Saisonvorschau 2010/11 - Schauspielhaus Zürich
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Ödipus<br />
Ein Projekt nach Aischylos, Sophokles<br />
und Euripides<br />
Regie Sebastian Nübling<br />
Bühne und Kostüme Muriel Gerstner<br />
Musik Lars Wittershagen<br />
„Oedipus, der Sohn des Laïos, Königs von Theben und der Iokaste, wird als<br />
Säugling ausgesetzt, weil ein Orakel dem Vater verkündet hatte, der noch<br />
ungeborene Sohn werde sein Mörder sein. Er wird gerettet und wächst als<br />
Königssohn an einem fremden Hofe auf, bis er, seiner Herkunft unsicher,<br />
selbst das Orakel befragt und von ihm den Rat erhält, die Heimat zu meiden,<br />
weil er der Mörder seines Vaters und der Ehegemahl seiner Mutter werden<br />
müsste.“ So beschreibt Sigmund Freud den Ausgangspunkt eines der<br />
bekanntesten Mythen der abendländischen Kultur und bereitet seine<br />
bahnbrechende Theorie vom Ödipus-Komplex vor. „Wo findet sich die<br />
schwer erkennbar dunkle Spur der alten Schuld?“ fragt Freud mit Sophokles.<br />
Denn Ödipus muss, nach zehn Jahren friedlicher Regentschaft in Theben,<br />
unwissend sich selbst als Mörder des Laios suchen.<br />
Der Ödipus-Mythos erzählt von der Unterwerfung des Menschen unter das<br />
Lustprinzip, von den Trieben des Vatermords und Inzests, von der Gier nach<br />
der Macht und dem unbedingten Willen, für die eigenen Überzeugungen in<br />
den Tod zu gehen, und stellt damit Fragen nach dem Wesen des Menschen,<br />
den Grenzen menschlicher Selbstbestimmung und den Möglichkeiten eines<br />
gesellschaftlichen Miteinanders. Sebastian Nübling erzählt die Geschichte<br />
von Ödipus und seinem Geschlecht neu und von ihren Anfängen bei Laios<br />
und Iokaste bis hin zu den Schicksalen seiner Kinder Polyneikes, Eteokles,<br />
Antigone und Ismene und greift dafür auf weitere antike Tragödien zurück:<br />
Aischylos’ „Sieben gegen Theben“, Sophokles’ „Antigone“ und „Ödipus auf<br />
Kolonos“ sowie Euripides’ „Die Phönizierinnen“.<br />
Sebastian Nübling wurde 1960 in Lörrach geboren und studierte<br />
Kulturwissenschaften und angewandte ästhetische Praxis in Hildesheim.<br />
In den letzten Jahren inszenierte er vor allem am Theater Basel, an den<br />
Münchner Kammerspielen und am Deutschen <strong>Schauspielhaus</strong> in Hamburg.<br />
Nach seiner Inszenierung von Gogols „Der Revisor“ (2009) setzt er seine<br />
Arbeit am <strong>Schauspielhaus</strong> Zürich nun fort. Seine Arbeiten, die meist in<br />
Zusammenarbeit mit der Bühnenbildnerin Muriel Gerstner und dem Musiker<br />
Lars Wittershagen entstehen, wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet<br />
und zum Berliner Theatertreffen eingeladen.<br />
Premiere im Januar 20<strong>11</strong> im Schiffbau/Halle<br />
Die schwarze Spinne<br />
nach der Novelle von Jeremias Gotthelf<br />
Regie Frank Castorf<br />
Bühne Hartmut Meyer<br />
Kostüme Joki Tewes &Jana Findeklee<br />
„Über die Berge hob sich die Sonne, leuchtete in klarer Majestät in ein<br />
freundliches, aber enges Tal und weckte zu fröhlichem Leben die Geschöpfe,<br />
die geschaffen sind, an der Sonne ihres Lebens sich zu freuen.“ Jeremias<br />
Gotthelfs Novelle von 1842 beginnt mit einem biedermeierlichen Idyll, einem<br />
sonntäglichen Tauffest in einem reichen Emmentaler Bauernhof. Doch führt<br />
eine harmlos gestellte Frage nach der Beschaffenheit eines schwarzen<br />
Fensterpfostens tief hinein ins finsterste Mittelalter und in eine vom Teufel<br />
regierte Welt, wohl auch in die Abgründe des menschlichen Wesens. In<br />
dieser von Gotthelf heraufbeschworenen Welt müssen die Bauern harte<br />
Fronarbeit für fremde Herren verrichten. Der (deutsche) Ritter Hans von<br />
Stoffeln verbreitet auf seiner Burg Angst und Schrecken. Und als dessen<br />
Anforderungen ins Unermessliche steigen, wagt Christine, eine als wild und<br />
gottlos beschriebene Frau, den Pakt mit dem Teufel, dem „Grünen“. Ihr<br />
Teufelskuss bringt für die Talbewohner vorübergehend Entlastung, auf lange<br />
Sicht aber wird der Schrecken zur Apokalypse. Christine wächst an der<br />
Kussstelle ein schwarzes, spinnengleiches Zeichen, bald wird sie selbst zur<br />
Spinne, die mordlüstern Menschen anfällt. Besiegt wird sie erst durch eine<br />
gottesfürchtige Mutter, die unter Einsatz ihres Lebens die Spinne in eben<br />
jenem Fensterpfosten einlocht, bei dem die Geschichte ihren Ausgang<br />
nahm. Aber auch dieser Sieg über das Böse ist nur vorübergehend…<br />
Jeremias Gotthelf (1797–1854) hat mit „Die schwarze Spinne“ eine der<br />
literarisch einflussreichsten Erzählungen der Schweiz geschaffen. Sowohl auf<br />
der allegorischen als auch auf der sozialen Ebene wird das Bild eines latent<br />
gefährdeten Friedens gezeichnet. Das Kollektiv scheint einem Teufelskreis<br />
von Sorge um sich selbst und Verantwortung für den anderen unterworfen.<br />
Ihre Sprachkraft hebt die Geschichte weit über eine Moralverkündigung<br />
hinaus.<br />
Frank Castorf, geboren in Ost-Berlin und seit bald 20 Jahren Intendant der<br />
Berliner Volksbühne, ist als Bearbeiter von Prosa für die Bühne eine Instanz.<br />
Er inszenierte die grossen Romane Fjodor Dostojewskis, ausserdem Werke<br />
von Michail Bulgakow, Louis-Ferdinand Céline und Alfred Döblin („Berlin<br />
Alexanderplatz“, Premiere 2001 in der Schiffbau-Halle). <strong>2010</strong> gab er sein<br />
Schweiz-Comeback mit „Der Hofmeister“ von Jakob Michael Reinhold Lenz.<br />
Premiere am 20. Januar 20<strong>11</strong> im Pfauen