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Die Muster- knaben - Rondo

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Foto: Jörg Hejkal<br />

Fleming und Anne Sophie Mutter auch Filmlivekonzerte<br />

und Crossover-Projekte eigene<br />

Reihen bekommen. In Luxembourg hat man<br />

sich die Besucher zur Neugier erzogen. Und ein<br />

eigenes Kellerlabor dafür eingerichtet.<br />

Im „Espace Decouverte“, einer Black Box im<br />

Untergeschoss, finden die wirklich ungewöhnlichen<br />

Projekte der Philharmonie statt. Der<br />

Raum kann sowohl mit klassischen Rängen bestuhlt,<br />

als auch komplett leer geräumt werden.<br />

<strong>Die</strong>se Offenheit ist auch eine Herausforderung<br />

an die Kreativität der Musikschaffenden.<br />

Jedenfalls reagieren die Techniker hier auch<br />

auf abseitige Anfragen wohl nie mit<br />

Stirnrunzeln. Heute verzaubert ein<br />

kleines schwarzes Theaterstück junge<br />

Zuhörer zwischen 5 und 9 Jahren.<br />

Und die dazugehörigen Eltern. Zur<br />

gar nicht so heiteren Geschichte<br />

von einem tyrannischen Kind, das<br />

erst zum Schluss aus der Einsamkeit<br />

seiner immer größer werdenden<br />

Wünsche befreit wird, hat sich der<br />

Bandoneonist Jacques Trupin eine<br />

zeitlose Musik ausgedacht und die<br />

sanft melancholische Klangfarbe<br />

seines Instruments mit einem Streichquartett<br />

gemischt. <strong>Die</strong> Kinder dürfen<br />

auf Sitzkissen lümmeln oder liegen,<br />

dennoch herrscht konzentrierte<br />

Spannung. Was die jungen Zuschauer<br />

da wohl stärker in seinen Bann zieht,<br />

die Mäander der melodischen Linien<br />

oder die verblüffenden Tricks des<br />

schwarzen Theaters, das einfache<br />

Moosgummirohre täuschend echt<br />

zum Leben erweckt?<br />

Im Prinzip spiele das keine große<br />

Rolle, meint Pascal Sticklies, der<br />

Education Manager. Natürlich kann<br />

man einwenden, dass das Ereignis bei<br />

manchen Produktionen stärker wiegt als die<br />

Musik. Aber es geht auch darum, Kinder von<br />

klein auf Musik in angenehmer, positiv erinnerter<br />

Atmosphäre erleben zu lassen. Denn<br />

das kann das Erlebnis Konzerthaus für’s Leben<br />

verankern. Und darum fängt das Musikvermittlungsprogramm<br />

in Luxembourg schon<br />

maßgeschneidert bei den 0–3jährigen an. Für<br />

die 3–5jährigen gibt es „Loopino“, eine Reihe,<br />

die von ihrer Frontfrau lebt. Luisa Bevilacqua<br />

(ab der nächsten Spielzeit abgelöst von Milla<br />

Trausch) schlüpft in die gleichnamige Rolle,<br />

begleitet die Kinder durch’s Geschehen, steht<br />

aber auch den Künstlern hilfreich zur Seite, die<br />

hier auf das wahrscheinlich jüngste Publikum<br />

ihrer bisherigen Karriere treffen werden. Und<br />

das ist kritisch: Längen im Ablauf werden<br />

schonungslos durch Lautstärke beantwortet.<br />

Manch erfahrener Bühnenstar möchte sich<br />

diesem Urteil lieber nicht aussetzen, doch gehört<br />

es zum Ehrgeiz des Hauses, gerade hier<br />

dieselben großen Namen zu verpflichten,<br />

wie für die Erwachsenen und keine Musik-<br />

zirkustruppe. Tenor Ian Bostridge und Blockflötist<br />

Maurice Steger haben ihre Feuerprobe<br />

bravourös bestanden, erzählt man. Noch<br />

experimenteller wird es in der neuen Reihe<br />

„Bout’chou“, die sich eine grenzenlose Verschmelzung<br />

von Kunst- und Musikpädagogik<br />

vorgenommen hat. Sind aus Kindern dann<br />

erst Konzertfans (und Teenager) geworden,<br />

ist das quer durch alle Musikstile angelegte<br />

Jugendabo „iPhil“ Einstieg und Plattform für<br />

den Austausch zugleich. Denn hier stehen<br />

den Jugendlichen nur noch hauseigene Scouts<br />

