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Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung mit ...

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Prof. Dr. h. c. B. Motzkus • Sambesistraße 5 • 13351 Berlin<br />

An die<br />

Senatsverwaltung für Gesundheit,<br />

Umwelt und Verbraucherschutz<br />

z. Hd. Herrn Staatsekretär<br />

Dr. Benjamin-Emanuel Hoff<br />

Brückenstr. 6<br />

10179 Berlin<br />

Visitingprofessor für Krankenhausmanagement<br />

der Militäruniversität in Shanghai (VRC)<br />

Vorstandsvorsitzender emtec e. V.<br />

Institut für wissenschaftliche Beratung<br />

und Fortbildung in der Medizintechnik<br />

Mitglied des Vorstandes<br />

Gesundheitsstadt Berlin e. V.<br />

Mitglied des Vorstandes BKG<br />

Berliner Krankenhausgesellschaft e. V.<br />

Mitglied des Krankenhausbeirats<br />

des Landes Berlin<br />

Mitglied des Aufsichtsrats<br />

Servox AG<br />

Bmo / abu | 20. November 2007<br />

<strong>Sicherstellung</strong> <strong>einer</strong> <strong>bedarfsgerechten</strong> <strong>Versorgung</strong> <strong>mit</strong> Krankenhausbetten als<br />

Grundlage für eine staatliche Investitionslenkung<br />

Sehr geehrter Herr Staatsekretär Dr. Hoff,<br />

______________________<br />

Dipl.-Verwaltungsw. Bernhard Motzkus<br />

Prof. h. c. der Burdenko Akademie Voronesh<br />

Dr. h. c. der Universität Pjöngjang<br />

www.bmotzkus.de<br />

Prof. Dr. h. c. Bernhard Motzkus<br />

Ltd. Univ.-Verw.- Direktor a. D. der Charité<br />

im Rahmen der Anhörung des Krankenhausbeirats am 19.11.2007 möchte ich meine<br />

mündlich vorgetragene Argumentation Ihnen schriftlich unterbreiten, weil ich meine, dass<br />

die bisherige Diskussion zur Krankenhausplanung nur sehr oberflächlich geführt wurde:<br />

1. Erfordernis <strong>einer</strong> sinnvollen Krankenhausbedarfsplanung<br />

Die Gesundheitsvorsorge, und dazu gehört auch die bedarfsgerechte <strong>Versorgung</strong> der<br />

Bevölkerung <strong>mit</strong> leistungsfähigen Krankenhäusern, ist eine verfassungsrechtlich<br />

vorgegebene Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Staat muss<br />

sicherstellen, dass für alle Bürger quantitativ und qualitativ ausreichende stationäre<br />

<strong>Versorgung</strong>seinrichtungen zur Verfügung stehen.<br />

Die durch Bundesrecht vorgegebene staatliche <strong>Sicherstellung</strong>sverpflichtung erfordert<br />

allerdings auch konsequente Maßnahmen bei Krankenhausüberkapazitäten und<br />

begrenzten öffentlichen Förder<strong>mit</strong>teln für Investitionen. Ein Überangebot an<br />

Krankenhausbetten <strong>einer</strong>seits und eine Unterfinanzierung für kurzfristige, <strong>mit</strong>telfristige<br />

und langfristige Investitionsgüter, die in ihren Erneuerungszeitpunkten in den<br />

Materialien zum Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) von 1972 festgelegt wurden<br />

(siehe Eichhorn Gutachten), gefährden eindeutig die wirtschaftliche Sicherung der<br />

Krankenhäuser. Wie aus der Verfassungsnorm der Daseinsversorgung abzuleiten,<br />

muss die Krankenhausplanung die Grundlage für eine staatliche Investitionslenkung<br />

für eine bedarfsgerechte <strong>Versorgung</strong> <strong>mit</strong> leistungsfähigen Krankenhäusern<br />

sicherstellen (siehe auch § 4 KHG).<br />

______________________<br />

Prof. Dr. h. c. Bernhard Motzkus<br />

Sambesistraße 5 | 13351 Berlin<br />

Tel 030 45973457 | Fax 030 4524549<br />

info@bmotzkus.de


2<br />

Die gesetzgeberische Überzeugung ist, dass die Krankenhäuser „ohne sinnvolle<br />

