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SPRACHROHR 5/2013

Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.

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14 Ausser der Reihe<br />

sprachrohr 5 | 13<br />

»Ich sehe, dass es sinnvoll ist«<br />

Spenden und Helfen und die Gewissheit, wofür<br />

Nicaragua wird immer mein Thema<br />

sein.« Schriftsteller Tilo Ballien,<br />

Mitglied im VS Berlin, steht nicht<br />

nur kurz vor der Herausgabe seines<br />

neuen Buches »Der Schrei der Steine«<br />

zur Befreiungstheologie Lateinamerikas,<br />

sondern hat ganz eigene<br />

und im wahrsten Wortsinn nachhaltige<br />

Bindungen an diese weit von<br />

Deutschland entfernte Region der<br />

Erde entwickelt. Er engagiert sich seit<br />

vielen Jahren im Verein zur Förderung<br />

einer deutsch-nicaraguanischen<br />

ins revolutionäre Nicaragua auf. Kultur<br />

zu unterstützen, war die naheliegende<br />

Idee. Über die Theatermanufaktur<br />

wurde Geld gesammelt,<br />

Theaterschminke gekauft, später europaweite<br />

Tourneen der Theatergruppen<br />

Nixtayolero und Cihuatlampa<br />

organisiert und unterstützt – bis<br />

Mitte der 1990er Jahre das Interesse<br />

an solchen Aufführungen in Europa<br />

erlosch.<br />

Tilo und seine Frau, die Schauspielerin<br />

Helga Thiel-Ballien, sind immer<br />

Infos zum Thema Umweltschutz werden in den Dörfern verteilt<br />

<br />

Städtepartnerschaft und führte jahrelang<br />

seine Geschäfte. Die 1986<br />

amtlich begründete kommunale<br />

Partnerschaft zwischen dem heutigen<br />

Berliner Bezirk Friedrichshain-<br />

Kreuzberg und dem nicaraguanischen<br />

Municipio (Landkreis) San<br />

Rafael del Sur lebt bis heute.<br />

Landesverband<br />

Berlin-<br />

Brandenburg<br />

Doch von Anfang an. Denn die Geschichte<br />

ist eine vom Helfen und dem<br />

Wissen wofür, eine, die nicht nur in<br />

die spendenfreudige Vorweihnachtszeit<br />

passt.<br />

Fasziniert als Schüler und Student<br />

in den 1960er Jahren von Che Guevara<br />

und den lateinamerikanischen<br />

Befreiungsbewegungen, und entgegen<br />

der offiziellen Stimmungslage in<br />

der alten Bundesrepublik, nahm Tilo<br />

Ballien Anfang der 1980er Jahre – zu<br />

der Zeit über die Theatermanufaktur<br />

Berlin beim Württembergischen<br />

Staatstheater beschäftigt – Kontakt<br />

Fotos: Archiv des Städtepartnerschaftsvereins<br />

wieder nach Nicaragua gereist, auch<br />

in Kriegszeiten, erlebten Umbrüche<br />

und sehen immer noch ärmliche Lebensverhältnisse.<br />

Ballien lernte spanisch,<br />

nach Lehrbuch, und spricht es<br />

heute fließend. »Drei Familien« erzählt<br />

er, »hatten wir besonders ins<br />

Herz geschlossen, wurden Paten ihrer<br />

Kinder, halfen mit Geldgeschenken<br />

für Ausbildung und Hausbau.«<br />

Das aber war eigentlich ungerecht,<br />

findet Ballien, »denn diese Familien<br />

waren durch unsere Hilfe privilegiert<br />

gegenüber den anderen, ebenso<br />

hilfsbedürftigen. Sinnvoller ist die<br />

Unterstützung von Infrastruktur, Bildung<br />

– von Maßnahmen, von denen<br />

alle etwas haben.« Als Balliens aber<br />

privat 5.000 Dollar für den Bau einer<br />

Schule mitfinanziert hatten, wussten<br />

sie, dass sie an ihre Grenzen gestoßen<br />

waren.<br />

Die Mitarbeit in einem parteipolitisch<br />