zur Seite, geringfügig ältere „Ehemalige“, die<br />

Weit, hoch,<br />

herrlich:<br />

Das Foyer<br />

Fragen zur Musik beantworten oder dabei<br />

helfen, Gruppenaktivitäten zu organisieren.<br />

Ein so breit aufgestelltes Education-<br />

Programm hätten viele Häuser gerne, es muss<br />

den Machern aber auch ein großes Stück vom<br />

Budget-Kuchen wert sein, der dann für die<br />

traditionellen Konzerte fehlt. Gut 10 % lässt<br />

man sich in Luxembourg die Sparte kosten,<br />

Geld, dem Sticklies nicht nachweint. Sein Ehrgeiz<br />

ist es, die Education-Sparte durch Umwegfinanzierungen<br />

ökonomisch zu halten. Das<br />

Projekt „Drumblebee“, ein verrücktes, präzise<br />

durchchoreografiertes Konzert für vier Schlagzeuger,<br />

verschlang 45.000 Euro, das ist mehr,<br />

als mancher Konzertsaal für die ganze Vermittlung<br />

zur Verfügung hat. Aber durch gezielte<br />

Bewerbung an anderen Spielstätten hat<br />

sich das Projekt inzwischen acht Mal verkauft<br />

und seine Kosten wieder reingespielt. Nun<br />

freuen sich vielleicht auch bald Fünfjährige in<br />

Amerika darüber. Nicht zuletzt muss die Vermittlung<br />

in Luxembourg auch Sprachgrenzen<br />

überwinden. Das komplette Programm<br />

teilt sich nochmals in Veranstaltungen<br />

in Französisch und Lëtzebuergesch. Oder<br />

am besten gleich ganz ohne Worte, wie die<br />

Geschichte vom trotzigen Kindkönig.<br />

Im Drei-Länder-Eck bringt es die Philharmonie<br />

Luxembourg inzwischen auf gut<br />

14.500 Abonnements, und das trotz nicht<br />

gerader zentraler Lage im geschäftigen Büro-<br />

Edelquartier Kirchberg (zum Vergleich: das<br />

Berliner Konzerthaus bringt es inmitten einer<br />

Metropole auf gut 12.000 Abonnements).<br />

Das funktioniert auch durch intensive Anbindung<br />

an die Nachbarn in Frankreich und<br />

Operndorf im<br />

Säulenwald<br />

In Deutschland ist der Architekt Christian de Portzamparc<br />

für die Französische Botschaft in Berlin<br />

be kannt, in der Musikwelt für die Pariser Cité de la<br />

Musique. <strong>Die</strong> Philharmonie Luxemburg erscheint<br />

in der Draufsicht mandelförmig wie ein Auge, 823<br />

Säulen tragen das Dach über dem lichtdurchflu teten<br />

Foyer. In dessen Mitte steht – kunterbunt und<br />

wie aus Häuschen zusammengesetzt – der Block<br />

der Verwaltungsräume, die auch bei schlechtem<br />

Wetter umwandelt werden können und in ihrer<br />

Mitte den Großen Konzertsaal beherbergen. Auch<br />

hier bilden die hölzernen Logen vor schwarzen<br />

Wän den den Eindruck eines italienischen Dorfplatzes<br />

– die Musik steht symbolisch im Mittelpunkt<br />

des Gemeinschaftsgeschehens.<br />

Deutschland. Ein frühzeitiger Handschlag mit<br />

dem Trierer Oberbürgermeister sorgte dafür,<br />

dass inzwischen zu allen Konzerten Shuttlebusse<br />

fahren. So empfindet auch eine eingeschworene<br />

Besuchergemeinde aus Deutschland<br />

die Philharmonie als „ihr“ Haus.<br />

Natürlich gibt es auch acht Jahre nach dem<br />

Start immer noch genug Nüsse zu knacken.<br />

So ist der verwaltungstechnische Zusammenschluss<br />

zwischen Konzerthaus und dem<br />

Orchéstre Philharmonique du Luxembourg inzwischen<br />

erfolgreich in einen gemeinsamen<br />

Alltag überführt worden, dennoch wartet an<br />

dieser Nahtstelle auch zukünftig noch genug<br />

Arbeit auf den Nachfolger Stephan Gehmacher,<br />

der vom Symphonieorchester des Bayerischen<br />

Rundfunks nach Luxemburg wechselt. Dafür<br />

übernimmt er einen eingespielten, wohlbestallten<br />

Saal. Und Matthias Naskes nächste<br />

Baustelle heißt: Wiener Konzerthaus.<br />

www.philharmonie.lu<br />

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