Planung des Bedarfs und ohne Einflussnahme auf die Krankenhausstruktur nicht<br />

wirtschaftlich gesichert werden können“ (BR-Drs. 260/7/78, S.5.). Was unter <strong>einer</strong><br />

sinnvollen Planung zu verstehen ist, kann zum einen den Planungskriterium des KHG’s<br />

und zum anderen der umfangreichen Rechtssprechung des Bundesverfassungs- und<br />

des Bundesverwaltungsgerichtes entnommen werden.<br />

2. Grundlage für eine staatliche Investitionssteuerung<br />

Vor diesem Hintergrund muss die derzeitige Krankenhausplanung im Land Berlin als<br />

nicht gesetzeskonform angesehen werden, da sie keine Grundlage für eine vernünftige<br />

staatliche Investitionslenkung ermöglicht.<br />

Betrachtet man die <strong>mit</strong>tel- und langfristigen Erneuerungszeitpunkte für Haus- und<br />

Betriebstechnik sowie für komplette Ersatzbauten im Krankenhausbereich nach dem<br />

KHG, dann wirken Investitionsentscheidungen aus öffentlichen Förder<strong>mit</strong>teln in einen<br />

Zeithorizont von 30 bis 60 Jahren hinein. Da auch eine bauliche Teilerneuerungsmaßnahme<br />

aufgrund <strong>einer</strong> notwendigen Baustufenplanung auf ein Gesamtplanungskonzept<br />

des Krankenhauses abgestimmt sein muss, ist wirtschaftlicher und<br />

sparsamer Mitteleinsatz nur auf der Grundlage langfristiger Masterpläne je<br />

Krankenhaus möglich. So ist es z. B. bei der Beschlussfassung eines 300 bis 500-<br />

Millionen-Bauprogramms für die Charité von entscheidender Bedeutung, ob langfristig<br />

die Einrichtung 2.500, 2.000 oder 1.500 Betten bedarfsgerecht vorhalten muss. Das gilt<br />

auch für alle anderen Krankenhäuser. Unter Beachtung dieser Sach-zusammenhänge<br />

ist ein Planungszeithorizont für den Krankenhausplan von 1 bis 2 Jahren völlig<br />

wirkungslos. Eine staatliche Investitionslenkung, die den Grundsätzen der Sparsamkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist, kann so nicht stattfinden und führt zu erheblichen<br />

Finanz<strong>mit</strong>telvergeudung.<br />

3. Strategische Betrachtung<br />

Nach den Aussagen Ihrer Mitarbeiter haben wir in Berlin ca. 1.000 Betten oberhalb der<br />

Sollvorgabe des Krankenhausplans. Gleichzeitig ist als wesentliche<br />

Planungsdeterminante eine Verweildauer von 8,4 Tagen und eine Auslastung von 81%<br />

akzeptiert worden. Darüber hinaus wird stets auf den Bundesdurchschnitt der Krankenhausplanungszahlen<br />

verwiesen. Alle drei Sachverhalte sind keine sinnvolle Grundlage<br />

(siehe Ziffer1) für eine vernünftige Krankenhausplanung:<br />

a) Bettenüberkapazitäten<br />

Die Rücknahme von Krankenhauskapazitäten im freigemeinnützigen und privaten<br />

Bereich ist bekanntermaßen schwierig, da die Länder nie eine „gerichtsfeste<br />

Bedarfsplanung“ zustande bringen konnten. Unter Berücksichtigung der<br />

verbindlichen Rechtsnorm des § 1, Abs. 2, Satz 2 KHG, wonach die wirtschaftliche


3<br />

Sicherung der freigemeinnützigen und privaten Träger insbesondere zu<br />

„gewährleisten“ ist (siehe Bundesverfassungsgericht BVerfG Beschl. vom<br />

04.03.2004 – IbvR 88/00, GesR 2004, Seite 296 ff und BT-Drucks. 10/2565), liegt<br />

der Abbau von Überkapazitäten in diesem Bereich ohnehin nicht im Focus.<br />

Bei staatlichen Krankenhäusern ist die Rücknahme von<br />

Krankenhauskapazitäten jederzeit im Rahmen der Krankenhausträgerkompetenz<br />

möglich.<br />

b) Planungsdeterminanten<br />

Bei der Bedarfser<strong>mit</strong>tlung ist die prognostizierte Verweildauer und die Auslastung<br />

von entscheidender Bedeutung. So ergibt sich durch das DRG-System eine<br />

Verweildauerverkürzung im Rahmen der Konvergenzphase durch die<br />

„Scharfstellung der DRG’s“. Eine Prognose von Arthur Andersen (siehe Anlage)<br />

kommt auf eine Verweildauer von ca. 4 - 5 Tagen bis 2015. Andere Prognosen<br />

bestätigen dieses Ergebnis. 2001 hatte Berlin ca. 23.000 Betten bei <strong>einer</strong><br />

