Patientensicherheit im Spiegel - Schaffler Verlag
SYMPOSIUM
Patientensicherheit im Spiegel
500 Experten und Praktiker aus Österreich, Deutschland,
der Schweiz und Südtirol trafen sich in Wien
Das 8. Internationale Symposium „Qualität im Gesundheitswesen“
des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) am 13.
und 14. Oktober 2008 stellte PatientInnensicherheit und Risikomanagement
in den Spiegel: Erfolgreiche Modelle in Gesundheitseinrichtungen,
aktuelle Ergebnisse aus Wissenschaft
und Praxis sowie methodische Handreichungen füllten den
Inhalt. Die große Zahl engagierter Gesundheits-Profis füllte
das Wiener Rathaus mit Energie: Das Thema wird auch in Zukunft
beides brauchen. Die QUALITAS war als Medienpartner
für ihre Leserinnen und Leser mit dabei.
Roland Schaffler
Warum gerade der KAV?
Die internationalen Symposien zum Thema
Qualität im Gesundheitswesen des
KAV sind die Begleiter und Brennpunkte
der Entwicklung der strukturierten Qualitätsarbeit
in Österreich von Beginn an.
Das diesjährige Thema liegt dem KAV offensichtlich
besonders am Herzen.
2005 wurde im Wiener Krankenanstaltenverbund
der Beschluss gefasst, in einem
Phasenkonzept systematisches Risikomanagement
(RM) einzuführen. Der Fokus
liegt auf der Minimierung von Risiken im
Kernprozess. Der KAV betrachtet RM als
präventiven Qualitätsansatz, der in die bestehende
Struktur der Qualitätsarbeit zu
integrieren ist.
Um MitarbeiterInnen für eine positive Fehlerkultur
zu sensibilisieren wurde RM auf
Führungskräftekonferenzen (Vision und
Wirklichkeit) vorgestellt und dort auch laufend
darüber berichtet.
Auf Pilotstationen werden Sicherheitsaudits
durchgeführt und anschließend
ein Critical Incidence Reporting System
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SYMPOSIUM
(CIRS) implementiert. Integrierender Bestandteil
ist ein Bearbeitungsmechanismus
für Meldungen. Risikoanalysen gemäß
ONR 43000 werden angeboten. Eine
Erfahrungsdrehscheibe im Intranet ermöglicht
den MitarbeiterInnen, erkannte Risikopotenziale
und gefundene Lösungen in
einer „Erfahrungsschatzkiste“ KAV-weit zu
publizieren.
KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold
eröffnete das 8. Internationale Symposium
„Qualität im Gesundheitswesen“ zum
Thema „PatientInnensicherheit/Risikomanagement
im Spiegel“. In Vorträgen,
Workshops und Diskussionen fand an
zwei Kongresstagen ein reger Erfahrungsaustausch
zu Themen wie Patientensicherheit,
Kommunikation als Risikofaktor
oder Risikomanagement und
Qualitätsmodelle statt. In weiteren Themen-Schwerpunkten
gab es unter anderem
die Möglichkeit, mit Praktikern über
den Einsatz der verschiedenen Critical Incident
Reporting Systeme auf Abteilungsbeziehungsweise
Hausebene zu diskutieren
(Riskmanagement-Werkzeugkoffer)
sowie die Möglichkeit, Strategien zur Krisenbewältigung
anhand realer Vorfälle zu
entwickeln.
Für erkannte Risiken, die im Gesamtunternehmen
KAV auftreten können und wo unternehmensweit
gleiche Maßnahmen zur
Risikobewältigung sinnvoll sind, werden
unter Einbeziehung der ExpertInnen aus
den Einrichtungen Leitlinien erstellt.
Experten aus dem deutschsprachigen
Raum zum
Erfahrungsaustausch im
Wiener Rathaus
500 Experten und Praktiker aus Österreich,
Deutschland, der Schweiz und Südtirol
nahmen am Symposium teil. Über
das große Echo der Veranstaltung freute
sich auch die zuständige Wiener Stadträtin
Wehsely: „Wir sind sehr stolz, dass so
viele internationale ExpertInnen unserer
Einladung nach Wien gefolgt sind, um ihre
Erfahrungen im Bereich Qualitäts- und
Riskmanagement sowie PatientInnensicherheit
zu diskutieren.“
Patientensicherheit
in A, D und CH
Im ersten Themenschwerpunkt ging es um
„Bündnisse für Patientensicherheit“. Wie
sind sie strukturiert, mit welchen Kompetenzen
sind sie ausgestattet und wem nützen
sie letztendlich? Drei ReferentInnen
aus der Schweiz, aus Österreich und aus
Deutschland lieferten dazu Antworten.
Marianne Gandon, Vizepräsidentin der
„Stiftung für Patientensicherheit“ aus der
Schweiz: „Die Zielsetzung der Stiftung ist
die Erhöhung der Patientensicherheit“.
