Daily - Salzburger Festspiele
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SALZBURGER FESTSPIELE 2007 <strong>Daily</strong><br />
Nr. 15, 12./13. August 2007<br />
Jenseits des Marmeladenglases<br />
Gérard Depardieu in Salzburg: Der vielseitige Schauspieler tritt als Erzähler in Hector Berlioz’ Lélio ou Le retour à la vie,<br />
dem kaum aufgeführten Finale der Symphonie fantastique, auf: Ein Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung<br />
von Riccardo Muti.<br />
Meine Meinung<br />
my comment<br />
Gérard Depardieu und Riccardo Muti über den Texten von Hector Berlioz<br />
Von Cyrano de Bergerac bis Obelix: Gérard<br />
Depardieu ist einer der meistbeschäftigten<br />
Filmschauspieler Frankreichs.<br />
Ob Komödie, Romanze, Drama oder<br />
Historienepos, Depardieu hat alles gespielt und<br />
mittlerweile über 170 Filme gedreht. Er arbeitete<br />
mit prominenten Vertretern der Nouvelle<br />
Vague zusammen, wie Jean-Luc Godard, Alain<br />
Resnais und François Truffaut, aber auch mit<br />
Regisseuren wie Maurice Pialat, André Téchiné,<br />
Marguerite Duras, Ridley Scott, Kenneth<br />
Branagh und vielen anderen. Depardieu ist<br />
einer der wenigen französischen Schauspieler,<br />
die auch regelmäßig in internationalen Produktionen<br />
zu sehen sind. Privat ist er Genießer:<br />
Im Anjou hat er ein eigenes Weingut, wo er keltert<br />
und verkauft. Mit zwei Restaurants, eigenem<br />
Kochbuch und viel Lebenslust inszeniert<br />
er sich als typisch französischer Hedonist.<br />
Fotos: Silvia Anrather<br />
wie konservierte Gefühle in einem musikalischen<br />
Marmeladenglas.“<br />
Mittlerweile fühlt sich Depardieu aber auch<br />
jenseits des musikalischen Marmeladenglases<br />
daheim: Er trat etwa als Erzähler in Strawinskys<br />
Oedipus Rex auf, und auf einer 2003 erschienenen<br />
Aufnahme von Arien von Hector Berlioz<br />
mit dem Tenor Roberto Alagna ist Depardieu<br />
der Sprecher. Diese Arbeit bringt den Schauspieler<br />
heuer auch nach Salzburg: Die Wiener<br />
Philharmoniker führen unter der Leitung von<br />
Riccardo Muti die Symphonie fantastique<br />
op. 14 und Lélio ou Le retour à la vie op. 14b<br />
von Hector Berlioz auf. Depardieu tritt dabei<br />
als Sprecher des Lélio auf. Mit ihm gemeinsam<br />
musizieren außerdem der Tenor Michael Schade,<br />
der Bariton Ludovic Tézier und die Konzertvereinigung<br />
Wiener Staatsopernchor.<br />
„Dieses Werk ist sofort nach der Symphonie<br />
fantastique aufzuführen, deren Abschluss und<br />
Vollendung sie darstellt“, schreibt Berlioz als<br />
Anmerkung des von ihm selbst verfassten Textes<br />
zu Lélio ou Le retour à la vie. Die Komposition<br />
beginnt, als Lélio aus seinem Opiumrausch<br />
und den daraus resultierenden Wahnvorstellungen,<br />
die er soeben in der verklungenen<br />
Symphonie durchlebt hat, erwacht. Und<br />
das Publikum erlebt einen mit seinem Künstlertum,<br />
seinen Leidenschaften und mit sich<br />
selbst ringenden Menschen.<br />
Für Berlioz war dieses Monodrame lyrique<br />
ein eigenartig disparates Werk aus Lied, Arie,<br />
opernartigem Tableau, orchestralem Stimmungsbild<br />
und Chorfantasie, erst „Schluss und<br />
Vervollständigung“ seiner Symphonie fantastique.<br />
Für das kaum gespielte Werk forderte er<br />
außerdem „einen sehr guten Schauspieler, das<br />
ist das wichtigste“. Dafür sind die Voraussetzungen<br />
in Salzburg jedenfalls erfüllt.<br />
Magdalena Miedl<br />
Orchesterplätze zu € 250,– und 150,– verfügbar.<br />
Prälat Johannes Neuhardt<br />
Foto: privat<br />
Kann ich Gott be-greifen? Wir gehen<br />
und laufen mit unseren Füßen, soweit<br />
