organisation Krankenhaus - Schaffler Verlag
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AKH LINZ<br />
Führungserfolg in der Experten<strong>organisation</strong><br />
<strong>Krankenhaus</strong><br />
„Wer fachlich kompetent ist, kann auch führen“, lautet eine<br />
innerhalb unseres Kulturkreises seit Langem tradierte Meinung.<br />
Damit hatte die Führung von Menschen in wissensintensiven<br />
Organisationen bislang wenig Chancen, über einen bloßen<br />
Nachgedanken hinauszukommen. Diese Einschätzung von<br />
Führung scheint sich nun zu<br />
ändern.<br />
Klaus Luger, Heinz K. Stahl<br />
Das leidige Führungsdefizit<br />
Krankenhäuser sind überaus komplexe<br />
Dienstleistungs<strong>organisation</strong>en. Im Spannungsfeld<br />
zwischen ihrer sozialen Aufgabe<br />
(dem Wohle der Patienten verpflichtet) und<br />
den ökonomischen Zwängen (an knappe<br />
Budgets gebunden) sehen sich leitende<br />
Spitalsärzte zusehends mit der Anforderung<br />
konfrontiert, hohe medizinische Qualifikation<br />
mit besonderer Führungskompetenz<br />
zu verbinden. Diese Anforderung<br />
spießt sich mit der in der einschlägigen<br />
Literatur häufig behaupteten und in Wirtschaftskreisen<br />
immer wieder vertretenen<br />
Auffassung vom Führungsdefizit in Experten<strong>organisation</strong>en.<br />
Eine Studie zum Führungserfolg<br />
im <strong>Krankenhaus</strong><br />
Eine 2009 an der PEF Privatuniversität für<br />
Management in Wien durchgeführte empirische<br />
Studie kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass leitende Spitalsärzte – nicht zuletzt<br />
aufgrund des geänderten Umfeldes von<br />
Krankenhäusern – neben der fachlichen<br />
Qualifikation vor allem jenen Aspekt von<br />
Führung als bedeutsam für erfolgreiche<br />
Führungsarbeit erachten, den die Soziologie<br />
als Interaktion bezeichnet. Dieser oft<br />
oberflächlich gebrauchte Begriff bedeutet<br />
nichts anderes als Kommunikation unter<br />
Anwesenden. Damit rücken sowohl der uralte<br />
Kern von Führung in den Vordergrund<br />
– also die physische wie psychische Nähe,<br />
der Blickkontakt, die nichtverbale Seite der<br />
Kommunikation und die Sprache – als auch<br />
durch die hohe Arbeitsteiligkeit unabdingbar<br />
Gewordenes wie Vertrauen und Kooperation,<br />
ein dosierter Umgang mit Macht<br />
und die Sinnfrage. Die in der erwähnten<br />
Studie befragten Ärzte sorgen jedenfalls<br />
für eine Überraschung: Sie sehen das Ende<br />
des traditionellen Rollenverständnisses von<br />
leitenden Klinikärzten voraus, das sich rein<br />
auf fachlicher Autorität gründet.<br />
Barrieren der Führung<br />
Die praktische Verknüpfung von hoher medizinischer<br />
Qualifikation mit besonderer<br />
Führungskompetenz ist weniger selbstverständlich,<br />
als es den Anschein hat. Schon<br />
die oft mit journalistischer Leichtfertigkeit<br />
hingeworfene Unterscheidung zwischen<br />
dem „harten“ und damit robusten Fachwissen<br />
und den das Führungsverhalten<br />
prägenden „soft skills“ schafft eine höchst<br />
unzweckmäßige Trennung. Doch stehen<br />
einem zeitgemäßen Führungsverständnis<br />
gerade in Experten<strong>organisation</strong>en wie<br />
dem <strong>Krankenhaus</strong> noch andere Barrieren<br />
