– Carmen Winter: »Orte fehlen uns<br />
nicht, Menschen fehlen uns«, der<br />
Entwicklung der Lite raturszene des<br />
Landes – Prof. Marianne Schmidt:<br />
»Wir geben nicht auf, aber das geht<br />
nicht weiter!« und Vorhaben wie einer<br />
Veranstaltung, für die man sich<br />
des Interesses der Friedrich-Ebert-<br />
Stiftung vergewissert hatte, an der<br />
die Filmhochschule nach anfänglicher<br />
Geneigtheit dann nicht teilnehmen<br />
mochte. »Wir brauchen aber«, war<br />
zu hören, »Partner, die kräftiger sind<br />
als der Verband.« Hinzuzufügen ist,<br />
dass der Landesverband Brandenburg<br />
einer der kleinsten im VS ist,<br />
was sich der Lebhaftigkeit dieses<br />
Nachmittags nicht nachsagen lässt.<br />
Eigenwilliger Geist<br />
beschworen<br />
Es ist Tradition, dass der Mitgliederversammlung<br />
eine öffentliche Lesung<br />
eines zu würdigenden Jubilars<br />
folgt. Diesmal hatten wir uns entschieden,<br />
den eigenwilligen Geist des<br />
Stefan Heym heraufzubeschwören.<br />
Dr. Therese Hörnigk gab einen Überblick<br />
über das wechselvolle Leben<br />
des schreibenden Weltbürgers. »Ich<br />
habe mich immer eingemischt« und<br />
»Leben heißt an etwas glauben« als<br />
Biografietitel brachten uns den Autor<br />
nahe. Dann folgten Textproben:<br />
Erhard Scherner dachte über Heyms<br />
erstes Gedicht nach (als er noch der<br />
Dicht gefüllte Reihen im Fouqué-Haus zu Bilanz und Lesung<br />
17-jährige Bruno Flieg war), Ingeborg<br />
Arlt trug aus »Der König David<br />
Bericht« und Frank Radüg aus<br />
»Ahasver« vor. Für den harmonischen<br />
Gesamteindruck sorgte Till Sailer mit<br />
Flötenstücken.<br />
Stefan Heym als einer, der auf der<br />
Suche war nach einem lebenswerten<br />
Land, und der trotz aller Kollision mit<br />
der weltbürgerfernen DDR-Wirklichkeit<br />
hier die größte Nähe zu seinem<br />
Wunschbild fand, wollte nicht als<br />
»Dissident« versehener Exot herumlaufen,<br />
sondern sich individualistisch<br />
schreibend einmischen. Es zahlte sich<br />
aus, dass sich ein kompetentes Publikum<br />
im Raum befand. Mehrfach<br />
fiel der abqualifizierende Ausdruck<br />
»Sklavensprache«, und noch häufiger<br />
wurde er ad absurdum geführt:<br />
Gut geschrieben bringt der Rückgriff<br />
auf Historie und Mythologie eben Allgemeingültigkeit<br />
und Kritik am Gegenwärtigen<br />
zugleich. Und für einen<br />
Schriftsteller ist ja entscheidend,<br />
dass er gelesen und verstanden wird.<br />
Ingeborg Arlt, Rüdiger Kurock<br />
Foto: Carmen Winter<br />
sprachrohr 5 | 13<br />
Lesenswert<br />
Neuerscheinungen<br />
von VS-Mitgliedern<br />
Doris Bewernitz, Julia Christ,<br />
Annett Heibel »Rattenlinie Bariloche«<br />
Kriminalroman, Südwestbuch-Verlag<br />
Stuttgart, ISBN 978-3-<br />
944264-03-5<br />
Gunnar Kunz »Reimlexikon für<br />
Profis« Sieben Verlag <strong>2013</strong>, ISBN<br />
978-3-864432-64-4<br />
Slov ant Gali, Gunda Jaron,<br />
Ricardo Riedlinger »Liebe…mit<br />
beschränkter Haftung« Verlag neun-<br />
9zig Berlin und Sehnde <strong>2013</strong>. ISBN<br />
978-3-944907-00-0<br />
Slov ant Gali »Der lebende See«,<br />
Verlag neun9zig Berlin und Sehnde<br />
<strong>2013</strong>.ISBN 978-3-944907-01-7<br />
Ilke S. Prick »Essen mit Freunden«<br />