sie uns tragen – aber begreifen<br />
können wir die Welt nur mit unseren<br />
Händen. Schon vor 2.400 Jahren schrieb<br />
der frühgriechische Denker Anaxagoras<br />
vom Menschen, dieser sei „das verständigste<br />
Wesen, weil er Hände habe.“<br />
Wir gehen zum Arzt, um uns von ihm<br />
be-handeln zu lassen. Überall in diesen<br />
Worten steckt das Wort Hand. Wie lange<br />
braucht das kleine Kind, um die ihm so<br />
fremde Welt zu ertasten und zu erfühlen.<br />
Sie ist für das Baby etwas zu-handenes.<br />
Wen wundert also, dass das älteste und<br />
am meisten bekannte Bild Gottes die<br />
Hand ist. 1.600 Mal kommt dieses Bild in<br />
der Bibel vor. Mit seiner Hand hat Gott<br />
die ganze Welt geformt wie ein Töpfer<br />
sein Geschirr. Schon in der biblischen<br />
Geschichte haben wir gehört, dass Gott<br />
der Herr mit starker Hand und ausgestrecktem<br />
Arm sein Volk aus dem Sklavenhaus<br />
aus Ägypten herausgeführt hat.<br />
Depardieu begann seine Karriere in den<br />
sechziger Jahren am Theater, als Rebell: Der<br />
Schulabbrecher beschloss nach einer Molière-<br />
Aufführung in Paris kurzerhand, Schauspieler<br />
zu werden. Er wurde ins Atelier, die Schauspielschule<br />
von Charles Dullin, aufgenommen, danach<br />
lernte er am Cours d’Art Dramatique bei<br />
Jean-Laurent Cochet.<br />
Musik begleitet Depardieu seit seiner Kindheit.<br />
Amerikanischer Rock’n’Roll – das erste<br />
Lied, an das er sich erinnern kann, sei „Rock<br />
Around the Clock“ von Bill Haley, sagte er in<br />
einem Interview mit der Zeit. „Klassische Musik<br />
ist abstrakter. Wir projizieren unsere Gefühle<br />
hinein. Populäre Chansons hingegen sind<br />
Beyond the Glass Jar<br />
Gérard Depardieu in Salzburg: the multi-faceted actor makes an appearance as the narrator in Hector Berlioz’ Lélio ou<br />
Le retour à la vie, the rarely-performed finale of the Symphonie fantastique: a concert by the Vienna Philharmonic<br />
under the baton of Riccardo Muti.<br />
From Cyrano de Bergerac to Obelix: Gérard<br />
Depardieu is one of the most busy French<br />
film actors. Whether comedy, romance,<br />
drama or historical epic, Depardieu has done it<br />
all and has made more than 170 movies. He<br />
worked with prominent proponents of the<br />
Nouvelle Vague like Jean-Luc Godard, Alain<br />
Resnais and François Truffaut, but also with<br />
directors like Maurice Pialat, André Téchiné,<br />
Marguerite Duras, Ridley Scott, Kenneth<br />
Branagh and many others. Depardieu is one<br />
of the few French actors who appear regularly<br />
in international productions. In his private life,<br />
he is an epicure: at his own winery in the Anjou<br />
region he makes wine and sells it. With two<br />
restaurants, his own cookbook and a good dose of<br />
joie de vivre, he stages his life as a typical French<br />
hedonist.<br />
Depardieu began his career in the Sixties at the<br />
theater, as a rebel: after quitting school, he<br />
decided to become an actor after seeing a<br />
performance of Molière. He was accepted as a<br />
Unter der Leitung von Riccardo Muti ist Gérard Depardieu der Sprecher in Lélio ou Le retour à la vie von Berlioz<br />
student of the Atelier, the acting school of Charles<br />
Dullin, and after that Jean-Laurent Cochet was<br />
his teacher at the Cours d’Art Dramatique.<br />
Music has been Depardieu’s companion since<br />
his childhood. American rock’n’roll – in an<br />
interview with Die Zeit, he said that the first<br />
song he can remember is “Rock Around the<br />
Clock” by Bill Haley. “Classical music is more<br />