Gandon weiter: „Durch Netzwerkbildung,
Förderung von Fehlermeldesystemen in
den Betrieben und Schulungsangebote
im Riskmanagement und Forschung soll
das hochbrisante Thema systematisch
auf nationaler Ebene bearbeitet werden.“
Das österreichische Äquivalent zur Schweiz
ist die „Plattform Patientensicherheit“. Erst
heuer wurde diese unter der Leitung von
Maria Kletecka-Pulker und Brigitte Ettl,
gegründet. „Ziel dieses Expertenforums
ist die Schaffung eines unabhängigen nationalen
Netzwerkes, dem alle relevanten
Einrichtungen und Experten des österreichischen
Gesundheitssystems angehören,
die sich mit Patientensicherheit beschäftigen.
Die nationalen und internationalen
Bemühungen unter dem Stichwort „Patientensicherheit“
zielen darauf hin, das österreichische
Gesundheitssystem für die
Patienten, aber auch für die Mitarbeiter in
den Einrichtungen sicherer und transparenter
zu machen.“
Das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“
stellt das deutsche Bündnis für PatientInnensicherheit
dar. Für Prof. Matthias
Schrappe, Vorsitzender des „Aktionsbündnis
Patientensicherheit“, sind die Ziele
dieser Einrichtung klar: „Es sind dies die
wissenschaftliche Evaluation der erarbeiteten
Empfehlungen, die Entwicklung von
kleinräumigen Messinstrumenten und von
Patientensicherheits-Indikatoren, die Messung
von Sicherheitskultur und natürlich
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die Intensivierung der
internationalen Zusammenarbeit.“
Die
Finanzierung ist laut
Schrappe bis Ende
2008 durch eine Projektförderung
des
Bundesministeriums
für Gesundheit gesichert.
Ab 2009, für
die nächsten fünf
Jahre, unterstützen
rund 20 Institutionen
des deutschen Gesundheitswesens
das „Aktionsbündnis
Patientensicherheit“. In Deutschland wurde
auch die Forschungs- und Geschäftsstelle
des APS (Institut für Patientensicherheit)
gegründet. Sie verfolgt die Ziele:
Evaluation von Interventionen, Erhebungsund
Messmethodik, Effektivität von CIRS,
Patientensicherheits-Indikatoren und Sicherheitskultur.
Die Aktualität des Themas, die Notwendigkeit
der Koordination und der akute
Handlungsbedarf sorgen also für den gleichen
Weg in den drei Ländern Schweiz
(Stiftung Patientensicherheit), Deutschland
(Aktionsbündnis Patientensicherheit)
und Österreich (Plattform Patientensicherheit).
Die österreichische Plattform ist die
jüngste und muss erst mit konkreten Inhalten
gefüllt werden. Mit Sicherheit war die
internationale Zusammenarbeit auch ein
wichtiger Motor für die Gründung.
Datenbedarf
Prof. Saskia Drösler von der Hochschule
Niederrhein befasste sich in ihrem Vortrag
damit, wie Routinedaten ein praxisorientiertes
Risikomanagement ermöglichen
können. In Österreich ist laut Einschätzung
des Gesundheitsministeriums (2004)
„der Bedarf nach aktuellen und möglichst
vergleichbaren Daten über Gesundheitsversorgungssysteme,
insbesondere auch
über den Spitalssektor, europa- bzw. weltweit
(z.B. OECD, WHO) stark steigend
und Definitionen und Inhalte der österreichischen
Dokumentation in Zukunft an
internationale Standards anzupassen.“
Während z.B. in Deutschland verpflichtend
aufgrund ausgewählter Leistungsdaten
Qualitätsbeurteilungen abgeleitet werden
(Projekt BQS = externe Qualitätssicherung
mit Bewertungen – alle Ergebnisse werden
im jährlichen Qualitätsreport im Internet
veröffentlicht), werden diese Daten in Österreich
nur freiwillig erhoben.
QM und RM – ein Paar?
Der viel diskutierten Frage zum Verhältnis
von QM und RM ging Peter Gausmann
(Gesellschaft für Risikoberatung) in seinem
Vortrag „Wieviel QM braucht die Pa-
Strukturierte Risiko- Strukturierte und Schadenanalyse Risiko- und mit Schadenanalyse unserem mit un
Auditinstrument Auditinstrument
Professionelles Fehlermanagement Professionelles Fehlermanagement mit unserem CIRS mit unserem
Qualifizierte Fortbildung Qualifizierte mit unserer Fortbildung eLearning mit unserer Plattform eLearning
Wissen • Erfahrung Wissen • Methoden
• Erfahrung • Methoden
GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung GRB Gesellschaft mbH für Risiko-Beratung mbH
Klingenbergstraße • Klingenbergstraße Detmold • Detmold
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E-Mail info@grb.de • www.grb.de E-Mail info@grb.de • www.grb.de
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Elmargasse - • A- Wien Elmargasse - • A- Wien
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www.eghv.at
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tientensicherheit?“ nach. Die Definitionen
von Qualität und Risiko wurden in den
Zusammenhang des aktuellen Trends „Patientensicherheit“
gestellt und verknüpft
mit der retrospektiven und prospektiven
Sichtweise. Gausmann sieht beide, Qualitäts-
und Risikomanagement, als Förderer
der Patientensicherheit: Risikomanagement
operationalisiert dabei das Qualitätsmanagement
für die Praxis. Wobei Risikomanagement
mehr als einfach CIRS ist: es
geht um die Synergie von Instrumenten,
wie der retrospektiven Schadenfallanalyse
und der prospektiven Risikoauditierung.
