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Kompetenz - Euroriding

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10<br />

Porträt<br />

Wovon alle träumen<br />

Seitengänge nur durch Blickkontakt, ein Lächeln als Lassoersatz?<br />

Klingt unglaubwürdig, funktioniert aber doch, wie<br />

EURORIDING NEWS bei einem Besuch bei Silke Vallentin<br />

erfuhr, einer von zwei Parelli-Instruktoren in Deutschland.<br />

Während meiner Zeit bei diversen Pferdezeitschriften<br />

hatte ich Gelegenheit, eine<br />

ganze Reihe (selbsternannter) Pferdegurus<br />

kennen zu lernen. Nach meiner<br />

Erfahrung sind das oft genug Leute, die<br />

ein Riesen-Bohei darum machen, dass sie,<br />

sagen wir mal, ein Pferd in den Hänger<br />

kriegen. Die kostspielige Seminare veranstalten<br />

zu Themen wie: Pferden richtig<br />

Möhren geben, Teil I bis X. Die bei ihren<br />

Lehrgängen die ganze Zeit auf der FN,<br />

den armen Englisch- und Turnierreitern<br />

und natürlich allen anderen Pferdegurus<br />

rumhacken. Und wenn sie sich dann mal<br />

auf ein Pferd setzen, denkst du: Hey, ist<br />

das jetzt seine erste Reitstunde oder doch<br />

schon die dritte?<br />

Ich war also ziemlich voreingenommen,<br />

als ich mich auf den Weg nach Bröhsen bei<br />

Leipzig machte, wo das Ausbildungszentrum<br />

von Silke Vallentin liegt. Und um es<br />

vorweg zu nehmen: Erst war ich skeptisch.<br />

Dann erstaunt. Als nächstes: beeindruckt.<br />

Und zum Schluss ziemlich begeistert.<br />

Silke Vallentin schickt ihr Pferd 10 m<br />

von sich fort und holt es wieder heran:<br />

dazu braucht sie nur das „Schwiegermuttergesicht“<br />

und dessen Gegenteil –<br />

ein strahlendes Lächeln<br />

Silke Vallentin ist eine von zwei Parelli-<br />

Instruktoren in Deutschland. Seit einem<br />

unverschuldeten Motorradunfall im Jahr<br />

1983 – da war sie 18 – ist sie querschnittsgelähmt.<br />

Vorher hatte sie Zootechnikerin<br />

gelernt, eine Ausbildung, die in etwa<br />

dem heutigen Diplom-Agrar-Ingenieur<br />

entsprach. Es folgten ein paar Umschulungen,<br />

doch entscheidender für ihren<br />

weiteren Lebensweg war, dass sich ihre<br />

beste Freundin Ellen ein Pferd kaufte.<br />

Es handelte sich um die Schimmelstute<br />

Queeny, einen Camargue-Andalusier-Mix.<br />

„Queeny hat gebissen und getreten, es war<br />

schon lebensgefährlich sie aus der Box zu<br />

holen“, berichtet Silke Vallentin. „Das<br />

muss ja nicht sein, in meiner Situation“,<br />

dachte sie sich. Heute ist Queeny mit 24<br />

Jahren das älteste Pferd auf Silkes Hof.<br />

Sie ist lieb und umgänglich und Ellen<br />

reitet mit ihr ohne Sattel und Zaumzeug<br />

ins Gelände.<br />

„Dann fährste eben Kutsche!“<br />

Auf der Pferdemesse Hippologica traf Silke<br />

Vallentin einen Berliner Pferdetrainer,<br />

der sagte zu ihr: „Wennde nich reiten<br />

kannst, fährste eben Kutsche.“ Gute Idee,<br />

fand Silke, und kaufte sich Friesenwallach<br />

Biko. Die Zusammenarbeit gestaltete sich,<br />

vorsichtig ausgedrückt, eher schwierig.<br />

Das war wohl der Grund dafür, dass<br />

Silke mit Biko auf der Suche nach Leuten,<br />

die ihr helfen konnten, bei einem<br />

Zwei-Tages-Kurs von Pat Parelli landete.<br />

„Biko hat sich da gleich von seiner besten<br />

Seite gezeigt“, berichtet Silke, „Er biss in<br />

den Griff von meinem Rolli, zog einmal<br />

kräftig dran und kippte mich Pat vor die<br />

Füße.“ „Hmmm“, sagte Pat, „ich zeige dir<br />

mal ein paar Sachen, mit denen du so was<br />

vermeiden kannst.“<br />

Parelli brachte Silke bei, wie sie Biko vom<br />

Rolli aus rückwärts richten konnte – wenn<br />

es sein musste, 15 Meter weit – und wie sie<br />

ihn dann wieder zurückholt. „In diesem<br />

Kurs ging mir kein Licht, sondern eher<br />

schon ein Kronleuchter auf“, sagt Silke<br />

Vallentin. Seitdem war sie bei jedem Lehrgang<br />

von Parelli in Deutschland dabei.<br />

Pat Parelli sieht nicht nur aus wie ein<br />

Cowboy, lange lebte er auch wie einer.<br />

Fotos: Stephan Elison<br />

In seiner Jugend tourte er durch die USA,<br />

verdingte sich als Rodeoreiter und führte<br />

auf Shows Westernreiten auf höchstem<br />

Niveau vor. Immer öfter traten Reiter<br />

aus anderen Disziplinen – Spring- und<br />

Dressurreiter mit Turnierambitionen zum<br />

Beispiel – an ihn heran, weil sie ihre Ziele<br />

nicht erreichten oder mit ihren Pferden<br />

nicht klar kamen. Pat konnte ihnen<br />

helfen. So erkannte er den Bedarf und<br />

entwickelte sein System der „Natural<br />

Horsemanship“. Gründlicher als andere<br />

hat Parelli darüber nachgedacht, wie<br />

Pferde untereinander kommunizieren<br />

und wie Reiter sich dieser „Pferdesprache“<br />

bedienen können, um sich den Viechern<br />

verständlich zu machen.<br />

Vielleicht wenden gerade erfolgreiche Reiter<br />

und Pferdemenschen seit jeher mehr<br />

oder minder unbewusst oder instinktiv<br />

an, was Parelli lehrt. Sein Verdienst<br />

besteht darin, so etwas wie eine „Grammatik<br />

der Pferdesprache“ aufgezeichnet<br />

zu haben, die so für andere erlernbar<br />

wird. Zusammen mit seiner Frau Linda<br />

hat Pat Parelli aus seinen Erkenntnissen<br />

ein gründlich durchkommerzialisiertes<br />

Lehrsystem gezimmert.<br />

Wer in der Parelli-Hierarchie aufsteigen<br />

möchte, kann reihenweise Kurse und<br />

natürlich die Parelli-Universität besuchen.<br />

Es gibt DVDs fürs Heimstudium, Bücher<br />

und Zeitschriften und einen Shop, wo<br />

Interessierte original Parelli-Halfter und<br />

Stricke zu heftigen Preisen kaufen können.<br />

Doch Kommerz ist nicht alles. „Pat<br />

hat mich immer sehr großzügig gefördert“,<br />

erzählt Silke Vallentin. Er lud sie<br />

zu Instruktoren-Kursen nach Amerika ein,<br />

bezahlte den Flug und sorgte dafür, dass<br />

auch Wallach Biko mitfl iegen konnte.

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