im Wege. Wir möchten im Folgenden fünf<br />
solcher Hindernisse im Hinblick auf eine<br />
direkte, d.h. interaktionsbezogene Führung<br />
aufzeigen und zugleich Lösungsvorschläge<br />
beschreiben, wie sie sich aus der aktuellen<br />
interdisziplinären Führungsforschung ableiten<br />
lassen. Zuvor einige Anmerkungen zum<br />
Thema Führung im Allgemeinen.<br />
Die Eintrittskarte für eine<br />
Führungslaufbahn<br />
Führung – gemeint ist hier immer die Personal-<br />
oder Menschenführung – ist kontext-<br />
und kulturabhängig. Die vielfältigen<br />
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AKH LINZ<br />
Erfahrungen einschließlich der Handlungsmuster<br />
und Rollenspiele, von denen eine<br />
Führungskraft etwa in der Finanzdienstleistungsbranche<br />
oder der Konsumgüterindustrie<br />
geprägt wurde, lassen sich nicht<br />
so ohne weiteres auf eine Führungsposition<br />
in der Bildung oder dem Gesundheitswesen<br />
übertragen. Und innerhalb einer<br />
Kultur, in der „Tüchtigkeit“ – verstanden<br />
als strebsame Anwendung fachlichen<br />
Könnens – einen hohen Stellenwert besitzt,<br />
wird sich Führung anders darstellen<br />
als in einer Kultur, in der eher Wendigkeit<br />
und rasche Auffassungsgabe als logische<br />
Voraussetzungen für eine Führungsaufgabe<br />
zählen. Im deutschsprachigen Raum<br />
gilt jedenfalls der Ausweis hoher fachlicher<br />
Kompetenz nach wie vor als Eintrittskarte<br />
für eine Führungslaufbahn. So wird die<br />
tüchtigste Einkäuferin dann Einkaufsleiterin,<br />
der findigste Entwickler Leiter der<br />
Entwicklungsabteilung und der kundigste<br />
Zahlenjongleur Chef des Controlling. Wer<br />
fachlich kompetent ist, kann eben auch<br />
führen. Zur Not müssen Vorbilder aus der<br />
engeren Umgebung herhalten, von denen<br />
man sich Führung „abschaut“. Führung ist<br />
eben immer noch weit weg von dem, was<br />
man in anderen Berufsfeldern ähnlicher<br />
gesellschaftlicher Verantwortung „Profession“<br />
nennt. Dazu gehörten zumindest ein<br />
wissenschaftlich fundiertes Wissen, eine<br />
selektive Zulassung zu Führungspositionen<br />
und eine ethische Normierung.<br />
Der Mythos „Führungsstil“<br />
Wenn man Führung als sozialen Beeinflussungsprozess<br />
umschreibt, durch den<br />
gemeinsam mit anderen Menschen bestimmte,<br />
in der Regel anspruchsvolle Ziele<br />
erreicht werden sollen, stellt sich die Frage<br />
des Wie. Die orthodoxe Führungslehre hat<br />
darauf eine knappe Antwort: Es kommt auf<br />
den Führungsstil an. Neidvoll der scheinbaren<br />
Unbestechlichkeit der Naturwissenschaften<br />
folgend, wird dabei unterstellt,<br />
dass es einen „objektiven“ Führungsstil<br />
gibt. Unterschlagen wird, dass alles was<br />
sich zwischen Führenden und Geführten<br />
abspielt auf Interpretationen hinausläuft.<br />
„Wahrheit (gemeint auch als Objektivität)<br />
ist die Illusion eines Lügners“, meinte einmal<br />
Heinz von Foerster, einer der Vordenker<br />
des Konstruktivismus. Was nützen also<br />
Seminare über den „richtigen“ Führungsstil,<br />
wenn Geführte den Führenden anhand<br />
oft winziger Fingerzeige Führungsfähigkeit<br />
einfach zuschreiben oder ebenso einfach in<br />