abstract. We project our feelings into it. Popular<br />
chansons, on the other hand, are like feelings<br />
conserved in a musical glass jar.”<br />
In the meantime, however, Depardieu has<br />
grown comfortable beyond the glass jar as well:<br />
for example, he performed as the narrator in<br />
Stravinsky’s Oedipus Rex, and he is the speaker<br />
on a 2003 recording of Hector Berlioz’ arias with<br />
tenor Roberto Alagna. This line of work is what<br />
brings the actor to Salzburg this year as well:<br />
under the baton of Riccardo Muti, the Vienna<br />
Philharmonic will perform the Symphonie<br />
fantastique Op. 14 and Lélio ou Le retour à la<br />
vie Op. 14b by Hector Berlioz. Depardieu will<br />
speak the role of Lélio. Alongside him, tenor<br />
Michael Schade, baritone Ludovic Tézier and the<br />
Choir of the Vienna State Opera will be performing.<br />
“This work is to be performed immediately<br />
after the Symphonie fantastique, as it is its finale<br />
and its completion,” Berlioz writes as a footnote<br />
to the libretto he wrote for Lélio ou Le retour à la<br />
vie. The composition begins as Lélio wakes up<br />
from an opium dream and its hallucinations,<br />
which he has just lived through in the symphony.<br />
The audience sees a person struggling with his<br />
artistry, his passions and with himself.<br />
For Berlioz, this Monodrame lyrique was a<br />
singularly disparate work, a mixture of song,<br />
aria, opera-like tableau, atmospheric imagery in<br />
the orchestra and choir fantasy, the only “end and<br />
completion” of his Symphonie fantastique. For<br />
the work – which is hardly ever performed today<br />
– he also demanded “a very good actor, that<br />
is the most important thing.” That is certainly the<br />
case in Salzburg.<br />
Vermag das zärtliche Bild der schützenden<br />
Hand Gottes uns noch zu trösten<br />
in unserer Welt, da unter der Handgreiflichkeit<br />
heute so viel zu zerbrechen<br />
droht? Auch Jesus muss von dieser Kraft<br />
getragen gewesen sein, als er letztlich das<br />
Kreuz ergriff. Der Evangelist Lukas lässt<br />
ihn deshalb die letzten Worte sprechen:<br />
„Vater in deine Hände empfehle ich meinen<br />
Geist.“<br />
Can I Grasp God? We walk with our<br />
feet as far as they may carry us, but<br />
we can only grasp the world with<br />
our hands. 2,400 years ago, the early Greek<br />
philosopher Anaxagoras wrote that man<br />
was “the most intelligent of species, because<br />
he has hands.”<br />
Part of the reason we go to the doctor is<br />
the laying on of hands. There are many<br />
words that contain the idea of the hand or<br />
handling. It takes a long time until a small<br />
child has familiarized itself with the<br />
world, using its hands and senses. The<br />
world is something the baby has to put its<br />
hands on.<br />
Therefore, it is not surprising that one of<br />
the oldest and most common symbols for<br />
God is the hand. This image appears 1,600<br />
times in the Bible. With his hands, God<br />
has shaped the world as a potter shapes his<br />
plates. As part of biblical history, we have<br />
heard that God the Lord led his people out<br />
of Egypt’s slavery with a strong hand and<br />
an outstretched arm.<br />
Does the tender image of the hand of<br />
God protecting us serve to give solace in our<br />
world, where arms do so much damage?<br />
Jesus must have been sustained by this<br />
power when he ultimately took up the<br />
cross. Thus, the Evangelist Luke has him<br />
speak the following words: “Father, into<br />
thy hands I commend my spirit.”<br />
Prelate Johannes Neuhardt