Die Diskussionen über die Beziehung des
Paares QM und RM finden eine konstruktive
Lösung in seinem Abschlussstatement:
„Ausgerichtet an Werten, organisiert
im QM und kontrolliert und gesteuert durch
das Risikomanagement wird PatientInnensicherheit
aufgebaut.“
Praktisches Wissen
Viele weitere Vorträge und Workshops
wurden in Parallelveranstaltungen von
den Teilnehmern genützt. Im Rahmen des
Schwerpunktes „Werkzeuge im RM“ wurden
die Methoden der Root Cause Analysis
und der Risikoanalyse praxisbezogen
mit den TeilnehmerInnen durchgearbeitet.
Verschiedene angewandte Systeme in
Krankenhäusern zur Meldung von erkannten
Risiken/Fehlern (CIRS, CIRPS und
PaSIS) wurden demonstriert und auf ihre
Eignung abgeklopft, inwieweit sie direkte
und systemische Ursachen analysieren
und Sicherheitslücken wirklich schließen
können. Interaktive Settings und Runde
Tische sorgten für den regen Austausch
zwischen Publikum und Vortragenden.
Um den Weg von der Strategie zum Tun
nachvollziehen zu können, wurde eine Expertendiskussion
angeboten, bei der sich
die Teilnehmer über die Strategien von
verschiedenen Krankenhausträgern zur
Implementierung von Risikomanagement
informierten.
Berichte aus der Praxis zeigten an vier
Runden Tischen die Erfahrungen der Anwender
von RM. Insbesondere unter dem
Blickwinkel von QM-Systemen ist z.B. im
Krankenhaus Ried Risikomanagement Bestandteil
des KTQ- und pCC-zertifizierten
QM-Systems. Das LKH Villach arbeitet
im Rahmen der Joint Commission Akkreditierung
mit explizit definierten Patientensicherheitszielen,
die aufgrund von
längerfristigen Beobachtungen der Joint
Commission definiert wurden (Korrekte
Identifizierung des Patienten, Verbesserung
der Effizienz in der Kommunikation,
Verbesserung der Sicherheit bei Hochrisikomedikamenten,
Verbesserung der Sicherheit
im OP-Bereich, Verringerung des
Risikos von HCA-Infektionen und Verringerung
des Risikos von Stürzen).
Die Vorträge und Materialien des Symposiums
stehen für Interessierte zum Download
bereit: www.wienkav.at/kav/quas08/.
Coming together is a success
Die Vielzahl engagierter Vortragender
und interessierter Teilnehmer aus verschiedenen
Regionen und Nationen, das
ausgewogene Verhältnis von Plenarbeiträgen
und interaktivem Arbeiten und die
Darstellung der unterschiedlichen Ebenen
und Aspekte von Patientensicherheit und
Risikomanagement brachten jedenfalls Erkenntnisse
und Inhalte, die für die nächsten
Schritte im eigenen Arbeitsbereich
für viele wertvoll sein werden. Natürlich
brachten die vielen interessanten Angebote,
die gleichzeitig gemacht wurden,
auch die Qual der Wahl. Das „Spiegel-
Symposium“ hat das Interesse am Thema
RM gefördert. Ganz sicher verfügen nach
dieser achten Veranstaltung aus der „Qualitätsserie“
des KAV alle Teilnehmer über
neue Kontakte und neue Wissens- und
Energiequellen für ihre praktische Arbeit
für mehr Patientensicherheit. Und die als
Synthese aus 242 internationalen Arbeiten
relativ gut abgesicherten Zahlen aus dem
Vortrag von Prof. Schrappe zeigen, dass
wir diese im Gesundheitswesen sehr nötig
haben: Für Patienten im Krankenhaus liegt
das Risiko, Opfer eines Behandlungsfehlers
zu werden, bei 1:100. Die Chance, daran
zu sterben, beträgt 1:1000. Die Wahrscheinlichkeit,
durch einen Autounfall ums
Leben zu kommen, ist zum Vergleich nur
rund 1:10.000.
Patientensicherheit ist ein Thema. Das
Symposium wurde ihm gerecht. ■
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