Abrede stellen? Wenn fehlende Informationen<br />
über das Führungsverhalten aus dem<br />
Fundus der Lebenserfahrung der Geführten<br />
einfach ergänzt und zu höchst individuellen<br />
Erwartungsmustern zusammengesetzt<br />
werden? Oder wenn sich dank wirkmächtiger<br />
Gruppenprozesse Abteilungen, ja<br />
ganze Organisationen rasch darauf einigen,<br />
dieser Chef kann einfach nicht führen. Dabei<br />
ist die Führungskraft doch überzeugt,<br />
theoriekonform, also kooperativ, konsultativ<br />
oder gar situativ zu führen.<br />
Führen als „Entweder-oder“<br />
Zu den Prägungen unserer Kultur gehört<br />
auch das binäre Denken in der Kategorie<br />
des Entweder-oder. Viele Phänomene des<br />
sozialen Beeinflussungsprozesses „Führung“<br />
treten als Gegensatzpaare oder gar<br />
unversöhnliche Gegenpole auf: So hat Vertrauen<br />
immer das Misstrauen an der Hand;<br />
Nähe führt die Distanz mit sich, auf Offenheit<br />
regt sich die Schließung und so fort.<br />
Diese Pole erzeugen Handlungsdruck, da<br />
die verfügbaren Logiken nach der bisherigen<br />
Erfahrung einander widersprechen.<br />
Daraus entstehen für die Führungskraft<br />
Dilemmata. Wer z.B. ausschließlich Effizienz<br />
in den Vordergrund stellt, entscheidet<br />
sich gegen vorsorgliche Redundanz, wer<br />
nur auf äußere Kontrolle setzt, kann sich<br />
schwerlich auf ein hohes Maß an Vertrauen<br />
berufen, wer in der Organisation eine<br />
„Heldenkultur“ pflegt, dem kommen Vielfalt<br />
und Emanzipation gar nicht erst in den<br />
Sinn. In einer Kultur des Entweder-oder<br />
fordern Dilemmata eine vorschnelle Festlegung<br />
auf einen Pol geradezu heraus.<br />
Führungskräfte schlagen sich im Zweifel<br />
meist auf die Seite der „Strenge“, wo es<br />
um Straffung, Kontrolle, Effizienz, Geschlossenheit,<br />
Dynamik usw. geht.<br />
„Balanceakte“ zeitgemäßer<br />
Führung<br />
Solche Festlegungen, die vor allem auf einer<br />
kulturell geprägten Abneigung gegenüber<br />
einem „Sowohl-als-auch“ beruhen,<br />
engen die Handlungsmöglichkeiten der<br />
Führung unnötig ein. Wir möchten im Rahmen<br />
dieses Beitrags fünf solcher Führungshindernisse<br />
und ebenso viele „Balanceakte“<br />
der Führung beschreiben, die gerade<br />
in der Experten<strong>organisation</strong> <strong>Krankenhaus</strong><br />
den Weg zu sichtbarem Führungserfolg<br />
ebnen können. Es sind dies die Balanceakte<br />
Planen & Improvisieren, Vertrauen &<br />
Misstrauen, Komplexität reduzieren & aufbauen,<br />
Straffen & Lockern sowie Distanz &<br />
Nähe. Wir werden in der nächsten QUALI-<br />
TAS detailliert darauf eingehen. <br />
DR. KLAUS LUGER<br />
Abteilungsleiter Personal<br />
AKh Allgemeines <strong>Krankenhaus</strong> der Stadt<br />
Linz GmbH, <strong>Krankenhaus</strong>str. 9, A-4021 Linz<br />
Tel.: +43 (0)732/7806/3355<br />
klaus.luger@akh.linz.at<br />
AO. UNIV.-PROF. DR. HEINZ K. STAHL<br />
Interdisziplinäre Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich<br />
Orientiertes Management,<br />
Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 51,<br />
A-1090 Wien, Tel.: +43 (0) 2253/58150<br />
hks-research@utanet.at<br />
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