und konfessionell unabhängigen<br />

Verein im damaligen Westberlin<br />

war der Weg, Verantwortung auf<br />

breitere Schultern zu legen und Hilfe<br />

professioneller zu organisieren.<br />

Auf Vorschlag der nicaraguanischen<br />

Regierung wurde Kontakt zum Landkreis<br />

San Rafael del Sur – einer von<br />

neun des Regierungsbezirks Managua<br />

mit 42.000 Einwohnern – aufgenommen<br />

und die Basis für eine<br />

nun schon drei Jahrzehnte währende<br />

Partnerschaft gelegt. Wichtig wird<br />

für den seit 2006 vom Deutschen<br />

Zentralinstitut für soziale Fragen mit<br />

dem Spendensiegel zertifizierten Verein<br />

die Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen.<br />

Seit Mitte der<br />

1990er Jahre ist das Zentrum für<br />

ländliche Entwicklung (Centro de<br />

Desarrollo Rural CEDRU) der Verbündete<br />

für Projekte in San Rafael del<br />

Sur. Im Sinne einer integrierten Armutsbekämpfung<br />

umfassen sie praktisch<br />

sämtliche Lebensbereiche. 40<br />

Prozent der nicaraguanischen Bevölkerung<br />

gelten als arm, das heißt, sie<br />

haben weniger als zwei US-Dollar<br />

pro Tag zur Verfügung.<br />

Etwa 50.000 Euro Spendengelder<br />

bringt der Verein, der 130 Mitglieder<br />

und bis zu 900 vor allem Kleinspender<br />

zählt, jährlich auf – durch Mittel<br />

Selbst wollen und<br />

Verwirklichen<br />

des Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit BMZ<br />

und andere Zuschussgeber aufgestockt,<br />

lassen sich damit Projekte bis<br />

200.000 Euro realisieren. Welche,<br />

darüber die entscheiden die Vereinsmitglieder<br />

in Abstimmung mit ihrem<br />

Partner CEDRU. Ein dreimal jährlich<br />

erscheinendes Vereinsmagazin, für<br />

das – naheliegend – Ballien die Feder<br />

führt, informiert über das, was in San<br />

Rafael del Sur geschieht. »Die Bewohner<br />

dort müssen es selbst wollen<br />

Alphabetisierung Erwachsener in Nicaragua<br />

Tilo Ballien – Bindungen an Nicaragua<br />

<br />

Foto: Chr. v. Polentz / transitfoto.de<br />

und verwirklichen, dann hat die Hilfe<br />

Erfolg«, diese Erkenntnis nachhaltiger<br />

Entwicklungsarbeit bestätigt<br />

auch er.<br />

Etwa sechs Millionen Euro hat der<br />

Verein in den vergangenen 30 Jahren<br />

in umfassende Armutsbekämpfung<br />

investiert. Die meisten Dorfbewohner<br />

im Partnergebiet bekamen<br />

so Zugang zu sauberem Trinkwasser.<br />

Ein Krankenhaus wurde errichtet,<br />

Ausbildung unterstützt, die Menschen<br />

entwickeln Bewusstsein für<br />

Gesundheit und eine saubere Umwelt.<br />

Aktuell wurden 5.000 Dollar<br />

für die Eindämmung des grassierenden<br />

Dengue-Fiebers aufgebracht,<br />

von denen imprägnierte Moskitonetze<br />

gekauft werden. Gesundheitshelfer<br />

gehen von Haus zu Haus, klären<br />

auf. Das große Projekt SANASUR<br />

zum Aufbau eines geregelten Abfallmanagements<br />

wird bis 2015 fortgesetzt.<br />

In Workshops werden sechs<br />

Ökobrigaden geschult … »Das Interesse<br />

ist riesengroß«, sagt Ballien.<br />

»Wir haben das Vertrauen der Menschen<br />

in San Rafael del Sur gewonnen<br />

und bleiben mit unserem Engagement<br />

auch da. Wir sehen, dass es<br />

sinnvoll ist.« Bettina Erdmann<br />

Weitere Infos unter: www.staepa-berlin.de

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