Verweildauer von 10 Tagen. Rechnet man dieses Bettenangebot <strong>mit</strong> <strong>einer</strong><br />

Verweildauer von 5 Tagen um, benötigen wir <strong>mit</strong>telfristig 11.500 + x Betten. Unter<br />

Beachtung eines demographischen Faktors könnten 15.000 Betten zugrunde gelegt<br />

werden. Ein Auslastungsgrad von 85% kann evtl. Engpässe abmildern. Wie schätzt<br />

Ihre Verwaltung den Bettenbedarf bis 2015 ein?<br />

Selbst wenn das DRG-System auf Fallzahlen orientiert ist, liegen die Fälle der<br />

stationären <strong>Versorgung</strong> weiterhin in Betten. Insofern ist der Bezugsfaktor Bett nach<br />

wie vor richtig, zumal für den Krankenhausbau ein Pflegegruppenraster nach Betten<br />

einen wesentlichen Strukturmerkmal darstellt.<br />

Unter Berücksichtigung der langfristigen Nutzungszeiträume von Krankenhausanlagen,<br />

den hohen Investitions<strong>mit</strong>telbedarf (200 – 270 Tausend Euro / Bett) und<br />

dem Grundsatz von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (siehe § 4 in Verbindung <strong>mit</strong><br />

§ 1 KHG) ist Ihre Krankenhausplanung als Grundlage für eine gesetzeskonforme<br />

staatliche Investitionslenkung auf längere Planungszeiträume hin auszurichten.<br />

Auch ein ähnliches unqualifiziertes Vorgehen anderer Bundesländer rechtfertigt Ihre<br />

derzeitige Vorgehensweise nicht.<br />

c) Die selbstgerechte Orientierung an Bundesdurchschnittwerten im Krankehausplanungsbereich<br />

ist m. E. der falsche Ansatz, da alle Planungsbehörden das gleiche<br />

Problem der politischen Unattraktivität von Bettenrücknahmen haben. Im<br />

internationalen Vergleich haben wir nach wie vor zu viele Krankenhausbetten Dies<br />

wird unter anderem dargestellt in der Fachzeitschrift KMA, unter dem Thema „EU-


4<br />

Gesundheitsberichtserstattung“ (siehe Anlage). Darüber hinaus ergeben sich aus<br />

dem Statistikreport des DKI 2007 folgende Fakten:<br />

ca) Verweildauer der akutstationären <strong>Versorgung</strong><br />

Belgien 7,1 Tage Österreich 5,9 Tage<br />

Dänemark 3,5 Tage Polen 6,5 Tage<br />

Deutschland 8,6 Tage Portugal 7,1 Tage<br />

Finnland 4,8 Tage Schweden 4,6 Tage<br />

Frankreich 5,4 Tage Spanien 6,7 Tage<br />

Irland 6,6 Tage Ungarn 6,3 Tage<br />

Italien 6,8 Tage Vereinigtes Königsreich 6,1 Tage<br />

Niederlande 6,8 Tage USA 5,6 Tage<br />

Ein Tag Verweildauerverkürzung bedeuten für die Planung im Land Berlin ein<br />

Minimum von ca. 2.000 Betten.<br />

cb) Akutbetten je 1.000 Einwohner (Werte 2004)<br />

Belgien 4,4 Kanada 2,9<br />

Dänemark 3,1 Niederlande 3,1<br />

Deutschland 6,4 Polen 4,7<br />

Finnland 2,9 Portugal 3<br />

Frankreich 3,7 Schweden 2,2<br />

Griechenland 3,8 Spanien 2,6<br />

Irland 2,8 Vereinigtes Königsreich 3,1<br />

Italien 3,3 USA 2,7<br />

Die Akutbettenabsenkung um 1 Tag je 1.000 Einwohner würde insgesamt in der<br />

BRD ein Minus von ca. 80.000 Betten bedeuten.<br />

Bei <strong>einer</strong> Neuausrichtung der Bedarfsplanung im internationalen Vergleich könnten<br />

die ohnehin zu geringen Investitions<strong>mit</strong>tel konzentrierter den Krankenhäusern zur<br />

Verfügung gestellt werden


5<br />

4. Ergebnisse<br />

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die derzeitige Krankenhausplanung als<br />

Instrument für eine sinnvolle staatliche Investitionslenkung nicht geeignet ist und vom<br />

Planungshorizont sowie den Planungsdeterminanten gesetzeskonform angepasst<br />

werden muss.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Prof. Dr. h.c. B. Motzkus

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