Insel Verlag, ISBN 978-3-458-35946-3<br />
Armin Strohmeyr »Verkannte<br />
Pioniere. Erfinder, Abenteurer, Visionä<br />
re« Styria Verlag Wien <strong>2013</strong>,<br />
Armin Strohmeyr »First Ladys.<br />
Die Frauen der deutschen Bundespräsidenten«.<br />
11 Porträts. Styria premium<br />
Verlag Wien. ISBN 978-3-222-<br />
133954<br />
Joachim Hildebrandt »Mitlesebuch<br />
105«, Gedichte und Grafiken,<br />
APHAIA VERLAG Berlin (handsigniert<br />
und numeriert)<br />
Buchtipp<br />
Die schrägsten<br />
Berliner Zehn-<br />
Minuten-Geschichten<br />
VS Berlin, Jaron Verlag<br />
Entgegen der Vermutung des verdienstvollen<br />
Herausgebers und<br />
VS-Chefs Horst Bosetzky habe ich<br />
doch sein Vorwort zuerst gelesen und<br />
konnte mich vergewissern, dass es<br />
wirklich der fünfte Band mit 10-Minuten-Geschichten<br />
ist, der jüngst in<br />
der Verantwortung von ver.di (sprich<br />
Anke Jonas und Christine Obst) und<br />
Verleger Jaron erschienen ist. Diesmal<br />
werden »die schrägsten« Geschichten<br />
versprochen.<br />
Schräg geht es zu: Wenn es einen<br />
Weihnachtsbaum mit blauen Kugeln<br />
und blauen Schleifen zu beschaffen<br />
gilt (Solidargemeinschaft), oder<br />
wenn einem Maler die Farbe ausgeht<br />
(Zitronengelb), auf einer staubigen<br />
Landstraße kauderwelscht wird (Italienisch<br />
in 30 Tagen), sehr amüsant,<br />
wie ein Windstoß höhere Ministerialbeamte<br />
von einer Dachterrasse flattern<br />
lässt (Der Sturm), zudem die<br />
Mutation eines Diebes zu einem<br />
ätherischen Wesen (Was für ein Engel).<br />
Allerdings bleibt bei »Katastrophentage«<br />
die Frage offen, ob die<br />
Katzen-Besitzerin nun Martha oder<br />
Mathilde heißt – keine Katastrophe.<br />
Eine 10-Minuten-Geschichte reicht<br />
für drei S-Bahn-Stationen, sie ist also<br />
noch kürzer als die verwandte Short<br />
Story, bei der einem nicht gleich Hemingway<br />
einfallen muss oder andere<br />
Autoren des angelsächsischen<br />
Raums. Sie sind hier ein wenig aus<br />
der Mode gekommen. Vor kurzem<br />
erhielt aber mit Alice Munro (82),<br />
eine kanadische Schriftstellerin den<br />
Literatur-Nobelpreis <strong>2013</strong>, deren<br />
Werk aus Kurzgeschichten besteht!<br />
Das darf nicht zu einem unpassenden<br />
Vergleich verleiten, macht jedoch<br />
Mut. Keiner glaube, Anspruch<br />
und geringe Länge mache es leichter.<br />
Eine Kurzgeschichte verlangt immer<br />
die Kunst der Verknappung. Jedes<br />
Wort zählt und ist diszipliniert auf<br />
seine Genauigkeit zu prüfen.<br />
Trotz solchen Anspruchs war die<br />
Beteiligung an der diesjährigen Anthologie<br />
wieder groß, 27 Einsendungen<br />
sind bei der anonymen Auswahl<br />
durchs Sieb gefallen (auch eine von<br />
Bosetzky, wie er gesteht), 30 wurden<br />
aufgenommen. Und damit es keinen<br />
Ärger wegen vermutlicher Wertung<br />
gibt, sind die Autoren schön nach<br />
Alphabet aufgereiht, von Barbara A.<br />
bis Paul-Albert W. Der Band eignet<br />
sich vorzüglich zum unterwegs lesen,<br />
aber er macht sich auch gut auf dem<br />
Nachttisch.<br />
A.Görne<br />
Die schrägsten Berliner Zehn-Minuten-<br />
Geschichten. VS Berlin, Jaron Verlag. 235<br />
Seiten. 8,95 Euro. ISBN 978-3-89773-726-6.